hermann weyl, ueber die neue grundlagenkrise der mathematik

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  • 8/7/2019 Hermann Weyl, Ueber Die Neue Grundlagenkrise Der Mathematik

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    tiber die,neue Grundlagenkrise der Mathematik[Vortragc, gchaltcn im :\Iathcmatischcn Kolloquium Ziirich)l\[athematische Zcitschrilt. /0, p.39-i!l (1921)

    Die Antinornien der ~Iengenlehre werden gewohnlich als Grenzstreitigkeitenbetrachtet, die nur die entlegensten Provinzen des mathematischen Reichs an-gehen und in keiner Weise die innere Soliditdt und Sicherheit des Reichesselber, seiner eigentlichen Kemgebiete gefahrdcn konncn. Die Erklarungcn.welche yon berufencr Seite fiber dicse Ruhestorungcn abgegeben wurdcn (inder Absicht, sic zu dementieren oder zu schlichten), tragen aber fast aIle nichtden Charakter ciner aus vollig durchleuchteter Evidenz geborenen, klar aufsich sclbst ruhenden Uberzcugung, sondern gehoren zu jencr Art von halb bisdreiviertel ehrlichen Selbsttauschungsversuchen, dcnen man irn politischen undphilosophischcn Denken so oft begegnet. In der Tat; jede ernste und ehrlicheBesinnung muss zu der Einsicht fuhren, dass jene Unzutraglichkeiten in denGrenzbezirken der Mathematik als Syrnptome gewertet werden mtisscn ; in:'ihnen kommt an den Tag, was der ausserlich glanzende und reibungslose Be-~trieb im Zentrum verbirgt : die innere Haltlosigkeit der Grundlagen, auf denender Aufbau des Reiches ruht. Ich kenne nur zwei Versuche, das Ubel an derWurzel zu packen. Der eine ruhrt von BROUWERher; schon seit 1907 liegengewisse richtunggebende Ideen der von ibm angestrebten Reform der Mcngen-lehre und Analysis vor; doch hat er erst in den letzten Jahren seine Ansatze zueiner konscquenten Lehre ausgebildet '). Unabhiingig davon habe ich 1918 ineiner Schrift, Das Kontinuum, lang gehegte Gedanken zu ciner neuen Grund-legung der Analysis ausgcstaltets). Die vorliegenden Schwierigkeiten lassen sicham besten am Begriff der reellen Zahl und des Kontinuums klarmachen; ichwill deshalb auch hier wieder davon ausgehen und zunachst kurz tiber dasWesentliche meines Versuchs, hernach in freier \Veise fiber die BuouwsnschcnAnsatze berichten.

    I: - ,

    1) Siehe namentllch die Dissertation Ou, dt "olldslagm der rdsk'IIIJ .. (Amsterdam l!lOi), dellAufs01tz in der Tij,lschrift voor wtjsbegeerte :? , 152-158 (HlOS), dell im Dull. Amer. : \I01lh. Soc. 20,81-96 (1913), verijl~ntlicbten Vortrag Intuitionism alld Formalism, die Abhandlungcn B~g"lI1JUI'gtier AIellgmld"e ,,,,abhtillgig vam logischm SlIt: t'OlII ausg(schiossmm Dritten, Verh, K. Akad,Wetensch. Amsterdam UJJS, 1919, und den Artlkel Intultionistisch .1/('I);(II/(h't. Jbcr. dtsch, r-M01tb.-Vereinigung 19/9,203-20:1.

    I) Vgl. auch meinen Aursatz Der Circulus I'iliosus ill de, ht'utigm B. .g , a . w , m c der :lnal ysis,Jber. dtsch.llnlb.Vercinigung 1919, 85-92.

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    2. Die ~onstruktionDie auf recite Zahlen bczuglichen Existential -Aussagcn und, wic wir hinzu-

    fligen konnen, die auf sic beznglichcn allgcmeinen Aussagen (sie konncn alsnegative Existentialurteile ausgclcgt werden) bekommen, wie wir sahcn, nurdann einen Sinn, wcnn wir den schrankcnIoscn und umfangsvagen BcgriffItEigensehaft rationaler Zahlen zu cinem umfangs-dcfinitcn x-Eigcnschaft seinschranken. 'Vic soil das geschehcn ? Ein Blick .auf das konsl ruld iuc Vcr jahrender Mathematik giht darauf die Antwort. Ich sagte schon oben, dass allc

    Eigcnschaftcn und Relationcn (die Eigcnschaftcn kUIIIIl'!1 wir imrucr mit alsRclationen rcchncn, cs sind Relationcn mit nur cincr L'nbcstinnutcn) auswenigen ursprunglichcn Rclationen auf rein logischcm \Vcge aulgcbaut wer-den. Der Aufbau gcschieht mit lI ilfe wcniger logischer Konstruktionsprinzipicn,welchc in dell Wor ton nicht , und , odor, Ices gibt cnthaltcn sind undwe1che lehrcn, wit ' aus ciner oder zwci schon konstruierten Rclat ionen cine neuehergelei tc t wird, Sic spiclen irn Gebicte der Rclationen die gk-iche Rolle wiedie vier Spezies im Gehiete dcr rationalen Zahlen, die ja auch dutch ihreWicdcrholung in belicbigcr Anzahl und Kombination gestatten, von dcr Zahl 1aus aile rationalen Zahlen zu erzeugen. Die Konstrukt ionsprinzipien regcln dieGenesis der Eigenschaften und Relat ionen, sic dcfiniercn auf genet ische Weise ~den umfangs-dcfiniten Degriff der x-Eigenschaft und z-Relat ion. Es ist abcr dasVerhangnis bisheriger Analysis, dass sic unter ihren Konstruktionsprinzipienauf Schritt und Tritt aueh das folgende bcnutzt: Ist A cine Eigenschaft von

    I Eigenschaften, so crzeuge man daraus die Eigenschaft (fA, welche einer ratio-nalcn Zahl x dann und nur dann zukornmt, wcnn sich mit Hilfe der Konstruk-tionsprinzipien (insbesondere auch dicscs Prinzips sclbst!) cine Eigcnschaft vonder Art A bilden l fi sst, welche der Zahl x zukornmt. Solche Regel ist aber alsKonstruktionsprinzip natUrIich sinnlos; d ie Fehlcrhaftigkeit des Zirkcls ist [a

    I hier mit Handcn zu greifcn.Dass das Bild nicht gar Zll unbestimmt bleibe, will ich die tibrigbleibcndcn

    zirkelfreien Dcfinitionsprinzipien hicr kurz kennzcichncn.1. Idenii[izicrung mchrercr Unbestimmten; so cntsteht aus S(x y) ((X ist

    Neffc von y ) ) : N (x x) ((X i st Neffe von sich selbcr.2. Negation; nus N (x y) entsteht N{x y) !IX ist nieht Neffe von y)) .3. Verknilpfung zwcicr Relat ionen durch und; dabei muss angegebcn wcr-

    den, wie dic Unbcstimmten beider Relationen miteinander zu idcntifiziercnsind; z.B, aus N t y) und V( x y) ((X ist Vater von y. die tcmare RelationN (x y ) V(y z) ((X is t Neffe von y und y Vater von z .

    4. Verknupfung zweier Rclationen durch odcr,5. Ausliilllllzg ciner Unbcst immtcn durch cincn gcgebcncn Gcgcnstand ; ausI{n n') die nati ir liche Zahl II' folgt auf II" cntsteht so z. B. dic Eigenschaft

    1(5,,') mit der Unbestimmten 11' : (I1f' folgt auf 5)).6 . Ausfii llung eincr Unbestimmten durch ICCS gibt; aus der Relation i "( I I I1 ' )

    geht so die Eigenschaft f{. ,,')hcrvor mit der Unbestimmten II': cs giht cineZahl, auf wclche ,,' folgt (sic kornmt allen Zahlen ausser 1 zu).

    In allen Teilcn dcr Mathematik findct man, dass sieh die Xoubildung vonEigenschaCten und Relationen durch kombinierte Anwendung dieser Prinzipienvollzieht. Sebald aber die Mengenlehre eine Rolle zu spielen heginnt, reichcn

    '\ sie nicht mehr aus: diose namlich bcruht darauf , dass sic auch die Eigcnschaftcn ''und Relationcn als Gegenstande bct rachtet , zwischen denen neue Relat ioncn 1 -bestehcn konncn: sic bi ldct Mcngen, l [engen von Mcngcn usf. Relationcn kon-nen dann cbensogut wic die urspriinglichen Gcgenstilnde als Argumente in

    x-Eigenschaftcn konstruicrt ist , stets mit cincr bcstimmten z-Eigonschaft urn-fangsglcich ist. Dies ist nicrnals vcrsucht worden; es licgt nicht das lcisestcAnzcichcn dafur vor, dnss cine solchc Konstruktion mtiglich ist ; sic ist vonvornherein so ungchcucr unwahrscheinlich, class mall niemandem vernunltigcr-wcise zumuten kann, danach 1.11 suchcn,

    Wir Iixieren -die gcwouncne Einsicht , o lmc uns auf due ticfere erkcnntnis-thcoret ischc Analyse einzulasscn, mit den Iolgendcn \ \'orten. Durch den Sinncines klar und cindcutig festgclcgtcn Gcgcnstandsbcgriffs mag wohl stc ts denGcgcnstl lnden, wclchc des im Bcgriffc ausgcsprochcncn Wesens sind , ihre Exi-stcnzspharc angcwiesen scin ; abcr es ist darurn keincswegs ausgemacht, dassder Begriff cin 11ll1/tIIl);S-cic/illitt'r ist, dass es einen Sinn hat, von den untcr ihnfallcndcn cxisticrcndcn Gcgcustlindcu als eincm an sich bestimrntcn und be-grcnzten, ideal geschlosscncn Inbcgriff zu sprechen, Dies schon darum nicht ,weil hier die ganz neue Idee des Existicrens, des Daseins, hinzutritt, wiihrendder Bcgrif f nur von eincm Wesen, eincm So-Sein handclt. Zu diescr Voraus-setzung scheint allein das Beispiel des wirklichen Dinges im Sinne dcr realenAussenwclt, welchc als cine an sich sciende und an sich ihrcr Bcschaffenheitnach bestimmte gcglal lh t wird, vcrfiihrt zu haben. 1st (f cine ihrcrn Sinne naehklar und cindcutig gegcbcnc Eigcnschaft dcr unter eincn Begriff B fallendenGegenstiinde, so behauptet fiir eincn bcliebigcn dcrartigcn Gegenstand x dcrSatz: x hat die Eigenschaft (f, eincn bcst immten Sachverhal t, der bestcht odernicht besteht; das Urteil ist an sich wahr oder nicht wahr - ohne Wandel undWank u~ldohne llOglichkeit irgendeines zwischen diesen belden entgcgengesetz-ten vcrmittelndcn Standpunktes. 1st der Bcgriff B insbesondere urnfangs-definit, so hat aber nicht nur die Fruge "Hat x die Eigenschaft (f? II Hir cinenbelicbigen unter B fallcnden Gcge'nstand .veinen in sich klarcn undeindeutigenSinn, sondcm auch die Existcnzfragc Gibt es cincn unter B fallenden Gegen-stand, welcher die Eigenschaf t ~ besitzt ? Gestutzt auf den uns in der An-schauung gegebenen Erzeugungsprozess der natiirlichcn Zahlen, halten wirdaran fest , dass der Bcgriff der nat iir liehcn Zahl umfangs-dcfini t i st ; ebcnso istes dann mit den rationalen Zahlen bcstellt. Nicht umfangs-definit sind aber Igewiss die Begriffe Gcgenstand, Eigenschaft nati ir licher Zahlcn und dhn- r . .l iehc. Es ist wertvoll, sich nicht hloss durch die oben angestelltcn Uberlcgungendessen i ibcrfi ihren zu lassen, sondern diese Tatsache in unmittelbarer Einsichtzu ergreifen.

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    216andcrn }{elatiOllt :1Iauf tretcn. Die :\[ iigl irhk, it dazu liefert Iolgendcr Kunst-griff. Einc Aussagc wie ctwa "die Rose ist rot" wird nicht mehr dern Schemau.\" ist rot" untcrgcordnot, sondcrn dcm allgcrnoincrcn I'x hat die Eigcnschaft E ".aus welchcm sic

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    21S 219so gl'nii diescs umfangs-definite'" System dcr Euklidischcn Zahlcn, 1lI11 inncrhalb seiner allc Konstruk-tionen de; Eukl idischcn Geometric auszuffihrcn. Trcibt man Eukl idische Geo-metric, so kann man sich also auf das System dcr Punkte beschrankcn, dercnKoordinatvn Eukliclische Zahlcn sind; die kontinuierlichc Raumsaucc, wclchczwischen ihnen ergosscn ist, tr itt gar nicht in die Erscheinung ; [enos System!icfert uns ein in sich bestimmtes und begrcnztcs Konstruktionsfcld, i iber daskeine Operation der Euklidischen Geometr ic hinausfiihrt. Uns ist cs hicr gc-Iungcn, indem wir statt der vier Spczies und der Quadratwurzclopcrationgewissc andere, logischc Konstruktionsprinzipien in geringcr Zahl zugrundelegten, ein umfangs-dcfinitcs Zahlcnsystcm zu crzcugen, innerhalb dcssen nichtbloss die Konstruktioncn der Euk!idischen Geometric , sondern die viel a llgc-meineren Konst rukt ionen der Analysis (sofern sie den Charakter des Circulusvi tiosus nicht an dcr Sti rn t ragen) unbeschrankt ausfuhrbar sind. Insbesonderegilt inncrhalb dieses ,,\ \"EYLSChenZahlsystems das Cxucnvsche Konvergenz-prinzip, und cs gilt auch der Satz, dass eine stetige Funktion aile Z~\'ischenwer~eannimmt; - naturlich filr solche Funktionen und Zahlfolgen, die selbst mitHil le unsercr Konstruktionsprinzipien aufgebaut sind. Wenn ich hernach dazugelangen werde, meine eigene Theorie prciszugcben, so ist es wohl erlaubt , diesihr Verdicnst hicr mit Nachdruck hervorzuhebcn. Xie war es meinc Mcinung,dass das in der Anschauung gcgebenc Kont inuum cin WEYLSches Zahlsystcmist ; viclmehr, dass die Analysis lcdigl ich cines solchen Systems zu ihrcn Kon-struktioncn hedarf und sich urn das dazwischen ergossene Kontinuum nichtzu ki immern braucht . Die logischcn Konstrukt ionsprinzip ien sind nicht klinst-lich erdacht; sic haben jedenfalls eincn weit naturlicheren Charakter als diefUnf Operationen, mit Hilfe derdr man das System der Euklidischen Zahlcngewinnt. Sic dienen nicht nur dazu, die reellen Zahlen selbst, sondcrn auchPunktmengen und Funktionen rceller Variablen zu konstruieren. Hier sindgleichfalls die (niemals exakt formuliertcn und best~ndig im. FI~ss der En~-wicklung begriffenen) algebraisch-analytischen Operationen, mit Hille derer dieAnalysis des 17. und 18. Jahrhundcrts ihre Funktionen aufb~utc, urn de~ ~ll-gemeinheit willen durch rein logische zu ersetzen. Dennoch bleibt man gcnotlg~,sich auf einen Kreis von Funktionen und ~Jengen zu beschranken, welche mitHilfe solcher Konstrukt ionsprinzipien gewonnen werden, darf dem Bcgriffenicht jene umfangsvage Allgemeinheit lassen, die heu~e fiblic~ ist, \~enn gene-relle und Existentialurteile tiber ~Iengen und Funktionen emen Sinn behal-ten sollcn.Einige Konsequenzen dieser Lehr~ sind schon im vorangehenden gest rci ftworden. Wir orwahnten , dass das CAUCIIYScheKonvergenzprinzip fil r Zahl-folgen zu Recht bestcht, ebenso die Hauptsatze i lbcr stc tige. Funk~.i~nen. OcrSatz hingegen, dass cine beschrankte Punktmcnge stets eme prazise obereGrenze bcsitzt, muss aufgegeben werden, und es ist gar nicht daran zu denkcn,dieses Dirichlctsche Prinzip irgendwie zu retten. - 'Vie steht es mit derAbziilzlbarkeil des Kontinuums] Die Rrcnaunschc Antinomic bekommt hier im1 folgendcn Sinnc Recht : :\ [an kann offenbar die Anwendung der logischen Kon-

    struktionsprinzipicn so regulicrcn, dass in eincrn geordncten Entsteltu!I;'::il'r"l.t'''';die definiten Eigcnschaftcn und Rclationen in bestinuntcr Reiltenfolge erschci-nen, wobei man die Sicherheit hat, dass [cdc derartigc Relation an cincr ge-wissen Stel le des Prozesscs crzcugt worden wird. Damit is t dann auch insbcson-dere das System der recllen Zahlcn (in unserm Sinne) in cine abg('l.:ihltt:Reihe gcordnct, Aber in einem andcrn und offenbar in dcr Mathcmattk allcinin Bctracht kommendcn Sinnc bleibt die Giiltigkeit von CA~TOIlSIk-hnuptung,das Kont inuum sci nicht abzahlbar, sowie dec von ihm gcftihrte Hewcis durch-aus zu Rccht bestehen: Es gibt kcinc defini te , mi t Hil fe unsercr Konstruktions-prinzipicn aufzubaucndc Relation Ri, 1 1 ) zwischen einer willktirljchcn ratio-nalen Zahl x und oiner willkiirlichen natiirlichcn II, von der Art, dass zu jederdcfiniten Eigenschaft rationaler Zahlen E(;~), welche cine reclle Zahl bestimmt(die Abschnittseigenschaft bcsitzt), cine natilrliche Zahl It gehort, Iur welchcdie Eigenschaft R(., II ) mit E(.) umfangsglcich ist. Und diese Aussage geniigtauch vollstandig, urn daraus die von CA~TORgezogencn, mathematisch belang-reichcn Foigerungen Zll ziehen, z, B. die Existenz t ranszendentcr Zahlcn. Ver-steht man aber Abzahlbarkcit in diesem Sinne, so liegt natiirlich nicht dermindeste Grund vor, ZlI glauben, dass in [cder uncndlichen :\Jcnge cinc abzahl-bare Tci lmenge onthaltcn sein miisste ; d ie Ltickcnlosigkcit der x's ist schonbei dem Ubcrgang von den endlichen Kardinalzahlen zu ~o in kciner Weisemehr gewahrlc iste t. - Endlich sci noch cine Bcmerkung tiber die Begriindl lngder Geometrie hinzugef tigt. Da die Punkte, sofern dcr Begriff der recllcn Zahlin seiner umfangsvagen Allgemeinheit belasscn wird, keinen in sich bestimmtcnund bcgrenzten Inbegriff b ilden, is t es widersinnig, auf dieser Grundkategoricvon Gegcnstanden in analoger Weise die Geometr ic zu er richten, wic hier an-deutungsweisc der Aufbau der Analysis auf dem Fundament des Begrif fs dcrnatiirlichen Zahl vollzogen wurde, Vielmchr sind wir, urn ein umfangs-dcfinitesSystem von Punkten zu erhalten, angewiesen auf ihre logisch-arithmctischcKonstruktion. Die Stetigkeit in der Geometric lasst sich also durch kcinAxiom des DEDEKINDschen Schnitts oder derglcichen fassen; Stetigkcitsgco-metr ic lasst sich gar nicht als cine selbstandigc axiomatischc Wisscnschaftbetreiben, sondern man muss analytisch verfahren: Ubertragung dcr fl~rtigentwickelten Analysis in die Sprache der Geometric mit Hilfe des Ubcrtrugungs-prinzips, das im Koordinatcnbegriff liegt.

    II. DAS KONTINUU~I ALS lIEDIU:\I FREIEX WERDEXS1. Die Grundgedanken

    Wir hcbcn von neuem an und gehen diesmal von ciner etwas andcrn Auf-fassung der rcellen Zahlcn aus, welchc ihr Wesen reiner zum Ausdruck bringt,Wenn cine reelle Zahl ex . bekannt ist his zur "-ten Dczimalc mit einem Fchlcrklciner als 1 der "-ten Dezimalc, so ist damit cin die Zahl ex . im Inncrn cnt-haltendes Intervall ungewiescn, das von cincr Zahl ( 1 1 1 - l)/lOh bis zur Zahl

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    221)(m-i -1)/ lOh reicht : dabei ist lIZ cine gewissc gauze Zahl. Ersctzcn wir dieDezimalbri iche um der mathomatischcn Einfachhcit willcn durch Dualbnichc,so worden wir al so der Definition der rcel lcn Zahlcn die Dual intc rva llc vonder Form '

    zugrunde legcn, \\'0 11 1 und h bcliebige ganze Zahlcn sind. Das hingcschriebcneist insbesondere ein Intervall "von der II- ten Stufc, Die Dualintervallc h-ie:Stufe greifcn iibcrcinandcr ; wir musscn diese s ich iiberdeckenden Intcrvallebenutzen und nicht etwa dicjcnigen, in welche die Zahlgcrade durch die Punktevon der Form 1 1 1 / 2 / zerlegt wird, darnit immer, wcnn eine recIle Zahl mit einemgewissen (von It abhiingigen) Grad der Genauigkeit gegeben ist , mit Bes tirnmt-heit eines unte rden Interval len It-te r Stufe angegeben werden kann, in welchesdie Zahl notwcndig hineinf ii lI t. Der Begrif f der reellen Zahl, als einer zioar nurapproximativ gcgcbc l l tm Z alz l./iir io el ch e s ic h a bc r d er G ra d d er A nn dh eru ng ilb er[ede Grenze i r eiben l ii s s! . ist demnach einfach so zu formulieren: Eine reelIeZahlist cine unendliche Folge von Dualintervallen i, i', i", '" von der Art, dassjedes Intervall dieser Rcihe das nachstfolgcnde ganz in seinem Innern enthiil t.Da jcdes der Dualintervallc durch zwei ganzzahlige Charakterc gekennzeichnetwerden kann ( 1 1 1 und h in dcr obigen Bczeichnung) und das Enthaltense in c inesInterval ls in einem andern sich durch cine einfache Relat ion zwischen diesenihren Charaktercn ausdriickt , so bcdeutet es nur cine unwcsentliche Verein-fachung unserer Uberlegungcn, wcnn wir zunachs t s tatt der Folgen ineinandergeschachtclter Dualintervallc keiner Einschrankung unterworfene Fo lgen na ii i r-licher Z"lzlen betrachten. IDie Schwierigkeit liegt im Begri ff der Folge. Wenn der heutigen Analysisiiberhaupt ein Standpunkt zugrunde liegt, von dem aus ihre Aussagen undBeweise verstandlich sind. so ist es der: die Folge entsteht dadurch, dass dieeinzelncn Zahlen dcr Reihe nach willkurlich gewahlt werden; das Rcsultatdieser unendlich vielcn Wahlakte liegt fertig vor, und im Hinblick auf die Ifertige unendliche Folge kann ich z.B, fragen, ob unter ihren Zahlen die 1vorkommt. Aber dicscr Standpunkt ist sinnwidrig und unhaltbar; dcnn dieUnerschopfli chkeit liegt im Wesen des Unendlichen. Eine einzelne besiimmte(und ins Unendliche hinaus bestimmte) Folge kann nur durch ein Gesetz defi-niert werden. Entstcht hingegen eine Folge Schritt fur Schritt durch freieWahlakte, so wi ll si c a ls eine iaerdende bctrachtet sein, und nur solche Eigcn-schaften konnen sinnvollerweise von einer werdenden Wahlfolge ausgesagtwerden, fUr welche die Entscheidung ja oder nein (kommt die Eigenschaftder Folge zu oder nicht) schon a lit , wenn man in der Folge bi s zu einer gcwissenStell e gekommcn ist , ohne dass die Wei tercntwicklung der Folge tiber diesenPunkt des Werdens hinaus, wie sic auch ausfallcn moge, die Entscheidungwieder umstossen kann. So konnen wir mit Bezug auf cine Wahlfolge wohlfragen, ob in ihr an viertcr Stelle die Zahl 1 auftritt, aber nicht, ob in ihr dieZahl 1 uberhaupt nieht auftritt, Es ist cine erste grundlcgcnde Erkcnntnis

    f"

    Cher die IIt'UI!Grulltll"ot'ukrisc dr-r ~latheUlatik 221BROL"WEHS.dass die durch freie Wahlakte wcrdende Zahlfolge mogliches Objektrnathcmatischer Begriffsbildung ist . Rcprascnticrt das Gesetz r. welches cineFolge ins Uncndliche hinaus bestimmt, die e inzelne reellc Zahl , so die durchkein Gesc tz in der Freiheit ihre r Entwicklung cingeschranktc Wahlfolgc dasKontinuum, Dass es moglich i st , mit Wahl folgen mathemati sch zu opcriercn,ist gewiss schon hinreiehend dadurch belegt, dass man Zuordnungen zwischenWahlfolgcu sti ften kann, Zum Beispiel enthal t die Formel

    ein Gcsetz, gernass welchem cine durch freie Wahlakte werdendc Folge /Ill' 1112,m3' '" eine werdende Zahlfolgc "I' 11z, 113, . .. erzeugt. Allgemeiner kann dazujedes Gesetz dienen, zufolge desscn in ciner werdenden Foige natiirl ichcr Zahlenjede Wahl, die ihr ein weiteres Glied hinzufiigt, c ine bestimmte Zahl e rzeugt.Die etwa beim /z-ten Schritt erzeugte Zahl wird dabei im allgcmeinen nichtbloss von der beim h-ten Schrit t getroffenen Wahl abhangen, sondcrn von demganzcn in dicsem Augenblick fer tigen Abschnit t der Wahlfolge vom 1. bis zumh-ten Gliede. (Dabei MIt die Entwicklung der als Funktionswert auf trctendcnFolge gleichcn Schritt mit der Entwicklung der Argumcntfolge: rilckt dieseurn eine Stel le \"01', so auch jene. Es s ind naturl ich kompliziertere Verhaltnissedenkbar, auf die wir hernach genau zuriickkommen miisscn.] Die BROUWERschcBemerkung ist e infach, aber ti ef: hier ersteht uns ein Kontinuurn, in welcheswohl die einzelnen reellen Zahlen hineinfal len, das sich aber selbs t keineswegsin eine Menge fer tig seiender recller Zahlen aufl6st , viclmehr ein Medium [rcieWerdens.

    Wir befinden uns im Bez irk e ines uralt en Problems des Denkens, des Pro-blems der Kontinuitat , der Veranderung und des Werdens. Von welch zentralerBedeutung es f iir die dcnkende Bewalt igung der Wirklichkeit gewesen ist , mogeman etwa in LASSWlTZ' Gesch icl l te der A tom is ti k nachlesen; seine Losung istgeradezu der entscheidende Schri tt , welcher die aristotel isch-scholast ische, amSubstanzbegriff orientierte Physik trennt von der modernen GALILEIschen. Vonjeher s tehen sich einander gegeniiber eine atomist ische Auffassung, die s ich dasKontinuum aus einzelnen Punkten bestehend denkt , und c ine andere, welchees fUr unrnoglich halt, den s tetigen Fluss auf diese Weise zu begreifcn. Die ers tchat ein begrif fl ich lass bares System seiender Elemente, aber sic vcrmag Bewc-gung und Wirkung nicht verstandlich zu machen; aile Veriinderung muss siczu Schein herabsinken lassen. Der zwei ten will es in der Antike und his zuGAULEI nicht gelingen, sich aus der Sphare yager Anschauung in die abstrakterBegriffe zu erheben, welche zur vernunftmass igen Analyse dcr \ \' irkl ichkeitgeeignet wdren, Die schliess lich errungene Losung ist diejcnigc, dcren mathc-matisch-systcmatische Gestalt die Differential- und Integralrcchnung ist . Diemoderne Kritik der Ana lysi s ze rstort diese Losung wieder von inncn heraus, X_ : ; " , iohne dass freilich noch das Bewusstscin der alten philosophischcn Problcrne -,sonderlich lebcndig gcblieben i st , und mi indet in Chaos und Lecrsinn. Die bei -den bier geschilderten Rcttungsversuchc lassen in vcrschiir ftcr und geklartcr

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    222 Ch"r dit' th"\h' (~lw.,ll.,:';t._'akrj";,, ,kr ~t.,t1Itlu;ltik'/

    Form die alte Antithcse wicder auflebcn : die vorhin gcschildcrtc Thcorie ist( im klarcn Bcwusstsein davon, dass sie so das anschauliche Kontinuum nichttr iff t, aber ails dcr :\Ieinung heraus, dass die Ik'griffe nur ein starres Sein zucrfasseil vermogcn) radikal atomistisch ;d ie B IWl :\ \' EHschemach t sich anhcischig,auf cine giiltige und haltbare Weisl' dem Werden Gcrechtigkcit widcrfahreuzu lassen.

    Wir wollen jctzt die zwcitc durchzuftihrcn suchen. Da sic zwischen demKont inuum uud eincr Menge diskrctcr Elcmcnte cine absolute Kluft befestig t,die jedcn Vcrglcich ausschliesst, kann in ihr die Fruge, ob das I \ontinuum ab-zahlbar ist, ernstlich iiberhaupt nicht auftauchcn. Ein Gesetz, das aus cinerwerdcndcn Zahlfolge cine von dem Ausfall der Wahlen abhangige Zahl II er-zeugt, ist notwendig solcher Art, dass dic Zahl II fcstgclcgt ist, sobald eingewisscr cndlichcr Abschni tt der Wahlfolge fcrtig vorliegt, und sic ble ib t d ie-selbe, wie sich nun auch'die Wahlfolge welter cntwiekeln mogc: so dass von. eineindeutiger Bezichung nicht die Rcdc sein kann. - Es sci (f eine im Gebietder Zahlfolgcn sinnvolle Eigcnschaft, G ; ihre Negation. Die Frage: Gibt es cineZahlfolge von der Eigenschaft (f odor nicht? entbehrt des klaren Sinns, weilder Begrif f des cine Folge ins Uncndliche hinaus bestimmenden Gesctzcs (inder Ausdruckswcise des I.Teils) nicht umfangs-dcf init ist. Damals halfcn wiruns, indem wir den Begriff des Gesctzcs zu einem umfangs-definiten einschrank-ten, indem wir fordcrtcn, dass es mittcls gewisser logischer Konstruktions-prinzip ien zi rkelfrc i aufgcbaut wird (u%-Gesetz ll) . Die Antwort ja oder nein aufunsere Frage war dann an sieh bestimmt, und be ide l\Ioglichkeitcil bildeteneine vol ls tandige Disjunkt ion. Jetz t aber wehdcn wir die Sache anders. Da frei-lich eine einzclne bcstimmte Folge nur durch ein Gesctz rp definiert werdenkann, so lautet die positive Frage auch jetzt : Gibt cs cin Gesetz von der Eigen-schaft (f. Aber wir spannen diesen Bcgriff des Gesetzes nicht mehr auf dasProkrustesbett der Konstruktionsprinzip ien, sondern: ist in zirkelfreier Weise,wie auch imrner, die Konstruktion cines Gesetzes der gewiinschten Art ge-lungen, so sind wir berechtigt zu der Behauptung, dass es ein solches Gesetzgibt. Hier ist also von der l110glicllkeit der Konstruktion gar nicht die Rede,sondern nur im Hinblick auf die gelungene Kons trukt ion, den geji i ll r te l l Beweisste llen wir eine derart ige Existent ia l-Behauptung auf. Die negative Aussage,dass es ein solehes Gcsetz nicht gibt, bleibt so natiirlich jeden Sinncs bar. Wirkonnen sic jedoch positiv wenden: [ede Folge hat die Eigenschaf t ~. und nungewinnt sic einen Inhal t, sofem wir hier unter Folge nicht das Gesetz verstehen,sondem im Sinne des Kontinuurns, des Mediums aller reellen Za~len. d ie durchfreie Wahlakte werdende Folge. Es ist also vorauszusctzen, dass es eine Be-deutung habe, die Eigenschaften (f und < S von einer uie rdenden Fo lge auszu-sagen; dann kann es sich ereignen, dass es i m We se ll e in er w e rd el ld el l F o lg e liegt,einer Folge, in welcher jeder einzelne Wahlschritt vollig frei ist, dass sie dieEigenschaft If besitzt. Wie derartige Wesenseinsichten Zll gewinnen sind. dasauseinanderzusctzen ist hier nieht der Ort. Nur sic liefert uns eincn Rechts-grund dafiir , dass wir, so uns jemand ein Gesctz rp vorlegt, ihm olule Priifung

    223auf den Kopf zusagcn konncn: Die durch (b;~cs Ccsctz ins Uneudlicl . .h inausbestimrnte Folge ha: nicht die Eigenschaft ~. Das -es gibt n vcrhaftc t uns (kil lSein und dem Ccsctz, das jeder stellt uns ins Werden und die Freiheit. I>ader Urn f ang der Faile, in denen die cine odcr die andere Behauptung gilt (csgibt cine Folge von dcr Eigcnschaft (f, bzw. jcde Folgc hat die E igvns ch nft ~ ).nicht in sich bestimmt ist, iibcrhaupt im einen Fall der Begriff der Folge g,Ul!.anders interpretiert werden muss wic im andern, ware es absurd. hier an cinevol lstandige Disjunkt ion zu denken. Man wird cs so vcrstchcn, dass BHOU\\ 'EI(erklart, es liege kein Grund vor, an den logischen Sat: t 'om ausgeschlosscncnDritten zu glauben. Ich wurde fre il ieh l ieber sagen, dass von den beidcn in Redestehenden Aussagen unrnoglich noch die cine als die Negation dcr andern an-gesprochen worden kann. Das Verhdltnis der im I.Teil vertretenen Auffassung Iund der BROUWERschenII mag durch bcistchende schernatische Figur gekcnn-zeichnet werden (der im Bilde enthaltene Verglcich hinkt allerdings ziemlich) .Da das Nein nach In ins Gebiet des vdllig legitimen ja nach Il weit hincin-ragt, erscheint das Nein der I. Auffassung im Lichte der II. als vollig wer tlos.

    .T a He,"/I[ 0, : -J[s

    Ja Nei l lFig. 1.

    Einen Wert erhalt es auch nur, sofem wir unter J Iibcrhaupt nicht das BIWtTWER-sehe Kontinuurn zum Gegenstand der Untersuchung machen, sondem das insich bestimmte System der durch x-Gesetze dcfinierten Folgen.

    BROUWERgeht in der Leugnung des logischen Axioms vorn ausgeschlosscnenDrit ten noch wcsent lich weiter , a1s wir bisher auscinandergesetzt haben. Nichtb loss fii r Existent ia lsatze tiber ZalzljolgCII, sondcm auch fiir Existentialsiitzciiber natiirliche Zahlen. selbst best rei te t er seine Gii lt igkeit . Ist a lso (f cine imGebiet der natiir lichen Zahlen sinn volle Eigenschaft, so dass es an sich fest-steht , ob, wenn IIirgendeine solche Zahl ist , (f der Zahl n zukommt oder nicht,so soIl es nach BROUWERmit der Frage: Gibt es cine Zahl von der Eigcnschaft(f oder nicht? ahnlich bestellt sein wie irn Faile der Zahlfolgen ; und das, ob-sehon der Begriff der naturlichen Zahl ja im Gegensatz zu dem der Folge (wennwir uns darin nieht tauschten] umfangs-dcfinit ist und darum bei seiner Ver-wendung im Existcntialurte il einerseit s, dem generellen anderscit s auch nichteine derartige Spal tung erfahrt wie der Begriff der Folge (Gcsetz-freic Wahl).BROUWERbcgriindet seine Ansicht darnit , dass man keinen Grund hat zu dcmGlauben, jedc derartige Existent ia lfrage lasso sich en tsche iden ; der Bcweis derGiiltigkcit des Satzes vom ausgeschlossenen Dr itten miisste nach ihm in der'Angabc eincr Methode bestehen, die nachweislich fiir beliebigc Eigcnschaftcn (fdie Entscheidung der Existenzfrage im einen oder andern Sinne herbeif iihrt.Wic bekannt, ist dieser Standpunkt zucrst von Kno:O:HCKER vcrtrcten worden.

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    224In bcwusstcm Gcgcnsatz dazu habe ich bci rneincm Versuch dcr Grundlcgungder Analysis die )[cinung vertrctcn ; cs komme nicht darauf an. ob wir mitgewissen Hilfsmittcln, z.B. den Schlussweiscn der formalcn Logik , imstandcsind. cine Fragc zur Entscheidung zu bringcn, sondcrn ieic sic" die Sachc alls i ch . . crh ii lt ; cssci die nattirliche Zahlcnreihe und der auf sic bczuglichc Existcnz-begriff in tier Weise Fundament dcr )[athernalik. dass es flir cine im Gebietder Zahlen sinnvollc Eigcnschaft ~ immcr an sieh feststche, ob Zahlcn von derArt ~ existieren oder nicht. Wir miissen Jetzt dieser Kernfrage tiefer auf denGrund gchcn,

    Von jedcr Zahl n lasso sich entschcidcn, ob ihr die Eigensehaft ~ zukornmtoder nieht. n bcsitzt die Eigenschaft ~, bedeute z. B., dass 2zn+f +1 cine Prim-zahl ist , (f das Gegenteil ( 2 2 f 1 + t + 1 ist cine zusammcngesctzte Zahl], Nun be-denke man dies. Die )Ieinung, es stiinde an sieh fest, ob cs eine Zahl von derEigenschaft (f gibt oder nieht, stiitzt sieh doeh wohl altein auf Iolgcnde Vor-stellung: Die Zahlen I, 2, 3, ... mogen der Reihe nach auf die Eigensehaft (fhin geprii ft worden: findet sieh cine solche von der Eigensehaft ~, so kann manabbrechen, die Antwort lautet ] a; tritt dieses Abbrechen aber nieht ein, hatsieh also nach bceud igter Durch lau jung der unendliehen Zahlenreihe keinc Zahlvon der Art (!; gefunden, so lautct die Antwort Nein, Dieser Standpunkt dcrfertigen Durehlaufung einer unendliehen Reihe ist jcdoch unsinnig . Nieht dasHinblieken auf die cinzelnen Zahlen, sondern nur das Hinbl ieken auf das lVcsclIZah! kann mir al lgemeine Urteile tiber Zahlen l iefern. Nur die geschehellc Auf-findung einer bestimmten Zahl mit der Eigenschaft (f kann einen Rechtsgrundabgeben fUr die Antwort ja, und - da ich nieht alte Zahlen durchpriifcn kann -nur die Einsicht, dass es im Wesell der Zahlliegt, die Eigensehaft G : zu habcn,einen Rechtsgrund fur die Antwort nein; sc1bst Gott steht kein anderer Ent-seheidungsgrund offen. Aber diese beiden M iiglicllkeitell stehe sich nich: m el"w ie B eh al lp tl ll lg f ll ld N e ga ti on g eg el li ib er ; weder die Negat ion der einen noeh dcrandern gibt cinen in sieh fassbaren Sinn. - Spricht dies fur BROUWER,so wurdeich doeh immer wieder auf meinen alten Standpunkt zuruckgeworfen durehden Gedanken: Durchlaufe ieh die Reihe der Zahlen und breche ab, falls icheine Zahl von der Eigensehaft (f finde, so tritt dieser Abbrueh entweder einmalein oder nicht; es ist so , oder es ist nich; so , ohne Wandel und 'Yank und ohneeine dritte l\Iogliehkeit. Man muss solche Dinge nieht von aussen erwagcn,sondem sich innerlieh ganz zusammenraffen und ringen urn das Gesicht n. dieEvidenz. Endlich fand ieh fur mieh das er loscnde Wort. Ein Exisient ialsalz -etwa e s gibt c ine gerade Zahl - ist iiberhaupt he;" Urteil im eigentlichen Sinne,da s e in e n S a ch u cr ha lt b e lt al lp te t; Existential-Sachverhaltc sind cine lecrc Erfin-dung der Logiker, u2 ist cine gerade Zahl: das ist ein wirkliches, einem Saeh-verhalt Ausdruek gebendes Urteil; ICesgibt cine geradc Zahl ist nur ein ausdiesem Urteil gcwonncnes Urteilsabstrakt, Bezeichne ieh Erkenntnis als einenwertvollen Schatz, so ist das Ur tcilsabstrakt ein Papier, welches das Vorhan-densein cines Schatzes anzeigt, ohne jedoeh zu verratcn, an welchem Ort. Scineinziger Wert kann darin liegen, dass es mieh antreibt, naeh dem Schatzc zu

    .. .

    suehen. Das Papier ist wertlos, solange cs nicht durch ein solchcs dahinterstehendes wirkliches Urteil wie 2 ist cine gcrade Zahl realisiert wird. In derTat, wir sagten oben, als cs sieh urn Zahlfolgen handelte und die Gcsetzc,welche sie ins Uncndlichc hinaus bcstimmen: Ist es uns gelungcn, cin Gesetzz~ konstruieren von der Eigcnschaft ~. so sind wir Zll der Bchauptung bcrech-tigt, dass es Gesetze von der Art (f gibt; nur die gelungenc Konstruktion kannuns die Bcrecht igung dazu gebcn ; von .llogiich/;dt ist nieht die Redo. Abcr wasis.t denn das Iilr cin Urteil, das fur sieh genommen cines Sinnes entbchrt, dasvielmehr erst auf Grund des gelungcnen Bcwcises, der die Wahrhei t des Urtci lsverbtirgt, scinen Sinn gewinnt? Es ist eben kcin Urteil, sondcm ein Urteils-abstrakt . Damit sehein t mir sein Charakter klar bezeichnet und die cigcnt licheBedeutung des Existenzbegriffes aufgckli ir t. Jetz t konnen wir der BIWl:WER-schen Leugnung nieht mehr den Gedanken entgegenhalten, an den ich miehvorhin geklammert hatte: QAber es uerhiilt sieh doch so oder es verhal t sieh nieh t~o (mag ieh aueh vieIleieht ausserstande sein, es zu cntscheidcn}! Ebensowenig1Stdas genereIle (IJede Zahl hat die Eigcnsehaft (f" - z.B. Fur jcde Zahl 11 1 istm+ 1 = 1+m - ein wirkliehes Urte il , sondern cine genereIlc AIIWdsllIl" au]Urieile. Kommt mir nun eine einzelne Zahl, z. B . 17, in den Weg, so kan~ ichbei ihr auf diose Anweisung hin ein wirkliches Urteil einlosen, namlich :17+1 =1+17. Oder urn ein anderes Bild zu gcbrauehen: vergleiehc ieh dieErkenntnis eincr Frueht und den einsichtigen Vollzug der Erkenntnis dernGenusse der Frueht, so ist ein allgemeincr Satz einer harten Schale vollcrFriiehte zu vergleiehen. Gewiss hat sic Wert, nicht aber die Schale an sich,sondem nur urn ihres Inhalts an Friichten willcn ; sic ist mir so lanse nichtsnutze, als ieh sic nieht aufbreehe, cine Frucht wirklich herausnehmc undgeniesse. Die gesehilderte Auffassung gibt nur der Bedeutung Ausdruck, welchedie al lgemeinen und die Existentialsatze ta tsachl ich Iii r uns besi tzen . In ihremLichte erseheint die Mathematik als cine ungeheure Papierwirtschaft, RealenWert, den Lebensmitteln in der Volkswirtschaft vergleichbar, hat nur dasUnmittclbare, das schleehthin Singulare ; aIles Generclle und alle Existcnz-.aussagen nchmen nur mit te lbar daran teil . Und doeh denken wir als Mathcmat i-. ker gar selten an die Einlosung dieses Papiergeldcsl Nicht das Existcnz-theorem ist das Wertvol le , sondem die im Beweise gcfiihrte Konstrukt ion . DieMathematik ist, wie BROUWERgelegentlich sagt, mehr ein Tun denn cine Lchre.

    Solange man sieh zu dem im letzten Absatz geschehcnen Schritt nicht ver-stehen kann, stehen die beiden hier geschilderten Versuehe der Grundlcgungder Analysis cinander gleichmoglich gegcnubcr, mag auch der Bxotrwuaschc vonvomherein den Vorzug besitzen, dass die Begrif fsbildung nieht gefcssclt unddem anschaul ichcn Wesen des Kontinuums bcsser gereeht wird. Sebald manaber den neuen Sehritt tut - dureh welchen, wie ieh glaubc, der Sinn des 1Cl. 'Sgibt und jcder erst vollig klar wird -, ist die erste Grundlegung radikalunmeglich: donn die Verengerung des Gesetzesbcgriffs auf den des x-Gesctzeshilft uns dann niehts; die Frage nach der II?lHHichkeih stcllt uns ebcnsowenig I)emem mit Ja oder Nein antwortenden Sachverhalt gcgentlber, wcnn sic gestcl ltwird mit Bezug auf die bel iebig oft zu wiederholcndc Anwcndung der Konstruk-

    I f> S cl ec tA

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    226t ionsprinzipieu wit ' mit Hcwt: auf die uncudlichc Zahk-nrcihc, d . i.den hdil'higoft zu wicderholeudcn Prozcss des Dhl'rgangs von eincr Zahl zur n.tchstfolgen-den. So gcbc ich also jctzt meincn cigencn Vcrsuch preis und schlicsse michBsorwzu an. In der drohcndcn Aullosung des Staatswcscns dcr Analysis, diesieh vorbcrci tc t, wcnn sicauch erst von wcnigcn crkannt wird, suchte ieh IcstcnBoden zu gewinncn, ohne die Orduung, auf welchcr cs bcruht, 7.U verlasscn,indent ich ihr Crundprinzip rein und ehrlich durchluhrtc: und ich glaubc, dasgelang - sowei t es gelingen konntc. Denn dicse Ordnung ist uicht haltbar ill S i C / "wic ich rnich jctzt uberzcugt habc, und BROUWER- das ist die Revolution!Immerhin habe ich hicr noch einrnal die Grundgedanken meiner Theorie dar-gestellt, weil sic und die BIWC\\I.:I{Schein scharfster Weise den alten Kontrastzwischen der atomistischcn und der kontinuicrlichcn Auffassung vor Augenstellen und weil an dem Gegcnsatz sich besonders eindringlich klar machenlasst , wo es hapert l ind was gcschehcn muss, Es ware wunderbar gewesen, wennder alte Streit darauf hinausgelaufcn ware, dass sowohl die atomistisehe wiedie Kontinuumsauffassung sich durchfiihren lassc: sta tt dessen triumphiertjetzt endgiiltig die lctztcre. BIWUWER ist cs, dem wir die neue Losung desKontinuumproblcms verdankcn, dcssen provisorischc L6s11ng durch GALII.EIund die Begriinder der Differential - und Integral rechnung der geschicht licheProzess von innen heraus wicdcr zcrstort hattc, Ob ich ein Recht habe, diehier an zweiter Stel le cntwickel tc als Bnouwsuschc Theorie zu bczeic lmcn, is tmir allerdings zwcifclhaft : darubcr sparer Genauercs. Aber die entscheidendenAnstossc: die wcrdende Wahlfolge und dcr Unglaube an das Axiom vorn aus-geschlossencn Drit ten, riihrcn jcdenfal ls von ihm her.

    Unsere Lehre von den al lgcmeincn und den Existcnt ia lsatzen ist keine bi ld-haft-vage, wie sich u.a. darirt zeigt, dass sic sofort zu wichtigen, streng ein-sichtigen Konsequenzen fiihrt. Vor allem zu der, dass es ganzlich sinnlos ist,derartige Satze zu negieren; womit uberhaupt die )Ioglichkeit wegfallt, inbezug auf sic ein Axiom vom ausgeschlossenen Dritten zu formulieren. Dieallgemeinen Satze, welche ich oben als Urte il sanweisungen bezeichnete, te ilcndies mit den eigentlichen Urtcilen, dass sic sich in sich selbst genug sind; ja sicbergen sogar cine unendlichc Fti lle wirkl icher Urte ile in ihrem Innern. In dieserHinsicht durfen wir sic den Urteilen glcichstellen. Wir worden von ihncn freilichnicht gut sagen konnen wie von den Urteilcn, dass sie wahr sind, sondern eher:sie bestehen zu Recht; sic formulieren den Rechtsgrund Iur alle aus Ihneneinzulosenden singularen Urteilc, 1m Gegensatz dazu ist ein Existentialsatz,fur sich genomrncn, niehts; ist das Urteil, aus weIchem ein soIches Urteils-abstrakt gewonnen wurde, vcrlorengcgangen oder vergessen, so bleibt wirklichnicht (es sci denn, wie wir oben sagten, ein Ansporn, es wieder zu suchen] ..Nicht nur aus eincm Urtei l, sondern auch aus ciner Urte il sanweisung kann manein Abstrakt ziehen. Zum Beispiel sei R{m, 1 1 ) cine Relat ion zwischen natt ir-lichen Zahlcn, cine Relation, die zwischen irgend zwci Zahlen bcsteht odernicht besteht. Fii r irgend zwei bestimmte Zahlen m, 1J sci also die Behauptungoder die Leugnung, dass sic in der Relation R zueinandcr stehen, ein wirklichesUrteil. Die Urteilsanweisung R(I I I , 5) [uJede Zahl til steht zu 5 in der Bezie-

    .:..:.,

    hung R" odor ..Die Eigenschaft, R(., 5) zu hcsitzcn, licgt irn Wescn der Zahl ]bestehe zu Recht. Dann konnen wir daraus das Abstrakt zichen : cs giht cineZahl u (beiseite gcsagt: namlich 5), so dass jede Zahl III 7.U ihr die BczielumgR(m, II) erHillt. Dagegen ist cine Anwcisung auf Urtcilsabstrakte das rcineNichts, sofcrn nicht cine Anweisung auf wirklichc Ur tcile dahinter stcht, ailswelcher sic als Abstrakt gewonnen ist. Beispiel: Zu jcder Zahl III gibt cs cineZahl 11 dorart, dass zwischen ihnen die Beziehung R(I I I , II) bcsteht. Es musssich da in \Vahrhcit um das Abstrakt aus ciner Urteilsanweisung handcln.Welcher Urteilsanwcisung ? Offenbar der folgcnden. Es sci (p ein bestimmtcsGesctz, das aus jeder Zahl In eine Zahl 9 ' ( 1 1 1 ) erzeugt ; die gencrelle Urte il s-anweisung R(III, 9 ' ( 1 1 1 ) ) bcstehe zu Recht. Dann konncn wir aus ihr das Abstraktziehen: es gibt ein Gc se tz r p , so dass fiir jcde Zahl 111 zwischen III und '{(III) dieBezichung R statthat. So also muss unser obiger Satz sinnvollcrweise inter -pretiert wcrdcn. Kommt uns jetzt irgcndeine Zahl, z.B, 7, in den Weg, so cr-zeugt uns das Gesetz 9 ' aus 7 eine bestimmte Zahl, sagcn wir r p( 7) ~ , 19; dannkonncn wir sagen: zwischen 7 und 19besteht d ie Bczichung R, und in Hinblickdarauf haben wir auch ein Recht zu dem Urteilsabstrakt: cs giht cine Zahl n,welche zu 7 in der Bcziehung R(7, 1 1 ) steht. Das cs gibt muss also das jcder einschliessen und nicht umgekehrt, wenn wir die Satze so Iormulicrcn, wie sicals Abstrakte aus sich selbst genugsamcn Satzen herausgczogcn worden.

    Ausgangspunkt dor Mathematik ist die Reihc der natiirlichen Zahlcn, d. h.das Gesctz N , das aus dem Nichts die erste Zahl 1 erzeugt und aus jcdcr schonentstandenen Zahl die nachstfolgende erzeugt; ein Prozcss, der nicmals zueiner schon dagewesenen Zahl zuriickfiihrt. Wol len wir die Zahlcn irgendwiefur die Anschauung festhaIten, so miissen wir sic syrnbolisch , durch quali ta tiveMerkmale .voncinander unterscheiden. Sofern wir abcr Arithmetik trciben,schen wir von derartigen qualitativen )Ierkmalen ganz ah: f iir die Arithmetikist llediglich die aus dem Nichts Erzeugtc, :2 "die aus der 1 Erzcugtc usc.Es wird, darf man sagcn, durch die mathernatische Betrachtung dcr Wirklich-keit der Versuch gemacht, die Welt, welche dern Bewusstscin in dessen allgc-meiner Form, einer Durchdringung von Sein und lJ'esm (des dies lind so)gegebcn ist, in der Absolutheit reinen Seins darzustellen. Daher licgt cine tideWahrheit in der Pythagoreischen Lehre, dass jegliehes Sein als solchcs auf dcrZahl ruht.

    Die al lgerneinen, in sich selbst geni igsamen Sii tzc der Mathematik handclnteils von der Allheit der natiirlichen Zahlcn, toils von der Allhcit dcr durchfreie \Vahlakte werdendcn Foigen natiirlicher Zahlen. Sic bczichcn sich alsoteils auf die ins Unendliche hinaus sich erstrcckcnde .\[vglicll/uit, wc1che durchden grenzenlosen Fortgang des vom Gesetzc N gclcnkten Entwicklungsprozessesder natiirlichen Zahlen gegcbcn ist, teils auf die in dcr wcrdcndcn Zahlfolgeliegende unendliche Freiheit irnrner neucr ungehundencr Wahlaktc, die bei[edem Schrit t den von neuern anhcbenden Entwicklungsprozcss der nnturlich cnZahlenreihe an ciner willkiirlichcn Stelle zum Stillstand br ing-en. Es 1icgt inder Natur der Sache, dass die \Vcsenseinsicht, welcher die allgenll'inell S;ilzcentspringcn, stets auf der sogenannten vollstiindigcn (ndllktion fundicrt ist.

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    228Sic ist wcitcrcr Bcgriindung' wedcr bcdurltig noch fiihig, wcil sic niehts andercsist als die mathcmatischc Urintuition des inuncr noeh cins, Die nus diescnallgemeinen Satzcn Z\1 gcwinnendcn eigent lichcn Urteile cntstehcn dadurch,dass fur die tcillkiirlicltc Zahl, von dcr sic handeln, cinc bestimmte einccsctzt,\:ird, ~iirdie i~ 1Ircicr E~ltwicklung hegriffene Trahl/o/gc abcr ein Gcsctz o ' r ,

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    230 2.1I

    I(n - 1) ; : ;~.~.;;:~: : : ;~.~ .~) (" - 1) I2 . 1, 2 2, ... , 2 . (n - 1), (T)

    konncn wir Iolgcndcn Satz (Abstrakt ciner Urtcilsanwcisung) formuliercn: In[edcr Zahl > 1 gcht cine Primzahl auf. Die Foige dcr l'rimzahk-n selbst P IIwird nach Et:KLlD durch folgendes Gesetz dcfin icrt, welches das Zeichcn :t inder eben cingcfuhrtcn Bedeutung benutzt : 1 crzeugt die Primzahl P 1 =2;p , , + 1 ist die erstc Primzahl in der Reihc der Zah1cn von 1 bis :t(Pl P 2 . . . P . . - : - 1).welche sowohl 4: P I wie * P 2 ' " wie * p " i st. - Endlich noch diescs Beispiel.Lassen wir die Gultigkeit des grosscn FFIC>I.\TSchenSatzcs ganz dahingestcllt,so war es doch nach der vor-Baouwnsschen Logik sclbstverstandlich. dass es,wenn Il i rgcndeine Zahl ist, cntweder drei Zah1en x y z gibt von der Bcschal-fenheit, dass x" + y" =z" ist, oder aber x" + y" * z" ausfallt fiir bclicbige.naturliche Zahlen x y z. Diese Selbstverstandlichkcit der altcn Logik wollcnwir nach unserer neuen Auffassung genauer formulieren. Die Bchauptung istdann die: Es gibt ein Gesetz (in dem strengen, hier zugrunde ge1egten Sinne),das aus [edcr Zah111 entweder nichts oder drei Zahlen Xn, y . . , Zn erzeugt der-art, dass im erst en Fall fUr irgend drei Zahlen x y Z stets x" + yn * z" ist,im zweiten abcr X/ ~ + y : = z,~gilt. Geschweige, dass diese Behauptung jctztselbstverstandlich ist, hat es nicht einma1 einen Sinn, zu fragen, ob es sich soverhalt oder nicht, in der Hoffnung, einem Sachverhalt gegcnubcrzustehcn.der darauf cine bcstimmte Antwort erteilt. Sondern es handclt sich um einUrteilsabstrakt, das gUltig ist, sofem das Gesetz konstruiert ist und die gefor-derten Eigenschaften dessclben, welche generelle Aussagen sind, zu Rechtbestehen. Liegt diescs Gesetz f' vor, so konnen wir aus ihm ein andcrcskonstruieren, welches der Zahl n die 1 zuordnet, falls I' aus " nichts erzcugt,h ingegen die 2 , fall s f' dem 11 drei Zahlen x" y" z,. zuordnet. Diescs Gesetz istdann der Charakter, welcher die FER~I.HSchen Zahlcn " (fur welche derFERl\lATsche Satz gultig ist) unterscheidet von den nicht-Fnuxarschcn.

    Wenn die Werte zweier functiones discretae fur jedes Argument ubercin-stimmen, sagcn wir, die Funkt ionen selber s ii mm te n i ib er ei n ; wenn es nbcr cineZahl " gibt, aus welcher das erste Gesetz cine andere Zahl erzeugt als daszweite, 50 sagen wir, die beiden Folgen seien voncinander verschicdcn. Dieeine Aussage ist eine generelle, die andere cine Existentialaussagc ; keinc einUrteil im eigcntlichen Sinne. Wir durfen also auch nicht mit Bezug auf zweigegebene Folgen f ragen, ob sic Ubereinstimmen oder verschieden sind, in dcrMeinung, dass es sich so odcr so verhalte,

    Solange wir nur generclle Satze tiber die Zahlen aufstcllen und nicht ilbcrdie durch frcie \Vahl werdenden Folgen von Zahlcn, somit auch nur Gesctzein Betracht ziehen, welche Zahlen einander zuordnen, nicht abcr Gesctzc,welche aus einer werdenden Wahlfo lge eine vom Ausfall der Wahlen abluingigcZahl erzeugen oder wiederum cine werdende Zahlfolgc, bewcgcn wir uns in demFelde der reinen Arithmetii: IIl1d Algebra. Jene hohcrcn Stufen sind charakteri-stisch fUr die Analysis. Das Vorstehende dilrf te genligcnd verdeutlichcn, inwelchem Geiste nach der neuen Auffassung Arithmet ik und Algebra bet riebcnwerden miissen; ihre radikalen Konsequenzen, wclche dcr Mathematik einwesentlich anderes Gesicht geben, als sic uns heute zcigt, cntfaltct die neueTheorie abcr erst im Felde der Analysis.

    ihr Produkt III II zuordnct. Eine Doppclfo lge, die aus jedem Zahlcnpaar I II. I~stcts cine dcr Zah1cn 1 odcr 2 crzcugt, worden wir cine Relat ion ncnncn ; allge-mciner cine Doppclfolgc in welchcr nur die Zahlcn von 1 bis k als Funktions-wertc zur \'erfiigung stchcn, c ine IHeil ige Relation. III ;:; II i st in diescm Sinnez. B. cine (zweitcilige) Relation: 1 ist niemals eine Prirnzahl. Wir erklaren ein Gesetz, das aus 1 nichts er-zeugt, aus jeder Zahl " > 1 aber zwei Zahlen : t( II ), X ( II ) derart, dass allgemeinn (1 I) X (I I} =n ist und :t(Il) ste ts e ine Primzahl ; narnl ich folgendermassen. 1stn eine Primzahl, so sci 1 l ( 1 I ) = II, X ( I I ) ,~ 1; ist " aber keine Prirnzahl, so scin (1 J ) , X(II) das erste Zahlenpaar in der nach gegebener Anwcisung zu durch-laufenden Tabelle (T), desscn Produkt -r-; 11 ist. 1m Hinblick auf dies Gesetz

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    232b) Fllllclio mixta

    Eine Funktion, wclchc jedcr Zahl 11 1 cinc Folge, d. i . ein durch III bestimrn-tcs, alls jcdcr Zahl n cinc Zahl f ((m, II) erzeugcndcs Gesctz zuordnct, ist nichtsandercs als cine Doppclfolgc, nuu also untcr den Bcgriff der functio discrcta .Wie aber kann umgckchrt cine Folge, d. i. diesmal cine durch frcic Wahlenwcrdcnde Foige von Zahlen v c= {Ill' "2, ... }, cine cinzelnc Zahl erzcugcn ?Der einfachste Fall ist offenbar dcr , wo die erzcugte Zahl lediglich von einerbcschrankten Anzahl I~von Stollen der werdcnden Foige abhangt ; dann istman sieher, dass die Zahl bestimmt ist, sobald die Entwicklung der Foige biszum k-ten Glicde gcdiehen ist. Die StcIlenzahl kist dabci unabhangig von demAusfall der einzclnen Wahlakte. Beispiel: .

    I(v) = " 1 + " 2 + " 3 + n~ (k = 4).Ein komplizicrterer Fall is t der folgende:

    1(" ) =" 1 + "2+ ... + "n,+n.+n,Hier ist es so: Nachdem drei Stellen der Folge da sind, ist es bekannt, bis zuwelcher Stelle (niimlich 1 1 1+ 1 '2 + l ' a ) die Folge fortgesetzt werden muss, ehesic die erzeugte Zahl festlegt; dicse Stelle hangt von dem Ausfall der erstendrei Wahlen abo Diese Kornplikation kann sich iterieren; Z.B.: die ersten10 Stellen bestimmen die Anzahl s derjenigen Stellen, die bckannt sein miissen,urn ihrersei ts die Stelle zu besti rnmen, bis zu welcher die Entwicklung fortge-schritten sein mUS50,ehc sic die zugeordnete Zahl erzcugt ; usf. Es ist abcr auchnieht gesagt, dass die crwahntc ~(omplikation sieh gerade zweirnal oder drei-mal oder viermal itcricre, sondern es kann wiedcrum von dem Ausfall derersten Wahlen abhangcn, wie oft sic sich iterier t. Setzt man z.B.

    I (k ; v) ="1+ " 2 + ...+ " 1 t>Sinne; diejenigen Eigenschaftcn also, die einer Zahl odcr Folge an sich zu-kommen oder nicht zukommen, Wir konnten sic al s urnfangs-definit c Eigcn-schaften den un te r II. und I II. f all enden umfangs-vagen gcgennbcrstc ll en.E ine umfangs-dcf inite Eigensehaf t, einen Charakter . wollen wir auch als dcliuiteMCllge (:Menge vom Typus I) beze ichnen . Von e iner dcrart igcn l lt 'nge darf mansagen, dass es an sich feststeht, ob ein Element ihr angchort oder nieht. SindM. N zwei Zahlcharak ter e (def ini te Zahlmengen). so ist M cine Teilmellgl~von N, ,venn j t'de Zahl \ '001 Charakter M anch den Charakter N hes itzt ; odergenaucr : \\ ,ir erk la ren ein Gesetz pI; N). das aus e iner wil lkl irl ichel l Zahl II

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    236dann die Za1l12 (das Nein crzcugt, wcnn J[ihr die I, N die 2 zuordnet - injedem andern Faile aher die 1; dcr Sinn der Tcilmcngcn -Aussagc ist der,dass jede Za1l1den Charakter (J / ; X ) besitz t. Sic i st al so c ine Aussagc von derForm II. Ist JI Tei lmcngc von .Y und .\ ' Te ilmengc von J[, so nenncn wir Mund N idcntisch, Entsprcchcndcs i st tiber definit e )Iengcn von Folgcn odcr dieden Relat ioncn korrespoudicrcndcn mchrdimcnsionalcn )Iengcn von Zahlcnund Folgcn 1.U bemcrkcn. - )Ian kann von der Kardiualzahl ciner dcfinitenMenge sprcchcn, muss sich dann aber dariibcr klar scin, dass fUr diese Kar-dinalzahlen nicht einmal der Satz gilt: Eine Kardinalzahl ist entwcdcr = 0odcr ~ 1; d. h. ein Zahlcharaktcr JI erzeugt entwedcr aus jedcr Zahl die 2(die Menge Jl ist leer, [cdc Zahl hat die Eigenschaf t jJ), oder aber es gibt cineZahl , aus welcher das Gesetz M die 1 erzcugt (es gibt ein Element von M; esgibt eine Zahl, welchc die Eigenschaft J[ besi tzt ). Der Zwei fel an der Lucken-losigkeit der CASTOJ{schen~greift nach unserer jetzigen Auffassung also nichte rst be i ~l' auch nicht erst hci ~o Platz, sondern schon am ersten Beginn derZahlenreihe: Die Bchanp tung, dass 1 die kleinste auf 0 folgende Kardinalzah list, muss al s grundlos zuruckgcwiescn worden. l \l ir sche int daraus die mathe-matische Wertlos igkeit dieses Miichtigkeitsbegr if fs hervorzugehen. NatUrlichbehalten die endlichcn Knrdinalzahlen ihr altos gutes Recht, wo sic nicht aufeine definit e Menge bezogen worden , sondern auf den Inbegri ff einzc lnergegebener Elcmentc (Zahlhcgriff des tiiglichcn Lebens).

    Wir gehen zu den umfangs-vagen Eigenschaften der Art II tiber . Dabc i istfolgendes zu beach ten. Es sci C (II; ,.) c ine Rela tion zwischen Zahl n und Wahl -folge l ' (z.B. diesc: Die n-tc Zahl von " ist ungerade). Die cine umfangs-vageEigenschaft (!; von l ' formulicrende Aussage: (IEs bes teht C(n ; l') Iu r jedes n(al le Zahlen von vs ind ungcrade), hat dann offenbar ke inen Sinn mehr fUr cineWalliiolge l', sondern nur noch Iilr cine ins Unendliche hinaus durch ein Gesetzbest immte Folge. 1st nun C'(v) e in Charakter, wie 5011 dann die Aussage inter-pretier t werden: Jeder Folge, welche die Eigenschaft (!; besit zt, kommt auchder Charakter C' zu? ((Jede Folge, das kann, wie wir wissen, nur heissen:jede durch freie Wahl werden de Folge; andrerseits kann die Eigenschaft (tsinnvol lerweise nicht von einer Wahlfolge , sondem nur von einer ins Unend-liche hinaus bestirnmtcn, fertigen Folge ausgesagt worden. Es ist nur dieseInterpre ta tion mog lich: 1st C ( 1I ; v ) erfUllt fUr alle Zahlen II his Z it e in er ge-unssen VOIl l' ablli i llgige1l Grenze, so gilt auch C'{v). Oder genau: Es bedeuteC*{n; l ') d ie Relat ion, welche zwischen II und l' besteht, wenn C{m; l') fur aileZahien m von 1 bis 1l erfUlIt ist; dann gibt es cine functio mixta I(l') von derArt , dass einer jeden Wahlfolge vorn Charakter C *( t( v) ; v } auch der CharakterC'{l') zukommt. Es handelt sich also urn eine Aussage des Typus III. Wennaber in der Erklarung einer Eigenschaft (!; von der Art II das jedcr nicht wiehier bezogen ist auf naturliche Zahl, sondem auf Folge, ist cine analogeInterpretation der Natur der Sache nach nicht moglich. Nun hat der Eigen-schafts- und MengenbegriH nur sowcit mathcmatlsche Bedeutung, als dasIdmtitiitsprillzip reicht, d. h . soweit mit der Aussage Jedes Element von der

    Uber die neue Grulldla;;,"I;ri ,,

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    ). eine Folge. ('t' bcsitzt die Eigenschaft (E ) odcr gehi ir t dcr :\knge (E ) an, solibcsagen: E s g ib t cine Zahl II und cine Folgc I' von dcr Art. dass die BczichungE(e: " ,.) sta tt findct, Die allgemeine Formulierung des Tcilmcngenhcgriffs furllcllgcn vom Typus I. II odcr If I bleibc dcm Leser iibcrlasscn, Der Syllogismuserwcist s ieh il l a llen Fal len als ZlI Recht bestchcnd.

    Das sind die vom Identitatspriuzip gcstcckten Grcnzen, inncrhalb derenauch umfangs-vage Eigcnschaftcn von Zahlen oder Folgcn als Mengcn anzu-sprechen sind. Mcngcn abcr von Funktioncn lind Mcngcn von Mengcn wollenwir uns ganz aus dem Sinne schlagen. Kein Platz ist da in unserer AnalysisfUr cine allgemeine :\lengenlehre. so wenig wie fUr generelle Aussagen iiberFunktioncn 1) .

    Die neue Auffassung, sieht man. bringt sehr wcitgchcndc Einschrankungenmit sich gegeniiber der ins Vage hinausschwarmcnden Allgemeinhcit, an welcheuns die bisherige Analysis in den letztcn Jahrzehnten gew6hnt hat . \Vir miissenvon neuem Bcscheidcnhcit lerncn. Den Himmel wol lten wir st ii rmen und habennur Nebel auf Nebel gcturmt, die niemanden tragen, der emsthaft auf ihnenzu stehen versucht. Was haltbar bleibt, konntc auf den ersten Blick so gering-fiig ig crschcincn, dass die Moglichkei t der Analysis iiberhaupt in Frage gcstel ltist; dieser Pessimismus ist jedoeh unbcgrundct, wie der nachste Abschnittzeigen sol i. Aber daran muss man mit al ler Energic Icsthal ten: D ie M a th cma ii kist g all: I l I I d g ar . sogar dC I I l ogi schen Formen nacli, ill d en en s ic s i c " beuiegt, ab -h i il lg i g 1 1 0ml J 'C S C I Idcr natiirlichen Zahl,

    In den hier gczogcnen radikalcn Konsequenzen stimme ich, soviel ieh ver-stehe, nieht mehr ganz mit BIWUWERi iberein. Beginnt er doch") sogleieh miteiner allgemeinen Funktionenlehre (unter dem Narncn Menge tr itt bci ihmauf, was ich hier als functio continua bezeichne), betraehtet Eigenschaften vonFunktionen, Eigenschaften von Eigenschaften usf. und wendet auf sie dasIdentitatsprinzip an. ()I it vielen seiner Aussagen gc1ingt es mir nicht, einen

    1) I ch wil l dami t n icht s agen , das s a ll gemei ne Aussagen ube r l fcngcn und Funkt ionen (mixt aeet continuae] i ibcrhaupt unruogl ich scicn. So g il t gcwi ss fUr jede Fol ge v und jede I. III. dcr SaU/(v) + 1 = 1 + I(v). Aber ihrc Allgerneinhci t i st c ine abgelci te te , durch formalc Speaial is ierunggewonncn aus der Al lgeme lnhe it dcr Ar it hrncti k und Analysis ( im obigcn Be ispie l l iegt d ie Gi il ti gkcit dcr Gl ei chung " + 1 = 1 + I I I ur a llc Zahl en " zug runde} ; d ie A ll gemci nhei t dcr A ri thmet ikund Anal ys is i st h ingegen c ine wahrhaf t o rig ina re . si ch s tu tz end j e auf e in e lgenes ans chau li che sFundament [vgl, S. 22i/22'l) und darurn auch von sclbs tandigcm anschaulichem Gehal t erful lt , : ll anmag de ra rt ige Satz c ii bc r Funkt ionen und : ll cngcn (vcr einze lt e Ha lt cpunkt e in e inem vu lli g u fcr los en ,Mecr) zu eincr bcsondcrn Diszipl in unter dem Nal llcn ' :\ [cngcnlchre. vcreinigen, abcr s ic i st keines-falls das Fundament der lfathclllatik. - Analog kann man natiirllch auch vcrelnzclte besonderKlass en von Zuordnungen zw is chen functi oucs mix ta e (ode r cont lnune] st if ten. 1 st e twa 'P cinegegebene f.d. so en ts teht aus jede r I(v) cinc andere r(v) nach der Rege l:

    /,(v) fUr v = {III' Ila. "3' .} ist gleich /(v') r ur ,, ' =('I'(1I1).9'(11.),9'("3)' ... }.Aber d ie sc Zuordnung is t nur c ine .Ve rk lc idung. der Fol ge '1'; wo gcsagt wird: Es gibt cine Zuord-nung diescr Art, heisst das irnrner: .Es gibt cine Foige'l'" Wir werden dalur soglcich Dcispielekenncnlcrnen.

    I) In der ersten der oben zit icrten Ahhandi llngel l i ibcr die . [ Jegr iindung der l fcngenlchreunabhang ig vorn logi schen Sat~ VOIII au~gcschlosscncn Dri ll cu. (Vcrk. K. Akad. \\'ctcnsch.,Amsterdam 1918. 1(19).

    2.NSinn zu vcrbinden.) Ieh cntlehne BIWl'WEI( 1. die Grundlagc, di, ' ill j l'dcr II in-sicht das \Vesentliehe ist, niimlich die Idee dcr wcrdendcn FC)lgl~ und denZweifel am pr i l l c ip ium tertii esclusi, 2, den Begriff der Iunct io continua. Aufmeine Rechnung kommen der Begriff dcr Iunctio mixta und die Autlassung.welche ich in den folgendcn drci Thcsen zusammcnfussc: 1. I>"r gegrif f derFolge schwankt , je naeh der logischcn Vcrbindung, in welcher er auftr it t, zwi-schen Gcsetz und Wahl, Sein und Werden. 2. Die allgcmr .incn unci I,Existentialsatzc sind keine Urtcile im eigcntlichcn Sinne, behaupten keincn (Sachvcrhalt , sondem sind Urtcil sanwcisungen bzw, Urtei lsabstraktc. 3 . Arith-met ik und Analysis enthalten ledigl ich al lgemeine Aussagen tiber Zahlen undfrei werdende Folgcn; keine allgemeine Funktioncn- und :\lengcnlchrc yonselbstandigcm Inhal t l

    Nachdem wir diese Rechenschaftsablegung i iber die logische Gesta ltung derWissenschaft vom Unendlichen beendet haben, zichen wir im nachstcn Ab-schnitt die Konsequenzen fUr das Kontinuumproblem.

    4. Das Kontinuum/Fur den Begriff der reel len Zahlcn warcn bisher in der : \Iathematik mchrcre

    Erklarungen in Gebrauch, deren Aquivalcnz man glaubte bcweiscn zu konnen.Von dem Standpunkt aus, den wir jetzt einnehmcn, erscheinen diese Defini-tionen aber nicht mehr ais aquivalcnt. und man ubcrzcugt sich lcicht, dassnicht der DEDEKI!msche Schnitt, sondem die in diesem II . Teil am Bcginn zu-grunde gelegte Definition jetzt die einzig moglichc bleibt (von dcr man wohlsagen dad. dass sic auch an sich das Wesen der reellen Zahl am reinstenausspricht).

    Die Dualintervalle unterschieden wir oben voneinandcr durch Angabezweier ganzzahliger Charaktere [m : I I ]. Man kann sic leieht durch einen ein-zigen Charakter. der eine natiirliche Zahl ist, ersctzcn, wenn man nach irgend-einem bestimmten einfachen Gesetz die Paare ganzer Zahlen in cine abge-zahlte Reihe ordnet. Ferner kenncn wir, wenn i irgendcin Dual in tervall is t,die in seinem Innem gelegenen Dualintervalle in natiirlicher Weise in eineabgezahlte Reihe ordnen. I st i von /toter Stufe, so setzen wir an erste Stelledas einzige, ganz im Innem von i gelegene Dualintcrvall der (I I + - I)-ten Stufe,darauf die 5 Intervalle der (I I+2)-ten Stufe dicscr Art. wie sic sich von linksnach rechts auf der Zahlgeraden folgcn, darauf die 13 Intcrvalle dor {I I + - 3)-tenStufe usf. Man weiss sonach, was es heisst, wenn von dcrn u-tcn I)der inncrhalhi gelegenen Dualintervalle die Rede ist. Eine reelle Zahl ist bestirnmt durcJiein Gesetz, das aus jeder natiirlichen Zahl " ein Dualintcrvall j'rI) erzcugt , sozwar, dass immer ;(n+1) innerhalb j(R) gelegen ist. Wollen wir uns hier von derEinschachtelungsbedingung unabhi ingig machcn, so ersctzen wir die Angabedes (,,+ I)-ten Intervalls i(n+ u durch Angabe seiner Ordnunqsnummcr unterden innerhalb j(R) gelegenen Dualintervallcn; die rcelle Zahl ist dann hcstimllltdureh Angabe des ersten Intervalls j und durch dicse Foige der Ordnungs-

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    210nummern, d. i. ein Gcsetz, das aus jedcr naturl ichcn Zahl IZ einc natiirlicheZahl n, erzcugt, Die lutcrvallfolge hcbt an mit i' z:': i, darauf folgt das (1.)-tcder innerhalb i'geicgl'ncn Dualintcrvallc, j", darauf

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    212endlichcr Anzahl kann man lcicht das einzigc Dualintervall hochstcr Stufekonstruicren, welches jcnc Dualbnichc allc enthiilt ; dies Intervall bczeichnenwir mit (a, a', ... ). Sind

    ",-1 , 111+1a=2"-' a=2"-die Endpunktc cincs Intcrvalls i, so licgcn die Quadrate allcr Dualbruche,welchc in das Intcrvall ihineinfallcn, ihrcrseits in dcrn Intervall

    it = (al l, a a', a").1st cine rcclle Zahl exgcgcben durch cine Folge incinander eingcschachtclterDualintcrvalle, so crhalt man die Zahl exll,indem man von jedern Intervall ider Folge das ((Quadratintervallll i'bildct. Die Entstchung von exl!aus exberuhtalso nicht auf der Zuordnung von Interualljolgen, sondern einfach auf der Zu-ordnung von Interuallen: es handelt sich urn das Gcsetz, das aus jedern Inter-vall i das Intcrvall i'erzeugt ; dies Gesetz nennen wir die Funktion x2. Lasstman cine Folge incinander eingeschachtelter Dualintervalle idurch freie WahlSchritt fur Schritt cntstehen, so entspricht ihr nach diesem Gesetz eine wer-dende Folge von gleichfalls ineinandcr eingeschachtclten Intervallen ill. Inahnlicher Weise erklaren wir die Funktion x : y (die Operation der Mftltipli-katioll) im Gebiet von zwei Variablen x, y. Diesem Variabilitatsgebiet liegtzugrunde das System der durch drei ganzzahlige Charakteristiken m, 7 1 ; h von-einander zu unterscheidenden Dualquadrate mit den Eckpunkten

    x= n1x= 2"Setzen wir

    ",-1a=2h' b' = n + 12" ', m+ 1.a =zx--,so erzeuge man aus diesem Qua~rat Idas Intervall

    ;e(l) = (a b, a' b, a b', a' b').Dieses Gesetz a; ist die Funktion x . y; durchlauft Ieine werdendc Folge in-einander eingeschachtc1ter Quadrate, so ;e(J) eine werdende Folge ineinandereingeschachtelter Intervalle. 'Interpretieren wir endlich noch die im Gebiete zweier Variablen x, y giiltigeIdentitat

    (x + y) C x - y) = Xl _ yl. C * )Ein Paar Dualbriiche a, b nennen wir den Sehnittpunkt von a mit b. Sinda, a', . .. mehrere (z.13.drei) gcgebene Dualbruche, und ist dancben noch cine

    2-13zweitc Reihc von cndlichvielcn (z.B. vier) Dualbriichcn b, b', ... gegd)cn, sokonnen wir das klcinste Dualquadrat bildcn, das die s;imtliehcn (34) Schnitt-punkte von a, a ', ... mit b, b', . .. enthalt:

    I= (a a ' ... l'b b' ... ).Die Funktion x' =x + y, y' = x - y

    J1 /"

    a/ a."/ Fig. 2.

    ist das Gesetz, welches aus jcdern Dualquadrat I, dessen Ecken die Schnitt-punkte von a, a' mit b, b' sind, das Quadrat

    J' = (a + b, a' + b, a + b', a' + b' I a - b, a' - b, a - b', a' - b')erzeugt; aus ihm werde das Intervall i gebildet nach dem Gesetz .~' . y' ~daseben mit 1(, bezeichnet wurde). Damit ist die linke Seite von (.) konstruiert .Analog rechts: Man bildet aus Izundchst das Quadrat

    II =(all, a a', a'll bl, b b', b'2)[das ist die Funktion x" = X 2, y" =y2] und daraus das Intervall i nach demGesetze x" - y". Die Gleichung (.) behauptet, dass, welches auch das Dual-quadrat Isein mag, i Ulld isich stets ilberdecken, . .Die angefiihrten Beispiele legcn uns den allgcmeinen Begnf~ der ~tdlgmFutlktion einer reellen Veranderlichen nahe. Eine solche Funktion wird be-stimmt nieht durch ein beliebigcs Gesetz, das einer werdendcn Intcn'allfolgeeine werdende Intervallfolge zuordnet, sondern durch ein Gesctz, nach welch:1lleinfach jedes Dualilltervall (sobald es einrnal hinreiehend klein.gewo~dcn.1St)ein Intervall crzeugt. Das entspricht auch vollkomrncn dem Sinn, \VIC dicserBegriff in den Anwendungen der Mathemati~ g~braucht \~ird: sobald da~Argument mi! eincm getoissen Grad der Genauigkei! gcgeben ist ~ und ande~sist es in den Anwendungen [a nie gegeben -. ist auch der Funktiouswcrt nuteinem zugehorigen Grad von Genauigkcit bckannt, Der lctzterc sinkt mit dcmersteren unter jcdc Grenze (wenn die Funktion in eincm beschriinkt~n Intcrvallbetraehtet wird). Die stetigen Funktionen sind dcmnach nur verklcidcte Iunc-

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    mogen. Jedcs Flilchcnstuck wird "on gewisscn Kantcn, jcde Kante "on gc-wissen Eckcn bcgrcnzt; die Angaben dartibcr bildcn den wesentlichcn Inhaltdes Schcmas. Es muss gewisscn lcicht zu formulicrendcn Forderungen geniigen.- Von dell Flachcnsttickcn des Gcrustes gclangt man zu den Punktcn der~Iannigfaltigkeit durch eincn uncndlich oft zu wicderholcnden Tciluugsprozcss.Diesen wol lcn wir so vornehmcn, dass wir jedc Kante durch einen ihrer Punktein zwei Kanten zerlegcn, darauf jedcs Fli ichcnst iick von cincm willkii rlich inihm gewahlten Zentrum aus durch Linien nach den auf seiner Begrenzung

    Fig. 3.gelegenen Ecken in Teildreiecke zerlegcn. Dicsen Vorgang kann man in ab-st racto so beschreiben: Jedem Element e, des urspriinglichen Gcrustes G cnt-spricht ein Element O-tcr Stufe ( C I ) ~ des durch Tei lung entstehcndcn GerUstesG' ; zwei Elcmente Ct, ek (i> k) des urspriinglichen Gerii stes, von denen daseine das andere bcgrcnzt. erzeugen ein Element 1. Stufe (C j e ,J i des neuen Ge-riistes G', das begrcnzt wird von (ej)~ und (e,,)o; drei Elemente e ll e l e o von G.die einander begrenzcn, cin von ( el le ,) i, ( el leo ) i,(e l eo)i begrenztes Element2. Stufe ( e l l el e O )2 von G' - Die Flachenstuckc von G und die durch sukzessiveTeilungen entstehcnden Flachenstucke von G' G", ... spielen hier die gleicheRol le wie diejenigcn Intervalle im Lincarkont inuum, in welchc dasselbe durchdie Dualbruche von der Form m/2 , m/22, ",/23, (m durchlauft aIle ganzenZahlen) zerlegt wird. Je zwei aneinanderstossende von ihnen fUgten wir zueinem Dualintervall zusarnmen, um auf jeder Teilungsstufe cine Bedeckungdes Linearkontinuums durch Ubereinandergreifende Stucke zu bckommen. Ana-log fassen wir hier die jenigen Flachenstucke eines der durch Tei lung entstan-denen GerUste G. G' G", ... , welche von einem gemcinsamen Eckpunkt be-grenzt werden, zu einem Stern zusammen. Unter einem Punkt der Manuig-laItigkeit i st cine unendliche Folge solcher Sterne zu verstehen, in welcher jedcrStem ganz im Innern des ndchstvorhcrgchenden enthalten ist; der Sinn dieserEinschachtelungsbedingung zwischen zwei Stemen ist leicht zu formulieren.

    Eine offene Mannigfaltigkeit unterscheidet sich von einer geschlossenen nurdarin, dass das zugrunde liegcnde Gerii st nicht aus endl ichvielen, sondern einerunendlichen Foige von Elcmcnten bestcht. Das frUher ausfiihrlich betrachteteLinearkont inuum !ali t unter diesen Begriff, sofern wir als Dualintervalle alleindie Intervalle (m - 1)/2", ( I I I + 1)/2") mi t e iner positivCIZ Charakteristik II gel-

    Obcr die nell" Gruudl.igcnkrrsc dcr ~[athclll .til ; 2 - 1 - 7ten lassen. Diese ),Iodifikation kann an allen unsercn bisherigcn Entwicklungcnohne weitercs angebracht worden, Der Begriff der ste tigcn Funktiun ist glei r:hso gefasst worden, dass er sich auf bcliebige Manniglaltigkcitcn ubertragcnlasst : Eine stet ige Abbildung einer ) ,Iannigfal tigkei1 auf cine andere wird bc-stimmt durch cin Gesctz , das jedem Stern dcr erstcn entwcdcr nichts odor cinenStern der zweiten zuordnet; es kommt hinzu die gleiche Einschachtclungsbedin-gung wie friiher. Hier ist es wirklich wescntlich, dass die Alternative des .(Xich 15l>offen gelassen wird, da ja das Bildgebict e ines Sternes der crsten Mannigfal tig-keit nicht in einern einzigen Stern der zweiten Platz zu finden braucht ,

    Sobald man es mit einer in irgendeinem Kontinuum sich bewcgendcnVariablen zu tun hat, muss man sich, der neuen Theorie gemass opcrierend,fiber dem Kontinuum sozusagen in der Schwebe halten und hat n icht wie bisherdie :Moglichkeit , s ich auf einem einzelncn, wenn auch willk ii rlichen Punkteniederzulassen, Dem an das letzte Verfahren Gcwohnten mag soIche Zumutungzunachst unbequem erscheincn; aber jeder wird spiiren, wie treu auch hierindie neue Analysis dem anschaulichen Charakter des Kontinuums sich anpasst ,Die BROVwERsche Auffassung verbindet h6chste intuitive Klarheit mit Freiheit.Wer imrner sich im abstrakten Formal ismus der ) ,Iathematik noch einigcn Sinnfur anschauliche Gegebenhei ten erhal ten hat, auf den muss sic wirken wie cineErlosung von bosem Albdruck. Endlich sci noch darauf hingewiesen, wie \'011-kommen beide Tei le der neuen Lehre, die anschauliche Angepasstheit ans Kon-tinuum und ihre logische Stellungnahme zu den generellen und den Existential-satzen, sich gegenseitig fordernd, ineinandergreifen.

    Nac htr ag / tm i 1955

    I"

    Nur mit einigem Zogern bekenne ich mich zu diesen Vortragen, deren)

    (stellenweise reeht bombastischer su die Stimmung einer aufgeregten Zeitwiderspiegelt - der Zeit unmittelbar nach dem ersten Wcltkrieg. Kurz nach-dem ieh diese den Intuitionismus predigenden Vortrage hielt, trat HILBERTmit seiner formalistischen Nettbegriilldtmg der Mathematik hervor [Abh. )Iath.Seminar Univ. Hamburg 1 (1922)]; vgl. ferner HILBERT, D ie l og is ch cn G r un d-lageIJ der ..lIathematik, Math. Ann. 88 (1922). Zu dem Gegcnsatz von Intui-t ionisrnus und Formalismus nahm ich Stellung in dem (heute viel le icht schwcr ; ;__/zuganglichcn) Aufsatz (67): D ie h eu ti g E rk en nt ni sl ag c d cr J[aflzemalik, der den ?--ersten Band der (bald wieder eingegangenen) Philosophischcn Zcitschrift fur "Forschung und Aussprache Symposion (Verlag der philosophischcn AkademicErlangen, 1925) eroffnet, und dann in meinem Beit rag Philosophic dcr J["tlze-matik fm d ~Yatttrwissellsclzalt zu dem OLDENBOURGSchenHandbuch der Philo-sophie (R. OLDENBOURG,JUiinchen 1927). Die erwciterte arncrikanische Aus-gabe PhilosoPhy 01 Altltlzematics and Natural Science (Princeton University ,_

    1Press 1949, second printing 1950) diskutiert im Appendix A (The Structure 01 ,Mathematics) die veranderte Sachlage, welchc durch die Gonmschc Entdcckung f'. von formal unentschcidbaren Satzen (1931) gcschaffcn wurde. Ich vcrweise

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    2 4 8 Db"r (lie JWUl' Grlltl,lIa;':l'1l1,d., ,It-I" ~1"t1\(,lIIatikIernor noch auf meine splitcren Xussenmgcn in (138): J l[u lit t'll lll li cs and Log icund (156): Oba den Symbolislllus dcr Jllatllcllltltik tIId mathcma tis chcn Physik .Cber weitcre Fortschritte und die auf dicscrn Gcbict cntstandcne umfangrcicheLiteratur oricnticrt bis 1936 ALO~ZO CHURCHS grossartige Biblio graphy 01S ym bo lic L ogic (J. Symholic Logic 1, 1,21-218, und 3, 178-212) und dannfortlaufend eben diescs Journal of Symbolic Logic. Hcute will mir schcinen,dass dic "opcrative" Einstcllung von PAUL LORE~ZEN den gangbarsten Wegaus den Schwicrigkeiten eroffnct ; vgl. sein kurzlich erschicnenes Buch Ei1t-liilmmg in die operative Logik lind iU atlzcm alik (Springer-Verlag 1955). Die1 \ Operationen des formalen KalkUls sind hier in fruchtbarer und zwangloser

    _ " \\,:~ise verflochtcn mit inhal~lichcn Uberlegungcn iiber .deren Produkte; rue. --:7 ' GgDELsche Entdeckung verliert dadurch alles Beunruhigcnde.--.~--~- ..~.-- --~----.- .-~----.------------_------- -: H. Weyl