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I' i: ,1: 1:\ 1:! l ,, i 11 ,,'j ,,, !'I 1i 1 1 i: i' ,, 1 1 11! ', ,c L_ NOCH ETWAS ÜBER DIE MENSCHENRASSEN An Herrn D. Biester Wilna, den 20. Jul. 1786 Wir dürfen es mit Recht zu den Siegen der Aufklärung zählen, mein lieber B., daß Ihr vortreffliches Journal bis ins Innere dieser sarmatischen Wälder dringt und auf demselben Fleck gelesen wird, wo noch im Jahr 1321 Gedimin 1 Auer- ochsen jagte und erst seit vierhundert Jahren das dem Don- nerer Perkunas geweihte ewige Feuer verlosch. Zwar erhalte ich diese mir so schätzbaren Hefte spät genug und lese erst im Julius, was teutsche Leser bereits im Januar verschlangen; allein dafür genieße ich auch das Vergnügen der Wieder- holung, welches bei einem Überfluß an geistiger Nahrung unmöglich wäre, und kann daher aus Erfahrung von manchen lehrreichen Aufsätzen in Ihrer Monatschrift sagen: decies repetita placebunt! Wenn sich gleich zuweilen ein gewisses Sehnen nach den vollen Fleischtöpfen einstellt, so ist es doch leichter, aus der Not eine Tugend zu machen, wenn man wenigstens statt der losen Speise, die unser Zeitalter so reich- lich auftischt, sich an Ihren gesunden, herzstärkenden Ge- richten laben kann. Denn hier vertritt die Lektüre die Stelle des Umgangs mit denkenden Männern, der in großen Städten und selbst auf teutschen Akademien über manche Gegen- stände ein so helles und so neues Licht verbreitet. Dort wer- den unzählige Mal die feinsten Bemerkungen gemacht, die weitumfassendsten Gesichtspunkte angegeben, die reichhal- 1 Dei: Stifter von Wilna. Koialowlcz; Hist. J.ituan. Dantise. 1650. 4to.

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    NOCH ETWAS BER DIE MENSCHENRASSEN

    An Herrn D. Biester

    Wilna, den 20. Jul. 1786 Wir drfen es mit Recht zu den Siegen der Aufklrung zhlen, mein lieber B., da Ihr vortreffliches Journal bis ins Innere dieser sarmatischen Wlder dringt und auf demselben Fleck gelesen wird, wo noch im Jahr 1321 Gedimin1 Auer-ochsen jagte und erst seit vierhundert Jahren das dem Don-nerer Perkunas geweihte ewige Feuer verlosch. Zwar erhalte ich diese mir so schtzbaren Hefte spt genug und lese erst im Julius, was teutsche Leser bereits im Januar verschlangen; allein dafr geniee ich auch das Vergngen der Wieder-holung, welches bei einem berflu an geistiger Nahrung unmglich wre, und kann daher aus Erfahrung von manchen lehrreichen Aufstzen in Ihrer Monatschrift sagen: decies repetita placebunt! Wenn sich gleich zuweilen ein gewisses Sehnen nach den vollen Fleischtpfen einstellt, so ist es doch leichter, aus der Not eine Tugend zu machen, wenn man wenigstens statt der losen Speise, die unser Zeitalter so reich-lich auftischt, sich an Ihren gesunden, herzstrkenden Ge-richten laben kann. Denn hier vertritt die Lektre die Stelle des Umgangs mit denkenden Mnnern, der in groen Stdten und selbst auf teutschen Akademien ber manche Gegen-stnde ein so helles und so neues Licht verbreitet. Dort wer-den unzhlige Mal die feinsten Bemerkungen gemacht, die weitumfassendsten Gesichtspunkte angegeben, die reichhal-

    1 Dei: Stifter von Wilna. Koialowlcz; Hist. J.ituan. Dantise. 1650. 4to.

  • 4 Kleine Schriften und Reden

    tigsten Resultate entdeckt, zu denen der belesenste Autor in seinem Studierzimmer nie gelangt.-Wenn dort der durch-dringende Scharfblick des Geschftsmannes auf den Ideen-vorrat des systematischen Gelehrten stt, so blitzt es Fun-ken, bei deren Anblick es einem wohl wird, ein Mensch zu sein und in unserm Jahrhundert zu leben. Fr solche Vorteile ist Lektre eine unvollkommene Entschdigung; allein fr itzt bleibt sie meine einzige Zuflucht, und ich fhle mich desto strker zum Dap.ke verpflichtet, je gewisser ich berzeugt bin, da nur sie vermgend ist, mich hier wirksam zu erhalten und eine Paralysis des Geistes abzuwehren, die wenigstens zufllige~eise durch eine Verwickelung der Umstnde be-frdert werden knnte, wenn sie auch nicht in den Plan ge-wisser Menschen gehren sollte.

    Ich habe daher die beiden lehrreichen Abhandlungen des vortrefflichen Herrn Professors Kant im November 1785 und im Januar 1786 Ihrer Monatschrift mit doppeltem Vergngen gelesen; denn sie befriedigten nicht nur meine Wibegierde von der Seite, von welcher mich praktische Bemhungen im Fach der Naturkunde am meisten entfernt gehalten haben, sondern sie erweckten auch eine Reihe von Gedanken in mir, die mich eine Zeitlang lebhaft und angenehm beschftigten. Der Wunsch, zu neuen Belehrungen fr mich und alle, die mit mir in gleichem Falle sein mchten, Veranlassung zu ge-ben, verfhrte mich, meine Bemerkungen ber die erwhnten Aufstze des Aufschreibens wertzuhalten. Sie werden mir die Absicht nicht beimessen, dadurch, da einmal neben einem so berhmten Namen der meinige genannt wird, mir ein An-sehen geben zu wollen. Sie wissen, da der Ruhm des Welt-weisen, den wir beide so aufrichtig verehren, viel zu fest ge-grndet, viel zu hoch emporgewachsen ist, als da er durch meine Beipflichtung den kleinsten Zusatz erhalten oder durch eine Erinnerung gegen eine seiner Auerungen beeintrchtigt werden knnte. Am besten wird der wahrhaft groe und verdienstvolle Mann den Grad der Ehrfurcht und Hoch-achtung, die ich ihm weihe, selbst ermessen knnen, wenn

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    ich ohne weitere Rcksicht auf die Person mich geradesweges zur Sache wende.

    Ich glaube einzusehen, da man endlich dem Abstraktions-vermgen Abbruch tun knne, indem man zu fest an der An-schauung klebt; und so milich es auch immer ist, sich von ihr zu entfernen, so scheint doch der Aufklrung und dem Fort-schritt in der Erkenntnis nicht geraten zu sein, wenn irgend-eine Anlage der menschlichen Natur vernachlssigt werden sollte. Das Mittel, wodurch man Einseitigkeit vermeiden wollte, kann auf diese Art leicht eins

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    6 Kleine Schdften und Reden

    bes Jahrhundert weiter hinaus ebenso wie das vorige veralten und mangelhaft werden. Sogar die spekulative Philosophie drfte diesem allgemeinen Schicksal unterworfen sein. Wer denkt hiebei nicht gleich an die Kritik der reinen Vernunft?

    Wenn also der Satz, da man in der Erfahrung nur als-denn finde, was man bedarf, wenn man vorher wei, wor-nach man suchen soll (Berl. Monatschrift, November 1785, S. 390), auch seine unangefochtene Richtigkeit htte, so wre gleichwohl bei der Anwendung desselben eine gewisse Vor-sicht ntig, um die gewhnlichste aller Illusionen zu vermei-den, diese nmlich, da man bei dem bestimmten Suchen nach dem, was man bedarf, dasselbe oft auch da zu finden glaubt, wo es wirklich nicht ist. Wie vieles Unheil ist nicht von jeher in der Welt entstanden, weil man von Definitionen ausging, worein man kein Mitrauen setzte, folglich manches unwillkrlich in einem vorhinein bestimmten Lichte sah und sich und andere tuschte! Insofern der unbefangene Zu-schauer also nur getreu und zuverlssig berichtet, was er wahrgenommen, ohne lange zu ergrbeln, welche Spekula-tion seine Wahrnehmung begnstige - und hiezu braucht er nichts von philosophischen Streitigkeiten zu wissen, sondern lediglich dem angenommenen Sprachgebrauch zu folgen -, insofern wrde ich zuversichtlicher bei ihm Belehrung suchen als bei einem Beobachter, den ein fehlerhaftes Prinzip ver-fhrt, den Gegenstnden die Farbe seiner Brille zu leihen. Dieser letztere mag immerhin einen greren Vorrat von B~obachtungen liefern knnen, weil er berall nach bestimm-ten Erfahrungen hascht: allein hier kommt es ja mehr auf den reinen Ertrag als auf die Summe an. Wer wollte nicht die wenigen Beobachtungen eines bloen, jedoch scharfsich-tigen und zuverlssigen Empirikers den vielen geschminkten eines parteiischen Systematikers vorziehen? berdies pflegen auch die offenen Augen des ersteren zuweilen wichtige Dinge zu bemerken, die derjenige nie gewahr wird, der sein Augen-merk stets auf gewisse, ihm. vorher zur Aufsuchung anbefoh-lene Vorwrfe richtet. Doch diese Gegenstze stehen viel-

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    leicht zu schneidend nebeneinander, und sowohl der empirische als der systematische Kopf kann unter gewissen Umstnden die besten Beobachtungen liefern. Denn Auf-merksamkeit, Beurteilungskraft und Unparteilichkeit sind die Erfordernisse, von welchen hier alles abhngt; diese m-gen mit spekulativer Theorie verbunden sein oder nicht. Das Geschft des Philosophen ist es, aus einzelnen wahren An-gaben die allgemeinen Begriffe zu berichtigen; und wahr-lich! bei diesem Geschfte ist Irren so mglich wie im Augen-blick des Beobachtens. Fordere ich zuviel, indem ich den Wert des Beitrags, den die neuem Reisenden zur Kenntnis der Menschengattung geliefert haben, nach dem obigen Ma-stabe geprft zu sehen wnsche? Wenigstens b~den sich unter der betrchtlichen Anzahl von Personen, welche dieser Ausdruck in sich fat, verschiedene glaubwrdige Mnner, denen man es nicht absprechen kann, da ihre Beobachtungen genau, bestimmt, zuverlssig und folglich brauchbar sind, so wenig brigens auch ihre etwanigen Begriffe in Ansehung des Worts Menschenrasse miteinander bereinstimmen m-gen. Die Kritik drfte wahrscheinlich die von vielen Reisen-den auf eine gleichlautende Art erzhlten Fakta gerade aus dem Grunde fr wahr erklren, weil so verschiedene Men-schen, von so verschiedenen Begriffen und Kenntnissen, in ihrer Darstellung des Beobachteten bereinkamen.

    Um zuverl~ssig beobachten zu knnen, ob ein gewisses Objekt schwarz oder wei sei, braucht man nicht zu wissen, da die schwarze Farbe der Abwesenheit des Lichts und die weie der Vereinigung aller verschieden gebrochenen Strahlen zugeschrieben wird: wenn aber ein Beobachter, der diesen be-stimmtem Begriff hat, und ein anderer, der blo empirisch wei, was schwarz sei, beide von demselben Gegenstande erzhlen, da er schwarz erscheine, so ist das Faktum desto unleugbarer.

    Inwiefern ist also die Behauptung (S. 393) gegrndet, da man sich, riach allen bisherigen Beschreibungen, noch keinen sicheren Begriff von der eigentlichen Farbe der Sdseeinsu-laner machen knne"? Was ich hersetzen will, finden Sie

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    8 Kleine Schriften und Reden

    bestimmt und gleichlautend von den neuem Reisebeschrei-bern erzhlt. Die Einwohner der meisten Inseln des Stillen Meeres und der brigen Sdsee sind nicht nur von hell-brauner Farbe, ansehnlicher Statur, schnem Wuchs, ange-nehmer Gesichtsbildung, mit lockichtem schwarzem Haar und starken Brten, sondern verraten auch ihre Verwandt-schaft auf den ersten Blick durch die Gleichfrmigkeit ihrer Sitten und ihrer Sprache, welche ostwrts bis zur Osterinsel, sdwrts bis nach Neuseeland und nordwrts bis auf die Sandwichsinseln, geringe Abweichungen abgerechnet, die-selbe ist. Hingegen haben sich kleinere, hagere, schwarze Menschen mit krausem Wollhaar und hlicheren Gesichts-zgen, d1e sich auch von seiten der Lebensart und insbeson-dere durch gnzlich verschiedene Sprachen von den hell-braunen 'lnterscheiden, in einigen nahe am Molukkischen

    Ardlipel liegenden Inseln verbreitet und bewohnen Neu-guinea, Neuholland, Neukaledonien, die Charlotteninseln und die Hebriden. Die schwarze Farbe hat hier Nuancen wie in Afrika und ist auf einigen Inseln so dunkel wie in Guinea. Carteret und Bougainville beschreiben diese Men-schen so schwarz wie afrikanische Neger. Dampier und Cook fanden die Neuhollnder schwarz und ihr Haar so wollig, wie ein Eingebomer von Guinea es nur immer auf-weisen knne. In den Neuen Hebriden sah Bougainville, und sahen wir, ganz schwarze, schwarzbraune und dunkel-braune Menschen; doch scheint die letzte Schattierung sehr wahrscheinlich von einer Vermischung mit der hellbraunen Vlkerschaft, deren Inseln hier nicht weit entfernt sind, her-zurhren, da auch in Tanna neben der gewhnlichen Lan-dessprache von etlichen Einwohnern ein Dialekt der Sprache der hellgefrbten Nation gesprochen wird. Ich breche ab, denn ich mte wiederholen, was bereits ber diese zwei so deutlich verschiedenen Vlker gesagt worden ist, wenn ich noch jetzt Beobachtilngen und Wahrnehmungen, wobei es lediglich auf die noch nie zuvor bezweifelte Glaubwr-digkeit der Augenzeugen a!Jkmmt, vor dem Publikum ver-

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    teidigen wollte. Allerdings sehe ich wohl ein, da es um manche Hypothese besser stehen wrde, wenn sich die h-lichen Schwarzen gnzlich aas der Sdsee wegdemonstrieren lieen. Sie sind nun aber einmal da; und wenn nicht eine Stelle in Carterets Reisebeschreibung Herrn K. zu einem etwas gewagten Schlu verleitet htte, wrde er selbst ver-mutlich weniger zweifelhaft von ihnen geschrieben haben. Erlauben Sie mir, diese Stelle und die darauf gegrndete uerung etwas nher beleuchten zu drfen.

    Auf Freewills Eilanden (S. 393) soll Carteret zuerst das wahre Gelb der indischen Hautfarbe gesehen haben; und hieraus schliet Herr K., da die Bewohner der meisten Inseln in der Sdsee Weie sein mssen. Der eben genannte Weltumsegler hatte aber, wie Herr K. sehr richtig erinnert, nur wenig Land im Sdmeere betreten und nur in den west-lichen Gegenden desselben, zuerst bei den Charlotteninseln und sodann in Neubritannien, Menschen gesehen. Schwer-lich drfte daher der Schlu von einem so geringen Teile auf das Ganze gelten. Wenigstens knnte man nach diesen Prmissen mit ebensoviel Wahrscheinlichkeit auf Schwarze raten; denn aus Carterets Worten folgt nur, da er bis da-hin Menschen von anderer Farbe gesehen habe. Warum be-fragen wir den ehrlichen Seefahrer nicht selbst? Wie gesagt: die einzigen bewohnten Inseln, die er im Stillen Meere be-suchte, sind die Gruppen der Knigin Charlotte und die von Neubritannien nebst den dazwischenliegenden Gowers- und Carterets-Eilanden, und hier fand er berall - nur schwarze Bewohner mit wolligem Haar. Lesen Sie ihn selbst nach, um sich zu berzeugen, da es nicht allemal des Beobachters Schuld ist, wenn man ihn unrecht versteht!

    In meinem Exemplar von Carterets Reisebeschreibung1 lese ich ferner, da die Einwohner der Freewills Eilande von der gewhnlichen Kupferfarbe der Indianer sind. Das

    1 Die englische Urschrift habe Ich hier nicht nachschlagen knnen. In der Oktav-ausgabe der bersetzung, im zweiten Bande S. 123 (Berlin bei Haude und Spener, 1775) stehen die von mir angefhrten Worte.

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    wahre indische Gelb, welches Herr K. an dieser Stelle liest~ habe ich nicht finden knnen. Durch das Wort Indianer werden hier keineswegs die gelbbraunen Hindus, sondern berhaupt solche Menschen bezeichnet, die man sonst mit einem nicht weniger schwankenden Ausdruck: Wilde nennt. Herr Carteret bedienet sich desselben, durchgehends in die-ser Bedeutung. Byron und Wallis geben ohne Bedenken den . Patagoniern und Pescherhs an der Magellanischen Meerenge diese Benennung, die dem englischen Sprachgebrauch gem ist. Auch htte Carteret schwerlich die Einwohner des Gan-ges kupferfarbig genannt, so wenig brigens dieses Beiwort sich ausschlieenderweise von den ursprnglichen Amerika-nern gebrauchen lt. Wenn man annimmt, da es eine Schat-tierung des Rtlichbraunen ohne Einmischung einigerSchwrze bedeuten soll -"" und an metallischen Glanz ist hierbei wenig-stens im allgemeinen nicht zu denken -, so knnen die hell-braunen Vlker im Sdmeere, auf Neuseeland, den Sozie-tts-, Marquisen-, Sandwichs-, Karolinen-, Marianen- und Freundschaftsinseln fglicher damit bezeichnet werden als gewisse, mehr ins Schwrzliche fallende Nationen im mit-tgigen Amerika. Aus diesem Grunde finde ich auch keinen Anstand, die Insulaner auf Freewills Eilanden zu der im Sdmeer allgemein verbreiteten hellbraunen Vlkerschaft zu zhlen, wozu mich das wenige, was Carteret von ihrer Kleidung und ihren Sitten erzhlt, noch mehr berechtigen kann.

    Indem ich aber nun behaupte, da in Absicht der Sdsee-insulaner alles geleistet worden ist, was man billigerweise von den Beobachtern fordern konnte, leugne ich freilich nicht, da der V ersuch, den Her K. verlangt - da nmlich eii;t Kind von einem dortigen Paare in Europa gezeugt werden msse, um die ihnen von Natur eigene Hautfarbe ohne Zwei-deutigkeit zu entdecken -, noch nicht angestellt worden sei und vielleicht nie stattfinden werde. Allein sollte er wohl so unentbehrlich sein, wie unser Herr Verfasser glaubt? Ich ge-stehe Ihnen, lieber Freund, ich kann mich hievon um so weni-

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    ger berzeugen, da ich ihn sogar zur Bestimmung des V erhlt-nisses zwischen Negern und Weien fr unsicher halte. Es wird Ihnen bekannt sein, da die Negerkinder auch in Gui-nea nicht schwarz, sondern rot geboren werden und von den neugebomen Kindern der Europer an Farbe nur wenig ver-schieden sind.1 Wenige Tage nach der Geburt werden sie schwarz, und in kurzem kann man sie der Farbe nach von ihren Eltern nicht mehr unterscheiden. Da aber diese Ph-nomen an Negerkindern auch auerhalb Afrika wahrgenom-men werde, ist ein Faktum, an welchem in Lndern, wo man sich tglich davon berzeugen kann, wie Frankreich, England und Nordamerika, niemand mehr zweifelt. Ich selbst habe Negerkinder gesehen, die in Europa oder auch in Nord-amerika geboren und daselbst, wie in ihrer Eltern Vater-lande, durch Einwirkung der Atmosphr~ auf ihre Haut schwarz geworden waren. Wenn also nur die Neugebomen vermge ihrer Organisation und der Mischung ihrer Grund-stoffe zu dieser V erwandltmg vofbereitet sind, geschieht sie berall auf eine gleichfrmige Art, indem die Luft hier ver-richtet, was das Sonnenlicht in Ansehung des Pflanzenreichs bewirkt. Die vor den Lichtstrahlen sorgfltig verwahrte Pflanze ist von bleichgelber Farbe, wird aber, nachdem sie an das Licht gestellt worden ist, in wenigen Tagen vllig grn.

    Ganz anders verhlt es sich mit der allmhlichen Einwir-kung des Klima, welche viele Generationen erfordert, ehe sie sichtbar und bemerklich wird. Ihr Gang ist langsam, aber unausbleiblich. Die spten Enkel in warme Lnder versetzter Weien erlangen eine dunkelere Farbe und werden endlich im heien Erdgrtel nach Verlauf von Jahrhunderten beinahe vllig- schwarz. Umgekehrt, wenn Schwarze ber die Grenzen des Wendekreises hinaustreten, verliert sich unter ihrer Nach-kommenschaft die schwarze Farbe: sie werden schwarzbraun, oliveufrbig und vielleicht - denn wer kann hier mit einiger Wahrscheinlichkeit das Nonplusultra abstecken? - noch

    1 Buffon, Hist. Naturelle, Tom. ill, p. 522, Paris, 4to 1750.

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    12 Kleine Schriften und Reden

    einige Grade hellet, je hher sie vom quator ab in mildere Zonen hinaufziehen. Die Beispiele dieser langsam bewirkten Vernderung der Farbe sind so auffallend, so unbezweifelt an ganzen Nationen erweislich, da man sich billig wundern mu, wie immer noch darber hinweggesehen wird. Das Fak-tum ist unleugbar, da der weie Mensch in Spanien, Ma.uri-tanien, .gypten, Arabien und Abessinien dunkler gefrbt ist als in Teutschland, Polen, Preuen, Dnemark und Schwe-den; ja sogar, da die dunkle Schattierung ohngefhr in der Stufenfolge, wie ich jene Lnder nenne, zunimmt, bis sie in Abessinien und in den arabischen Pflanzsttten an der Ost-kste von Afrika schon sehr ins Schwarze fllt. Nicht minder in die Augen fallend ist es, da aus Nigritien hervorgegan-gene Kolonien, die sich gegen die sdliche Spitze von Afrika gezogen haben, daselbst anjetzt unter dem Namen der Kaf-fern und Hottentotten, je nachdem sie sich dem Einflu der scheitelrechten Sonne mehr entzogen, weiter polwrts oder tiefer ins kalte Gebirge rckten; nach Verlauf einer unbekann-ten Zeit schwarzbraun und gelbbraun angetroffen worden. Eine hnliche Farbenleiter, deren Extrema aber weit nher zusammenliegen, ist in Amerika bemerklich; und so, wie man die ursprnglichen Bewohner allmhlich dunkler findet, wenn man von Kanada hinab gegen den .quator und bis nach Guiana und Brasilien reiset, so bemerkt man, da die Mn-ner weiter sdwrts auf den Pampasebenen, in Chili, an Ma-gellans Meerenge und im uersten Feuerlande wieder heller werden. Endlich verhlt es sich auch nicht anders mit den Vlkern, welche die verschiedenen Zonen Asiens bewohnen. Von China ber Tunquin und Kochinchina, von Tibet ber Pegu und Malakka trifft man Nuancen des Weien, die sich bis ins tiefste Schwarzbraun verlieren. Die Belege hiezu fin-den Sie in dem zahlreichen Heere der Reisebeschreiber zer-streut, doch zum Teil hat Buffon sie gesammelt. Nur die Lnge der Zeit knnen wir nicht bestimmen, welche erfordert wird, wenn eine Familie die Reihe aller Schattierungen zwi-schen Wei und Schwarz, die ihr erreichbar sind, aufsteigend

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    oder absteigend durchlaufen soll. Denn hierber fehlt es uns an historischen Nachrichten und Denkmlern, deren gnz-licher Mangel gleichwohl in der Hauptsache nicht das min-deste ndert.

    Wenn es dennoch erwiesen werden kann, da die Haut-farbe der Menschen, zwar spt und mit unmerklichen Schrit-ten, aber demnach unfehlbar in die Lnge dem Einflu des Klima gehorcht, da im brennenden Afrika die Abkmm-linge weier Menschen schwrzlich werden, da am Vor-gebirge der Guten Hoffnung die Nachkommenschaft der schwrzesten Neger zu olivenfrbigen Hottentotten sich bleicht: wie wird es alsdann noch mglich sein, durch die Erzeugung eines einzigen Negerkindes in Europa zu bestim-men, wieviel von seiner schwarzen Farbe seinen Eltern, wie-viel dem Klima gehrt? Im Gegenteil, da diese Farben-unterschiede sich berall klimatisieren, so hat der Abbe Demanet so gnzlich unrecht nicht, wenn er, wie es scheint, den Satz behaupten will: ein Neger sei eigentlich nur in sei-nem Vaterlande ein rechter Neger. Ein jedes Wesen der Natur ist, was es sein soll, nur an dem Orte, fr den sie es entstehen lie; ein.e Wahrheit, die man in Menagerien und botanischen Grten tglich besttigt sieht. Der Neger, in Europa geboren, ist wie eine Treibhauspflanze, ein modifiziertes Geschpf, in allen der Vernderung unterworfenen Eigenschaften mehr oder weniger dem unhnlich, was- er in seinem Vaterlande geworden wre.

    Linne, dessen tiefes Studium der Natur selten recht erkannt wird, weil er es in seinen aphoristischen Schriften eher ver-graben als zur Schau getragen hat - Linne zhlte die Farbe bei Tieren und Pflanzen unter jene zuflligen, v:ernder-lichen, Eigenschaften, welche fr sich allein, auer dem Zu-sammenhange mit andern Kennzeichen, zur Unterscheidung der Gattungen nicht hinreichend sind. Ich wei, wie wenig ich befugt bin, meine Stimme entweder fr oder wider seinen Kanon zu geben1, und folglich lasse ich ihn in seinem Werte

    1 S. dessen Cdtica botanlca, 266.

  • 14 Kleine Schriften nnd Reden

    beruhen. Hier kommt . es darauf an, ob die Farbenunter:.. schiede, die man bei verschiedenen Menschenstmmen be-merkt, einer klimatischen Abnderung fhig sind, oder ob sie vielmehr, wie (S. 403) behauptet wird, sich auch auer-halb des Erdstrichs, dem sie jedesmal eigen sind, in allen Zeugungen unvermindert erhalten. Ich baue hier nichts auf das schwankende Zeugnis des Heidenbekehrers Demanet und auf sein schwarzes Portugiesenkind. So etwas mag gut genug sein, wenn man V oltairen widerlegen will, welcher zu ver-stehen gegeben, da die Neger vielleicht einen andern Stammvater als die Europer htten. Sie, lieber B., sind in der Geschichte der Ketzereien zu wohl bewandert, um nicht zu wissen, da dieser Einfall, der bei jedem andern der un-schuldigste von der Welt wre, nichts Geringeres als Gottes-lsterung sein kann, sobald Voltaire ihn denkt und sagt. Ist nun solchergestalt das Feuer im Dach, so mssen ja die Glubigen lschen - womit und wie:: sie knnen. Ich whle meine Beispiele von schwarzgewordenen Abkmmlingen weier Menschen unter Vlkern, die Herr K. auch selbst noch zu den Weien zhlt, unstreitig, weil er berzeugt ist, da sie trotz ihrer jetzigen schwarzbraunen Farbe von Wei-en entsprungen sind. Die Kaffern hingegen, die Herr K. von den Schwarzen absondert, ohne ihrer Abstammung von diesen zu erwhnen, sind mir, und - wie mich dnkt - jedem Unbefangenen, Beweises genug von einer durch milderes Klima sanft 'vertuschten Schwrze.

    Gehen wir jetzt noch einen Schritt vorwrts. Anstatt die Extreme aneinanderzuknpfen und den Neger aus Guinea mit dem Blonden aus Skandinavien zusammenschmelzen zu wollen, setzen Wir den mglichen Fall, da ein schwarzbrau-ner Abessinier mit einer Kafferin von gleicher Farbe sich ver-

    . mhle. Mithin vereinigen wir die Stmme auf dem Punkt, wo sie sich einandei: wirklich am nchsten sind, sich gleichsam auf halbem Wege begegnen. Der Blendling, der aus dieser Mischung entsteht, wird unstreitig Vater und Mutter nach-arten; aber seine Hautfarbe wird nicht mehr das Malzeichen

    Noch etwas bet die Menschenrassen 15

    dieser Nachartung und der gemischten Naturen sein, denri beide Eltern hatten einerlei Farbe. Tritt nun der Umstand ein, wo ein angenommenes Unterscheidungszeichen dasjenige nicht leistet, was man sich von ihm versprach, das ist im gegenwrtigen Falle: gibt es nicht mehr eine wirkliche ge-schehene Mischung zweier Menschenstmme an, so erkennen wir, da es belgewhlt und verwerflich sei.

    Ich fhle, wohin mich diese Untersuchung zu fhren scheint. Sie betrifft nicht mehr die Anwendung des Begriffes, den man zum Grunde legt, sie untergrabt vielmehr das Prinzip selbst und zeigt dessen Unzulssigkeit. Immerhin! denn es gilt um Wahrheit, und das Prinzip kann seinem Erfinder nur insofern es stichhlt etwas wert sein. Eines der zuverlssig-sten Mittel, in einer glckseligen Alltglichkeit des Denkens behaglich zu ruhen, sich in demtigster Geistesarmut unter das Joch der trichtsten Vorurteile zu schmiegen un.d nie eine nahe, dem Denker winkende Wahrheit zu ahnden, ist dieses: wenn man vor einer khnen Folgerung, die ganz unmittel-bar aus deutlichen Prmissen flo, zurck:bebt wie vpr einem Ungeheuer. Hinweg mit dieser unmnnlichen Furcht! Statt derselben nachzugeben, untersuche man nochmals sorgfltig den zurckgelegten Weg und prfe jeden Schritt mit uner-bittlicher Strenge. Ist alles sicher, nirgends ein Sprung ge-schehen, nirgends auf betrglichen Triebsand gefuet wor~ den, so trete man getrost dem neuen Ungeheuer unter die Augen, man reiche ihm vertraulich die Hand, und in dem-selben Augenblick: wird alles Schreckliche an ihm verschwin-den. Die Kraft, woi;nit ein Satz uns berzeugt, mu sich vllig gleich bleiben, er werde jetzt zum ersten Mal behaup-tet, oder man hre dessen zehntausendste Wiederkuung. Denn wahr kann dem Selbstdenker doch nur dasjenige sein, wovon seine Vernunft, nicht jene aller anderen Menschen, die Grnde fat, erwgt, billigt und anerkennt. So tue dann auch ich ohne Scheu das Bekenntnis, da ich anderwrts mich Rats erholen mu; um die Abstnde zwischen verschiedenen Nuancen im Menschengeschlecht zu messen.

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    16 Klelne Schriften und Reden

    Wollen Sie also, mein Freund, in einem gedrngten In-begriff bersehen, worauf es eigentlich bei der Bestimmung der Unterschiede im Menschengeschlecht ankommt, so lesen Sie einen Smmerring: ber die krperliche Verschieden-heit des Negers vom Europer1." Mir drckt die Freund-schaft die Hand auf den Mund, da ich nicht loben darf, was so uneingeschrnktes Lob verdient; da ich Empfindun-gen unterdrcke, die mich durchdrangen, als ich las, was seit manchen Jahren an Interesse fr den Philosophen, an Flei, an Wahrheitsliebe, an Bescheidenheit, an geistvoller Gelehr,-samkeit und Kunst in meinen Augen nicht bertroffen ward. In der wichtigen Schrift dieses vortrefflichen Mannes werden Sie nicht nur finden, da die Farbe unter die minder wesent-lichen Eigenschaften gehre, woran man Neger von Euro-pern unterscheidet, sondern was das merkwrdigste ist, da der Neger sichtbarlich sowohl in Rcksicht uerer als inne-rer Gestaltung weit mehr bereinstimmendes mit dem Affengeschlecht habe als der Weie. Schon der Augenschein gibt gewissermaen dieses Resultat; allein hier wird es mit physiologischen und anatomischen Grnden erwiesen. Ich bin indessen weit entfernt, nunmehr mit Herrn Fabricius zu vermuten, da irgendein Affe an d~ Bildung des Negers Anteil gehabt haben knne. Vielmehr besttigt sich immer mehr, auch durch dieses Faktum, der fruchtbare Gedanke, da alles in der Schpfung durch Nuancen zusammenhngt2. Camper, der als Physiolog und von so vielen andern Seiten gro und liebenswrdig ist, zeigte mir in einem seiner Briefe an einem Teile des Krpers, den Fen, wie sorgfltig die Analogie der Bildung durch alle Sugtiere hindurch bis auf die Walfische beobachtet ist. Und vortrefflich hat Herder einen hnlichen Gedanken aufgefat und ausgefhrt, indem er sagt: es sei unleugbar, da bei aller Verschiedenheit der lebendigen Erdwesen berall eine gewisse Einfrmigkeit des Baues und gleichsam eine Hauptform zu herrschen scheine,

    1 Frankf. und Leipz. 1785. - 2 Zimmermann in seiner vortrefflichen geo-graphischen Geschichte des Menschen und der vierfigen Tiere, I; S. 5,

    Noch etwas ber die Menschentassen 17

    die in der reichsten Verschiedenheit wechselt1. Gewi, in mehr als einem Betracht - und selbst in moralischer Be-ziehung - ist das Mancherlei auf unserm Planeten nicht auf-fallender und an Stoff zum Nachdenken ergiebiger als das da.iin nur stets verkleidete und immer wieder durchschim-mernde ewige Einerlei; der grte Reichtum neben der uersten Drftigkeit!

    Der affenhnlichste Neger ist dem weien Menschen so nahe verwandt, da bei der Vermischung beider Stmme die auszeichnenden Eigenschaften eines jeden sich im Blendling 'ineinander verweben und verschmelzen. Die Abweichung ist sehr gering; die beiden Menschen, der schwarze und der weie, stehen ganz nahe nebeneinander; und anders konnte es nicht wohl sein, wenn. Menschheit nicht in Affennatur ber-gehen, der Neger nicht, anstatt ein Mensch zu bleiben, ein Affe werden sollte. Denn auch die beiden Tiergeschlechter (genera), der Mensch und der Affe, grenzen in der Reihe der Erdenwesen unglaublich nahe aneinander; nher, als viele andere Tiergeschlechter miteinander verwandt sind. Gleichwohl bemerken wir einen deutlichen Zwischenraum oder Abstand zwischen diesen beiden physischen Geschlech-tern; jenes schliet sich mit dem Neger, so wie dieses mit dem Orang-Utan anhebt. Ein affenhnlicher Mensch ist also kein Affe.

    Ob nun aber der Neger und der Weie als Gattungen (species) oder nur als Varietten voneinander verschieden sind, ist eine schwere, vielleicht unauflsliche Aufgabe. Mit dem Schwert dreinzuschlagen berlt der kaltbltige For-scher denen, die nicht anders lsen knnen und doch alles lsen wollen. Was ihm zu verworren ist, lt er lieber .als einen Knoten zurck, dessen Band sich doch einmal, frher oder spter, wenn die Fden erst alle gefunden sind, ent-wickeln lassen wird. Trennt man mit Herrn K. die Natur-wissenschaft in Naturbeschreibung und Naturgeschichte -eine Einteilung, die ich gar wohl gelten lassen kann, wenn

    1 Ideen zur Philos. der Gesch., !, S. 88.

  • 18 Kleine Schriften nnd Reden

    beide nur immer wieder vereinigt und als Teile eines Gan-zen behandelt werden -, so mchte es scheinen, da der Naturbeschreiber eher mit der Frage fertig werden kann. Zwar scheint Herr K.. anzunehmen, eine jede Verschieden-. heit der Merkmale sei dem Naturbeschreiber hinreichend, um eine Art daraus zu machen. Ich kann hierauf nicht ganz befriedigend antworten; denn der vorzglichste Schriftstel-ler, der die Wissenschaft systemadsch behandelte, Linne, hat lateinisch geschrieben. Seine Einteilungen heien: classes, ordines, genera, species; varietates. Nun scheint mir Variett 'immer durch vernderliche, zufllige Merkmale definiert zu werden; es wird dabei angenommen, eine Variett knne in die andere bergehen. Will Herr K. in diesem Sinne lieber Art als Variett sagen, so ist das nur eine Verwechselung der Worte, worber man sich leicht verstndigen kann. Gat-tung hingegen, wenn species" so bersetzt werden soll, er-fordert im Linneischen Sinne unvernderliche Merkmale. In der Naturgeschichte mu es sich anders verhalten, wenn es in derselben, wie Herr Kant behauptet, nur um die Erzeu-gung und den Abstamm zu tun ist. Allein in diesem Sinne drfte die Naturgeschichte wohl nur eine Wissenschaft fr Gtter und nicht fr Menschen sein. Wer ist vermgend, den Stammbaum auch nur einer einzigen Variett bis zu ihrer Gattung hinauf darzulegen, wenn sie nicht etwa erst unter unsern Augen aus einer andern entstand? Wer hat die kreiende Erde betrachtet in jenem entfernten und ganz in Unbegreiflichkeit verschleierten Zeitpunkt, da Tiere und Pflanzen ihrem Schoe in vieler Myriaden Mannigfaltigkeit entsprossen, ohne Zeugung von ihresgleichen, ohne Samen-gehuse, ohne Gebrmutter? Wer hat die Zahl ihrer ur-sprnglichen Gattungen, ihrer Autochthonen gezhlt? Wer kann uns berichten, wie viele einzelne von jeder Gestalt in ganz verschiedenen Weltgegenden sich aus der gebrenden Mutter w~chei:n, vom Meere befruchteten Schlamm organi-sierten? Wer ist so weise, der uns lehren knne, oh nur ein-mal, an einem Orte nur, oder zu ganz verschiedenen Zeiten,

    Noch etwas ber die Menschenrassen 19

    in ganz getrennten Weltteilen, so wie sie allmhlich aus des Ozeans Umarmung hervorgingen, organische Krfte sich regten?

    Vidleicht wird man einwenden, da es hiebei auf ein Ex-periment ankomme, welches alles leicht und ohne Wider-rede entscheidet. Man nehme zwei Tiere von verschiedenen Merkmalen, die jedoch ganz nahe verwandt zu sein schei-nen; man lasse sie sich miteinander begatten. Entsteht aus dieser Vermischung ein Mittelgeschpf, welches wieder zur Fortpflanzung fhig ist, so waren seine Eltern von einerlei Gattung, obschon verschiedener Variett (oder Art). Ich meinesteils finde hier statt aller Entscheidung blo eine neue Definition. Man nenne den Windhund und den Bologneser, die zusammen fruchtbare Mittelgeschpfe zeugen, Gattun-gen oder Varietten, so ist man dadurch der Erforschung ihres gemeinschaftlichen Abstamms von einem ursprnglichen Paare nicht um ein Haarbreit nhergekommen, und jene Ausdrcke bleiben nach wie vor Erfindungen des systema-tischen Naturforschers, wodurch er auffallendere oder ge-ringere Nuancen unter den Wesen der Erde bequem und schnell unterscheiden will. Allein so geht es freilich immer, wenn man Begriffe verwechselt und eine Hypothese, die irgend jemand auf eine Ta~sache baute, nqn selbst fr Tat-sache ansieht.

    Es lt sich a priori nicht leugnen, da Tiere von ver-schiedener Art sich im wilden oder freien Zustande paaren, wiewohl es mir hchst unwahrscheinlich ist. Allein, ein Bei-spiel dieser Paarung ist mir wenigstens noch nicht bekannt. Man hat zuweilen sehr ungleichgestalte Insekten gepaart angetroffen: indessen beweisen die meisten und bewhrte-sten der hiehergehrigen Beispiele nur, da die Natur dem weiblichen und mnnlichen Geschlecht in einerlei Gattung zuweilen sehr verschiedene Bildungen erteilt, keineswegs, da verschiedene Gattungen sich mischten. Tausend- und abertausendmal blhen in unsern Grten die allernchst verwandten Pflanzenarten nebeneinander, ohne da je eine

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  • 20 Kleine Schdften und Reden

    die andere befruchte. Nur die Hand des Menschen hat bei diesen keuschen Geschpfen knstlichen Ehebruch veran-stalten knnen. Im Tierreich hat jede Art, jede Nuance, . was diesen Punkt betrifft, einen unwiderstehlichen Hang zu seinesgleichen, einen entschiedenen Abscheu vor andern

    Tieren, wenngleich diese wenig, oft nur unmerklich, ver-schieden sind. Nicht einmal vom Affen, der den Geschlechts-trieb so heftig fhlt, ist es erwiesen, da im freien Zustande eine Gattung sich mit der andern belaufe. Und horchten Menschen nur der Stimme des Instinkts, wre es nicht ihre Vernunft, welche !-sternheit und Begierde erknstelt -wie dies Herr K. so scharfsinnig und meisterhaft (Berlin. Monatschr., Januar 1786, S. 6) entwickelt-: so wrden wir sowohl bei Schwarzen als bei Weien vor der ungleicharti-gen Vermischung Ekel und Abscheu bemerken. Noch jetzt, glaube ich, darf man diesen Widerwillen vom rohen, unver-dorbenen Landmann erwarten: er wird die Negerin fliehen; wenigstens wird Geschlechtstrieb nicht das erste sein, was sich bei ihrem Anblick in ihm regt.

    Als Beweis eines gemeinschaftlichen Ursprungs darf man al~o die knstliche und an Tieren durch Gefangenschaft er-zwungene ungleichartige Begattung nicht anfhren, obwohl sie in einer andern Hinsicht einigen Nutzen fr die Natur-kunde. hat. Es ist .nmlich auer allem Zweifel, da die Blendlinge von Kanarienvgeln und Stieglitzen, auch meh-reren Finkenarten, die Fortpflanzungsfhigkeit besitzen, die man auch dem von Hund und Fuchs entsprossenen Mittelge-schpfe nicht absprechen kann. Hingegen sind die Flle von fruchtbaren Maultieren sehr selten. Zwischen Gattung und Gattung ist folglich nicht immer ein gleichweiter Abstand; eine Bemerkung, die sich auch sonst aus der Vergleichung der Bildungffi durch Clas sogenannte Tier- und Pflanzen-reich ergibt. Panther, Leopard,. Unze und Jaguar sind mit-einander nher verwandt als mit dem gestreiften Tiger, auf den sie folgen; und zwischen diesem und dem Lwen ist wiederum ein grerer Zwischenraum, obgleich keine Lcke.

    Noch etwas ber die Menschenrassen 21

    Die beiden Orang-Utans, der afrikanische und der asiatische, stehen ungleich enger aneinander gerckt, als wiederum an beide der langarmichte Gibbon sich anschliet. Die beiden Kamele der alten Welt sind einander ungemein hnlich; der Abstand zwischen ihnen und den amerikanischen, die auch wieder im engsten Verhltnisse unter sich stehen, ist weit grer. Man versetze den Dachs ins Brengeschlecht oder unter die Viverren, so ist der amerikanische dem europi-schen ungleich nher als jeder andern mit ihnen verwandten Gattung. Will man auch lieber jeden etwas grern Abstand zwischen den Gattungen fr die Grenze eines Geschlechts halten, so hat man hiedurch dennoch nichts gewonnen .. Erst-lich vermehrt man dadurch die Anzahl der Geschlechter (genera) auf eine fr das Gedchtnis uerst lstige Art; zweitens ist die allgemeine generische Verwandtschaft in einigen angefhrten Beispielen, wie zwischen Lwe, Pan-ther und Tiger, unleugbar; und drittens ist Geschlecht ein ebenso unbestimmter Begriff als Gattung, sobald es auf das Ma des Abstandes ankommt, wodurch eines von dem an-dern getrennt ist. Das Nasehorogeschlecht fat zwei nahe aneinander grenzende Gattungen in sich, und nun ist gleich-sam zwischen ihm und den nchsten Geschlechtern eine groe Kluft vorhanden. Ebenso isoliert steht der Elefant; bei-nahe so das Pferdegeschlecht und das Nilpferd. Dafr gren-zen die Igel sehr nahe an die Stachelschweine, die Hasen an die Zerbos, die Antilopen an die Ziegen von einer, an die Hirsche von der andern, an die Ochsen von der dritten Seite. berall trifft man also vllig ungleiche Abstnde zwischen den einzelnen Erdwesen, die unseren bestimmten Einteilun~ gen nicht entsprechen. Unsere Fcher sind alle nach einem Mastabe entworfen, alle gleichgro, alle gleichweit von-einander gerckt, alle in einer langen unabsehlichen Reihe hintereinander gestellt. Von alledem findet steh nichts in der Natur. Sie bringt Wesen hervor, die sich bald so vllig

    , hneln, da wir keinen Unterschied an ihnen wahrnehmen knnen; bald solche, die in geringen Kleinigkeiten abwei-

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    22 Kleine Schriften und Redi;n

    eben, bald andere, wo nur von ferne die Analogie beibehal-ten ist; jetzt ist es die Bildung, jetzt die Gre, jetzt die Farbe, die in ihren Formen wechselt. Oft stoen wir auf ein Geschpf, das wie im Mittelpunkt zwischen mehreren verwandten Gattungen steht. - Mit einem Worte, die Ord-nung der. Natur folgt unseren Einteilungen nicht, und so-bald man ihr dieselben aufdringen will, verfllt man in Ungereimtheiten. Ein jedes System soll Leitfaden fr das Gedchtnis sein, indem es Abschnitte angibt, welche die Natur zu machen scheint; da nun aber alle gleichnamige Abschnitte, wie Geschlecht, Gattung, Variett, berall in gleichen Entfernungen voneinander stehen, kann und darf niemand behaupten. Daher eifert Buffon gegen alle syste-matische Entwrfe, wiewohl es auch des Systematikers Schuld nicht ist, wenn man mehr von seiner Methode for-dert, als er selbst davon verspricht.

    Wie viel ist demnach fr die Entscheidung jener Frage zu hoffen? Ist der Neger eine Variett oder eine Gattung im Menschengeschlecht? Wenn es hiebei auf die erwiesene Ab-stammung aller Varietten von einem ursprnglichen ge-meinschaftlichen Elternpaare ankommt, die auer unbe-zweifelten historischen Belegen nicht dargetan werden kann, so findet keine bestimmte Auflsung statt; denn solche Belege finden sich nirgends. Gengt uns hingegen die Linne-

    , 'ische Bestimmung, ist eine Variett von einer Gattung blo durch die Unbestndigkeit ihrer Merkmale verschieden: so erfordert es noch eine kleine vorlufige Untersuchung, inwie-fern diese Definition auf die mancherlei Menschenstmme pat.

    Offenbar gibt es Farbenunterschiede in einem jeden, so-wohl dem weien als dem schwarzen Menschenstamme. Der Weie wird in Afrika schwrzlich, der Neger im Kaffer-lande olivenfrbig. Allein ob diese Vernderlichkeit bis zu einer vlligen Umwandlung der weien in die schwarze Farbe, und umgekehrt der schwarzen in die weie gehen knne, dies lehrt bis jetzt noch kein Experiment. So auf-

    Noch etwas bet dle Menschenrassen 23

    fallend verschieden die Bildung des Negers, zumal seines Kopfes, vom Weien ist, so gewi gibt es doch auch in Afrika verschiedene Nuancen, die an verschiedenen Vlkerschaften bemerkt worden sind. Die Eigentmlichkeit der National-bildungen unter den Weien hat niemand geleugnet. Allein auch hier kann schlechterdings nicht bewiesen werden, da

  • 24 Kleine Schriften und Reden

    einzelne Menschen aus zweierlei Stmmen gleichgefrbt sein knnen. Hier kommt nur noch das Anarten berhaupt in nhere Betrachtung. Zum Beweise, da auer der Farbe nichts unausbleiblich anarten knne, fhrt Hr. K. die zufl-ligen Gebrechen, Schw:indsucht, Wahnsinn, Schiefwerden usw. an, denen er allenfalls auch noch die Bilfinger und Ka-kerlaken htte hinzufgen knnen. Allein von Krankheiten und Migeburten auf natrliche Eigentmlichkeiten der Bildung zu schlieen, scheint mir noch etwas gewagt. Noch nie habe ich einen Mulatten oder Mestizen gesehen, dem man es nicht auch in den Gesichtszgen angesehen htte, da er ein Blendling von zwei Vlkern sei. Und wie wollte man auch daran zweifeln, da nicht nur, wenn Personen von zweierlei Stmmen, sondern auch, wenn Menschen aus einer-lei Volk, aus einer Stadt und einer Familie sich heuraten, die Eltern wieder in den Zgen der Kinder erkannt werden knnen? Wahr ist es, ein gebteres Auge wird zur Bemer-kung dieser hnlichkeiten erfordert. Farben.unterschiede fal-len auf; denn sie sind auf der ganzen Oberflche des Kr-pers bemerklich; Nachartung in einzeln Teilen kann auch nur in diesen Teilen gesucht werden. Daher, und nicht weil die Farbe ein wesentlicheres, dauerhafteres Unterscheidungs-zeichen als die Gestalt, z. B. des Gerippes, ist, knnen auch einzelne Zge nicht allemal unausbleiblich gleichfrmig an-arten, sondern mssen bald vom Vater, bald von der Mutter ohne Mischung genommen werden. In weien Familien sieht man freilich die blauen und die braunlichen Augen, bald dem Vater, bald der Mutter nachgeartet; allein es scheint hier blo deswegen keine Zwischennuance stattzufinden, weil die Farbe der Iris vermutlich auf Umstnden beruht, die mit den Erscheinungen chemischer Mischungen hnlich-keit haben. Je nachdem der Niederschlag mit diesem oder jenem Grundstoffe mehr oder weniger gesttigt ist, wird das Auge blau oder braun; und diesen Sttigungspunkt be-stimmt im Augenblicke der Zeugung die zufllig berwie- gende Energie de$ einen oder des andern Zeugungsstoffes.

    Noch etwas ber die Menschenrassen 25

    Hier ist allerdings noch ein weites Feld fr knftige Beobachter offen. Eine Reihe mrgfltig gesammleter Er-fahrungen wrde hchstwahrscheinlich zeigen, da von der Gleichfrmigkeit des Anartens in Mittelgeschpfen noch. vieles wegfallen mu. Nicht jede Zeugung von denselben Eltern fllt gleichfrmig aus, wenn beide aus einerlei Stamme sind: a priori sieht man nicht ein, warum bei zweierlei Eltern mehr Gleichfrmigkeit stattfinden msse; a posteriori ist man uns den Beweis noch schuldig. Ein Bei-spiel vom Gegenteil entscheidet das Schicksal der Theorie. Man hat demnach vorerst Erkundigungen einzuziehen, ob es nicht Flle gibt, wo bald der schwarze Vater oder die schwarze Mutter, bald umgekehrt die weien Eltern sicht-barlich den strksten Anteil an ihrer Nachkommenschaft haben?

    Sie sehen nun wohl, mein Freund, da diese Sache noch nicht aufs reine gebracht ist. Man gebe uns ein unbezwei-feltes Beispiel, da eine Negerfamilie, nachdem man sie in unser Klima versetzt, in einer gewissen Reihe von unver-mischten Generationen ihre Farbe verloren, ihre affenhn-liche Bildung allmhlich fr die europisch-klimatische ver-,: tauscht habe: so nennen wir ohne Widerrede den Neger eine Menschenvariett in Linneischem Verstande, weil seine Merkmale blo klimatisch und vernderlich sind. Allein ein solches Beispiel existiert nicht und wird wohl immer ent-behrt werden mssen. Nun werde mit einiger Wahrschein-lichkeit dargetan, da die Farbe des Weien sowie des Negers nur bis auf einen gewissen Punkt vernderlich sei, sodann aber bei vermischten Zeugungen ohnfehlbar gleich-frmig nacharte: so habe ich nichts dawider, wenn man auf diesen Grund hin den Weien und Schwarzen als Varietten (Rassen oder Arten) derselben Gattung auffhrt. Insofern aber gemeinschaftlicher Ursprung aus einer oder der an-dern Bestimmung gefolgert werden soll, wird man auf jenen Beifall V erzieht tun m~ssen, der nur auf klare unwidersteh-liche Evidenz erfolgt.

    6 Forster I

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    26 Kleine Schriften und Reden

    Nehmen wir auf einen Augenblick an: das Faktum der halbschlchtigen Zeugung sd. so unfehlbar, wie es nach Herrn Kant Voraussetzung sein mu, und fragen wir nur, aus welchen Grnden wir glauben sollen, da ein unaus-bleiblich erblicher Unterschied nicht allemal eine ursprng-lich verschiedene Gattung bezeichne, sich nur im gegenwr-tigen Fall auf eine Rasse eines und desselben ursprnglichen Stammes beziehe? Hier antwortet Herr Kant, er. knne nicht begreifen, wie Organisationen so nahe verwandt sei..n soll-ten, da aus ihrer Mischung unausbleiblich ein Niederschlag entstehen msse, falls sie nicht alle aus einem einzigen ersten Stamme entsprossen wren. Manchem ist es vielleicht ebenso unbegreiflich, da derselbe Vater den Weien und den Neger gezeugt haben knne; denn die Keime dieser unhnlichen Brder muten, wie Ledas Eier, Zwillinge in sich schlieen, damit jedem Bruder auch ein gleichfrmiges Weib zuteil wrde; und nimmt man vollends vier Haupt-rassen an, so ist hier mehr Wunderbares als in jener grie-chischen Fabel.

    Seltsam und vielen unbegreiflich mu es auch immer blei-ben, da Herr K. seiner Theorie zu Gefallen sich in die groe Schwierigkeit verwickelt, in einem Falle zuzugeben, ja sogar als notwendig zu behaupten, was er in einem zwei-ten vllig hnlichen Falle fr ganz unmglich hlt. Wenn man annimmt, da die Menschen, die gewisse Lnder all-mhlich bevlkerten, nach langer Zeit durch Klimatisierung einen eigentmlichen Charakter annehmen konnten: so lt es sich auch allenfalls noch verteidigen, da gerade diejeni-gen Menschen, deren Anlage sich fr dieses oder jenes Klima pate, da oder dort, durch eine weise Fgung der Vor-sehung, geboren wurden. Allein wie ist nun derselbe V er-stand, der hier so richtig ausrechnete, welche Lnder und welche Keime zusammentreffen mten und sie auch wirk-lich alle aus irgendeinem Winkel Asiens an den Ort ihrer Bestimmung in ihrer Vter Lenden tragen lie, auf einmal .so kurzsichtig geworden, da er nicht auch den Fall einer

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    !

    Noch etwas ber die Menschen:cas.sen 27

    zweiten Verpflanzung vorausgesehen? Dadurch wird ja die angebome Eigentmlichkeit, die nur fr ein Klima taugt, gnzlich zwecklos, htten folglich auch auf diesen Fall wie-der vernderliche Keime aufgehoben werden mssen, die sich in dem zweiten Klima entwickeln und sich ihm anpas-sen sollten. Mit andern Worten: war es in einem Falle mg-lich, da in verschiedenen Weltgegenden Menschen einerlei Stammes sich allmhlich ganz vernderten und so verschie-dene Charaktere annahmen, wie wir jetzt an ihnen kennen, so lt sich die Unmglichkeit einer neuen Vernderung nicht nur a priori nicht dartun, sondern auch, wo sie statt-findet, macht sie den Schlu auf einen gemeinschaftlichen Ursprung hchst verdchtig. Jetzt gehen wir weiter.

    Sie werden mir zugeben, da das jetzige Verhltnis der grasfressenden Tiere zu den fleischfressenden von jeher statt-gefunden haben mu, weil sonst die ersteren von den letz-teren gleich nach ihrer Entstehung verzehrt worden wren. Es gab also von jeher eine weit grere Menge von jeder grasfressenden Gattung, als es Raubtiere gab, die sich von jenen nhrten. Einer der besten zoologischen Sdirifrsteller, Herr Zimmermann\ hat sogar mit vieler Wahrscheinlichkeit vermutet, da der ganze Erdboden gleich anfnglich sich berall mit Tieren und Pflanzen bedeckte. Er zeigt, da es unmglich sei, alle Tierarten an einem Orte entstehen zu lassen, und ebenso leicht, oder ebenso schwer - wie man will - sich die Entstehung eines einzigen Paares von jeder Art oder von vielen hunderten auf einmal als mglich und wirklich zu denken. In der Tat, wenn doch einmal von un-begreiflichen Dingen gesprochen werden darf, so wrde mir das unbegreiflichste von allen sein, da die unzhligen Erd-wesen nur einzeln oder paarweise hervorgegangen wren; indem ein jedes, bis auf eine geringe Anzahl von Raubtie-ren, irgenQ.einer andern Gattung zum Unterhalte dient. Man macht weit weniger Schwierigkeit, sich eine allgemeine Be-kleidung der Erde im Pflanzenreiche zu denken, vermutlich

    1 S. Geographische Geschichte des Menschen usw., 3. Teil, S. 203.

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  • 28 Kleine Schriften und Reden

    wohl, weil man noch jetzt die ganze Oberflche mit jedem Frhling grn werden sieht, ohne da man die Anstalten dazu, die man im Tierreich leichter wahrnimmt, so unmit-telbar vor Augen hat. Ist aber die Erde jetzt reicher an or~ ganischen Krften als ehemals? Und wo ist vor andern das beglckte Pltzchen, welches allein den ganzen Vorrat der Natur in sich beschlossen hielt, den V cirrat fr jedes Klima und jedes Element? Wenn im Gegenteil jede Gegend die Geschpfe hervorbrachte, die ihr angemessen waren, und zwar in dem Verhltnisse gegeneinander, welches zu ihrer Sicherheit und Erhaltung unentbehrlich war: wie kommt es, da der wehrlose Mensch hier eine Ausnahme machen soll? Die Natur hat vielmehr, wie Herr K. selbst behauptet, einem jeden Stamme seinen Charakter, seine besondere Organi-sation, ursprnglich in Beziehung auf sein Klima und zur Angemessenheit mit demselben, gegeben. Unstreitig lt sich dieses genaue Verhltnis zwischen dem Lande und sei-nen Bewohnern am leichtesten und krzesten durch eine lokale Entstehung der letztem erklren. Brachte Afrika seine Menschen hervor, wie Asien die seinen, so ist es, dnkt mich, nicht schwer zu begreifen, warum jene so wie diese sich so besonders zu ihrem jedesmaligen Klima passen. Warum aber diese beiden Menschenarten, wenn sie ja zu-sammenkommen, ihr Geschlecht miteinander fortpflanzen knnen, ist mir nicht rtselhafter als der Grund, weshalb unsere Rinder mit den Bisons in Amerika und Asien und mit den indischen Buckelochsen einen Mittelschlag geben: es sind Arten, die sehr nahe aneinandergrenzen; oder es sind Varietten von einer Gattung, die das Siegel des Klimas an sich tragen, in welchem sie zuerst entstanden: jenes, wenn ihre unterscheidende Merkmale unauslschlich sind; letzte-res, falls sie, wie es der Linneische Begriff erfordert, blo durch Verpflanzung, ohne Vermischung, eine in die andere bergehen knnen.

    Ich habe mich im vorhergehenden geflissentlich fter des Worts Variett bedient, zugleich aber zu verstehen. gegeben,

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    da ich es mit Rasse fr gleichbedeutend halte; letzteres war freilich bisher noch wenig bestimmt. Wir haben es von den Franzosen entlehnt; es scheint mit racine und radix sehr nahe verwandt und bedeutet Abstammung berhaupt, wie-wohl auf eine unbestimmte Weise; denn man spricht im Franzsischen von der Race Csars so wie von Pferde- und Hunde-Races, ohne Rcksicht auf ersten Ursprung, aber doch, wie es scheint, allemal mit stillschweigender Unterord-nung unter den Begriff einer Gattung. Es wre ein Auftrag an einen geschftslosen Menschen, zu entwickeln, in welchem Sinne jeder Schriftsteller dieses Wort gebraucht haben mag. Von den Reisebeschreibern, welche neuerlich die Bewohner der Sdseeinseln geschildert haben, darf ich wohl sagen, da sie ihre Zuflucht zu dem Worte Rasse nur da zu nehmen scheinen, wo es ihnen unbequem ward, V ariet.t zu sagen. Es sollte mehr nicht heien als ein Haufen Menschen, deren gemeinschaftliche Bildung Eigentmliches und von ihren Nachbarn Abweichendes genug hat, um nicht unmittelbar von ihnen abgeleitet werden zu knnen; ein Stamm, dessen Herkunft unbekannt ist und den man folglich nicht so leicht unter eine der gewhnlich angenommenen Mensch.envariet:li-ten rechnen kann, weil uns die Kenntnis der Zwischenglie-der fehlt. So nannte man die Papuaner und die brigen mit ihnen verwandten schwarzen Insulaner im Sdmeere eine von den hellbraunen, ebendaselbst befindlichen Vlkern ma-laiischer Abkunft verschiedene Rasse, das ist: ein Volk von eigentmlichem Charakter und unbekannter Abstammung. Will man sich insknftige an diese Definition halten, wenn von Menschen die Rede ist, so kann das Wort noch beibe-halten werden; w:o nicht, so knnen wir es fglich entbeh-ren. Herrn Kants Bestimmung hingegen scheint um so weni-ger annehmlich zu sein, je ungewisser und unwahrscheinlicher es ist, da es unter Tieren eines und desselben Stammes je-mals einen unausbleiblich erblichen Unterschied geben knne.

    Von jenen vernderlichen _Spielarten, die unter unsern Augen entstehen, wissen wir, da ihre Unterscheidungs-

  • 30 Kleine Schriften und Reden

    zeichen auch vergnglich sind, da eine in die andere ber-geht und in den Enkeln wieder die 'unvernderte Bildung der Vorfahren zum Vorschein kommt, wenngleich die Zwischen-glieder davon abgewichen waren. Wenn sich aber Unter-schiede nicht mehr historisch bis auf ihren Entstehungspunkt nachspren lassen, so ist es das geringste, was man tun kann, ihren Abstamm fr unentschieden zu halten; und jener Unterschied, den Herr K. zwischen den Begriffen des Na-turbeschreibers und des Naturgeschichtskundigen machen wollte, mu ganz und gar wegfallen.

    Ich erlaube mir dennoch keineswegs die Frage, ob es mehrere ursprngliche Menschenstmme gibt, entscheidend zu bejahen. Allein nach allem, was Herr K. von dem dauer-haften Unterschiede zwischen dem Neger und dem Weien darlegt, nach billiger Erwgung des wehrlosen Zustandes, in welchem sich der Naturmensch befindet, und der Gefahren, denen er von groen Raubtieren, giftigen Amphibien, In-sekten und Pflanzen blogestellt ist, kann ich es wenigstens nicht fr unwahrscheinlich oder unbegreiflich halten, da zwei verschiedene Stmme, und vielleicht von jedem eine hinlngliche Anzahl von Individuen, als Autchthonen in verschiedenen Weltgegenden hervorgegangen sind. Wren die Unterschiede zwischen den Indiem und den Weien er-heblicher, so knnte man jene vom asiatischen Erdbuckel und diese vom Kaukasus ableiten. Amerika, als ein Welt-teil, welcher spter bewohnbar geworden ist, hat vielleicht gar keine Autochthonen gehabt; doch hier ist freilich alles ungewi.

    brigens sehe ich bei der Voraussetzung, da es mehrere ursprngliche Menschenstmme gibt, auch keine einzige SchWierigkeit mehr als bei der Hypothese von einem einzi-gen Paare. Wenn in Afrika die Neger, am Kaukasus die Weien, am Emaus die Skythen und Indier entstanden, so konnten Jahrhunderte verstreichen, ehe diese verschiedenen Menschen, die noch dazu vermutlich durch Ozeane getrennt waren, einander nahe kommen konnten. Herr K. befrchtet

    Noch etwas ber die Menschenrassen 31

    zwar (Berl. Monatsch., Januar 1786, S. 3), da bei der Vor-aussetzung von mehr als einem Paare entweder sofort der Krieg entstanden sein msse oder die Natur wenigstens dem Vorwurf nicht entgehen knne, sie habe nicht alle V eranstal-tungen zur Geselligkeit getroffen. Ich gestehe es, mir leuch-tet dieser Einwurf nicht ein. Wenn es berhaupt notwendig war, da von gewissen Gattungen wehrloser Geschpfe mehrere Einzelne zugleich hervorgebracht werden muten, so kann man sich leicht berzeugen, da der Erhaltungstrieb allein hinreichend gewesen sei, sie gesellig zu machen. Wie manche Gattungen geselliger Tiere gibt es nicht auer dem Menschen; wie viele hat nicht die Natur gelehrt, aus ihrer Verteidigung und Erhaltung eine gemeinschaftliche Ange-legenheit zu machen! Hingegen hat sie nirgends zwischen Wesen von gleicher Art Feindschaft und Zerstrungswut ge-setzt. Krieg, wie Herr K. das unwiderleglich und unber-trefflich (S. 19) beweiset, ist eine der ersten Folgen des Mi-brauchs der Vernunft, die dem Instinkt zuwiderhandelt. Wenn die Mythologie, die er zum Leitfaden whlt, in der Geschichte eines Menschenpaares sogleich den erstgebornen Sohn zum Brudermrder macht, so scheint doch freilich fr die Sicherheit der Menschen durch ihre gemeinschaftliche Abstammung schlecht gesorgt zu sein. Da der Instinkt hin-gegen die Antilopen in Afrika in Herden vereinigt, damit ihrem festgeschlossenen Phalanx die Lwen, Panther und Hynen nichts anhaben mgen; da der Instinkt einen Trupp Affen mit Prgeln bewaffnet, womit sie den Elefanten aus ihren Nu- und Obstwldern verjagen: so scheint es mir nicht ungereimt, durch diesen dunkeln Trieb auch Menschen sich versammeln zu lassen, damit die Folgen ihres geselligen Lebens, Sprache und V emunft, sich desto schneller entwik-keln mgen.

    Doch indem wir die Neger als einen ursprnglich verschie-denen Stamm vom weien Menschen trennen, zerschneiden wir nicht da den letzten Faden, durch welchen dieses gemi-handelte Volk mit uns zusammenhing und vor europischer

    -- ;,fll

  • 32 Kleine Schdften und Reden

    Grausamkeit noch einigen Schutz und einige Gnade fand? Lassen Sie mich lieber fragen, ob der Gedanke, da Schwarze unsere Brder sind, schon irgendwo ein einziges Mal die aufgehobene Peitsche des Sklaventreibers sinken hie. Pei-nigte er nicht, in vlliger berzeugung, da sie seines Blutes wren, die armen duldsamen Geschpfe mit Henkerswut und teuflischer Freude? Menschen einerlei Stammes, die der un-erkannten Wohltat einer gereinigten Sittenlehre teilhaftig waren, bezeigten sich ja darum nicht duldsamer und liebrei-cher gegeneinander. Wo ist das Band, wie stark es auch sei, das entartete Europer hindern kann, ber ihre weien Mit-menschen ebenso despotisch wie ber Neger zu herrschen? War es nicht vielmehr noch immer edles Selbstgefhl und Widerstreben desjenigen, den man bedrcken wollte, das hie und dort den bermut des Tyrannen in Schranken hielt? Wie sollen wir also glauben, da ein unerweislicher Lehr-satz die einzige Sttze des Systems unserer Pflichten sein knne, da er die ganze Zeit hindurch, als er fr ausgemacht galt, nicht eine Schandtat verhinderte? Nein, mein Freund, wenn Moralisten von einem falschen Begriffe ausgehen, so ist es wahrlich ihre eigne Schuld, wenn ihr Gebude wankt und wie ein Kartenhaus zerfllt. Praktische Erziehung, die jeden Grundsatz durch faliche und tiefen Eindruck machende Beispiel~ erlutert und aus der Erfahrung abstrahieren lt, kann vielleicht es dahin bringen, da Menschen knftig fh-len, was sie Menschen schuldig sind, was jede Tierart sogar, mit denen sie doch willkdicli umgehen, an sie zu fordern hat; Khlerglauben hat es nie gekonnt und .wird es nie be-wirken. In einer Welt, wo nichts berzhlig ist, wo alles durch die feinsten Nuancen zusammenhngt, wo endlich der Begriff von Vollkommenheit in dem Aggregat und dem harmonischen Zusammenwirken aller einzeln Teile des Gan-zen besteht, stellte sich vielleicht dem hchsten Verstande die Idee einer zwoten Menschengattung als ein krftiges Mittel dar, Gedanken und Gefhle zu entwickeln, die eines vernnftigen Erdwesens wrdig sind, und dadurch dieses

    Noch etwas b-er die Menschenrassen 33

    Wesen selbst um soviel fester in den Plan des Ganzen zu verweben. Weier l der du so stolz und selbstzufrieden wahrnimmst, da, wohin du immer drangst, Geist der Ord-nung und Gesetzgebung den brgerlichen V ertrag begrnde-ten, Wissenschaft und Kunst den Bau der Kultur vollfhren halfen; der du fhlst, da berall im weiten, volkreichen Afrika die Vernunft des Schwarzen nur die erste Kind-heitsstufe ersteigt ut;1.d unter deiner Weisheit erliegt - W ei-er ! du schmst dich nicht, am Schwachen deine Kraft zu mibrauchen, ihn tief hinab zu deinen Tieren zu verstoen, bis auf die Spur der Denkkraft in ihm vertilgen zu wol-len? Unglcklicher! von allen Pfndern, welche die Natur deiner Pflege anbefohlen hat, ist er das edelste! Du solltest Vaterstelle an ihm vertreten und, indem du den heiligen Funken der V emunft in ihm entwickeltest, das Werk der Veredlung vollbringen, was sonst nur ein Halbgott, wie du oft glaubtest, auf Erden vermochte. Durch dich konnte, sollte er werden, was du bist oder sein kannst, ein Wesen, das im Gebrauch aller in ihm gelegten Krfte glcklich ist; aber geh, Undankbarer! auch ohne deinen Willen wird er es einst, durch dich; denn auch du bist nur ein Werkzeug im Plane der Schpfung! - -

    Das sind die Gedanken, lieber B., die des wrdigen Phi-losophen beide Aufstze bei mir erregt haben: Ich hange nicht so fest daran, da ich sie nicht von Herzen gern fah-renliee, sobald man sie widerlegt haben wird. Indessen gebe ich keinen geringen Beweis von dem Durste nach Wahrheit und Belehrung, der in mir brennt, indem ich sie be-kanntzumachen wage; denn das Urteil derer, die sich's bei-kommen lassen, in diesem Punkt vom gewhnlichen Wege abzuweichen, ist schon gesprochen. Obschon ein altes Buch, wogegen niemand schreiben darf, mit keiner Silbe des Ne-gers erwhnt; obschon der groe Mann, der angebliche Ver:-fasser desselben, vermutlich keinen Neger je gesehen: so ist es doch ein Angriff auf dieses alte Buch, wenn man von mehr als einem Menschenstamme sich eine Mglichkeit vorstellt,

  • 34 Kleine Schriften und Reden

    und dieset Streich, der niemand verwundet, heit eine Ket-zerei. Die Ketzer aber sind boshafte Leute; sie treibt die Neuerungssucht, sie fhrt die blinde Unwissenheit. Wenn Sie mich aber auch ni.cht immer von dem V erdacht einer solchen Begleiterin befreien knnen, so wird wenigstens eine echte philosophische Jury mich, in Ansehung der beiden an-dern Punkte, nicht fr schuldig erkennen. Fr jetzt genug hievon; vielleicht nehme ich diese Materie von den Men-schenvarietten knftig wieder zur Band; denn mir fllt noch vieles ein, worber ich nicht einverstanden bin. Leben Sie wohl!

    Georg Forster

    FRAGMENT EINES BRIEFES AN EINEN DEUTSCHEN SCHRIFTSTELLER

    BER SCHILLERS GTTER GRIECHENLANDS"

    - Dem Wahrheitsuchenden gefllt die freimtige A.uerung Ihres mibilligenden Urteils ber Schillers neues Gedicht; denn jeder hat das Recht, seine Meinung nicht nur fr sich zu hegen, sondern auch frei zu bekennen und mit Grnden zu rechtfertigen. Wir suchen die Wahrheit, jeder mit eigenem Gefhl, jeder mii: Geisteskrften, die fr ihn unfehlbar sind und sein mssen. Gibt es also eine allge-meine, von allen anzuerkennende Wahrheit, so fhrt kein anderer Weg zu ihr als dieser, da jeder sage und vertei-dige, was ihn Wahrheit dnkt. Aus der freien Auerung aller verschiedenen Meinungen und ihrer ebenso freien Prfung mu endlich, insoweit dieses eingeschrnkte, kurz-sichtige Geschlecht berhaupt zu einer solchen Erkenntnis geschickt ist, die lautere Wahrheit als ein jedem Sinne fa-liches und willkommnes, jeden Sinn erfllendes Resultat hervorgehen, freiwillig von allen angenommen werden und dann im Frieden allein ber uns herrschen.

    Dei: Zeitpunkt dieser allgemeinen bereinstimmung ist noch nicht gekommen. Die Systeme von Gefhlen und Schlssen, worin jeder lebt und webt und die allein ver-mgend sind, sein Wesen mit Genu zu erquicken, wider-sprechen einander oft in allen wesentlichen Punkten; und dennoch sucht ein jeder die berzeugung, die ihn glck-lich macht, auch andern mit Begeisterung anzupreisen, um ach sie an seinen Freuden teilnehmen zu lassen. In diesem

  • Zur Textgestaltung

    Die Texte der vorliegenden Ausgabe folgen entweder den Erst-drucken oder der kritischen Ausgabe: Georg Forsters Werke, heraus-gegeben von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, bearbeitet von Gerhard Steiner (im folgenden kurz: Georg Forsters Werke), Band 7, Berlin 1958, und Band 9, Berlin 1963. Die Quellen der Texte werden in den Anmerkungen genannt. Offensichtliche Druck-fehler wurden korrigiert, Namen in der heute blichen Schreibweise gebracht. Orthographie und Interpunktion wurden, allerdings unter Beibehaltung des Lautstandes, modernisiert; dabei wurde jedoch auf Forsters Interpunktionseigentmlichkeiten soweit wie mglich Ri::k-sicht genommen.

    Auf die Erluterung von Fremdwrtern, die der Duden ausreichend erklrt, wurde verzichtet. Die' Edut.erungen zu den von Forster er-whnten Personen befinden sich im Personenregister am Ende des zweiten Bandes.

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    Noch etwas ber die Menschenrassen

    Zwei im folgenden genannte Aufstze von Kant forderten Forstet heraus, sich in die philosophischen Auseinandersetzungen seiner Zeit eizulassen (vgL E~eitung S. XXIIf.). So schrieb er im Sommer 1786 diesen Aufsatz, der im Oktober/November des gleichen Jahres in Wielands Teutschem Merkur") verffentlicht wurde. Unser Text folgt dem Erstdruck des Aufsatzes.

    3 Ihr vo~effliches Journal - Die Berlinische Monatsschrift". Perkunas - Oberster Gott der alten Litauer, Letten und Preu-en. .

    decies repetita placefnmt - (lat.) zehnmal Wiederholt werden sie gefallen; Horaz, Von der Dichtkunst", 365.

    4 Geschftsmann - Hier: Staatsmann, Staatsbeamter. die beiden lehrreichen Abhandlungen - Bestimmung des Be-griffs einer Menschenrasse" (,,Berlinische Monatsschrift" 1785, VI}, eine Rezension von Herders Ideen ~ Philosophie der G.e-sdchte der Menschheii" (1784-1791), und Mutmalicher An-fang der Menschengeschichte" (Berlinische Monatsschrift" 1786, VII).

    8 Neuholland - Australien. Tanna - Eine Insel der Neuen Hebriden; Frster hatte sie auf seiner Weltreise im August 1774 besucht.

    9 Freewills l:f,ilande - Drei kleine Inseln an der Nordkste des westlichen Teils von Neuguinea. Neubritannien - Insel im Bismarckarchipel. Gowers- und Carterets-Eilande - So nannte der englische See-fahrer C-arteret zwei von ihm entdeckte Inseln~ Clie zu den Salo-monen gehren.

    10 Pescberh - Feuerlnder; auf einer sehr niedrigen .Kulturstufe stehende feuerlndische Indianerstmme. Forster hatte sie 1775 kennengelernt und beschreibt sie im 23. Kapitel seiner Reise um die Welt".

    12 Nigritien - Eigtl. Negerland, Zentralafrika. Guiana - Guayana, Landschaft im Norden Sdamerikas.

  • 272 Anmerkungen

    12 Tunquin - Tongkin, damals eines der wichtigsten Knigreiche Sdostasiens, heute nrdlicher Landesteil Vietnams, genannt Bak-Bo, mit Hanoi. Kochinchina - Cochinchina, Landschaft in Hinterindien, bildete damals mit Annam ein Knigreich, heute beides: Vietnam. Pegu - Hinterindische Piovinz, gehrt heute zu Burma.

    13 Abbe Demanet - Der franzsische Reiseschriftsteller und Mis-sionar vertrat die Ansicht, da die schwarze Farbe durch das tropische Klima entstanden sei.

    14 schwarzes Portugiesenkind - Demanet berichtet ber eine Un-tersuchung von Portugiesenkindern, deren Eltern sich seit 1721 in Afi:ika niedergelassen haben; die Kinder seien zunchst von Negerkindern kaum zu unterscheiden gewesen, dann habe er aber gefunden, da diejenigen Krperteile, die der Einwirkung des Klimas am meisten ausgesetzt waren, wesentlich dunkler ge-wesen seien als die geschtzteren Krperteile (,,Neue Geschichte des fmnzsischen Afrika", II, 173 f.).

    16 Ober die krperliche .. " - Die Forster gewidmete Schrift Smmerrings heit ber die krperliche Verschiedenheit des Mohren vom Europer" (1784). da irgendein Affe .. Anteil gehabt haben knne - Diese An-sicht vertmt der deutsche Naturforscher Fabricius in seinen Be . tmchtungen ber die allgemeine Einrichtung der Natur" (1781).

    17 kein Affe - Fo:rster geht es darum, die Miachtung des Nicht,-europers und bedenkliche Rassentheorien zurckiuweisen, wenn er betont, da die bestehenden Menschenrassen sich icht in wesentlichen, sonClern nur in sekundren Merkmalen unterscheiden.

    20 scharfsinnig und meisterhaft . . entwickelt - Kant schrieb, da der Mensch als vemufriges Wesen in der Lage sei, Bedrfnisse ohne oder gar gegen den Naturtrieb zu wecken. Diese Erkennt-nis, nmlich ber die Schmnken, die den Tieren gesetzt sind, hin-ausgehen zu knnen, sei fr die Lebensart des Menschen ent-scheidend geworden. Unze - Irbis oder Schneeleopard.

    21 VivBTTen - Stinktiere. Zerbo - Fo:rster meint wohl den von seinem Vater beschriebenen Y erbua capensis, den Springhasen.

    24 Bilfinger - Eigtl. Blfinger, Zwlffinger, Menschen mit einem 6. Finger und einer 6. Zehe. Kakerlaken - Hier: Albinos.

    26 Ledas Eier - Der griechischen Sage nach vermhlte sich Zeus in Gestalt eine8 Schwanes der Leda. Leda gebar zwei Eier, aus denen Helena und das Zwillingspaar Kastor und -Pollux hervor-gingen.

    Fragment eines Briefes 273

    30 Emaus - !maus, Himalaja. 31 wie HBTT K . beweiset - Kant schrieb: ,,Man mu gestehen:

    da die grten bel, welche gesittete Vlker drcken, uns vom Kriege und zwar nicht so sehr von dem, der wirldich oder ge-

    . :wesen ist, als von der nie nachlassenden und sogar unaufhrlich vermehrten Zurstung zum knftigen zugezogen werden. Hiezu werden alle Krfte des Staats, alle Frchte seiner Kultur, -die zu einer noch greren Kultur gebraucht werden knnten, verwandt; der Freiheit wird an so viel Orten mchtiger Abbruch getl).n und die mtterliche Vorsorge des Staats fr einzelne Glieder fu eine unerbittliche Hrte der Forderungen verwandelt, indes diese doch auch durch die Besorgnis uerer Gefahr gerechtfertigt wird." Mythologie, die er zum Leitfaden whlt - Fo:rster wirft Kant V-0!:, da er in der Frage der Entstehung des Menschen der biblischen Schpfungsgeschichte folgt.

    34 wieder zw Hand - An Heyne schrieb Forster am 21. Januar 1787: Es hat mir groe Freude gemacht, da Ihnen mein Auf-satz im ,Merkur' gefallen hat. Abgerechnet, da Herr Kant uns hier wirklich im Zirkel herumfhrte und einen Begriff, zu finden vorgab, den er sChon in der Voraussetzung gegeben hatte, so glaube ich, da es nicht schaden kann, die Sachen manchmal von einer andern Seite anzusehen!" Kant hat auf Forsters Einwnde in dem Aufsatz ber den Gebrauch teleologischer Prinzipien in der Philosophie" (Der Teutsche Merkur", JanuarfEebruar 1788) geantwortet. Fo:rster hat die Kontroverse nicht iJt einer beson-deren Schrift weitergefhrt.

    Fragment eines Briefes an einen deutschen Schriftsteller ber Schillers Gtter Griechenlands"

    Schiller hatte im Mrzheft des Teutschen Merkur" von 1788. sein Gedicht "Die Gtter Griechenlands" verffentlicht, dessen Grund-gedanke die Verfechter eines orthodoxen christlichen Standpunktes auf den Plan rief. Als deren Vertreter verffentlichte Friedrich Leo-pold Graf zu Stolberg im August des gleichen Jahres im Deutschen Museum" seine Gedanken ber Schillers Gedicht: Die Gtter- Grie-chenlands". Da Fonter in diesem Pamphlet die gleiche Tendenz zur Intolemnz erkannte, wie sie gleichzeitig die neue preuische Regie-rung praktizierte, schrieb er als Entgegnung im September/Oktober 1788 sein Fmgment'', das erst im Mai 1789 in der Zeitschrift Neue Litemtur- und Vlkerkunde" anonym veroffentlicht wurde (vgl. Ein-leitung S. XXVII f.). Unser Text folgt Georg Forsters Werken", Band 7.

  • BIBLIOTHEK DEUTSCHER KLASSIKER

    [B[l)f/6.

    HERAUSGEGEBEN VON DEN

    NATIONALEN FORSCHUNGS- UND GEDENKSTTTEN

    DER KLASSISCHEN DEUTSCHEN LITERATUR

    IN WEIMAR

    FORSTERS WERKE IN ZWEI BANDEN

    ERSTER BAND

    Kleine Schriften und Reden

    n II

    Aufbau-V erlag Berlin und Weimar

    1983