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Peter Werner: „Grünräume und Lebensraum Stadt“, Hochschule RheinMain 27. März 2015 1
Grünräume und
Lebensraum Stadt
Peter Werner Institut Wohnen und Umwelt GmbH, Darmstadt
Stadt und Freiraum – Herausforderungen für eine nachhaltige Stadtentwicklung Symposium am 27. März 2015
Hochschule RheinMain
Peter Werner: „Grünräume und Lebensraum Stadt“, Hochschule RheinMain 27. März 2015
Gliederung
1. Einleitung 2. Grünräume und urbane Biodiversität 3. Ökologische Leistungen von Grünräumen
für die Stadtbewohner 4. Schlussfolgerungen
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Peter Werner: „Grünräume und Lebensraum Stadt“, Hochschule RheinMain 27. März 2015
Urbanisierung – Hauptfaktor für Verlust an Biodiversität
Städte bedecken weniger als 3 % der Oberfläche unseres Planeten, aber verbrauchen 75 % der Ressourcen und erzeugen 80 % der CO2-Emissionen.
Biotische Homogenisierung, da Städte Quelle der Verbreitung von Arten weltweit sind, die entweder in allen Städten präsent (z. T. dominant) sind oder als invasive Arten an vielen Orten der Welt die regionale Vielfalt bedrohen.
Kisumu Harbour, Kenia (Quelle: Wikipedia)
Peter Werner: „Grünräume und Lebensraum Stadt“, Hochschule RheinMain 27. März 2015
Arten-Areal-Kurve (Daten von 90 Städten aus Deutschland, Polen, Slowakei und Frankreich)
y = 368,4x - 49,796R2 = 0,3565
0
200
400
600
800
1.000
1.200
1.400
1.600
0,00 0,50 1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50
Stadtfläche in log10 km²
Anza
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Biodiversität in Städten
Pysek 1998, IUCN und DUH 2010 und eigene Zahlen
Flächen über dieser Linie hot spots der Biodiversität Hot spots in
Mitteleuropa:
Alle Flächen > 1,300 Gefäß-pflanzenarten auf 1,000 km²
Berlin ist ein hot spot der Biodiversität:
1,393 Gefäß-pflanzenarten auf 892 km²
Montpellier Berlin
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Die Stadt in der Region Die städtische Matrix Grünflächen und grüne Infrastruktur
Zugänge
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Working Group – Comparative Urban Ecology Mehr als 180 Städte weltweit ausgewertet Komplette Artenlisten erfasst (Gefäßpflanzen bzw. Vögel – über
15.000 Pflanzen- und 2.500 Vogelarten)
Globaler Vergleich
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Nearktis (grün), Palearktis (braun), Neotropis (gelb), Afrotropis (blau), Orientalis (violett), und Australis (orange) - zoogeogr. Regionen.
Globaler Vergleich
Peter Werner: „Grünräume und Lebensraum Stadt“, Hochschule RheinMain 27. März 2015
Globaler Vergleich
Städte sind immer noch Abbilder der biogeographischen Region.
Der Anteil „intakter“ Vegetation ist positiv mit der Artenvielfalt korreliert.
Die historische Entwicklung der Städte ist in der Zusammensetzung der Arten ablesbar.
Städte mit guter Datengrundlage machen mehr für die Entwicklung der biologischen Vielfalt und der Entwicklung der Grünstrukturen.
Peter Werner: „Grünräume und Lebensraum Stadt“, Hochschule RheinMain 27. März 2015
Hausgärten: in Großbritannien werden zwischen 19% und 27% der Stadtfläche von privaten Hausgärten eingenommen (Smith et al. 2006).
Drei Beispiele (1)
Bedeutung der städtischen Matrix
Peter Werner: „Grünräume und Lebensraum Stadt“, Hochschule RheinMain 27. März 2015
Abstandsgrün: in deutschen Mittelstädten kann die Gesamtfläche aller Grünflächen zwischen Miethäusern mehr als doppelt so groß sein wie die aller öffentlichen Grünanlagen (Werner 1999).
Bedeutung der städtischen Matrix
Drei Beispiele (2)
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Fledermäuse: die effektive Größe eines Parks kann deutlich größer sein als die eigentliche Parkgröße, abhängig davon wie die Umgebung durchgrünt ist (Loeb et al. 2009).
Bedeutung der städtischen Matrix
Drei Beispiele (3)
‘‘Die Verbesserung der Qualität der Matrix kann für den Schutz zahlreicher Arten von höherer Bedeutung sein, als eine Veränderung der Flächengrößen oder Flächenverteilung von einzelnen Grünflächen…”
(Prugh et al. 2008)
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Städtische Park- und Grünflächen
Untersuchte städtische Park- und Grünanlagen
in Flandern (Belgien)
Auf 0,03 % der Gesamt-fläche sind
29 % aller wildwachsen-den Gefäßpflanzen und
49 % aller Brutvögel
Flanderns zu finden
(Cornelis & Hermy 2004)
(Klaus Mehret)
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Besondere Grünräume
Außerhalb der städtischen Norm: Restflächen ursprünglicher
Natur; Konstante Nutzung und Pflege
über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte;
Sukzession und Ausbildung von differenzierten Vegetationsstrukturen;
Große Freiräume.
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Anzahl Arten in Städten
(Mitteleuropa)
Anzahl Arten in
Deutschland
% Anteil der Arten in
Städten
Coleoptera (Käfer) 1190 6492 18,3
Heteroptera (Wanzen) 360 865 41,6 Lepitoptera
(Schmetterlinge) 1800 3602 50,0
Diptera (Zweiflügler) 1668 9213 18,1
Vertebrata (Wirbeltiere 244 389 62,7
Amphibia (Amphibien) 10 20 50,0
Reptilia (Reptilien) 4 13 30,8
Aves (Vögel) 200 260 76,9
Mammalia (Säugetiere) 30 96 31,3
Artenreichtum der städtischen Fauna
Quellen: Klausnitzer 1998, Völk u. Blick 2004, BfN-Datenblätter Aufruf 08.12.13)
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Interaktionen
Spitzenprädatoren regulieren Mesoprädatoren Beispiel San Diego
Bei zunehmender Fragmentierung fällt der Koyote als Spitzenprädator aus und die Dichte der Mesoprädatoren (z. B. Katzen) nimmt zu. Als Folge reduziert sich die Vielfalt an buschbrütenden Vögeln.
Michael Ireland/Fotolia Scott Weese
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Säugetiere (Mammalia)
Kommensale, Nahrungs- und Habitatgeneralisten Häufigste Taxa Langschwanzmäuse Wühler Fledermäuse Fuchs Igel Eichhörnchen
Omnivoren, Carnivoren, Insectivoren z. T. sehr hohe Bestandsdichten (R.
norvegicus, Mus sylvaticus, V. vulpes)
wikipedia
Packham
wikipedia
Vegetationsreiche, gut strukturierte Habitate (z. B. bieten am bodenliegene Holzstücke und Äste für
Kleinsäuger gute Schutzmöglichkeiten gegenüber Räubern), Konnektivität, Permeabilität und wenig Konkurrenz bzw. Gefährdung durch freilaufende
Hunde und Katzen sind wichtige Faktoren.
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Vögel (Aves) Hohe Mobilität Saisonale Effekte Vögel der Felsenlandschaften und
Höhlenbrüter sind dominante Arten der Innenstädte, wie z. B. Haustaube/Felsentaube (Columba livia forma
domestica) Mauersegler (Apus apus) Hausrotschwanz (Phoenicurus ochruros)
Sesshafte und soziale Arten Granivoren und Omnivoren (Europa) bzw.
Granivoren und Frugivoren (Tropen)
wikipedia
O. Werner
Gelbscheitelbülbül, wikipedia (Werner u. Zahner 2009)
Habitatqualität (z. B. Habitat- und strukturelle Vielfalt, alte und große Bäume) und
ausreichende Nahrungsangebote in Brutzeiten
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Wirbellose (Invertebrata) Dominanz kleiner bis mittelgroßer Generalisten Anteil herbivorer Arten höher als im Umland Hoher Reichtum an Totholzbewohnern (ein
Drittel aller im Wald lebenden Käfer sind Totholzbewohner) Am häufigsten untersuchte Taxa sind Tagfalter und
Laufkäfer Interaktionen zwischen Pflanzenarten (einheimische
Arten versus nicht-einheimische Arten) und Insektenvorkommen
Bei Schmetterlingen spielen Zugang zu Nektarressourcen und Wirtspflanzen der Larven eine große Rolle
In tropischen Städten sind Konnektivität und Wasserverfügbarkeit wichtige Faktoren
Ameisen, Springschwänze und Milben sind schlechte Indikatorarten für den Urbanisierungsgrad
wikipedia
Rüsselkäfer, Andreas Haselböck
wikipedia
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90
80
70
60
50
40
30
20
10
non-native native
Plants origin
all plants
woody ornamentals N
ativ
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Dynamik – einheimisch/nicht-einheimisch
(after Tallamy & Shropshire 2009)
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Gliederung
1. Einleitung 2. Grünräume und urbane Biodiversität 3. Ökologische Leistungen von Grünräumen
für die Stadtbewohner 4. Schlussfolgerungen
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TEEB DE - Naturkapital Stadt
Urbane Ökosystemleistungen und ökonomische Bewertung
Stadtnatur vermittelt Naturerleben und Umweltbildung
Stadtnatur fördert die Gesundheit Stadtnatur fördert das soziale
Miteiander Stadtnatur versorgt Stadtnatur und Klimawandel …………
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Naturerfahrung
„Biological Poverty“ (Philippe Clergeau)
Schätzungen gehen davon aus, dass ca. 3 Milliarden Menschen in ihrem gesamten Leben keine konkreten Naturerfahrungen außerhalb ihres engeren städtischen Umfeldes machen werden.
„Extinction of Experience“ (James R. Miller)
urbannaturegroup.blogspot.com
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Mensch-Natur-Kontakt
„The pigeon paradox: dependence of global conservation on urban nature“ Dunn et al. 2006
dieweltreisenden.de
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Grünräume und Gesundheit
Flächen mit erhöhter Biodiversität tragen zu einem höheren Wohlbefinden bei (Fuller et al. 2007).
Krankenhauszimmer mit Blick ins „Grüne“ und Vogelstimmen fördern Heilungsprozesse (Diette et al. 2003).
Gefangene mit Zellen, die einen Blick in die Landschaft bieten, sind weniger krank (Newton 2007).
Quelle: baunetz.de
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Grünräume und Gesundheit
Eine Erhöhung des Vegetations-anteils im Wohnumfeld von 15 % auf 30 % reduziert hitzebedingte Mortalitätsrate – Melbourne 2030 und 2050 - um 5 % bis 28 % (Chen et al. 2014).
Kinder, die häufiger Grünanlagen und Strände aufsuchen können, zeigen weniger Verhaltensauffälligkeiten – Barcelona (Amoly et al. 2014).
Ältere Bewohner, die in der Nähe von Grünräumen leben, haben weniger Gesundheitsprobleme - Berlin (Krekel et al. 2015).
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Grünräume und Soziales
Grünräume haben große Bedeutung für das alltäg-liche Leben (Jirku 2013) und prägen die allgemeine Wahrnehmung, wie „intakt“ ein Quartier ist: für die Menschen in den Quartieren bestimmen sie die
Möglichkeiten des sozialen Miteinanders in der Nachbarschaft.
Foto: Ulrich Brygann
Peter Werner: „Grünräume und Lebensraum Stadt“, Hochschule RheinMain 27. März 2015
Grünräume und Soziales
Grünräume haben große Bedeutung für das alltäg-liche Leben (Jirku 2013) und prägen die allgemeine Wahrnehmung, wie „intakt“ ein Quartier ist: für die Menschen in den Quartieren bestimmen sie die
Möglichkeiten des sozialen Miteinanders in der Nachbarschaft.
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Grünräume und Soziales
Grünräume haben große Bedeutung für das alltäg-liche Leben (Jirku 2013) und prägen die allgemeine Wahrnehmung, wie „intakt“ ein Quartier ist: für die Menschen in den Quartieren bestimmen sie die
Möglichkeiten des sozialen Miteinanders in der Nachbarschaft.
stellen wichtige visuelle Beziehungs- räume im Alltag beim Blick aus dem Fenster oder für Wege im Quartier dar (Wendorf 2011);
sie sind Identifikationsfaktor, insbesondere wenn die Bewohnerinnen und Bewohner das grüne Umfeld selbst mitgestalten können.
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Grünräume und Soziales
sie werden zu Image- und Wettbewerbsfaktoren und ihre Aufwertung kann somit Katalysator für die städtebauliche Aufwertung und die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts eines gesamten Stadtquartiers werden;
Anteil Gebiete
1 Verbesserung Wohnumfeld 83%
2 Verbesserung der Wohn(ungs)qualität 78%
3 Stärkung lokale Ökonomie 61%
4 Ausbau Beteiligungsmöglichkeiten 57%
5 Verbesserung Zusammenleben im Stadtteil 55%
6 Stabilisierung Bevölkerungs- und Sozialstruktur
50%
Umsetzungsziele in Quartieren des Programms Soziale Stadt (BMVBW 2004).
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Grünräume und Soziales
Begrünungen und Baumpatenschaften im Straßenraum schaffen neue Aufenthaltsorte, Stühle und Tische werden auf den Bürgersteig gestellt und zum Verweilen oder zum gemeinschaftlichen Zusammensitzen genutzt;
in älteren Siedlungen sind sie auch Abbilder der Siedlungsgeschichte, sie zeigen wie in der Vergangenheit die Außenräume und Gärten der Siedlungen gestaltet waren, welche Beziehungen die Menschen zur Natur hatten.
Quelle: fotos-aus-der-luft.de
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Grünräume und Ökonomie
Jeder Meter näher an eine Grünanlage oder an ein Gewässer steigert den Immobilienwert um 5,49 Euro – Köln (Kolbe u. Wüstemann 2014).
Besucher von Einkaufszentren sind bereit im Durchschnitt 12 % mehr Geld für Waren und Dienstleistungen auszugeben, wenn die Einkaufszentren gut begrünt sind. (Wolf 2003).
In Mietspiegeln gibt es Zuschläge für Wohnungen, die in der Nähe von Grünflächen sind (Stadt Freiburg 2011).
Foto: Hajo Dietz
Quelle: Siedlungswerk Stuttgart
Quelle: Metro Group Asset Management, Saarbrücken
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Gliederung
1. Einleitung 2. Grünräume und urbane Biodiversität 3. Ökologische Leistungen von Grünräumen
für die Stadtbewohner 4. Schlussfolgerungen
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Region Habitat Matrix
Beeinflussungen