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8 Gewässerkunde In der Schweiz gibt es die unterschiedlichs- ten Wasserlebensräume. Grundsätzlich las- sen sie sich in zwei Kategorien einteilen: die stehenden Gewässer und die fliessenden Gewässer. Eine ganze Reihe von Faktoren beeinflussen diese Gewässer und ihre Eig- nung als Lebensraum für Fische. Grösse Die Grösse des Lebensraums spielt für die Art, die Entwicklung und die Anzahl der Fi- sche eine wichtige Rolle. In Flüssen und Seen sind vor allem die Uferpartien entscheidend. Ein See ist je nach Trübung nur selten mehr als bis zu einer Tiefe von etwa 8 bis 18 m produktiv. In dieser Zone gedeihen Pflanzen, bilden sich Algen, Plankton und eine Fülle von Nährtieren, laichen die meisten Fische und spielen sich fast alle wichtigen Kreis- läufe ab. In der tiefer liegenden Dunkelzone finden wir meist nur noch Konsumenten wie z.B. Raubfische und Bakterien. Ein See ist also in der Regel produktiv, wenn der An- teil flacher Zonen möglichst gross ist. Auch im Fluss zählt vor allem die Uferpartie mit ihren ruhigen, schattigen Stellen und Ver- steckmöglichkeiten. Hier entwickeln sich die Nährtiere und der Fisch findet Schutz und Erholung. In kleinen Fliessgewässern ist der Anteil an günstiger Uferzone relativ grösser, die Produktivität wächst also keinesfalls proportional zum Ausmass. Temperatur Die Wassertemperatur ist abhängig vom Kli- ma, vom Wetter, von der Jahreszeit, der Hö- henlage, der Wassertiefe und von der Art der Gewässer. Sie beeinflusst eine ganze Anzahl von Faktoren, die für die Entwicklung der Fi- sche wichtig sind. In unseren Breitengraden benötigen Wasserpflanzen nebst Licht und Nährstoffen auch eine ausreichende Tempe- ratur, um sich zu entwickeln. Auch bei Klein- organismen dauert die Entwicklung im kal- ten Wasser länger und die Produktion bleibt kleiner. Bei vielen Arten wird unterhalb 5 bis 10 °C das Wachstum eingestellt. Der Fisch findet im kalten Wasser also weniger Nah- rung, gleichzeitig verlangsamen sich alle Stoffwechselprozesse und das Wachstum. In kaltem Wasser ist dafür deutlich mehr Sauer- stoff gelöst als in warmem. Der Bedarf steigt hingegen mit zunehmender Temperatur. Das Optimum für die Fische liegt wie so häufig bei einem Mittelwert, bei den meisten Fisch- arten zwischen 10 und 18 °C. Licht Pflanzen brauchen zur Entwicklung viel Licht; Fische und Nährtiere hingegen we- niger, manche scheuen sogar vor hellem Licht zurück. Bei wenig Licht, also z.B. bei starker Beschattung oder in tiefem oder trübem Wasser, nimmt die Produktivität ei- nes Gewässers ab, weil sich weniger Algen und damit weniger Nährtiere bilden. Fische finden also weniger Nahrung und wachsen langsamer. Fliessgeschwindigkeit Von der Stärke der Strömung ist die Boden- beschaffenheit abhängig. Bei hohen Fliess- geschwindigkeiten hält sich nur schweres Material. Für die Ablagerung von feinem Kies und Sand darf das Wasser nicht schnel- ler als 30 cm pro Sekunde fliessen. Hoch- wasser bringt den Gewässergrund in Bewe- gung und reinigt ihn von feinem Sediment, das die Durchlässigkeit verringert. Dieser Vorgang ist zur Erhaltung der Lebensräume der Nährtiere wichtig und sollte wenigstens einige Male pro Jahr stattfinden. Eine der negativen Auswirkungen zu geringer Rest- wassermengen ist das Kolmatieren (Verpap- 8 R37

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GewässerkundeIn der Schweiz gibt es die unterschiedlichs-ten Wasserlebensräume. Grundsätzlich las-sen sie sich in zwei Kategorien einteilen: die stehenden Gewässer und die fliessenden Gewässer. Eine ganze Reihe von Faktoren beeinflussen diese Gewässer und ihre Eig-nung als Lebensraum für Fische.

GrösseDie Grösse des Lebensraums spielt für die Art, die Entwicklung und die Anzahl der Fi-sche eine wichtige Rolle. In Flüssen und Seen sind vor allem die Uferpartien entscheidend. Ein See ist je nach Trübung nur selten mehr als bis zu einer Tiefe von etwa 8 bis 18 m produktiv. In dieser Zone gedeihen Pflanzen, bilden sich Algen, Plankton und eine Fülle von Nährtieren, laichen die meisten Fische und spielen sich fast alle wichtigen Kreis-läufe ab. In der tiefer liegenden Dunkelzone finden wir meist nur noch Konsumenten wie z.B. Raubfische und Bakterien. Ein See ist also in der Regel produktiv, wenn der An-teil flacher Zonen möglichst gross ist. Auch im Fluss zählt vor allem die Uferpartie mit ihren ruhigen, schattigen Stellen und Ver-steckmöglichkeiten. Hier entwickeln sich die Nährtiere und der Fisch findet Schutz und Erholung. In kleinen Fliessgewässern ist der Anteil an günstiger Uferzone relativ grösser, die Produktivität wächst also keinesfalls proportional zum Ausmass.

Temperatur Die Wassertemperatur ist abhängig vom Kli-ma, vom Wetter, von der Jahreszeit, der Hö-henlage, der Wassertiefe und von der Art der Gewässer. Sie beeinflusst eine ganze Anzahl von Faktoren, die für die Entwicklung der Fi-sche wichtig sind. In unseren Breitengraden benötigen Wasserpflanzen nebst Licht und Nährstoffen auch eine ausreichende Tempe-

ratur, um sich zu entwickeln. Auch bei Klein-organismen dauert die Entwicklung im kal-ten Wasser länger und die Produktion bleibt kleiner. Bei vielen Arten wird unterhalb 5 bis 10 °C das Wachstum eingestellt. Der Fisch findet im kalten Wasser also weniger Nah-rung, gleichzeitig verlangsamen sich alle Stoffwechselprozesse und das Wachstum. In kaltem Wasser ist dafür deutlich mehr Sauer-stoff gelöst als in warmem. Der Bedarf steigt hingegen mit zunehmender Temperatur. Das Optimum für die Fische liegt wie so häufig bei einem Mittelwert, bei den meisten Fisch-arten zwischen 10 und 18 °C.

Licht Pflanzen brauchen zur Entwicklung viel Licht; Fische und Nährtiere hingegen we-niger, manche scheuen sogar vor hellem Licht zurück. Bei wenig Licht, also z.B. bei starker Beschattung oder in tiefem oder trübem Wasser, nimmt die Produktivität ei-nes Gewässers ab, weil sich weniger Algen und damit weniger Nährtiere bilden. Fische finden also weniger Nahrung und wachsen langsamer.

Fliessgeschwindigkeit Von der Stärke der Strömung ist die Boden-beschaffenheit abhängig. Bei hohen Fliess-geschwindigkeiten hält sich nur schweres Material. Für die Ablagerung von feinem Kies und Sand darf das Wasser nicht schnel-ler als 30 cm pro Sekunde fliessen. Hoch-wasser bringt den Gewässergrund in Bewe-gung und reinigt ihn von feinem Sediment, das die Durchlässigkeit verringert. Dieser Vorgang ist zur Erhaltung der Lebensräume der Nährtiere wichtig und sollte wenigstens einige Male pro Jahr stattfinden. Eine der negativen Auswirkungen zu geringer Rest-wassermengen ist das Kolmatieren (Verpap-

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Page 2: Gewässerkunde - Index Dokument auf  · mender Grösse ändert sich in einem Fliess-gewässer: • Das Gefälle und dadurch auch die durch- schnittliche Fliessgeschwindigkeit, die

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pen) des Bodengrunds. Auch als Laichplatz taugt nur lockerer Kies mit genügend Zwi-schenräumen, der die Versorgung der Eier und Brütlinge mit Sauerstoff gewährleistet. Ungünstig können sich starke Hochwasser auf einzelne Jahrgänge auswirken, weil die im Bodengrund liegenden Eier bis zum so genannten Augenpunktstadium bewegungs-empfindlich sind oder im schlimmsten Fall sogar weggeschwemmt werden.

Vegetation Das Vorhandensein von Pflanzen im und am Wasser ist abhängig von Nährstoffen, Licht, Temperatur, Fliessgeschwindigkeiten, Wassertiefen usw. Dem Fisch bieten Was-serpflanzen Sauerstoff, Schatten, Schutz vor Feinden, Laichmöglichkeiten und Nahrung.

Chemische Einflüsse Hier denken wir nicht an Verschmutzungen, sondern an das natürliche Vorkommen che-mischer Stoffe im Wasser. So selektioniert der Sauerstoffgehalt das Vorkommen von Nährtieren und Fischen. Der Gehalt an Mi-neralien und Salzen ist ausschlaggebend für das Pflanzenwachstum und damit für die Produktivität. Kalkreiche Flüsse gehören oft zu den fischreichsten Gewässern, weil dar-in Flohkrebse und andere Kleinorganismen hervorragend gedeihen. Auch der pH-Wert beeinflusst das Leben im Gewässer. Ist das Wasser zu sauer (z.B. in einem Moorteich oder aber durch sauren Regen), wird es für Fische und ihre Nährtiere zunehmend schwieriger zu überleben.

Die Beschaffenheit des Gewässers bestimmt,

welche Fischarten darin vorkommen

und wie gut sie gedeihen.

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Seen und Teiche

Die stehenden Gewässer werden unter-teilt in oligotrophe (nahrungsarme) und eutrophe (nahrungsreiche) Gewässer. Seen mit mittlerem Nährstoffangebot nennt man mesotroph. Als Teiche werden stehende Gewässer mit geringer Tiefe und auf ihrer gesamten Bodenfläche bewach-sene Gewässer bezeichnet. Die stehenden Gewässer unterscheiden sich in Bezug auf:• Lage (Höhe, Beschattung, lokales Wetter)• Grösse• Tiefe• Morphologie (Steilheit und Verlauf der Uferlinie)• Beschaffenheit des Grundes• Wasserchemie und Nährstoffgehalt• Zufluss und Abfluss

Nahrungsarme, oligotrophe Seen Kaltes, sauerstoffreiches Wasser, ausgedehnte Flachwasserzonen, tief und oft steilufrig, kie-siger bis sandiger Grund mit wenig Schlamm, kaum Wasserpflanzen. In den Alpen- und Vor-alpenseen sind Forelle oder Saibling die Leit-fische. Für die oligotrophen und damit auch wenig verschmutzten Seen des Mittellands sind die Felchen und Seeforellen charakteris-tisch. Kleinfische sind Elritzen und Groppen, als Nebenfische kommen Trüschen, Hechte und Egli vor.

Nahrungsreiche, eutrophe Seen Sommerwarmes Wasser oft mit Sauerstoffman-gel, der auch im Winter unter der Eisdecke droht. Aber auch Sauerstoffübersättigung durch star-kes Wasserpflanzenwachstum kann unter un-günstigen Umständen zu Fischsterben führen. Stärkere Faulschlammbildungen und viele Was-serpflanzen bei nicht zu starker Trübung sind ty-pisch, ebenso eine Belastung durch Abwasser.

Leitfische sind Brachsmen, Hecht und Zan-der. Daneben können sich auch Felchen- und Seeforellenbestände halten. Dazu kommen Karpfen, Aale, Egli sowie Schleien und an-dere Weissfische. Zwischen diesen Seentypen gibt es eine ganze Reihe von Übergangsstadien. Zum Beispiel die künstlich geschaffenen Bag-gerseen, die sich meistens schnell vom nahrungsarmen zum nahrungsreichen Ge-wässer wandeln. Oder die Stauseen in der Forellen- und Äschenregion mit vorwiegend klarem, sauerstoffreichem Wasser. Die stark wechselnden Wasserstände gefährden die Fortpflanzung.

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Mittellandseen sind meistens nahrungsreich, also eutroph.

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Fliessgewässer

Die Lebensräume der Fische in Europa wer-den in fünf Regionen eingeteilt, die nach dem so genannten Leitfisch benannt wer-den. Diese fünf Regionen weisen verschie-dene Charakteristiken auf: Fliessgewässer können je nach Lage und Be-schaffenheit eine breite Vielfalt von Lebens-räumen bieten. Das reicht in der Schweiz von den grossen Mittellandflüssen über kleinere Flüsse und Bäche quer durch alle Gelände-formen und Höhenstufen bis zu Gebirgsbä-chen, die im Winter zufrieren. Entsprechend haben sich die Bewohner dieser verschiede-nen Lebensräume an die Bedingungen an-gepasst.

Mit abnehmender Höhenlage und zuneh-mender Grösse ändert sich in einem Fliess-gewässer:• Das Gefälle und dadurch auch die durch- schnittliche Fliessgeschwindigkeit, die abnimmt.• Der Untergrund, die Körnung des abge- lagerten Kieses wird immer feiner.• Die Maximaltemperatur und die Tempe- raturschwankungen, beide nehmen zu.• Der Sauerstoffgehalt. Je wärmer ein Gewässer wird und je weniger Strömung es aufweist, desto weniger Sauerstoff kann sich im Wasser lösen. Je nach Gewässerart, Umweltbedingungen, Klima und geografischer Lage können Cha-rakteristik und Ausdehnung der Regionen sehr verschieden sein. Auch der Mensch hat die Regionen mit Verbauungen und Verschmutzungen teilweise stark verändert. Trotzdem wird man aus dem Gesamtbild

der Fliessgewässer in den meisten Fäl-len feststellen können, welcher

Region ein Gewässerabschnitt angehört.

Hier ist die Forelle Leitfisch.

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Wasser – Ein ganz besonderer Stoff

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Wasser ist eine ganz simple Verbindung – zwei Atome Wasserstoff, ein Atom Sauer-stoff (H2O) – und dennoch aussergewöhn-lich, denn Wasser hat seine grösste Dichte und damit das grösste Gewicht bei 4 °C. Man nennt das die «Dichteanomalie des Wassers». Es bedeutet Wasser von null Grad und Wassereis sind leichter als Wasser von 4 °C. Der Unterschied beträgt zwar kaum 0,1 Gramm pro Liter, aber dieser kleine Unter-schied hat enorme Bedeutung, ja von ihm hängt eigentlich jedes Leben im Wasser ab. Wäre das Wasser bei null Grad am schwers-ten, dann würde im Winter das zu Eis er-starrte Wasser auf den Grund sinken. Die Gewässer würden vom Grund her zufrieren und alles Leben im Wasser ersticken. Nur dank der so genannten Dichteanomalie des Wassers ist überhaupt Leben auf der Erde möglich.

Prägende Schichten Die Gewichtsunterschiede von Wasser un-terschiedlicher Temperatur sind gering: Ein Liter Wasser mit 20 °C ist nur wenig mehr als ein Gramm leichter als ein Liter von 10 °C. Dennoch hat diese kleine Differenz für unsere Gewässer und all ihre Bewohner weit reichende Folgen.

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Frühlings-Vollzirkulation

Deckschicht 25 °C

6 °C

5 °C

4 °C

4 °C

4 °C

4 °C

4 °C

Winde

Sommer-Stagnation durch Wärme-Schichtung

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Die temperaturbedingten Gewichtsunter-schiede führen dazu, dass das wärmere Was-ser nach oben steigt und auf dem kälteren Wasser «schwimmt». Es bilden sich Schich-ten. Diese Temperaturschichtung kann so stark werden, dass selbst starke Winde und Wellen es nicht schaffen, sie zu durchmi-schen. Die Folge ist, dass das Tiefenwasser unterhalb der warmen «Deckschicht» eines Sees zeitweise überhaupt nicht mehr nach oben gelangt. Die Wassertemperatur in den obersten fünf bis zehn Metern ist oft gleichmässig verteilt. Darunter wird das Wasser rasch kühler. An der Grenze der beiden Schichten misst man einen typischen Temperatur-Sprung, der bis zu zehn Grad betragen kann. Diese Gren-ze zwischen den beiden Temperaturberei-chen nennt man deshalb «Sprungschicht». Typischerweise sinkt die Temperatur bis in

Grundnähe weiter ab, dort liegt das schwers-te Wasser, also jenes um die 4 °C.

Lebenswichtige ZirkulationJe mehr sich die Temperatur im Herbst der Deckschicht jener des tieferen Wassers nä-hert, desto instabiler wird die Schichtung. Die Durchmischung durch Wind, Wellen und Strömungen wird zunehmend wirkungsvoller. Im Idealfall wird die Vollzirkulation erreicht, das heisst, es kommt zu einer vollständigen Durchmischung der Wassersäule bis zum Grund, was für die Sauerstoffversorgung ei-nes Sees sehr wichtig ist. In vielen unserer Seen kommt es zwei Mal im Jahr zur Vollzirkulation, einmal im Herbst, und dann wieder nach der Schneeschmelze im Frühling. Wo dieser Austausch nicht funk-tioniert droht in grösseren Tiefen Sauerstoff-mangel und der Lebensraum wird enger.

Herbst-Vollzirkulation durchUmwälzung des Wasserkörpers

Winter-Stagnation durch Eisdeckenbildung

Eisschicht1 °C2 °C3 °C4 °C

4 °C

Wasserbewegung

Winde

A: Verlagerung von Oberflächenwasser in die Tiefe.B: Verlagerung von Tiefenwasser an die Oberfläche.

A

B

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bis 15° C bis 18° C bis 20° C C 20° C und mehr 20° C und mehr

Die fünf Fliessgewässer-Regionen

Forellenregionobere untere

Äschenregion Barben-region

Gefälle

Strömung

Wasserführung

Wassertrübung

Struktur des Bachbetts/Bodenart

Temperatur

Quellgewässer mit kühlem, sauerstoffreichem Wasser und mehrheitlich starker Strömung, nennt man Forellenregion; daran schliesst sich die Äschenregion an, also Bäche und Flüsse mit geringerer Strömungsgeschwin-digkeit, tieferem Wasser mit Gumpen und ru-higeren Buchten. In diesen beiden Regionen

finden wir hauptsächlich so genannte Kies-laicher, z.B. Forelle, Äsche oder Nase. Grös-sere Fliessgewässer mit mässiger bis mittlerer Strömung und teilweise reichem Pflanzenbe-wuchs gehören zur Barbenregion. Zur Brachs-menregion zählt man langsam fliessende grosse Flüsse mit sandigem bis schlammigem

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Brachsmenregion Brackwasser-Region

bis 15° C bis 18° C bis 20° C C 20° C und mehr 20° C und mehr

Boden und deutlicher Erwärmung im Sommer. Dieser Lebensraum ist reich an Futterfischen und Kleinlebewesen. Die eigentliche Brack-wasserregion findet man in den Mündungs-gebieten, wo sich Süsswasser mit Salzwasser mischt und die Gezeiten einen Einfluss haben. Typisch sind schwache oder langsame Strö-

mung, rasche Erwärmung und mangelnder Sauerstoff. Natürlich überschneiden sich die einzelnen Regionen, so dass selbst Leitfische sowohl in der einen wie in anderen vorkom-men. Auch der Mensch hat die Regionen durch Verbauungen und Abwassereinleitung teilweise stark verändert.

Barben-region

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1. Forellenregion

Maifliege Körperlänge 20 mm, Schwanzborsten 30 mm Köcherfliege

22 mmSteinfliege

10 mm

Larve der Kriebelmücke15 mm

Wasseramsel

Bachflohkrebse15 mm

Steinfliegenlarve10 mm

Eintagsfliegenlarven 12–14 mm

Bachforelle 25–80 cm

QuellmoosStrudelwürmer

(Crenobia alpina)16 mm

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Bachneunaugen20–40 cm

Lidmückenlarve9 mm

Mützenschnecken5–7 mm

Köcherfliegenlarve12 mm Wasserkäfer

Hydraena riparia2–4 mm

Groppe 10 cm

Schmerle10 cm

Alpensalamander

Hakenkäfer2 mm

Elritzen8 cm

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2. Äschenregion

Eisvogel

Steinfliegenlarve 10 mm

Alet 30–60 cm

Regenbogenforelle 30–80 cm

Köcherfliegenlarve14 mm

Köcherfliegenlarve25 mm

Äsche 30–60 cm

Zuckmückenlarvenim Gehäuse (Rheotanytarsus) 10 mm

Köcherfliege ges. Länge 2 cm

Schnecken (Teodoxus) 11–13 mm

FlusslaichkrautElritzen

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Nasen25–60 cm

Hasel20–30 cm

Flussperlmuschel12 cm

Quellmoos

Trüsche30–70 cm

Bachstelze

Puppen der Kriebelmücke6–10 mm Eintagsfliegenlarve

10–12 mm

Bachtaumelkäferlarve12 mm

Stosswasserläufer6–7 mm

Flutender HahnenfussBachtaumelkäfer 6 mm

Bachflohkrebse18 mm

Bachforelle

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3. Barbenregion

Fischadler

Rapfen 40–80 cmHasel 20–30 cm

Reiher

Köcherfliegenlarve 20 mm

Fluss-Laichkraut

Bachflohkrebse 15 mm

Egel 60 mm

Nase 25–60 cmAlet 30–70 cm

Barben 40–60 cm

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Wasserpest

Wasserkäfer 10 mm

Lauben 10–20 cm Alande 30 cmGründlinge 12 cm

Libellen

Aal 50–110 cmRotaugen 15–40 cm

Malermuschel 100 mm Schnecke (Bithynia, 10 mm)

Flusskrebs 10 cm

Flussmuschel 60 mmLibellenlarve 50 mm

Eintagsfliegenlarven 10–25 mm

Köcherfliegenlarve 20 mm

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Tausendblatt

4. Brachsmenregion

WasserpestLibellenlarve 35 mmSchlammschnecke 30 mm

Alande

Lachmöwe

Zuckmückenlarven 12 mmTubifex 40 mmTubifex 40 mm

Süsswasser-SchwammWels 80–220 cmBarsche/Egli 15–50 cm

Köcherfliegenlarven 20–40 mmWasserassel 10 mm

Brachsmen 30–70 cmWandermuschel 35 mm

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TausendblattZuckmückenlarven 12 mm

Eintagsfliegenlarven10–20 mm

Wasserflöhe 1 mm

RotfedernKarpfen 40–100 cm

Aal 50–110 mm

Stockenten BisamratteWasserläufer

Hecht 50–150 cmRollegel 4 cm Wasserskorpion

17–22 mm Schleie 30–60 cm

RohrkolbenGelbe Teichrose

Flohkrebse 15 mmKugelmuschel13 mm

HornblattTubifex 40 mm

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5. Brackwasserregion

Meerforelle bzw. Lachs 50–100 cmStör bis 3 m

Maifische 30–70 cm

Silbermöwen

Zuckmückenlarven 12 mmZander 50–100 cm

Kaulbarsche 10–20 cmStinte 15–25 cm

Seepocken ø 5–15 mm

Wollhandkrabbe 9 cm breit

Flohkrebse 18 mm

Ruderflusskrebse 3,5 mm

Wattschnecken 5 mm

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Flussaal 40–100 cmBorstenwurm 40 mmSchlammröhrenwurm

Keulenpolyp 7,5 cm hoch

Austernfischer

Flussneunauge 40–80 cm Stichlinge 8 cm

Schwebgarnele 27 mmKöcherfliegenlarve 25 mm

Brandgans SchilfrohrWasserläufer 10 mmBinsen

Flunder 20–50 cm

Flohkrebse 18 mm

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Gewässerschutz

Der Mensch hat mit zunehmendem Einfluss auf seine Umwelt die Lebensbedingungen seiner Mitgeschöpfe verändert und allzu oft verschlechtert. Heute gehört es zu den wich-tigsten Aufgaben für den Sportfischer, sich für die Lösung der Probleme einzusetzen.

Verbauungen Siedlungen, Industrie und Landwirtschaft rü-cken immer näher an die Gewässer und ver-langen einen wirksamen Hochwasserschutz. Durch unsachgemässe Verbauungen ist an vielen Gewässern grosser Schaden angerich-tet worden. Erhöhte Fliessgeschwindigkeit und der Verlust von Lebensraum führen zu einer Verminderung des Fischbestands und der Produktivität. Ein entscheidender Faktor ist die Vernetzung der verschiedenen Lebensräume. Für die na-türliche Fortpflanzung der Bachforellen sind beispielsweise die kleinen Seitengewässer von Bedeutung. Leider versperren noch im-mer allzu viele Wanderhindernisse in Bächen und Flüssen den Weg der Forellen zu den Laichplätzen. Durch den Bau von Umgehungsgewässern, Fischtreppen oder den Ersatz von Schwel-len durch fischgängige Sohlenrampen kann Abhilfe geschaffen werden. Einer sachge-mässen Renaturierung haben unbedingt Bestandskontrollen, Ertragsbestimmungen, Berechnungen der Unterschlüpfe und eine vernünftige Flächenplanung vorauszugehen.

Verschmutzungen Giftstoffe wie Spritz- und Düngemittel, Jau-che, Bau- und Industriechemikalien usw. führen, falls der Fisch nicht rechtzeitig flüch-ten kann, schon in geringen Konzentratio-nen zum Tod. Die kleinen Fische sind dabei empfindlicher als die grossen. Organische Verschmutzungen, wie sie über-

all aus Haushalt, Industrie und Gewerbe an-fallen, werden in den Gewässern chemisch und biologisch abgebaut. Das verbraucht viel Sauerstoff, und besonders bei hohen Temperaturen können Fischsterben wegen Sauerstoffmangels auftreten. Die negativen Auswirkungen von chroni-schen Verschmutzungen sind oft nicht so einfach zu erkennen, weil sie über mehrere Stationen (Stress, Verätzungen, Verpilzun-gen, Krankheiten usw.) indirekt Schäden am Fischbestand anrichten. Die schleichende Vergiftung durch «Schadstoffcocktails», wie sie heute aus Kläranlagen in Fliessgewässer eingeleitet werden, sind im Verdacht, für zu-rückgehende Fischbestände mitverantwort-lich zu sein. Gerne bagatellisiert man die Trübungen durch Sedimentstoffe aus Drainageeinlei-tungen, Kiesgruben oder Bauarbeiten im Wasser, weil dabei normalerweise keine Fischsterben auftreten. Durch Eindecken von Laich und Jungbrut und Verkleben des Gewässergrunds wird ein Gewässer aber massiv geschädigt. Jeder Fischer hat die un-geschriebene Pflicht, eine Wasserverschmut-zung umgehend zu melden.

Restwasser und Schwall-/Sunk-BetriebMit zunehmender Bevölkerungsdichte und Industrialisierung wurden Fliessgewässer zu einem entscheidenden Wirtschaftsfaktor: Wasserkraft dient zur Energieerzeugung, Wasser wird zur Bewässerung, Beschneiung und zur Trinkwasserversorgung entnommen. Besonders die Nutzung des Wassers zur Gewinnung von Energie hat viele unserer Fliessgewässer stark geschädigt. Sie wur-den aufgestaut oder führen nur noch einen Bruchteil ihres natürlichen Wasservolumens, weil es für die Elektrizitätsgewinnung gefasst und abgeleitet wird. Die Staumauern und Weh-

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re unterbrechen die Wanderrouten der Fische und in den so genannten Restwasserstrecken entstehen grosse ökologische Probleme: Erwär-mung, Verschlammung, Lebensraumverlust. Ein zunehmendes Problem ist der so genannte Schwall-/Sunk-Betrieb. Viele Kraftwerke liefern heute innert Minutenfrist und auf Knopfdruck Strom, indem die gewünschte Wassermenge aus einem Stausee durch die Turbinen gespült wird. Dabei entsteht jedes Mal ein künstliches Hochwasser, das Jungfische und Kleinlebe-wesen mit sich reisst und nach dem Durch-rauschen am Ufer stranden lässt. In manchen Flüssen täglich!

Fisch fressende Vögel Gesamtschweizerisch haben die Bestände Fisch fressender Vögel seit Ende der 1960er-Jahre stark zugenommen, namentlich Gänsesäger, Graureiher und Kormoran. In vielen Fliessge-wässern besteht zunehmend eine grosse Nut-zungskonkurrenz zwischen Sportfischern und Vögeln. Regional entstehen Überfischungssi-tuationen, die das Überleben von Fischarten gefährden.

Der Konflikt zwischen Fisch fressenden Vögeln und Fischerei lässt sich nur mildern durch ein seriöses «Wildlife Management» (Bestandes-eingriffe, Vergrämung) und langfristig durch eine konsequente Wiederherstellung und Ver-besserung der Gewässerstruktur.

KlimawandelDer Klimawandel hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Wassertemperaturen in der Schweiz. Die Erwärmung der Schweizer Fliessgewässer in den letzten 25 Jahren beträgt durchschnittlich 0,4 bis 1,6 °C. Als Folge hat sich der Lebensraum der Bachfo-relle bereits um bis zu 200 Höhenmeter nach oben verschoben. Bei einer erwarteten Er-wärmung von 2 °C bis 2050 werden in der Schweiz die Lebensräume von Kaltwasserfi-schen wie Äsche und Bachforelle um bis zu einem Viertel schrumpfen. Die höheren Was-sertemperaturen fördern im Winter zwar das Wachstum der Fische, im Sommer hingegen steigt das Krankheitsrisiko.

Rund 60 Prozent des in der Schweiz produzierten Stroms stammt aus der Wasserkraft. Heute wird in der Schweiz an rund 1400 Stellen Wasser entnommen: Mehrere hundert Fliessgewässer führen streckenweise kein Wasser.

Die Fisch fressenden Vögel: Kormoran (1), Gänsesäger (2) und Graureiher (3) sind eine zunehmende Bedrohung für unsere Fischbestände.

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