gefahren elektrischen stromes - ms-visucom.de · im institut zur erforschung elektrischer unfälle...

56
des elektrischen Stromes Gefahren K O N K R E T A r b e i t s s c h u t z www.bgfe.de

Upload: others

Post on 10-Sep-2019

3 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

deselektrischen Stromes

Gefahren

K O N K R E TA r b e i t s s c h u t z

www.bgfe.de

Page 2: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

Herausgeber:Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und ElektrotechnikGustav-Heinemann-Ufer 130 · 50968 Köln

15. Auflage 2005

Page 3: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

GEFAHREN DES

ELEKTRISCHEN STROMES

Page 4: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

4

Page 5: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

Einleitung 7

1 Welche Spannungen sind gefährlich? 10

1.1 Spannungshöhe 10

1.2 Stromart 12

2 Welche Wirkungen hat der elektrische Stromauf den menschlichen Körper? 14

2.1 Allgemeine Übersicht 14

2.2 Zeit-Stromstärke-Bereiche 16

2.2.1 Wirkungsbereiche für Wechselstrom 16

2.2.2 Wirkungsbereiche für Gleichstrom 19

2.3 Die Bereichsgrenze für die Wahrscheinlichkeitdes Auftretens von Herzkammerflimmern 21

2.4 Auswirkung großer Stromstärken über 1 A 24

2.5 Zusammenfassung der Einflussgrößen 24

3 Welche Personenkreise sind gefährdet? 28

3.1 Vorbemerkung 28

3.2 Unterschiede in der Gefährdungssituationbei Elektrofachkräften und Elektrolaien 28

4 Welche Ursachen führen zu Stromunfällen? 34

4.1 Übersichten unter Berücksichtigung vonSpannungsbereichen und elektrotechnischerQualifikation 34

4.2 Die Arbeitssituation im Aufgabenbereichder Elektrofachkraft 40

4.3 Die Arbeitssituation im Aufgabenbereichder Elektrolaien 47

5 Anhang 53

DER INHALT

5

Page 6: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

6

Page 7: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen imindustriellen und gewerblichen Bereich erfasst und ausgewertet.Nunmehr kann das Institut bei seinen Untersuchungen auf über100.000 ausgewerteten Fragebogen zurückgreifen1).

Für eine Neuauflage dieser Broschüre gibt es zwei wichtige Grün-de. Einerseits hat sich an der Tatsache gegenüber der ersten Auf-lage nichts geändert, dass mit einem relativ geringem organisato-rischen und informatorischen Aufwand viele Stromunfälle ver-mieden werden könnten. Dies ist auch im Hinblick auf die leider biszum heutigen Tage noch bestehende hohe Anzahl von tödlichenStromunfällen im Vergleich zur Gesamtzahl der tödlichen Arbeits-unfälle weiterhin von Bedeutung.

Die Zahlen belegen, dass neben Laien, auch elektrotechnisch un-terwiesenes Personal und Elektrofachkräfte Fehler bei der Ein-schätzung der Gefährdungssituation beim Umgang mit Elektrizitätbegehen. Das folgt aus der Tatsache, dass beim elektrischen Stromdie Möglichkeit einer direkten unmittelbaren Erkennung, Wahr-nehmung und Abschätzung der Gefahr nicht möglich ist. Folglichsollen mit dieser Broschüre gleichermaßen alle, vom Laien bis zurElektrofachkraft, angesprochen werden.

„Mir kann nichts passieren. Ich bin Elektriker und weiß, wie ich michrichtig zu verhalten habe!“ Diese und sinngemäß gleiche Äuße-rungen werden von Elektrofachkräften (und jenen, die sich dafürhalten) immer wieder getan und häufig bei gefahrenkennzeich-nenden Einwendungen durch Dritte durch die Bemerkung ergänzt:„Na ja, bei Hochspannung sehen die Dinge anders aus, aber Nie-

EINLEITUNG

7

1) Das Institut veröffentlicht seine Arbeitsergebnisse in gewissen Zeitabständen in technischenund medizinischen Berichten und in Informationsblättern, durch Beiträge in Fachzeitschriftenund bei nationalen und internationalen Fachtagungen.

Page 8: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

derspannung von 230 V kann mir nichts anhaben.“ Solche Re-densarten und Denkweisen bringen Leichtsinn und mangelhaftesFachwissen zum Ausdruck.

Ein Blick in die Unfallstatistiken der Berufsgenossenschaft der Fein-mechanik und Elektrotechnik, der Fachberufsgenossenschaft für denElektrobereich, gibt einen ersten Hinweis auf die besondere Ge-fährdungssituation beim Arbeiten an elektrischen Anlagen undbeim Umgang mit elektrischen Betriebsmitteln. Vergleicht man dieGesamtzahl der meldepflichtigen Arbeitsunfälle mit der Zahl dermeldepflichtigen Arbeitsunfälle durch elektrischen Strom, so ist fest-zustellen, dass Letztere einen Anteil von etwa 1 % am gesamten Un-fallgeschehen aufweisen. Vergleicht man dagegen die Zahl der beidieser Berufsgenossenschaft jährlich auftretenden tödlichen Be-triebsunfälle mit der Zahl der tödlichen Unfälle durch elektrischenStrom, so ergibt sich, dass bei rund 45 % der tödlichen Unfälle derelektrische Strom die Ursache ist.

Dieser große Anteil an tödlichen Unfällen und die häufig schwer-wiegenden Folgen bei Unfällen mit Verbrennungen durch Lichtbo-geneinwirkung kennzeichnen die Besonderheit der Gefahren deselektrischen Stromes.

Auch die Betrachtung der Arbeitsunfälle im gesamten industriellenund gewerblichen Bereich macht diese Besonderheit weiterhindeutlich. Die Letalität – definiert als Anteil der tödlichen Unfälle ander jeweiligen Gesamtzahl von Unfällen einer bestimmten Art – be-trägt bei den Arbeitsunfällen im engeren Sinne nur rund 1,5 ‰,beim Wegeunfall rund 6 ‰, beim Arbeitsunfall durch elektrischenStrom beträgt sie jedoch rund 25 ‰ oder 2,5 %. Dieser in seinemErgebnis bestürzende Vergleich sollte stets mahnender Hinweissein, die Gefährlichkeit des unsachgemäßen Umgangs mit der Elek-trizität allgemein und insbesondere die Gefahren beim Einsatz

Einleitung

8

Page 9: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

ungeeigneter und schlecht gewarteter elektrischer Anlagen undBetriebsmitteln nicht zu unterschätzen.

Die Gefährdungssituation beim Arbeiten an elektrischen Anlagenoder in ihrer Nähe und die Gefahren beim Umgang mit elektrischenBetriebsmitteln sind von einer Reihe von Merkmalen der elektrischenAnlagen und Betriebsmittel und der daran (oder damit) tätigen Per-sonen abhängig; hierauf soll im Folgenden näher eingegangenwerden.

Einleitung

9

Page 10: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

1.1 SpannungshöheDie Größe der gefahrbringenden Spannung ist vom Stromfluss ab-hängig, der bei der Berührung unter Spannung stehender Teile imUnfallstromkreis zustande kommt. Der elektrische Strom folgt auchbeim Unfall dem allen Elektrofachkräften bekannten Ohmschen Ge-setz, nach dem die Stromstärke in einem Stromkreis von der ange-legten Spannung und dem Widerstand des Stromkreises abhängt:Je größer die Spannung ist, desto größer ist auch die Stromstärke.

Jeder Stromfluss, der die Erträglichkeitsschwelle übersteigt, kanndurch die damit verbundenen Schreckreaktionen und einen darausresultierenden Sekundärunfall gefährlich (aber im Allgemeinennicht lebensbedrohlich) sein. Auch vergleichsweise kleine Werteder Berührungsspannung weit unter dem Grenzwert von 50 VWechselspannung (120 V Gleichspannung nach DIN VDE 0100Teil 410) sind also im Hinblick auf die Unfallverursachung beach-tenswert. Berührungsspannungen, die zur Durchströmung mit Strom-stärken oberhalb der Loslassgrenze von etwa 10 mA führen, sindhierbei als besonders kritisch anzusehen. Bis etwa 50 V ist jedochim Allgemeinen bei normalen Bedingungen kein lebensgefährlicherStromfluss durch den menschlichen Körper zu erwarten.

Ab 50 V muss (entgegen der nicht seltenen Meinung angeblicherFachleute) mit einem tödlichen Ausgang der Durchströmung ge-rechnet werden. Auch die Unfallstatistik belegt diese elektrophy-siologisch bedingte Tatsache.

Tabelle 1 zeigt in dem nach unten offenen Spannungsintervall bis130 V für den Erfassungszeitraum von 1985–1994 die bemer-kenswerte Anzahl von 489 Stromunfällen.

Die Mehrzahl der Unfälle ereignet sich bei den üblichen Verbrau-cherspannungen von 230 V (gegen Erde) und 400 V (zwischen

1 WELCHE SPANNUNGEN SIND GEFÄHRLICH?

10

Page 11: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

zwei Außenleitern) – entsprechend der Häufigkeit der vorhandenender Niederspannungsverteilungsanlagen und der Häufigkeit derelektrischen Verbrauchsmittel, wie Maschinen, Geräte und Appa-rate. Der Niederspannungsbereich über 130 V bis 400 V hat da-her den größten Anteil von rund 86 % der Stromunfälle insgesamtund 43 % der tödlichen Elektrounfälle zu verzeichnen. Dies ent-spricht einer Letalität von 0,6 %.

Der Anteil der tödlichen Stromunfälle bei Niederspannung beträgtim Vergleich zur Gesamtzahl annähernd 45 %.

Bei den Hochspannungsunfällen, die insgesamt mit einem Anteilvon 8 % am Unfallgeschehen beteiligt sind, entfällt die Mehrzahlauf den Bereich bis 20 kV (vorwiegend bedingt durch die Häufig-keit der in diesem Spannungsbereich vorhandenen installierten An-

1 Welche Spannungen sind gefährlich?1.1 Spannungshöhe

11

Anzahl Anteil Anzahl Anteil der Letalitätder der der tödlichen [%]

Unfälle Unfälle tödlichen Unfälle[%] Unfälle [%]

bis 130 V 489 3,0 0 0,0 0,0

> 130 V – 400 V 14.052 85,6 82 43,4 0,6

> 400 V –1000 V 591 3,6 2 1,1 0,3

Niederspannung 15.132 92,2 84 44,5 0,6

> 1 kV – 20 kV 1.131 6,9 87 46,0 7,7

> 20 kV – 110 kV 132 0,8 16 8,4 12,1

> 110 kV – 400 kV 21 0,1 2 1,1 9,5

Hochspannung 1.284 7,8 105 55,5 8,2

Insgesamt 16.416 100,0 189 100,0 1,2

Spannungshöhe

Tabelle 1: Unfallauslösende Berührungsspannung*)

*) Die Unfallzahlen beziehen sich auf einen Zehnjahreszeitraum 1985–1994.Die Unterschiede bei der Gesamtzahl der Unfälle zwischen den einzelnen Tabellen ergebensich, weil die Erhebungsbögen teilweise unvollständig ausgefüllt werden.

Page 12: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

lagen und durch die Häufigkeit der an diesen Anlagen durchge-führten Arbeiten).

Auch die Mehrzahl der tödlichen Hochspannungsunfälle entfällt aufdiesen Spannungsbereich, was einerseits ebenfalls als Folge dergenannten Häufigkeiten, andererseits aber durch die konstruktiv ge-gebenen Abmaße der Anlagen mit einer vergleichsweise größerenAnnäherungs- oder Berührungswahrscheinlichkeit bedingt ist.

Insgesamt gesehen ist die Letalität beim Hochspannungsunfall mit8,2 % etwa 14-mal so groß wie beim Niederspannungsunfall.

1.2 Stromart Die Mehrzahl der im Nieder- und Hochspannungsbereich instal-lierten elektrischen Anlagen und Betriebsmittel wird mit Wechsel-strom versorgt und betrieben. Gleichstrom findet vergleichsweiseselten bei wenigen Technologien (beispielsweise im Bahnbetrieboder bei Elektrofiltern) Einsatz. Dementsprechend ergibt sich eineunterschiedliche Häufigkeit der Unfälle bei den verschiedenenStromarten (s. Tabelle 2).

1 Welche Spannungen sind gefährlich?1.2 Stromart

12

Stromart Anzahl der Anteil (tödl.) LetalitätUnfälle Unfälle (tödl.) [%]

Wechselstrom 16.153 (192) 94,0 (97,0) 1,2

Gleichstrom 1.037 ( 6) 6,0 ( 3,0) 0,6

Insgesamt 17.190 (198) 100,0 (,100) 1,2

Tabelle 2: Anzahl der elektrischen Unfälle in Abhängigkeit der Stromart*)

*) Die Unfallzahlen beziehen sich auf einen Zehnjahreszeitraum 1985–1994.Die Unterschiede bei der Gesamtzahl der Unfälle zwischen den einzelnen Tabellen ergebensich, weil die Erhebungsbögen teilweise unvollständig ausgefüllt werden.

Page 13: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

Mit rund 94 % wird das Unfallgeschehen von Wechselstromunfäl-len bestimmt. 91 % sind Unfälle bei der Netzfrequenz von 50 Hz,0,6 % bei der Bahnstromfrequenz von 16 2⁄3 Hz und rund 1 % beider Frequenz von über 50 Hz. Unfälle bei Gleichstrom haben imNiederspannungs- und im Hochspannungsbereich jeweils einen An-teil von nur 6 %. Tödliche Gleichstromunfälle sind vergleichsweiseselten. Ihr Anteil an der Gesamtzahl der tödlichen Stromunfälle liegtbei 3 %. Die Letalität beträgt nur 0,6 %; dieser vergleichweisekleine Wert resultiert in erster Linie aus elektrophysiologischenGegebenheiten (die die Problematik der Wahrscheinlichkeit desKontaktierungszeitpunktes relativ zur Herzschlagfolge mit ein-schließen); aber auch die vergleichsweise geringe Häufigkeitgroßer Betriebsspannungswerte bei mit Gleichstrom betriebenenelektrischen Anlagen spielt eine Rolle.

1 Welche Spannungen sind gefährlich?1.2 Stromart

13

Page 14: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

2.1 Allgemeine ÜbersichtJe nach Art des Zustandekommens des Stromunfalles können fol-gende direkt oder mittelbar schädigende Auswirkungen des elek-trischen Stromes auftreten:

Beim Durchströmungsunfall sind – vor allem im Niederspannungs-bereich – die schädigenden Auswirkungen des Stromes auf seinespezifische Reizwirkung auf erregbare Gewebe (Nerven, Muskeln,Herz) zurückzuführen. Bekanntlich sind alle Funktionsabläufe immenschlichen Körper (willkürliche und unwillkürliche) – beginnendmit der Aufnahme von Reizen bei der Sinneswahrnehmung über dieReizleitung und Reizverarbeitung in Erregungsabläufen bis hin zurBefehlsausführung in Muskeln physikalisch-chemische Vorgängebioelektrischer Natur. Sie werden über das sehr komplizierte Ner-vensystem in voneinander abhängigen Regelmechanismen überkörpereigene Stromimpulse gesteuert. Von außen aufgeprägte kör-perfremde Ströme sind, sofern sie gewisse Stromstärkewerte über-schreiten, in der Lage, diese Funktionsabläufe zu stören.

Bei lang andauernder Stromeinwirkung und bei starken Strömen,wie sie insbesondere beim Hochspannungsunfall durch den Körperfließen können, kann es infolge der Stromwärme, die im Körperlängs der Strombahnen entsteht (ähnlich wie in der Heizwendeleines Elektrowärmegerätes), auch zu thermischen Schädigungendes Körpers durch innere Verbrennungen kommen.

Bei Unfällen durch Lichtbogeneinwirkung treten vor allem äußerethermische Schädigungen auf. Hier handelt es sich – sofern nichtgleichzeitig auch eine Durchströmung stattfindet – um ganz ähn-liche Schädigungen des Körpers, wie sie bei einem Verbrennungs-unfall durch offenes Feuer entstehen.

Bei einer Durchströmung mit einem für den Körper physiologisch ansich noch ungefährlichen Stromfluss kommt es häufig zu Reflexen

2 WELCHE WIRKUNGEN HAT DERELEKTRISCHE STROM AUF DEN MENSCHLICHEN KÖRPER?

14

Page 15: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

und unkontrollierten Bewegungen des Verunglückenden, die danneinen Sekundärunfall (Sturz von der Leiter, Abrutschen der Handund Hineingreifen in sich bewegende Maschinenteile oder Prel-lungen durch heftige Reflexbewegungen) nach sich ziehen können.

Wesentlich für die Folgen des Stromunfalles ist die Stromstärke desdurch den Körper des Verunglückenden fließenden Stromes.

Zu einer pessimal überschlägigen Ermittlung dieses Stromes kannder Körperwiderstand – gemessen jeweils zwischen den Extre-mitäten – mit etwa 1.000 Ohm angesetzt werden (z.B. bei einerDurchströmung von Hand zu Hand oder von Hand zu Fuß).

Dies bedeutet, dass bei der Überbrückung der üblichen Verbrau-cherspannung von 230 V gegen Erde gemäß dem Ohmschen Ge-setz I = U/R bei den oben genannten Stromwegen ein Strom von230 mA durch den Körper des Verunglückenden fließen kann.Meist wird sich durch die im Unfallstromkreis noch wirksamen Wi-derstände des Fußbodens und der Schuhe des Verunglückten unddurch den anfänglich sehr hohen Hautwiderstand sich – zumindestanfangs – ein kleinerer Strom einstellen, der diesen pessimalenWert noch weit unterschreitet. Trotzdem sollte dem Leser dieserWert von 230 mA als Richtwert der Stromstärke für die möglicheGefährdung beim Niederspannungsunfall zur Risikoeinschätzungbewusst bleiben.

Die physiologischen Wirkungen des Stromes auf den menschlichenKörper sind nun aber nicht nur von der Größe der Stromstärke, son-dern u.a. auch wesentlich von der Dauer der Stromeinwirkung ab-hängig. Zwischen der Größe des für den menschlichen Körper nochungefährlichen Stromes und der Dauer seiner Einwirkung bestehteine nichtlineare Beziehung. Bei kurzen Einwirkzeiten bleiben ver-gleichsweise größere Stromstärken ohne schädliche Auswirkung als

2 Welche Wirkungen hat der elektrische Strom auf den menschlichen Körper?2.1 Allgemeine Übersicht

15

Page 16: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

bei längerer Einwirkdauer. Die Zeit-Stromstärke-Abhängigkeit fürWechselströme im Frequenzbereich von 15 Hz bis 100 Hz ist inden abgebildeten Diagrammen dargestellt, die der DIN V VDE V0140-479 entnommen sind, die derzeit in der Ausgabe Februar1996 vorliegt.

2 Welche Wirkungen hat der elektrische Strom auf den menschlichen Körper?2.2 Zeit-Stromstärke-Bereiche

16

Zeit-Stromstärke-Abhängigkeit der Auswirkungen von Wechselstrom im

Frequenzbereich von 15 Hz bis 100 Hz (DIN V VDE V 0140-479 [02/96])

2.2 Zeit-Stromstärke-Bereiche2.2.1 Wirkungsbereiche für WechselstromIn dem Zeit-Stromstärke-Diagramm für Wechselstrom sind in dop-pelt-logarithmischem Maßstab vier Bereiche unterschiedlicher Aus-wirkungen gekennzeichnet.

Bis zu einer Stromstärke von 0,5 mA (Bereich AC-1) sind auch beibeliebig langer Einwirkdauer des Stromes keinerlei Auswirkungenund Reaktionen bis hin zur Wahrnehmbarkeitsschwelle (oder Emp-findungsschwelle) zu erwarten. Die Empfindungsschwelle hängt

Page 17: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

von mehreren Parametern ab, so z.B. von dem Bereich der Kör-peroberfläche, die mit unter Spannung stehenden Teilen in Kontaktgerät, von der Art des Kontaktes und dem Zustand der Stromüber-gangsstelle (Feuchtigkeit, Temperatur) und auch von individuellenphysiologischen Eigenschaften der berührenden Person.

Bei Stromstärkewerten bis zu etwa 10 mA unterhalb der Loslass-grenze können Schreckreaktionen zu Sekundärunfällen infolgeSturz oder Fall führen, denn bereits Ströme mit Stromstärken ab 2 mA werden von jedem Menschen mit mehr oder weniger unan-genehmen Empfindungen wahrgenommen. In diesem Bereich AC-2, der sich bei kurzen Einwirkzeiten des Stromes zu größerenStromstärkewerten aufweitet, wäre theoretisch eine beliebig langeEinwirkdauer noch ungefährlich. Oberhalb der sogenannten Los-lassgrenze, die im Mittelwert bei etwa 10 mA liegt, führen die Strö-me jedoch zu einer Muskelverkrampfung, wobei – wenn auch dieBrustmuskulatur davon betroffen ist – bei längerer Einwirkung desStromes Atemlähmung und als Folge davon Bewusstlosigkeit auftritt.Wenn nach elektrischen Unfällen vielfach vom „Hängenbleibenoder Klebenbleiben am Strom“ gesprochen wird, so hat diese Er-scheinung in der Muskelverkrampfung bei Überschreitung der Los-lassgrenze ihre Ursache.

Im Bereich AC-2 sind also normalerweise keine schädlichen phy-siologischen Auswirkungen bis zur Loslassgrenze zu erwarten.Auch die Loslassgrenze hängt im Wesentlichen von den gleichenParametern wie die Empfindungsschwelle ab, zusätzlich jedochauch von der Größe und der Konfiguration der berührten unterSpannung stehenden Teile.

Im Bereich AC-3, der durch die einfach und die doppelt gekrümm-te Kurve eingeschlossen wird, sind normalerweise keine organi-schen Schäden zu erwarten. Mit zunehmender Stromstärke und

2 Welche Wirkungen hat der elektrische Strom auf den menschlichen Körper?2.2 Zeit-Stromstärke-Bereiche

17

Page 18: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

Zeitdauer der Einwirkung werden jedoch reversible Störungen derReizbildung und Reizleitung des Herzens möglich, die auch das sogenannte Vorhofflimmern und den vorübergehenden Herzstillstandbeinhalten; sie führen im Allgemeinen jedoch noch nicht zum Herz-kammerflimmern. Im Bereich lang andauernder Stromeinwirkungbei Stromstärken oberhalb der Loslassgrenze kommt es jedoch zuMuskelkontraktionen und zu Atemschwierigkeiten.

Im Bereich AC-4, der sich von der doppelt gekrümmten Kurve linksbegrenzt nach rechts zu großen Stromstärkewerten hin ausdehnt,tritt mit großer Wahrscheinlichkeit Herzkammerflimmern auf. Mit zu-nehmender Stromstärke und Dauer der Einwirkung des Stromes tre-ten pathophysiologischen Auswirkungen wie Herzstillstand, Atem-stillstand und schwere (innere) Verbrennungen auf, zusätzlich zuden für den Bereich 3 beschriebenen Auswirkungen.

Für die Ströme mit Frequenzen oberhalb der Netzfrequenz von 50 Hz nehmen die Wahrnehmbarkeitsschwelle, die Loslassgrenzeund die Grenze für das Auftreten von Kammerflimmern relativ starkzu. Für die Schwellen der Wahrnehmbarkeit und der Loslass-stromstärke liegen Untersuchungsergebnisse bis zu Frequenzen von 10 kHz vor, für die flimmerauslösenden Stromstärken sindUntersuchungsergebnisse nur bis zu einer Frequenz von 1 kHz be-kannt.

Für Frequenzen oberhalb von 10 kHz entfällt die spezifische Reiz-wirkung der Ströme auf erregbare Gewebe, und die rein thermi-sche Wirkung tritt in den Vordergrund.

2 Welche Wirkungen hat der elektrische Strom auf den menschlichen Körper?2.2 Zeit-Stromstärke-Bereiche

18

Page 19: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

2 Welche Wirkungen hat der elektrische Strom auf den menschlichen Körper?2.2 Zeit-Stromstärke-Bereiche

19

Zeit-Stromstärke-Abhängigkeit der Auswirkungen von Gleichstrom

(DIN V VDE V 0140-479 [02/96])

2.2.2 Wirkungsbereiche für GleichstromBei Gleichstrom entspricht die Grenze für das Auftreten von Herz-kammerflimmern bei kurzzeitiger Durchströmung (bis zu 200 ms)etwa der des Wechselstroms. Bei länger dauernder Durchströmungwird die Gefährdungsgrenze bei Gleichstrom etwa erst beim drei-fachen Wert der Grenze des Wechselstroms erreicht (diese Anga-be sollte jedoch nicht zum Leichtsinn beim Umgang mit Gleich-spannungsanlagen verleiten, da die thermische Wirkungen bei derAuslösung von Lichtbogen bei Gleichstrom wesentlich stärker sind).

Bereich DC-1 in der Regel keine ReaktionBereich DC-2 in der Regel keine pathophysiologisch gefährliche

WirkungBereich DC-3 in der Regel keine organischen Schäden

Mit steigender Stromstärke und Einwirkungsdauer

Page 20: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

sind reversible Störungen der Reizleitung im Her-zen möglich.

Bereich DC-4 Herzkammerflimmern wahrscheinlich

Mit steigender Stromstärke und Einwirkungsdauer können weiterepathophysiologische Effekte wie schwere Verbrennungen zusätzlichzu den in Bereich DC-3 genannten Wirkungen auftreten.

Bei Bereichsgrenze zwischen den Bereichen DC-2 und DC-3 ist fürZeiten unter 500 ms nicht bekannt.

Die Kurven C1 bis C3 gelten für Längsdurchströmung und aufstei-genden Strom (Füße positiv).

2 Welche Wirkungen hat der elektrische Strom auf den menschlichen Körper?2.2 Zeit-Stromstärke-Bereiche

20

Zeitliche Beziehungen der vulnerablen Perioden der Vorhöfe und der Herzkammern zum

EKG. Die Zahlen bezeichnen die aufeinander folgenden Etappen der

Erregungsausbreitung (nach H. Antoni 1977, 1981).

Page 21: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

2.3 Die Bereichsgrenze für die Wahrscheinlichkeit desAuftretens von HerzkammerflimmernZum Verlauf der wechselnd gekrümmten Kurve der Zeit-Strom-stärke-Abhängigkeit lässt sich unter Beachtung der Funktionsabläufeim Herzen im Einzelnen Folgendes sagen:

� Bei sehr kurzer Einwirkdauer unterhalb von 100 ms kann je nachEinschaltzeitpunkt des Stromes der gleiche Strom überhaupt kei-ne Wirkung zeigen, also ineffektiv bleiben oder, wenn er in dieso genannte vulnerable Phase (aufsteigender Bereich der T-Wel-le) des Elektrokardiogramms fällt, Flimmern erzeugen.

� Bei einer Einwirkungsdauer in der Größenordnung des Kam-merkomplexes des Elektrokardiogramms (Systole des EKG),beim Menschen entspricht das eine Einwirkungsdauer von 300ms bis 400 ms, kann bei ausreichender Stromstärke grundsätz-

2 Welche Wirkungen hat der elektrische Strom auf den menschlichen Körper?2.3 Die Bereichsgrenze für die Wahrscheinlichkeit des Auftretensvon Herzkammerflimmern

21

Auslösung von Herzkammerflimmern in der vulnerablen Periode. Auswirkungen auf das

EKG und den Blutdruck (nach H. Antoni 1977, 1981).

Page 22: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

lich Kammerflimmern entstehen. Beginnt der Strom während derKammererregung, kann Flimmern nur in der vulnerablen Phaseder Normalerregung entstehen, und hierzu muss der Strom re-lativ groß sein; beginnt der Strom dagegen in der Diastole (dasist die Entspannungs- und Füllungsphase des Herzens), so löster zunächst eine Extrasystole (einen zusätzlichen arrhythmischenExtraschlag des Herzens) aus und führt dann in deren vulnera-bler Phase zum Kammerflimmern, wobei hier bereits kleinereStröme wirkungsvoll sind.

� Bei langer Einwirkungsdauer über 600 ms spielt der Einschalt-zeitpunkt des Stromes praktisch keine Rolle mehr. Der Stromfließt auf jeden Fall lange genug, um in der Diastole eine Ex-trasystole auszulösen und in deren vulnerabler Phase dann Flim-mern zu erzeugen. Mit länger werdender Einwirkdauer könnenu.U. auch mehrere Extrasystolen ausgelöst werden und damitkann die Flimmerschwelle weiter absinken.

Beim Herzkammerflimmern kommt es zu völlig ungeordneten, ört-lich und zeitlich unkoordinierten Zusammenziehungen der einzel-nen Herzmuskelfasern. Der normale rhythmische Herzschlag gehtdurch schnell aufeinander folgende Kontraktionen in ein ungeord-netes Fibrillieren der Herzmuskelabschnitte über (bei der Beob-achtung eines freiliegenden Herzens entsteht der Eindruck, alswenn die Oberfläche flimmern würde). Im Zustand des Kammer-flimmerns entfällt die Pumpwirkung des Herzens. Das Herz kannkein Blut mehr fördern. Es kommt zum Kreislaufstillstand; mit Ver-sagen des Blutkreislaufes entfällt der Sauerstofftransport zu den Kör-perzellen. Wichtige Steuer- und Überwachungszentren des Ge-hirns, die entscheidend für die Lebensfähigkeit des Körpers sind,können einen Sauerstoffmangel nur wenige Minuten (unter norma-len Bedingungen 3 min bis maximal 5 min) ertragen, ohne dass eszu irreversiblen Schädigungen oder gegebenfalls zum Tode kommt.

2 Welche Wirkungen hat der elektrische Strom auf den menschlichen Körper?2.3 Die Bereichsgrenze für die Wahrscheinlichkeit des Auftretens

von Herzkammerflimmern

22

Page 23: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

Wichtig ist es daher, dass nach Eintritt eines elektrischen Unfallesgeeignete Wiederbelebungsmaßnahmen sofort eingeleitet wer-den. Wenn mehrere Helfer zur Verfügung stehen, wäre es falsch,in solchen Fällen ohne Erste-Hilfe-Leistung zunächst nach einemRettungstransportwagen oder Krankenwagen zu rufen, den näch-sten Vorgesetzten zu benachrichtigen oder auf andere Weise kost-bare Zeit zu verlieren ohne Erste-Hilfe zu leisten. Sofern ein AED-Gerät (automatischer externer Defibrilator) sowie dafür geschulteHelfer zur Verfügung stehen, können durch die Anwendung einessolchen Gerätes die Überlebenschancen stark verbessert werden.Ohne Gegenmaßnahme sinkendie Überlebenschancen beimHerzkreislaufstillstand mit jederMinute um ca. 10 %. Die Mel-dung sollte sofort durch Dritteveranlasst oder vorgenommenwerden, und ein Helfer sollte so-fort mit der Wiederbelebungdurch Atemspende und durchäußere Herzmassage beginnen.Geeignete Maßnahmen zuHerz-Lungenwiederbelebungmüssen so lange fortgeführt wer-den, bis der Erfolg eintritt undbestehen bleibt, oder bis ein Arzt an der Unfallstelle zur Verfügungsteht, der die weitere Reanimation übernehmen kann. Auch beimTransport des Verunglückten in ein Krankenhaus, der in der Regelmit dem Rettungswagen erfolgen wird, sind die Erste-Hilfe-Maß-nahmen situationsgerecht fortzusetzen (weitere Informationen s. Broschüre Erste Hilfe mit Sonderteil „Stromunfall“).

2 Welche Wirkungen hat der elektrische Strom auf den menschlichen Körper?2.3 Die Bereichsgrenze für die Wahrscheinlichkeit des Auftretensvon Herzkammerflimmern

23

Die richtige Platzierung der Elektroden wird durch

eine Skizze auf den Elektroden erleichtert.

Page 24: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

2.4 Auswirkung großer Stromstärken über 1 ABei großen Strömen über 1 A Bereich AC-4, also rechts der wech-selnd gekrümmten Kurve im Diagramm für Wechselströme) ist Herz-kammerflimmern im Allgemeinen nicht zu erwarten. Die großenStröme führen zu einer relativ homogenen Stromdichteverteilung imHerzen, die eine Inhomogenität des so genannten Refraktärvor-ganges nicht zulässt, sondern sich insgesamt synchronisierendauswirkt. Während der meist sehr kurzzeitigen Durchströmung wirddie normale Herzschlagfolge jedoch unterbrochen; es tritt währendder Durchströmung spontan Herzstillstand auf, der gelegentlichauch nach Beendigung der Durchströmung bestehen bleiben kannund damit zum Tode führt. Im Allgemeinen treten aber – beizunächst nicht tödlichem Ausgang – die thermischen Wirkungendes elektrischen Stromes infolge der im Körper entstehenden Strom-wärme in den Vordergrund.

Durchströmungen mit großen Strömen im Bereich einiger Amperetreten im Allgemeinen nur bei Hochspannungsunfällen auf. Sie sindhäufig mit der Einwirkung von Lichtbogen auf den Körper verbun-den, so dass es neben der Durchströmung des Körpers zu äußerenVerbrennungen kommt. Als Folge schwerer äußerer und innerer Ver-brennungen kann ein schwerer Nierenschaden und dadurch ge-gebenfalls der „Spättod“ eintreten. Es ist daher charakteristisch fürHochspannungsunfälle mit schweren Verbrennungen, dass die Be-troffenen den Unfall meist überleben und erst nach etwa drei Tagen,vielfach aber auch erst nach ein bis zwei Wochen infolge der er-littenen Verbrennungen und den damit verbundenen thermischenSchädigungen des Körpergewebes zu Tode kommen.

2.5 Zusammenfassung der Einflussgrößen Wie aus den vorstehenden Ausführungen hervorgeht, sind die Fol-gen eines elektrischen Unfalles – primär oder sekundär – im We-sentlichen bei Körperdurchströmung abhängig von der Stromstär-

2 Welche Wirkungen hat der elektrische Strom auf den menschlichen Körper?2.4 Auswirkung großer Stromstärken über 1 A

2.5 Zusammenfassung der Einflussgrößen

24

Page 25: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

ke des durch den Körper des Verunglückenden fließenden Stromes(sie resultiert nach dem Ohmschen Gesetz aus der Größe derberührten Spannung und dem Wert des Widerstandes des Unfall-stromkreises), von dem Stromweg im Körper des Betroffenen undvon der Dauer der Durchströmung.

Außerdem sind die Frequenz und die Kurvenform des einwirken-den Stromes und der körperliche Zustand des Verunglückenden vongewissem Einfluss (andere Stromformen und Frequenzen schädigenaber nie stärker als Wechselstrom von 50 Hz).

Bei Lichtbogeneinwirkung sind die Unfallfolgen abhängig von derDauer und der Intensität der Hitzeeinwirkung (primär also von derDauer und Größe des verursachten Kurzschluss- oder Erdschluss-stromes).

Alle Parameter, die bei Durchströmungsunfällen für die Auswirkungdes Stromes auf den Organismus wesentlich sind, werden einge-hend in der Neufassung der DIN V VDE 0140-479 (02/96) „Aus-wirkungen der Durchströmung des menschlichen Körpers“ abge-handelt. Detailliertere Angaben finden sich auch in der Literatur,von der hier das 1982 im Springer-Verlag erschienene Buch „DerElektrounfall“ von K. Brinkmann und H. Schaefer und das „Lehrbuchder Elektropathologie“ von G. Biegelmeier (VDE-Verlag 1986) er-wähnt seien.

Für die Praxis der Unfalluntersuchung ist die Frequenzabhängigkeitder Flimmerschwelle und der sonstigen Auswirkungen des elektri-schen Stromes wesentlich (aufgrund der relativ weiten Verbreitungtechnologischer Verfahren, die höhere oder niedrigere Frequenzenals die Netzfrequenz und insbesondere Gleichstrom bei Steuer- undRegelproblemen benutzen). Ströme im Frequenzbereich um 50 Hz(in dem die Frequenz der üblichen Verbraucherspannungen liegt)sind für das Auslösen von Herzkammerflimmern besonders kritisch;

2 Welche Wirkungen hat der elektrische Strom auf den menschlichen Körper?2.5 Zusammenfassung der Einflussgrößen

25

Page 26: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

in diesem Frequenzbereich liegt der Minimalwert der Schwelle fürdas Auftreten von Herzkammerflimmern. Ströme niedriger undhöherer Frequenz als 50 Hz führen erst bei größeren Stromstärke-werten zu Kammerflimmern. Bei der Frequenz null, also bei Gleich-strom, entspricht die Grenze für das Auftreten von Herzkammer-flimmern bei kurzzeitiger Durchströmung (bis zu 200 ms) etwa derdes Wechselstroms, wenn man die Spitzenwerte betrachtet. Bei län-ger dauernder Durchströmung wird die Gefährdungsgrenze beiGleichstrom etwa erst beim zwei- bis dreifachen Wert der Grenzedes Wechselstroms erreicht (diese Angabe sollte jedoch nicht zumLeichtsinn beim Umgang mit Gleichspannungsanlagen verleiten, dadie thermischen Wirkungen bei der Auslösung von Lichtbogen beiGleichstrom wesentlich stärker sind).

Für Ströme mit Frequenzen oberhalb der Netzfrequenz von 50 Hznehmen die Wahrnehmbarkeitsschwelle, die Loslassgrenze und dieGrenze für das Auftreten von Kammerflimmern relativ stark zu. Fürdie Schwellen der Wahrnehmbarkeit und der Loslassstromstärkeliegen Untersuchungsergebnisse bis zu Frequenzen von 10 kHz vor,für die flimmerauslösenden Stromstärken sind Untersuchungs-ergebnisse bis zu einer Frequenz von 1 kHz bekannt.

Für Frequenzen oberhalb von 10 kHz entfällt die spezifische Reiz-wirkung der Ströme auf erregbare Gewebe, und die rein thermischeWirkung tritt in den Vordergrund.

Die körperliche Verfassung der Verunglückten (Kondition und Kon-stitution) kann insbesondere bei schweren Unfällen (Durchströmungund Lichtbogeneinwirkung) eine nicht unwesentliche Rolle hinsicht-lich der Unfallfolgen spielen. Auch bei „leichteren“ Durchströmun-gen mit Stromstärken der Bereiche AC-2 und AC-3 (DC-2 und DC-3) können Kondition und Konstitution für die Unfallfolgen vonBedeutung sein. Eine weitere sehr wesentliche Einflussgröße im

2 Welche Wirkungen hat der elektrische Strom auf den menschlichen Körper?2.5 Zusammenfassung der Einflussgrößen

26

Page 27: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

Hinblick auf die Auswirkung einer Durchströmung ist der so ge-nannte Übergangswiderstand im Unfallstromkreis. Zum Über-gangswiderstand zählen im Allgemeinen die Widerstandswertedes am Unfallort vorhandenen Fußbodens und der vom Verun-glückten getragenen, im Stromweg liegenden Kleidungsstücke, ins-besondere die der Schuhe. Die Übergangswiderstände variierenstark. Sie können – je nach Art und Zustand der Materialien – Wertezwischen etwa 100 Ohm und einigen 10.000 Ohm haben.

Die Art und der Zustand der zufällig am Unfallort zum Unfallzeit-punkt vorhandenen Materialien, die die Übergangswiderstände bil-den, sind insbesondere im Niederspannungsbereich letztlich aus-schlaggebend dafür, ob ein Unfall nur Bagatellunfall ist, schwereFolgen hat oder tödlich verläuft.

27

2 Welche Wirkungen hat der elektrische Strom auf den menschlichen Körper?2.5 Zusammenfassung der Einflussgrößen

Page 28: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

3.1 VorbemerkungHeutzutage weisen praktisch alle elektrischen Anlagen und Be-triebsmittel technische Maßnahmen zum Schutz gegen direktesBerühren und zum Schutz bei indirektem Berühren auf. Der An-wender elektrischer Energie wird bei bestimmungsgemäßer Nut-zung, Benutzung und Handhabung von elektrischen Betriebsmittelnund Anlagen durch diese konstruktiv vorgesehenen technischenMaßnahmen zuverlässig vor gefährlicher Stromeinwirkung ge-schützt. Trotzdem entstehen Stromunfälle beim Umgang mit elektri-schen Anlagen und Betriebsmitteln oder bei Arbeiten in der Nähesolcher Anlagen und Betriebsmittel, die betriebsmäßig unter Span-nung stehen. Vom Unfall betroffen sind sowohl Elektrofachkräfte alsauch Elektrolaien. Da hinsichtlich der Voraussetzungen für ein si-cherheitsgerechtes Verhalten zwischen diesen beiden Qualifikati-onsgruppen grundsätzliche Unterschiede bestehen, die sich auchim Unfallgeschehen abzeichnen, wird im Folgenden hierauf be-sonders eingegangen. Diese Unterschiede im sicherheitsgerechtenVerhalten sind in erster Linie begründet in der unterschiedlichenMöglichkeit, die Gefährdung durch elektrischen Strom richtig ein-zuschätzen; es bestehen Unterschiede im Kenntnisstand über mög-liche Risiken und selbstverständlich im elektrotechnischen Fachwis-sen. Außerdem ergeben sich Unterschiede im Unfallgeschehen, diein den unterschiedlichen Tätigkeitsanforderungen bei unterschied-licher Arbeitssituation mit grundsätzlich meist unterschiedlicher Ge-fährdungsmöglichkeit ihren Grund haben.

3.2 Unterschiede in der Gefährdungssituation bei Elektro-fachkräften und Elektrolaien Die unterschiedliche Gefährdungssituation zeichnet sich auch deut-lich in der Unfallstatistik (Tabelle 3) ab.

Mit 68 % entfällt der überwiegende Teil der Unfälle auf Beschäf-tigte elektrotechnischer Berufe und hierbei in erster Linie auf die

28

3 WELCHE PERSONENKREISE SINDGEFÄHRDET?

Page 29: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

Der hohe Anteil dieser Beschäftigten erscheint jedoch besonders be-merkenswert, da diese Gruppe die mögliche Gefährdung durchden elektrischen Strom genau kennt und damit auf die Einhaltungder Vorschriften für die Arbeitssicherheit besonders bedacht seinsollte. Auch die Angehörigen des Führungspersonals aus demBereich der elektrotechnischen Berufe haben mit zusammen 2.196

3 Welche Personenkreise sind gefährdet?3.2 Unterschiede in der Gefährdungssituation bei Elektrofachkräften und Elektrolaien

29

*) Die Unfallzahlen beziehen sich auf einen Zehnjahreszeitraum 1985–1994.Die Unterschiede bei der Gesamtzahl der Unfälle zwischen den einzelnen Tabellen ergebensich, weil die Erhebungsbögen teilweise unvollständig ausgefüllt werden.

Gruppe der Elektromonteure und Schaltwärter, die als Elektrofach-kräfte „vor Ort“ am häufigsten Umgang mit elektrischen Betriebs-mitteln und Anlagen haben.

Tabelle 3: Elektrische Unfälle nach Berufsgruppe/Stellung im Betrieb*)

Berufsgruppen/ Anzahl der Anteil (tödl.) LetalitätStellung im Betrieb Unfälle (tödl.) [%] [%]

Elektrotechnische BerufeBetriebsleiter, Ingenieure, Meister 1.234 ( 15) 7,0 ( 7,5) 1,2Obermonteure 962 ( 23) 5,5 ( 11,5) 2,4Monteure, Schaltwärter 7.875 ( 83) 44,8 ( 41,5) 1,1Angelernte und unterwiesenePersonen 351 ( 5) 2,0 ( 2,5) 1,4Auszubildende 1.499 ( 2) 8,5 ( 61,0) 0,1Zählerableser, Zählermonteure 34 ( 0) 0,2 ( 64,0) 0,0Sonstige und keine Angabe 38 ( 0) 0,2 ( 64,0) 0,0

Elektrotechnische Berufe insgesamt 11.993 (128) 68,2 ( 64,0) 1,1

Nichtelektrotechnische BerufeBetriebsleiter, Ingenieure, Meister 307 ( 9) 1,7 ( 4,2) 2,9Obermonteure, Poliere 316 ( 5) 1,8 ( 2,5) 1,6Facharbeiter 2.670 ( 35) 15,2 ( 17,5) 1,3Hilfsarbeiter 1.817 ( 18) 10,3 ( 9,0) 1,0Auszubildende 399 ( 3) 2,3 ( 1,5) 0,8Sonstige 77 ( 2) 0,4 ( 1,0) 2,6

Nichtelektrotechnische Berufe insges. 5.586 ( 72) 31,8 ( 36,0) 1,3

Berufsgruppen insgesamt 17.579 (200) 100,8 (100,0) 1,1

Page 30: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

Unfällen (davon 38 mit tödli-chem Ausgang) einen relativ ho-hen Anteil am gesamten Unfall-geschehen, und ihre Unfälleweisen mit 1,7 % eine ver-gleichsweise große Letalität auf.Dieser Sachverhalt deutet an,dass die Gewöhnung an eineGefahren in sich bergende Tätig-keit offenbar zu einer Abstump-fung gegen-über der Gefahr unddamit zum Außerachtlassen vonan sich leicht zu befolgenden Sicherheitsvorschriften führt. Dieweitere Auswertung der Unfall-

3 Welche Personenkreise sind gefährdet?3.2 Unterschiede in der Gefährdungssituation bei Elektrofachkräften und Elektrolaien

30

Zähleranlaufprüfung an einem Drehstromzähler

Einlegen der Erdungs- und Kurzschließvorrichtung

in einer Mittelspannungsschaltszelle

Page 31: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

unterlagen hat ergeben, dass über 42 % der insgesamt erfasstenUnfälle (auch der tödlichen) beim Arbeiten in und an elektrischenAnlagen entstanden sind. Es sind also Personen betroffen, die mitder Installation oder Wartung elektrischer Anlagen beschäftigtsind. Die Ursachen für diese Unfälle sind nur zu einem geringenMaße in unzureichender Ausstattung oder mangelnder Pflege derAnlagen zu sehen. Es kommt vielmehr zu schweren, folgenreichenUnfällen, weil eindeutig und klar formulierte Verhaltensvorschriftennicht beachtet werden. Die Verhaltensfehler sind – weitgehendunabhängig von der Stellung der Beschäftigten im Betrieb – dieberufsspezifischen Unfallursachen der Elektrofachkräfte.

Betrachtet man die nichtelektrotechnischen Berufe, so haben wei-tere Untersuchungen ergeben, dass das Unfallgeschehen gleicher-maßen durch Facharbeiter und angelernte Mitarbeiter bestimmtwird. Hinsichtlich der Verhaltensfehler der Elektrolaien bilden dieangelernten Arbeiter diejenige Personengruppe, bei der Verhal-tensfehler vorwiegend unfallursächlich sind. Ihre Unfallzahlen sindsignifikant größer als erwartet, so dass hier besonders die man-gelnde Information über Grundsätze im sicheren Umgang mit derElektrizität evident wird.

Elektrofachkräfte verunglücktenim Niederspannungsbereichhauptsächlich bei Arbeiten anBetriebsmitteln zur Verteilung derelektrischen Energie, an Nie-derspannungsverteilungen, anSicherungen und Schaltern inVerteilungen und an Hausan-schlusskästen.

Bei Elektrolaien führt in ersterLinie die Handhabung elektri-

3 Welche Personenkreise sind gefährdet?3.2 Unterschiede in der Gefährdungssituation bei Elektrofachkräften und Elektrolaien

31

Arbeiten unter Spannung an einer

Niederspannungsfreileitung

Page 32: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

scher Verbrauchsmittel, wie der Umgang mit elektromotorischenGeräten und Elektrowerkzeugen, zum Unfall und vor allem die (in der Regel) unbefugt vorgenommene Arbeiten an elektrischen

3 Welche Personenkreise sind gefährdet?3.2 Unterschiede in der Gefährdungssituation bei Elektrofachkräften und Elektrolaien

32

NiederspannungsunfälleElektrofachkräfte Elektrolaien

Anzahl AnzahlNiederspannungsverteilungen 2.949 (18) 212 (3)

Hausanschlusskästen 997 ( 3) 21 (0)

Sicherungen in Verteilungen 319 ( 0) 30 (0)

Schalter in Verteilungen 286 ( 0) 32 (0)

Feste Installation 1.254 ( 6) 343 (0)

Elektrische Ausrüstungen vonMaschinen aller Art 810 ( 2) 1.442 (5)

Elektromotorische Geräte 308 ( 0) 444 (0)

Elektrowerkzeuge 99 ( 0) 323 (2)

Gesamtzahl (incl. Sonstige) 10.843 (59) 4.888 (32)

Betriebsmittel (Unfallstelle)

Tabelle 4: Häufigkeitsschwerpunkte der unfallbeteiligten elektrischen Betriebsmittel im

Niederspannungsbereich*)

HochspannungsunfälleElektrofachkräfte Elektrolaien

Anzahl AnzahlVerteilungen 32 ( 6) 189 (20)

Schalter 5 ( 1) 148 (13)

Freileitungen 121 (21) 103 (16)

Kabel 50 ( 1) 98 ( 2)

Transformatoren 65 ( 6) 12 ( 1)

Meß- und PrüfgeräteTransformatoren 57 ( 1) 37 ( 0)

Fernsehgeräte 22 ( 0) 20 ( 0)

Gesamtzahl (incl. Sonstige) 863 (67) 447 (38)

Betriebsmittel (Unfallstelle)

Tabelle 5: Häufigkeitsschwerpunkte unfallbeteiligter elektrischer Betriebsmittel im

Hochspannungsbereich*)

*) Die Unfallzahlen beziehen sich auf einen Zehnjahreszeitraum 1985–1994.Die Unterschiede bei der Gesamtzahl der Unfälle zwischen den einzelnen Tabellen ergebensich, weil die Erhebungsbögen teilweise unvollständig ausgefüllt werden.

Page 33: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

33

Ausrüstungen von Maschinen al-ler Art sowie an der sogenann-ten festen Installation (Tabelle 4).

Im Hochspannungsbereich ste-hen bei beiden Qualifikations-gruppen Betriebsmittel zur Fort-leitung und Verteilung derelektrischen Energie als häufigeUnfallstellen im Vordergrund(Tabelle 5).

Tödliche Unfälle treten bei denVerunglückten nichtelektrotech-nischer Berufe im Hochspan-nungsbereich etwas häufigerauf; die mittlere Letalität derUnfälle ohne Berücksichtigungvon Spannungshöhe und Unfall-stelle beträgt bei Elektrolaien1,3 % gegenüber 1,1% bei Ver-unglückten elektrotechnischerBerufe.

Reinigen einer unter Spannung stehenden Mittel-

spannungsanlage

Vor Beginn elektrotechnischer Arbeiten ist die rich-

tige persönliche Schutzausrüstung auszuwählen

3 Welche Personenkreise sind gefährdet?3.2 Unterschiede in der Gefährdungssituation bei Elektrofachkräften und Elektrolaien

Page 34: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

34

4.1 Übersichten unterBerücksichtigung von Span-nungsbereichen und elektro-technischer QualifikationDa nur die Einhaltung dieserRegeln Sicherheit garantierenkann, muss ihre Nichtbeachtungzwangsläufig bei der Analyse

eingetretener Unfälle jeweils erstrangig festgestellt werden und da-mit den Hauptanteil der Verhaltensfehler ausmachen.

In der in Tabelle 6 gezeigten Übersicht über die Unfallursachen-verteilung bei Niederspannungsunfällen ist dies sehr deutlich er-sichtlich.

Tabelle 6: Ursachenverteilung bei Niederspannungsunfällen*)

Art der Unfallursache Ursachenverteilung bei Niederspannungsunfällen

Elektrofachkräfte ElektrolaienAnzahl Anteil [%] Anzahl Anteil [%]

Verhaltensfehler Nichtbeachtung 5.626 43,4) 1.318 22,5)von Sicherheitsvorschriften (35) ( 44,9) (15) ( 32,6)

Allgemeine Verhaltensfehler 2.794 21,6) 968 16,5)(23) ( 29,5) (10) ( 21,7)

Fehler organisatorischer Art 914) 7,1) 837 14,3)( 8) ( 10,2) ( 6) ( 13,0)

„Technische“ SachfehlerSchäden oder Fehler an 2.188 16,9) 2.128 36,2)elektrischen Betriebsmitteln ( 5) ( 6,4) (11) ( 24,0)

Schäden oder Fehler an 1.430) 11,0) 614 10,5)elektrischen Anlagen ( 7) ( 6,9) ( 4) ( 8,7)

Summe der genannten Ursachen 12.952 100,7) 5.865 100,7){größer als die Fallzahl der Unfälle} (78) (100,7) (46) (100,7)

Gesamtzahl (incl. Sonstige) 10.843 (59) 4.888 (32)

*) Die Unfallzahlen beziehen sich auf einen Zehnjahreszeitraum 1985–1994.Die Unterschiede bei der Gesamtzahl der Unfälle zwischen den einzelnen Tabellen ergebensich, weil die Erhebungsbögen teilweise unvollständig ausgefüllt werden.

4 WELCHE URSACHEN FÜHREN ZUSTROMUNFÄLLEN?

Die „Fünf Sicherheitsregeln“

1. Freischalten2. Gegen Wiedereinschalten sichern3. Spannungsfreiheit feststellen4. Erden und Kurzschließen5. Benachbarte, unter Spannung stehen-

de Teile abdecken oder abschranken

Page 35: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

Bei rund 44 % der Niederspan-nungsunfälle von Elektrofach-kräften wurde die Nichtbeach-tung der „Fünf Sicherheits-regeln“ als unfallursächlich fest-gestellt, bei rund 22 % wurdenallgemeine Verhaltensfehler er-mittelt (allgemeine Verhaltens-fehler wie Unachtsamkeit,Leichtsinn, eigenmächtig unbe-fugt vorgenommene Arbeitenoder auch arbeitsmethodisch be-dingte spezielle Gründe, wie„Arbeit vor Freigabe begon-nen“, „Nicht über Schaltzustandinformiert“ oder „Nach Zeitver-einbarung gearbeitet“). Bei 7 %der Niederspannungsunfällevon Elektrofachkräften wurdenFehler organisatorischer Art ge-nannt, so beispielsweise die feh-lende oder ungenügende Unter-weisung und ungenügendespezielle Informationen, insbe-sondere genannt bei Unfällenvon Auszubildenden und jünge-ren Beschäftigten.

„Technische“ Sachfehler, wieSchäden oder Fehler an Gerä-ten, an Apparaten oder Maschi-nen, und Schäden oder Fehleran Anlagen wurden für Elektro-

4 Welche Ursachen führen zu Stromunfällen? 4.1 Übersichten unter Berücksichtigung von Spannungsbereichen und elektrotechnischer Qualifikation

35

Feststellen der Spannungsfreiheit an einer Sammel-

schiene einer Mittelspannungsanlage

Nur eine eindeutige Kennzeichnung des Arbeits-

bereiches schützt vor Verwechslung

Page 36: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

fachkräfte durch die Analyse zu-sammen mit 28 % als Unfall-ursache festgestellt.

Beim Niederspannungsunfallder Elektrolaien stehen dagegenmit rund 47 % Schäden oderFehler an elektrischen Betriebs-mitteln und Anlagen als erstran-gige Unfallursachen im Vorder-grund. Diese Unfallursachenwerden als Sachfehler ausge-wiesen, obwohl sie bei richtigerInformation der Elektrolaien

auch als Verhaltensfehler der Verunglückten selbst oder als Verhal-tensfehler organisatorischer Art durch Fehlverhalten Dritter für dieArbeitssicherheit verantwortlicher Personen zu werten wären. AlsVerhaltensfehler der verunglückten Elektrolaien selbst zu werten, in-sofern als die Unfälle in erster Linie auf der unpfleglichen Behand-lung oder unsachgemäßen Handhabung von elektrischen Geräten,Apparaten und anderen Betriebsmitteln beruhen oder insofern als sie in der sorglosen Weiterbenutzung dieser durch falsche

Behandlung oder unsachge-mäße Handhabung schadhaftenBetriebsmittel beruhen. Damitverbunden, aber auch zu wer-ten als Verhaltensfehler organi-satorischer Art, da die Unfälleletztlich in der mangelhaften Organisation der Prüfung der im Einsatz befindlichen elektri-schen Betriebsmittel ihren Ur-sprung haben.

4 Welche Ursachen führen zu Stromunfällen? 4.1 Übersichten unter Berücksichtigung von Spannungsbereichen und elektrotechnischer Qualifikation

36

Eine wirkungsvolle Kennzeichnung kann die

Gefahr eines „versehentlichen“ Wiedereinschaltens

abwenden

Beschädigte Betriebsmittel müssen einer weiteren

Verwendung entzogen werden

Page 37: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

4 Welche Ursachen führen zu Stromunfällen? 4.1 Übersichten unter Berücksichtigung von Spannungsbereichen und elektrotechnischer Qualifikation

37

Die Unfallursachenverteilung bei Hochspannungsunfällen wird durchTabelle 7 veranschaulicht. Besonders unterschiedlich zu den Nie-derspannungsunfällen erscheinen die Verhaltensfehler und hier dieAnteile der Fehler organisatorischer Art, die bei den Elektrolaien be-sonders stark hervortreten. Diese Fehler sind hauptsächlich in der feh-lenden oder in mangelhafter Aufsichtsführung bei Arbeiten in der

*) Die Unfallzahlen beziehen sich auf einen Zehnjahreszeitraum 1985–1994.Die Unterschiede bei der Gesamtzahl der Unfälle zwischen den einzelnen Tabellen ergebensich, weil die Erhebungsbögen teilweise unvollständig ausgefüllt werden.

Tabelle 7: Unfallursachenverteilung bei Hochspannungsunfällen*)

Ursachenverteilung bei Hochspannungsunfällen

Art der Unfallursache Elektrofachkräfte ElektrolaienAnzahl Anteil [%] Anzahl Anteil [%]

VerhaltensfehlerNichtbeachtung von Sicherheitsvorschriften 425 (42) 40,6 ( 45,2) 148 (11) 28,1 ( 26,8)

Allgemeine Verhaltensfehler 347 (41) 33,1 ( 44,1) 150 (15) 28,5 ( 36,6)

Fehler organisatorischer Art 101 ( 4) 9,7 ( 4,3) 124 (14) 23,5 ( 34,2)

„Technische“ SachfehlerSchäden oder Fehler an elektrischen Betriebsmitteln 107 ( 4) 10,2 ( 4,3) 59 ( 1) 11,2 ( 2,4)

Schäden oder Fehler anelektrischen Anlagen 67 ( 2) 6,4 ( 2,1) 46 ( 0) 8,7 ( 0,4)

Summe der genannten Ursachen{größer als Fallzahl der Unfälle} 1.047 (93) 100 (100,4) 527 (41) 100 (100,4)

Gesamtzahl (incl. Sonstige) 863 (67) 454 (38)

Nähe unter Spannung stehender Freileitungen bedingt; es handeltsich insbesondere um Arbeiten im Bereich von Baustellen, bei denenmit Hebezeugen und Fördergeräten, wie Kränen, Autokränen undBetonpumpen, sowie mit fahrbaren oder tragbaren Leitern und sper-rigen Gegenständen Freileitungen berührt werden oder eine un-zulässige Annäherung an die Gefahrenzone erfolgt, so dass einLichtbogenüberschlag ausgelöst wird.

Page 38: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

4 Welche Ursachen führen zu Stromunfällen? 4.1 Übersichten unter Berücksichtigung von Spannungsbereichen und elektrotechnischer Qualifikation

38

Auch Unfälle bei Erdarbeiten imTiefbau durch zerstörende Be-rührung von Erdkabeln des Nie-der- und Hochspannungsberei-ches sind in der Fehlergruppe„Fehler organisatorischer Art“enthalten.

Bei den Hochspannungsunfällender Elektrofachkräfte stehen wieim Niederspannungsbereichganz klar und strukturell gleichdie Verhaltensfehler der Verun-glückten selbst im Vordergrund,

einerseits die Nichtbeachtung der Sicherheitsvorschriften, ande-rerseits auch ein erheblicher Anteil von Unfällen mit allgemeinemFehlverhalten.

Tabelle 8a: Fehlverhalten der Verunglückten**)

Fehlverhalten der Verunglückten Anzahl der Anteil der LetalitätUnfälle Unfälle [%] *) [%]

Sicherheitsregeln nicht beachtet 7.724 (104) 37,9 (40,3) 1,4Schutzmittel nicht benutzt 1.312 ( 17) 6,4 ( 6,6) 1,3Unaufmerksamkeit 1.792 ( 15) 8,8 ( 5,8) 0,8Unter Spannung gearbeitet 5.828 ( 50) 28,6 (19,4) 0,9Zulässige Annäherung unterschritten 370 ( 48) 1,8 (18,6) 13,0Nicht über Schaltzustand informiert 450 ( 5) 2,2 ( 1,9) 1,1Verwechslung 514 ( 5) 2,5 ( 1,9) 1,0Unsinniges Verhalten 203 ( 7) 1,0 ( 2,7) 3,5Arbeit vor Freigabe begonnen 106 ( 9) 0,5 ( 3,5) 8,5Defektes Gerät oder Werkzeug benutzt 461 ( 1) 2,3 ( 0,4) 0,2Keine Angabe 743 ( 8) 3,6 ( 3,1) 1,1

Prüfplätze sollten nur über ein Trenntransformator

betrieben werden

*) Bezug: Gesamtzahl der angegebenen Unfallursachen gemäß Tabellen 6 und 7**) Die Unfallzahlen beziehen sich auf einen Zehnjahreszeitraum 1985–1994.

Die Unterschiede bei der Gesamtzahl der Unfälle zwischen den einzelnen Tabellen ergebensich, weil die Erhebungsbögen teilweise unvollständig ausgefüllt werden.

Page 39: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

4 Welche Ursachen führen zu Stromunfällen? 4.1 Übersichten unter Berücksichtigung von Spannungsbereichen und elektrotechnischer Qualifikation

39

Welche Verhaltensfehler dabei in erster Linie infrage kommen, gehtaus der Tabelle 8a hervor, die unabhängig von der Spannungshöheund von der elektrotechnischen Qualifikation der Verunglückten diejeweilige Anzahl der Unfälle bei bestimmten Verhaltensfehlern zu-sammenstellt.

Aus den Angaben zur Letalität treten einerseits die Unfälle hervor,bei denen die zulässige Annäherung unterschritten wurde (alsoHochspannungsunfälle mit ihrem hohen tödlichen Anteil) und an-dererseits solche Unfälle, die bei Arbeiten eingetreten sind, die vorFreigabe der Arbeitsstelle begonnen wurden. Eine weitere Auf-schlüsselung der unter 1. bis 3. gegebenen Zahlen (Tabelle 8b)macht die Unfallursachen im Einzelnen weiter deutlich.

Tabelle 8b: Fehlverhalten der Verunglückten*)

Fehlverhalten der Verunglückten Anzahl der Anteil der Letalität(Spezifikation der Angaben in Tabelle 8a) Unfälle Unfälle [%] [%]

Nichtbeachtung der SicherheitsregelnNicht freigeschaltet 2.697 (52) 13,2 (20,2) 1,9Nicht gegen Wiedereinschalten gesichert 336 ( 6) 1,6 ( 2,3) 0,3Spannungsfreiheit nicht festgestellt 2.479 (21) 12,2 ( 8,1) 0,9Nicht geerdet und kurzgeschlossen 154 ( 4) 0,8 ( 1,6) 2,6Nicht abgedeckt oder abgeschrankt 2.058 (21) 10,1 ( 8,1) 1,0

Schutzmittel nicht benutztSchutzmittel nicht benutzt 1.092 (10) 5,4 ( 3,9) 0,9Ungeeignetes Gerät/Werkzeug benutzt 122 ( 3) 0,6 ( 1,2) 2,5Schutzmaßnahmen nicht beachtet (z.B. Trenntrafo nicht benutzt) 98 ( 4) 0,5 ( 1,6) 4,1

SonstigeEigenmächtigkeit, unbefugtes Arbeiten an elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln 468 (31) 2,3 (12,0) 6,6Leichtsinn 289 ( 7) 1,4 ( 2,7) 2,4Nach Zeitvereinbarung gearbeitet 25 ( 0) 0,1 ( 0,7) 0,0Übrige /andere „Sonstige“ 546 (11) 2,7 ( 4,3) 2,0

*) Die Unfallzahlen beziehen sich auf einen Zehnjahreszeitraum 1985–1994.Die Unterschiede bei der Gesamtzahl der Unfälle zwischen den einzelnen Tabellen ergebensich, weil die Erhebungsbögen teilweise unvollständig ausgefüllt werden.

Page 40: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

4 Welche Ursachen führen zu Stromunfällen? 4.2 Die Arbeitssituation im Aufgabenbereich der Elektrofachkraft

40

4.2 Die Arbeitssituation im Aufgabenbereich der ElektrofachkraftBeim Arbeiten an elektrischenAnlagen – z.B. im Zuge der Er-weiterung, der Änderung oderder Wartung – und beim Arbei-ten an schadhaften elektrischenBetriebsmitteln zur Fehlersucheund Instandsetzung müssen diezwangsläufig wirkenden, kon-struktiv vorgesehenen techni-schen Schutzmaßnahmen in derRegel ganz oder teilweise außerFunktion gesetzt werden odersind außer Funktion gesetzt. Der

Schutz des an den Anlagen oder den Betriebsmitteln Arbeitendengegen die Einwirkung des elektrischen Stromes ist in diesen Fällen

meist nur bei strikter Einhaltungvon Verhaltensregeln zu ge-währleisten.

Für die genannten Tätigkeitensind daher ausschließlich Elek-trofachkräfte autorisiert. IhrTätigkeitskatalog umfasst weni-ger routinemäßig auszuführen-de als vielmehr vorwiegendproblemlösende Arbeiten, diehäufig nicht an einen festen Ar-beitsplatz gebunden sind. BeideArten der Tätigkeit sind oft ver-knüpft mit einer Vielzahl von

Die Erdungs- und Kurzschließvorrichtung ist immer

zuerst mit der Erdungsanlage zu verbinden

Ohne Freischaltung sind die Sicherheitsabstände

zu aktiven Teilen immer einzuschalten

Page 41: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

Arbeitsschritten und einer Ab-hängigkeit der Schritte von unduntereinander, dies insbeson-dere beim Arbeiten an Hoch-spannungsanlagen. Die Kom-plexität des Vorgehens erforderteine genaue Festlegung und Ein-haltung der Vorgehensweise so-wohl hinsichtlich des reinen Ar-beitsablaufes als auch – und hierbesonders – bei der Durch-führung von Sicherheitsmaßnah-men. Die Sicherheitsregeln müs-sen korrekt beachtet werden, esmüssen Abstände eingehalten,Schutzausrüstungen getragenund andere Vorsorgemaßnah-men getroffen werden.

Die Anwendung der fünf Sicherheitsregeln schafft die Grundlagejeder sicheren Arbeit an elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln.

Leider werden diese Verhaltensvorschriften vielfach aus übertrie-bener Selbstsicherheit oder aus dem Gefühl heraus, über der Sa-che zu stehen, vernachlässigt. Gefahren durch das Außerachtlas-sen der Sicherheitsregeln entstehen insbesondere bei Erweiterungs-und Änderungsarbeiten an bestehenden Anlagen und bei derInstandsetzung mit der Störungssuche und der Beseitigung derStörungen. Hierbei ist die mittelbare Gefahrenerkennung oft er-schwert, da häufig komplizierte Anlagen mit komplizierten Schalt-plänen vorliegen, die zum Zwecke der notwendigen Frei-schaltungen langwierig zurückverfolgt werden müssen. Aber auchWartungsarbeiten mit der Reinigung und Überholung elektrischer

4 Welche Ursachen führen zu Stromunfällen? 4.2 Die Arbeitssituation im Aufgabenbereich der Elektrofachkraft

41

Beim Arbeiten in der Nähe sind die benachbarten

Teile gegen zufälliges Berühren abzudecken

Page 42: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

Betriebsmittel einschließlich vonAnstreicharbeiten gehören zuden Tätigkeiten, bei den dasAußerachtlassen der Sicher-heitsvorschriften häufig zu Un-fällen führt.

Grundsätzlich werden in einerVielzahl der Fälle die mit demArbeitsauftrag verbundenen Ar-beiten zwar auch unter sorgfälti-ger Einhaltung aller Sicherheits-maßnahmen durchgeführt, je-

doch kommt es im Anschluss an die Arbeiten oder nach Unterbre-chungen von Arbeitsabläufen bei der Wiederaufnahme der Arbeitzu Fehlhandlungen. Nach Unterbrechungen werden vorher durch-

geführte Maßnahmen nicht wie-derholt, in blindem Vertrauen aufdas weitere Bestehen des sicher-heitsgerechten Zustandes derAnlage; es kommt häufig zu Ver-wechslungen der Arbeitsberei-che und als Folge der nunmehrfehlenden Sicherheitsmaßnah-men zu folgenschweren Unfäl-len.

Nach Abschluss von Arbeitenwerden beispielsweise verges-sene Arbeitshilfsmittel, wie Klem-men, Seilzugrollen, Rollen oderReinigungsutensilien aus dem in-zwischen wieder unter Span-

4 Welche Ursachen führen zu Stromunfällen? 4.2 Die Arbeitssituation im Aufgabenbereich der Elektrofachkraft

42

In Schaltzellen kann nur ein normgerechter

Spannungsprüfer eine eindeutige Aussage über

den Spannungszustand geben

Hindernisse grenzen wirkungsvoll den Arbeits-

bereich ein

Page 43: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

4 Welche Ursachen führen zu Stromunfällen? 4.2 Die Arbeitssituation im Aufgabenbereich der Elektrofachkraft

43

nung stehenden Arbeitsbereich geholt – aus einem gewissen Ge-wöhnungseffekt heraus –, ohne erneut Sicherheitsmaßnahmen zutreffen. Aber auch vor Beginn der eigentlichen Arbeitsdurchführungkommt es durch Übereifer und Eigenmächtigkeit und damit durchvoreiliges Handeln zu Unfällen. Vor der geplanten beispielsweisemit dem Obermonteur abgesprochenen Freischaltung werden be-reits arbeitsvorbereitende Tätigkeiten durchgeführt; in Verkennungder Gefahr wird beispielsweise versucht, Maß zu nehmen oder eswird versucht, Materialien in den Arbeitsbereich zu schaffen; oderes wird etwas irgendwie abschätzend in Augenschein genommen,wobei die zulässige Annäherung unterschritten wird; oder es wirdvoreilig mit der Arbeit begonnen – jeweils ohne die Spannungs-freiheit an der Arbeitsstelle festzustellen.

Nicht selten wird auch der abgegrenzte Arbeitsbereich überschrit-ten. Offenbar wird durch Konzentrationsmangel angenommen,dass das, was an der Arbeitsstelle gilt, auch nebenan gelten muss.

Zum Feststellen der Spannungsfreiheit an Niederspannungsanlagen sollte zweipoligen

Geräten der Vorzug gegeben werden

Page 44: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

4 Welche Ursachen führen zu Stromunfällen? 4.2 Die Arbeitssituation im Aufgabenbereich der Elektrofachkraft

44

Häufig werden bei technisch kompliziert aufgebauten Anlagen zeit-aufwendig zahlreiche Maßnahmen einschließlich der Einsicht in dieStromlaufpläne mit vielen Handlungsschritten sorgfältig durchge-führt, um die Arbeitsstelle und die Umgebung freizuschalten und ge-gen Wiedereinschalten zu sichern, aber in Unterschätzung des Ri-sikos bzw. in Überschätzung der Sicherheit der bereits getroffeneMaßnahme oder ganz einfach aus Bequemlichkeit wird dann ver-absäumt, die Spannungsfreiheit an der Arbeitsstelle festzustellen.Dort steht dann z.B. durch übersehene Zu- oder Abgänge Rück-spannung an, oder die Arbeitsstelle bleibt unter Spannung, weil Zu-oder Abgänge und Verbindungsleitungen nicht beachtet wurden,weil sie im Schaltplan nicht enthalten waren. Häufig wird nacheinem tödlichen Unfall von Arbeitskollegen des Verunglückten ge-sagt: „Er war einer unserer besten Leute und war schon 20 Jahreim Fach. Er kannte die Anlage am besten von uns allen und wusstesich stets zu helfen.“ Oder es heißt nach einem Unfall: „Wir nah-

Je nach Anwendungsfall stehen verschiedene Ausführungen von Spannungsprüfern zur

Verfügung

Page 45: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

4 Welche Ursachen führen zu Stromunfällen? 4.2 Die Arbeitssituation im Aufgabenbereich der Elektrofachkraft

45

men an, es sei keine Spannungmehr vorhanden; wo sollte dennda etwas herkommen. Wir ha-ben das immer schon so ge-macht.“ Solche Äußerungenzeigen die sehr häufig anzutref-fende Grundeinstellung „Warumnach Vorschrift, warum nach ei-nem vorgegebenen Verhaltens-schema arbeiten, wenn aus derÜberlegung heraus eine Situati-on als gefahrenfrei einzuschät-zen ist?“ Diese Einstellung ist vorallem bei Elektromonteuren, diein der Installation tätig sind, leider noch weit verbreitet.

Als psychische Hintergrundsbedingungen für das Fehlverhaltenkonnten durch die Unfallanalyse folgende schlagwortartig ge-nannte Verhaltenskomponenten ermittelt werden:

In-Eile-sein, Unter-Zeitdruck-stehen, Ablenkungen durch Nebenar-beiten, Geltungsbedürfnis beim Arbeiten in der Gruppe, geäußertin Übereifer und Leichtsinn. Bei Auszubildenden wurde die man-gelnde Kenntnis der Sicherheitsvorschriften, mangelndes Risiko-bewusstsein und mangelnde Beherrschung des Arbeitsvorgangesunter sicherheitstechnischem Aspekt festgestellt.

Das Arbeiten an unter Spannung stehenden Teilen kann grundsätz-lich keineswegs als ein Beweis von Mut und besonderer Fachkun-digkeit angesehen werden. Wenn ohne sachliche Notwendigkeitund ohne geeignete zusätzliche Vorkehrungen unter Spannung ge-arbeitet wird, so muss diese Arbeitsweise als nicht einwandfrei be-zeichnet werden. Wenn heute noch gelegentlich Auszubildenden

Klemmringe verkürzen nicht nur die Montagezeit

für einen Abzweig, sie erhöhen auch die Arbeits-

sicherheit

Page 46: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

4 Welche Ursachen führen zu Stromunfällen? 4.2 Die Arbeitssituation im Aufgabenbereich der Elektrofachkraft

46

das Berühren unter Spannungstehender Leitungen von älterenMonteuren als eine Art Mutpro-be abverlangt wird, so kann die-ses Ansinnen nur grob fahrlässigund verantwortungslos genanntwerden. Es muss daher allenUnternehmern, Betriebsleitern,Meistern und sonstigen Vorge-setzten eindringlicher denn jedie Aufgabe gestellt werden,ihre Mitarbeiter systematischsowohl über die Gefahren deselektrischen Stromes als auchüber die notwendigen Schutz-maßnahmen aufzuklären.

Mehr und mehr umgibt sich derMensch mit zusätzlichen Hilfenund Einrichtungen, die ihm dasLeben erleichtern und die ihm

helfen sollen, die Kenntnisse über seine Umwelt zu verbessern. War-um verwendet man nicht bei Arbeiten in und an elektrischen Anla-gen immer und unter allen Umständen vor Aufnahme der Arbeiteneinen geeigneten Spannungsprüfer zum Feststellen der Span-nungsfreiheit? Die Notwendigkeit dafür ergibt sich nicht zuletzt dar-aus, dass dem Menschen von Natur aus kein Sinnesorgan für dasFeststellen evtl. vorhandener Spannung zur Verfügung steht. JederVorgesetzte und jeder Monteur muss davon überzeugt werden,dass es kein Zeichen von Feigheit oder mangelnder Eignung für dieTätigkeit als Elektriker ist, wenn die Spannungsfreiheit vor Aufnah-me der Arbeit festgestellt wird und eine Erdung und Kurzschließungder in Arbeit befindlichen Anlageteile erfolgt.

Neben elektrischen Gefahren können auch weitere

hinzukommen, z.B. die Gefahr des Auffahrens auf

eine Hebebühne

Page 47: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

Wichtige, aber leider häufignicht beachtete Forderungen ent-hält die 5. Sicherheitsregel.Wenn z.B. an einer NH-Siche-rungsverteilung oder in derNähe unter Spannung stehen-der, nicht isolierter Leitungen ge-arbeitet werden muss, bestehtimmer die Möglichkeit des un-beabsichtigten mittelbaren oderunmittelbaren Berührens dieserTeile. Die Hersteller von Schutz-und Arbeitshilfsmitteln bietenheutzutage praktisch für jedeArbeitssituation gut und einfachzu handhabende Abdeckmate-rialien an. Die daher nur nochgeringe Mühe des isolierendenAbdeckens oder des geeignetenAbschrankens von Gefahrenbe-reichen macht sich auf jeden Fallbezahlt, denn die Arbeiten kön-nen danach bei höherer Sicher-heit zügiger durchgeführt wer-den. Warum also auf derartigeMaßnahmen verzichten?

4.3 Die Arbeitssituation im Aufgabenbereich derElektrolaien Beim Einsatz elektrischer Be-triebsmittel (Verbrauchsmittel) istauf den einwandfreien Zustand

4 Welche Ursachen führen zu Stromunfällen? 4.3 Die Arbeitssituation im Aufgabenbereich der Elektrolaien

47

Beim Wechseln einer NH-Leiste darf immer nur ein

Potenzial frei sein

Isoliertes Werkzeug gehört nicht in eine

Werkzeugkiste

Page 48: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

4 Welche Ursachen führen zu Stromunfällen? 4.3 Die Arbeitssituation im Aufgabenbereich der Elektrolaien

48

der konstruktiv vorgesehenenSchutzmaßnahmen zu achten.Durch einen Schaden im Gerätoder eine ungeeignete nichtbestimmungsgemäße Handha-bung kann es beispielsweise zueiner Spannungsverschleppungauf das berührbare leitfähigeGehäuse kommen. Wenn dasGerät nicht in eine Maßnahmezum Schutz bei indirektemBerühren einbezogen ist, wirktsich diese Berührungsspannungfür den Benutzer unter Umstän-den lebensgefährdend aus. So-fern nicht Schutzkleinspannung,

Schutztrennung oder Schutzisolierung angewendet wird, ist der ein-wandfreie Zustand des Schutzleiteranschlusses die wichtigste For-derung beim Einsatz derartiger Geräte, damit im Fehlerfall recht-zeitig selbsttätig eine Abschaltung des Gerätes erfolgen kann.

Schutz durch Abschaltung als Schutzmaßnahme bei indirektemBerühren ist je nach Netzform möglich mit:

� Überstrom-Schutzeinrichtungen

� Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen

� Fehlerspannungs-Schutzeinrichtungen (jedoch nur in Sonder-fällen)

„Technische“ Sachfehler, wie Schäden oder Fehler an elektrischenBetriebsmitteln und an elektrischen Anlagen, sind die überwiegen-de Ursache von Unfällen von Elektrolaien (siehe Tabelle 6); sie tre-ten bei den Beschäftigten nichtelektrotechnischer Berufe mit rund 47 % im Unfallgeschehen des Niederspannungsbereich hervor.

Vor der Benutzung eines elektrischen Betriebs-

mittels ist das Datum der Wiederholungsprüfung

zu kontrollieren

Page 49: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

4 Welche Ursachen führen zu Stromunfällen? 4.3 Die Arbeitssituation im Aufgabenbereich der Elektrolaien

49

Schäden an Steckvorrichtungen, an Anschluss- und Verlängerungs-leitungen und an Kupplungen sowie mangelhafter Schutz gegendirektes Berühren und bei indirektem Berühren an den Gerätenselbst sind in erster Linie für dieses Unfallgeschehen maßgebend(Tabellen 9a und 9b).

Tabelle 9a: Sachliche und organisatorische Unfallursachen*)

Elektrofachkräfte ElektrolaienAnzahl Anteil Leta- Anzahl Anteil Leta-

der der lität der der litätUnfälle Unfälle [%] Unfälle Unfälle [%]

[%] [%]Steckvorrichtung oder Leitungsisolation defekt 468 (0) 3,6 (0,0) 0,0 750 (4) 12,8 (8,7) 0,5Kupplung verkehrt zusammensteckbar 42 (1) 0,3 (0,0) 0,0 27 (1) 0,5 (2,2) 3,7Schutzleiterdefekte, -fehler 271 (2) 2,1 (2,6) 0,7 265 (0) 4,5 (0,0) 0,0Fehler oder mangelhafter Schutz gegen Berühren 439 (2) 3,4 (2,6) 0,5 438 (2) 7,5 (4,3) 0,5Fehler oder mangelhafter Schutz gegen zu hohe Berührungsspannung 116 (3) 0,9 (3,8) 2,6 116 (1) 2,0 (2,2) 0,9Aufsicht fehlte, beging Fehler 146 (2) 1,1 (2,6) 1,4 115 (2) 2,0 (4,3) 1,7Verschulden Dritter 486 (6) 3,8 (7,7) 1,2 275 (1) 4,7 (2,2) 0,4Ungenügende Ausbildung – und/oder Belehrung 71 (0) 0,5 (0,0) 0,0 73 (0) 1,2 (0,0) 0,0

Sachliche und organisatorischeUnfallursachen bei Nieder-spannungsunfällen

*) Die Unfallzahlen beziehen sich auf einen Zehnjahreszeitraum 1985–1994.Die Unterschiede bei der Gesamtzahl der Unfälle zwischen den einzelnen Tabellen ergebensich, weil die Erhebungsbögen teilweise unvollständig ausgefüllt werden.

Tabelle 9b: Schutzleiterdefekte/-fehler*)

Elektrolaien ElektrofachkräfteSchutzleiterdefekte, -fehler Anzahl der Letalität Anzahl der Letalität

Unfälle [%] Unfälle [%]Schutzleiter nicht angeschlossen bzw. unterbrochen 177 (0) 0 136 (2) 1,5Schutzleiter vertauscht 56 (0) 0 101 (0) 0Schutzleiter nicht vorhanden 32 (0) 0 34 (0) 0

Page 50: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass bei elektrischen Be-triebsmitteln je nach Art der Schutzklasse nicht nur eine regel-mäßige Prüfung der Geräte und Apparate und ihrer Anschluss-leitungen und Steckvorrichtungen für die Sicherheit dieserBetriebsmittel erforderlich ist; auch die Wirksamkeit der Schutz-maßnahmen bei den vorgeschalteten Verlängerungsleitungen, denKupplungen und den Verteilungen sind von entscheidender Bedeu-tung. Insbesondere dürfen auf Bau- und Montagestellen keineProvisorien Platz haben, die zu folgenschweren Unfällen führenkönnen.

Im Unfallgeschehen beim Umgang mit elektrischen Verbrauchsmit-teln traten bei einer früheren Auswertung insbesondere die Elek-trohandwerkzeuge als Unfallhäufigkeitsschwerpunkte hervor. Beifast 3⁄4 aller Unfälle mit Elektrohandwerkzeugen waren Schädenoder Fehler am Werkzeug einschließlich seiner Zuleitung die Un-fallursache; 1⁄4 der Unfälle trat ein, ohne dass das Elektrohand-werkzeug fehlerhaft war. Bei diesem Anteil lagen die Fehler u.a. inder Anlage, z.B.: Schutzleiterfehler und Isolationsfehler in Steck-dosen, Isolations- oder Schutzleiterfehler in Verlängerungsleitungen,oder es wurden mit dem Werkzeug unter Spannung stehende Lei-tungen angebohrt, angesägt oder angeschliffen.

35 % aller Schäden oder Fehler am Elektrohandwerkzeug warenDefekte an der Isolation der beweglichen Anschlussleitung inner-halb der freien Leitungslänge und an der Kabeleinführung, amKnickschutz oder der Zugentlastung.

Neben den Gerätefehlern sind etwa mit 11 % Fehler in der Anla-ge, insbesondere schadhafte Steckdosen, zu nennen.

Da die Gerätefehler und häufig auch die Anlagenfehler, z.B. de-fekte Steckdosen, von den Verunglückten auch bei geringem tech-

4 Welche Ursachen führen zu Stromunfällen? 4.3 Die Arbeitssituation im Aufgabenbereich der Elektrolaien

50

Page 51: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

nischen Verständnis bei einfa-cher Sichtprüfung hätten erkanntwerden können, liegen die Un-fallursachen auch in Unachtsam-keit und Leichtsinn der Verun-glückten. Den für die SicherheitVerantwortlichen sind Versäum-nisse anzulasten, da notwendigePrüfungen nicht durchgeführtwurden oder als zu wenig häu-fig bezeichnet werden mussten.

Als selbstverständlich resultiertaufgrund der Erkenntnisse aus dem Unfallgeschehen die Folgerung,dass in erster Linie die Prüfung der Elektrohandwerkzeuge zu ver-bessern ist. Für elektrische Betriebsmittel, die über Steckvorrichtun-gen angeschlossen werden, ist eine Prüfung nach BGV A3 in Ab-ständen von mindestens 6 Monaten gefordert. Ergänzend solltenSichtkontrollen möglichst vor jeder Inbetriebnahme durch den Be-dienenden selbst durchgeführt werden.

Die wichtigsten Aufgaben aller im Bereich der Elektrotechnik Täti-gen, ob Unternehmer, Vorgesetzte oder der elektrotechnischenFachkraft vor Ort, bestehen darin, sich

1. über den Einfluss des Stromes auf den menschlichen Körper unddie dadurch entstehende Gefährdung eindeutig Klarheit zu ver-schaffen (Kenntnis der Zeit - Stromstärke -Abhängigkeit, insbeson-dere für das Auftreten von Herzkammerflimmern),

2. bei der Arbeit an elektrischen Anlagen und Betriebsmitteln füreine zuverlässige Sicherung des Arbeitsplatzes zu sorgen (Beach-tung der Fünf Sicherheitsregeln),

4 Welche Ursachen führen zu Stromunfällen? 4.3 Die Arbeitssituation im Aufgabenbereich der Elektrolaien

51

In größeren Betrieben bedarf es einer „Logistik“,

um die Wiederholungsprüfungen zu organisieren

Page 52: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

3. bei der Verwendung elektri-scher Betriebsmittel vor undwährend der Arbeit die Funkti-onsfähigkeit der angewendetenSchutzmaßnahmen sicherzustel-len (Beachtung der Prüfvorschrif-ten für Geräte und Anlagen).

Eine verstärkte sicherheitstechni-sche Information und Unterwei-sung der an elektrischen Anla-gen und elektrischen Betriebs-mitteln tätigen Personen mussschließlich garantieren, dass vorBeginn der Arbeiten immer,auch unter allen denkbaren Be-triebsverhältnissen zunächst be-stimmte schematisch festgelegteSicherheitsmaßnahmen abge-wickelt werden.

Nur so kann auf die Dauer einweiteres Absinken der ver-gleichsweise immer noch schwe-ren und oft tödlichen Stromunfäl-le erreicht werden, ein Ziel, andem jedermann, unabhängigvon seinem Tätigkeitsbereich,zum eigenen Nutzen und zumNutzen der Allgemeinheit inter-essiert sein muss.

4 Welche Ursachen führen zu Stromunfällen? 4.3 Die Arbeitssituation im Aufgabenbereich der Elektrolaien

52

Mit geeigneten Prüfgeräten können auch elektro-

technisch unterwiesene Personen die Wieder-

holungsprüfung ausführen

Auch die Steckdosen sind bei der Wiederholungs-

prüfung Stichproben zu unterziehen

Page 53: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

53

5 ANHANG

Schutz gegen Gefahren des elektrischen StromesElektrische Energie wird bei fast allen handwerklichen und in-dustriellen Tätigkeiten benötigt. Auch der Elektrolaie hat daherhäufig Umgang mit elektrischen Betriebsmitteln und Anlagen.

� Schutz gegen die Gefahren des elektrischen Stromes ist unterallen Umständen erforderlich.

Wir haben daher auch für den elektrotechnischen Laien Sicher-heitsregeln zusammengestellt.

Die Sicherheitsregeln für den elektrotechnischen Laien1 Überzeugen Sie sich vor der Benutzung elektrischer Geräte oder

elektrischer Anlagen von ihrem einwandfreien Zustand.

2 Bedienen Sie nur die dafür bestimmten Schalter und Stellein-richtungen. Keine Einstellungen an Sicherheitseinrichtungen ver-ändern.

3 Grundsätzlich keine nassen elektrischen Geräte benutzen undkeine nassen elektrischen Anlagen bedienen, auch nicht, wennnur Ihre Hände oder Füße nass sind. (Die Ausnahmen sagt Ihnendie Elektrofachkraft.)

4 Bei Störungen sofort Spannung abschalten, Stecker ziehen. TunSie danach nur das, was Sie gefahrlos beherrschen.

5 Melden Sie Schäden oder ungewöhnliche Erscheinungen anelektrischen Geräten oder Anlagen sofort der Elektrofachkraft.

Gerät oder Anlage nicht weiter verwenden und der Benutzungdurch andere Personen entziehen, auf Gefahren hinweisen.

Page 54: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

5 AnhangSchutz gegen Gefahren des elektrischen Stromes

10

Die ergänzenden Regeln für besondere Situationen und Geräte6 Keine Reparaturen und „Bastelarbeiten“ – auch noch so ein-

facher Art – an elektrischen Geräten und Anlagen durchführen,wenn Sie über die damit verbundenen Gefahren und die si-chere Arbeitsweise keine ausreichenden Kenntnisse besitzen.

7 Informieren Sie sich vor der Benutzung von Elektrohandwerk-zeugen und anderen transportablen elektrischen Geräten überdie besonderen Sicherheitsmaßnahmen. Halten Sie dieseSicherheitsmaßnahmen strikt ein.

Dies gilt insbesondere beim Einsatz unter besonderen Um-gebungsverhältnissen, wie z.B. extremer Hitze, Kälte, beiNässe, chemischen Einflüssen oder auch in feuer- bzw. ex-plosionsgefährdeten Bereichen.

8 Schutzabdeckungen und Zugänge an elektrischen Betriebs-stätten oder Schaltanlagen nie öffnen. Achten Sie auf Kenn-zeichnungen oder Absperrungen, die Sie vor einer Berührungmit unter Spannung stehenden Leitungen oder Teilen warnenoder schützen sollen.

9 Arbeiten in gefährlicher Nähe elektrischer Anlagen nur nachAnweisung einer verantwortlichen Elektrofachkraft durch-führen.

Vor Beginn von Arbeiten in der Nähe von Freileitungen oderKabeln besondere Sicherheitsmaßnahmen treffen. InformierenSie sich über die Regelungen, die für solche Arbeiten vomBetreiber der Anlage zusammengestellt worden sind und rich-ten Sie sich danach. Sie erhalten vom nächsten Elektrizitäts-Versorgungsunternehmen alle nötigen Hinweise.

54

Page 55: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im
Page 56: Gefahren elektrischen Stromes - ms-visucom.de · Im Institut zur Erforschung elektrischer Unfälle werden seit über 30 Jahren gesonderte Fragebögen zu elektrischen Unfällen im

Bestell-Nr. MB 915 · 15 (170) · 4 · 2005 · 2Alle Rechte beim HerausgeberGedruckt auf umweltfreundlichem, chlorfreiem Papier