frauenrat saarland herbstveranstaltung entgeltgleichheit? gecheckt! saarbrücken, 16. november 2015...
TRANSCRIPT
Frauenrat Saarland Herbstveranstaltung
Entgeltgleichheit? Gecheckt!
Saarbrücken, 16. November 2015
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 2
Übersicht
(1) Entgeltgleichheit? Die Entgeltlücke und was sie aussagt Ursachen der Entgeltlücke Der Grundsatz der Entgeltgleichheit
(2) Gecheckt! Das Prüfinstrumentarium eg-check.de Erfahrungen mit seiner Anwendung
(3) Was muss geschehen, um Entgeltgleichheit zu erreichen?
Die Entgeltlücke und was sie aussagt
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 3
Slovenia
MaltaPola
ndIta
ly
Croatia
Luxe
mbourg
Romania
Belgium
Portugal
Lithuania
Bulgaria
Ireland
(2012)
Latvia
Greece (2
010)
France
Sweden
Cyprus
Netherla
nds
Denmark
EU-28
Hungary
FinlandSpa
in UK
Slovakia
Germany
Czech
RepublicAus
tria
Estonia
0
5
10
15
20
25
30
35
Gender Pay Gap in Europa, 2013
European Commission: Report on equality between women and men 2014, Brussels 2015, p. 54
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 4
Steigt die Entgeltgleichheit, wenn die Entgeltlücke kleiner wird?
Ja Nein
Gibt die Entgeltlücke die Höhe der Entgeltdiskriminie-rung an?
Ja Nein
Nein! Denn die Zahlen sagen nur etwas über den Unterschied beim Entgelt aus. Ob der Unterschied auf Diskriminierung beruht oder nicht, kann aus den Zahlen allein nicht geschlossen werden.
Nein! Denn die Lücke wird auch dann kleiner, wenn viele unterdurchschnittlich verdienende Frauen aus dem Erwerbsleben ausscheiden (z.B. wegen Ar-beitslosigkeit) oder wenn viele unterdurchschnittlich verdienende Männer einen Arbeitsplatz finden.
Die Entgeltlücke und was sie aussagt
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 5
Was ist die „bereinigte“ Entgeltlücke?Es wird statistisch der Einfluss von verschiedenen Faktoren ermittelt, die die Entgeltlücke erklären sollen, wie z.B. o Ausbildungsabschlusso Vollzeit/Teilzeito Branchen und Berufsgruppeno Betriebszugehörigkeit ....Die so „bereinigte“ Entgeltlücke betrug in 2010 nur noch 8% (Destatis) bzw. 2% (Institut der deutschen Wirtschaft).
Liegt Entgeltgleichheit vor, wenn die Entgeltlücke 0 ist?
Ja Nein Nein! Denn auch dann könnte eine Unterbewertung frauendominierter Berufe vorliegen.
Die Entgeltlücke und was sie aussagt
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 6
Entgeltlücke
Nicht diskriminie-
rende, sachlich
gerechtfer-tigte
Ursachen
Entgelt-diskriminierung
im engeren Sinn
Diskriminierung bei der
Beschäftigung
Zugang zu Ausbildungs- und Arbeitsplätzen
Zugang zu betrieblicher Weiterbildung Zugang zu höher bezahlten
(Führungs-) Positionen Einschränkungen und
Unterbrechungen des Erwerbslebens Arbeitsmarktsegmentation und
Unterbewertung weiblicher Arbeit
Verrichtung ungleicher oder ungleichwertiger Arbeit
Verletzung des Entgeltgleichheitsgrundsatzes: Gleiches Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit
Die Entgeltlücke und ihre Ursachen
Das Prinzip der Entgeltgleichheit
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 7
Leiterin EDV = Leiter EDV
Elektroingenieurin = Elektroingenieur
Lagerarbeiterin = Lagerarbeiter
Krankenpflegerin = Krankenpfleger
Gleiches Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit
Erzieherin ? Bautechniker
Krankenpflegerin ? Masch.schlosser
Bibliothekarin ? Elektroingenieur
Sekretärin ? Hausmeister
© M
apo
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 8
Gleiches Entgelt für gleiche Arbeit?
Gleiches Entgelt für gleiche Arbeit?
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 9
Beruf Monatsbrutto Männer
Monatsbrutto Frauen
Differenz
Chemiker/in 5.237 4.291 -18%
Maschinenbautechniker/in 3.987 3.573 -10%
Bankkauffrau/mann 4.055 3.290 -19%
Erzieher/in 2.667 2.509 -6%
Verkäufer/in (Einzelhandel) 2.120 1.913 -10%
Bautechniker/in 3.223 2.620 -19%
Marketingfachkraft 3.646 3.420 -6%
Fachinformatiker/in 2.901 2.719 -6%
Quelle: Frauenlohnspiegel des WSI, Stand der Daten 2014/2015, Download 18.3.2015
© M
apo
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 10
Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit?
© M
apo
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 11
Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit?
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 12
Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit?
Warum eigentlich verdienen zum Beispiel
Elektroingenieur/innen 73.863 €/Jahr, Heimleiter/innen,
Sozialpädagog/innen 38.834 €/Jahr?
Krankenpfleger/innen 37.245 €/Jahr, Maschinenbauschlosser/innen 41.539 €/Jahr?
(Verdienststrukturerhebung 2010)
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 13
Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit?
Warum eigentlich ist zum Beispiel ein Hausmeister ohne Ausbildung in EG 4, eine Bürokraft ohne Ausbildung in EG 3? (TVöD Bund)
ein Kfz-Handwerker in EG 9 (2.484 €) eine Hebamme in KR 7a? (2.410 €, TV-
L)(als Vorsteherin des Kreißsaals)
die Wartezeit auf eine Höherstufung in Stufe 5 oder 6 für Beschäftigte in S 8b (z.B. Erzieher/innen mit besonders schwierigen Tätigkeiten) 6 statt 4 Jahre bzw. 8 statt 5 Jahre? (TVöD, Eingruppierung im Sozial- und Erziehungsdienst nach Schlichtung 2015)
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 14
Quelle: Projekt LohnSpiegel.de: Was verdienen Erzieherinnen und Erzieher? Arbeitspapier 26, Juli 2014, S. 6
Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit? Durchschnittsverdienst
in Deutschland 2014 nach Destatis: 3.527 €
© M
apo
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 15
Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit?
© M
apo
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 16
Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit?
© M
apo
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 17
Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit?
© M
apo
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 18
Gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit?
eg-check.de … wurde in 2010 von K. Tondorf und A. Jochmann-Döll mit
Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung entwickelt. Seit 2014 gibt es eine weiterentwickelte Version.
… ist ein „Werkzeugkasten“ mit verschiedenen Prüfinstrumenten, die einzeln oder kombiniert eingesetzt werden können.
… wird nicht zentral koordiniert, gesteuert oder finanziert. … steht allen Interessierten zum kostenlosen Download im
Internet zur Verfügung: www.eg-check.de.
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 19
Das Prüfkonzept:1. Die Prüfung knüpft am geltenden Recht an.
2. Die Prüfung setzt an der Arbeit (Tätigkeit, Stelle) an.
3. Jeder Entgeltbestandteil wird für sich geprüft.
4. Die Prüfung bezieht sich auf Entgeltpraxis und -regelungen.
5. Die Prüfung bezieht sich ausschließlich auf Entgeltdiskriminierung.
6. Die Prüfung setzt nicht an der (betrieblichen) Entgeltlücke an.
www.eg-check.de 21
Entgeltgleichheit prüfen mit
eg-check.de ist ein „Werkzeugkasten“ mit verschiedenen Prüfinstrumenten, die einzeln oder in Kombination nutzbar sind.Entgeltbestandteile Statistiken Regelungs-
ChecksPaarvergleiche
Anforderungsbezogenes Grundentgelt
Statistik Grundentgelt
Regelungs-Check Grundentgelt
Paarvergleich GrundentgeltPaarvergleich Gleichwertigkeit
Stufensteigerungen beim Grundentgelt
Statistik Stufensteigerung
Regelungs-Check Stufensteigerung
Paarvergleich Stufensteigerung
Leistungsvergütung Statistik Leistungsvergütung
Regelungs-Check Leistungsvergütung
Paarvergleich Leistungsvergütung
Überstundenvergütung Statistik Überstd.vergütung
Regelungs-Check Überstd.vergütung
Paarvergleich Überstundenvergütung
Erschwerniszuschläge Statistik Erschwerniszuschl.
Regelungs-Check Erschwerniszuschl.
Paarvergleich Erschwerniszuschläge
www.eg-check.de 22
Entgeltgleichheit prüfen mit
Beispiel: Regelungs-Check zur Leistungsvergütung (Auszug)
Fragen Erläuterungen
2. Werden bestimmte Beschäftigtengruppen aus der Regelung ausgeschlossen? Ja Nein
Es würde gegen den Grundsatz der Entgeltgleichheit verstoßen, wenn Beschäftigtengruppen überwiegend eines Geschlechts ausgeschlossen würden.
Innerhalb des Unternehmens „findet die leistungsorientierte Vergütung keine Anwendung für folgende Mitarbeitergruppen …- Reinigungspersonal.“ (BV Finanzdienstleistungen)
www.eg-check.de 23
Entgeltgleichheit prüfen mit
Beispiel: Regelungs-Check zur Leistungsvergütung (Auszug)
Fragen Erläuterungen
9. Gibt es unter den Kriterien solche, die von Beschäftigten mit Familienpflichten schlechter erfüllt werden können bzw. Kriterien, die derart ausgelegt werden können? (z.B. Flexibilität, Fortbildung) Ja Nein
Die ausgewählten Leistungskriterien müssen geschlechtsneutral sein. „Flexibilität“ kann bei entsprechender Definition Frauen benachteiligen, die aufgrund von Familienpflichten ihre Arbeit weniger leicht flexibel gestalten können als Männer (EuGH „Danfoss“).
„Leistungszulagen können insbesondere gewährt werden an Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter, die … bei der Ableistung der Arbeitszeit Mobilität und Flexibilität zeigen …“(DV Öffentlicher Dienst)
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 24
Rechtliche Anforderungen an Arbeitsbewertung: Das Entgeltsystem muss transparent, nachvollziehbar und überprüfbar sein. (EuGH
Danfoss vom 17.10.1989 sowie Barber vom 17.5.1990)
Die Tätigkeiten von Frauen und Männern müssen nach denselben Kriterien bewertet werden. (Art. 4 Satz 2 der RL 2006/54/EG)
Die Kriterien für die Bewertung der Tätigkeiten müssen die wesentlichen Anforderungen des Arbeitsplatzes, das „Wesen“ der Arbeit abbilden. (EuGH Rummler vom 1.7.1986)
Gleichwertigkeit muss unter Anwendung von Kriterien wie Art der Arbeit, Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen festgestellt werden. (EuGH Royal Copenhagen vom 31.5.1995, EuGH Brunnhofer vom 26.6.2006 und Angestelltenbetriebsrat der Wiener Gebietskrankenkasse vom 11.5.1999)
Die Kriterien müssen diskriminierungsfrei definiert, angewendet und gewichtet werden. (EuGH Danfoss vom 17.10.1989, Nimz vom 7.2.1991 und Cadman vom 3.10.2006)
Entgeltgleichheit prüfen mit
www.eg-check.de 25
Der Paarvergleich zur Feststellung der Gleichwertigkeit von Tätigkeiten …o ist ein Excel-Fragebogen, mit dem zwei Vergleichstätigkeiten
im Hinblick auf ihre Anforderungen bewertet werden.o basiert auf geschlechtsneutralen, diskriminierungsfreien
Arbeitsbewertungsverfahren, wie z.B.o Analytische Bewertung von Arbeitstätigkeiten nach Katz und
Baitsch (ABAKABA)o Verfahren der britischen National Joint Councils (NJC)o dem schwedischen Verfahren von Harriman und Colm (HAC)o Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)
Entgeltgleichheit prüfen mit
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 26
Die Instrumente von eg-check.de
Anforderungen an das Wissen und
Können• Fachkenntnisse und
Fertigkeiten• Fachbezogene
Zusatzqualifikationen• Fachübergreifende
Kenntnisse und Fertigkeiten
• Vorausgesetzte fachliche Erfahrung in der Praxis
• Planen und Organisieren• Bewältigung von
Arbeitsunterbrechungen• Ununterbrochene
Aufmerksamkeit und Konzentration
Anforderungen an psycho-soziale Kompetenzen
• Kommunikationsfähigkeit• Kooperationsfähigkeit• Einfühlungs- und
Überzeugungsvermögen• Belastende psycho-
soziale Bedingungen
Anforderungen an Verantwortung
• Verantwortung für Geld und Sachwerte
• Verantwortung für die physische und psychische Gesundheit und die Datensicherheit
• Verantwortung für die Arbeit anderer und für Führung
• Verantwortung für die Umwelt
Physische Anforderungen
• Anforderungen an die Körperkraft
• Anforderungen an die Körperhaltung, Bewegungsabläufe und Sinnesorgane
• Belastende arbeitszeitliche Bedingungen
• Beeinträchtigende Umgebungsbedingungen
Berücksichtigte Anforderungsarten im Paarvergleich:
27
Jedes Kriterium ist definiert,
operationalisiert
und nach Intensität abgestuft
Die zutreffende Stufe ist als Arbeitswerteinzutragen(rechte Spalten)
Summe der Stufenpunkte = Gesamtwert
www.eg-check.de
Die Instrumente von
28
Beispiel 1: Paarvergleich zur Feststellung der Gleichwertigkeit von Tätigkeiten (Ergebnisblatt)
Anforderungen/Belastungen Altenpflegefachkraft Handwerker
1. … an Wissen und Können 9 9
2. … an psycho-soziale Kompetenzen 9 4
3. … an Verantwortung 3 3
4. Physische Anforderungen 7 2
Summe der Punktwerte, ungewichtet 28 18
Quelle: vertrauliche Daten aus einem Prüfprojekt Beide EG 7
Die Instrumente von eg-check.de
29
Beispiel 2: Paarvergleich zur Feststellung der Gleichwertigkeit von Tätigkeiten (Ergebnisblatt)
Die Instrumente von eg-check.de
Anforderungen/BelastungenMeisterin im
Gebäudereinigungs-handwerk
Meister für Veranstaltungs-
technik1. … an Wissen und Können 11 7
2. … an psycho-soziale Kompetenzen 6 6
3. … an Verantwortung 7 5
4. Physische Anforderungen 5 8
Summe der Punktwerte, ungewichtet 29 26
Quelle: Gleichstellungsbeauftragte Hessen, s. Newsletter zur Entgeltgleichheit 2/2010
EG 4 : EG 8
www.eg-check.de 30
Bisherige Erfahrungen
Allgemein Wer will, kann prüfen. Keine zentrale Steuerung. (Inhouse-) Seminare und/oder Projektbegleitung empfehlenswert.
Bisherige Anwendungen von eg-check.de in Prüfprojekten Mehrere von Expertinnen durchgeführte Prüfprojekte in
öffentlichen und privaten Unternehmen, teils gefördert von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), zurzeit: Uni, Berlin
Zertifizierung erster Unternehmen (8) seitens der ADS Prüfungen von Tarifverträgen oder Tarifvertragskonzepten durch
Gewerkschaften, Tarifparteien Prüfungen betrieblicher Vereinbarungen durch Betriebsrat,
Personalrat bzw. Gleichstellungsbeauftragte, Arbeitgeber
www.eg-check.de 31
Bisherige Erfahrungen
Weitere Aktivitäten Schulungen von Betriebs- und Personalräten,
Gleichstellungsbeauftragten und anderen Akteuren/Akteurinnen
Analyse von knapp 300 betrieblichen Vereinbarungen zum Entgelt aus dem Archiv Betriebliche Vereinbarungen der HBS
Information, Sensibilisierung und Handlungsimpulse einzelner Beschäftigter
Entwicklung von Vergütungssystemen für (AT-)Beschäftigte
Einwand Nr. 1
„Tarifverträge sind diskriminierungsfrei, weil hier das Entgelt nach sachlichen Kriterien bestimmt wird und nicht nach Geschlecht.“
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 32
Der Tarifirrtum! Wenn „dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien
oder Verfahren Personen wegen des Geschlechts benachteiligen“ (§ 3 Abs. 2 AGG), dann liegt mittelbare Diskriminierung vor. Diese Form der Diskriminierung ist noch nicht allen und überall bekannt.
Mittelbare Diskriminierung ist meist schwer erkennbar. Alle Regelungen sind hinsichtlich ihrer Wirkung auf Frauen und Männer zu prüfen.
Einwand Nr. 2
„Ein Arbeitgeber muss sich an Tarifbestimmungen halten. Wenn sie benachteiligen, kann er nichts tun.“
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 33
Der Zuständigkeitsirrtum! Ein einzelner Arbeitgeber kann die Tarifregelung nicht
ändern, er trägt jedoch die Verantwortung und das finanzielle Risiko, wenn er eine diskriminierende Regelung anwendet. Diese ist nach §7 Abs. 2 AGG unwirksam.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Entgeltgleichheit herzustellen, „ohne die Beseitigung dieser Bestimmung durch Tarifverhandlungen oder ein anderes Verfahren verlangen oder abwarten zu müssen.“ EuGH vom 15.1.1998 Rs. C-15/96 „Schöning-Kougebetopoulou“, Leitsatz 2; s. auch Nimz vom 7.2.1991
Einwand Nr. 3
„Der Betrieb muss Kosten sparen. Deshalb können wir die diskriminierenden Entgelte nicht anpassen.“
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 34
Der Sparsamkeitsirrtum!
Haushaltserwägungen und „zusätzliche Kosten“ sind nicht als Rechtfertigung anerkannt (EuGH vom 24.2.1994 Roks u.a.; vom 6.4.2000 Jørgensen; vom 20.3.2003 Kutz-Bauer).
Haushaltsengpässe und Kostensparprogramme müssen sich geschlechtsneutral auswirken.
Einwand Nr. 4
„Wir müssen marktübliche Entgelte zahlen. Sonst bekommen wir kein qualifiziertes Personal.“
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 35
Die Marktmacht? Knappheit am Arbeitsmarkt bzw. Personalmangel kann
prinzipiell ein Rechtfertigungsargument sein (EuGH vom 27.10.1993 Enderby). Aber: o Grundsatz der Verhältnismäßigkeito nur für die Dauer des Mangelso keine bloßen Behauptungen, Nachweis erforderlicho Bezahlung der bereits Beschäftigten?
Was muss geschehen, um Entgeltgleichheit zu erreichen?
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 36
Entgelt-gleich-
heit
Gesell-schaftlich-politische
Ebene
Tarifliche Ebene
Betrieb-liche
Ebene
Individu-elle
Ebene
Was muss geschehen, um Entgeltgleichheit zu erreichen?
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 37
Auf der gesellschaftlich-politischen Ebene Direkt auf Entgeltgleichheit bezogen:
Verbindliche Vorgaben für sinnvolle Prüfungen der Entgeltgleichheit
Entgeltgleichheitsgesetz mit Vorgaben zur Prüfung und Anpassung sowie verbesserten Klagemöglichkeiten
Kampagnen, Informationen, Öffentlichkeit (z.B. Equal Pay Day) Indirekt auf die Entgeltlücke wirkend:
Mindestlohn und Abbau prekärer Beschäftigung Abschaffung des Ehegatten-Splitting bei der Einkommensteuer Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft Frauen in „Männerberufe“ und Männer in „Frauenberufe“
Was muss geschehen, um Entgeltgleichheit zu erreichen?
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 38
Auf der tariflichen Ebene: Überprüfung bestehender Eingruppierungs- und anderer
Entgeltregelungen auf Diskriminierungsfreiheit Vereinbarung diskriminierungsfreier Entgeltregelungen
Instrumentarium hierzu: eg-check.de
Auf der betrieblichen Ebene: Sensibilisieren und informieren Transparenz schaffen Durchführung von einzelnen Prüfungen oder
umfassenden Projekten: siehe Kampagne der IG Metall Instrumentarium hierzu: u.a. eg-check.de
Was muss geschehen, um Entgeltgleichheit zu erreichen?
Dr. Andrea Jochmann-Döll, GEFA Forschung + Beratung, Essen 39
Und auf der persönlichen Ebene: Schluss mit der falschen Bescheidenheit! Gute Arbeit verdient gutes Geld! Augen auf! Transparenz beim Entgelt! Mut zu Verhandlungen! Und zur Durchsetzung des Rechts! Wir sollten zwar möglichst oft mit Lust und Liebe arbeiten,
aber nicht aus Lust und Liebe!
Herzlichen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit!