feuil - ze do rock

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Berliner Zeitung·Nummer 34·Mittwoch, 10. Februar 2016 Seite 21 * · · ······················································································································································································································································································· F e uilleton DENKMAL D ie Friedrichswerdersche Kirche hat also weitere Risse bekom- men. Wahrscheinlich deswegen, weil direkt daneben sehr tief für die Autos gegraben wurde, und sehr hoch für Luxuswohnungen, Luxus- büros, Luxusläden und Luxussonst- was gebaut wird.Vorwarnungen gab es reichlich. Trotzdem überrascht uns das Desaster so ganz und gar nicht.Weil wir an der Museumsinsel studieren mussten, wie die Staatli- chen Museen, wissend, dass der Un- tergrund eher einem Schwamm als wenigstens weicher Erde gleicht, trotzdem vom Bundestag für den Empfangsbau das Geld bekamen und inzwischen mehr als 140 Millio- nen Euro ausgeben. Schamlos, aber die Berliner Öffentlichkeit applau- diert, weil es doch so viele klassische Pfeiler geben wird. Weil wir bei der Debatte um die Altstadt oder das „Schloss“ sehen mussten, dass Fas- saden in dieser Stadt immer wichti- ger sind als Funktionen. Weil sich beim Radikal-Umbau der Staatsoper zeigte, dass Berliner Planer offenbar Untergrundkarten als unauffindbare Archivalien be- trachten. Weil die Berliner fast uni- sono dem Abriss der denkmalwür- digen Magazingebäude der Staats- oper applaudierten, damit das Ed- ward-Said-Zentrums von Daniel Barenboim kommt. So berühmte Namen aber auch. Und Frank Gehry als Architekt. Da sollte man nicht zwei Mal nachdenken ... Immer und immer wieder war- nen die Fachbeamten in den Ver- waltungen, mahnen zur Zurückhal- tung. Auch bei der Friedrichswer- derschen Kirche zeigten die Zeich- nungen, dass die Häuser viel zu groß und viel zu nahe an die Kirche gestellt werden sollten. Aber der Se- nat schwärmte vom „neuen Berliner Bürgertum“, das hier siedeln werde. Außerdem hat der Bund die Grund- stücke sauteuer verkauft. Und man kann den Eigentümern die Super- Rendite doch nicht verwehren. Wird schon gut gehen. Bevor jetzt wutbürgerliche Le- sermailschreiber ihre Tastatur auf- schlagen: Unsere Beamten und auch die meisten Politiker sind meistens ziemlich kompetent. Sie wissen, was sie tun, sie tun es mit Blick auf die Wähler, also auf uns! Bevor also in dieser Stadt Denkmal- pfleger und Fachbeamte nicht mehr populistisch als unfähige Bremser bezeichnet werden, muss wohl ein echtes Desaster passieren. In Köln brauchte es schließlich auch die Ka- tastrophe des Stadtarchiv-Einstur- zes, bis sich die breitere Bevölke- rung bewusst wurde: Das gehört nicht irgendwem, sondern uns. Wir sollten vielleicht anfangen, auf den Einsturz der Friedrichswer- derschen Kirche zu hoffen. Bauen bis zum letzten Riss Nikolaus Bernau staunt wenig über das Drama der Friedrichs- werderschen Kirche. NACHRICHTEN Deutscher Buchpreis 2016: Sabine Vogel ist Jurymitglied Die Jury für den Deutschen Buch- preis 2016 steht fest. Das Experten- team, das den besten Roman des Jahres im deutschsprachigen Raum bestimmt, berät diesmal mit Beteili- gung der Berliner Zeitung. Insge- samt gehören der Jury sechs Kritiker und eine Buchhändlerin an. Beru- fen wurden: Thomas Andre (Ham- burger Abend- blatt), Lena Bopp (Frankfur- ter Allgemeine Zeitung), Bert- hold Franke (Goethe-Insti- tut Prag), Su- sanne Jäggi (Lib- rium Bücher, Baden/ Schweiz), Chris- toph Schröder (freier Kritiker, Frankfurt/Main), Na- jem Wali (Autor und Kritiker, Berlin) und eben Sabine Vogel, Literaturre- dakteurin der Berliner Zeitung. Ver- lage können bis Ende März jeweils zwei aktuelle Titel einreichen. Der Preis wird am 17. Oktober, kurz vor der Frankfurter Buchmesse verlie- hen. Der seit 2005 verliehene Deut- sche Buchpreis gilt als wichtigste Auszeichnung der Branche. 2015 wurde Frank Witzel für seinen Ro- man „Die Erfindung der Roten Ar- mee Fraktion durch einen manisch- depressiven Teenager im Sommer 1969“ prämiert. Die elfköpfige Aka- demie Deutscher Buchpreis, der Vertreter der Buch- und Medien- branche angehören, stellt die Jury jedes Jahr neu zusammen. (BLZ) Babelsberg-Chef: EU-Länder sind starke Konkurrenz Das Studio Babelsberg sieht die deutsche Filmindustrie in harter Konkurrenz zu anderen europäi- schen Ländern. Zwar habe die Poli- tik in Deutschland positive Signale gesetzt, sagte der Vorstandsvorsit- zende Carl L. Woebcken am Diens- tag in Potsdam, doch die Förderung der Franzosen und der Italiener sei großzügiger. „Daran erkennt man, dass wir uns in einem – man kann fast sagen – Wirtschaftskrieg befin- den in unserem Sektor, der nur durch die öffentliche Hand gesteu- ert und verhindert werden kann.“ Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) erinnerte je- doch daran, dass Babelsberg seit 2002 46 Oscar-Nominierungen und 14 Oscar-Gewinne vorweisen kann. Die finanziellen Rahmenbedingun- gen für die Branche seien gut. (dpa) Londoner Auktionshaus: Initiative für Künstlerinnen Gegen die Ungleichbehandlung von männlichen und weiblichen Künst- lern auf dem Kunstmarkt will das Londoner Auktionshaus Bonhams jetzt vorgehen. Es entschied, bei ei- ner Auktion am Donnerstag erst- mals fünf Werke von Frauen geson- dert aufzulisten. So sollen eine Dis- kussion angestoßen und Verände- rungen bewirkt werden. (dpa) BLZ/FRÖHLING Sabine Vogel, Literaturredakteurin PEGIDA-LEXIKON Von Taliban bis Zwetschge U N T E R M s t r i c h V ON Z É DO ROCK I n ultradeutsh-U wird das grekian Y zu I (psikologie), das J als sehr kurzes I wird zu Y (yedes yahr), das J is nur noch für die fransiano (weike SCH) und den englische J-laut (DSCH): Das jenie fand a jobb als jurnalist. Das I im wortende steh für neutrale menschis und tieris. Aussa- dem sagt ma nimmehr ’Ich bin am bahnhof’ oder ’Ich war auf der post’, sondan ’Ich bin im bahnhof’ - end- form ’I bin in die banhof’ - oder ’Ich war in die post’. ’Auf die post’ is ma nur, wenn ma zu beispiel im erste stock is und die post im parterre. Präpositione wie ’auf’, ’an’, ’bei’ werde nur verwendet wenn dat ganz konkret stimmt, sons verwende man ’in’. In die freitage schreib ich immer in deutsch. Und wie gesagt, die detais finde man in die seite www.zedorock.net/ultrauwiz.html. Halo pegidis, brav dat ir durgehal- ten und allu lese hab! Heut is schluss mit kurs. Hoffelich hat es euch gut gefalle! Und attu: keine zwetschgen mehr esse, die sind auslandis vo die schlimmste sorte! Taliban - Im film „Rambo III“ kämpf Silvester Stallone seite an seite mit afghanische freiheitkämpfis - gegen die sovietis naturalich. Dat ware ganz nette kerlos, die afghanische rebellos. Ronald Reagan saget noch vo denen, als er die 1985 traf: „These gentlemen are the moral equiva- lents of America’s grounding fa- thers“ - diese herrschafte sind die moralische ent- sprechug zu Amerika Gründ- ugpapos. Heute aba sind die vo freiheitkämpfis zu teroris ge- worde, ganz böse leut - de kämpfe ya gegen uns! Oda bessa ge- sagt, wir kämpfe gegen die - um gegen die taliban zu kämpfe, muss ma zu Afghanistan fahre, die sind ziemlich häuslich und komme nicht zu uns. Weisekind - dat heiss in arabisch ’Kemam, Kebab’.Tja, ich habe scho die ganzen artikel geschriebe, ich muss nok a par zeile schreibe, damit die minimal-länge erreicht wird, a kreuz is dat, ich muss nok a bissi die wurst fülle, und ich habe keine ara- biwize mehr. Ah, nu hab ich die länge. Tschüss. Zivilisation - wat ma nach groszen anschlägen auch bei viele leuti hör, die nicht bei Pe- gida sind, is die saz, dat gerade „unsere zivilisa- tion angegriffet wird, unse lebu- stil, das geniszu vo die leb!“ Und bei diesem ’unsere zivilisation’ kling es nicht so, als würde ma die islami- sche welt dazu zähle. Die leuti ver- gesse dauali, dat die europis das schreiben, die bau vo tempele, pa- lässe und übahaup die zivilisation von egipters und phönizies lernet. Vor lange zeit gab es scho hohe kultur in Nahost, als die leut in Eu- ropa sich noch tarzangleik vo liane zu liane, vo baum zu baum schwin- get. Die zivilisation hat ein olum (al- ter) vo 5 000 bis 6 000 yahre, und so is es auch mit die statt Damaskus. In über 8/10 vo diese zeit war Damas- kus vermutlik a wittlika metropole als Paris. Ers in die lezte yahrhun- date holet Paris auf. Und so komm es zu diese disparität: wenn 100 leut in Ankara oda Beirut von islamis ge- tötet werde, gib es einen artikel in die zeitug und die käse is gegesset, während wenn dat in Paris passier, ganze zeitughefte davo voll sind. Is ya klar, Paris is näha, da steh der Eif- felturm, und die leuti sind kristis, de gehöre zu die gutis. Wat möchat die westi? Gut geld verdiene, isi jobb, schönes auto, schöne frau, vieleicht auk a heisse geliebta, vieleicht auch gesunde kindis. Und spass, naturalich. Ya, glaubt ma, dat dat in Istanbul oda Beirut ganz andas is? Glaubt ma, die muslimar welt ha keine bars, restau- rants, einkaufuzentrus, püff, und de leuti size die ganze tag auf ihre ka- melis mit ihre sauren airan und üba- lege sich, wie de den Eiffelturm zu fallu bringe kannat? Zwetschge - In Bairen mö die CSU die flüttigwelle vo Siria nicht, dabei sind die bairis dok imma stolz auf ihre zwetschgendatschis. Die zwetschge, sons flaume in Deutsch- land genannt, entwickelet wie- derum ihre name vo de lateinische ’davascena’, dat wiederum vom gre- kiano ’damaskenon’ kam, und dat heiss eben die frutt vo Damaskus. Aussadem sind die bairis stolz, dat de ’semmel’ statt ’brötchen’ oda ’schrippe’ oda ’weckle’ sage. Dabei kommt das wort ’semmel’ vo die la- teinische ’simila’, und dat wiederum vom arabiano ’samid’, das wort für ’feine mehl’. Die bairis habe sozusa- gen ihre identität durch das arabi- ano gefinde. So pflegt man seine Mitarbeiter „Hail, Caesar!“ eröffnet morgen die Berlinale – mit vielen Bekannten aus dem filmischen Album der Coens V ON P ATRICK HEIDMANN W enn die Coen-Brüder mor- gen mit „Hail, Caesar!“ die 66. Berlinale eröffnen, ist in gewis- ser Weise mit allem zu rechnen. Denn Ethan und Joel Coen gehö- ren seit vielen Jahren nicht nur zu den Großmeistern des amerikani- schen Kinos, auf deren Filme man selbst in Cannes scharf ist – wes- wegen Dieter Kosslick besonders stolz sein dürfte auf seinen dies- jährigen Eröffnungs-Coup. Die Coens sind auch unberechenbarer als fast alle ihrer Zeitgenossen. Wo Regie-Kollegen wie Martin Scor- sese oder Wes Anderson ihre je- weils unverwechselbare cineasti- sche Handschrift thematisch und visuell pflegen, stehen in der Film- ografie der Coens blutige Gangs- tergeschichten („Miller’s Cros- sing“) ganz selbstverständlich ne- ben aufgekratzten Komödien („In- tolerable Cruelty“), und auf einen knochentrockene Western („True Grit“) folgt bei ihnen schon mal eine melancholische Künstlerstu- die („Inside Llewyn Davis“). Bei aller Vielseitigkeit lässt sich allerdings auch im Werk der Brü- der ein Anflug von Beständigkeit ausmachen – und das sogar jen- seits des Humors, ohne den noch keiner ihrer Filme ausgekommen ist. Wenn schon keinem Stil oder Genre so sind die Coens doch zu- mindest ihren Lieblingsschau- spielern leidenschaftlich treu. Ihr neuer Film „Hail, Caesar!“, der am 18.2. regulär in den deutschen Ki- nos startet und einen Blick hinter die Hollywood-Kulissen der 1950er-Jahre wirft, ist dafür wieder ein hervorragendes Beispiel. Die Frau vor der Kamera Für Frances McDormand etwa ist dieser Film die bereits siebte Zu- sammenarbeit mit den Coens, womit sie am sechsfachen Mit- streiter Steve Buscemi vorbei- zieht, der allerdings anders als sie auch nicht mit Joel, dem älteren der Brüder, verheiratet ist. Regel- mäßiger als irgendwer sonst stand die Schauspielerin in allen Karriere-Phasen der beiden Män- ner vor deren Kamera. McDor- mand war in den ungestümen, vom Genre-Kino inspirierten An- fangstagen mit „Blood Simple“ (1984), „Raising Arizona“ (1987) und „Miller’s Crossing“ (1990) ebenso dabei wie beim Aufstieg in die Kult- und Coolness-Höhen, zu dem sie mit ihrer Oscar-prämier- ten Rolle als schwangerer, winter- bemützter Polizistin in „Fargo“ (1996) kaum weniger beitrug als Jeff Bridges und sein Bademantel in „The Big Lebowski“ (1998). Mit ihrem Auftritt in der leich- ten Ensemble-Komödie „Burn Af- ter Reading“ (2008), dem ersten Film nach dem großen Oscar-Ab- räumer „No Country For Old Men“ (2007), fand sich für McDormand auch ein Platz in jenem immer noch anhaltenden Stadium defini- tiver Meisterschaft, in dem jeder neue Coen-Film automatisch zum cineastische Großereignis ausge- rufen wird. Doch auch andere Wegbeglei- ter aus der erweiterten künstleri- schen Familie der Brüder sind in „Hail, Caesar!“ wieder mit von der Partie. George Clooney, der hier den entführten Hollywood-Star Baird Whitlock verkörpert, gelang im Coen-Film „O Brother, Where Art Thou?“ vor 16 Jahren endgültig der Sprung vom Blockbuster-Hel- den zum Charakterdarsteller. Josh Brolin ist als Problemlöser Eddie Mannix die eigentliche Hauptfigur in „Hail, Caesar!“ – dabei war ihm mit „No Country For Old Men“ überhaupt erst der Durchbruch gelungen, während Scarlett Jo- hansson, die in „Hail, Caesar!“ auf dem Spuren des Hollywood- Schwimm-Stars Esther Williams wandelt, bereits im schwarz-wei- ßen Neo-Noir-Drama „The Man Who Wasn’t There“ (2001) die ju- gendliche Verführerin gab. Auch Tilda Swinton stand schon zum zweiten Mal vor der Kamera der Coens – was übrigens nichts ist im Vergleich zu den Wegbeglei- tern dahinter: Die Tontechniker Skip Lievsay und Peter F. Kurland gehörten bei jedem einzelnen der 17 Coen-Spielfilme zum Team; der Komponist Carter Bur- well, die Kostümdesignerin Mary Zophres und der Kameramann Roger Deakins waren auch fast jedes Mal dabei. Nicht mit von der Partie Dennoch fehlen in „Hail, Caesar!“ auch ein paar Schlüssel-Schau- spieler des Coenschen Werkes: John Goodman ist dieses Mal nicht mit von der Partie, mit John Tur- turro haben sie seit 2000 nicht mehr gedreht, und Jeff „The Dude“ Bridges wartet weiter auf seine dritte Rolle nach „The Big Lebow- ski“ und „True Grit“ (2010). Dafür gibt es nun ein paar Neuzugänge ins filmische Familienalbum zu verzeichnen, die durchaus das Po- tenzial für eine langfristige Zu- sammenarbeit haben: von Ralph Fiennes über Jonah Hill bis hin zum immer wieder überraschen- den Channing Tatum, der hier im Matrosen-Outfit durch die Szene- rie steppen darf. Davon abgesehen frönen Ethan und Joel Coen auch in ihrem neuen Film einer Leidenschaft, die sie seit einigen Jahren pflegen. Denn nicht nur halten die beiden lieb gewonnenen Freunden die Treue – sie überraschen sich selbst und ihr Publikum auch gern mit Neuentdeckungen. Der Broad- way-Darsteller Michael Stuhlbarg („A Serious Man“, 2009), die junge Hailee Steinfeld („True Grit“) oder der zuletzt allgegenwärtige Oscar Isaac („Inside Llewyn Davis“, 2013) verdanken den Brüdern ihre Hollywood-Karriere. Nach ersten Berichten von der US-Premiere ist den Coens Vergleichbares in „Hail, Casesar!“ erneut gelungen: Der 26- jährige Alden Ehrenreich, so hört man, stiehlt als singender Cowboy allen die Show. DPA/EPA/PAUL BUCK, AP/JORDAN STRAUSS Auch sie sind mit von der Partie: Scarlett Johansson und Josh Brolin. ELISABETH BRINKMEIER GETTY IMAGES/CARLOS ALVAREZ, IAN GAVAN Hoffentlich wird der Film auch so heiter: die Schauspieler Frances McDormand und George Clooney.

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Page 1: Feuil - Ze do Rock

B e r l i n e r Z e i t u n g · N u m m e r 3 4 · M i t t w o c h , 1 0 . F e b r u a r 2 0 1 6 – S e i t e 2 1 * ·· ·······················································································································································································································································································

Feuilleton❖

D E N K M A L

Die Friedrichswerdersche Kirchehat also weitere Risse bekom-

men. Wahrscheinlich deswegen,weil direkt daneben sehr tief für dieAutos gegraben wurde, und sehrhoch für Luxuswohnungen, Luxus-büros, Luxusläden und Luxussonst-was gebaut wird.Vorwarnungen gabes reichlich. Trotzdem überraschtuns das Desaster so ganz und garnicht. Weil wir an der Museumsinselstudieren mussten, wie die Staatli-chen Museen, wissend, dass der Un-tergrund eher einem Schwamm alswenigstens weicher Erde gleicht,trotzdem vom Bundestag für denEmpfangsbau das Geld bekamenund inzwischen mehr als 140 Millio-nen Euro ausgeben. Schamlos, aberdie Berliner Öffentlichkeit applau-diert, weil es doch so viele klassischePfeiler geben wird. Weil wir bei derDebatte um die Altstadt oder das„Schloss“ sehen mussten, dass Fas-saden in dieser Stadt immer wichti-ger sind als Funktionen.

Weil sich beim Radikal-Umbauder Staatsoper zeigte, dass BerlinerPlaner offenbar Untergrundkartenals unauffindbare Archivalien be-trachten. Weil die Berliner fast uni-sono dem Abriss der denkmalwür-digen Magazingebäude der Staats-oper applaudierten, damit das Ed-ward-Said-Zentrums von DanielBarenboim kommt. So berühmteNamen aber auch. Und Frank Gehryals Architekt. Da sollte man nichtzwei Mal nachdenken ...

Immer und immer wieder war-nen die Fachbeamten in den Ver-waltungen, mahnen zur Zurückhal-tung. Auch bei der Friedrichswer-derschen Kirche zeigten die Zeich-nungen, dass die Häuser viel zugroß und viel zu nahe an die Kirchegestellt werden sollten. Aber der Se-nat schwärmte vom„neuen BerlinerBürgertum“, das hier siedeln werde.Außerdem hat der Bund die Grund-stücke sauteuer verkauft. Und mankann den Eigentümern die Super-Rendite doch nicht verwehren. Wirdschon gut gehen.

Bevor jetzt wutbürgerliche Le-sermailschreiber ihre Tastatur auf-schlagen: Unsere Beamten undauch die meisten Politiker sindmeistens ziemlich kompetent. Siewissen, was sie tun, sie tun es mitBlick auf die Wähler, also auf uns!Bevor also in dieser Stadt Denkmal-pfleger und Fachbeamte nicht mehrpopulistisch als unfähige Bremserbezeichnet werden, muss wohl einechtes Desaster passieren. In Kölnbrauchte es schließlich auch die Ka-tastrophe des Stadtarchiv-Einstur-zes, bis sich die breitere Bevölke-rung bewusst wurde: Das gehörtnicht irgendwem, sondern uns.

Wir sollten vielleicht anfangen,auf den Einsturz der Friedrichswer-derschen Kirche zu hoffen.

Bauen bis zumletzten Riss

Nikolaus Bernaustaunt wenig über dasDrama der Friedrichs-werderschen Kirche.

N A C H R I C H T E N❖

Deutscher Buchpreis 2016:Sabine Vogel ist JurymitgliedDie Jury für den Deutschen Buch-preis 2016 steht fest. Das Experten-team, das den besten Roman desJahres im deutschsprachigen Raumbestimmt, berät diesmal mit Beteili-gung der Berliner Zeitung. Insge-samt gehören der Jury sechs Kritikerund eine Buchhändlerin an. Beru-fen wurden: Thomas Andre (Ham-

burger Abend-blatt), LenaBopp (Frankfur-ter AllgemeineZeitung), Bert-hold Franke(Goethe-Insti-tut Prag), Su-sanne Jäggi (Lib-rium Bücher,Baden/Schweiz), Chris-toph Schröder

(freier Kritiker, Frankfurt/Main), Na-jem Wali (Autor und Kritiker, Berlin)und eben Sabine Vogel, Literaturre-dakteurin der Berliner Zeitung. Ver-lage können bis Ende März jeweilszwei aktuelle Titel einreichen. DerPreis wird am 17. Oktober, kurz vorder Frankfurter Buchmesse verlie-hen. Der seit 2005 verliehene Deut-sche Buchpreis gilt als wichtigsteAuszeichnung der Branche. 2015wurde Frank Witzel für seinen Ro-man „Die Erfindung der Roten Ar-mee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer1969“ prämiert. Die elfköpfige Aka-demie Deutscher Buchpreis, derVertreter der Buch- und Medien-branche angehören, stellt die Juryjedes Jahr neu zusammen. (BLZ)

Babelsberg-Chef: EU-Ländersind starke KonkurrenzDas Studio Babelsberg sieht diedeutsche Filmindustrie in harterKonkurrenz zu anderen europäi-schen Ländern. Zwar habe die Poli-tik in Deutschland positive Signalegesetzt, sagte der Vorstandsvorsit-zende Carl L. Woebcken am Diens-tag in Potsdam, doch die Förderungder Franzosen und der Italiener seigroßzügiger. „Daran erkennt man,dass wir uns in einem – man kannfast sagen – Wirtschaftskrieg befin-den in unserem Sektor, der nurdurch die öffentliche Hand gesteu-ert und verhindert werden kann.“Brandenburgs WirtschaftsministerAlbrecht Gerber (SPD) erinnerte je-doch daran, dass Babelsberg seit2002 46 Oscar-Nominierungen und14 Oscar-Gewinne vorweisen kann.Die finanziellen Rahmenbedingun-gen für die Branche seien gut. (dpa)

Londoner Auktionshaus:Initiative für KünstlerinnenGegen die Ungleichbehandlung vonmännlichen und weiblichen Künst-lern auf dem Kunstmarkt will dasLondoner Auktionshaus Bonhamsjetzt vorgehen. Es entschied, bei ei-ner Auktion am Donnerstag erst-mals fünf Werke von Frauen geson-dert aufzulisten. So sollen eine Dis-kussion angestoßen und Verände-rungen bewirkt werden. (dpa)

BLZ/FRÖHLING

Sabine Vogel,Literaturredakteurin

P E G I D A - L E X I K O N

Von Talibanbis Zwetschge

U N T E R Ms t r i c h

V O N Z É D O R O C K

In ultradeutsh-U wird das grekianY zu I (psikologie), das J als sehr

kurzes I wird zu Y (yedes yahr), das Jis nur noch für die fransiano (weikeSCH) und den englische J-laut(DSCH): Das jenie fand a jobb alsjurnalist. Das I im wortende steh fürneutrale menschis und tieris. Aussa-dem sagt ma nimmehr ’Ich bin ambahnhof’ oder ’Ich war auf der post’,sondan ’Ich bin im bahnhof’ − end-form ’I bin in die banhof’ − oder ’Ichwar in die post’. ’Auf die post’ is manur, wenn ma zu beispiel im erstestock is und die post im parterre.Präpositione wie ’auf’, ’an’, ’bei’werde nur verwendet wenn dat ganz

konkret stimmt, sons verwendeman ’in’. In die freitage schreib ichimmer in deutsch. Und wie gesagt,die detais finde man in die seitewww.zedorock.net/ultrauwiz.html.

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Halo pegidis, brav dat ir durgehal-ten und allu lese hab! Heut is schlussmit kurs. Hoffelich hat es euch gutgefalle! Und attu: keine zwetschgenmehr esse, die sind auslandis vo dieschlimmste sorte!

Taliban − Im film„Rambo III“ kämpfSilvester Stallone seite an seite mitafghanische freiheitkämpfis − gegendie sovietis naturalich. Dat wareganz nette kerlos, die afghanischerebellos. Ronald Reagan saget nochvo denen, als er die 1985 traf: „Thesegentlemen are the moral equiva-lents of America’s grounding fa-thers“ − diese herrschafte sind die

moralische ent-sprechug zuAmerika Gründ-ugpapos. Heuteaba sind die vofreiheitkämpfiszu teroris ge-worde, ganz böseleut − de kämpfeya gegen uns!Oda bessa ge-sagt, wir kämpfegegen die − umgegen die talibanzu kämpfe, muss ma zu Afghanistanfahre, die sind ziemlich häuslichund komme nicht zu uns.

Weisekind − dat heiss in arabisch’Kemam, Kebab’. Tja, ich habe schodie ganzen artikel geschriebe, ichmuss nok a par zeile schreibe, damitdie minimal-länge erreicht wird, akreuz is dat, ich muss nok a bissi diewurst fülle, und ich habe keine ara-

biwize mehr. Ah,nu hab ich dielänge. Tschüss.

Zivilisation − watma nach groszenanschlägen auchbei viele leuti hör,die nicht bei Pe-gida sind, is diesaz, dat gerade„unsere zivilisa-tion angegriffetwird, unse lebu-

stil, das geniszu vo die leb!“ Und beidiesem ’unsere zivilisation’ kling esnicht so, als würde ma die islami-sche welt dazu zähle. Die leuti ver-gesse dauali, dat die europis dasschreiben, die bau vo tempele, pa-lässe und übahaup die zivilisationvon egipters und phönizies lernet.

Vor lange zeit gab es scho hohekultur in Nahost, als die leut in Eu-ropa sich noch tarzangleik vo liane

zu liane, vo baum zu baum schwin-get. Die zivilisation hat ein olum (al-ter) vo 5 000 bis 6 000 yahre, und so ises auch mit die statt Damaskus. Inüber 8/10 vo diese zeit war Damas-kus vermutlik a wittlika metropoleals Paris. Ers in die lezte yahrhun-date holet Paris auf. Und so kommes zu diese disparität: wenn 100 leutin Ankara oda Beirut von islamis ge-tötet werde, gib es einen artikel indie zeitug und die käse is gegesset,während wenn dat in Paris passier,ganze zeitughefte davo voll sind. Isya klar, Paris is näha, da steh der Eif-felturm, und die leuti sind kristis, degehöre zu die gutis.

Wat möchat die westi? Gut geldverdiene, isi jobb, schönes auto,schöne frau, vieleicht auk a heissegeliebta, vieleicht auch gesundekindis. Und spass, naturalich. Ya,glaubt ma, dat dat in Istanbul odaBeirut ganz andas is? Glaubt ma, diemuslimar welt ha keine bars, restau-

rants, einkaufuzentrus, püff, und deleuti size die ganze tag auf ihre ka-melis mit ihre sauren airan und üba-lege sich, wie de den Eiffelturm zufallu bringe kannat?

Zwetschge − In Bairen mö die CSUdie flüttigwelle vo Siria nicht, dabeisind die bairis dok imma stolz aufihre zwetschgendatschis. Diezwetschge, sons flaume in Deutsch-land genannt, entwickelet wie-derum ihre name vo de lateinische’davascena’, dat wiederum vom gre-kiano ’damaskenon’ kam, und datheiss eben die frutt vo Damaskus.Aussadem sind die bairis stolz, datde ’semmel’ statt ’brötchen’ oda’schrippe’ oda ’weckle’ sage. Dabeikommt das wort ’semmel’ vo die la-teinische ’simila’, und dat wiederumvom arabiano ’samid’, das wort für’feine mehl’. Die bairis habe sozusa-gen ihre identität durch das arabi-ano gefinde.

So pflegt man seine Mitarbeiter„Hail, Caesar!“ eröffnet morgen die Berlinale – mit vielen Bekannten aus dem filmischen Album der Coens

V O N P A T R I C K H E I D M A N N

Wenn die Coen-Brüder mor-gen mit „Hail, Caesar!“ die

66. Berlinale eröffnen, ist in gewis-ser Weise mit allem zu rechnen.Denn Ethan und Joel Coen gehö-ren seit vielen Jahren nicht nur zuden Großmeistern des amerikani-schen Kinos, auf deren Filme manselbst in Cannes scharf ist – wes-wegen Dieter Kosslick besondersstolz sein dürfte auf seinen dies-jährigen Eröffnungs-Coup. DieCoens sind auch unberechenbarerals fast alle ihrer Zeitgenossen. WoRegie-Kollegen wie Martin Scor-sese oder Wes Anderson ihre je-weils unverwechselbare cineasti-sche Handschrift thematisch undvisuell pflegen, stehen in der Film-ografie der Coens blutige Gangs-tergeschichten („Miller’s Cros-sing“) ganz selbstverständlich ne-ben aufgekratzten Komödien („In-tolerable Cruelty“), und auf einenknochentrockene Western („TrueGrit“) folgt bei ihnen schon maleine melancholische Künstlerstu-die („Inside Llewyn Davis“).

Bei aller Vielseitigkeit lässt sichallerdings auch im Werk der Brü-der ein Anflug von Beständigkeitausmachen – und das sogar jen-seits des Humors, ohne den nochkeiner ihrer Filme ausgekommenist. Wenn schon keinem Stil oderGenre so sind die Coens doch zu-mindest ihren Lieblingsschau-spielern leidenschaftlich treu. Ihrneuer Film „Hail, Caesar!“, der am18.2. regulär in den deutschen Ki-nos startet und einen Blick hinterdie Hollywood-Kulissen der1950er-Jahre wirft, ist dafür wiederein hervorragendes Beispiel.

Die Frau vor der Kamera

Für Frances McDormand etwa istdieser Film die bereits siebte Zu-sammenarbeit mit den Coens,womit sie am sechsfachen Mit-streiter Steve Buscemi vorbei-zieht, der allerdings anders als sieauch nicht mit Joel, dem älterender Brüder, verheiratet ist. Regel-mäßiger als irgendwer sonststand die Schauspielerin in allenKarriere-Phasen der beiden Män-ner vor deren Kamera. McDor-mand war in den ungestümen,vom Genre-Kino inspirierten An-fangstagen mit „Blood Simple“(1984), „Raising Arizona“ (1987)und „Miller’s Crossing“ (1990)ebenso dabei wie beim Aufstieg indie Kult- und Coolness-Höhen, zudem sie mit ihrer Oscar-prämier-ten Rolle als schwangerer, winter-bemützter Polizistin in „Fargo“(1996) kaum weniger beitrug alsJeff Bridges und sein Bademantelin „The Big Lebowski“ (1998).

Mit ihrem Auftritt in der leich-ten Ensemble-Komödie „Burn Af-ter Reading“ (2008), dem erstenFilm nach dem großen Oscar-Ab-räumer „No Country For Old Men“(2007), fand sich für McDormandauch ein Platz in jenem immernoch anhaltenden Stadium defini-tiver Meisterschaft, in dem jederneue Coen-Film automatisch zum

cineastische Großereignis ausge-rufen wird.

Doch auch andere Wegbeglei-ter aus der erweiterten künstleri-schen Familie der Brüder sind in„Hail, Caesar!“ wieder mit von derPartie. George Clooney, der hierden entführten Hollywood-StarBaird Whitlock verkörpert, gelangim Coen-Film „O Brother, WhereArt Thou?“ vor 16 Jahren endgültigder Sprung vom Blockbuster-Hel-den zum Charakterdarsteller. JoshBrolin ist als Problemlöser EddieMannix die eigentliche Hauptfigurin „Hail, Caesar!“ – dabei war ihmmit „No Country For Old Men“überhaupt erst der Durchbruchgelungen, während Scarlett Jo-hansson, die in „Hail, Caesar!“auf dem Spuren des Hollywood-Schwimm-Stars Esther Williamswandelt, bereits im schwarz-wei-ßen Neo-Noir-Drama „The ManWho Wasn’t There“ (2001) die ju-gendliche Verführerin gab. AuchTilda Swinton stand schon zumzweiten Mal vor der Kamera derCoens – was übrigens nichts istim Vergleich zu den Wegbeglei-tern dahinter: Die TontechnikerSkip Lievsay und Peter F. Kurlandgehörten bei jedem einzelnender 17 Coen-Spielfilme zumTeam; der Komponist Carter Bur-well, die Kostümdesignerin MaryZophres und der KameramannRoger Deakins waren auch fastjedes Mal dabei.

Nicht mit von der Partie

Dennoch fehlen in „Hail, Caesar!“auch ein paar Schlüssel-Schau-spieler des Coenschen Werkes:John Goodman ist dieses Mal nichtmit von der Partie, mit John Tur-turro haben sie seit 2000 nichtmehr gedreht, und Jeff„The Dude“Bridges wartet weiter auf seinedritte Rolle nach „The Big Lebow-ski“ und „True Grit“ (2010). Dafürgibt es nun ein paar Neuzugängeins filmische Familienalbum zuverzeichnen, die durchaus das Po-tenzial für eine langfristige Zu-sammenarbeit haben: von RalphFiennes über Jonah Hill bis hinzum immer wieder überraschen-den Channing Tatum, der hier imMatrosen-Outfit durch die Szene-rie steppen darf.

Davon abgesehen frönen Ethanund Joel Coen auch in ihremneuen Film einer Leidenschaft, diesie seit einigen Jahren pflegen.Denn nicht nur halten die beidenlieb gewonnenen Freunden dieTreue – sie überraschen sich selbstund ihr Publikum auch gern mitNeuentdeckungen. Der Broad-way-Darsteller Michael Stuhlbarg(„A Serious Man“, 2009), die jungeHailee Steinfeld („True Grit“) oderder zuletzt allgegenwärtige OscarIsaac („Inside Llewyn Davis“,2013) verdanken den Brüdern ihreHollywood-Karriere. Nach erstenBerichten von der US-Premiere istden Coens Vergleichbares in „Hail,Casesar!“ erneut gelungen: Der 26-jährige Alden Ehrenreich, so hörtman, stiehlt als singender Cowboyallen die Show.

DPA/EPA/PAUL BUCK, AP/JORDAN STRAUSS

Auch sie sind mit von der Partie:Scarlett Johansson und Josh Brolin.

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Hoffentlich wird der Film auch so heiter:die Schauspieler Frances McDormand und George Clooney.