fachbereich soziale arbeit, bildung und erziehung...
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Fachbereich Soziale Arbeit, Bildung und Erziehung
Soziale Arbeit (B.A.)
Bachelorarbeit zum Thema:
Möglichkeiten und Grenzen der systemischen Beratung in der
Schulsozialarbeit
vorgelegt von
Nino Krüger
Themenstellerin: Prof. Dr. phil. Sigrid Haselmann
Zweitgutachterin: Prof. Dr. Anke S. Kampmeier
URN: urn:nbn:de:gbv:519-thesis2014-0171-1
Neubrandenburg, den 10. Juni 2014
Zusammenfassung
Diese Bachelorarbeit beschäftigt sich mit der Frage, wo die Möglichkeiten und die
Grenzen der systemischen Beratung in der Schulsozialarbeit liegen. Es wird zum einen der
systemisch-konstruktivistische Ansatz und zum anderen das Arbeitsfeld der
Schulsozialarbeit vorgestellt. Davon ausgehend werden die Chancen und die Lücken
abgewogen, um herauszufinden, ob der systemisch-konstruktivistische Ansatz in der
Schulsozialarbeit nützlich ist oder nicht.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 1
2 Systemische Beratung 3
2.1 Begriffsklärungen 3
2.2 Entwicklung der Systemtheorien 4
2.2.1 Kybernetik erster Ordnung 4
2.2.2 Kybernetik zweiter Ordnung 4
2.3 Therapeutische Haltungen 6
2.4 Vorgehensweisen und Arbeitstechniken 8
3 Schulsozialarbeit 11
3.1 Begriffsklärungen 11
3.2 Trägerschaft 12
3.3 Aufgaben 13
3.4 Angebote 15
4 Möglichkeiten der systemischen Beratung in der Schulsozialarbeit 18
4.1 Übertragung der systemisch-konstruktivistischen Perspektive auf die
Schule 18
4.2 Übertragung der systemisch-konstruktivistischen Perspektive auf die
Problemlagen eines Schülers 21
4.2.1 Schulschwänzen, Schulangst und Schulphobie 21
4.2.2 Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom oder –störung 25
4.2.3 Sucht 28
5 Grenzen der systemischen Beratung in der Schulsozialarbeit 32
6 Schlussbemerkungen 37
Literaturverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung
1
1 Einleitung
Die Schulsozialarbeit stellt ein Arbeitsfeld der Jugendhilfe dar, welches sich in den letzten
Jahren immer mehr etabliert hat. Aus Gesprächen mit Lehrern, Schülern und
Sozialarbeitern wurde schon früh im Studium mein Interesse in diesem Einsatzfeld
geweckt. Ich bin der Überzeugung, dass Schulsozialarbeiter allen Kindern bei der
Bewältigung der verschiedenen Entwicklungsaufgaben als Unterstützung und Entlastung
dienen kann. Aus diesem Grund möchte ich gern im Bereich der Schulsozialarbeit tätig
sein und stelle mir daher die Frage, ob das im Studium erlernte Wissen im besagten
Arbeitsbereich von Nutzen für meine spätere Berufslaufbahn sein kann. Ich legte den
Schwerpunkt meines Studiums auf das Fachgebiet der Beratung, wobei ich insbesondere
die systemische Beratung auf Grund ihrer starken Ressourcen- und Lösungsorientierung
favorisiere. Die zentrale Frage meiner Arbeit lautet: Wo liegen die Möglichkeiten und die
Grenzen der systemischen Beratung in der Schulsozialarbeit?
Die vorliegende Hausarbeit ist in fünf Kapiteln unterteilt. Um eine theoretische Grundlage
zu gewährleisten, beginne ich mit der Vorstellung der systemischen Beratung. Hier erfolgt
die Definition der Begriffe „Beratung“ und „System“. Zudem werden die wesentlichen
Grundsätze des systemisch-konstruktivistischen Ansatzes vorgestellt. Die Veränderungen
der Systemtheorien werden anhand der Entwicklung von der Kybernetik erster Ordnung
zur Kybernetik zweiter Ordnung präsentiert. Um einen Praxisbezug der systemischen
Beratung herzustellen, gehe ich zusätzlich auf die therapeutischen Haltungen und
Arbeitstechniken eines systemischen Beraters ein. Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit
der Schulsozialarbeit. Nach einer Begriffsklärung wird die Schulsozialarbeit näher
erläutert. Es werden die unterschiedlichen Möglichkeiten einer Trägerschaft von
Schulsozialarbeit hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile thematisiert. Danach widme ich
mich den Aufgaben und Angeboten eines Schulsozialarbeiters. In den nächsten beiden
Kapiteln werden die Themengebiete der systemischen Beratung und der Schulsozialarbeit
in Zusammenhang gestellt. Die Möglichkeiten der systemischen Beratung in der
Schulsozialarbeit werden dargestellt, indem die systemisch-konstruktivistische Perspektive
auf den Bereich der Schule übertragen wird. Die sich daraus resultierenden Sicht- und
Vorgehensweisen in Bezug auf die Problemlagen eines Schülers werden im
darauffolgenden Unterpunkt geschildert. Als Beispiele werden Schulschwänzen,
Schulangst, Schulphobie, ADHS und Suchtprobleme angeführt. Im Anschluss werde ich
die Grenzen der systemischen Beratung in der Schulsozialarbeit erörtern. Im
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abschließenden Kapitel werden die Chancen und Grenzen abgewogen, um herauszufinden,
ob der systemisch-konstruktivistische Ansatz im Arbeitsfeld der Schulsozialarbeit nützlich
sein kann oder nicht.
Ich werde nach dem hermeneutischen Prinzip verfahren. Hierbei konzentriere ich mich auf
geeignete Materialien beziehungsweise bestehende Literaturen zu dem Thema
„Möglichkeiten und Grenzen der systemischen Beratung in der Schulsozialarbeit“. Ich
versuche, die Absichten und Meinungen der Autoren nachvollziehen zu können und werde
diese in meiner Arbeit ordnungsgemäß umsetzen. Die Auseinandersetzung mit
verschiedenen Texten wird jederzeit Hauptgegenstand meines Handelns sein. Somit wird
das Erstellen der Hausarbeit durch das Halten an gegebene Texte und Quellen erfolgen
(vgl. Stickel-Wolf/Wolf 2011, S. 117f.). In der vorliegenden Hausarbeit wird das
generische Maskulinum verwendet. Alle männlichen Begriffe schließen aus Gründen der
Platzersparnis auch die weibliche Form mit ein. Wenn etwas über Sozialarbeiter, Lehrer
und Schüler ausgesagt wird, dann sind auch stets Sozialarbeiterinnen, Lehrerinnen und
Schülerinnen gemeint. Als Diskriminierung sollte dies keinesfalls verstanden werden. Ich
bitte um Verständnis!
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2 Systemische Beratung
2.1 Begriffsklärungen
Eine Beratung ist ein Vorgang, in dem der Ratsuchende und der Beratende gemeinsam
über Probleme und deren Lösungen verhandeln. Dies findet in einem kommunikativen
Prozess statt, welcher mit Einzelpersonen, Paaren, Familien, Gruppen oder Organisationen
durchgeführt werden kann. Zum einen kann eine Beratung zur Informationsvermittlung in
Form einer Sach-Beratung aufgesucht werden, zum anderen dient sie als Ratgeber bei
persönlichen Schwierigkeiten, Konflikten, Krisen oder psychischen Problemen (vgl.
Haselmann 2012, S. 52f.). Aus systemischer Sicht sind Therapie und Beratung kaum
voneinander zu unterscheiden, weil sie sich auf eine Problemlösung mittels der Ressourcen
der Klientensysteme konzentrieren (vgl. Haselmann 2008, S. 265f.).
Ein System ist eine geordnete Gesamtheit, in welcher die verschiedenen Elemente in
Wechselwirkungsbeziehungen zueinander stehen. Systeme grenzen sich von ihrer Umwelt
ab und organisieren beziehungsweise reproduzieren sich selbst (vgl. Baecker 2012, S.
408f.). Es kann zwischen mechanischen, biologischen und sozialen Systemen
unterschieden werden, wobei in der Sozialen Arbeit das soziale System von Bedeutung ist
(vgl. Simmen u.a. 2010, S. 17). Aus der systemischen Perspektive wird ein System als
Interaktionssystem und Kommunikations- oder Informationssystem betrachtet. Man erhält
ein Verständnis von Systemen durch die Kategorien der Zirkularität, Kommunikation und
System-Umwelt-Grenzen. Auf Grund der Zirkularität wird ein Verhalten des Einzelnen
sowohl als Ursache als auch als Wirkung betrachtet, wodurch kein linearer Vorgang
möglich ist. Stattdessen kommt es zu einer wechselseitigen Beeinflussung. Der zirkuläre
Austausch findet in der Kommunikation zwischen den Systemmitgliedern statt. Bei den
kommunikativen Ausführungen der Beteiligten wird insbesondere auf den Inhalts- und
Beziehungsaspekt geachtet. Anhand sich wiederholender Kommunikationsprozesse lassen
sich „Muster“ oder „Regeln“ innerhalb des Systems erkennen. Um ein System von seiner
Umwelt abgrenzen zu können, muss geklärt werden, wer oder was zu einem System gehört
und wer oder was nicht. Trotz der Grenze zu seiner Umwelt ist ein System an den
Austausch mit dieser zur Selbsterhaltung gebunden (vgl. Haselmann 2008, S. 204f.).
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2.2 Entwicklung der Systemtheorien
2.2.1 Kybernetik erster Ordnung
Norbert Wiener (1948) schuf den Begriff „Kybernetik“, welcher die Steuerung und
Regelung des Verhaltens von Systemen erforscht, die von ihrer Umwelt und ihrem
Beobachter isoliert sind (vgl. Simon 2006, S.41). Die Bezeichnung der Kybernetik
beschreibt in der Systemtheorie vornehmlich das Verhältnis vom Beobachter zum System.
Der Ausgangspunkt der Kybernetik erster Ordnung ist, dass der Berater außerhalb des zu
beobachtenden Systems steht. Der Berater kann also relativ objektiv beobachten, was im
System falsch läuft. Dies setzt voraus, dass die problemrelevanten Interaktionsmuster,
welche das Problem oder das symptomatische Verhalten verursachen, aus einer gewissen
Expertensicht genau identifiziert werden können. Gleichzeitig wird abgeleitet, dass ein
Problem oder Symptomverhalten erst im problemrelevanten System entsteht (vgl.
Haselmann 2008, S. 207). Auf Grund der Tatsache, dass Systeme wie Maschinen
funktionieren, können sie von Beratern beziehungsweise Therapeuten gezielt von außen
kontrolliert und gesteuert werden. Mithilfe von gezielten Instruktionen, Interventionen
oder Strategien kann der Berater dafür sorgen, dass die erwünschten Veränderungen
innerhalb des Systems eintreten, um ein Problem zu beseitigen. Der Kybernetik erster
Ordnung, welche auch als die „alte“ Epistemologie bezeichnet wird, dienten die
klassischen familientherapeutischen Modelle als Grundlage. Daher wird in diesem
systemischen Denkmodell ausschließlich von Familiensystemen ausgegangen (vgl.
Haselmann 2008, S. 210).
2.2.2 Kybernetik zweiter Ordnung
Die Kybernetik erster Ordnung erfuhr eine Weiterentwicklung, nachdem die Rolle des
Beobachters eine neue Bedeutung in der Systemtheorie erhielt. Demnach ist das
Beobachten kein passiver Prozess mehr, wodurch der Beobachter Teil des Geschehens
wird. Die Beobachtungen des Beraters lassen sich nicht objektiv wahrnehmen (vgl.
Simmen u.a. 2010, S. 12). Die Hypothesen eines Beraters oder Therapeuten bezüglich der
Probleme und Lösungsversuche innerhalb eines Systems sind nicht beobachterunabhängig,
sie stellen vielmehr seine eigenen Konstruktionen dar. Diese neue Epistemologie wird als
Kybernetik zweiter Ordnung betitelt. Weitere Unterschiede zur alten Epistemologie sind
das Konzept der Autopoiesis sowie die neueren systemisch-konstruktivistischen Modelle
(vgl. Haselmann 2008, S.208f.).
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Bei der Arbeit mit Klientensystemen treffen wir lebendige, offene Systeme und nicht auf
Maschinen, welche durch ein bestimmtes Schema beeinflusst werden. Die Interventionen
eines Beraters müssen somit nicht von Erfolg geprägt sein. Es ist wichtig, sich auf eine
kooperative Beziehung zu seinem Klienten einzulassen und sich deren Ansichten nicht zu
verschließen. Die Klienten sind die Experten für ihr Leben und können selbst entscheiden,
welche Interventionen sie annehmen wollen (vgl. Schwing/Fryszer 2010, S.168). Da eine
gezielte Einflussnahme auf Grund der Eigenlogik und Eigenverantwortlichkeit eines
Klientensystems unmöglich ist, kann ein System nur angestoßen, angeregt oder „verstört“
werden (vgl. Haselmann 2008, S. 209ff.). Der Autopoiesis-Gedanke führt dazu, dass die
einzelnen Interaktionsteilnehmer in einem System autonome und selbst organisierende
Subjekte sind. Jede Handlung eines Systemteilnehmers hat eine beziehungsgestaltende
Bedeutung, wodurch gleichzeitig das Verhalten einer anderen Person beeinflusst wird.
Dies gilt auch für problematische und symptomatische Verhaltensweisen (vgl. Mücke
2009, S. 187). Daraus resultiert, dass nicht das System das Problem kreiert, sondern dass
das Problem ein System um sich herum „entwickeln“ lässt. Das Problemsystem schließt
die Handlungen, Konstruktionen und Sichtweisen aller Teilnehmer hinsichtlich des
Verhaltens, welches als „Problem“ definiert wird, mit ein. Die kommunikative Bedeutung,
die dem problematischen Verhalten zugeschrieben wird, muss erforscht werden (vgl.
Haselmann 2008, S. 210). Ein Problem kann jedes Thema einer Kommunikation
repräsentieren, welches sowohl als unerwünscht als auch als veränderbar gehalten wird.
Daher bestehen klinisch relevante Problemsysteme aus Kommunikationen, in denen
Verhaltensweisen einer Person als veränderungsbedürftig und veränderungsfähig beurteilt
wird (vgl. Ludewig 2009, S. 87ff.). Derartig definierte Phänomene oder Störungen werden
als Beschreibungen von Interaktionsprozessen gesehen. Dabei wird beachtet, dass diese
Wahrnehmungen nicht objektiv erfasst werden, da sie der subjektiven Perspektive eines
Beobachters unterliegen. Psychische Störungen oder problematisches Verhalten werden
demnach als interaktionelle Probleme oder Kommunikationsstörungen und -
missverständnisse betrachtet. Dementsprechend muss eine Familie nicht zwingend ein
Problemsystem verkörpern. Es kann sich dabei um Interaktionssysteme aus der Arbeitswelt
oder Therapie handeln, in welchem auch der Berater oder Therapeut Teil des Systems ist
(vgl. Haselmann 2008, S. 205f.).
Die Tatsache, dass unsere Beobachtungen durch unsere subjektiven Anschauungen
beeinflusst werden, stellt eine objektive Realität stark infrage. Diese Auffassung entspricht
den Annahmen des Konstruktivismus (vgl. Simmen u.a. 2010, S. 13). Unsere
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Wahrnehmungen sind Konstruktionen, wodurch wir unsere Welt nicht objektiv
wiedergeben können. Vielmehr konstruiert sich jedes Individuum seine eigene Realität.
Dabei geht es nicht darum, ob diese „Illusionen“ der Wahrheit entsprechen, d.h., ob sie
richtig oder falsch sind. Es ist von Bedeutung, ob sie nützlich für die Lebensgestaltung des
Einzelnen ist. In der therapeutischen Praxis müssen deshalb andere als die bisherigen
problemerzeugenden und selbstabwertenden Konstruktionen ausprobiert werden, um
Problemkonstruktionen in Lösungskonstruktionen umwandeln zu können. Der Berater
wird zum Co-Konstrukteur der Realität des Systems. Durch den Berater wird die
Selbstorganisation des Systems angeregt, indem neue Informationen zur Bildung von
nützlicheren Wirklichkeitskonstruktionen eingeführt werden. Die Klienten entscheiden
nun, ob sie diese Informationen annehmen möchten oder nicht. Die Verantwortung der
Milderung oder Lösung des Problems liegt im Klientensystem (vgl. Haselmann 2008, S.
220ff.).
Die Entwicklung zur Kybernetik zweiter Ordnung hat zur Folge, dass die Macht des
Beraters oder Therapeuten eingeschränkt wird. Es besteht keine hierarchische Beziehung
zwischen Ratsuchendem und Berater, in welcher der Berater als Experte agiert. Der Klient
wird dahingehend angeregt und provoziert, dass er eigene Problemlösungen findet. Das
Ziel ist es, Kontexte für Veränderungen zu ermöglichen, ohne dabei Veränderungsziele zu
deklarieren. Im Gegensatz zu den älteren familiensystemischen Modellen können die
neueren Modelle der Systemtheorie ebenfalls in der systemisch-therapeutischen
orientierten Arbeit mit Einzelnen angewendet werden (vgl. Haselmann 2008, S. 211).
2.3 Therapeutische Haltungen
Die Wertschätzung gegenüber den Klienten ist eine Grundvoraussetzung für das
systemische Arbeiten. Dies zeigt sich in der Würdigung und Achtung einem Menschen und
seiner Lebensführung gegenüber. Hierbei sind nicht nur hilfreiche und problemlösende
Handlungen zu respektieren, sondern auch schädigende und verletzende Handlungen zu
berücksichtigen (vgl. Mücke 2009, S. 31). Dies entspricht der Achtung vor der
Selbstorganisation eines Systems, d.h., dass der Berater den Klienten nicht seine eigenen
Sichtweisen zum Thema macht. Ebenso wenig soll der Berater die Klienten, deren
Lebensweisen und Konstruktionen bewerten, wodurch eine Neutralität des Beraters
gefordert wird. Es gibt drei Ebenen der Neutralität (vgl. Haselmann 2008, S. 248). Die
soziale Neutralität erfordert, dass niemand bevorzugt wird, indem jeder Teilnehmer mit
seinen individuellen Perspektiven in gleicher Weise wertgeschätzt wird (vgl.
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Schwing/Fryszer 2010, S. 87). Dieser Begriff ist mit dem Begriff der „Allparteilichkeit“ zu
vergleichen. Eine weitere Ebene ist die Konstrukt-Neutralität. Neben der Achtung vor den
Wirklichkeitskonstruktionen der Klienten ist eine gewisse Distanz zu den eigenen
Ansichten zu wahren. Dies bedarf einer Neugier, um neue alternative Sichtweisen
herauszufinden (vgl. Mücke 2009, S. 66f.). Es wird keine Partei für eine Sichtweise
ergriffen. Zudem muss der Berater den Symptomen und der Veränderungsbereitschaft
gegenüber neutral eingestellt sein. An dieser Stelle werden sowohl die positiven als auch
die negativen Seiten eines Problems für den Einzelnen und das System dargelegt, womit
der Berater den Vorschlag einer Veränderung oder einer Nicht-Veränderung zu unterlassen
hat (vgl. Klein/Kannicht 2009, S. 25f.).
Um Veränderungsprozesse anzuleiten, ist es wichtig, den Blick von den Defiziten auf die
Ressourcen zu lenken. Man arbeitet nach der Annahme, dass jeder Mensch das Potential in
sich hat, die geforderten Ressourcen zu entwickeln. Ein Berater muss einen Lernrahmen
kreieren, in welchem der Klient solche Lernerfahrungen entdecken und in seinem
alltäglichen Leben anwenden kann (vgl. Schwing/Fryszer 2010, S. 326). Ausgehend von
dieser ressourcenorientierten Vorgehensweise verfügen alle Klienten und Systeme über
eigene Ressourcen und Kompetenzen, um eine Lösung des Problems herbeizuführen. Es
wird nach Ausnahmen eines Problems gesucht, um dem Klienten zu ermöglichen, auf
vorhandene Ressourcen zurückgreifen zu können (vgl. Klein/Kannicht 2009, S. 81). Der
Blick richtet sich in die Zukunft. Die Problemlösung rückt in den Mittelpunkt, wodurch der
Aspekt ermöglicht wird, sich mit Lösungsideen zu beschäftigen, ohne sich zunehmend auf
das symptomatische Verhalten beziehen zu müssen.
Es gilt zu beachten, dass dem Klienten nur das angeboten wird, was dieser auch für
notwendig und nützlich hält. Die Wünsche des Klienten müssen Berücksichtigung finden,
welche direkt in der Auftragsklärung aufgenommen werden. In der Therapie oder Beratung
geht es im Weiteren darum, den Radius an Denk- und Verhaltensmöglichkeiten des
Klienten zu erweitern. Durch Anregungen, „Verstörungen“ oder Provokationen sollen neue
und bisher unbekannte Denk- und Handlungsansätze vermittelt werden (vgl. Haselmann
2008, S. 249).
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2.4 Vorgehensweisen und Arbeitstechniken
Für den Verlauf einer systemischen Beratung ist es von Bedeutung, am Anfang den
Auftrag beziehungsweise das Anliegen für die Beratung zu klären. Dies kann erschwert
werden, wenn ein Überweisungskontext vorliegt, d.h., dass der Klient von anderen
Personen oder Institutionen zu einer Beratung „geschickt“ wurde. Es muss erfragt werden,
von wem der Klient überwiesen wurde und welche Erwartungen die Überweisenden sich
erhoffen. Allerdings darf die eigene Motivation des Klienten nicht vergessen werden (vgl.
Schwing/Fryszer 2010, S. 36f.). Neben den geschickten Klienten gibt es noch die Kunden
und Kläger. Kunden wollen etwas in ihrem Leben verändern und auch dementsprechend
daran arbeiten möchten. Kläger suchen hingegen einen Gesprächspartner, um über ihre
Probleme reden zu können. Obwohl Kläger konkrete Probleme beschreiben und sich als
Opfer darstellen, sind sie nicht motiviert, aktiv Veränderungen mitzugestalten (vgl.
Schwing/Fryszer 2010, S. 117f.). Es ist daher wichtig, die Motivation des Klienten
anzusprechen, indem man danach fragt, was der Anlass ist, eine Beratung aufzusuchen.
Zudem sollten Informationen über Vorerfahrungen des Klienten gesammelt werden, um
Erwartungen oder Befürchtungen, welche in früheren Beratungskontexten ausgelöst
wurden, deutlich zu machen. Die Wünsche, Ängste und Erwartungen werden zum Thema
gemacht (vgl. Brüggemann/Ehret-Ivankovic/Klütmann 2007, S. 31). Es muss geklärt
werden, warum wer was von wem will. Sind die Anliegen des Klientensystems und die
Möglichkeiten des Beraters in Einklang gebracht, kann ein Kontrakt zwischen beiden
Seiten geschlossen werden. Dieser Kontrakt beinhaltet Vereinbarungen über inhaltlich
konkrete Ziele, die Aufgabenverteilung, das Setting und das Informationsmanagement
(vgl. Schwing/Fryszer 2010, S. 107f.).
Im Verlauf des Beratungsprozesses bildet ein Berater Hypothesen, welche als Annahmen
zu verstehen sind. Diese Annahmen setzen keine linearen Ursache-Wirkungs-
Zusammenhänge, sondern zirkuläre Wechselwirkungen voraus. Es werden die
Beziehungen und Interaktionen der Systemmitglieder berücksichtigt und in einen Kontext
gestellt, wodurch neue Bedeutungen zugelassen werden können. Den Symptomen wird
eine Funktion innerhalb des Systems zugeschrieben. Eigenschaften werden demzufolge in
einen bestimmten Kontext einbezogen und gelten als veränderliche Verhaltensmuster. Zur
Motivation der Klienten sollten Hypothesen positiv konnotiert werden und Ressourcen der
Klienten beinhalten (vgl. Schwing/Fryszer 2010, S. 135). Hypothesen haben die Aufgabe,
alle Beobachtungen und Informationen, die ein Berater in den Gesprächen aufnimmt, zu
ordnen. Darüber hinaus wird das Klientensystem angeregt, neue und alternative
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Sichtweisen aufzunehmen (vgl. Schwing/Fryszer 2010, S. 129). Es ist nicht entscheidend,
ob die Hypothesen richtig oder falsch sind. Es geht darum, ob sie nützlich sind,
Veränderungen herbeizuführen. Dies hat zur Folge, dass Annahmen, welche keinen Erfolg
erzielen, durch andere ersetzt werden müssen (vgl. Schwing/Fryszer 2010, S. 132).
Ein weiteres wichtiges Hilfsmittel in der systemischen Beratung ist das Stellen von Fragen.
Auf Grund der zirkulären Sichtweise versucht der Berater mithilfe seiner Fragen die
Wechselwirkungen zwischen den Systemmitgliedern sowie zwischen dem Problem und
seinem Kontext zu verdeutlichen. Es handelt sich daher um zirkuläre Fragen. Das
Symptom wird im Kontext von Beziehungen der Systemteilnehmer oder Ereignissen aus
der Vergangenheit und Gegenwart betrachtet. Die Symptome werden somit
kontextualisiert, wodurch ihnen eine neue Bedeutung zugewiesen wird. Die Sichtweisen
der Beteiligten werden verstört (vgl. Schwing/Fryszer 2010, S. 210ff.). Es werden neue
Informationen zu den Beziehungen der Systemteilnehmer erzeugt und neue Sichtweisen
können konstruiert werden. Hierdurch werden neue Verhaltensweisen ermöglicht.
Währenddessen wird die „Schuld“ eines Problems nicht mehr bei einer einzelnen Person
gesucht, stattdessen richtet sich das Hauptaugenmerk auf die Beziehungen untereinander,
um möglicherweise an diesen zu arbeiten (vgl. Schwing/Fryszer 2010, S. 219f.). Es geht
nicht mehr um Eigenschaften, die einer Person anhaften, sondern um Verhalten, welches
zwischen Personen geschieht (vgl. Schwing/Fryszer 2010, S. 216). Im Folgenden werden
einige Beispiele zirkulärer Fragen genannt:
Erklärungsfragen
Fragen, die Eigenschaften zu Verhalten verflüssigen
Fragen, die Verhalten in einen spezifischen Kontext stellen
Vorher-Nachher-Beziehungsfragen
Skalenfragen
Verschlimmerungsfragen
die Wunderfrage: Wie sähe es aus, wenn das Problem über Nacht weg wäre?
triadische Beziehungsfragen.
Vor allem triadische Fragen können neue Informationen und dementsprechend alternative
Wirklichkeitskonstruktionen und Handlungsmöglichkeiten herbeiführen. Dies liegt darin
begründet, dass jeder innerhalb eines Klientensystems zu seiner Sichtweise bezüglich der
Beziehung zwischen zwei anderen anwesenden Personen befragt wird (vgl. Haselmann
2008, S. 252f.).
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Das Formulieren von Kommentaren ist die Chance eines Beraters, sprachlich Einfluss auf
die Perspektiven und Konstruktionen aller Beteiligten zu nehmen. Dies kann mittels
Komplimenten erfolgen, welche Wertschätzung bekunden und eine positive Atmosphäre
gestalten. Komplimente dürfen jedoch keine oberflächlichen Aussagen beinhalten. Es muss
sich auf konkrete Beschreibungen oder Verhaltensweisen des Klienten beziehen, damit das
Ressourcenbewusstsein gestärkt wird (vgl. Schwing/Fryszer 2010, S. 238ff.). Eine andere
Form des Kommentierens ist das Reframing. Dies bedeutet, dass dem Gesagten oder
Erlebten durch einen neuen Rahmen eine neue Bedeutung gegeben wird. Den Klienten
werden neue Sicht- und Handlungsweisen angeboten (vgl. Schwing/Fryszer 2010, S. 243).
Beim Splitting nehmen zwei Berater oder Therapeuten entgegengesetzte Positionen ein,
um den Systemmitgliedern zu zeigen, dass unterschiedliche Meinungen zu tolerieren sind
und nebeneinander existieren können (vgl. Mücke 2009, S. 400). Dies wird vornehmlich in
Abschlusskommentaren eingesetzt. Des Weiteren werden im Abschlusskommentar
positive Bewertungen vorgenommen und Handlungsexperimente vorgeschlagen. Hierzu
gehört das Erteilen von Verschreibungen oder Aufgaben (vgl. Haselmann 2008, S. 254).
Eine Symptomverschreibung sieht vor, dass bis dahin spontan auftretende und unbewusst
ablaufende Symptome gezielt und bewusst getätigt werden. Unkontrollierte Symptome
können nun willentlich hervorgerufen werden (vgl. Mücke 2009, S. 312). Bei So-tun-als-
ob-Verschreibungen soll das symptomatische Verhalten absichtlich vorgetäuscht werden,
um die Reaktion der anderen wahrzunehmen. Hat sich der Berater während eines
Gespräches zu sehr auf die Seite der Veränderung gestellt, ist es ratsam, sich im
Abschlusskommentar auf die Vorteile einer Nicht-Veränderung zu konzentrieren. Um vor
zu schnellen Veränderungen zu warnen, kann ein Rückfall verschrieben werden. Durch das
Verschreiben von Ritualen werden Verhaltensweisen eingeübt, welche den Bedürfnissen
des Klientensystems entsprechen. Dieses Verfahren verfolgt das Ziel, festgefahrene
Interaktionsmuster zu unterbinden (vgl. Haselmann 2008, S. 256). Neben solchen
Verhaltensaufgaben können auch Beobachtungsaufgaben erteilt werden. Der Klient erhält
die Aufgabe zu beobachten, wann, bei wem, ohne wen, wie häufig, wie intensiv und wo
sich das Problem auftritt. Zugleich soll der Klient darauf achten, wann das Problem
schwächer beziehungsweise gar nicht erscheint. Hierdurch werden neue Sichtweisen
gewährt und der Blick auf die eigenen Lösungsressourcen forciert (vgl. Mücke 2009, S.
401).
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Eine zusätzliche Vorgehensweise im systemischen Arbeiten sind die metaphorischen
Techniken. Hierzu zählt die Arbeit mit einer Familienskulptur. Dabei stellen die
Familienmitglieder ihre Empfindungen über die Familienbeziehungen in einer Skulptur
dar. Es können sowohl Ist-Zustände als auch Soll-Zustände beleuchtet werden. Es sollten
ebenfalls die Familienverhältnisse vor und nach dem Problem erfasst werden. Darüber
hinaus gibt es das Konzept der Externalisierung des Problems, bei welchem eine Person
von seinem Problem getrennt betrachtet wird. Mit dem Einsatz von Metaphern und
märchenhaften oder hollywoodreifen Geschichten kann der Klient dahingehend motiviert
werden, sich solche Geschichten als Vorbild für eigene Zukunftsvisionen zu nehmen (vgl.
Haselmann 2008, S. 256).
3 Schulsozialarbeit
3.1 Begriffsklärungen
Für den Begriff der Schulsozialarbeit gibt es noch keine einheitlichen Definitionen, obwohl
es bereits seit Jahrzehnten in der Praxis existiert. Dies wird unter anderem auf Grund der
Nutzung verschiedener Synonyme für die Schulsozialarbeit verursacht. „Schulbezogene
Jugendsozialarbeit“, „schulbezogene Jugendhilfe“, „Soziale Arbeit an Schulen“ oder
„Jugendarbeit an Schulen“ sind nur einige Beispiele (vgl. Bassarak 2008, S. 39). Es ist
festzuhalten, dass Schulsozialarbeit eine Form der Jugendhilfe darstellt, welche am Ort
Schule angeboten wird. Dies erfolgt, indem sozialpädagogische Fachkräfte kontinuierlich
an einer Schule tätig sind und mit den Lehrern der Schule kooperieren. Diese
Zusammenarbeit ist verbindlich und setzt voraus, dass Sozialarbeiter und Lehrer als
gleichberechtigte Partner angesehen werden. Die Förderung der Schüler in ihrer
Entwicklung wird als Ziel ausgegeben. Dies beinhaltet den Abbau und die Vermeidung
von Bildungsbenachteiligungen. Die Erziehungsberechtigten und die Lehrkräfte gelten als
weitere Zielgruppen und sollen bei der Erziehung und dem erzieherischen Kinder- und
Jugendschutz beraten und unterstützt werden. Die sozialpädagogischen Tätigkeiten zeigen
sich in Beratungsgesprächen und der Zusammenarbeit mit Schülern, Lehrern und
Erziehungsberechtigten. Weiterhin gehören sozialpädagogische Gruppenarbeitsprozesse,
offene Kontakt- und Freizeitangebote für Schüler, Mitwirkungen an Unterrichtsprojekten
und schulischen Gremien sowie Gemeinwesenarbeitsvorgänge dazu (vgl. Speck 2007; S.
28f.).
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Trotz eines Grundverständnisses von Schulsozialarbeit bleiben Fragen zu den
theoretischen Begründungen, der Bedeutung, den Zielen, den Zielgruppen, den
Rechtsgrundlagen, den Methoden und der Trägerkonstellation von Schulsozialarbeit
unbeantwortet. Ein einheitliches Vorgehen in der Schulsozialarbeit ist somit kaum möglich
(vgl. Speck 2007, S. 29).
3.2 Trägerschaft
Die Rahmenbedingungen der Schulsozialarbeit hängen stark von den personellen,
trägerbezogenen, finanziellen, räumlichen, materiell-technischen und kooperations-
bezogenen Faktoren eines Standortes ab (vgl. Gastiger/Lachat 2012, S. 32). Vor allem bei
den trägerbezogenen Rahmenbedingungen stellt sich die Frage, welches Trägermodell am
besten für die Schulsozialarbeit geeignet ist. Das Trägermodell bestimmt maßgeblich die
Finanzierungsverantwortung, die konzeptionelle Ausrichtung, die Dienst- beziehungsweise
Fachaufsicht und die Ziele der Schulsozialarbeit sowie die Handlungsmöglichkeiten der
Schulsozialarbeiter und deren Integration in die Schul- und Jugendhilfestrukturen. Es wird
zwischen dem schulischen Träger, dem Jugendamt als örtlichen Träger und dem freien
Träger der Jugendhilfe unterschieden (vgl. Speck 2007, S. 77).
Wenn die Schulbehörde der Träger ist, müssen die unterschiedlichen Kompetenzen und
Befugnisse der Lehrer und Sozialarbeiter nicht mehr groß ausgehandelt werden, weil beide
Berufsgruppen der Weisungsbefugnis der Schulleitung unterliegen. Dementsprechend sind
die Erwartungen und Aufgaben klar verteilt. Ebenfalls findet eine gute und unkomplizierte
Integration der Schulsozialarbeiter in die schulischen Gremien statt. Infolge der
Finanzierungssicherheit durch die Schule kann eine kontinuierliche und langfristige
Schulsozialarbeit gewährleistet werden. Es ist jedoch ein Problem, dass die Schulbehörde
kaum über sozialpädagogische Kompetenzen verfügt und Sozialarbeiter folglich auf sich
allein gestellt sind. Es besteht die Gefahr, dass die Sozialarbeiter vornehmlich für
schulische Zwecke eingesetzt und die Aufgabenfelder der Jugendhilfe vernachlässigt
werden (vgl. Speck 2007, S. 77ff.).
Bei der Trägerschaft durch Jugendämter ist eine Einbindung in die Jugendhilfestrukturen
gegeben und eine sozialpädagogische Kompetenz des Trägers vorhanden. In diesem
Trägermodell agiert die Institution Schule mit der Schulsozialarbeit auf gleichberechtigter
Ebene. Die Sozialarbeiter werden nicht für schulische Zwecke vereinnahmt. Die
Autonomie gegenüber der Schule ermöglicht einen außenstehenden Blick auf das
Schulleben, womit größere Reformchancen in Bezug auf schulische Rahmenbedingungen
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bestehen. Im Gegensatz zu freien Trägern der Jugendhilfe haben Jugendämter bessere
Möglichkeiten, ein einheitliches und anerkanntes Fachkonzept zur Schulsozialarbeit auf
kommunaler Ebene zu festigen. Eine langfristige Finanzierung kann so sichergestellt
werden. Bei Einzelfallhilfen können trägerübergreifende Leistungen und Angebote
weitervermittelt werden. Das Jugendamt hat zudem leichteren Zugang zu
„Problemfamilien“. Dies schließt den Nachteil ein, dass Schüler und Eltern stigmatisiert
werden. Ängste und Befürchtungen bei Lehrern und Erziehungsberechtigten gegenüber
dem Jugendamt, welche unter Umständen einen schlechten Ruf haben, können sich als
hinderlich bei einer eventuellen Zusammenarbeit herausstellen. Die Distanz von Lehrern
und Schulleitungen gegenüber externen Schulsozialarbeitern erschwert eine strukturelle
und organisatorische Einbindung (vgl. Speck 2007, S. 78ff.).
Freie Träger der Jugendhilfe verfügen, wie Jugendämter, über sozialpädagogische
Kompetenzen, wodurch eine Einbindung in die Jugendhilfestruktur und die Autonomie
gegenüber der Institution Schule ermöglicht wird. Es können zusätzliche Ressourcen
aktiviert werden. Hierzu zählen Spenden, Fördermittel oder ehrenamtliche Mitarbeiter. Im
Vergleich zu Jugendämtern genießen freie Träger der Jugendhilfe oftmals einen besseren
Ruf. Freie Träger der Jugendhilfe besitzen dennoch weniger Macht als Jugendämter, weil
sie eine geringere Finanzierungssicherheit besitzen. Insbesondere kleinere und
leistungsschwächere Träger sind auf Fördermittel für die Absicherung von
Schulsozialarbeit angewiesen. Zeit- und Personalprobleme bei der fachlichen Begleitung
und Unterstützung der Sozialarbeiter können eintreten. Es können auch nur wenige
trägerübergreifende Hilfen angeboten werden. Überdies hinaus „genießt“ ein freier Träger
eine deutlich schwächere Position gegenüber der Schulbehörde. Die Kompetenzen und
Positionsstellungen müssen in einem langwierigen Prozess ausgehandelt werden (vgl.
Speck 2007, S. 78ff.).
Obwohl in der sozialpädagogischen Fachliteratur Jugendhilfeträger bevorzugt und
schulische Träger eher ablehnend bewertet werden, kommen in der Praxis alle drei
Trägermodelle zum Einsatz (vgl. Speck 2007, S. 80f.).
3.3 Aufgaben
Die Schulsozialarbeit ist ein Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe, d.h., die Grundsätze,
Handlungsprinzipien, Methoden und Techniken entsprechen den Vorstellungen der
Kinder- und Jugendhilfe (vgl. Gastiger/Lachat 2012, S. 18).
14
Es gehören folgende Forderungen zu den Grundsätzen der Schulsozialarbeit:
präventive Ausrichtung
sozialpädagogische Dienstleistungsorientierung
Vielfalt an Inhalten, Methoden und Arbeitsformen
Freiwilligkeit der Adressaten bei der Inanspruchnahme von Leistungen
Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten
Beteiligung der Schüler an allen sie betreffenden Entscheidungen
Schutz der Privatgeheimnisse und Sozialdaten
Vorrang des Elternrechtes
Schutzauftrag der Jugendhilfe und des Staates bei Kindeswohlgefährdung
offensives Handeln (vgl. Gastiger/Lachat 2012, S. 31f.).
In Bezug auf die Aufgaben und Ziele von Schulsozialarbeit wird vor allem den §§
1,11,13,80 und 81 SGB VIII eine wichtige Rolle zugeschrieben, obwohl in keinem der
genannten Paragrafen Schulsozialarbeit explizit angeführt wird (vgl. Speck 2007, S. 48).
§ 1 Abs. 3 SGB VIII (Jugendhilfe) basiert auf den Zielen der Kinder- und Jugendhilfe.
Dies betrifft die Förderung von jungen Menschen, den Abbau von Benachteiligungen, die
Erziehungsberatung für Erziehungsberechtigte und den Kinder- und Jugendschutz. Positive
Lebensbedingungen für Kinder, Jugendliche und deren Familien sollen erzielt werden. Es
soll eine schülerfreundliche Umwelt geschaffen werden. Nach diesem Paragraphen
fungiert ein Schulsozialarbeiter als „Anwalt“ für Schüler und gewährt ihm eine
Einmischungsfunktion in die Institution Schule (vgl. Speck 2007, S. 49).
In § 11 SGB VIII (Jugendarbeit) wird der Jugendarbeit eine Bildungsfunktion
zugeschrieben. Arbeitswelt-, schul- und familienbezogene Jugendarbeit wird dabei als
Schwerpunkt angegeben. Die Schulsozialarbeit entspricht diesem Anforderungsprofil,
indem sie außerunterrichtliche Angebote in der Freizeit, in Beratungsgesprächen und in der
Bildungsarbeit im Rahmen spezifischer Räume und Projekte zur Prävention anbietet und
durchführt (vgl. Gastiger/Lachat 2012, S. 26).
§ 13 SGB VIII (Jugendsozialarbeit) sagt aus, dass jungen Menschen geholfen werden soll,
welche unter sozialen Benachteiligungen oder individuellen Beeinträchtigungen im
erhöhtem Maße leiden. Durch sozialpädagogische Hilfen soll ihre schulische und
berufliche Ausbildung, ihre Eingliederung in die Arbeitswelt und ihre soziale Integration
gefördert werden (vgl. Speck 2007, S. 50). Obwohl sich dieser Paragraf mit dem Auftrag
der Schulsozialarbeit inhaltlich deckt, ist es problematisch, dass nur benachteiligte und
15
beeinträchtigte Jugendliche als Adressaten von sozialpädagogischen Hilfen erwähnt
werden. Schulsozialarbeit kann hingegen von allen Kindern und Jugendlichen einer Schule
wahrgenommen werden (vgl. Gastiger/Lachat 2012, S. 27).
Die §§ 80 und 81 SGB VIII beziehen sich auf die Jugendhilfeplanung und die
Zusammenarbeit mit anderen Stellen und öffentlichen Einrichtungen. Aus § 80 lässt sich
interpretieren, dass Jugendhilfe- und Schulentwicklungsplanungen aufeinander abgestimmt
werden sollen. § 81 ordnet den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe eine Kooperation mit
Schulen und Stellen der Schulverwaltung an. Für freie Träger der Jugendhilfe gelten diese
Paragrafen auf Grund ihrer Autonomie nicht (vgl. Speck 2007, S. 49).
Die Schulsozialarbeit hat somit als Form der Jugendhilfe den Auftrag, die individuelle und
soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu fördern. Hierzu müssen günstige
Lebensbedingungen ermöglicht werden. Dies bedingt eine Zusammenarbeit mit den Eltern
und den Lehrern. Die Jugendhilfe hat die Funktion, junge Menschen in die Gesellschaft zu
integrieren. Dem steht die Qualifikations-, Selektions- und Integrationsfunktion der Schule
gegenüber. Die Qualifikationsfunktion zeigt sich in der Vermittlung von Fertigkeiten und
Kenntnissen für die konkrete Arbeit und der Partizipation am gesellschaftlichen Leben. Die
starke Leistungsorientierung und die kognitive Wissensvermittlung können dafür sorgen,
dass die gesamte Lebenslage der Schüler unbeachtet bleibt. Unter der Selektionsfunktion
versteht man die Weitergabe der vorherrschenden sozialen Positionen innerhalb einer
Gesellschaft von einer Generation zur nächsten. Diese schulischen Anforderungen und
Belastungen können von einigen Schülern nicht erfüllt werden, welche zu einer
schulischen Ausgrenzung führen können. Der Schüler muss solch unangenehme
Erfahrungen selbstständig verarbeiten. Das Schulleben beeinflusst daher nicht nur die
unmittelbare Schulzeit, sondern auch die alltägliche Lebensgestaltung, das Lebensgefühl
und die Identitätsentwicklung von Schülern. Die Integrationsaufgabe der Schule wird stark
erschwert. Die Schulsozialarbeit hat den richtigen Umgang mit dem Spannungsverhältnis
von Integration und Differenzierung innerhalb der Schule zu finden (vgl. Speck 2007, S.
30ff.).
3.4 Angebote
Die Angebotspalette von Schulsozialarbeit lässt sich in vier Aufgabenbereiche unterteilen:
Einzelhilfe und Beratung in individuellen Problemsituationen; sozialpädagogische
Gruppenarbeit, Projekte und Arbeit mit Schulklassen; innerschulische und außerschulische
Vernetzung und Gemeinwesenarbeit sowie offene Angebote für alle Schüler. Neben diesen
16
vier Kernangeboten können weitere Aufgaben angeführt werden, welche allerdings nicht
zwangsläufig zum Leistungsprofil eines Schulsozialarbeiters gehören. Hierzu zählen
Hausaufgabenbetreuung, Unterrichtsvertretung, Organisation des Ganztagsbetriebes,
Mittagessen- und Pausenaufsicht sowie Randzeitbetreuung (vgl. Gastiger/Lachat 2012, S.
23f.). Das Beratungsangebot kommt vor allem dann zum Einsatz, wenn Schüler
persönliche Krisen erleben. Krisen können durch dramatische Lebensereignisse oder
langanhaltende zwischenmenschliche Konflikte ausgelöst worden sein. Der Tod einer
wichtigen Bezugsperson, der Ausbruch einer schweren Krankheit, das Zerbrechen einer
Freundschaft, die Ehescheidung der Eltern oder zu hohe schulische Anforderungen können
die Ursache einer Krise sein. Die Probleme der Schüler mit solchen Entwicklungs- und
Lernanforderungen können nur mit qualifizierter, professioneller Hilfe in Form von
Beratungsgesprächen geregelt werden (vgl. Braun/Wetzel 2006, S. 141 f.). Neben Krisen
sind Konflikte oftmals der Grund für das Aufsuchen von Beratungen. In der
Schulsozialarbeit richtet man sich bei solchen Schwierigkeiten nach dem Konzept der
konstruktiven Konfliktbearbeitung. Dieses Konzept findet in Konfliktregelungsgesprächen,
Mediationen, Täter-Opfer-Ausgleichen, Mobbinginterventionen und Klassenratssitzungen
Anwendung (vgl. Gastiger/Lachat 2012, S. 48). Fragen zur Berufsorientierung und
Lebensplanung stellen ein weiteres Themengebiet in der Beratung mit Schülern dar. Dies
spiegelt sich in der Erstellung von Bewerbungsmappen, Fragen zu
Vorstellungsgesprächen, der Suche nach Ausbildungs- und Praktikumsmöglichkeiten oder
der Orientierungslosigkeit der Schüler wieder. Psychosoziale Probleme können
infolgedessen einhergehen (vgl. Gastiger/Lachat 2012, S. 66f.).
Das Beratungsangebot der sozialpädagogischen Fachkräfte kann auch von
Erziehungsberechtigten und anderen erwachsenen Bezugspersonen der Kinder und
Jugendlichen wahrgenommen werden. Die Themen beziehen sich vornehmlich auf die
Bildung, Erziehung und Betreuung. Eheprobleme, Fragen zur Schullaufbahn, finanzielle
Notlagen, Sorgerechtsfragen, Konflikte mit Lehrern, Suchtprobleme oder andere
innerfamiliäre Schwierigkeiten werden bearbeitet. Der Schulsozialarbeiter muss für sich
entscheiden, ob er ein kompetenter Ansprechpartner der jeweiligen Problemschilderungen
ist. Ist dies nicht der Fall, müssen die Ratsuchenden an die zuständigen
Kooperationspartner weitervermittelt werden (vgl. Gastiger/Lachat 2012, S. 68f.). Auch
Lehrer und Schulleiter sind wichtige Kooperationspartner und Zielgruppen von
Schulsozialarbeit. Der Schulsozialarbeiter soll die Lehrer dabei unterstützen, die
Sichtweisen und Lebenswelten der Schüler besser zu verstehen und zu verinnerlichen. Des
17
Weiteren sollen den Lehrkräften Informationen über konkrete
Unterstützungsmöglichkeiten und Kooperationspartner bei den sozialen Einrichtungen und
Diensten vor Ort vermittelt werden. Die Beratung und Fortbildung von
sozialpädagogischen Themen, beispielsweise Präventionskonzepte oder Elternarbeit,
stellen einen anderen Gesprächsanlass der Lehrer dar. Die Lehrkräfte sollen dazu befähigt
werden, die akuten Probleme von Schülern innerhalb der Klassen selbstständig zu
verringern oder zu lösen. Bei Konfliktgesprächen zwischen Lehrern und Schülern fungiert
der Schulsozialarbeiter als Berater und Vermittler (vgl. Gastiger/Lachat 2012, S. 23). Bei
Elterngesprächen kann der Sozialarbeiter ebenfalls als Moderator und Vermittler eingesetzt
werden. Es ist bei der Zusammenarbeit mit Lehrern zu beachten, dass Lehrkräfte im
Gegensatz zu den Schülern keine Klienten im eigentlichen Sinne sind. Es ist vielmehr ein
Gespräch zwischen zwei Fachkräften aus unterschiedlichen disziplinären Richtungen (vgl.
Drilling 2009, S. 117).
Die sozialpädagogische Gruppenarbeit kann als weiteres Kernaufgabenfeld der
Schulsozialarbeit bezeichnet werden und hat eine präventive Funktion. Die vorgestellten
Themen sollen den Kindern und Jugendlichen derartig bewusst gemacht werden, dass
bestimmte Problemlagen gar nicht erst eintreten können. Zu den Gruppenangeboten
gehören das soziale Training, die Gewaltprävention, die Suchtprävention, die
Medienkompetenz, die Berufsorientierung und die Lebensplanung sowie die
Demokratieerziehung (vgl. Gastiger/Lachat 2012, S. 71f.). Ein soziales Training kommt
für Klassen in Frage, wenn dort außergewöhnliche Situationen wie Ausgrenzung, Mobbing
oder ähnliche Verhaltensweisen auftreten. Sowohl gemeinsame Aktivitäten als auch
Kommunikations- und Wahrnehmungstrainingseinheiten bewirken bei den Schülern eine
Selbstreflexion über den Umgang miteinander in der Gruppe. Durch die neu gewonnenen
Erkenntnisse innerhalb der Klasse können Möglichkeiten zur Verbesserung erarbeitet
werden. An einem Programm zur Suchtprävention können sowohl Schüler als auch Lehrer
und Eltern beteiligt sein. Es erfolgt eine Aufklärungsarbeit bezüglich der am weitesten
verbreiteten Suchtmittel des legalen und illegalen Konsums. Zudem werden Gefahren,
Wirkungsweisen und Risiken besprochen. Die Schüler sollen für die eigene Wahrnehmung
zur Suchtmittelproblematik sensibilisiert und zu einem verantwortungsbewussten Umgang
mit den verschiedenen Substanzen „erzogen“ werden (vgl. Just 2013, S. 43).
Eine zusätzliche Leistung der Schulsozialarbeit ist die Mitwirkung in Unterrichtsprojekten
und schulischen Gremien. Diese Tätigkeit erfolgt beispielsweise in einer Gesamtkonferenz,
Schulprogrammarbeit oder Klassenkonferenz. Des Weiteren ist die Kooperation und
18
Vernetzung mit dem Gemeinwesen von großer Bedeutung (vgl. Speck 2007, S. 62f.).
Bedeutende außerschulische Kooperationspartner sind Jugendämter, Psychologen,
Psychotherapeuten, Kinder-/Jugendpsychiater, Suchthilfeeinrichtungen, Polizeistellen,
regionale Unternehmen, die Agentur für Arbeit, Vereine/ Verbände mit Freizeitangeboten
und andere Einrichtungen der Jugendarbeit. Die Schulsozialarbeit hat die Aufgabe,
Kontakte zwischen der Schule und den aufgezählten externen Partnern zu erschließen und
weiter auszubauen. Insbesondere die Einzelfallhilfe und Beratung in individuellen
Problemlagen können von diesen Kontakten profitieren (vgl. Gastiger/Lachat 2012, S.
103f.).
Das Gestalten von offenen Angeboten für alle Schüler macht nur einen kleinen Teil der
Schulsozialarbeit aus. Dies liegt darin begründet, dass Schülercafés, Freizeitgruppen,
Schülertreffs oder aktive Pausengestaltungen für die meisten Schüler einen kurzfristigen
spontanen Charakter haben. Trotzdem vereinfacht das offene und lockere Setting eines
Schülercafés die Kontaktaufnahme zwischen den Schülern und den Schulsozialarbeitern
(vgl. Gastiger/Lachat 2012, S. 107ff.).
4 Möglichkeiten der systemischen Beratung in der Schulsozialarbeit
4.1 Übertragung der systemisch-konstruktivistischen Perspektive auf die Schule
Nach der systemisch-konstruktivistischem Perspektive ist ein Problemschüler kein
isoliertes Individuum. Ein Schüler ist Bestandteil eines Systems, welches sein Verhalten
organisiert beziehungsweise beeinflusst. Zum sozialen Netzwerk eines Schülers gehören
die Mitglieder seiner Familie und seiner Schulklasse. Innerhalb dieser Systeme wird
miteinander kommuniziert und interagiert, wodurch die Systemmitglieder mit ihren
Verhaltensweisen Einfluss auf einen anderen ausüben. Dies trifft auch auf abweichende
und problematische Handlungsweisen zu (vgl. Hennig/Knödler 2000, S. 25). Infolge der
Offenheit von Systemen besteht ein ständiger Austausch zwischen dem Familiensystem
und dem Schulklassensystem. Probleme eines Schülers innerhalb der Familie können sich
auf die Interaktionen in der Schulklasse auswirken. Aus diesem Grund muss ein Berater
beide Systeme in seinem Beratungsprozess beteiligen. So erhält der Berater wichtige
Informationen, um Hypothesen und mögliche Lösungsvorschläge für das Problem eines
Schülers aufstellen zu können. Die Erfolgschancen für Veränderungen erhöhen sich, wenn
zwei voneinander unabhängige Lebensbereiche ihre unterschiedlichen Sichtweisen
wiedergeben. Neue und alternative Wirklichkeits- und Möglichkeitskonstruktionen werden
19
eingeführt. Auf diese Weise wird der Handlungsspielraum der Beteiligten erweitert (vgl.
Hennig/Knödler 2000, S. 29ff.).
Kopplungserschwernisse kennzeichnen nicht selten die Zusammenarbeit mit der Familie
und der Schule. Tritt ein Kind in die Schule ein, so wird das Kind Bestandteil von zwei
Systemen und eine Trennung dieser Lebenswelten fällt dem Kind immer schwieriger. Ein
Schüler ist diesem Umstand fast täglich ausgesetzt. Dies hat zur Folge, dass die
Organisation der Schule und der Familie voneinander beeinflusst werden. Der Vorgang
wird von Koppelungserschwernissen begleitet. In der Institution Schule kommt die
Elternarbeit in der Lehrerausbildung zu kurz und den gesamten Lebensumständen eines
Schülers wird zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, weil es überwiegend um die
Vermittlung von kognitiven Schwerpunkten geht. Dem Lehrer fehlen Richtlinien im
Umgang mit Eltern und Behörden. Problemfälle mit schwierigen Schülern werden
meistens entsprechenden Fachkräften, wie Sonderschullehrern oder Schulpsychologen,
überlassen, zumal Elternarbeit für Lehrer Überstunden bedeutet. Es kann erschwerend
hinzukommen, dass das Verhältnis von Eltern einer Schule gegenüber durch negative
Erfahrungen vorbelastet ist. Es ist möglich, dass Eltern ihren Kindern solche Einstellungen
bezüglich der Schule vorleben und diese von den Kindern übernommen werden. Einige
Eltern wollen auch keine Kritik an der Schule oder am Lehrer äußern, weil sie mit
Sanktionen für ihr Kind seitens des Lehrers rechnen. Ein offener Umgang ist kaum
machbar. Die Distanz zwischen Eltern und Schule wird weiter vergrößert, wenn Eltern
neue Lehrdidaktiken oder -methoden nicht mehr bekannt sind. Das Phänomen der
Schulferne tritt insbesondere bei Familien in der Unterschicht mit einem niederen
Bildungsstandard auf. Diese Entwicklung ist davon geprägt, dass sich Familie und Schule
voneinander isolieren, weil sich ihre Lebenswelten immer mehr voneinander entfernen. In
einem Konfliktfall sehen sie sich als Konkurrenten und weisen sich gegenseitig die Schuld
zu (vgl. Hennig/Knödler 2000, S. 31f.).
Die Handhabung von derartigen Konflikten erfordert vom Berater ein Grundverständnis
für die Systeme der Schule und der Familie. Die Schule lässt sich in mehrere Systeme
unterteilen, welche miteinander und mit der Umwelt im Austausch stehen, wie
beispielsweise die Schulklasse, das Kollegium oder das Klassensystem. Für einen Schüler
spielt das System der Schulklasse eine bedeutende Rolle. Durch die Interaktion mit den
weiteren Schulsystemen handelt es sich um ein offenes System. Die Schulklasse ist mehr
als nur die Summe ihrer Schüler, denn sie lebt von einer einzigartigen Organisation. Die
Handlungen eines Schülers und die Reaktion der Mitschüler sind nicht voneinander zu
20
trennen. Dem Problemverhalten eines Schülers kann in der Schulklasse eine Funktion
zugeschrieben werden, welche zum Gleichgewicht der Klasse beiträgt. Sowohl ruhige als
auch unruhige Schüler sind für Gruppenprozesse mitverantwortlich. Möchte man nun das
symptomatische Verhalten eines Kindes oder Jugendlichen verändern, kann von einem
Widerstand des Klassensystems ausgegangen werden. Eine Verhaltensänderung des
Einzelnen geht mit einer Veränderung der gesamten Klassenorganisation einher. Die
zirkuläre Kommunikation ist nicht nur im System der Schule, sondern auch im System der
Familie anzuwenden (vgl. Hennig/Knödler 2000, S. 33f.). Aus diesem Grund ist es
wichtig, dass alle Personen erfasst werden, die im Familien- beziehungsweise Alltagsleben
des Schülers integriert sind. Dies schließt zum Beispiel den geschiedenen Vater oder die
Großmutter mit ein. Nur wenn alle relevanten Bezugspersonen beteiligt sind, kann eine
vollständige Aussage über den Sinn eines Symptoms getroffen werden (vgl.
Hennig/Knödler 2000, S. 38).
Da ein Kind seine ersten sechs bis sieben Lebensjahre meistens ausschließlich in der
Familie verbringt und deren Interaktionsmuster annimmt, erhält die Familie im Vergleich
zur Schule eine größere Bedeutung. Gleichzeitig stellen Eltern und Geschwister wichtigere
Bezugspersonen als Lehrer oder Mitschüler dar. Eine Ausnahme kann der Einfluss der
Peergroup in der Pubertät sein. Die problematischen Verhaltensweisen eines Schülers
werden daher eher im Kontext der Familie gesehen. Die Schule macht die gezeigten
Symptome „nur“ öffentlich. Trotzdem kann die Schule durch die Unterrichtsgestaltung, die
Lehrerpersönlichkeit oder das Klassenklima einen Schüler beeinträchtigen. Diese
Phänomene betreffen aber meist mehrere Schüler und sind nicht von langer Dauer. Oftmals
reicht ein Lehrerwechsel zur Beseitigung des Problems aus. Bei Symptomen, die durch das
System der Familie ausgelöst wurden, ist eine Lösungsfindung nicht so einfach
herzustellen. Die Schule hat dabei die Aufgabe, die Eltern unter einen gewissen Zugzwang
zu stellen. Aggressionen oder ähnliche Verhaltensweisen in der Familie können vor der
Umwelt geheim gehalten werden. Bei Schulversagen oder Aggressionen in der Schule
kann dies nicht getan werden. Die Familie muss handeln (vgl. Hennig/Knödler 2000, S.
36f.).
Die Funktion des Symptoms wird ins Visier genommen und kann sehr unterschiedlich
ausfallen. Das Zusammenhalten der sich auseinander lebenden Eltern, innerfamiliäre
Missbrauchssituationen, das Bedürfnis nach intensiverer Zuwendung oder das Ablenken
enger Bezugspersonen von deren Problemen können als versteckte Intentionen
herausgearbeitet werden. Der Berater muss dem Sinn eines Symptoms genau nachgehen,
21
um dem Schulkind und seiner Familie erfolgreich helfen zu können. Dies gilt nicht für
Probleme, die der individuellen Ebene eines Kindes oder Jugendlichen zuzuordnen sind.
Intellektuelle Überforderung, Legasthenie (Lese-Rechtschreib-Schwäche) oder
Dyskalkulie (Rechenschwäche) verlangen einen entsprechenden Schulformwechsel oder
eine individuelle Behandlung (vgl. Hennig/Knödler 2000, S. 40). Problemsituationen eines
Schülers können beispielsweise das mangelnde Vertrauen in eigene Fähigkeiten,
Prüfungsängste, Schulverweigerung, Schulphobie, Gewalt, Mobbing, Essstörungen,
Suchtverhalten und verschiedene Einschränkungen hinsichtlich der Konzentration,
Lernmotivation und Aufmerksamkeit sein (vgl. Hubrig/Herrmann 2005, S. 194ff.). Auf
Grund der nur begrenzten Länge der vorliegenden Arbeit kann nicht auf alle Problemlagen
näher eingegangen werden.
4.2 Übertragung der systemisch-konstruktivistischen Perspektive auf die
Problemlagen eines Schülers
4.2.1 Schulschwänzen, Schulangst und Schulphobie
Schulverweigerung wird als ein Verhalten verstanden, bei welchem es den Schülern aus
eigenen Beweggründen nicht möglich ist, zur Schule zu gehen oder einen ganzen Schultag
durchzuhalten. Um solche Verhaltensweisen des Schülers erklären zu können, muss der
systemische Kontext erforscht werden. Das Verhältnis von Schülern, Mitschülern, Lehrern
und Familien steht im Blickpunkt. Es gibt drei Phänomene der Schulverweigerung:
Schulphobie, Schulangst und Schulschwänzen (vgl. Schweitzer/von Schlippe 2007, S.
300f.). Eine Schulphobie wird durch die Familiensituation ausgelöst. Ein Kind leidet
vornehmlich unter der Angst vor der Trennung von seinen Eltern. Die Schulangst liegt
hingegen in der Schulsituation begründet. Angst vor den Leistungsanforderungen sowie
Mobbing durch Mitschüler oder Schwierigkeiten mit dem Lehrer verursachen ein
Verhalten der Schulverweigerung (vgl. Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 302). Mobbing
bezeichnet das Ausgrenzen eines Schülers aus einer Klassengemeinschaft durch verbale
oder körperliche Attacken unter Führung eines Schülers oder einer kleinen Gruppe. Dies
erfolgt durch Beleidigungen über das Äußere und über den Ausschluss von
außerschulischen Veranstaltungen oder schulischen Gruppenarbeiten (vgl. Hubrig,
Herrmann 2005, S. 223). Mobbing wird als ein Symptom für gestörte Kommunikation
angesehen. Während das Mobbing-Opfer isoliert wird, lernt der Täter, sich mit solchen
Taktiken der Bloßstellung zu behaupten. Schulschwänzen wird von verschiedenen
Umständen „begünstigt“. Hierbei können individuelle, familiäre, soziale und materielle
22
Faktoren sowie ungünstige schulische Rahmenbedingungen eine Rolle spielen. Es kommt
erschwerend hinzu, dass Schüler das Schwänzen vor ihren Eltern verheimlichen, indem sie
entsprechende Briefe der Schule abfangen. Die Schüler entziehen sich mehr und mehr der
Kontrolle und Aufsicht durch Schule und Eltern. Die fehlenden Sozialkontakte zur Schule
sowie die Abgrenzung von der Familie können zu einer Verwahrlosung führen (vgl.
Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 302ff.).
Schulverweigerung ist mit der allgemeinen gesetzlich bestimmten Schulpflicht eng
verbunden, denn ohne Schulpflicht wäre eine Schulverweigerung nicht möglich. Im
Gegensatz zu Schulleitern und Eltern muss der Berater auf Grund seiner Grundhaltungen
dem Fernbleiben von der Schule neutral gegenübertreten. Sowohl das Fernbleiben vom
Unterricht als auch das Hingehen zum Unterricht werden wertschätzend kommentiert, um
die Unparteilichkeit des Beraters zu garantieren. Es ist zudem erforderlich, dass Eltern und
Lehrer in die Lösungsfindung integriert werden. Das Zusammenarbeiten der beiden
„Parteien“ kann dafür sorgen, dass sie sich gegenseitig in ihrer Autorität stärken. Wenn sie
allerdings nicht miteinander kommunizieren oder sogar gegeneinander arbeiten, tritt das
Gegenteil ein. Es muss ein Gespräch zwischen Berater, Schüler, Klassenlehrer, Eltern und
eventuell Schulleiter eingeleitet werden. Das Gespräch ist vom Berater so zu gestalten,
dass der Blick auf Lösungen und nicht auf das problematische Verhalten gerichtet ist. Jeder
Gesprächsteilnehmer soll das Gefühl bekommen, positiv zu einer Veränderung beitragen
zu können. Der Berater muss eine Atmosphäre schaffen, in welcher sich die
Gesprächsteilnehmer nicht als Patienten, sondern als wichtige Ratgeber wahrnehmen. Im
Gespräch befragt der Berater zuerst den Schüler nach seinen Interessen und Fähigkeiten.
Erst danach wird das Problem behandelt. Die Eltern legen ihre Wahrnehmungen bezüglich
der Familiensituation dar, während sich der Lehrer zu seinem Verhältnis zum Schüler
äußert. Dies hat zur Folge, dass Eltern und Lehrer die Sichtweise des anderen
kennenlernen. Sie sind nicht mehr auf die einseitigen Beschreibungen des Schülers
angewiesen. Durch die Kooperation aller Beteiligten kann nun gemeinsam ein Plan
erarbeitet werden, was zu Hause und in der Schule ausprobiert werden soll und wie sich
Eltern und Lehrer gegenseitig helfen können. In den Folgesitzungen thematisiert der
Berater die erzielten Verbesserungen und weitere Veränderungsideen werden besprochen.
Bei innerfamiliären Problemen können zusätzlich Familiengespräche angeboten werden
(vgl. Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 305ff.).
23
Eine Schulphobie ist häufig geprägt von kindlichen Trennungsängsten und Verlustängsten
des eigenen Selbstwertgefühls, welches in der Familie, aber nicht in der Schule intakt ist.
Da die Selbstwertängste eines Kindes oft mit den Ängsten der Eltern in einem
Zusammenhang stehen, müssen die elterlichen Ängste hinterfragt werden (vgl.
Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 307). Der Schulbesuch des Kindes kann die
Bindungsverhältnisse innerhalb einer Familie stark verändern. Bei Familien mit besonders
ausgeprägten Trennungs- und Verlustängsten muss zunächst der Sinn der Bindungen
zwischen den Familienmitgliedern untersucht und respektiert werden, um im nächsten
Schritt die bisherigen Interaktionsmuster vorsichtig infrage zu stellen (vgl. Schweitzer/von
Schlippe 2007, S. 302). Hierbei gilt es, die Unabhängigkeit und Autonomie der einzelnen
Familienmitglieder anzuregen, ohne die gegenseitigen Abhängigkeitswünsche komplett zu
vernachlässigen. Damit die Veränderungen nicht zu überhastet realisiert werden, können
im Abschlusskommentar einer Beratungssitzung Rückfälle verschrieben werden. So erhält
ein Kind beispielsweise die Aufgabe, einmal pro Woche seinen Eltern von den Dingen in
der Schule zu erzählen, welche ihm nicht gefallen. Dies soll auch getan werden, wenn es
gar nicht der Fall wäre. Gleichzeitig wird eine Neutralität zu den Themengebieten
Schulbesuch oder Fernbleiben sowie Ablösung oder Bindung gewährt (vgl. Schweitzer/von
Schlippe 2007, S. 307ff.).
Bei Schulangst, verursacht durch Mobbing oder Gewaltanwendung im Setting Schule
durch die Mitschüler, muss gemeinsam mit dem Lehrer und den Eltern geklärt werden, ob
ein Klassen- oder Schulwechsel als Lösung geeignet wäre. Allerdings kann es bei einer
solchen Vorgehensweise passieren, dass das Mobbing mit anderen Tätern und Opfern
fortgesetzt wird. Daher ist es von Bedeutung, dass Gespräche mit dem Täter, dem Opfer
und den Eltern geführt werden (vgl. Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 312). Das bisherige
Leben von „Mobbern“ ist oftmals geprägt von Vernachlässigung und Gewalterfahrungen
durch die Eltern (vgl. Hubrig/Herrmann 2005, S. 222). Die Familie des Mobbing-Täters
muss demnach in den Beratungsprozess involviert werden. Bei der Suche nach Ressourcen
muss erfragt werden, wie die Eltern, Großeltern, Geschwister, Verwandte, Freunde oder
Jugend- und Sportvereine besser in den Erziehungsprozess einbezogen werden können.
Neben den privaten Netzwerken werden die institutionellen Netzwerke, wie Jugendämter,
sowie stationäre und ambulante Jugendhilfeeinrichtungen berücksichtigt. Der Berater
organisiert dementsprechend Familien-Helfer-Konferenzen, wo alle Fachleute und
Betroffene zusammenkommen und sich gemeinsam als Teil des Problems und Teil einer
Lösung betrachten. Die Eltern des Täters werden im Vorfeld der Konferenzen so
24
vorbereitet, dass sie ihre Ängste vor den institutionellen Einrichtungen abbauen und offen
mit den Fachleuten über ihre Befürchtungen und Wünsche reden können (vgl.
Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 324ff.).
Im Umgang mit dem Mobbing-Opfer ist darauf zu achten, dass er sich selbst nicht als
ohnmächtiges und missbrauchtes Opfer sieht. Nur so wird der Aspekt ermöglicht, dass er
wahrnimmt, Teil des Geschehens zu sein und seine Situation aktiv beeinflussen kann. In
einer Einzelberatung kann der Berater mit einer Figurenaufstellung arbeiten, wodurch die
Wechselwirkungszusammenhänge innerhalb der Klasse offengelegt werden. So wird für
den betroffenen Schüler ein Platz in der Klasse gesucht, durch welchen ein weiterer
Mobbing-Fall erfolgreich verhindert werden kann. Es kommen vor allem die Freunde und
die Gruppe der neutralen Mitschüler infrage. Vor dem Hintergrund, dass Mobbing-Opfer
häufig über wenig Selbstbewusstsein und Ansehen in der Klasse verfügen, muss ihr
Selbstbewusstsein gestärkt werden. Der Berater fragt den Schüler, was die anderen einlädt,
gerade ihn zu attackieren und was er in solchen Situationen anders machen könnte. Sein
Verhalten wird kontextualisiert und dekonstruiert, wodurch nun nach alternativen
Handlungsmöglichkeiten gesucht werden kann (vgl. Hubrig/Herrmann 2005, S. 224). Die
Eigenverantwortlichkeit des Opfers wird gestärkt und er realisiert, dass er weiteren
Angriffen nicht hilflos ausgesetzt ist. So kann er zum Beispiel bei seinen Verbündeten in
der Klasse um Unterstützung bitten. Durch schulweit geltende Regeln,
Informationsveranstaltungen und Diskussionsrunden zum Thema Mobbing in der Schule
können Schüler dafür gewonnen werden, etwas gegen Mobbing zu unternehmen. Sie
nehmen Kontakt zum Opfer auf und stehen ihm bei eventuellen Attacken unterstützend zur
Seite. Zum Erkennen und Stoppen von Mobbing müssen Lehrer ein entsprechendes
Training absolvieren (vgl. Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 312f.). Dadurch können
Lehrer die Versuche eines Täters unterbinden, verbieten und möglicherweise Sanktionen
aussprechen. Infolge des Eingriffs der Lehrer können solche Interaktionsmuster erfolgreich
unterbrochen werden (vgl. Hubrig/Herrmann 2005, S. 224).
Die Arbeit mit chronischen Schulschwänzern gestaltet sich anfangs schwierig, weil ihnen
die Schule so gleichgültig geworden ist, dass sie keine Angst mehr vor der Schule und den
Konsequenzen eines Fernbleibens haben. Es ist für sie persönlich interessanter und
sinnvoller, nicht die Schule zu besuchen. Der Berater muss nach ähnlichen Erfahrungen
fragen, die einen ähnlich positiven Effekt auf den Betroffenen hatten, ohne dass gegen die
Schulpflicht oder andere Gesetze verstoßen wird. Die Themen Kontrolle und
Unfreiwilligkeit können so aufgearbeitet werden, dass die Schulverweigerung als
25
Ressource verstanden wird, durch welche der Schüler seine Identität und Unabhängigkeit
gegenüber den Forderungen der Umwelt beibehält (vgl. Schweitzer/von Schlippe 2007, S.
311). Das Schulschwänzen liegt oftmals darin begründet, dass sich der Schüler von seinen
Eltern nicht genügend wahrgenommen und aufgehoben fühlt. Allerdings sollte den Eltern
nicht die Vernachlässigung des eigenen Kindes vorgeworfen werden. Stattdessen wird das
Schulschwänzen als Lösungsversuch angesehen, durch welchen die Eltern wieder näher zu
ihrem Kind gebracht werden und ihm das geben, was er bis dahin vermisst hat. Endlich
erfährt das Kind die nötige Zuwendung von seinen Eltern (vgl. Hubrig/Herrmann 2005, S.
218). Es gilt aber zu beachten, dass den betroffenen Eltern die Schule oft so egal ist, wie
den eigenen Kindern. In solchen Fällen deutet das Schulschwänzen auf
Beziehungskonflikte zwischen Schule und Familie hin. Der Berater muss zwischen den
beiden Seiten vermitteln und die Basis für eine gemeinsame Kooperation schaffen (vgl.
Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 311f.).
4.2.2 Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom oder -störung
Nach ICD-10 wird das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS) als hyperkinetische
Störungen angeführt. Hierunter wird ein hohes Ausmaß von Unaufmerksamkeit,
Überaktivität und Unruhe verstanden. ADHS tritt meist in den ersten fünf Lebensjahren
auf. Kinder und Jugendliche, welche an ADHS leiden, haben Probleme, sich lange auf
Aufgaben zu konzentrieren, die einen kognitiven Einsatz erfordern. Dies führt dazu, dass
hyperkinetische Kinder ihre Aufmerksamkeit von einer Tätigkeit zu einer anderen
wechseln, ohne eine Tätigkeit erfolgreich zu beenden. Sie agieren achtlos und impulsiv,
wodurch es ihnen schwerfällt, geduldig zu sein. Sie haben das Bedürfnis, ständig in
Bewegung zu sein (vgl. Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 280f.). Das Befolgen von
Regeln und Anweisungen ist stark erschwert. Vor allem Transferanforderungen von einem
Lernkontext auf einen anderen können kaum erfüllt werden. Kinder und Jugendliche mit
ADHS berufen sich nicht auf ihre Vorerfahrungen und ihr Arbeitsgedächtnis, obwohl sie
es könnten. Sie leben im jeweiligen Augenblick und setzen deshalb ein nur kleines
Zeitfenster ein (vgl. Hubrig/Herrmann 2005, S. 213). Das auffällige Verhalten zeigt sich
häufig in größeren Gruppen bei länger andauernden Leistungsanforderungen vor, wozu
auch das eigenständige Arbeiten in einer Schulklasse gehört. Eine
Aufmerksamkeitsstörung kann auch ohne Hyperaktivität auftreten. Die von diesem
Krankheitsbild betroffenen Personen wirken geistig abwesend, hören nicht gut zu,
bekommen nicht viel mit und vergessen, was ihnen gerade gesagt wurde. ADHS darf nur
26
diagnostiziert werden, wenn eine ausgeprägte Störung mit einem erheblichen Leidensdruck
der betroffenen Person und/oder seines sozialen Umfelds einhergeht. Die
Ursachenforschung von ADHS ergibt keine einheitliche Aussage. Es wird von einer
Kombination von genetischen Voraussetzungen und verschiedenen Umweltfaktoren
ausgegangen (vgl. Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 282f.).
Der systemische Ansatz ermöglicht es, eine neutrale Haltung gegenüber der Diagnose
ADHS einzunehmen. Unter Anwendung des Konstruktivismus macht man sich bewusst,
dass alles, was subjektiv beschrieben wird, auch anders beschrieben werden könnte. Der
Berater wägt mit dem Kind oder Jugendlichen und seinen Eltern gemeinsam ab, welche
Vor- und Nachteile eine Diagnosestellung bieten kann. Die Diagnose ADHS kann
bedeuten, dass der Betroffene seine Aufmerksamkeitsstörung oder seine Hyperaktivität
nicht absichtlich vollzieht. Dieses Verständnis kann sich konfliktlösend und
stressreduzierend auf die gesamte Familie auslösen (vgl. Schweitzer/von Schlippe 2007, S.
283). Eltern nehmen eine Störung ihres Kindes oft als Kränkung wahr und machen sich
Selbstvorwürfe. Eine genaue Diagnosestellung und Informationen über ADHS könnten
eine entlastende Wirkung bei den Eltern erzeugen und alternative Handlungsmöglichkeiten
bezüglich der Störung bieten (vgl. Hubrig/Herrmann 2005, S. 214). Die Eltern erhalten
endlich eine Erklärung für das schwierige Verhalten ihres Kindes, wodurch sich ihre
Selbstvorwürfe verringern. Systemiker verstehen ADHS-Konstellationen als eine
Beziehungsstörung zwischen dem Kind und seinen Eltern. Es entwickelt sich ein System
um das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom herum, welches durch die zirkulären
Wechselbeziehungen zwischen dem Kind und den Eltern organisiert wird. Die Handlungen
und deren Deutungen aller Beteiligten beeinflussen sich gegenseitig, weswegen zwischen
Ursache und Wirkung nicht unterschieden werden kann. Betrachten beispielsweise die
Eltern sich selbst oder ihr Kind als Schuldigen für die Störung, beeinträchtigen diese
subjektiven Empfindungen das Eltern-Kind-Verhältnis. Schätzen die Eltern die
Hyperaktivität ihres Kindes jedoch als Aufgewecktheit und Tatendrang ein, wird dadurch
ein positiver Einfluss auf das Verhältnis zwischen den Systemmitgliedern ausgeübt (vgl.
Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 285f.).
Für ein systemisches Vorgehen in der Schulsozialarbeit ist das Modell einer ambulanten
systemtherapeutischen Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie nach Helmut Bonney,
einem systemtherapeutisch arbeitenden Kinderneurologen und Kinderpsychiater, von
Vorteil. Am Anfang der Therapie wird versucht, Eltern und ihre Kinder über Ursachen für
ADHS aufzuklären, indem Einflüsse wie Stoffwechsel, Allergien, Ernährung und
27
Vererbung als mögliche Verursacher diskutiert werden. Zudem werden die beteiligten
Personen zu ihrer Einstellung bezüglich der Veränderbarkeit beziehungsweise
Unveränderbarkeit befragt. Der Therapeut sollte das Kind und die Eltern dahingehend
aufklären, dass es immer noch wissenschaftliche Unsicherheiten im Hinblick auf ADHS
gibt. Es kann sich demnach auch um andere Störungen handeln, welche eine andere
medizinische oder psychotherapeutische Behandlung verlangen. Der Therapeut erstellt
gemeinsam mit den anwesenden Personen eine Problemdefinition, basierend auf den
Erfahrungen, die Eltern mit ihrem Kind gemacht haben. Im nächsten Schritt wird die
Sprech- und Sprachentwicklung des Kindes thematisiert. Eltern erwähnen häufig, dass es
bei ihrem Kind zu einem frühen Spracherwerb kam, wodurch sich der Erziehungsstil
hauptsächlich auf rein verbale Elemente konzentrierte. Nonverbale, in erster Linie taktile,
Methoden gerieten in den Hintergrund (vgl. Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 292f.).
Taktile Wahrnehmung bezeichnet das Fühlen mit Händen, Füßen oder der gesamten
Körperoberfläche. Sie kann durch Körperkontakt zu anderen Kindern oder Erwachsenen
und bestimmte Massage- und Abreibungstechniken erweitert werden (vgl. Hachmeister
1997, S. 93f.).
Zur Ressourcenorientierung ist es wichtig, sich Ausnahmen vom ADHS-Verhalten bewusst
zu machen. Der Therapeut erfragt, wann sich das Kind aufmerksam konzentrieren oder
ruhig verhalten konnte und was der Auslöser dafür war. Mithilfe dieser Erfahrungen
können Situationen entwickelt werden, welche die Ausnahmen vom ADHS-Verhalten
begünstigen (vgl. Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 293). Eine weitere Form der
Ressourcenorientierung ist der Einsatz von einem Refraiming für die Eltern. Das ADHS-
Verhalten des Kindes ist demzufolge keine Schuld der Eltern, sondern es erfordert
vielmehr eine besondere Kompetenz der Eltern, um mit diesen Umständen umzugehen. Es
ist zudem die Verwendung von Metaphern vorstellbar, um ADHS besser verständlich zu
machen. Die Nomaden-Metapher vergleicht die Nicht-Sesshaftigkeit der Nomaden mit den
stundenlangen Sitzen und Zuhören in der Schule. Schüler mit ADHS können dieser
„Sesshaftigkeit“ widerstehen, wie es die Nomaden einst taten. Die Rennauto-Metapher
stellt Gemeinsamkeiten zu den Besonderheiten eines Rennautos her. Dieses ist schnell und
rasant, aber zur selben Zeit gefährdend und schwer zu bremsen. Es ist nun von Bedeutung,
wie ein Automechaniker zu agieren, um trotz der hohen Kilowatt-Anzahl (PS) ein sicheres
Abbremsen zu gewährleisten (vgl. Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 286ff.).
Zur Veränderung der bisherigen Kommunikationsabläufe sollte der Therapeut bereits in
den ersten Sitzungen das betroffene Kind leicht und unangekündigt berühren, damit eine
28
spontane Blickreaktion, eine fokussierte Aufmerksamkeit und ein zielgerichtetes Zuhören
des Kindes auf den Therapeuten möglich ist. Erst dann redet der Therapeut zu dem Kind,
was häufig eine größere Redebereitschaft des Kindes bewirkt. Nachdem den Eltern diese
Kommunikationsabfolge erklärt wird, bekommen die Eltern die Aufgabe verschrieben, die
neu erlernten Kommunikationsmuster in den nächsten Tagen anzuwenden (vgl.
Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 293). Des Weiteren sollte darauf geachtet werden, gutes
Verhalten des Kindes zeitnah und eindeutig zu loben. Ein Kind mit ADHS wurde schon oft
genug für seine Verhaltensweisen kritisiert, was mit Entmutigung und Schädigung des
Selbstwertgefühls einhergeht (vgl. Hubrig/Herrmann 2005, S. 216).
Nachdem sich die ersten positiven Kompetenzerlebnisse eingestellt haben, kann sich der
Therapeut dem Erziehungsstil der Eltern sowie möglichen Erziehungsstildifferenzen und
Paarkonflikten zuwenden. So kann es vorkommen, dass die Hyperaktivität eines Kindes
dafür sorgt, dass sich die Eltern vermehrt um ihr Kind kümmern und von ihren
Beziehungsproblemen abgelenkt werden (vgl. Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 292f.). Es
ist ratsam, den Eltern ein Elterncoaching nahezulegen, um ADHS besser begreifen und
dem Kind günstige Rahmenbedingungen ermöglichen zu können. Gemeinsam erziehenden
und gut kooperierenden Erziehungsberechtigten fällt es einfach, von ihrem Erziehungsstil
überzeugt zu sein, wodurch sie mit Ruhe und Gelassenheit auf problematische Situationen
eingehen können, ohne aufbrausend oder impulsiv zu reagieren. Bei Eltern mit
unterschiedlichen Erziehungsmethoden oder bestehenden Paarkonflikten gestaltet sich dies
schwierig. Eine Paarberatung ist zu empfehlen. Hilfreiche Netzwerke müssen bei der
Arbeit mit alleinerziehenden Eltern aufgebaut und gepflegt werden. Dies bezieht wichtige
Kontaktpersonen, wie die Großeltern, den geschiedenen Lebenspartner, den neuen
Lebenspartner oder gute Freunde, mit ein (vgl. Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 287f.).
Sollten außerfamiliäre Konfliktkonstellationen, zum Beispiel mit einem Lehrer, vorliegen,
so kann der Lehrer zu einem Gespräch miteingeladen werden. Dem Lehrer können
wichtige Informationen und Ratschläge gegeben werden, wenn er es als nötig erachtet (vgl.
Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 294).
4.2.3 Sucht
Suchtverhalten wird in der ICD-10 als psychische Störung und Verhaltensstörung durch
psychotrope Substanzen aufgelistet. Es gibt eine große Anzahl von Störungen
unterschiedlichen Schweregrades und mit verschiedenen klinischen Erscheinungsbildern.
Die unterschiedlichen Störungsbilder haben die Gemeinsamkeit, dass eine Verbindung
29
zwischen körperlicher Abhängigkeit (Substanzen) und psychischen Auffälligkeiten
vorliegt. Bei den Substanzen kann es sich um anerkannte Drogen (Alkohol und Tabak)
oder illegale Drogen (Heroin, Kokain, etc.) handeln (vgl. Schweitzer/von Schlippe 2007, S.
191ff.).
Der Begriff der Abhängigkeit ist auf drei Ebenen anwendbar. Auf der biologischen Ebene
konsumiert ein biologisches System Suchtmittel, welche seinen inneren Zustand
verändern. Obwohl jede Substanz unterschiedlich wirkt, wird eine Toleranzsteigerung
durch chemische und neuronale Prozesse im Organismus erreicht. Dies hat zur Folge, dass
die Dosis der Droge erhöht wird. Mit der Zeit ist die konsumierte Substanz ein fester
Bestandteil im Lebewesen, was zu einer physischen Abhängigkeit führt. Das Absetzen
eines Suchtmittels bringt Entzugserscheinungen mit sich. Auf der psychischen Ebene wird
die Suchthandlung so häufig durchgeführt, dass sie sich auf der psychischen Ebene
festsetzt, da kaum noch alternative Handlungsstrategien bestehen. Nach der
kommunikativ-sozialen Ebene gibt es die Sucht an sich nicht. Suchtverhalten ist in ein
System von Beschreibungen und Zuschreibungen integriert, welche von subjektiven
Beobachtern ausgehen. Es werden die Beziehungskontexte analysiert, in welchem
süchtiges Verhalten auftritt. Für eine systemische Verfahrensweise ist insbesondere auf die
kommunikativ-soziale Ebene zu achten, um die komplexen Zusammenhänge einer Sucht
zu erklären (vgl. Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 192ff.).
Aus systemischer Sicht entstehen Probleme, wenn Verhaltensmuster, die früher zur Lösung
eines Konfliktes dienten, ständig wiederholt werden, obwohl sie nicht mehr zur
Konfliktbewältigung beitragen. Die Lösung entwickelt sich zum Problem. Bezogen auf den
Suchtmittelmissbrauch heißt dies, dass der Konsum von Suchtmitteln mit Suchtmitteln
gelöst werden soll (vgl. Thomasius 2005, S. 87). Einige Jugendliche haben in ihren
Familien kein alternatives Konfliktlösungsverhalten vermittelt bekommen. Der
Drogenkonsum von Jugendlichen ist häufig auf eine fehlende Fürsorge und Versorgung
oder einem Übermaß an Versorgung seitens der Eltern zurückzuführen. Die Einnahme von
Suchtmitteln fungiert als Nähe-Distanz-Regulation. So kann eine emotionale Distanz zu
Problemen hergestellt werden, welche zugleich die Nähe zu anderen Personen zulässt, die
man in einem „normalen“ Zustand als unangenehm empfinden würde. Ein weiterer
Konflikt, der Suchtverhalten auslösen kann, ist der Autonomie-Abhängigkeits-Konflikt.
Junge Menschen befinden sich oftmals in einer Diskrepanz zwischen
Autonomiebestrebungen und Abhängigkeits- beziehungsweise Zugehörigkeitswünschen.
Auf der einen Seite steht die selbstständige Verwirklichung der eigenen Wünsche und
30
Ziele im Fokus der Betrachtung, wobei auf der anderen Seite das Bedürfnis relevant ist,
sich auf eine oder mehrere Personen einzulassen. Durch die Annahme von Hilfeleistungen
anderer wird eine „Ko-Abhängigkeit“ geschaffen (vgl. Hubrig/Herrmann 2005, S. 234ff.).
Ein Familienmitglied oder ein Freund hilft beispielsweise durch die Beschaffung oder
Finanzierung von entsprechenden Substanzen (vgl. Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 202).
Die Rolle des suchtmittelabhängigen Hilfesuchenden und die Rolle des Helfers brauchen
einander für ihre Rolle. Diese Verbindung kann über Jahre andauern. Durch die Zugabe
neuer Informationen oder Sichtweisen können die bisherigen Interaktionsmuster
unterbrochen werden. Das System muss auf die Veränderung reagieren und die Beteiligten
müssen ihre Verhaltensmuster neu überdenken (vgl. Hubrig/Herrmann 2005, S. 241).
Das Modell einer systemisch-familientherapeutisch orientierten Drogenambulanz nach
Rainer Thomasius und seinen Kollegen kann von einem Schulsozialarbeiter bei
Suchtproblemen eines Schülers genutzt werden. Dieser Therapieansatz kommt zum
Einsatz, wenn das Suchtverhalten im Zusammenhang mit Abgrenzungskonflikten im
Zusammenhang steht. Die Suchtproblematik des Jugendlichen oder des ko-abhängigen
Partners wird dadurch verstärkt, dass sie sich von der Vernachlässigung oder der
übermäßigen Fürsorge der Familienmitglieder entziehen wollen. Es wird ein System um
das Suchtverhalten herum gebildet. Triangulierungsvorgänge in Form von
Koalitionsbildungen, Ausgrenzungen, Geheimnissen oder gegenseitiger Abwertung sind
die Konsequenz. Es ist zwingend notwendig, dass die Familie am Behandlungsprozess
teilnimmt. Dem Familiensystem soll wieder zur Autonomie verholfen werden. Durch den
Einsatz von Urinkontrollen kann das therapeutische System auch als Kontrollsystem
wirken (vgl. Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 203f.). Die Familientherapie nach dem
„Eppendorfer Modell“ lässt sich in die Klärungs-, Veränderungs- und
Neustrukturierungsphase unterteilen. In der Praxis sind die Phasen nicht immer
voneinander zu unterscheiden (vgl. Küstner u.a. 2005, S. 225f.).
In der ersten Phase, der Klärungsphase, wird sich Klarheit über die Anliegen aller
beteiligten Familienmitglieder verschafft. Es werden gemeinsam Ziele und ein konkreter
Auftrag für die Therapie erarbeitet. Die Anliegen der Familienmitglieder können sehr
unterschiedlich ausfallen. So erhoffen sich Angehörige oftmals eine „Heilung“ des
Betroffenen, ohne etwas am Familiensystem verändern zu wollen. Der Berater
beziehungsweise Therapeut muss darauf achten, zwischen den Erwartungen und Zielen des
drogen- oder alkoholabhängigen Schülers und seinen Familienmitgliedern zu moderieren
und zu vermitteln, damit ein gemeinsamer Auftrag „ausgehandelt“ werden kann (vgl.
31
Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 202f.). Der Berater muss allen Familienmitgliedern
neutral gegenübertreten. Das Anliegen des suchtmittelabhängigen Jugendlichen erhält
dieselbe Aufmerksamkeit, wie die Anliegen aller weiteren Familienmitglieder. Hierdurch
wird die Bereitschaft des Schülers, eine Therapie zu beginnen, erhöht (vgl. Küstner u.a.
2005, S. 226f.).
Wurde sich auf einen Therapieauftrag geeinigt, wird die Veränderungsphase eingeleitet. Im
Mittelpunkt steht die Drogenabstinenz oder ein anderes erarbeitetes Therapieziel. Es
werden die bisherigen Beziehungs- und Interaktionsmuster berücksichtigt, wobei vor allem
die Ausnahmen vom Suchtverhalten von Bedeutung sind, damit die bereits vorhandenen
Ressourcen in den Vordergrund rücken. (vgl. Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 203).
Durch das Stellen der Wunderfrage konzentriert sich der Blick auf die Zeit nach der
Problemlösung, womit ein Perspektivwechsel vom Problem zur Lösung vollzogen wird.
Erste Fortschritte können bereits nach dem Einsatz zirkulärer Fragen erzielt werden. Die
Familienmitglieder erhalten neue Sichtweisen zu der Suchtproblematik, nach denen sie
handeln können. Die erreichten Veränderungen können mithilfe einer Skalierung
dargelegt werden. Die Relevanz und Dringlichkeit bestimmter Therapieziele kann
ebenfalls über Skalierungen herausgefunden werden. Möglicherweise werden die
vereinbarten Ziele überdacht (vgl. Küstner u.a. 2005, S. 226f.). Darüber hinaus können
dem Jugendlichen Beobachtungsaufgaben und veränderungsanstoßende Experimente
verschrieben werden, um die Selbststeuerungsfähigkeit zu erhöhen (vgl. Schweitzer/von
Schlippe 2007, S. 205).
In der Suchttherapie ist es wichtig, mögliche Rückfälle nicht als katastrophal einzustufen.
Rückfälle müssen als Informationen verstanden werden, aus welchen der Berater neue
Schlüsse ziehen kann. Vielleicht wurden biologische Einflüsse, wie Entzugssymptome, zu
wenig berücksichtigt. Ängste vor neuen Verhältnissen und Herausforderungen können der
Auslöser eines Rückfalls sein. Unter abstinentem Verhalten können eventuell bestehende
Beziehungen oder das Wohlbefinden wichtiger Bezugspersonen leiden. Der Berater oder
Therapeut muss sich die Frage stellen, ob das Therapieziel fremdbestimmt wurde. Ein
Rückfall ist demnach kein Zeichen des Widerstandes, sondern vielmehr ein
Kooperationsangebot (vgl. Schweitzer/von Schlippe 2007, S. 211f). Nachdem die
Therapieziele realisiert wurden, wird das Hauptaugenmerk auf die Neustrukturierung
gelegt. Das Autonomiestreben der Jugendlichen und der Eltern soll gestärkt werden. Durch
die neuen Perspektiven in Schule oder Ausbildung kann dem Jugendlichen eine
Einzeltherapie angeboten werden, wenn dies erforderlich ist. Für die Eltern kann eine
32
Eltern- oder Paarberatung in Erwägung gezogen werden (vgl. Schweitzer/von Schlippe
2007, S. 203f.).
Die Interaktion der Lehrer und Schüler mit einem suchtmittelabhängigen Jugendlichen ist
mitverantwortlich dafür, dass der Betroffene und seine Familie eine Therapie aufnehmen.
Da die Thematik des Suchtverhaltens meist tabuisiert wird, kommt es zum Ignorieren des
Problemverhaltens eines Mitschülers. Tritt ein Mitschüler aus diesem
Kommunikationsmuster allerdings aus und spricht das Suchtverhalten eines Schülers an,
kann und muss gehandelt werden. Über den Klassenlehrer oder Schulsozialarbeiter wird
Kontakt zum suchtmittelabhängigen Schüler und seiner Familie aufgenommen. Durch die
Konfrontation der Schule erhält das Familiensystem neue Informationen über andere
Interaktions- und Kommunikationsmuster. Die Familie wird zu Veränderungen angeregt
(vgl. Hubrig/Herrmann 2005, S. 242f.).
5 Grenzen der systemischen Beratung in der Schulsozialarbeit Einige Grenzen der systemischen Beratung in der Schulsozialarbeit lassen sich im
systemischen Ansatz erkennen. Für den Klienten kann es problematisch sein, dass der
Berater zu wenig auf ihn und seine subjektiven Eindrücke, Gedanken und Gefühle eingeht.
Das innere Denken und Erleben eines Einzelnen bleibt aus systemischer Sicht eher
uninteressant im Hinblick auf die Lösungsfindung. Der emotionale Aspekt eines
Individuums, welcher bei der Symptombildung eine Rolle spielen kann, wird außen vor
gelassen. Der persönliche Sinn eines symptomatischen Verhaltens wird nicht thematisiert.
Es wird somit nicht erfragt, inwieweit ein Problem das innerpsychische Leben des
Einzelnen organisiert. In der systemischen Beratung geht es um den funktionalen Sinn
eines Symptoms und wie dadurch das System organisiert und erhalten wird.
Subjektorientierte Sinnklärungen werden nicht vorgenommen. Der Klient wird nicht
dahingehend aufgeklärt, wie relevante Beziehungsmuster und Problemverhalten oder -
situationen miteinander zusammenhängen (vgl. Haselmann 2008, S. 341).
Das Fehlen subjektorientierter Sinnklärungen macht es kaum möglich, dem Klienten eine
Verstehensbegleitung anzubieten. Allerdings wollen Menschen, welche sich in einer Krise
oder einem Konflikt befinden, einen Ansprechpartner haben, welcher Erklärungen für die
Ursachen der momentanen Situation geben kann. Sie wollen lernen, sich selbst zu
verstehen und sich ein Verständnis für ihre eigenen Denk-, Verhaltens- und
Erlebensmuster anzueignen (vgl. Haselmann 2008, S. 342). Frühere Lebens- und
Beziehungsmuster in der Kindheit, in der Familie oder im Elternhaus sollen behandelt und
33
auf ihre Bedeutsamkeit hin untersucht werden. Systemisches Arbeiten kommt diesem
Anliegen jedoch nicht nach. Das systemische Arbeiten bezieht sich auf die Gegenwart und
die Zukunft. Frühere Kindheits- und Lebenserfahrungen, wie beispielsweise
einschränkende oder gewaltsame Beziehungserfahrungen und deren subjektive
Aufarbeitung, kommen dabei zu kurz. Der fehlende Vergangenheitsbezug erschwert die
Verstehensbegleitung. Hierbei ist anzumerken, dass ein Verstehen und Aufarbeiten der
Vergangenheit nicht notwendig ist, um Veränderungen zu initiieren, wie es der
systemische Ansatz zeigt. Alternative und weniger leidvolle Wirklichkeits- und
Möglichkeitskonstruktionen ersetzen die bisherigen Problemsichtweisen, um einen Weg
aus der aktuellen problematischen Lebenslage zu finden. Ein Blick in die Vergangenheit ist
für das Anregen von Veränderungsprozessen nicht von Nutzen (vgl. Haselmann 2008, S.
344f.).
Das Desinteresse des systemischen Beraters am subjektiven Fühlen und Erleben des
Klienten erzeugt eine gewisse Distanz zwischen Berater und Klienten. Dadurch entsteht
eine unterkühlte Kontaktform mit geringer emotionaler Nähe zwischen den Beteiligten. In
der systemischen Beratung geht es vornehmlich um das Ermitteln von Lösungen, was mit
einer sachlichen Haltung des Beraters einhergeht. Es soll die Selbstbefähigung und die
Autonomie der Klienten gestärkt werden (vgl. Haselmann 2008, S. 343). Eine
mitmenschliche Begegnungsebene ist aus systemischer Sicht demnach nicht erforderlich.
Einige Menschen brauchen wiederum in seelischen oder sozialen Notsituationen oftmals
Begleitung, Beistand oder Nähe, um neue Kraft zu schöpfen. Der systemische Ansatz kann
diesen Bedürfnissen nicht nachkommen (vgl. Haselmann 2008, S. 275).
Ein weiterer Kritikpunkt an der systemischen Perspektive ist, dass dem Zusammenhang
von Symptomen und sozial-kulturellen beziehungsweise gesellschaftlichen Verhältnissen
kaum Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dies schließt eine ungleiche Verteilung materieller
und sozialer Ressourcen sowie unterschiedliche Macht- und Herrschaftsverhältnisse mit
ein (vgl. Haselmann, S. 204). Da ein therapeutischer Eingriff in solche Verhältnisse kaum
möglich ist, wird das Hauptaugenmerk in der systemischen Arbeit auf Empowerment und
Ressourcenaktivierung gelegt. Die Selbsthilfekräfte und Ressourcen der Klienten werden
innerhalb des Systems hervorgerufen. Die Ressourcenorientierung bezieht sich auf
individuelle und sozialsystemische Ressourcen. Materielle und sozioökonomische
Hilfsquellen werden nicht beachtet (vgl. Haselmann 2008, S. 202f.). Soziale
Ungerechtigkeiten oder ungerechte Verteilungen von materiellen Mitteln werden in der
systemisch-konstruktivistischen Perspektive kritiklos hingenommen. Dieser Umstand ist in
34
der neutralen Haltung eines Systemikers verankert. Nach radikal-konstruktivistischem
Denken kann sogar die Existenz von Macht- und Gewaltverhältnissen in Frage gestellt
werden. Dies liegt darin begründet, dass derartige gesellschaftliche Erscheinungen nicht
wirklich existieren, wir konstruieren sie lediglich in unseren Gehirnen (vgl. Haselmann, S.
276f.).
Eine systemisch-konstruktivistische Vorgehensweise stößt bei Fragen des Kinderschutzes
an seine Grenzen. Die Auffassung, dass es keine objektive Wahrheit, sondern lediglich
subjektiv vom Beobachter abhängige Konstruktionen gibt, macht es so gut wie unmöglich,
das Ausmaß einer Kindesgefährdung objektiv beurteilen zu können. Die Infragestellung
einer objektiven Realität erschwert es, das Handeln von Eltern zum Schutz von Kindern
richtig zu kontrollieren. Das Zulassen verschiedener subjektiver
Wirklichkeitskonstruktionen der beteiligten Personen ist im Umgang mit Menschen,
welche Kinder grob vernachlässigen, schlagen oder sexuell missbrauchen, nicht zu
empfehlen. Eltern oder andere Erwachsene versuchen mittels des Leugnens und
Verharmlosens ihre Handlungen herunterzuspielen und zu vertuschen. Der Gesetzgeber
gibt Institutionen zum Kinderschutz den Auftrag, Verdachtsfällen in Bezug auf
Kindermisshandlung nachzugehen, Beweise zu sammeln, objektiv zu urteilen und
entsprechende Schutzmaßnahmen zu tätigen. Eine objektive Realität wird vorausgesetzt.
Dennoch ist es sinnvoll, in solchen Situationen eine konstruktivistische Perspektive
einzunehmen. Demnach sind der Begriff der Kindesmisshandlung und die daraus
resultierenden Interventionsformen soziale Konstruktionen und keine objektiven Zustände.
Systemisch-konstruktivistisches Handeln kann hilfreich sein, um die unterschiedlichen
Bedeutungen des Gewalteinsatzes, der Vernachlässigung und des Missbrauches für alle
Beteiligten herauszufinden. Die starre Etikettierung und Rollenverteilung von Täter und
Opfer wird aufgelöst. Es muss entschieden werden, ob Unterstützung angeboten oder
Interventionen eingeleitet werden sollen. Bei diesem Spannungsfeld muss sich der
Sozialarbeiter bewusst machen, dass er mit seinem Handeln Teil des Problemsystems wird.
Wird Eltern das Sorgerecht und die Obhut ihres Kindes entzogen, erzeugt dies neue
Realitäten. Es wird ein realer Eingriff in die Lebenswelt der Familie vorgenommen (vgl.
Brandl-Nebehay 2005, S. 238 ff.).
Neben den Lücken der systemisch-konstruktivistischen Perspektive kann es in der Praxis
der Schulsozialarbeit Schwierigkeiten geben. Ist ein Schüler von den Anforderungen seiner
Schule intellektuell überfordert, so kann dies Überforderungssymptome hervorrufen.
Hierzu zählen Schulangst, Schulverweigerung und psychosomatische Beschwerden, wie
35
Kopfweh, Bauchweh oder Übelkeit, sowie diverse Unsicherheiten in Bezug auf das eigene
Selbstwertgefühl auf Grund schlechter Notengebung. Bei einem Wechsel in eine
angemessene Schulform klingt die schulische Überforderung wieder ab. Es kann jedoch
passieren, dass Eltern von der Überforderung ihres Kindes enttäuscht sind und dies auch
offen zeigen. Sie lassen ihr Kind spüren, dass die geforderten Erwartungen nicht erfüllt
wurden. Die Entwicklung des Schülers wird möglicherweise von seinem geringen
Selbstwertgefühl geprägt sein. Die Eltern sollten daher in den Interventionsprozess mit
einbezogen werden, um systemisch vorgehen zu können. Dieses Vorgehen ist bei
Legasthenikern beziehungsweise lese-rechtschreib-schwachen Kindern eher unpassend.
Eine Behandlung am Symptom auf einer individuellen Ebene in Form eines didaktisch gut
aufgebauten Legasthenietrainings ist durchzuführen, wenn die Lese-Rechtschreib-
Schwäche durch Defizite beziehungsweise Entwicklungsverzögerungen im
neurophysiologischen Bereich verursacht wurde. Es kann zusätzlich mit der gesamten
Familie gearbeitet werden, wenn nicht nur eine Lese-Rechtschreib-Störung des Kindes
vorliegt, sondern noch andere Kommunikationsstörungen innerhalb der Familie bestehen.
Es ist zu erwähnen, dass in einigen Fällen eine Einzelbehandlung des Kindes für die
Familie ausreicht, weswegen eine Familientherapie nicht mehr wahrgenommen werden
muss (vgl. Hennig/Knödler 2000, S. 317f.). Eine Einzelbehandlung eines Schülers ist auch
bei Defiziten im Lern- und Arbeitsverhalten angebracht. Defizite im Lern- und
Arbeitsverhalten beschreiben mangelnde Lernerfahrungen im Umgang mit
Arbeitstechniken sowie kaum vorhandene Chancen, das Lernen zu lernen. Es handelt sich
nicht um Störungen im Lern- und Arbeitsverhalten, welche durch Probleme in der Familie
ausgelöst wurden. Eine Familientherapie kommt nicht zum Einsatz (vgl. Hennig/Knödler
2000, S. 320).
Eine weitere Schwierigkeit kann eine pädagogische Ungeschicklichkeit des Lehrers
darstellen, wenn das symptomatische Verhalten eines Schülers im Zusammenhang mit der
Vorgehensweise eines Lehrers steht. Dieser Umstand wird oftmals von geringen
Selbstwertgefühlen des Lehrers beeinflusst. Berufliche oder private Belastungen des
Lehrers können bestimmte Konstellationen „begünstigen“. Ein Schulsozialarbeiter muss
den Kontakt zu den „Problem-Lehrern“ aufnehmen, ohne sie dabei zu kränken oder
abzuwerten. In der Interaktion mit dem Lehrer sollten Ziele verfolgt werden, die das
Selbstwertgefühl steigern und nicht verringern. Dem Lehrer muss vermittelt werden, dass
er ein Mithelfer ist und mit seinem pädagogischen Einfluss auf den Problemschüler positiv
auf die problematische Situation einwirken kann (vgl. Hennig/Knödler 2000, S. 319f.).
36
Zudem kann sich die Zusammenarbeit mit Eltern als sehr schwierig erweisen. Dies ist der
Fall, wenn beide Elternteile nicht mehr die Fähigkeit haben, die elterliche Verantwortung
für ihr Kind zu übernehmen. Alkoholismus der Elternteile, andauernde Abwesenheit von
der Familie oder eine ausgeprägte Ablehnung des Kindes können dazu beitragen. Das Kind
wäre auf sich allein gestellt. Verwahrlosungserscheinungen und kriminelle Entwicklungen
können die Konsequenz sein. Eine familientherapeutische Behandlung scheitert daran, dass
die Eltern gar nicht erst zu den Beratungssitzungen kommen. Eine Kooperation mit dem
Jugendamt, Suchtberatungsstellen oder dem Sozialamt ist notwendig, um die materiellen
und gesundheitlichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Familientherapie zu
ermöglichen (vgl. Hennig/Knödler 2000, S. 321).
37
6 Schlussbemerkungen Im Bereich der Beratung beziehungsweise Einzelfallhilfe ist es sinnvoll, den systemisch-
konstruktivistischen Ansatz in der Schulsozialarbeit anzuwenden. Die Schüler erhalten
eine Hilfestellung, weil sie eine neue Sicht- und Denkweise in Bezug auf ihre Probleme
erhalten. Das Problem liegt nicht im Schüler, sondern in den Interaktionen seiner Umwelt
begründet. Um das problematische Verhalten wird ein System konstruiert. Der Schüler ist
für seine Problemlage nicht allein verantwortlich und somit bei der Lösungsfindung nicht
auf sich allein gestellt. Die Integration von Eltern, anderen Familienmitgliedern, Lehrern
und eventuell Mitschülern ist im Hilfeprozess notwendig. Es ist die Herausforderung eines
Schulsozialarbeiters, alle Systemmitglieder von dieser Herangehensweise zu überzeugen.
Jeder ist für das symptomatische Verhalten mitverantwortlich und dementsprechend von
diesem betroffen. Es kann nur gemeinsam eine Veränderung hergestellt werden.
Problematisch kann der mangelnde Beziehungsaufbau zwischen dem Schulsozialarbeiter
und den beteiligten Personen, vor allem dem Schüler, sein. Viele richten ihren Blick nach
hinten in die Vergangenheit und wollen die erlebten Erfahrungen verarbeiten. Sie wollen
von einer professionellen Fachkraft emotional aufgefangen werden. Ein systemisch
denkender Schulsozialarbeiter muss seinen Klienten verdeutlichen, dass die Vergangenheit
für eine Lösung in der Zukunft nicht von Relevanz ist. Es ist motivierender, den Blick nach
vorn zu richten. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Schüler und ihre Bezugspersonen
erfahren, dass es nicht viel zu verändern gibt, sondern die bereits vorhandenen Ressourcen
und Fähigkeiten zu aktivieren sind. Die Lösung liegt im System selbst und dieser Umstand
wird den Systemmitgliedern vermittelt. Der Sinn eines Problems, sowie die Ausnahmen
von einem problematischen Verhalten, müssen erfragt werden. Die Mitarbeit von Eltern
und Lehrern ist unabdingbar, um alle Interaktionen nachvollziehen zu können. Kommt es
nicht zu einer solchen Kooperation ist ein systemisches Vorgehen stark erschwert
beziehungsweise gefährdet. Sie müssen dahingehend überzeugt werden, dass durch die
Sichtweise anderer Systemmitglieder neue Möglichkeitskonstruktionen, hinsichtlich des
eigenen Denkens und Handelns, entstehen können, um das symptomatische Verhalten
abzustellen. Bisherige Interaktionsmuster führten nicht zum Erfolg. Neue Konstruktionen
sind als Chance für neue Möglichkeiten zu betrachten. Gelingt es dem Schulsozialarbeiter,
diese Philosophie weiterzugeben, ist die Beteiligung aller betroffenen Personen, welche an
einer Verbesserung des Schülers interessiert sind, sehr wahrscheinlich. Unter diesen
Umständen hätte die systemische Beratung in der Schulsozialarbeit einen großen Nutzen
und wäre für die Praxis eines Schulsozialarbeiters von hoher Wichtigkeit.
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Ludewig, Kurt: Einführung in die theoretischen Grundlagen der systemischen Therapie. 2.,
aktualisierte Aufl. Heidelberg 2009.
Mücke, Klaus: Probleme sind Lösungen. Systemische Beratung und Psychotherapie - ein
pragmatischer Ansatz. Lehr- und Lernbuch. 4., überarb. und erw. Aufl. Potsdam 2009.
Schweitzer, Jochen/von Schlippe, Arist: Lehrbuch der systemischen Therapie und
Beratung II. Das störungsspezifische Wissen. 2. Aufl. Göttingen 2007.
Schwing, Rainer/Fryszer, Andreas: Systemisches Handwerk. Werkzeug für die Praxis. 4.
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Simmen, René u.a.: Systemorientierte Sozialpädagogik. 3., korr. Aufl. Bern u.a. 2010.
Simon, Fritz B.: Einführung in Systemtheorie und Konstruktivismus. Heidelberg 2006.
Speck, Karsten: Schulsozialarbeit. Eine Einführung. München u.a. 2007.
Stickel-Wolf, Christine/Wolf, Joachim: Wissenschaftliches Arbeiten und Lerntechniken.
Erfolgreich studieren – gewusst wie!. 6., aktualisierte und erw. Aufl. Wiesbaden 2011.
Thomasius, Rainer u.a.: Drogenabhängigkeit. In: Thomasius, Rainer/Küstner, Udo J.:
Familie und Sucht. Grundlagen, Therapiepraxis, Prävention. Stuttgart u.a. 2005, S. 81-94.
Eidesstattliche Erklärung
Ich versichere hiermit, dass ich die vorstehende Bachelorarbeit selbständig angefertigt,
keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt und sowohl wörtliche, als auch
sinngemäß entlehnte Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit hat in gleicher
oder ähnlicher Form noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegen.
Neubrandenburg, den 10. Juni 2014 …………………………………
Unterschrift