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R EZENSIONEN AKINADE, Akintunde E. (Ed.), A New Day. Essays on World Christianity in Honor of Lamin Sanneh, Peter Lang Publishing, New York 2010, XIII und 322 p., geb., 81,40 Eur [D], ISBN 978-1-4331-0456-5. Lamin Sanneh, 1942 in Gambia geboren, gilt als innovativer Theologe eines glo- balen Christentums, dessen kulturelle und gesellschaftliche Transformationspro- zesse er in einer Reihe von Veröffentlichungen reektierte, so etwa in Translating the Message. The Missionary Impact on Culture (1989), Encountering the West. Christianity and the Global Cultural Process: The African Dimension (1993), Whose Religion is Christianity? The Gospel Beyond the West (2003) und Discip- les of All Nations. Pillars of World Christianity (2008). Sein intellektueller Wer- degang bis hin zum D. Willis James Professor of Missions and World Christianity an der Yale Divinity School ist beeindruckend, wie Andrew F. Walls in seinem Vorwort festhält: „Lamin Sanneh’s scholarly journey from specialist in Islamics to leader in the eld of World Christianity Studies has, like his personal journey, been extraordinary“ (XIII). Zu Ehren von Lamin Sanneh ist dieser Sammelband erschienen, der eine Einführung und 17 Beiträge zu weltkirchlichen Fragen und Aspekten des interkulturellen und interreligiösen Dialogs enthält. Allen Überle- gungen liegt ein tief greifender Bewusstseinswandel zugrunde, so Akintunde E. Akinade in seiner Einführung: „Today, more than ever before, there is an increa- sing awareness and understanding of Christianity as a non-Western religion“ (3). Der „neue Tag“, der in diesem Sinn für die Weltchristenheit anbricht und in die- ser Metapher als Buchtitel aufscheint, besteht im Abschied von monokulturellen (und das heißt immer noch: westlichen) Konzeptionen von Glaube und Kirche: „The transformation of Christianity is underway; it is neither encumbered by any monolithic hegemonic paradigm nor by the tyranny of only one cultural mandate. It is a new day indeed“ (12). Dass diese Kritik (mono-)kultureller Identitäten nicht mit eindimensionalen Konzepten einer „Inkulturation“ arbeitet, sondern vom Anspruch gesellschaft- licher bzw. globaler Verantwortung ausgeht und dabei ein postkoloniales Pro- blembewusstsein voraussetzt, zeigt in besonderer Weise der Beitrag von Nam- soon Kang; er plädiert für „a shift in the construction of the discourse of „world christianity“ from the the politics of cultural identity to the politics of worldly- responsibility “ (45). Weitere Beiträge dieses Bandes eröffnen interessante und durchaus überraschende Einsichten in theologische Entwicklungen und religi-

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REZENSIONEN

AKINADE, Akintunde E. (Ed.), A New Day. Essays on World Christianity inHonor of Lamin Sanneh, Peter Lang Publishing, New York 2010, XIII und 322 p.,geb., 81,40 Eur [D], ISBN 978-1-4331-0456-5.

Lamin Sanneh, 1942 in Gambia geboren, gilt als innovativer Theologe eines glo-balen Christentums, dessen kulturelle und gesellschaftliche Transformationspro-zesse er in einer Reihe von Veröffentlichungen re�ektierte, so etwa in Translatingthe Message. The Missionary Impact on Culture (1989), Encountering the West.Christianity and the Global Cultural Process: The African Dimension (1993),Whose Religion is Christianity? The Gospel Beyond the West (2003) und Discip-les of All Nations. Pillars of World Christianity (2008). Sein intellektueller Wer-degang bis hin zum D. Willis James Professor of Missions and World Christianityan der Yale Divinity School ist beeindruckend, wie Andrew F. Walls in seinemVorwort festhält: „Lamin Sanneh’s scholarly journey from specialist in Islamicsto leader in the �eld of World Christianity Studies has, like his personal journey,been extraordinary“ (XIII). Zu Ehren von Lamin Sanneh ist dieser Sammelbanderschienen, der eine Einführung und 17 Beiträge zu weltkirchlichen Fragen undAspekten des interkulturellen und interreligiösen Dialogs enthält. Allen Überle-gungen liegt ein tief greifender Bewusstseinswandel zugrunde, so Akintunde E.Akinade in seiner Einführung: „Today, more than ever before, there is an increa-sing awareness and understanding of Christianity as a non-Western religion“ (3).Der „neue Tag“, der in diesem Sinn für die Weltchristenheit anbricht und in die-ser Metapher als Buchtitel aufscheint, besteht im Abschied von monokulturellen(und das heißt immer noch: westlichen) Konzeptionen von Glaube und Kirche:„The transformation of Christianity is underway; it is neither encumbered by anymonolithic hegemonic paradigm nor by the tyranny of only one cultural mandate.It is a new day indeed“ (12).

Dass diese Kritik (mono-)kultureller Identitäten nicht mit eindimensionalenKonzepten einer „Inkulturation“ arbeitet, sondern vom Anspruch gesellschaft-licher bzw. globaler Verantwortung ausgeht und dabei ein postkoloniales Pro-blembewusstsein voraussetzt, zeigt in besonderer Weise der Beitrag von Nam-soon Kang; er plädiert für „a shift in the construction of the discourse of „worldchristianity“ from the the politics of cultural identity to the politics of worldly-responsibility “ (45). Weitere Beiträge dieses Bandes eröffnen interessante unddurchaus überraschende Einsichten in theologische Entwicklungen und religi-

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onswissenschaftliche Zusammenhänge, wie etwa die ekklesiologische Typologievon nationalen, spirituellen und pentekostalen Kirchen, wie sie Philomena Nje-ri Mwaura vornimmt (vgl. 122) und Deidre Helen Crumbley in einem Vergleichzwischen unabhängigen Kirchen in Afrika und in der Diaspora in ähnlicher Wei-se klassi�ziert (vgl. 180, 186f, 196). Spannend ist die Interpretation des Feuersder pentekostalen Bewegung Mukti Mission in Indien durch das Feueropfer dertraditionellen Witwenverbrennung. Arun Jones geht davon aus, „that the girls andwomen at the Mukti Sadan were, in a very real sense, experiencing the �re ofthe sati when they experienced the Holy Spirit falling upon them in the revival.Whether they were conscious of it or not, the young women in the 1905 revival atMukti were „translating“ [. . . ] the Pentecostal message so that they were appro-priating the experience and the power of the Hindu sati. They became possesorsof, and possessed by, the �rst of sat – ultimate truth and virtue – and therebymomentarily entered into mukti or salvation“ (219). Eine wichtige Rolle spielender Islam und sein Verhältnis zum Christentum. In diesem Zusammenhang istetwa das Selbstverständnis des Rashîd Ridâ’s Mission Seminary, einer muslimi-schen Organisation, die im frühen 20. Jahrhundert in Ägypten gegründet wurde,von Interesse – und im Licht jüngerer politischer Ereignisse bemerkenswert; esheißt in den Satzungen unter anderem: „The association will in no way and underno circumstances get involved in politics – neither into Egyptian politics nor intothe politics of the Ottoman Empire, and not into the politics of any other nati-on“ (259). Aufschlussreich ist auch der Hinweis – so die Auffassung des da’wa-Konzepts von Rashîd Ridâ – auf eine missionstheologische Differenz: Währendder Mensch im Islam als fähig angesehen wird, Gottes Willen zu erfüllen, sprichtder christliche Glaube diesbezüglich von einer „very natural incapability“ (265)des Menschen und in der Folge von einem Angewiesensein auf Erlösung. Ve-hement widerspricht Yushau Sodiq dem bekannten Stereotyp, dass der Islam inAfrika „mit Feuer und Schwert“ verbreitet worden sei. Mit Blick auf die Yorubain Nigeria betont Sodiq: „It is the simplicity, relevance, practicality and peacefulway of life that attracted Yorubas to Islam“ (282). Ein bedenkenswerter Vorschlag�ndet sich schließlich im Beitrag von Terry C. Muck: „those of us in theologi-cal education who teach World Religions would do a better job of it if we usedpedagogies more in tune with the pedagogies of the religions we are teaching“(301).

Geht man wie Andrew F. Walls von der Überzeugung aus, „that world Chris-tianity is not a development of the last century; it is the natural Christian con-dition“ (18), erweist sich dieser Sammelband nicht als „exotischer“ Diskurs, son-dern als zeitgemäße fundamentaltheologische Auseinandersetzung mit Fragen desChristentums in der Welt von heute. Ein De�zit ist noch anzumerken: Leider fehlteine Bibliographie des Geehrten; dies wäre gerade mit Blick auf den fehlenden

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Bekanntheitsgrad Lamin Sannehs im Kontext europäischer Theologie wichtig ge-wesen.

Franz Gmainer-Pranzl, Salzburg

BEUTEL, Albrecht, Gerhard Ebeling. Eine Biographie, Verlag Mohr Siebeck,Tübingen 2012, XVII und 606 S., geb., 49,00 Eur [D], ISBN 978-3-16-150447-1.

„Die Theologie ist notwendig, um dem Prediger das Predigen so schwer wie nö-tig zu machen“ (Wort und Glaube, Tübingen 1960, 447) – diese sperrige Thesestammt von einem Theologen, der am 6. Juli 2012 seinen 100. Geburtstag gefeierthätte: Gerhard Ebeling (1912-2001). Der an der Evangelisch-Theologischen Fa-kultät der Universität Münster als Kirchengeschichtler lehrende Albrecht Beutelhat über diesen ebenso bedeutsamen wie im katholischen Bereich nach wie vorwenig bekannten Theologen eine ausführliche Biographie verfasst, die durch ei-ne minutiöse Recherche, aber auch durch profunde Kenntnis theologiegeschicht-licher Zusammenhänge einen Einblick in die spannenden, ja dramatischen Ent-wicklungen evangelischer Theologie im 20. Jahrhundert gibt. Der Bogen spanntsich von Ebelings Studium (vor allem in Marburg bei Rudolf Bultmann), seinerPromotion (1938 in Zürich mit einer Studie zur Hermeneutik Luthers, die damalsAufsehen erregte), seiner Ordination (1938) und Heirat (1939) über die Zeit desZweiten Weltkriegs bis hin zum Beginn seiner akademischen Tätigkeit (1945 alsAssistent an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen,1947 als Professor für Kirchengeschichte ebendort), der Zeit seiner Etablierungals einer der maßgeblichen Lutherforscher sowie als Initiator einer „hermeneuti-schen Theologie“ (1954 Wechsel auf den Lehrstuhl für Systematische Theologiein Tübingen, 1956-1965 an der Universität Zürich, dann bis 1968 wiederum in Tü-bingen und schließlich 1968-1979 endgültig als Professor für Fundamentaltheo-logie und Hermeneutik in Zürich). Die Gründung des „Instituts für Hermeneutik“im Jahr 1962 an der Universität Zürich (vgl. 227) markiert einen Ansatz theologi-scher Arbeit, für den das „Sprachgeschehen“ im Zentrum stand. Schon früh setztesich Ebeling, sowohl an der existentialen Interpretation Bultmanns als auch anBonhoeffers Christentumsanalyse geschult, mit der „Sprachnot“ von Theologieund Kirche auseinander; dabei drang er stets auf eine – wie er dies nennt – „stren-ge“ Wahrnehmung theologischer Verantwortung und sieht sich – als den erstenInhaber eines Lehrstuhls für Fundamentaltheologie im evangelischen Raum (vgl.406) – als Schüler eines einzigen Lehrers, wie der Vf. hervorhebt: „Mit all seinenLehrern habe ihn „eher ein eklektisches Verhältnis“ verbunden, und wenn er einesTheologen Schüler sei, „dann am ehesten Luthers‘“„ (264).

Ebelings universitäre Arbeit, seine Auseinandersetzung mit Problemen inTheologie und Kirche, persönliche Erfahrungen sowie Hintergründe zu seinen

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zahlreichen Veröffentlichungen, vor allem die Systematische Theologie und dieLutherauslegung betreffend, werden vom Vf. spannend und prägnant dargestellt.Diese Studie lässt den Theologen, der von den 1950er und 1970er Jahren Mas-sen von Theologiestudierenden anzog, sowie den Menschen Gerhard Ebeling, dersich mit Problemen wie Wohnungssuche, aber auch menschlichen Zerwürfnissen(wie etwa mit Karl Barth, vgl. 502-505) auseinanderzusetzen hatte, deutlich wer-den. Zugleich bildet diese Arbeit eine Einführung in wichtige Themen der Theo-logie Ebelings, die bis heute relevant sind, so beispielsweise Ebelings „These,dass sich die Theologie Luthers der Mittelalter und Neuzeit strukturell verbin-denden Tendenz zur „Moralisierung des Christlichen“ konsequent widersetzte“(481), oder seine Einsicht, dass eine zeitgemäße Weiterentwicklung christlichenDenkens „durch die Dialektische Theologie und die Folgen des Kirchenkamp-fes verhängnisvoll retardiert worden sei“ (419). Hermeneutische Theologie, wieEbeling sie verstand, war der je neue Versuch, die Wortverantwortung so wahrzu-nehmen, dass der Glaube zur Sprache kam – nicht als Konserve, nicht als Parole,sondern als Auslegung des Wortes Gottes und insofern als Auslegung des Lebens.Genau deshalb sollte die Theologie, wie die eingangs zitierte These auf provokan-te Weise zum Ausdruck bringt, dem Prediger das Predigen so schwer wie nötigmachen – um ihn dazu zu nötigen, das Wort Gottes zu Wort kommen zu lassen,wie Ebeling dies ausdrückte.

Die vorliegende Arbeit stellt nicht bloß die eindrückliche Aufarbeitung vonLeben und Werk eines der großen deutschsprachigen Theologen des 20. Jahrhun-derts, der ein unverkennbar reformatorisches Pro�l zeichnete, dar, sondern fordertauch dazu heraus, die eigene konfessionelle Identität als hermeneutische Kon-stellation zu begreifen: als diskursive und institutionelle Kon�guration einer be-stimmten Form, den christlichen Glauben zu leben und zu denken. Diese Grundla-genre�exion hat Ebelings Denken angestoßen – und dadurch eine Nachdenklich-keit befördert, die evangelischer und katholischer Theologie gleichermaßen guttut.

Franz Gmainer-Pranzl, Salzburg

BÖHM, Otto/KATHEDER, Doris (Hg.), Grundkurs Menschenrechte: Die 30Artikel. Kommentare und Anregungen für die politische Bildung, Band 1, Präam-bel, Artikel 1–5, Echter Verlag Würzburg 2012, 272 S., kart., 19,90 Eur [D], ISBN978-3-429-03503-7.BÖHM, Otto/KATHEDER, Doris (Hg.), Grundkurs Menschenrechte: Die 30Artikel. Kommentare und Anregungen für die politische Bildung, Band 2, Artikel6–11, Echter Verlag Würzburg 2012, 260 S., kart., 19,90 Eur [D], ISBN 978-3-429-03522-8.

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BÖHM, Otto/KATHEDER, Doris (Hg.), Grundkurs Menschenrechte: Die 30Artikel. Kommentare und Anregungen für die politische Bildung, Band 3, Artikel12–17, Echter Verlag Würzburg 2012, 232 S., kart., 19,90 Eur [D], ISBN 978-3-429-03523-5.

Menschenrechte sind Rechte, die jedem Menschen aufgrund seines Menschseinszustehen. Sie entstanden aus Unrechtssituationen und mussten mühsam erkämpftwerden. „Menschenrechte“ heute ein Schlagwort im Alltag, mit der Gefahr, in-haltslos und bedeutungslos zu werden. Auffallend ist ebenso, dass viele Menschenkaum etwas über diese Rechte wissen. Das muss geändert werden. Dem will die-se fünfbändige Reihe (3 Bände liegen bereits vor) Rechnung tragen. Otto Böhm,Politik- und Erziehungswissenschaftler, engagiert in der Menschenrechtebildungin Nürnberg, und Doris Katheder, Kulturhistorikerin, Leiterin des Ressorts „Er-innerung – Menschenrechte – Werte“ an der Akademie in Nürnberg, haben dieseBände aus der Veranstaltungsreihe „Grundkurs Menschenrecht“ (veranstaltet vonder Erzdiözese Bamberg und dem Jesuitenorden Nürnberg) entwickelt. Ziel istes, ein kompaktes Grundwissen über die 30 Artikel der Allgemeinen Erklärungder Menschenrechte zu vermitteln. Behandelt wird die langsame historische Ent-stehung, sog. Meilensteine des Menschenrechtsschutzes, beantwortet werden dieFragen, was denn eigentlich Menschenrechte sind und welchen Geltungsanspruchsie haben, informiert wird über die Menschenrechte im Rahmen der UNO und imRahmen des Europarats. Vor dem Einstieg in die inhaltliche Diskussion sieht manim ersten Band ein Foto der „Straße der Menschenrechte“ in Nürnberg, 1993 vomisraelischen Künstler Dani Karavan entworfen. Ein Tor und 27 Rundpfeiler ausweißem Beton in die jeweils ein Artikel der Allgemeinen Erklärung der Men-schenrechte in verschiedenen Sprachen eingraviert ist.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 be-steht aus einer Präambel und 30 Artikeln. Diese werden im Grundkurs Menschen-rechte einzeln behandelt (in den vorliegenden drei Bänden die Artikel 1 bis 17).Als Auftakt ist jedem Kapitel ein Foto der jeweiligen Säule aus der „Straße derMenschenrechte“ vorangestellt, daran anschließend gibt es einen kurzen, infor-mativen Kommentar zum jeweiligen Artikel von Bardo Fassbender, Professor fürVölkerrecht an der Universität der Bundeswehr in München. Dann werden Kom-mentierungen und Kontroversen aufgezeigt, ergänzt durch gute Literaturhinwei-se, Anregungen und Tipps für weiterführende Auseinandersetzungen in pädago-gischen und politischen Handlungsfeldern. Als Abrundung des Kapitels beant-worten Expertinnen und Experten (Wissenschaftler, Praktiker, Menschenrechts-experten, Vertreter von NGO’s usw.) in einem Interview an sie gestellte Fragen.Empfehlungen (z.B. Texte, Film- und Literaturempfehlungen) laden zum weiter-führenden Diskurs ein. Im Anschluss an das Kapitel über den Artikel 3, („Jeder

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hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person“) gibt es Hinweise zurweltweiten Situation der Todesstrafe und mögliche Argumente (pro und contra)zur Todesstrafe.

Neu, aber naheliegend und ungewöhnlich zugleich, ist auch die hier gewählteHerangehensweise: „Systematisch jedem Artikel in seinem „Eigen-Sinn“, seinenIntentionen, seinen Auslegungen, den ihm zugeschriebenen aktuellen Kontrover-sen und Problematisierungen Raum zu geben. . . . Eher selten wird die AllgemeineErklärung der Menschenrechte aus diesem methodisch wie inhaltlich attraktivenAnsatz heraus betrachtet. In der Regel werden”Gruppen“ von Rechten . . . vorge-stellt“ (Band 1, Seite 12). Das einzuhalten ist nicht immer leicht. Denn: Die Arti-kel der Menschenrechtserklärung sind auch aufeinander bezogen und bestimmteDiskurse musste man dann doch einzelnen Artikeln zuordnen. „So wurde bei-spielsweise die grundlegende Problematik eines allumfassenden Staates mit sei-nem Anspruch auf Sicherheit dem Artikel 3 zugeordnet – auch wenn dies quer-schnittartig ebenso andere Artikel betrifft“ (Band 1, Seite 14).

Anliegen der Herausgeber ist es auch, für aktuelle Diskriminierungsperspek-tiven zu sensibilisieren und spannende Schwerpunkte in der Menschenrechtsdis-kussion aufzuzeigen. Die inhaltlichen Schwerpunkte sind nicht nur einem Arti-kel zuzuordnen, sondern betreffen mehrere davon. „In den beiden ersten Bändenwird dem Schwerpunkt „Inklusion“ besonderer Raum gegeben. Die Verabschie-dung der UN-Behindertenrechtskonvention 2006 und deren Rati�zierung durchdie Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2009 wirft viele Fragen auf: nach denZusammenhängen von (einzelnen) Menschenrechten mit den konkreten Lebens-realitäten von Menschen mit Behinderung, nach Diskriminierungsformen und ih-rer Überwindung, nach einem positiven Verständnis von Vielfalt und Heteroge-nität in unserer Gesellschaft, nach den gesellschaftspolitischen Potentialen desThemas Inklusion für die politische Bildung und andere mehr“ (Band 1, Seite14f.). Die Bände eins und zwei widmen dieser Thematik ein eigenes Kapitel („In-klusion – ein Thema für die Menschenrechte und die politische Bildung und dieinhaltliche Vertiefung im zweiten Band: Inklusion und Partizipation. Das Recht,Rechte zu haben, gilt für alle Menschen“).

Der zweite Band erklärt u.a. wie wichtig es ist, Rechte zu haben, wie dieseRechte das Menschsein sichern und wie sie in gesellschaftlichen Kon�iktsituatio-nen verteidigt werden müssen. Das Recht als Medium der Humanität! In diesemBand werden die Instrumente des Menschenrechtsschutzes im Rahmen des Eu-roparates vorgestellt (u.a. die Europäische Menschenrechtskonvention, der Euro-päische Gerichtshof, die Europäische Sozialcharta). Im dritten Band geht es umdie Instrumente des Menschenrechtsschutzes im Rahmen der Vereinten Nationen(Menschenrechtsrat und UN-Hochkommissar für Menschenrechte). Es geht es umdie Frage „Was ist der Mensch?“ Dazu werden zwei unterschiedliche Gruppen

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von Menschenrechten behandelt. Einerseits geht es um den Schutz der Freiheits-sphäre des Einzelnen, um sein Recht in Ruhe gelassen zu werden, um den Schutzvor willkürlichen Eingriffen in seine Privatsphäre und um die Freizügigkeit undAuswanderungsfreiheit und andererseits um die sehr unterschiedlich diskutiertenRechte auf Asyl und Staatsangehörigkeit und die Rechte auf Eheschließung, Fa-milie und Eigentum. Die im dritten Band „untersuchten Brennpunkte rund um denDatenschutz, das Asylrecht, die Staatsbürgerschaft und die Familienpolitik sind. . . ebenso brisant wie kontrovers. Sie brauchen stetes und wachsames Einfordernder Unterlassungs-, Schutz- und Erfüllungsp�icht des Staates. Sie brauchen aberauch mutige Interpretationen, die sich den Kon�iktthemen der Gegenwart stellen“(Band 3, Seite 12).

Die Menschenrechte-Lernprozesse sollten immer sowohl eine kognitive alsauch eine soziale und eine moralische Dimension beinhalten (vgl. Band 1, Sei-te 18). Wir sind alle aufgerufen, Menschenrechte nicht nur zu thematisieren,sondern wir müssen Sorge dafür tragen, dass sie auch in der Praxis umgesetztwerden. „Der Menschenrechtebildung geht es um Wissen und Verstehen (Lernenüber Menschenrechte), um Einstellungen, Haltungen und Werte (Lernen durch dieMenschenrechte) und um Kompetenzen und Fertigkeiten (Lernen für die Men-schenrechte). Daraus ergeben sich Ziele, die diese Reihe erreichen will. Es be-ginnt damit, dass man erkennt, dass jeder von uns Menschenrechte besitzt undauch einfordern kann bzw. sogar muss. Wir müssen sensibel werden, für die Men-schenrechte, die anderen zustehen und für deren Einhaltung eintreten. Wir müssenbegreifen, dass die Menschenrechte Teil der eigenen Moral sind und handlungs-leitend sein müssen (vgl. Band 1, Seite 18f.). Genau das ist auch die Intention deram Beginn des ersten Bandes gezeigten „Straße der Menschenrechte“. Sie ist eineAnklage gegen die Verbrechen der Nationalsozialisten und eine zu Stein gewor-dene Mahnung an die Menschen, diese Rechte zu verteidigen und einzufordern.Die 30 Artikel der Menschenrechte sind Antwort und Reaktion auf Unrechtssitua-tionen, z.B. auf die Diktaturen des Zweiten Weltkrieges, darauf, dass über Nachtfundamentale Rechte außer Kraft gesetzt wurden, sie sind Mahnung dafür, dassdiese Rechte immer wieder ins Gedächtnis gerufen werden müssen und dass dieseRechte heute noch nicht selbstverständlich für jeden Menschen gelten. Es ist vorallem Aufgabe der politischen Bildung, die Menschenrechte bekannt zu machenund Menschen Mut zu machen, sich für die Einhaltung im Alltag einzusetzen.

Der Herausgeberin und dem Herausgeber ist es sehr gut gelungen, einzelneMenschenrechte zu behandeln und trotzdem nicht zu übersehen, dass alle Artikelmiteinander verbunden sind. Darüber hinaus wird eine Marktlücke geschlossen,denn es gibt wenig gute Unterlagen für einen einfachen, aber doch kompetentenund übersichtlichen Einstieg für Lehrende, Schüler, Studierende und für interes-sierte Erwachsene, zur breiten und komplizierten Thematik der Menschenrechte.

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Um die vorliegenden Bände zu lesen und zu studieren, bedarf es keiner beson-deren Vorkenntnisse. Die einzelnen Kapitel sind übersichtlich aufgebaut, optischansprechend und gut verstehbar. „Grundkurs Menschenrechte“ gehört gewiss zujenen Publikationen, die in jeder privaten und öffentlichen Bibliothek und Univer-sitätsbibliothek zu �nden sein sollten. Auf die beiden noch fehlenden Bände darfman sich heute schon freuen.

Gertraud Putz, Salzburg

BOHRMANN, Thomas/KÜENZLEN, Gottfried (Hg.), Religion im säkularenVerfassungsstaat (Schriften des Instituts für Theologie und Ethik der Universitätder Bundeswehr München 1), LIT-Verlag, Berlin 2012, 144 S., Pb., 19,90 Eur [D],ISBN 978-3-643-10842-5.

Mit dem im LIT-Verlag erschienenen, vom katholischen Ethiker Thomas Bohr-mann und dessen evangelischem Kollegen Gottfried Küenzlen herausgegebenen,interdisziplinären Sammelband eröffnet eine neue Schriftenreihe der Professorendes Instituts für Theologie und Ethik der Fakultät für Staats- und Sozialwissen-schaften der Universität der Bundewehr München.

Die Autoren gehen aus ihren unterschiedlichen Disziplinen heraus gemein-sam der Frage der, in vielen modernen Verfassungsstaaten zur Selbstverständ-lichkeit gewordenen, Trennung der Sphären von Religion und Politik nach. Diesgeschieht vor der Grundannahme, dass im postsäkularen weltanschauungsneutra-len, aber gleichsam nicht gott-losen, Staat des beginnenden 21. Jahrhunderts fürden Citoyen religiöse Überzeugungen eine wichtige Sinnressource darstellen (7).Der Bogen, der von der Autorin und den Autoren hierbei gespannt wird, reichtvon der Darstellung der verfassungsrechtlichen Grundlagen des bundesdeutschenVerhältnisses von Staat und Kirche (Groh) über Fragen des interreligiösen Zusam-menlebens im kulturell und religiös pluralistisch geprägten Staat der Postmoderne(AlDailami und Lohmann), sozialphilosophischen Re�exionen über die Unver-zichtbarkeit einer vorzunehmenden Distinktion zwischen den Konzepten von Re-ligion und Politik sowie einer vorpolitischen Kultur und den etwaigen Folgen desVerlustes christlich geprägter Sinntraditionen (Küenzlen) über eine Betrachtungder Entwicklung der Beziehung der Katholischen und der Evangelischen Kirchezum Grund- und Menschenrecht auf Religionsfreiheit (Bohrmann) bis zu einerideengeschichtlichen Rekonstruktion der Beziehung von kirchlicher und staat-licher Sphäre im Anschluss an die religionspolitischen Paradigmenwechsel derReformation und Aufklärung mit ihren Auswirkungen für die bürgerliche Solida-rität (Reichelt), sowie einer Analyse neuerer Entwicklungen der politischen Phi-losophie in deren Betrachtung das ideologische Ende des modernen Programmsrechtsstaatlicher Wirklichkeitsgestaltung diagnostiziert wird (Bohn).

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Was das Buch bietet, ist eine fundierte und vielschichtige Auseinanderset-zung der Autorin und der Autoren mit potenziellen Entwicklungsszenarien fürdas Staat-Kirche-Verhältnis in der Bundesrepublik Deutschland vor dessen histo-rischem Hintergrund.

So bietet etwa der Beitrag Gottfried Küenzlens, ausgehend von der Aufga-be des Glaubens an die Unsterblichkeit der Seele durch die politische Autoritätund die daraus resultierende politische Verunsicherung eines – auch in Zeiten derAufklärung – auf dem Postulat der unsterblichen Seele aufbauenden Staates, eineAuseinandersetzung mit den Voraussetzungen des Konzepts der „Säkularität desStaates“ und dessen Beitrag zur Sicherung des bürgerlichen Friedens (10–16).

Bemerkenswert sind hierbei die Überlegungen zum zeitgenössischen Verhält-nis von bundesdeutschem Staat und Kirchen sowie der – spätestens seit der „Frei-burger Konzerthaus-Rede“ von Papst Benedikt XVI. am 25. September 2011 imLicht der Öffentlichkeit geführten – Debatte um die (vermeintliche) Privilegierungder Kirche in Deutschland (17–21), in deren Rahmen Küenzlen sehr richtig auf dieProblematik der ideologischen Verkürzung hinweist, da die sog.”Privilegien“ nach„Geist und Buchstabe des Gesetzes keineswegs alleinige Domäne der christlichenKirchen“ (19f.) sind, was er an den Fragen der rechtlichen Organisation und desReligionsunterrichts kurz ausführt. Nichtsdestotrotz ist Küenzlen zuzustimmen,dass „Kirche und Staat . . . in der Frage ihres künftigen Verhältnisses ungewissenZeiten entgegen[gehen].“ (21) Eine Revision des deutschen Staatskirchenrechtswird für die beiden Vertragspartner unabdingbar.

An diese Überlegungen fügt sich gleichsam „nahtlos“ der Beitrag von KathrinGroh an, der das Verhältnis von Staat und Kirche in seinem geschichtlichen Wer-den – beginnend mit den Glaubensspaltungen der Reformation – bis zur Verhält-nisbestimmung des deutschen Grundgesetzes und den Bestimmungen des Euro-päischen Unionsrechts und der EMRK in seinen groben Zügen darstellt (24–30),um in einem zweiten Gang der Untersuchung die Grundprinzipien der religiösenNeutralität des Staates und der Organisationsform der Religionsgemeinschaft undderen Notwendigkeit im deutschen Staatskirchenrecht darzustellen (30–37).

Thomas Bohrmann widmet sich, nach einer historischen Zusammenfassungdes gewandelten Verhältnisses der katholischen Kirche zur Religionsfreiheit –einsetzend mit der Französischen Revolution – (39–44) und einer Darstellungder fundamentalen Inhalte der Konzilserklärung Dignitatis Humanae (44–48), ei-nem Thema, welches gerade in Zusammenhang mit der Position der katholischenKirche zum Grund- und Menschenrecht auf Religionsfreiheit von nicht zu über-schätzender Relevanz ist: den päpstlichen Botschaften zum Weltfriedenstag. Hieranalysiert Bohrmann drei Botschaften der Päpste Johannes Paul II. und Bene-dikt XVI., bevor er nach einer Darstellung der ökumenischen und evangelischenEntwicklungen bzgl. der Religionsfreiheit zu dem Schluss kommt, dass der per-

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sonalethische Ansatz der Kirchen – ausgehend von der unverlierbaren Würde dermenschlichen Person – kompatibel ist

„mit dem neuzeitlichen Denken und dem Verständnis des Menschen als mora-lischem Subjekt, das selbstbestimmt sein Leben führt, unabhängig von staatlichenRegeln und staatlicher Ein�ussnahme. [. . . N]ur in einem Staat, der sich zur Säku-larität und weltanschaulichen Neutralität bekennt, kann Religionsfreiheit in ihrerpositiven und negativen Ausprägung von allen Bürgerinnen und Bürgern gelebtwerden. Und damit wird der Staat allen Menschen als Person gerecht.“ (56)

Said AlDailami stellt in seinem Beitrag neben den Grundlagen muslimischerGesellschaften und den fundamentalen Umwälzungen derselben durch den Arabi-schen Frühling ausführlich die Paradigmenwechsel der jüngeren Islamforschungdar. Hierbei widmet sich AlDailami neben der basalen Schwierigkeit, die soziale,politische, religiöse und kulturelle Realität der muslimischen Gesellschaft termi-nologisch mit Begriffen und Konzepten aus dem europäischen Diskurs beschrei-ben zu müssen (59f.), auch der in Europa weitverbreiteten Auffassung, die Religi-on des Islam wäre gemeinhin mit dem islamischen Recht und dieses in Folge wie-derum mit der Scharia gleichzusetzen (65–68), um in einem weiteren Schritt das –durch die Ereignisse des Arabischen Frühling geprägte – neue Bild des Islams inseinen Konsequenzen für das Verhältnis von „Scharia und Verfassungsstaat“ – sodie Überschrift des betreffenden Kapitels – fruchtbar zu machen (70f.). Schlus-sendlich wird nach der Fundierung des Selbstverständnisses der islamischen Kul-tur als „einer Kultur der Ambiguität, einer geschichtlichen Verwurzelung von Plu-ralität, einer Kultur der Anerkennung fremder und andersartiger Meinungen undWeltsichten“ (70) festgehalten, dass vor diesem Hintergrund der Gedanke, der Is-lam sei mit der Moderne nicht vereinbar als absurd quali�ziert werden müsse. Imislamischen Selbstbild wird, AlDailami zufolge, vielmehr eine „hybride Identitätgep�egt, die auch dramatisch erscheinende Ambiguitäten zu einem Ausgleich zubringen weiß: gelebte Paradoxie.“ (77)

Der interdisziplinäre Sammelband führt vor Augen – Jochen Bohn exempli-�ziert dies anhand des sog. ‚Kölner Beschneidungsurteils‘ (1. Instanz: AG Köln,21.09.2011-528 Ds 30/11; 2. Instanz: LG Köln, 07.05.2012-151 Ns 169/11) ausdem Jahr 2011/12 (137f.) –, dass die Stärke des säkularen Rechtsstaats darin liegt,seinen Bürgern die ihnen eigene weltanschauliche Selbstvergewisserung zu über-lassen. (vgl. 139) Dadurch macht sich der Staat jedoch verletzbar, ist er doch „da-von abhängig, dass individuelle Orientierungsprozesse in genügend großer Zahlauf eine Bestätigung der weltanschaulichen Voraussetzungen von Säkularität undRechtsstaatlichkeit hinauslaufen.“ (139) Hier sei auf Karl Korinek verwiesen, derÄhnliches postuliert, wenn er formuliert, dass die weltanschaulich pluralistischeGesellschaft im Letzten „nur dann Bestand haben [kann], wenn bei aller Vielfaltvon Wahrheits- und Wertüberzeugungen eine Gemeinsamkeit von Grundhaltun-

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gen gegeben ist, die an allgemeinen anerkannten Werten orientiert sind.“ (Ko-rinek, Karl, Die Gottesebenbildlichkeit des Menschen als Grundlage modernerGrundrechtskataloge, in: Kapellari, Egon/Schambeck, Herbert (Hg.), Diplomatieim Dienst der Seelsorge. FS zum 75. Geburtstag von Nuntius Erzbischof DonatoSquicciarini, Graz/Wien/Köln 2002, 76–85, hier 76) Unter anderem diese Verletz-barkeit bringt das zeitgenössische Konzept des säkularen Rechtsstaates an einenWendepunkt. Das Resultat der weiteren Entwicklung ist hierbei noch nicht abzu-sehen.

Andreas Erhard Graßmann, Salzburg

CAREY, Patrick W., Avery Cardinal Dulles (SJ). A Model Theologian (1918–2008), New York/Mahwah NJ 2010. Paulist Press New York/Mahwah NJ 2010,710 p., geb., 37,20 Eur [D], ISBN 978-0-8091-0571-7.

Im Dezember 2008 hat sich der Lebensweg eines bedeutenden, nordamerikani-schen Theologen, des Kardinalen Avery Dulles, SJ beendigt. Dieser traurige Be-richt hat seinen Widerhall nicht nur in verschiedenen (nicht nur) katholischenMedien in vorrangigen Zentren gefunden, sondern ist auch in die entlegenstenRegionen der Welt vorgedrungen. Kardinal Dulles war Autor von 28 Büchern,unter welchen eine Vielzahl in fremde Sprachen übersetzt worden sind. Die An-zahl seiner weiteren Fachpublikationen nähert sich an die Tausend.

Dulles‘ Familie gehört in den USA zu einer der prominentesten; der Vaterdes Kardinals, John F. Dulles, war Staatssekretär unter Präsident Dwight D. Ei-senhower und sein Onkel Allan W. Dulles engagierte sich jahrelang in der CIA-Leitung. Es ist also wenig verwunderlich, dass die amerikanische Kirche praktischunmittelbar nach Dulles‘ Tod mit der Suche nach einem geeigneten Autor begon-nen hat – es musste eine entsprechende Weise gefunden werden, um mit Dulles‘komplexer Biographie ins Reine zu kommen. Diese Aufgabe hat letztendlich einerfahrener Professor der „historischen Theologie “ der Marquette University, derehemalige Präsident der Amerikanischen Assoziation der katholischen Histori-ker, Patrick W. Carey, auf sich genommen. Seine umfassende Biographie ist keinezwei Jahre nach dem Tode des Kardinalen erschienen und zusammen mit demBuch The Legacy of Avery Cardinal Dulles, SJ (Kirmse, Anne-Marie/Canaris,Michael M., The Legacy of Avery Cardinal Dulles, SJ, New York 2011) ist siezu einer der unentbehrlichen Publikationen für all jene geworden, die sich mit derPerson Dulles und mit seinem Werk beschäftigen möchten.

Es ist gerade der Blick auf Dulles‘ Familie, mit dem Carey die biographi-sche Freske des Kardinalen für den Leser öffnet. Insgesamt 16 Teile des Bucheswerden nach den einzelnen Lebensabschnitten Dulles‘ gegliedert und jeder von

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ihnen befasst sich mit einer eigenen Besonderheit seines Lebens. Carey nimmtAnleihen an Dulles‘ Autobiographie A Testimonial to Grace (Dulles, Avery, Atestimonial to Grace and Re�ections on a Theological Journey. 50th aniversa-ry edition, Kansas City 1996. Die ursprüngliche Version dieses Buches entstandwährend des zweiten Weltkrieges (wahrscheinlich 1944), während der Autor anBord eines amerikanischen Kreuzers im Dienst war. Die erste Ausgabe erschien1946). Das Buch A Model Theologian bietet aber jedenfalls eine wertvolle Au-ßenperspektive auf die intellektuelle und spirituelle Entwicklung Dulles‘ – mandarf nicht vergessen, dass Dulles in der jüngsten Vergangenheit gerade die ame-rikanische katholische Theologie auf eine bedeutende Weise beein�usst hat. DasBuch begleitet den Leser schrittweise durch einzelne Etappen eines interessantenLebens. Mit der Kindheit in einer politisch engagierten Familie beginnend, vomStudium an Choate und Harvard, wo Dulles zum Katholizismus konvertiert, überden Militärdienst bei der Marine der amerikanischen Armee während des zweitenWeltkrieges, bis zu Dulles‘ Eintritt in den Jesuiten-Orden und seine lange Karie-re eines katholischen Theologen, die in seiner Berufung ins Kardinalskollegiumgipfelt. Es ist daher nur naheliegend, dass sich Patrick Carey Dulles‘ theologi-sches Werk aus seinem eigenen Lebensschicksal speist und die Hintergründe deskulturellen und religiösen Lebens der Vereinigten Staaten in der zweiten Hälftedes 20. Jahrhunderts spiegelt. Deswegen wird das Buch auch zu einer wertvollenInformationsquelle für den europäischen Leser. Carey zeichnet Dulles detailliertanhand seiner publizierten, als auch unveröffentlichten Schriften dar. Die Tatsa-che, dass es ein Archiv des Kardinals gibt, ermöglichte es dem Autor, auch diepersönliche Korrespondenz und viele andere Dokumente des Kardinals heranzu-ziehen. Darüberhinaus wird das Buch von Gesprächen und Unterredungen belebt,die Carey mit Kardinal Dulles, seiner Familie, Freunden, Zeitgenossen und ehe-maligen Studenten geführt hat.

Zu den Dulles‘ wichtigsten theologischen Themen gehören Offenbarung,Glaube und Kirche, vor allem aber die Entwicklung der kirchlichen Glaubensleh-re. Aus dieser Hinsicht ist Dulles primär als Fundamentaltheologe zu bezeichnen.Sein Denken wurde von einer ganzen Reihe bedeutender Persönlichkeiten beein-�usst – unter anderen sind John Henry Newman, Henry de Lubac, Yves-MarieCongar oder Michael Polanyi zu nennen. In seinen letzten Lebensjahren wurdeDulles zu einem großen Gönner Papst Johannes Pauls II. und nachher hatte erSympathien auch für seinen Nachfolger, Benedikt XVI.

Zu einem wichtigen, Dulles‘ eigene theologische Position beein�ussendentheologischen Impuls zählen die starken Polarisierungstendenzen der amerika-nischen Theologie der 1960er und 1970er Jahre – es standen sich „rigide Kon-servative “ und „radikale Reformatoren “ (271) gegenüber. Mit dieser Spaltungund im Zuge großer Veränderungen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ver-

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suchte Dulles alle Extreme zu vermeiden – er hat sich als ein gemäßigter Theo-loge „des Mittelwegs “ verstanden. Er vertrat nämlich die Überzeugung, dass einTheologe für das Erhalten einer lebendigen Glaubensbotschaft verantwortlich ist,genau wie auch für den Aufbau der Kirche in der Gegenwart. In seiner Wahr-nehmung erschienen ihm die Polarisierung und der uferlose Pluralismus sowohlder amerikanischen Gesellschaft als auch der amerikanischen katholischen Kir-che als etwas Destruktives, dem eine sinnvolle Alternative entgegen zu stellen ist.Für ihn bestand der einzige Lösungsansatz in der kontinuierlichen Anstrengung,die Veränderungen innerhalb der Kirche und in der Gesellschaft zu beschreiben.Zugleich verfolgte er sein Anliegen, einen Raum zu schaffen, in dem divergieren-de Meinungen nur durch gegenseitige Interaktion zu überwinden sei und dadurchdie allgemeine, für diese Zeit charakteristische Meinungsverwirrung entschärfe.Schon damals hat Dulles mit seiner Theologie einen legitimen innerkirchlichenPluralismus angestrebt. Eindeutig belegen dies seine Publikationen wie Modelsof the Church und Models of Revelation. Carey zitiert in diesem ZusammenhangDulles‘ Äußerung: „escape from the painful dilemma between a Modernistic im-manentism and anti-Modernist extrinsicism.“ (270) Dulles akzeptierte in seinertheologischen Auffassung den neo-scholastischen Realismus, zugleich aber lehn-te er den antimodernistischen Akzent dieser Theologie und die manualistischeTheologie als solche ab. Er kritisierte die radikalen Vertreter der sogenannten „sä-kularen Theologie “ und sympathisierte mit den Theologen, die zwar die göttlicheImmanenz betonten, dabei aber die Transzendenz Gottes nicht bestritten haben.Oft positionierte er sich als „Mediator “ zwischen extremen theologischen Stel-lungen. Diese Position kann in vielen Hinsichten auch für die heutigen Theologeninspirierend wirken, wo wir eine noch größere Eskalation des Meinungspluralis-mus und Radikalismus erleben, und zwar nicht nur innerhalb der katholischenKirche, sondern auch im Gebiet des Ökumenismus und interreligiösen Dialogs.Das Zusammenwachsen der religiösen Strukturen mit den säkularen Strukturenist heutzutage so intensiv und zugleich unübersehbar geworden, dass man vonden gegenwärtigen Theologen eine enorme Aufmerksamkeit und grundlegendeErudition erwartet. Ich bin der Überzeugung, dass Dulles‘ Werk eine solide Basisund Methode für das Spinnen der theologischen Faser unserer Zeit anbietet.

Ohne Zweifel sympathisiert Carey mit Dulles – sein Buch nimmt eher Zü-ger einer einer „laudatio “ als einer kritischen Monographie an. Doch gibt diesesBuch auch Raum für Dulles‘ Opponenten. Ihre Argumente werden präsentiert,ohne eine tiefere Konfrontation mit Dulles‘ Denken zu beabsichtigen. Trotzdemstellt das Buch einen wertvollen Beitrag zur Verortung der amerikanischen theo-logischen Geschichte dar, da es durch diesen Kardinal einen außergewöhnlichenBlick auf die Entwicklung des amerikanischen katholischen Denkens und Kulturder vergangenen sechzig bis siebzig Jahre vermittelt, und so indirekt zu weiteren,

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vielleicht polemischen Studien auffordert. Schließlich bleibt nur hinzuzufügen,dass der Jesuitenprovinzial Joseph A. O’Hare die Vorrede des Buches verfasst hat.Kardinal Avery Dulles gehört zu einem der bedeutendsten katholischen Theolo-gen des 20. Jahrhunderts, dessen Bedeutung weit über die Grenzen der Vereinig-ten Staaten ausgreift. Er ist der Theologe, den man nicht nur nicht vergessen soll,sondern der auch im 21. Jahrhundert ins Gedächtnis gerufen werden soll. Geradedas tut Careys Buch auf eine ausgezeichnete Weise.

František Št�ech, �Ceské Bud�ejovice

CHUNG, Meehyun, Reis und Wasser. Eine feministische Theologie in Korea(Theologie/Religionswissenschaft 12), Frank & Timme Verlag für wissenschaft-liche Literatur Berlin 2012, 226 S., kart., 28,- Eur [D], ISBN 978-3-86596-434-2.

Reis und Wasser stellen Lebensprinzipien dar; sie „gehören zum Prinzip vonSangsaeng . . . , welches das Zusammenleben beinhaltet“ (9), betont die Autorinim Vorwort zu diesem bemerkenswerten Band, der elf Beiträge zu theologischenund sozio-kulturellen Schwerpunktthemen enthält. Als Germanistin, Theologinund Pfarrerin der Presbyterianischen Kirche, die in ihrer Heimat Südkorea stu-dierte und in Basel in Theologie promovierte, verfügt Meehyun Chung über eineinterkulturelle Kompetenz und theologische Sensibilität, die interessante Perspek-tiven erschließen.

„Feministische Denk- und Handlungsansätze“ versteht die Verf. „als sozial-kritische, die als treibende Faktoren zum Umdenken anregen und der Erneuerungdienen“ (Vorwort, 12). Von daher pro�liert sie feministische Theologie in einemgesellschaftskritischen Sinn. Mit Blick auf die jüngere Geschichte des geteiltenKoreas hebt sie die Erfahrungen von Frauen angesichts der Militarisierung desLandes, des rasanten Wirtschaftswachstums, der sozialen und ökologischen Pro-blematik und der damit verbundenen gesellschaftlichen Transformationen hervor.Sie spricht von einer „Spiritualität des Widerstandes“ (141) und steht der Favo-risierung „asiatischer Traditionen“ kritisch gegenüber: „Viele westlich geprägteMenschen kommen mit der Vorstellung, in Nordostasien die Weisheit in den asia-tischen Religionen und in der Meditation zu �nden. Aber ich hatte den Eindruck,dass diese Menschen die asiatische Realität nicht wirklich wahrnehmen können,die mit kapitalistischer Konkurrenz und dem Druck des schnellen Wachstums undden daraus folgenden Nebenwirkungen und Schattenseiten verbunden ist“ (167,Anm. 9). Die sozialen und ökonomischen Herausforderungen Südkoreas stellenfür Meehyun Chung das entscheidende Motiv ihres Ansatzes feministischer Theo-logie dar, den sie bewusst in ihre konfessionelle Tradition stellt: „Mein Schwer-punkt ist, diese Theologie mit reformierter Tradition in Verbindung zu setzen, die

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gesellschaftskritisch und sozial-theologische Reformen einschließt. Vor diesemHintergrund versuche ich, Koreanische Feministische Theologie mit reformierterIdentität zu verbinden“ (151, Anm. 10).

Zu diesem politischen Pro�l kommt eine kritische Auseinandersetzung mitKriterien theologischer Kontextualisierung. Chung distanziert sich von Ansät-zen feministischer Theologie, die kulturelle Kontexte und Glaubensansprüche er-kenntnistheologisch auf dieselbe Ebene stellen: „Asiatische Materialien könnennicht Alternativen für die Bibel, aber ergänzende Materialien für die Untersuchun-gen asiatischer feministischer Theologen sein“ (147, Anm. 5). In deutlicher Abset-zung von Positionen kontextueller Theologie, die kulturellen Identitäten eine hohetheologische Valenz zusprechen, betont Chung die bleibende und unverwechsel-bare Bedeutung der biblischen Botschaft: „Koreanische feministische Theologiehat die Fähigkeit, die gemeinschaftlichen Aspekte der koreanischen Kultur auf-zunehmen. Doch sollten koreanische kulturelle Werte nicht idealisiert, sondernkritisch ausgewertet werden . . . . Kritiklose Idealisierung der Tradition oder Kul-tur hilft m. E. nicht, die zentrale Botschaft der Bibel auf koreanischem Boden zuverankern“ (177f.). Dass ihr theologischer Zugang unverkennbar von Karl Barthgeprägt ist, verleugnet die Verf. nicht; sie ist sich auch der feministischen Kritikan Barths Ansatz bewusst, versucht aber vor allem das gesellschaftspolitische Po-tential dialektischer Theologie für ihr Anliegen fruchtbar zu machen: „Von Barthskulturellem und politischem Interesse lernte ich, meine eigene Kultur differen-zierter wahrzunehmen und kritisch zu hinterfragen“ (225).

Der hier vorgelegte Ansatz lässt sich als feministische Theologie in befrei-ungstheologischer Orientierung begreifen, der bedenkenswerte Anstöße einbringt,aber sicherlich auch die kritische Rückfrage auslösen wird, welche theologischeRelevanz den Kategorien „Kultur“ und „Gender“ letztlich zukommt. Für den spe-zi�sch politischen und sozialen Zuschnitt ihres Ansatzes hat Meehyun Chung eineeindrückliche Formulierung gefunden: „Gottes Segen darf nicht Monopol einesEinzelnen werden – er ist mit andern zu teilen. Auf dieses fundamentale Prinzipbezieht sich die koreanische feministische Theologie“ (172). In diesem Sinn hatdie Verf. dieses Buches tatsächlich „Reis und Wasser“ gereicht – als Metaphernfür eine theologische Auseinandersetzung mit den Grundlagen des Lebens undals möglichen Anstoß, gewohnte Muster kontextueller und feministischer Theolo-gie im Licht der Herausforderungen einer asiatischen Transformationsgesellschaftkritisch zu hinterfragen.

Franz Gmainer-Pranzl, Salzburg

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DALFERTH, Ingolf U./PENG-KELLER, Simon (Hg.), Grundvertrauen. Her-meneutik eines Grenzphänomens, Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2013, 230S., Pb., 38,- Eur [D], ISBN 978-3-37403-021-7.DALFERTH, Ingolf U./PENG-KELLER, Simon (Hg.), Kommunikation desVertrauens, Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2012, 224 S., Tb., 38,- Eur [D],ISBN 978-3-37403-027-9.

Die zu besprechenden beiden Bände sind neben dem noch ausstehenden Werkzum Gottvertrauen Bestandteil der von den Herausgebern selbst so benannten„Vertrauenstrilogie“, sie stellen das Ergebnis des interdisziplinären Forschungs-projektes Vertrauen verstehen. Grundlagen, Formen und Grenzen des Vertrau-ens dar. Interdisziplinär bedeutet in diesem Fall die Zusammenführung theologi-scher, historischer, ökonomischer, psychologischer sowie neuro- und sozialwis-senschaftlicher Perspektiven. Insofern stellen beide Bände einen substantiellenBeitrag zu zentralen Fragestellungen der aktuellen Vertrauensforschung dar und –um es bereits im Vorwege anzudeuten – bereichern diese ausdrücklich.

Der Band Kommunikation des Vertrauens widmet sich nach einer hermeneuti-schen Annäherung der Herausgeber Ingolf U. Dalferth & Simon Peng-Keller, diesich vor allem mit dem Vertrauensbegriff auseinandersetzt und in die nachfolgen-den Beiträge einführt, diversen Anwendungsfeldern, in denen Vertrauen seit jehereine fundamentale Bedeutung zugeschrieben wird:

Zunächst geben die Einlassungen von Katrin Rockenbauch & Frank Fritzscheeinen Überblick über Facetten der Vertrauenskommunikation in der Arzt-Patient-Beziehung, wobei sie hierzu auf diverse empirische Befunde zurückgreifen unddiese in den Kontext des heutigen Verständnisses beider Rollen in der Selbst-und Fremdwahrnehmung stellen. Der abschließenden Forderung der Autoren nachverstärkter theoriegeleiteter Forschung kann an dieser Stelle nur ausdrücklich zu-gestimmt werden, sie machen damit auf ein De�zit aufmerksam, das sich glei-chermaßen für diverse andere Bereiche der Vertrauensforschung stellt.

Bernhard Grimmers Beitrag zur Vertrauenskommunikation in der Psychothe-rapie weist auf zentrale Merkmale einer durch Vertrauen geprägten therapeuti-schen Beziehung hin, wobei allerdings seine Ausführungen weitestgehend auf dendoch gerade in dieser Hinsicht sehr spezi�schen Bereich der psychodynamischenPsychotherapien beschränkt bleiben. Besonders gewinnbringend sind m.E. seineÜberlegungen zu den diversen Erwartungseffekten, die Abgrenzung der verschie-denen im Kontext der Vertrauenskommunikation wirkenden Konstrukte (Vertrau-en, Zutrauen, Glaubwürdigkeit usw.) zueinander bleibt allerdings offen.

Der seelsorgerischen Arbeit widmet sich im Folgenden die Arbeit von SimonPeng-Keller, wobei er neben der dyadischen Vertrauensbeziehung in der Seelsor-ge auch die Aspekte des institutionellen und religiösen Vertrauens in den Fokus

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seiner Überlegungen rückt. Dieses bislang kaum erforschte Feld seelsorglicherTätigkeit wird unter Bezugnahme auf ausgewählte Kommunikationsbeispiele derSeelsorgeliteratur in theoretisch hochkomplexer Weise durchdrungen.

Mit dem Schwerpunkt auf die religionspädagogische Perspektive setzt sichThomas Schlag mit den Prozessen der Vertrauens-Bildung im erzieherischen Be-reich auseinander, hierbei diskutiert er vor allem auch angesichts der aktuellenMissbrauchsdiskussion den schwierigen Spagat zwischen dem Bemühen um Ver-trauen einerseits und Gefahren der Grenzüberschreitung andererseits. Dabei be-zieht sich der Autor in einem historischen Bogen auf klassische Bildungstheo-retiker und zeigt eindrucksvoll auf, welche weitreichenden Chancen sich übervertrauensbasierte bzw. -intendierende religiöse Bildungsangebote (gerade auchunter dem Blickwinkel der interreligiösen Bildung) eröffnen. Diese Chancen er-mutigen – ungeachtet der immerwährenden Gefahr eines Missbrauchs – stets undaufs Neue dazu, das Wagnis der Vertrauensbildung einzugehen.

In ihren Ausführungen zur erziehungswissenschaftlichen Vertrauensfor-schung verweist Sandra Tiefel auf die Bedeutung von Geborgenheit und Ver-trautheit als Kernelemente der Vertrauenskommunikation in Erziehungsprozes-sen, während sie im Rahmen von Bildungsprozessen insbesondere die affektiveund re�exive Komponente von Vertrauen in ihrer kommunikativen Funktion her-vorhebt. Die in diesem Beitrag somit vorgenommene Differenzierung von Erzie-hung und Bildung bei der Analyse des Vertrauensphänomens stellt einen gewinn-bringenden Beitrag für die interdisziplinäre Forschung in diesem Kontext dar.

Im abschließenden anwendungsorientierten Beitrag des Herausgeberbandeswerden von Peter Ebert die bisherigen Überlegungen aus der Perspektive der Ma-nagementlehre komplettiert, wobei er sich gleichermaßen der intra-, inter- undextraorganisationalen Ebene zuwendet. In seinen Einlassungen zeigt er eindrucks-voll auf, wie stark Vertrauen mit grundlegenden impliziten und expliziten Men-schenbildern verbunden ist und sich folglich eben nicht im Sinne einer klassischenManagementstrategie „kalkuliert herstellen“ lässt.

Eine Bündelung aller Diskussionsstränge zur Vertrauenskommunikation inprofessionellen Kontexten, die insbesondere auf Basis der bestehenden Desiderataeinen entsprechenden Ausblick auf die diesbezügliche hermeneutische Forschungbietet, wird seitens der Herausgeber Ingolf U. Dalferth & Simon Peng-Keller im�nalen Kapitel vorgenommen.

Grundvertrauen – Hermeneutik eines Grenzphänomens stellt gewissermaßenden zweiten Band der Vertrauenstrilogie dar und diskutiert in insgesamt neun Bei-trägen dieses wissenschaftlich und ebenso alltagswissenschaftlich höchst popu-läre Konstrukt, das aber in der bisherigen interdisziplinären Vertrauensforschungtheoretisch und empirisch wenig fundiert untersucht wurde. Die Herausgeber mer-ken als Ausgangspunkt ihrer Arbeit in der Einleitung von daher zu Recht an: „Der

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Begriff des”Grundvertrauens“ gehört zu den populärsten und zugleich schwie-rigsten Konstrukten der Psychologie, Soziologie, Philosophie und Theologie derGegenwart.“

Der Band gliedert sich in vier verschiedene Teile, eröffnet wird er mit zweiBeiträgen zu den hermeneutischen Grundlagen des Grundvertrauens. Der ers-te Aufsatz stellt eine einführende konzeptuelle Annäherung seitens der Heraus-geber Ingolf U. Dalferth & Simon Peng-Keller dar, in welcher die unterschied-lichen Zugänge zum Grundvertrauen skizziert und dabei vor allem auch die –oftmals in den verschiedenen Arbeiten stark vernachlässigte – Frage aufgewor-fen wird, inwieweit damit tatsächlich jeweils das gleiche oder eben inhaltlichzum Teil deutlich unterschiedliche Phänomene betrachtet werden. Sodann wirdvon Simon Peng-Keller dem Konzept des Grundvertrauens in seiner Abgrenzungzum Seins- und Lebensvertrauen in der theologischen Auseinandersetzung nach-gegangen, wobei er in seinen Überlegungen starke Bezüge zu Klassikern der er-ziehungswissenschaftlichen und psychodynamischen Forschungstradition (Pesta-lozzi, Erikson, Richter) herstellt. Die gründliche, auch wissenschaftshistorischeAufbereitung diesbezüglich vorliegender Arbeiten ist für die Vertrauensforschunginspirierend, gerade weil sie – wie vom Autor konstatiert – „auf einen Klärungs-und Differenzierungsbedarf“ aufmerksam macht.

Der zweite Teil des Bandes umfasst psychologisch-empirische Vertiefungenund beginnt mit einem Beitrag von Brigitte Bothe zum Verhältnis von Urvertrau-en und elterlicher Praxis. Die Autorin zeigt hierbei im Wesentlichen die zentralenArgumentationsstränge und empirischen Befunde der Forschungen von Eriksonund Bowlby auf, wobei sie dies mit sehr anschaulichen Beispielen erzieherischerArbeit illustriert. Die Überlegungen zum Wechselspiel des Gebens und Nehmensvon Vertrauen, verbunden mit einer jeweiligen Spender- und Rezipientenperspek-tive in der Eltern-Kind-Interaktion, eröffnen dabei wertvolle Anknüpfungspunktefür die frühpädagogische Forschung. Im Anschluss daran werden von Petra Mei-bert & Johannes Michalak Ergebnisse eines empirischen Forschungsvorhabenszum Grundvertrauen in achtsamkeitsbasierter Psychotherapie vorgestellt. Es han-delt sich hierbei um das einzige empirische Vorhaben aus dem o.g. interdiszipli-nären Forschungsprojekt Vertrauen verstehen. Grundlagen, Formen und Grenzendes Vertrauens. Das theoretisch gut begründete und empirisch validierte Mess-verfahren zur Erfassung von Grundvertrauen stellt einen wichtigen Impuls für dieVertrauensforschung dar, entsprechende Instrumentarien sind aktuell immer nochsehr rar. Zwar ist der Fragebogen auf den Einsatz in der psychotherapeutischenArbeit ausgerichtet, es bieten sich m.E. aber durchaus Ansatzpunkte zur Adap-tation auf weitere Anwendungsfelder. Es bleibt mit hohem Interesse abzuwarten,welche Ergebnisse die geplante Interventionsstudie mit Angstpatienten erbringen

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wird, in denen das im Projektverlauf entwickelte Messinstrument zum Einsatzkommt.

Die Herausgeber betiteln den dritten Teil ihres Bandes mit Kritik und Alterna-tiven, ein solcher Beitrag wird zunächst aus soziologischer Perspektive von MartinEndreß geliefert, wobei er versucht, „das in Frage stehende Phänomen einem so-ziologischen Verständnis zu erschließen und andererseits Soziologie-immanenteDenk- und Begriffsblockaden zu überwinden“. Er nimmt in diesem Versuch Be-zug auf die prominenten Beiträge von Luhmann, Giddens, Beck und Sztompka,stellt personale und systemische Komponenten des Vertrauens heraus und erör-tert Bedingungen erlebten Misstrauens. Mit Blick auf eine Analyse gesellschaftli-cher Strukturen und Prozesse ist m.E. die angesprochene konstitutive Ambivalenzund eine damit verbundene institutionelle Re�exivität gewinnbringend, ferner dieAuseinandersetzung mit der Frage, inwieweit die Institutionalisierung von Miss-trauen vertrauensstiftende Effekte haben kann. Arne Green nähert sich in einemzweiten Beitrag dieses Teils aus religionsphilosophischer Verortung dem Grund-vertrauen, wobei er neben einer terminologischen Betrachtung insbesondere dieSubjektivität des Vertrauens in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen rückt. SeineÜberlegungen stellen dabei hilfreiche Ansatzpunkte gerade auch für eine empiri-sche Auseinandersetzung mit dem Vertrauensphänomen dar.

Den abschließenden Teil des Herausgeberbandes, Differenzierungen und Er-weiterungen, eröffnet Emil Angehrn, wobei er das Spannungsverhältnis vomSeinsvertrauen und Sinnvertrauen einerseits sowie dem Vertrauen in den Men-schen andererseits gleichermaßen unter einer metaphysischen und einer herme-neutischen Komponente betrachtet. Dass Vertrauen in den Menschen neben sei-nem, in den diversen Wissenschaftsdisziplinen vielfach diskutierten, funktionalenCharakter vor allem auch „ein nicht-funktionsbezogenes Sichöffnen und Sichver-lassen auf den anderen, das diesen in seiner Menschlichkeit ernst nimmt und fürdie Humanität im gemeinsamen Leben eintritt“ bedeutet, ist ein ganz entschei-dender Gedanke gerade auch mit Blick auf Fragen der Implementierung von Ver-trauen in den diversen Anwendungsfeldern. Ingolf U. Dalferth widmet sich inseinen Einlassungen sodann den diversen Facetten, die mit dem Grundvertrauenverbunden sein können: Grundvertrauen als Urvertrauen in einer entwicklungs-psychologischen Betrachtung, Grundvertrauen als Vertrauensgrund in einer be-gründungstheoretischen Betrachtung, Grundvertrauen als Fundamentalvertrauenin einer anthropologischen Betrachtung und schließlich Grundvertrauen als Hin-tergrundvertrauen in einer phänomenologischen Betrachtung. Die mit diesen un-terschiedlichen Betrachtungsansätzen zusammenhängende Frage nach der Geneseund Entwicklung von Vertrauen sowie nach dem Zusammenhang von Grundver-trauen und Grundmisstrauen lassen eine Vielzahl aktueller Forschungsdesiderataaufscheinen, die als Impulse für weitere inter- und transdisziplinäre Vorhaben die-

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nen können. Last but not least werden in dem Beitrag von Simon Peng-Kellerdie Phänomene des Grundvertrauens und des basalen Sicherheitserlebens ver-gleichend und mit dem „Versuch einer Differenzierung“ gegenübergestellt. SeineAusführungen machen evident, dass gerade die verschiedenen Facetten, welchedas Grundvertrauen annehmen kann, sowie seine Bezüge zu weiteren Erlebensbe-reichen (wie etwa der subjektiven Sicherheit oder auch dem Gottvertrauen) das indiesem Herausgeberband in Frage stehende Konstrukt einerseits so schwer fass-bar, andererseits aber eben auch so fruchtbar und inspirierend für eine wissen-schaftstheoretische und -empirische Auseinandersetzung werden lassen – dies giltfür die jeweiligen Wissenschaftsdisziplinen, insbesondere aber auch für disziplin-übergreifende Kooperationsprojekte.

Wie aus meinen Einlassungen zu den verschiedenen Einzelbeiträgen ersicht-lich, liegt der gewinnbringende Charakter beider Herausgeberbände vor allem dar-in, dass mit den Fragen der Vertrauenskommunikation und des Grundvertrauenszwei ganz zentrale Aspekte der Vertrauensforschung in den Blick genommen wer-den. Dies geschieht aus der sehr anspruchsvollen Zusammenführung diverser dis-ziplinärer Ansätze mit zum Teil deutlich verschiedenen theoretischen und metho-dischen Herangehensweisen. Der besondere Verdienst liegt m.E. nun darin, dassdiese Beiträge sich nicht isoliert voneinander präsentieren, sondern aufgrund ihrerGenese als Resultat eines gemeinsamen Forschungsvorhabens durchaus vonein-ander inspiriert und in Teilen auch aufeinander bezogen sind. Letzteres hätte mansich als Leser allerdings an verschiedenen Stellen in expliziterer Form gewünscht.

Martin K. W. Schweer, Vechta

DEMEL, Sabine (Hg.), Vergessene Amtsträger/-innen? Die Zukunft der Pas-toralreferentinnen und Pastoralreferenten, Herder Verlag Freiburg 2013, 264 S.,kart., 16,99 Eur [D], ISBN 978-3-451-32596-0.

Die deutschen Bischöfe haben nach 1978 und 1987 am 1. Oktober 2011neue „Rahmenstatuten und Rahmenordnungen für Gemeinde- und Pastoral-Referenten/-Referentinnen“ veröffentlicht.

Das vorliegende Buch bringt neben dem Anhang, der Vorwort, TheologischePräambel und beru�iche Aufgabenfelder aus dem Rahmenstatut enthält (255-264), zwölf kritische und widerständige Beiträge von Laientheolog/inn/en, davonsieben von Frauen und sechs von Männern, acht aus Deutschland, drei aus derSchweiz und einen Beitrag aus Österreich. Keine/r der Autor/inn/en ist mit demRahmenstatut zufrieden und einverstanden, vielmehr enttäuscht, da das Rahmen-statut das seit Jahrzehnte Bekannte fortschreibt und an keiner Stelle ein qualita-tiver Fortschritt erkennbar ist, auch wenn sich die deutschen Bischöfe im Vor-wort „ausdrücklich zum hauptberu�ichen Dienst von Frauen und Männern als

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Gemeinde- und Pastoralreferenten bekennen.“ (256) Die das gesamte Rahmen-statut bestimmende, nicht angezweifelte Prämisse �ndet sich im Rahmenstatut1.3.4 (261): „Nicht eine Aufgabe konstituiert das Amt, sondern das Sakramentdes Ordo.“ Amt entsteht also durch Weihe, nicht durch Taufe, Firmung, Eucharis-tie und bischö�icher Beauftragung zu einem kirchlichen Dienst. Damit ist eigent-lich schon alles gesagt und man könnte das Rahmenstatut resigniert und erschöpftweglegen, keinesfalls mit einer Publikation reagieren, aber die Autor/inn/en ar-beiten sich mit allen, jahrzehntelang vertrauten Argumenten vor allem aus Kon-zilstexten und Praxiserfahrungen erneut und bewundernswert immer wieder mitHoffnung am Statut ab. Doch das Buch wird nichts bewirken. Zu eingemauert, zufestgezurrt ist die römische und bischö�iche Amtstheologie.

Die Kirchenrechtsprofessorin Sabine Demel beschäftigt sich einleitend mitder ekklesiologischen Grundlage der Laienberufe und daher ausführlich mit denVolk-Gottes-Aussagen des Konzils und freut sich, dass durch das Konzil endlich„eine wahre Gleichheit besteht, die grundlegender ist als die Unterscheidung zwi-schen Klerikern und Laien“ (18). Aber wissen dies auch die Kleriker?

Die Neutestamentlerin Sabine Bieberstein widmet sich der Fragestellung ausbiblischer Sicht und bemerkt: „Aus biblischer Perspektive blickt man mit einigerVerwunderung auf die Schwierigkeiten, die es heute zu bereiten scheint, hoch qua-li�zierte, persönlich geeignete, motivierte und auf Dauer angestellte Menschen zuallen Diensten und Ämtern der Pastoral zuzulassen, wo doch ganz offensichtlichin den Gemeinden ein hoher Bedarf an solchem Personal besteht.“ (34). Aberwann zuletzt hat die Bibel, das Neue Testament, eine wirksame Bedeutung in die-sem Fragenkomplex gespielt? Römische Fixierungen sind durch das Evangeliumnicht au�ösbar.

Die Churer Professorin Eva-Maria Faber befasst sich mit dogmatischen Fra-gestellungen und bringt den schon mehrfach geäußerten, aber bislang folgenlosenVorschlag, „den Ordo weiter auszudifferenzieren und eine neue Ordo-Stufe ein-zuführen.“ (62) Sie treibt die Frage um, „ob der oft zitierte”defectus ordinis“, derMangel am Weihesakrament, den das Konzil den Kirchen der Reformation ange-lastet hat, heute nicht vor allem unsere eigene Praxis beschreibt. Wir haben vielefaktische Amtsträger, aber einen massiven Mangel an Ordination.“ (76)

Sabine Demel, die Herausgeberin des Buches, bemerkt in ihrem zweiten Bei-trag in den Rahmenrichtlinien eine „vorkonziliare Hierarchie-Ekklesiologie“, dieim Kontrast zur Konzilsaussage des einen Apostolats, der Heilssendung der Kir-che zu dienen, den Laien „ein innerkirchliches Apostolat nur in unmittelbarer Ab-hängigkeit von den Klerikern und daher lediglich als Teilhabe an deren Apostolat“zugesteht, „aber nicht eigenständig, also direkt von Christus abgeleitet.“ (86) „Fürdie deutschen Bischöfe können Laien offensichtlich nur kirchliche Dienste, aberkeine kirchlichen Ämter wahrnehmen.“ (88) Die Lektüre der Rahmenstatuten zei-

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ge, „dass das amtliche Priestertum bzw. die geweihten Amtsträger im gleichenMaße wie vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil im Mittelpunkt der Kirche ste-hen.“ (98)

Der unermüdliche Leo Karrer, der 1970, vor über 40 Jahren, das bahnbrechen-de Werk „Von Beruf Laientheologe?“ und unzählige weitere Beiträge publizierte,stellt eingangs fest, dass in den Rahmenstatuten „der of�zielle Standpunkt der Bi-schöfe unverändert in den Spuren der Diskussion der 1970er Jahre festgefahren“ist. „Im Jahr 2013 sind wir diesbezüglich nicht weiter als 1972.“ (102) Der ab-gebrochene Aufbruch nach dem Konzil verlangt einen „zweiten Mut zum langenAtem“ (108) angesichts der „Abwehrversuche der”Laien im Amt“ zur Rettungdes klerikalen Pro�ls“ (115). Für Leo Karrer ist geklärt: „Wer im Auftrag der Kir-che einen quali�zierten und pastoralen Dienst ausübt, nimmt ein kirchliches Amtwahr“ (120). Als einziger der Autor/inn/en weist er mit Hoffnung auf ein DrittesVatikanisches Konzil hin. (121) Aufgrund seines beeindruckenden Engagementszugunsten der Kirche wird er seliggesprochen werden.

Klaus-Gerd Eich und Georg Köhl aus Trier vergleichen die Rahmenstatutenmit dem Statut im Bistum Trier und stellen in den gesamtdeutschen Rahmenstatu-ten „die Gefahr einer Aufteilung des neutestamentlichen Amtes in ein heilsvermit-telndes Sacerdotium und ein diesem dienendes profanes Vermittlungsamt“ (131)fest.

Nach diesen sechs theologie-theoretischen Artikeln folgen sechs Beiträge ausberufspraktischer Perspektive.

Der bayrische Pastoralreferent Christian Domes beschreibt eindrucksvoll dieGrenzen seiner langjährigen Tätigkeit und stellt fest, dass in der „verwirrendenVielfalt“ der deutschlandweiten Uneinheitlichkeit der Grenzziehungen „sich einneuer Beruf, ein neues Amt, nicht konsolidieren“ (149) kann.

Bemerkenswert der Beitrag des Pastoralreferenten Werner Kleine aus Wup-pertal über Citypastoral. Das „Wort eines Bischofs anlässlich der Beauftragungs-feier von Pastoral- und Gemeindereferent/inn/en, ihr Platz sei nicht hinter, sondernvor dem Altar“ greift Kleine offensiv auf und erklärt, man dürfe sich „nicht hin-ter den Altären verschanzen“, sondern müsse „in das Profane treten“. (158) Da-her sind Laien als „Weltexperten und -expertinnen die ersten Verkünder und Ver-künderinnen in der Welt von heute.“ (164) Laien und Laientheolog/inn/en hättenaufgrund von Taufe und Firmung „ihren ureigenen Verkündigungsauftrag“, der„sakramental begründet“ ist und „keiner kirchenamtlichen Legitimation“ (162)bedarf. Das Beispiel des Apostels Paulus, z.B. auf dem Areopag (167), wird alsvorbildlich für Laien angeführt.

Claudia Guggemos aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart befasst sich mit derTheologischen Präambel des Rahmenstatuts, beschreibt sie als Fremdkörper fürdas beru�iche Selbstverständnis und kann eindrucksvoll die bischö�iche Gewich-

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tung analysieren. Das Statut „beschreibt in einer Rahmenordnung für zwei Be-rufsgruppen (Gemeinde- und Pastoralreferent/inn/en – WA ) zunächst den Standeiner anderen Berufsgruppe (Priester – WA ) und dann die Situation aller im VolkGottes. Die „hauptberu�ichen Laien“ erscheinen als eine Art Appendix in einerRahmenordnung, die sich ihrem Dienst widmet.“ (174) „Appendix“ gibt den Ein-druck wieder, den viele Laientheolog/inn/en als ihre demütigende Position in derKirche immer wieder und seit Jahrzehnten emp�nden. Medizinisch ist der Appen-dix das Anhängsel am Blinddarm.

Auch Monika Tremel, Pastoralreferentin in der Erzdiözese Bamberg, geht aufdie Theologische Präambel ein, nimmt wie alle Autor/inn/en Bezug auf das Kon-zil, um festzustellen, dass dessen Standpunkte „minimalistisch ausgelegt werden“(191) und die Präambel das „seit dem tridentinischen Konzil vorherrschende kle-rikale Ordnungsprinzip“ unterstreicht, welches die Laien in Abgrenzung zu denKlerikern in „Über- bzw. Unterordnung“ de�niert. (192) Die Rede von einer „ab-geleiteten Tätigkeit der Laien durchzieht die gesamte Präambel“ (194), Laien wer-den in der Kirche als weisungsgebundene Funktionär/inn/en verstanden, obwohl„neunundneunzig Prozent ihrer Mitglieder Laien sind.“ (199)

Die Vorsitzende der Berufsgemeinschaft der Wiener akademischen Pasto-ralassistenten Friederike Dostal bringt Erfahrungen aus Österreich, benennt diede�ziente Position, liefert zugleich aber zahlreiche Stellungnahmen der Wert-schätzung von Pastoralassistent/inn/en, z.B. 210, 218-222.

Der eindrucksvollste Beitrag kommt am Schluss. Für Barbara Kückelmann,Dekanatsbeauftragte in Bern, geht es im Rahmenstatut „weniger um Theologieals vielmehr um Disziplinierung“. Die Kirche als communio bestreitet sie: „In derKirche, der ich angehöre, gibt es keine geschwisterliche communio.“ (227) AlsEinzige der AutorInnen bemerkt sie, dass „Genderfragen in der theologischenPräambel nicht thematisiert werden“ (229) und problematisiert die wachsendeHinwendung ihrer männlichen Kollegen zur Diakonatsweihe. „Als Frau im pasto-ralen Dienst erlebe ich jede Diakonatsweihe eines Kollegen als Aufkündigung derSolidarität. . . Männer ergreifen die Privilegien, die ihnen die männerdominierteKirche hinhält, sehr gerne. Denn so sind sie”aus dem Schneider“.“ Hellsichtigbenennt Barbara Kückelmann eine selten wahrgenommene Gefahr aus der Zu-kunft: Sollte sich die Kirchenleitung zu”viri probati“ entschließen, werden sichdie Diakone ohne Zögern zu Priestern weihen lassen. „Das aber bedeutet in derKirchenstruktur der Schweiz des de�nitive Aus für Theologinnen: keine Kirchen-gemeinde wird mehr eine Frau als Gemeindeleiterin anstellen, wenn sie ja aucheinen Priester anstellen kann.“ (230) Für die Gegenwart propagiert sie Grenzüber-schreitungen. „Als Gemeindeleiterin haben mich die Menschen als ihre Pfarrerinangesehen, sie haben mich häu�g auch so genannt.“ (236) Sie greift auch nichtkorrigierend ein, wenn sich die Leute nach einem Wortgottesdienst mit Kommu-

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nionfeier für „die schöne Messe“ bedanken. (237) Wer „zieht eigentlich die Gren-ze? Wer de�niert, was erlaubt und was nicht erlaubt ist?“, fragt sie und bringt denwunderbaren „selbstverständlich-Text“ der „Pfarreiinitiative CH“ von 2012. (239)„Nicht sakramententheologische Feinheiten interessieren die Menschen, sondernob ihre Seele genährt wird in einer Feier, ob sie einen Raum erleben, in dem sie inall ihrer Bedürftigkeit und in all ihrer Kompetenz, Erfahrung und Schönheit ernstgenommen werden, gesehen werden, ob sich ein Raum auftut, in dem Gottesbe-gegnung erahnbar wird.“ (241) Und so gibt Barbara Kückelmann als Maxime fürdie Gegenwart an: „Selbstverständlich tun, was selbstverständlich geworden ist.Und selbstverständlich davon sprechen. Die jahrelangen Debatten zermürben. DerWorte sind genug gemacht. Das Warten auf Veränderungen durch die Kirchenlei-tung ist vergeblich. Tun wir also, was selbstverständlich ist.“ (240)

Nach der Lektüre des Buches kann die Situation der Laientheolog/inn/en inder katholischen Kirche in Verwendung einer gegenwärtig nicht besonders ge-p�egten, aber nach wie vor aussageproduktiven Hermeneutik resümierend wiefolgt beschrieben werden.

Die geweihten Amtsträger sind die alleinigen Eigentümer der religiösen Pro-duktionsmittel, das sind die Sakramente. In der Spendung der Sakramente wirdneue religiöse Produktivkraft erzeugt, kommt Gottes Energie in die Welt. Die Lai-en und die Laientheolog/inn/en vermögen dies nicht. Sie können allerdings dievom Klerus produzierte Gnade weiterverwenden, an ihrem Bestand, ihrer Bele-bung mitwirken. Ein Wortgottesdienst einer/eines Laientheologen/in nimmt dievom Geweihten erzeugte Produktivkraft auf und aktualisiert sie in dieser Fei-er. Das wird mit dem Begriff „Mitwirkung“ ausgedrückt. Darum werden Pries-ter selbst die berührendsten und theologisch wohlvorbereiteten Wortgottesdiensteniemals als Konkurrenz emp�nden, sondern sie eher fördern, zumal durch sie dieBesonderheit ihrer Wandlungsgewalt unabhängig von ihrer Quali�kation und ih-rer persönlichen Kompetenz im Kontrast noch markanter hervortritt.

Das zentrale religiöse Produktionsmittel ist die Konsekration der Hostie durchdie Geweihten, zumal sie „in persona Christi“ handeln. Nur sie, zölibatäre Män-ner, können Jesus in den Sakramenten, vor allem in der Eucharistie, darstellen,selbst wenn einzelne so wie die Laientheolog/inn/en ebenfalls mit Frauen, Kin-dern oder Lebenspartnern leben. Mit der Wandlung der Jesus-Hostie entsteht dasMaximum an religiöser Energie. Hier ist höchste Konzentration am Werk. Und dieLeute verstehen dies auch sehr genau. Wann immer Priester sich begegnen, wis-sen sie um diese sie verbindende Einzigartigkeit. Das hebt sie heraus und machtsie wertvoll. Sie stehen als Priesterschaft, als zölibatärer Männerbund, gleichsamHand in Hand um den Bischof. Im Kreis des Presbyteriums um den Altar scheintdas helle Licht der sakramentalen Vollmacht, das nach außen dringt und Schattenwirft. Außerhalb entsteht kein Licht, kann nur dieses Licht leuchten. Diese durch

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die Priesterweihe übertragene Vollmacht und die damit gegebene einzigartige Po-sition wollen die Geweihten freiwillig mit niemanden teilen, nicht mit einem ver-heirateten Mann noch mit einer Frau, auch nicht mit einer Ordensschwester. Dieuns zur Liebe in vielen Predigten ermuntern und antreiben, das heilige Brot bre-chen und uns geben, teilen ihre amtliche Position nicht mit uns. Selbst wenn ein-zelne es wollten, die Bischöfe geben dazu keine Erlaubnis. Hier endet das Lieben.

Wie wäre es, wenn ein Priester in jeder Eucharistiefeier bei der Wandlung eineFrau an den Altar ruft, um mit ihr gemeinsam die Wandlungsworte zu sprechen.Wäre dies wirklich unerlaubt, gegen Jesus? Ich habe dies aber noch niemals erlebt.Und ich vermute, noch nie hatte ein Priester diese Idee.

Die Anzahl der Priester ist für die religiösen Produktionsverhältnisse nichtwirklich relevant, auch wenige genügen. Weniger Priester ist kein Motiv, dieWandlungsgewalt auf andere Personengruppen zu übertragen. Allerdings werdendurch den zunehmenden Priestermangel der einzelne Priester und seine Wand-lungsgewalt noch kostbarer. Wie Eisenhut, Edelweiß und Enzian stehen die Pries-ter unter Naturschutz. So wie diese weder gep�ügt noch ausgegraben werden dür-fen, dürfen auch jene nicht in ihrer einzigartigen Position gefährdet werden. DasRahmenstatut der deutschen Bischöfe ist ein eindrucksvolles Zeugnis dafür.

Wilhelm Achleitner, Puchberg

ERNESTI, Jörg, Paul VI. Der vergessene Papst, Herder Verlag Freiburg imBreisgau/Basel/Wien 2012, 374 S., geb., 29,99 Eur [D], ISBN 3-451-30703-0.

Im kollektiven Gedächtnis der meisten Katholiken und Katholikinnen und weitdarüber hinaus war es Johannes Paul der II., der als erster Papst die Welt bereiste,der als erster Papst die Medien exzessiv zu nutzen wusste und er gilt als ersterPapst, der dem Kommunismus konzeptionell und unmissverständlich entgegen-trat.

So ist das mit dem Kollektiven Gedächtnis (vgl. Halbwachs, Maurice, Daskollektive Gedächtnis, Frankfurt am Main 1991), zumindest mit dem Teil, dendie Assmanns als Kommunikatives Gedächtnis (vgl. Assmann, Aleida, Wie wahrsind Erinnerungen?, in: Welzer, Harald (Hg.), Das soziale Gedächtnis. Geschichte,Erinnerung, Tradierung, Hamburg 2001) herausgearbeitet haben: Wie wahr sindsie, die Erinnerungen? In jedem Fall sind Erinnerungen mit einem herausragendexklusivierenden Charakter versehen!

Im Fall der Päpste des 20. Jahrhunderts, der Päpste der Nachkriegsepoche,trifft es den aus Brescia stammenden und als Paul VI. Petrus nachfolgenden GianBattista Montini: „Zwischen diesen großen Vorgängern und Nachfolgern wird dasGedächtnis Paul VI. gewissermaßen „erdrückt““ (15).

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Zwar gibt es ein sehr umfangreiches Kompendium von Literatur und wissen-schaftlichen Arbeiten über diesen Papst, nur liegt dieses umfassende Reservoiran Arbeiten, wie Ernesti zu Beginn seiner Studie feststellt, fast ausschließlichin italienischer Sprache vor. Lediglich die Vatikanische Ostpolitik rief auch inDeutschland – dies vor allem aus der direkten und teilweise als schmerzlich inter-pretierten Betroffenheit der deutschen Diözesen heraus – eine gewisse Rezeptionhervor (vgl. Stehle, Hansjakob, Die Ostpolitik des Vatikans 1917–1975, Münchenu.a. 1975. (erweitert als: ders., Geheimdiplomatie im Vatikan – Die Päpste und dieKommunisten, Zürich 1993); Hummel, Karl-Joseph, Vatikanische Ostpolitik un-ter Johannes XXIII. und Paul VI. 1958–1978, Paderborn u.a. 1999; Cerny-Werner,Roland, Vatikanische Ostpolitik und die DDR, Göttingen 2011).

Ernesti macht als Motivation für sein Buch ein doppeltes Desiderat aus: Zumeinen fehlt es an kritisch würdigenden Arbeiten über diesen bedeutsamen Papstdes 20. Jahrhunderts und zum anderen: „Dieses Buch will Vermittlungsdiensteleisten, insofern die betreffenden Veröffentlichungen im deutschen Sprachraumkaum wahrgenommen werden. Die Zeit dafür ist reif“ (24).

Viele wissenschaftliche Arbeiten scheitern an derartigen Ambitionen; die desin Brixen Kirchengeschichte lehrenden Jörg Ernesti nicht. Es gelingt ihm auf ca.350 Seiten Fließtext und einem umfangreichen Anhang seinen hoch gestecktenAnsprüchen durchaus gerecht zu werden.

Zur guten Lesbarkeit des Buches trägt zunächst einmal die gute, logischeund prägnante Gliederung bei. Er teilt seine Betrachtungen konsequentermaßenin zwei Abschnitte, wobei der über das Wirken und die Person Montinis vor sei-ner Erhebung zum Nachfolger Petri erklärtermaßen nur einen relativ geringen An-teil einnimmt und das Hauptaugenmerk auf dem Ponti�kat Paul VI. liegt. DiesesPonti�kat teilt Ernesti wiederum, aus seinen Recherchen folgend, in drei Phasen:

„Der große Aufbruch (1963–1965)„Die nachkonziliare Krise (1966–1970)„Hoffnung wider aller Hoffnung“ (1971–1978)Es gelingt Ernesti eindrucksvoll, die vielfältigen veröffentlichten Quellen zum

Ponti�kat Paul VI. zu analysieren und in umfangreichem Abgleich und Arrondie-rung mit ausgewählten kontextbezogenen Quellenbeständen zu seiner Synthesezu bringen, die im Wesentlichen den Paradigmen „Krise“ und „Kontinuität“ folgt.Dieses Herangehen ist dahingehend innovativ, als dass sich diese Kategorien so-wohl theologisch als auch kirchenhistorisch als wirkungsmächtig erwiesen habenund in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung vor hagiographischen Tenden-zen schützen helfen, ein erklärtes Ziel Ernestis (21–24).

Diese wichtige und gelungene Interpretation gibt – auch das ein nicht zu un-terschätzender Beitrag des Brixener Kirchenhistorikers – zu diskursiven Anmer-kungen Anlass, denn es erscheint an einigen Stellen, dass so das dem Ponti�kat

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Paul VI. unverkennbar innewohnende Genuine und die innere Dynamik des Ponti-�kats dieser Interpretation untergeordnet wurde, ohne dass diese eigene Dynamikvon Ernesti ausgeschlossen oder gar geringgeschätzt würde. Vor allem die vonihm als Dritte Phase des Ponti�kats gefasste Zeit von 1971–1978 unterliegt dieserseiner Bewertung, indem er z.B. die grundlegenden Entscheidungen Paul VI. imRahmen der KSZE und der Vatikanischen Ostpolitik und vor allem deren Bedeu-tung für das internationale Gewicht des Vatikans eher randständig behandelt. Diekonzeptionellen Leistungen Montinis und seiner engsten Mitarbeiter im Bereichder Neupositionierung des Vatikans als Friedenskraft und moralischen Taktgeberinternationaler Politik scheint nicht nur – wenn auch in bedeutsamen Maß – ausden Traditionen päpstlicher internationaler Politik erklärbar.

Es bleibt zu hoffen, dass dieser Diskurs, unter der immanent wichtigen undvon Ernesti geforderten Enthagiographisierung weiter geführt wird und gleich-wohl die, vor allem im Rahmen der Diskussion um die Vatikanische Ostpolitikdes Montinipapstes, oftmals fast dämonisierend wirkenden Angriffe auf Paul VI.einer differenzierten Betrachtung weichen.

Ernesti hat für diesen wissenschaftlichen Diskurs ein außerordentlich tragfä-higes Fundament geschaffen, und dass sich diese wichtige (kirchen-)historischeAuseinandersetzung schon anbahnt, zeigte nicht zuletzt die 2012 in Brixen statt-gefundene Konferenz „Timoniere in tempi dif�cili – Paolo VI e la crisi postcon-ciliare 2012“.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es Ernesti mit der vorliegendenMonographie gelungen ist, ein herausragendes Opus zu schaffen, das sich in dennächsten Jahren als Standardwerk zu einem Teilaspekt der Papstgeschichte des 20.Jahrhunderts entwickeln wird. War es bis dato möglich, die erste wissenschaftlichdifferenzierte und methodisch bestens verfasste Biographie eines der wichtigstenPäpste des 20. Jahrhunderts noch zu schreiben, so hat Jörg Ernesti diese Aussichtverunmöglicht, denn sie liegt nun vor, die erste, umfassende und wissenschaftli-chen Ansprüchen mehr als genügende Biographie Giovanni Battista Enrico Anto-nio Maria Montinis.

Roland Cerny-Werner, Salzburg

FONG, Maria Ko Ha, Christentum und chinesische Kultur (Theologie inter-kulturell 20), Matthias Grünewald Verlag Ost�ldern 2011, 277 S., kart., 24,90 Eur[D], ISBN 978-3-7867-2792-7.

China ist seit geraumer Zeit zu einem der wichtigsten globalen Player gewor-den. Als Land mit der größten Bevölkerungszahl der Welt, als gewaltige Wirt-schaftsmacht (in einer paradoxen Gleichzeitigkeit von marxistischer Staatsverfas-sung und kapitalistischer Wirtschaftspraxis), als Veranstalter gigantischer Events

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(Olympische Spiele 2008, Expo Shanghai 2010), aber auch als militärische Groß-macht und als Land mit einem immensen Bedarf an Energie und Bodenschätzen(was unter anderem zu einer verstärkten Präsenz in vielen afrikanischen Länderngeführt hat), stellt China eine Größe dar, mit der in der internationalen Politik aufjeden Fall zu rechnen ist. Nachdem die Volksrepublik China in den ersten Jahr-zehnten ihrer Geschichte (vor allem in der „Kulturrevolution“ 1966–1976) die ei-gene kulturelle und religiöse Tradition zurückzudrängen, ja zu zerstören versuch-te, erfolgte seit der Öffnung des Landes zu Beginn der 1980er Jahre eine Rück-besinnung auf die jahrtausendealte Geschichte sowie eine Integration vor allemkonfuzianischer Werte in das von der KP Chinas betriebene Projekt einer „har-monischen Gesellschaft“. Die katholische Kirche Chinas – eine der fünf staatlichanerkannten Religionsgemeinschaften – steht in der Spannung zwischen neuenBetätigungsmöglichkeiten, die sich besonders im sozialen Bereich ergeben, undeiner rigorosen staatlichen Kontrolle, die der chinesischen Ortskirche nur einenkleinen Handlungsspielraum gewährt. Die genannten Entwicklungen und vieleweitere Aspekte, die das Leben der katholischen Kirche im gegenwärtigen Chinabetreffen, waren Thema der Vorlesungen von Maria Ko Ha Fong FMA im Rahmender Gastprofessur „Theologie interkulturell“ am Fachbereich Katholische Theolo-gie an der Goethe-Universität Frankfurt von Oktober bis Dezember 2007. Fong istneben ihrer Tätigkeit als Professorin an der Päpstlichen Fakultät für Erziehungs-wissenschaften in Rom an vielen Ausbildungsinstitutionen in der VolksrepublikChina tätig und lehrte darüber hinaus in den USA, in Kanada, in Australien, Sin-gapur und Malaysia. Zudem arbeitet sie als Beraterin für die Päpstliche Theologi-sche Akademie, den Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen, dieTheologische Kommission Glaube und Kirchenverfassung des Weltkirchenratessowie für die Föderation Asiatischer Bischofskonferenzen (FABC); im Jahr 1998nahm sie als Expertin an der asiatischen Bischofssynode teil.

In zehn Kapiteln behandelt Maria Ko Ha Fong zentrale Themen, die das Chris-tentum in China betreffen, ausgehend vom Bild über China, der wechselvollen Ge-schichte der Kirche in China, den großen religiösen Traditionen, wichtigen Prinzi-pien traditioneller Ethik und Lebenseinstellung, Kunst und Philosophie bis hin zugegenwärtigen Ansätzen einer „Theologie der Harmonie“ und einer chinesischenBibelhermeneutik. Immer wieder verweist Fong auf die Komplexität und Offen-heit vieler Aspekte des kulturellen Lebens und philosophischen Denkens, die als„typisch chinesisch“ angesehen werden. Behutsam arbeitet sie charakteristischeZüge des Denkens heraus, wie es sich seit Jahrtausenden in China herausgebildethat, so etwa die Indirektheit, die Bevorzugung des „Sowohl-als-auch“, die Suchenach Harmonie, das Streben nach Vernetzung von Beziehungen sowie ein ausge-prägtes Harmoniebewusstsein (vgl. 158–167). Auf diesem Hintergrund sind dieAnsätze einer chinesisch-christlichen „Theologie der Harmonie“ (vgl. 244–247)

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zu sehen. Das Buch eröffnet wichtige Einsichten zum Verständnis der Situationdes Christentums in China, die auch Anlass zu selbstkritischer Besinnung sind.So weist Fong deutlich auf die Machtpolitik und „Arroganz Europas“ (50) hin,die in China zu Verbitterung, Rückzug und einer tief sitzenden Ablehnung „desWestens“ geführt haben. Aus religionswissenschaftlicher Perspektive ist zu ler-nen, dass der abendländisch geprägte Begriff „Religion“ kaum geeignet ist, um dieethischen, weisheitlichen und spirituellen Traditionen Chinas zu begreifen: „Chi-nesische Frömmigkeit kennt keine Dogmen und Priester, keine Kirchenmitglied-schaft und kein exakt formuliertes Glaubensbekenntnis, keine alles beherrschendeGottheit, je nicht einmal ein Wort für „Religion“. Und trotzdem war und ist religi-öses Denken und Emp�nden allgegenwärtig. Fromme Chinesen sind ganz auf dasDiesseits ausgerichtet, aber sie �nden darin die Gegenwart des Himmels“ (131).Aufschlussreich ist der Hinweis auf den Charakter der chinesischen Schrift, dieenorme Disziplin und ästhetisches Gespür verlangt: „Die Zeichen müssen ja einegewisse Balance haben, sie müssen schön untereinander stehen, das ganze Schrift-bild muss harmonisch sein. Dies hat eine enorme Bedeutung für die Entwicklungder Persönlichkeit und des Denkens. Neben der Disziplin und dem exakten Ko-pieren wird die ästhetische Kreativität entwickelt“ (167). Ebenso interessant istdie Bedeutung der „freien Fläche“ in der chinesischen Malerei; diese ist keineLücke, sondern „ein Freiraum für die Vorstellungskraft, eine Einladung, über dasBild hinauszugehen“ (169). Von daher erscheint der Mensch als relativ; er ist Teileiner Ganzheit, über die er nicht verfügt: „Die Fülle bedarf der Leere“ (ebd.). Indiesem Sinn ist auch die „Intuition des Unendlichen“ (261) zu verstehen, eine fürChina typische Art und Weise, Texte zu lesen; sie besteht nicht darin, „aufein-anderfolgende Gedanken nachzuvollziehen, die in einer bestimmten Reihenfolgeangeboten werden“, sondern „über die Buchstaben bzw. über die Zeichen hinaus-zugehen“ (262). Wie Fong mit Verweis auf die taoistische Philosophie und denZen-Buddhismus sagt, „muss das Wort wie ein Finger sein, der auf den Mondzeigt – man schaut auf den Mond, nicht auf den Finger, der auf ihn zeigt“ (263).

Nicht zuletzt steuert die Autorin durch ihre kritische Auseinandersetzung vielzum Verständnis des kirchlichen Lebens in China bei: durch die Darstellung derstaatlichen Religionspolitik, die im Übrigen viel mehr „konfuzianisch“ als „kom-munistisch“ geprägt ist (vgl. 129); durch ihre Analyse der Probleme des Ordens-lebens in China heute (vgl. 111–125) sowie auch durch ihre Auseinandersetzungmit De�ziten der Glaubensverkündigung und -re�exion: „Jahrhundertelang wardie katholische Kirche im Volk mehr wegen ihrer Organisationsstrukturen undihrer Ef�zienz, wegen ihrer Werke der Nächstenliebe, ihrer prächtigen Kirchen-bauten, wegen des europäischen Stils ihrer religiösen Praktiken bekannt, jedochviel weniger wegen ihrer heiligen Schriften oder ihrer Spiritualität“ (258).

Dieses Buch bietet eine leicht lesbare und dennoch differenzierte Einführung

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in viele Fragen, die die gegenwärtige Situation der katholischen Kirche in Chinabetreffen – und dies aus der Perspektive einer chinesischen katholischen Theo-login und Ordensfrau. Die Autorin lädt dazu ein – um ein eindrückliches Bildaus ihrer Einführung aufzugreifen –, Theologie nicht im Stil der „Großen Mauer“im Sinn einer „Verteidigungsmentalität“ (17) zu betreiben, sondern auf der „Sei-denstraße“: in interkultureller Orientierung auf einem „Weg der Kommunikation,entstanden aus der Kraft der gegenseitigen Anziehung zwischen China und derwestlichen Welt, aus dem Willen, aus sich herauszugehen, um auf den anderen,das Andersartige, das Geheimnisvolle zuzugehen“ (18).

Franz Gmainer-Pranzl, Salzburg

FUTTERKNECHT, Veronica/NOSECK-LICUL, Michaela/KREMSER, Manfred(Hg.), Heilung in den Religionen. Religiöse, spirituelle und leibliche Dimensio-nen (Österreichische Gesellschaft für Religionswissenschaft: Schriftenreihe derÖsterreichischen Gesellschaft für Religionswissenschaft (ÖGRW) 5), LIT VerlagWien/Berlin/Münster 2013, 509 S., kart., 39,90 Eur [D], ISBN 978-3-643-50443-2.

Der umfangreiche Aufsatzband bietet ein erstaunliches Panorama an Einblicken indiverse religiöse Heilungskulturen in aller Welt. Das Gros der Beiträge sind For-schungsarbeiten junger Kulturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler (Religi-onswissenschaft, Kultur- und Sozialanthropologie, Theologie, Musikethnologie),die vielfach in teilnehmender Beobachtung erarbeitet wurden. Der Band entstandaus Referaten und Präsentationen für einen Forschungstag an der Universität Wienim Jahr 2007.

Im ersten seiner drei Teile, der Heilung in den Weltreligionen überschriebenist, �ndet sich zunächst ein kurzer einführender Aufsatz zu Aspekten der Heil-traditionen in den abrahamitischen Religionen (Heilung in den abrahamitischenReligionen ) des Religionswissenschaftlers Johann Figl, dem einzigen „O. Univ.-Prof.“ unter den Autorinnen und Autoren. Insbesondere weist er auf die Trennungzwischen Religion und Medizin in der Neuzeit hin und der Tendenz in verschie-denen religiösen Gruppierungen der Neuzeit, die (cartesianische) Trennung zuüberwinden. Darauf folgt ein einsichtsreicher Überblick über Heilung im Bud-dhismus des Buddhologen Volker Zotz (dem zweiten Elder Statesman unter denAutorinnen und Autoren), in dem, was wenig bekannt ist, die Heilkunst als wich-tiges Übungsfeld, sowohl zur Überwindung von Ekel, als auch als praktiziertesMitgefühl bereits im frühen Sangha belegt wird. Es fehlt ein Aufsatz über denHinduismus, der ebenfalls eine reiche religiöse Heiltradition hätte, zurückgehendauf den Atharvaveda und bis zur modernen Yoga-Bewegung reichend, dafür �ndet

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sich ein seltener Einblick in die Glaubenswelt des Sikhismus (Heilung im Sikhis-mus ) und dessen praktischen Umgang mit Krankheit, verfasst vom Diplomtheo-logen Lothar Handrich. Der erste Teil zu den Weltreligionen endet mit einem, aufden ersten Blick etwas überraschend eingeordneten Beitrag über das Phänomender Engelspiritualität von der Kultur- und Sozialanthropologin Michaela Noseck-Licul. Hier wird, auf dem Hintergrund traditioneller Angelologien, die moderneEngel-Channeling-Szene in den Blick genommen und kritisch analysiert („Engelwachen über Dich“ – zur Heilung durch himmlische Boten ). Ein zentraler Aspektdieser teils fragwürdigen Szene ist die „Sehnsucht nach spirituellem und sinnli-chem Erleben sowie praktikablen Lösungs- und Handlungsansätzen“ (51) in einerentzauberten globalisierten Welt.

Wie sehr ein solches spirituelles und sinnliches Erleben weiterhin Realität inden heute der Globalisierung ausgesetzten ethnischen Religionen ist, zeigen dieBeiträge des zweiten Teils des Buches, betitelt Heilung in den ethnischen Religio-nen. Einführend stellt die Kultur- und Sozialanthropologin Veronica Futterknechtzentrale Charakteristika schamanischer Heilrituale und rezente Forschungsan-sätze dar, was hilfreich ist, um die dann folgenden Einblicke in verschiedeneschamanische Kulturen besser zu verstehen. Schamanen und Schamaninnen sinddemnach religiös-medizinische Spezialisten, die durch ekstatische Techniken mittranszendenten Wesen in Verbindung treten, sie erleben andere Wirklichkeitsebe-nen, und üben eine rituell-therapeutische Funktion für sich selbst, eine Gruppeoder eine andere Person aus (102; dort werden Manfred Kremser und Kocku vonStuckrad zitiert). Zentral bei schamanischer Heilung ist die „Wiederherstellunggestörter Beziehungsverhältnisse, in deren Imbalance oftmals die Ursache vonKrankheit verortet wird“ (105). Diese Imbalance erkennt der Schamane/die Scha-manin in seinem/ihren erweiterten Bewusstseinszustand, die Trance, in die der/dieHeilende und oft auch der/die zu Heilende gehen, ist sowohl für die Bewusst-werdung des Zusammenhangs als auch für die Anregung biologischer Selbsthei-lungskräfte und somit ein wesentlicher Aspekt des Heilungsgeschehens. IndemSchamanismusforschung mit spirituellen Erfahrungsbereichen zu tun hat, spie-len teilnehmende Beobachtung („Autoethnographie“), in der versucht wird, dieemischen Sichtweisen nachzuvollziehen, und transpersonales Forschen, bei demder/die Forschende selbst in spirituelle Erfahrungszustände eintritt, wesentlich.Der Schlusssatz ist programmatisch für die gesellschaftliche Relevanz und denErkenntnisgewinn dieser Art Wissenschaft zu treiben (114, Hervorhebungen imOriginal): „Als menschliche Wesen, fähig zu Empathie und Mitgefühl, könnenwir anfangen das Potential wahrzunehmen, die rationale, intellektuelle und prag-matische Dimension des wissenschaftlichen Forschens mit dem Herzen zu ver-binden, um so die Leser und Leserinnen nicht nur mit objektiven Informationenzu versorgen, sondern letztendlich auf einer herzlichen, menschlichen Ebene zu

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berühren.“ Es sei hinzugefügt, dass diese Art des Forschens durchaus parallel zunaturwissenschaftlicher Methodik erfolgt, insofern experimentell gearbeitet wird,wobei das Forschungsfeld hier menschliche Bewusstseinserfahrungen sind.

Die folgenden Einblicke in verschiedene ethnische Heiltraditionen zeigen so-wohl die Diversität als auch die Ähnlichkeit der Phänomene. Den Autorinnenund Autoren gelingt es, das Spezi�sche der jeweils beschriebenen Heilungskul-tur darzustellen als auch ihre typologische Struktur zu vermitteln. Es entstehtein farbiges, von konkreten Menschen bevölkertes Bild, von jeweils drei mittel-und südamerikanischen: Evelyne Puchegger-Ebner über die nordwestmexikani-schen Tarahumara („iwigara“ – alles atmet: ein kurzer Überblick zur Interdepen-denz von Seelenkonzeption, Spiritualität & Heilen im Weltbild der Tarahumara), Bernd Brabec de Mori über die Shipibo-Konibo in Peru, die beide mit Hallu-zinogenen bzw. Entheogenen (zu dieser Terminologie siehe 479) arbeiten (Reli-gion=Medizin. Lebenswirklichkeit in Westamazonien am Beispiel musikalischerTranszendenz ), und Gabriella Csanádi über Umbanda und Spiritismus in Brasi-lien (Bewusstseinsschulung und Geistheilung im Kontext der Umbanda und desSpiritismus in Brasilien ), drei asiatischen: Veronica Futterknecht über Buddhis-mus, Geisterglaube und traditionelles Heilen in Burma (Buddhismus, Geisterglau-be und Traditionelles Heilen in Burma: Krankheit und Heilung aus Buddhistisch-Schamanischer Perspektive ), Isabella Prochaska über die japanischen Kaminchu,d.s. Heilerinnen in Okinawa/Japan (Kaminchu – Mittlerinnen zwischen Diesseitsund Jenseits. Spirituelle Heilung in Okinawa/Japan, und Stefan Bayer über spi-rituelle Besetzungsrituale in Taiwan (Religiöse Heilungsstrategien von ungewoll-ten spirituellen Besetzungen in Taiwan ), und zwei afrikanischen religiösen Hei-lungskulturen: Julia Vogl über den bori -Kult der Hausa („Wenn die Geister rei-ten“ – Krankheit und Heilung im bori-Kult der Hausa ), und August Schmid-hofer über musikalisch-mediale Heilung in Madagaskar(Musikheilung im kultu-rellen Kontext: Bilo und Tromba in Madagaskar ). Auffallend gleich in all die-sen Kulturen ist die Auffassung der Beseelung allen Seins. Evelyne Puchegger-Ebner thematisiert den Unterschied einer „animischen“ Weltsicht zur westlichenWeltsicht. „Während für die Europäer und Europäerinnen das wichtige Unter-scheidungskriterium die Seele darstellt (danach wird in „Mensch“ versus „Un-Mensch“ getrennt), differenzieren indianische Gemeinschaften nach der Körper-lichkeit. D.h. indianisches Denken setzt im Gegensatz zum europäischen einespirituell-seelische Einheit von Tieren, P�anzen, Geistern, Menschen, etc. vorausund führt den Körper als zusätzliches, kontingentes Kriterium ein, dessen Spezi-�kum den Menschen (erst) zum Menschen macht.“ (122). Entsprechend ist dieanimische Weltsicht eine ganzheitlich-systemische, die auf Bedeutung und Be-ziehung ausgerichtet ist. In allen dargestellten Heilungskulturen geht es um denAusgleich von Einseitigkeiten, um Harmonisierung von Beziehungen, gleich ob

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es sich bei Krankheiten um solche, die „natürliche“ oder „übernatürliche“ Ursa-chen haben, handelt. Weil die seelische Ebene die fundamentalere Wirklichkeitist, vollziehen sich Krankheit wie Heilung vor allem auf dieser Ebene, die demMedium oder dem Heiler/der Heilerin über veränderte Bewusstseinszustände zu-gänglich ist und durch die er/sie Einblick gewinnt in die ursächlichen Zusammen-hänge von Krankheit und Gesundheit, wobei natürlich die jeweils zur Verfügungstehenden kulturellen Deutungsmuster wirksam sind. Ein weiteres durchgehendesMotiv ist die Ausbildung oder Berufung zum Heiler oder zur Heilerin, die sichmeist über eine eigene Krankheit oder Krise und eine daran anschließende län-gere Ausbildung innerhalb der jeweiligen Heilungskultur vollzieht. Unterschiede�nden sich in der Art der Beziehung zur geistigen Welt: es gibt Formen, in denender Schamane kraft erweiterter Bewusstseinszustände selbst tätig ist und mit dergeistigen Welt kommuniziert, Kräfte balanciert usw. In anderen Formen geschiehteine Besessenheit durch eine oder mehrere geistige Entitäten. Überall zeigt sicheine komplexe geistig-psychische Welt, die von den betroffenen Persönlichkeitenin Balance gehalten werden muss. Erhellend sind auch die kultursoziologischenAnalysen, etwa zu Prozessen der Hybridität und Interaktion von traditionellenethnischen Auffassungen mit Ein�üssen aus anderen Kulturen (z.B. Christentum,moderne globalisierte westliche Kultur).

Acht weitere Aufsätze behandeln in dritten Teil transkulturelle und transre-ligiöse Perspektiven, wobei hier die Einteilung für einige Aufsätze wieder nichtganz klar ist; indem z.T. sehr spezi�sche Heilungskulturen beschrieben werden,wie in dem Aufsatz über die Hinführung zu non-dualer Erfahrung im japanischenButo-Tanz von Michael Weiss (Rituelle Trauerentwicklung als heilsamer Wegzu nicht-dualistischer Erkenntnis: Die Weitergabe des japanischen Buto-Tanzesdurch Ohno Yoshito ), über Heilung im Su�smus von Gerhard Tucek und über eineinternational tätige Curandera mit akademischer psychologischer Ausbildung ausMexiko City von Franz Graf („Ich bin keine Mexikanerin, aber ich bin Mexica“:Über die Aneignung meiner mexikanischen Heilpraxis im Umfeld von Revitali-sierung und internationaler Verbreitung ). Allen dreien gemeinsam ist, dass dieMilieus, die sie beschreiben, zwar lokal verwurzelt, Klientel und Re�exionsgestaltaber tatsächlich transkulturell und transreligiös sind. Der in der Zen-Philosophiewurzelnde Buto-Tanz wird insbesondere auf den Aspekt existentieller Trauerver-arbeitung hin beschrieben; interessant dabei wie nicht-dualistische Erfahrung aufeine spezi�sch personal-relationale Problematik wie die Trauer angewendet. Kon-krete Beispiele machen den Prozess lebendig und nachvollziehbar. Gerhard Tu-ceks Aufsatz zielt ab auf die Körperarbeit des usbekischen Su�meisters SaparboyKushkarov. In seiner Hinführung stellt er die transreligiösen Aspekte des Su�s-mus heraus. Er vergleicht dabei Zitate der su�stischen Tradition mit Aussagenchristlicher Mystiker, wobei auf 435 zwei Zitatangaben (Rumi und Meister Eck-

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hart) fehlen. In Franz Grafs Aufsatz ist besonders interessant die Übertragung ei-ner traditionellen Heilungstradition in ein modernes Ausbildungscurriculum, an-schaulich werden die transkulturellen Zusammenhänge geschildert, die zu dieserTransformation beitragen, wenn europäische Schülerinnen und Schüler die Heil-ausbildung machen und die Heilerin auch in Europa Kurse gibt (nicht zuletzt auchkann sie damit ihr Ausbildungsinstitut in ihrem Heimatland wirtschaftlich absi-chern). Einen interkulturellen Vergleich stellt auch Martin A. Luger vor, indemer die achtsamkeitsorientierten körperbasierten Ansätze der Feldenkrais-Methodemit der buddhistischen Vipassana-Meditation, insbesondere wie sie in der Tra-dition nach S.N. Goenka geübt wird, vergleicht (Verkörperte spirituelle Erfah-rung: der achtsame Körper in Feldenkrais-Methode und Vipassana-Meditation ),die beide heute weltweite Verbreitung gefunden haben. Beide Methoden arbei-ten mit einer intensiven geistigen Aufmerksamkeit auf körperliche Prozesse undgelangen so zu einem verkörperten, transformativen Lernen über sich selbst undüber ihr existentielles In-der-Welt-sein. Luger arbeitet dabei auch das revolutio-näre Potential beider Methoden in Richtung auf eine aus „essentieller empirischerErfahrung gespeiste . . . sinnliche . . . Wissenschaft“ heraus. Wissenschaftlich be-legt sind auch die Wirkungen der ekstatischen Trance und der rituellen Körper-haltungen nach Dr. Felicitas Goodman, die Susanne Jarausch beschreibt (Ekstati-sche Trance und rituelle Körperhaltungen nach Dr. Felicitas Goodman – ein Wegzu ursprünglicher Verbundenheit ). Goodman entwickelte auf Basis ihrer ethno-logischen Forschungen ein System von Körperhaltungen, die in der Lage sind,kulturübergreifend Zustände ekstatischer Trance zu induzieren. Diese Trancen er-öffnen ein auch durch Messungen nachweisbares, biologisch basiertes erhöhtesBewusstseinspotential. Bedenkenswert ist die These, dass der menschliche Kör-per auf ekstatische Erfahrung ausgelegt ist, in der gegenwärtigen westlichen Kul-tur jedoch an Ekstasedeprivation leidet, was den Menschen anfälliger macht fürkörperliche wie seelische Erkrankungen (501f.). In der Ekstase wird vor allemauch die „andere Wirklichkeit“ berührt, um die es in der Religion geht, die dannnicht nur geglaubte, sondern auch erlebte Wirklichkeit wird. Diese Art Erfahrun-gen wären die Basis für eine neue „Wissenschaft der Spiritualität“ (der Begriffwird von Martin A. Luger auf Seite 460 in Rückgriff auf Ken Wilber verwendet).Indem dies der letzte Aufsatz des Bandes ist, mögen diese Aussagen in gewisserWeise die Botschaft des gesamten Bandes zum Ausdruck bringen.

Die drei Aufsätze, die am Beginn des dritten Teils stehen, re�ektieren das Ver-hältnis von Religion und Heilung im aktuellen postmodernen globalisierten Kon-text. Birgit Heller erhebt unter dem Titel „Werde, der/die du bist“. (Post)moderneSpiritualität und Heilung das Anregungspotential (post)modern ganzheitlicherSpiritualität für das Verständnis von Krankheit und Gesundheit. In dieser wer-den Krankheit und Heilung vor allem als Transformations- und Heilungsprozess

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gedeutet, wobei die Autorin auch auf mögliche Fehlformen hinweist. MichaelaNoseck-Licul plädiert in ihrem Aufsatz zu Spirituelle(n) Heilmethoden im Span-nungsfeld gesundheitspolitischer und medizinischer Wirksamkeitsdebatten undde(m) Beitrag einer Anthropologie des Heilens für qualitative Forschungsmetho-den, um die Wirksamkeit traditioneller und komplementärer Heilmethoden zu va-lidieren und gibt Kategorien an, die in Gestalt einer „Anthropologie des Heilens“operationalisiert werden können. Einen ebenso anwendungsbezogenen, doch be-reits breiter praktizierten Ansatz der Integration religiöser Aspekte im Kranken-hausalltag stellt Elisabeth Hofstätter unter dem Titel Religion und Krankenhaus –Partner beim Heilen? Einige Überlegungen zu einer wechselvollen Geschichtedar. Stichworte hier sind Palliative Care, transkulturelle P�ege, plurireligiöse Ge-betsräume, Integration ganzheitlicher Behandlungsstrategien (TCM, Ayurveda,Meditation und Stressbewältigung usw.), Heiler und Heilerinnen bzw. Schama-nen und Schamaninnen im Krankenhaus, Vermittlung entsprechenden Wissens inder Fort- und Weiterbildung medizinischen Personals.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es eine der wesentlichen Aufgabenunserer Zeit zu sein scheint, die ekstatisch-religiösen Erfahrungen, wie sie in tradi-tionellen Kulturen Allgemeingut waren und sind, in unsere heutige Zeit zu über-tragen und der Allgemeinheit neu zugänglich zu machen. Dies könnte man alsFazit der Forschungsarbeiten dieses Bandes ziehen. Deren Bedeutung dürfte un-ter anderem darin liegen, inter- und transkulturelle Re�exionsgestalten für dieseAufgabe zu liefern. Der vorliegende Band bietet dabei einen ersten Ansatz, wieeine interdisziplinäre Zusammenarbeit nach und nach eine neue Selbstverständ-lichkeit für unterschiedliche Arten religiöser Erfahrung und deren (transformie-rende) Integration in die Strukturen moderner Gesellschaften bereiten kann. DieReintegration spiritueller Erfahrungen in einen allgemeinen Wissenshorizont istein globaler Prozess, der Dialog zwischen Wissenschaft und Spiritualität eine derinteressantesten und zukunftsträchtigsten Unternehmungen der Menschheit über-haupt.

Christian Hackbarth-Johnson, Dachau

GRESCHAT, Martin, Der Erste Weltkrieg und die Christenheit. Ein globalerÜberblick, Verlag W. Kohlhammer Stuttgart 2014, 166 S., kart., 24,90 Eur [D],ISBN 978-3-17-022653-1.

100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs wird in zahlreichen Publikationeneines Ereignisses gedacht, das mit seiner Brutalität kollektiven, nationalistischen,religiös aufgeladenen Irrsinns zu begreifen versucht wird.

Martin Greschat, emeritierter Professor für Kirchengeschichte am Fachbe-reich Ev. Theologie an der Universität Gießen, bringt mit seiner konzentrierten,

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knappen Darstellung einen vorzüglichen globalen Überblick über die erschre-ckende Positionierung der christlichen Kirchen und Gemeinschaften im ErstenWeltkrieg. „Im Weltkrieg dominierte nicht nur die Verbindung und Verschmel-zung von Christentum und Nationalismus, sie feierte regelrechte Triumphe. Die-se Feststellung gilt für sämtliche kriegführenden Staaten und in gewisser Weisesogar für die Neutralen.“ (11) „Weder das gemeinsame Erbe der europäischenKultur noch der internationale Sozialismus der Arbeiterbewegung und auch nichtdie Kirchen zeigten sich in der Lage, den Krieg zu verhindern. Mehr noch: DieGeistlichen aller großen Konfessionen des Westens unterstützten materiell underst recht moralisch die Kriegsanstrengungen ihres jeweiligen Landes . . . Mit In-brunst begriffen sich die Kirchen und die große Mehrheit der Christen in sämtli-chen kriegführenden Staaten nicht nur als Verteidiger ihres Vaterlandes, sondernder Kultur und des Christentums insgesamt. Und mit enormer Selbstverständlich-keit sahen sie dabei Gott als Kombattanten, als den Mitstreiter im eigenen Lager.Aus der Friedensbotschaft des Evangeliums und der universalen göttlichen Lie-be wurde die Verkündigung eines brutalen nationalen Götzen.“ (13) Mit diesenFormulierungen hat Greschat bereits in der Einleitung präzise das Ergebnis seinerUntersuchung, das zentrale Faktum angegeben.

In sieben Kapiteln blickt er nach der Einleitung (9–14) auf den Krieg im Deut-schen Reich, in Frankreich, Belgien, Großbritannien und in Russland und Italien(15–51), auf den südöstlichen Krieg in Europa mit Österreich, dem Balkan undder Türkei (52–73), stellt Friedensbemühungen und Positionen der Neutralen dar(74–91), wendet sich dem Kriegseintritt der USA zu (92–104), erläutert die Wir-kungen in Indien, Japan, Korea und China (105–130) und bespricht ausführlichden afrikanischen Kontinent (131–152).

In Deutschland bewirkt der Kriegsausbruch ein nationales Befreiungserlebnis,das die sozialen Differenzen zudeckt und Kaiser Wilhelm II. nunmehr keine Par-teien mehr erkennen lässt, nur noch Deutsche. Und Gott ist bei den Deutschen ineinem „heiligen Krieg“. Für den Königsberger Theologieprofessor Uckeley sinddie Deutschen „die Auserwählten Gottes unter den Völkern. Dass unsere Gebetezum Sieg erhört werden, ist nach der religiös-sittlichen Weltordnung eigentlichganz selbstverständlich.“ (20) Auch Frankreich führt Krieg für die Sache Gottes,die Erklärungen der französischen Bischöfe „sakralisierten das nationale Terri-torium“ (27) und Gott wird zum „transzendenten Alliierten Frankreichs“ (29) Inallen Ländern entsteht eine „Vaterlandstheologie“ (24). Der deutsche Einmarschin Belgien provoziert Großbritannien, sodass der Klerus „sogleich eine enormeAktivität für die Unterstützung des Krieges an den Tag“ legt. (31) „Wer für Gottist, ist auch für England!“ (32) . . . und jeder „Schlag gegen die Deutschen ist einSchlag für das Königreich Christi!“ (36) Aber auch Russland wird zu einer auser-wählten Nation, der Krieg wird für die Russisch-Orthodoxe Kirche eine „heilige

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Angelegenheit“ (40) und die Ikone der Mutter Gottes wird in das russische Haupt-quartier an die Front gebracht. (41) Für Österreich und die Habsburgermonarchiegenügt ein Zitat des Linzer Bischofs Hittmair zum Kriegsbeginn, der „jubelndeBegeisterung“ in ganz Österreich wahrnimmt. „Und dieses in Kriegsbegeisterungaufjauchzende Österreich: Kaiser! Das ist Dein erster Sieg in diesem Krieg. AlleVölker und Nationen, alle Stände, alle Eins, alle geeint zu �ammender Hinge-bung von Gut und Blut fürs Vaterland: Österreich! Das ist dein Kriegstriumph.“(53) „Die österreichisch-ungarischen Truppen errichteten . . . in Serbien, Mon-tenegro und Albanien, aber auch an der russischen Front in Galizien, ein wahresSchreckensregiment. Es gab in der gesamten Region kaum einen größeren Ort oh-ne Galgen mit den Leichen Erhängter, die aus Gründen der Abschreckung nichtentfernt wurden. „ (55) Im Schatten des Kriegs in Europa kommt es ab 1915 zurErmordung der Armenier. So hält Greschat fest, „dass sämtliche christlichen Staa-ten auf dem Balkan (und in Vorderasien) einen rücksichtlosen und mörderischenNationalismus proklamierten und praktizierten. Die führenden Vertreter der Kir-chen und ihre Glieder wandten sich keineswegs gegen diese Ideologie, sondernunterstützten sie lauthals.“ (72)

Im 4. Kapitel referiert Greschat verschiedene, ergebnislose Friedensinitiati-ven. Bemerkenswert ist, dass die Alliierten den Friedensbemühungen von PapstBenedikt XV. – u.a. in seiner Enzyklika „Ad beatissimi Apostolorum principis“vom 1. November 1914 – aufgrund seiner strikten Neutralität Parteilichkeit zu-gunsten Deutschlands vorwerfen. (79) Alle Initiativen sind umsonst, die Politikerbleiben auf ihre nationalen Ansichten �xiert und sind daher unfähig, „aus demTeufelskreis des Krieges herauszu�nden . . . Die Kirchen und die Mehrheit derChristen in den europäischen kriegführenden Ländern unterschieden sich davonnicht.“ (82)

In einem ausführlicheren Blick auf den asiatischen Kriegsschauplatz bringtGreschat vor allem drei Fakten: Zur Unterstützung Großbritanniens werden 1,5Millionen Inder als Soldaten oder Arbeiter in die Weltkriegsszenerie gebracht.(106) Eine langfristige Auswirkung des Weltkriegs ist der Aufstieg Gandhis. (116)Und schließlich sehen sich auch die Japaner als das „auserwählte Herrenvolk, aus-gestattet mit dem göttlichen Mandat, die umliegenden Völker zu unterwerfen.“(117) Der Weltkrieg gibt den Japanern „freie Hand bei der systematischen Zerstö-rung der koreanischen Kultur“ (119) und zu den Angriffen auf China. (127)

Im letzten Kapitel bringt Greschat eine Vielzahl von Wirkungen des Krie-ges für Afrika. Afrikanische Prophetinnen und Propheten treten vermehrt auf, dieunmittelbare Wiederkunft Christi wird erwartet. Während des Weltkriegs entstehtin Afrika ein „vielgestaltiges indigenes Christentum“. (145) „Die Erfahrungen derAfrikaner im Weltkrieg förderten . . . ihr Selbstbewusstsein gegenüber den Weißenund insbesondere gegenüber den europäischen Kolonialmächten.“ (150) Greschat

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beschließt dieses Kapitel mit dem Resümee: „Der Erste Weltkrieg stellte die um-fassende Katstrophe des europäischen Christentums in allen seinen Konfessionendar . . . Als ausgesprochen problematisch erwies sich das Sendungsbewusstseinder USA. Es führte nicht nur zu tiefen Enttäuschungen vor allem in Asien undAfrika, sondern beförderte die Abkehr von den geistigen und kulturellen Wertvor-stellungen des Westens sowie die Hinwendung zu unterschiedlichen Ausprägun-gen des Sozialismus.“ (151)

Somit zeigt sich im globalen Überblick, dass die Positionierung der Kirchenwährend des Ersten Weltkriegs die „Preisgabe der christlichen Substanz“ bedeu-tet. „Mit der jeweiligen Inanspruchnahme Gottes für die Politik des eigenen Lan-des haben sie nicht unerheblich zur Radikalisierung des Krieges beigetragen – bishin zum Wunsch der Vernichtung des Gegners.“ (48)

Die kritische Re�exion der von Martin Greschat eindrucksvoll versammeltenFakten macht die immense Plastizität der christlichen Religion deutlich. Sie istoffensichtlich für alle Ideologien und die brutalsten Gewalttaten gestaltbar. Dienegative Phantasieleistung religiöser Menschen ist enorm. Kollektiv verstärkt istwährend des Ersten Weltkriegs aus dem Christentum faktisch ein Polytheismusnationaler Götter entstanden. Der deutsche Kaiser-Gott steht im Verbund mit demösterreichischen Habsburger-Gott gegen den französischen, englischen, amerika-nischen Nationalgott usw. So ist die Frage unvermeidlich, ob eine so grausamverwendbare, institutionalisierte kirchliche Religion günstig ist für die Mensch-heit. Und der zuletzt einsam und alleine zum Kreuz gebrachte Jesus wirkt ganzfremd und verloren in dieser kriegerischen Szenerie.

Pointiert fasst dies Karl Kraus zusammen, wenn er gegen Ende seines großenWerkes über den Ersten Weltkrieg den „Herrn der Hyänen“, den Antichrist, auf-treten und in der Niederlage des Krieges den Untergang Jesu Christi feiern lässt:„Von seinem Schmerztheater tritt ab der Menschensohn“ – weil das „Kreuz denKrieg verlor.“ (K. Kraus, Die letzten Tage der Menschheit, Suhrkamp, Frankfurt1986, 751)

Wilhelm Achleitner, Puchberg

GRIFFITH, James L., Religion hilft, Religion schadet. Wie der Glaube unsereGesundheit beein�usst, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2013, 304S., geb., 39,90 Eur [D], ISBN 978-3-534-24310-5.

James L. Grif�th, MD ist Professor für Psychiatrie, Verhaltensforschung und Neu-rologie am George Washington University Medical Center in Washington, DC. Ererwarb einen Mastertitel in Neurophysiologie. Sein klinisches Interesse gilt bis-lang besonders emotionalen Problemen und psychischen Störungen im Zusam-

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menhang mit Diagnose und Behandlung von anderen Bedingungen wie Herzer-krankungen, Krebs, Bariatrie, Schmerztherapie und HIV/Aids; außerdem Paar-und Familientherapie, Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) und Indivi-dualtherapie. James L. Grif�th ist ein anerkannter Fachmann in der psychothera-peutischen und medizinisch- klinischen Begleitung von Menschen mit religiösemHintergrund.

In seinem neuen Buch „Religion hilft – Religion schadet“ möchte er einennüchternen, unvoreingenommenen Ansatz im Umgang mit religiösen und spiritu-ellen Fragen entwickeln. Er weist darauf hin, dass sich Religion in der Biogra�e,je nachdem welche Erfahrungen damit verbunden sind, auch schädlich auswirkenkönnen – sowohl für das Individuum, als auch dessen Umfeld. Diese Erkennt-nis bringt ihn zur Auseinandersetzung mit dem auch kritischen, bzw. schwierigenAspekt von Spiritualität und Religion im Heilungsprozess. Somit ist dieses Buchauch als Ergänzung zu dem schon vorangegangenen „Encountering the sacred inPsychotherapy – how to talk with people about their spiritual lives“ (James L.Grif�th und Melissa Elliott Grif�th von Guilford Pubn, 30. Oktober 2003)“ ge-dacht, einem Handbuch, das mehrere Wege beschreibt wie Psychotherapie auf dieReligiosität eines Menschen zurückgreifen kann, um „Heilung, Trost und Wider-standskraft zu fördern“.

Grif�th unterstellt der Religiosität einen „moralischen Dualismus“. An kon-kreten Fällen aus seiner langjährigen Praxis möchte er die positive Seite des Glau-bens (der auch wandelbar und entwicklungsfähig scheint) und die dunkle Seiteder Religiosität (die in Krankheit führt und dort verharrt) deutlich machen. Erschlägt hierzu vor, sich einem moralischen Diskurs mit den Klienten zuzuwen-den, wofür ein klinischer Wegweiser wie dieses Buch sehr hilfreich sein kann. Inseinem aktuellen Buch wendet er sich vor allem an ein Fachpublikum. Sein Zielist eine Handreichung und Orientierungshilfe zur praktischen Arbeit für Ärzten,Psychotherapeuten und alle von ihm in dem Begriff „Kliniker“ zusammengefass-ten Berufsgruppen. Damit meint er all jene, die im weitesten Sinn mit Menschenin psychischen Krisen und mit psychischen Erkrankungen professionell arbeiten.Die klinischen Belange dieses Buches schaffen Verbindungen zwischen ganz ver-schiedenen Fachbereichen. Er sucht seinen Standort in einer moderaten Mitte,zwischen den Skeptikern gegenüber dem Thema „Religiosität in der Therapie“und den allzu Begeisterten, für die bestenfalls jeder Therapeut einer spirituellenPraxis nachgehen sollte, um andere Menschen begleiten zu können. Dabei verbin-det er seine eigene, langjährige Praxiserfahrung mit den aktuellen, sehr fundiertenwissenschaftlichen Erkenntnissen der Neuro- und Soziobiologie, die ihm auchden begrif�ichen Rahmen und die klinischen Methoden bieten. Weiter bringt erdie soziale Neurowissenschaft mit den Beobachtungen existenzieller Philosophenin Zusammenhang. Seine hauptsächliche Intention bleibt jedoch immer die, ein

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klinisches Handbuch für Therapeuten vorzulegen, was ihm mit Sicherheit auchgelungen ist. Aufbau und Inhalt seines Buches werden dabei wissenschaftlichenAnsprüchen in vielfacher Form gerecht.

Zunächst erklärt er die Sichtweisen der Soziobiologie und der Neurobiologiezum krankmachenden Gebrauch der Religion. Dabei veranschaulicht er die heu-tigen wissenschaftlichen Erkenntnisse dieser beiden Richtungen und betrachtetReligiosität aus dem Blickwinkel jener Disziplinen. Grif�th stellt in seinem Buchdiverse, wissenschaftlich abgeleitete Thesen auf, die er dann mittels der verschie-denen Ansätze aus Medizin, Psychologie und Theologie zu belegen versucht undin Bezugnahme auf ausgesuchte Praxisfälle plastisch und gut nachvollziehbar ver-anschaulicht. Er vergisst dabei nicht alle verwendeten Begrif�ichkeiten sehr fein-sinnig zu de�nieren.

Generell zieht sich durch alle Themenbereiche des Buches ein grundlegen-der Aufbau. Jedes Thema wird von der wissenschaftlichen Seite her beleuchtetund eingeordnet im Rahmen der Neuro- oder Soziobiologie. Die Begrif�ichkei-ten werden klar benannt und de�niert, in den fachlich, klinischen Bezug gebrachtund anhand von Fällen veranschaulicht. Alsdann wird ein praktischer Umgang,eine praktische Vorgehensweise gefolgert, vorgeschlagen und deren Auswirkungdiskutiert.

James L. Grif�th legt ein sehr empfehlenswertes und anspruchsvolles Fach-buch vor, das psychotherapeutisch arbeitenden Menschen etliche neue Informa-tionen geben kann oder schon bekanntes Wissen in neuen Zusammenhängen an-bietet. Für Theologen und geistliche Begleiter gibt es sicher wertvolle Einblicke indie teilweise hochkomplexen Systeme psychischer Störungen und Hilfen zur Ab-grenzung zwischen spirituellen Krisen und pathologischen Erkrankungen. Min-destens regt es zu fachlichen und sicher auch persönlichen Überlegungen an, diedie eigene Tätigkeit befruchten oder bereichern können.

Inez König, Hallein

HAAS, Alois M./BINOTTO, Thomas, Meister Eckhart – der Gottsucher. Ausder Ewigkeit ins Jetzt, Kreuz Verlag Freiburg im Breisgau 2013, 160 S., geb.,16,99 Eur [D], ISBN 978-3-45161-230-5.

Die beiden Autoren formulieren im Vorwort den Zweck des Büchleins: Es gehedarum, „aus den Erkenntnissen eines langen Forscherlebens und den Fragen undÜberlegungen eines neugierigen Schülers eine Einführung für Einsteiger zu ma-chen“ (9). Alois Haas, emeritierter Professor für alte deutsche Literatur, hat sichintensiv mit Meister Eckhart beschäftigt und zahlreiche Publikationen verfasst.Thomas Binotto ist Kulturjournalist und nimmt die Rolle des fragenden Schülerswahr.

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In einem ersten Kapitel stellen die Autoren die kirchliche Situation des 14.Jahrhunderts anschaulich dar und bringen sie in Beziehung zu den Fragen derGegenwart. Im nächsten Kapitel wird Meister Eckhart mit seinem dominikani-schen Hintergrund vorgestellt und sein theologisch-spirituelles Suchen wird inden Suchbewegungen seiner Zeit verortet. Vor allem wird Meister Eckhart auchals Seelsorger vorgestellt, der in seinen Predigten den Menschen in immer neuenBildern seine radikale Mystik nahebringen wollte. Zudem beleuchten die Auto-ren die Hintergründe der kirchlichen Verurteilung. Das Kapitel schließt mit einemGedicht von Eckhart, „Granum sinapis (Senfkorn)“, das einen dichten, poetischenZugang zu seiner Mystik ermöglicht.

Im längeren Hauptkapitel des Buches wird die Mystik Eckharts vertieft darge-stellt. In einem ersten Zugang würdigt Haas aus literaturwissenschaftlicher Sichtdie sprachliche Kunst von Meister Eckhart, der mit rhetorischen Mitteln wie Me-tapher und Paradox den Zuhörenden einen Zugang zum Geheimnis Gottes er-möglichen wollte. In gut nachvollziehbarer Sprache erschließt Haas Grundworteder Mystik Eckharts: seinen Zeitbegriff, das ewige Nun – „Wer sich gänzlich nureinen Augenblick ließe, dem würde alles gegeben“ (85); sein mystisches Bild derGottesgeburt im Menschen – „Die Seele, die da steht in einem gegenwärtigenNun, in die gebiert der Vater seinen eingeborenen Sohn“ (90); seine Grundhal-tung der Abgeschiedenheit und Gelassenheit – „Gott bedarf nichts weiter, als dassman ihm ein ruhiges Herz schenke: dann wirkt er solche heimliche und göttlicheWerke in der Seele“ (105).

Das Werk schließt mit dem Text der Predigt Eckharts über Maria und Mar-tha. Eckhart spricht überraschenderweise Martha die kontemplative Haltung zuund macht damit deutlich, dass sich wahre Mystik im konkreten Handeln zeigt.Thomas Binotto aktualisiert die Worte des mittelalterlichen Meisters für die Ge-genwart.

Das Buch ermöglicht durch die unmittelbar zugängliche Sprache und den Ge-genwartsbezug einen guten Zugang zu Meister Eckhart und seiner theologisch-mystischen Weisung. Die fundierte Sachkenntnis von Alois M. Haas garantiert,dass die Ausführungen über den mittelalterlichen Meister sowohl in den ge-schichtlichen Hintergründen seiner Zeit als auch im Gesamtzusammenhang sei-nes Lebenswerks verankert sind. Die Konzeption des Buches als Gespräch vonSchüler und Lehrer hilft, einen unmittelbareren Zugang zu den anspruchsvollenGedankengängen Eckharts zu �nden.

Ich kann das Buch Interessierten nur empfehlen. Die beiden Autoren gebennicht nur ihre reiche Kenntnis weiter, sondern sie sind selber ergriffen vom WerkEckharts. Sie schreiben im Vorwort, die Auseinandersetzung mit Eckhart sei „vonpackender Vitalität, vibrierend im Austausch, ein Dialog höchster Intensität.“ (8)

Als Mangel emp�nde ich, dass die Herkunft der Zitate aus dem Werk Eckharts

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nicht angemerkt ist. Schade, denn die sorgfältig ausgewählten Zitate wären einguter Ansporn, sich in die Schriften Eckharts zu vertiefen.

Karl Graf, Bern

JOHANNSEN, Friedrich (Hg.), Die Menschenrechte im interreligiösen Dialog.Kon�ikt- oder Integrationspotential? (Religion im kulturellen Kontext 2), Kohl-hammer Stuttgart 2013, 194 S., brosch., 24,90 Eur [D], ISBN 978-3-17-022240-3.

Ende der 1970er Jahre wurden die „Menschenrechte“ Thema des interreligiösenDialogs. Im Kompendium der Soziallehre der Katholischen Kirche wird 2004 aus-drücklich darauf hingewiesen, dass das seelsorgliche Engagement für die Men-schenrechte offen sein muss für die ökumenische Zusammenarbeit und für denDialog mit den anderen Religionen (vgl. Nr. 159). Dieses Buch kommt diesemAuftrag nach und ist das Ergebnis des interdisziplinären Forschungsforums „Re-ligion im kulturellen Kontext“, in dessen Rahmen Vertreter verschiedener Reli-gionen sich mit dem Thema „Menschenrechte“ befassen. „Aufbauend auf zweigrundsätzlichen Beiträgen, nämlich zum Verhältnis von Menschenrechten undinterreligiösem Dialog einerseits und zum Verhältnis von Menschenrechten undReligionen andererseits, wird das gesamte Spektrum des Themas ausgeleuchtet“(Vorwort). Zehn Autoren verschiedener Religionen und Kulturen verfassten dieBeiträge.

Herausgeber des Buches und Autor des ersten Beitrags ist Friedrich Johann-sen, Professor für Evangelische Theologie und Religionspädagogik am Institutfür Theologie und Religionswissenschaft in Hannover. In seinem Beitrag geht esgenerell um die Menschenrechte im interreligiösen Dialog, ein Bereich, in demes immer wieder zu Problemen und Spannungen kommt. Denn: Nicht immer fan-den die Dialoginitiativen ungeteilte Zustimmung, weder innerhalb der christlichenKirchen noch zwischen den christlichen und nichtchristlichen Glaubensgemein-schaften. „Ein spezi�sches Problem interreligiöser Dialoge ist das Verhältnis vonfriedlicher Verständigung und Wahrheit der Glaubenslehre“ (14). Zu klären sindauch die Begriffe „Dialog“ und „Religion“. Es wird ganz deutlich aufgezeigt, dass„weder die christlichen Kirchen noch der säkulare Humanismus . . . ein Urhe-berrecht an den Menschenrechten reklamieren“ (18) können. Es kann in diesemDialog auch nicht um ein Ergebnis in der Wahrheits�ndung gehen. Es geht „umwechselseitiges Verständnis und einen Konsens im Blick auf einen gemeinsamenWillen und gemeinsame Handlungsoptionen im Blick auf die Rechte des Men-schen und eine bewohnbare Welt“ (21). Im Mittelpunkt des Dialogs stehen Rech-te, die gemeinsame Anerkennung �nden sollten.

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„Menschenrechte und die Religion/en“, so lautet der zweite Beitrag von Har-ry Noormann, ebenso Professor am Institut für Evangelische Theologie und Re-ligionswissenschaft in Hannover. Drastisch wird zuerst aufgezeigt, wie Vertreterder Religionen, immer wieder im Namen ihrer Religion, heute noch Menschen-rechte missachten und mit Füßen treten. Gleichzeitig wird aber auch auf die Her-ausforderung für die Religionen eingegangen. Wie schwierig eine Akzeptanz derMenschenrechte für die christlichen Kirchen war, zeigt das 170jährige Ringen mitden freiheitlichen Prinzipien der Moderne. Eine Annäherung zwischen den Men-schenrechten und den Religionen ist immer schwierig.

Der dritte Beitrag „Glaube und Würde. Die Aktualität der Menschenrechte fürdie christliche Theologie und den interreligiösen Dialog“ stammt von WolfgangVögele, Privatdozent für Sozialethik und Systematische Theologie in Heidelbergund Berlin. In diesem Artikel geht es um das aktuelle Verhältnis von Ökume-ne, Menschenrechten, christlichem Glauben und anderen Religionen. Zuerst wirdwiederum danach gefragt, was man unter „Glauben“ versteht. Denn: Wie kann einDialog gelingen, wenn jemand davon überzeugt ist, dass die eigene Religion dieeinzig richtige und wahre ist, wenn andere Religionen demnach nur als Unglaubeoder Irrwege betrachtet werden? Die nächste Frage lautet daher: Soll man dennüberhaupt versuchen, den Begriff „Würde“, mit all seinen konkurrierenden Inter-pretationen und Hintergrundüberzeugungen, zu bestimmen? Am Schluss diesesBeitrages wird der Frage nachgegangen, ob die Menschenrechte als globale Zivil-religion gesehen werden können.

Einige Vertreter des Islams tun sich besonders schwer mit den Forderungender Menschenrechte. Dass sie dennoch den Weg zu ihrer Umsetzung beschrittenhaben, zeigt der Beitrag von Moussa Al Hassan Diaw, wissenschaftlicher Mitar-beiter des Instituts für Islamische Theologie in Osnabrück. Das Spannungsfeldzwischen Menschenrechten und manchen muslimischen Vertretern ist groß. Esentsteht oft der Verdacht, dass es kaum eine Vereinbarkeit, zumindest mit man-chen der Rechte, gibt. „So wird bereits „der Islam“ selbst als Hemmnis für die Ak-zeptanz der Erklärung der Menschenrechte betrachtet“ (52). Wichtig in der Dis-kussion ist aber, zu schauen, wer für „den Islam“ spricht, seine Lehre beschreibtund die Quellen interpretiert. Die „Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Is-lam“, wurde 1990 von 45 Außenministern der Mitgliedstaaten der Organisationder Islamischen Konferenz unterzeichnet und kann „als erster Schritt in einer Zei-tenwende gesehen werden, der noch nicht ausgereift ist“ (64). Das Verhältnis vonMenschenrechten und Gottesrecht (Scharia) ist ebenso Thema dieser Abhandlung.

Der nächste Beitrag „Die Russisch Orthodoxe Kirche und die Menschenrech-te“ wurde von Pater Superior Philip Riabykh, stellvertretender Leiter des Außen-amts des Moskauer Patriarchats, verfasst. Es geht um die Fragen, wie eine neueHerangehensweise an die Menschenrechte aussehen könnte und wie man wirksa-

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me Beratungen zwischen den Vertretern von religiösen Gemeinschaften, der Zi-vilgesellschaft und dem Staat generieren kann. Als Vortrag stieß diese Abhand-lung aufgrund der sehr differenzierten Sicht auf die Menschenrechte bei vielenTeilnehmern dieses Forschungsforums auf Widerspruch. Daher �ndet man darananschließend Auszüge der of�ziellen Erklärung der Russisch-Orthodoxen Kirchezu den Menschenrechten.

Im nächsten Beitrag beschäftigt sich Micha Brumlik, Professor am Institut fürAllgemeine Erziehungswissenschaften in Frankfurt a. M., mit dem ProphetischenVölkerrecht und der Heilung des Menschen. Er geht den Fragen nach, ob es jü-dische Wurzeln für die Begründung der Würde gibt. Darüber hinaus versucht erdarzustellen, ob der Prophet Amos als Begründer eines normativen Völkerrechtsgesehen werden kann.

Wenchao Li, u.a. Inhaber der Leibniz-Stiftungsprofessur in Hannover, nenntseinen Beitrag „Genese und Geltung – die Idee der Menschenrechte in China“.Darin wird aufgezeigt, mit welchen Fragen und Problemen China bei der Rezepti-on dieser doch genuin europäischen Idee konfrontiert war, herausgefordert wurdeund noch gefordert wird. Eines wird sichtbar: Die Diskussionen werden in Chinasehr kontrovers geführt.

Peter Antes, Professor für Religionswissenschaft in Hannover, geht in seinemBeitrag der Frage nach, ob die Religionsfreiheit ein Menschenrecht oder ein ge-sellschaftlicher Störfaktor ist. Dass alle Menschen das Recht haben, ihre Religionfrei zu wählen, sie aber auch jederzeit wieder zu wechseln, oder dass man über-haupt keiner Religion angehört, steht in Widerspruch zur Überzeugung einigerReligionen. Auch die Staaten sind ihrerseits herausgefordert, festzulegen, „inwie-weit religiöse Vorschriften unter Berufung auf die Religionsfreiheit Ausnahmere-gelungen bezüglich der im jeweiligen Lande verp�ichtenden Gesetzgebung mög-lich oder sogar notwendig machen. Schließlich ist zu prüfen, ob alle von einzelnenReligionsgemeinschaften angewandten Methoden zur Mitgliederwerbung staatli-cherseits zugelassen werden dürfen und welche gesellschaftlichen Konsequenzenmit einer massenhaften Anwerbung neuer Mitglieder durch einzelne Religionsge-meinschaften für die Mehrheitsgesellschaft verbunden sind“ (122).

Ein sehr aktuelles und heftig diskutiertes Thema behandelt Ulrich Körtner inseinem Beitrag „Menschenwürde und biomedizinische Ethik – eine theologischePerspektive“. Er ist Professor für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Wien und beschäftigt sich mit der Geschichtlichkeitund dem geschichtlichen Wandel von Menschenbildern, die immer „das Ergeb-nis komplexer kultur- und religionshermeneutischer Prozesse“ (135) sind. DieKontexte zwischen Menschenrechten und biomedizinischer Ethik stehen dabei imMittelpunkt. Heute ist technisch sehr viel machbar. Die Frage der Technikkritikmuss jedoch lauten: „Wo liegen die Grenzen des ethisch Zulässigen, jenseits deren

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der Einsatz von Wissenschaft und Technik zur Inhumanität führt?“ (136). Themendabei sind u.a. „Menschenwürde und biblisches Menschenbild“, „Die Strittigkeitdes Menschen und die Strittigkeit Gottes“ und „Humanität nach dem Tode Got-tes“.

Der letzte Beitrag dieses Buches stammt von Alois Stimp�e, Professor fürBiblische Theologie mit dem Schwerpunkt Neues Testament in Hannover. Er wid-met sich einem Thema, das auf den ersten Blick etwas „anders“ ist. Sein Beitragträgt den Titel „Die Menschenrechte und das Menschenrecht der”Askese“. Bibel-wissenschaftliche Überlegungen zu einer anthropotechnischen Maxime“. Alleinder Titel fordert heraus; es drängt sich die Frage auf, was Menschenrechte mitAskese zu tun haben. „Diesbezüglich gar einen fundamentalrechtlichen Univer-salanspruch erheben zu wollen, muss vielleicht sogar als frivol gelten angesichtsweltweit gängiger Einschränkungen oder Missachtungen existenzieller menschli-cher Freiheitswerte“ (152). Der Philosoph Peter Sloterdijk hat zu diesem Themaeinige Überlegungen beigetragen, die hier vorgestellt werden. Darüber hinaus gibtes bibeltheologische Erinnerungen zum „Menschenrecht der Askese“. Menschen-rechte sind erweiterungsfähig, sie müssen sich auch den neuen gesellschaftlichenGegebenheiten anpassen. Daher: „Eine entsprechende Kompetenz des „Übens“als elementares Lebensgut des Menschen einzufordern, wird nicht nur nachvoll-ziehbar, sondern erweist sich als dringlich geboten“ (152).

Das vorliegende Buch gibt eine umfassende Übersicht zum Thema „Men-schenrechte im interreligiösen Dialog“ und bietet einen gut gelungenen Überblicküber die kontrovers geführten Diskussionen. Durch die Vielzahl der mitwirken-den Autoren sind stilistische Differenzen wohl nicht zu vermeiden, generell kannaber gesagt werden, dass bei den meisten Beiträgen eine gute Verständlichkeitgegeben ist. Die Publikation gehört zu jenen, die in jeder öffentlichen Bibliothekund Universitätsbibliothek zu �nden sein sollten. Darüber hinaus aber ist diesesBuch eine empfehlenswerte P�ichtlektüre für all jene Menschen, die es nicht hin-nehmen wollen, dass noch heute jeder zweite Erdenbürger von fundamentalenMenschenrechtsverletzungen betroffen ist, und für all jene, die es als Aufgabeder Kirchen und Religionen sehen, Menschenrechte bekannt zu machen, sie ein-zumahnen und Anwälte für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu sein.Eine notwendige Lektüre auch für alle jene, die davon überzeugt sind, dass jederMensch seinen Beitrag zu einem friedlichen Dialog zwischen den Religionen undden Menschenrechten leisten kann.

Gertraud Putz, Salzburg

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KREUTZER, Ansgar/GRUBER, Franz (Hg.), Im Dialog. Systematische Theo-logie und Religionssoziologie (Quaestiones disputatae 258), Herder Freiburg imBreisgau/Basel/Wien 2013, 400 S., kart., 35,- Eur [D], ISBN 978-3-451-02258-6.

Der Dialog zwischen systematischer Theologie und Religionssoziologie stecktnoch weitgehend in den Kinderschuhen. Für die praktische Theologie ist es schonseit Langem selbstverständlich, soziologische Theoriebildung und religionssozio-logische Erkenntnisse zu rezipieren. Die systematische Theologie erschließt sicherst langsam, aber mit durchaus interessanten Ergebnissen dieses wichtige Terrainfür ihre eigene Theoriebildung. Im Vorwort schreiben die Herausgeber: „Bei derZusammenstellung und der Abfassung der Beiträge hatten wir das Gefühl, unsmit dem Dialog von systematischer Theologie und Religionssoziologie auf einwissenschaftlich kaum erkundetes Terrain zu begeben.“ (13) Umso verdienstvol-ler ist es, dass sich dieser Band, der auf den langjährigen Forschungsschwerpunkt„Religionssoziologie und ihre theologische Rezeption“ an der KTU Linz zurück-geht, sich dieser noch weitgehend fehlenden Metare�exion über Möglichkeitenund Grenzen des interdisziplinären Dialogs zwischen diesen beiden Disziplinenwidmet.

Die Quaestio leuchtet kundig und souverän das Verhältnis von systematischerTheologie und Religionssoziologie in all seinen Facetten aus. Sie macht darüberhinaus auch deutlich, in welch vielfältiger Weise religionssoziologische Theorienund Erkenntnisse dem systematisch-theologischen Denken neue Re�exionswe-ge und Kategorien erschließen. Wie könnte auch die Botschaft des Evangeliumsin der Welt von heute Relevanz behalten (oder wiedererlagen), ohne die Trans-formationsprozesse des Glaubens, die sich au�ösende Kirchlichkeit und den Be-deutungsverlust des Religiösen zur Kenntnis zu nehmen? Damit die Gottesredenicht zu einer kontext- und geschichtslosen Sondersprache schrumpft, braucht esverlässliche Daten und einen genauen Blick auf das, was ist und nicht auf das,was man meint, dass ist (was meist der Fall ist). Genau dazu kann die Religions-soziologie wertvolle Hinweise geben, indem sie zu Konkretion und Genauigkeitzwingt. So �ndet sich in diesem Sammelband eine Fülle interessanter, mituntersehr ungewöhnlicher, diskussionswürdiger Thesen, Ansätze und Beobachtungen,was insbesondere daran liegt, dass VertreterInnen beider, an sich fremder Diszipli-nen, ältere und jüngere, bekannte und weniger bekannte AutorInnen mitgearbeitethaben. Jedem Teil ist eine instruktive Einleitung durch die beiden Herausgebervorangestellt, die souverän durch das Dickicht der Theorien und Ansätze führen.

Im ersten Teil („Stand und Theorie des Dialogs von Systematischer Theo-logie und Religionssoziologie“, 17–90) werden exakt die Möglichkeiten, aberauch die Grenzen einer wechselseitigen Rezeption ausgelotet. Die Autoren Ans-gar Kreutzer, Sibylle Trawöger, Hans-Joachim Höhn und Franz-Xaver Kaufmann

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zeigen, warum die klassische Unterscheidung von Teilnehmer- und Beobach-terperspektive einer Weiterentwicklung bedarf („Aufbrechen eines strikten Per-spektivendualismus“, 43; Kreutzer/Trawöger) und die Theologie ohne Öffnunggegenüber religionssoziologischen Einsichten ihren Anspruch, Gott in der Weltvon heute zur Sprache zu bringen, nicht mehr adäquat erfüllen kann. Der zweiteTeil („Die gesellschaftliche Funktion der Religion“, 93–156) analysiert das his-torisch schwierige und belastete Verhältnis der Religionssoziologie zur Theolo-gie/Religion (Hans-Ulrich Dallmann, Michael N. Ebertz), ehe der dritte Teil mitzwei grundlegenden Texten von José Casanova und David Tracy die „Geltungs-chancen von Religion und Christentum in der modernen Gesellschaft“ (159–207)diskutiert. Die Autoren verfangen sich nicht in der lähmenden Streitfrage, ob eseine Wiederkehr der Religion (sei es in direkter oder transformativer Weise) gibtoder die Säkularisierung unvermindert voranschreitet. Es kommt in der Beant-wortung dieser Frage – und das wird sehr gut herausgearbeitet – entscheidendauf den Referenzrahmen an, auf die Bezugsgröße, das vorausgesetzte Bild undVerständnis von Religion, Kirche und Gesellschaft. Die Religionssoziologie, wosie unvoreingenommen die Transformationsprozesse in den Blick nimmt, konn-te und kann überzeugend zeigen, dass re�exive Modernisierung mit einer eigen-tümlichen Gleichzeitigkeit disparater gesellschaftlicher Entwicklung einhergeht.Es gibt sowohl Prozesse einer „Verkirchlichung des Christentums“ (Franz-XaverKaufmann, 86) mit der Tendenz zur Milieuverengung als auch zu einer Auswei-tung der Bedeutungs- und Ein�usssphäre von Religion, wie ihr wachsender Zu-griff auf die Politik in vielen Ländern zeigt. Der vierte Teil „Religionskritik derSoziologie – Gesellschaftskritik der Theologie“ (211–254) analysiert den bleiben-den Dissens von Theologie und Soziologie bzw. Sozialphilosophie (Maria Dam-mayr und Walter Raberger). Bei aller eingestandener und uneingestandener Dif-ferenz liegt der Fokus auf einer bemerkenswerten Gemeinsamkeit, die weitereAnschlussmöglichkeiten eröffnet: Theologie und Sozialphilosophie sind auf einermetatheoretischen Ebene nicht nur durch den gemeinsamen Gegenstand, sondernauch durch ein geteiltes Interesse verbunden: dem Einspruch und Protest dagegen,dass die Opfer der Geschichte dem Vergessen anheimfallen. Das gilt umso mehr,wenn Soziologie und kritische Gesellschaftstheorie sich nicht dem Gedanken ei-ner rettenden Transzendenz von außen öffnen können.

Nach den hermeneutischen Klärungen, historischen Rückversicherungen undsystematischen Grundlegungen unternimmt der letzte, umfassende fünfte Teil(„Phänomene im religiösen Feld aus soziologischer und aus theologischer Sicht“,257–380) die notwendigen Tiefenbohrungen und Stellproben. Jeweils nehmenein Vertreter der Soziologie und der Theologe zu einer bestimmten Frage Stel-lung. Dabei bildet der soziologische Part den Basistext für den systematisch-theologischen. Es gibt diesem fünften Teil seine besondere Note, dass hier der

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Dialog nicht nur eingefordert, sondern konkret versucht wird. Gleichzeitig wirdin den Beiträgen dieser Sektion sichtbar, warum dieser Dialog so schwierig ist undimmer die Gefahr lauert, ein synchroner Monolog, also ein Dialog im Nebenein-ander zu werden. Erkenntnistheoretische Verdachtsmomente schleichen sich ein:Spricht man vom Gleichen? Wie lässt sich soziologische Erkenntnis theologischrezipieren? Wie kann dieser Sprung in ein anderes Paradigma gelingen? Vielleichtist, wie die Herausgeber betonen, mit Dialog zu viel verlangt, vielleicht reicht es,wenn eine „Kreuzung der beiden Perspektiven“ (257) gelingt. Die kenntnisrei-chen Beiträge dieser Sektion zeigen, dass dies möglich ist – zu beiderseitigemVorteil. Wiederum �nden sich in den Texten von Karl Gabriel, Hanjo Sauer, Win-fried Gebhardt, Ansgar Kreutzer, Alexander-Kenneth Nagel und Andreas Telserzahlreiche Anregungen und führen in den neuesten Stand in der Debatte um Sä-kularisierung, Individualisierung und das Verhältnis von Religion und Politik ein.Spannend wäre hier gewesen, wenn man das Terrain von Säkularisierung, Indivi-dualisierung und Politik etwas stärker überschritten und auch weniger bekannteThemenfelder aufgesucht hätte. Man denke an das noch immer unzureichend er-forschte Feld der neuen geistlichen Bewegungen, an den Neopentekostalismus, andie Movimenti und andere charismatisch orientierten Bewegungen.

Eine von Josef Kern und Martina Resch erstellte Auswahlbiographie rundetdiesen informativen Band ab. Auch von daher wird diese Quaestio über viele Jahreeine wichtige Referenzliteratur im Spannungsfeld von systematischer Theologieund Religionssoziologie bleiben.

Alois Halbmayr, Salzburg

KUNSTMANN, Ines, „. . . eine neue Erde, in der Gerechtigkeit wohnt.“ ZumVerhältnis von Armut und Umweltzerstörung (Concordia Reihe Monographien53), Verlagsgruppe Mainz in Aachen Aachen 2012, 139 p., kart., 20,- Eur [D],ISBN 978-3-861-30311-4.

Fragen der Ökologie und Umweltethik stehen gegenwärtig hoch im Kurs – unddas völlig zu Recht. Offen bleibt allerdings manchmal, inwiefern die ökologischeProblematik mit gesellschaftlichen Entwicklungen zusammenhängt. Bei dieserentscheidenden Frage setzt die Diplomarbeit der jungen Theologin Ines Kunst-mann ein, die im Jahr 2011 an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni-versität Wien eingereicht wurde. Die „Wechselwirkungen zwischen Umwelt- undArmutsproblematik“ (10) stehen im Zentrum dieser Überlegungen, deren Ergeb-nis ein modi�zierter Begriff von Gerechtigkeit ist.

Zu den Voraussetzungen, die die Vf. behandelt, zählen der Begriff der sozia-len und biophysikalischen „Vulnerabilität“ (21) – ein zentrales Kennzeichen von

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Armut – sowie der „Entwicklung“ (27), der von wirtschaftlichem „Wachstum“zu unterscheiden ist. Eine rein ökonomische Sichtweise von Armut, so die Vf.,greift zu kurz, um globale Herausforderungen bewältigen zu können: „Da für einefreie Marktwirtschaft charakteristisch ist, dass nur solche Bedürfnisse wahrge-nommen werden, denen durch Kaufkraft Ausdruck verliehen wird, werden jeneignoriert, die keine oder zu wenig �nanzielle Mittel besitzen, um ihre Bedürf-nisse adäquat ausdrücken zu können“ (31). Der Zusammenhang von Armut undUmweltzerstörung in vielen Ländern der „Dritten Welt“ wird an mehreren Pro-blemen sichtbar, die von der Vf. skizziert werden: Mangel an Ressourcen (vorallem an Wasser), Bevölkerungswachstum, Krankheit, Unterernährung, Lebens-bedingungen auf dem Land und im urbanen Raum, Mangel an Bildung (vor allembei Frauen), Zerfall des sozialem Zusammenhalts und eine Entwicklungspolitik,die letztlich nur den reichen Ländern nützt. Ein Blick auf El Salvador konkreti-siert die vorangegangene Analyse; ein bedrückendes Beispiel stellt etwa die völligungesicherte Lagerung von Altbatterien in Sitio del Niño, einem Vorort von SanSalvador, dar – eine ökologisch desaströse Situation, die Folge und Ursache vonArmut ist (vgl. 69-72).

Wenn also deutlich wird, „dass sich Armut und Umweltproblematik gegensei-tig verstärken, sodass eine Spirale entsteht, die die Betroffenen immer tiefer insElend zieht“ (75), erweisen sich „klassische“ Konzepte der Gerechtigkeitstheorieund Umweltethik als ungenügend: „Da ohne die Verwirklichung von Gerechtig-keit auch kein wirklicher Frieden möglich ist, ist es unumgänglich, die Natur alsLebensgrundlage aller in ein ethisches Konzept einzubinden“ (96). Die Vf. gehtauf politische und kirchliche Initiativen ein, die den Zusammenhang von Armutund Umweltzerstörung ernst nehmen, und begreift auf diesem Hintergrund die„Option für die Armen als ökologische Option“ (112). Dringlich wird diese Op-tion vor allem angesichts der erfahrenen Ungerechtigkeit, „dass diejenigen ammeisten unter den Folgen des Klimawandels leiden, die am wenigsten zu seinerEntstehung beigetragen haben, und dass seine Auswirkungen mit anderen Unge-rechtigkeitszuständen wie Hunger, Armut oder Unterdrückung zusammenwirkenund sich gegenseitig verstärken“ (114f.).

Mit ihrem Beitrag zu einer befreiungstheologischen Reformulierung ökologi-scher Anliegen hat Ines Kunstmann Fragen aufgegriffen, die von globaler Rele-vanz sind, aber von der Theologie (noch) nicht in der Weise wahrgenommen wer-den, die angesichts der dramatischen Zuspitzung der ökologischen und sozialenProblematik nötig wäre. Ermutigend ist jedenfalls, dass sich junge TheologInnenin ihren wissenschaftlichen Abschlussarbeiten diesen Herausforderungen stellenund nach neuen Wegen theologischer Verantwortung suchen.

Franz Gmainer-Pranzl, Salzburg

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LANGER, Ruth, Cursing the Christians? A History of Birkat HaMinim, OxfordUniversity Press Oxford 2012, 389 S., kart., 58,48 Eur [D], ISBN 978-0-199-78317-5.

Wären Werke wie diese Monographie schon vor zwanzig Jahren populär gewe-sen, wären der Rezensentin – und sicher nicht nur ihr – viele Unklarheiten erspartgeblieben. Die Birkat ha-Minim (der sogenannte „Ketzersegen“ bzw. die zwölfteBenediktion des werktäglichen Achtzehnbittengebets), ein gegen Häretiker bzw.Abtrünnige gerichteter Text aus dem jüdischen Gebetbuch, wurde während mei-ner Studienzeit im Rahmen der neutestamentlichen Zeitgeschichte diskutiert undwar stark mit dem Motiv des Synagogenausschlusses z.B. im Johannesevangeli-um verbunden (vgl. Joh 9,22; 12,42; 16,2). Die damit gegebene und noch keines-wegs überall revidierte Diskussionslage ist durchaus brisant; schließlich hat fürdiejenigen, die an einer erneuerten Sicht des Judentums in der Bibelwissenschaftinteressiert sind, die Frage, ob die Juden der frühchristlichen Zeit, sprich: des ers-ten und zweiten Jahrhunderts, die Christen ver�ucht hätten oder nicht, keineswegsnur historische Bedeutung. Die Antwort lautete jedenfalls damals: ja – vorgetra-gen entweder mit Verständnis für die jeweilige Lage der jüdischen Gemeinschaftoder mit dem mehr oder weniger offenen Hinweis darauf, dass das Judentum ebeneine Binnenreligion sei, anders als das Christentum.

Dass sich auf diesem immer noch kontrovers diskutierten Gebiet inzwischeneine Menge getan hat, zeigt Ruth Langers Untersuchung, die den Weg der Birkatha-Minim von der Spätantike bis in die Gegenwart nachzeichnet. Schon zu Be-ginn wird klargestellt, dass ein „ursprünglicher“, d.h. ein in die frührabbinischeZeit verweisender Text der Birkat ha-Minim nicht eruierbar ist, auch wenn wirdavon ausgehen, dass eine solche Benediktion – in noch nicht vereinheitlichterForm und mit heute nicht mehr eindeutig bestimmbaren Intentionen – weit früher,als wir Textversionen haben, bereits in Gebrauch war. Erst ab dem neunten Jahr-hundert u.Z., mit den gaonäischen halachischen und liturgischen Schriften bzw.mit anderen in der Kairoer Genisa gefundenen Fragmenten, sind konkrete Tex-te nachweisbar, und erst dann wird die auf das Christentum und die Abgrenzungdavon zielende Ausrichtung erkennbar. Es ist demnach angezeigt, die Birkat ha-Minim und die neutestamentliche Zeitgeschichte voneinander zu entkoppeln. Dieeingangs skizzierte Diskussionslage beruht, wie Langer klar herausstellt, vor al-lem darauf, dass die aus dem Material der Kairoer Genisa publizierten Versionender Benediktion, in der der Begriff nozerim (Christen) erscheint, für die ursprüng-liche palästinische Version gehalten wurde, obgleich immer bekannt war, dassdiese Fragmente etwa aus dem 10. Jahrhundert stammten.

Ruth Langer stellt – immer mit dem Verweis auf konkrete Textbeispiele –dar, wie sich die Birkat ha-Minim während des Mittelalters in schriftlicher Form

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in den regional verschiedenen liturgischen Traditionen des Judentums etablierte.Damit ist ein weiterer zentraler Aspekt ihrer Untersuchung zu nennen: die Zen-sur und ihre Auswirkungen. Jüdische Liturgie (wie überhaupt die talmudischeLiteratur) geriet etwa im 13. Jh. ins Blickfeld der christlichen Autoritäten, diesich aufgrund der Inkompatibilität mit dem rabbinischen Denken mit dem eigenenchristlichen befassen mussten – ein Prozess, in dem Konvertiten vom Judentumzum Christentum eine wichtige Rolle spielten. Damit setzte die bis in die Neuzeitreichende christlich-jüdische Kontroverse über dieses, wie auch andere „grenz-ziehende“ liturgische Stücke (beispielsweise das Alenu-Gebet), ein. Die von denRabbinen dazu vorgetragene Argumentation war stets, die Birkat ha-Minim rich-te sich nicht gegen Christen und Christentum, sondern gegen diejenigen Juden,die ihrer Religion untreu würden, sowie grundsätzlich gegen Verräter und Fein-de des Judentums. Dieses Verständnis der Benediktion war es dann auch, wassich in den zensierten Versionen nach und nach durchsetzte. Dabei kann für län-gere Zeit von einer doppelten Bedeutung des inkriminierten Textes gesprochenwerden, denn innerhalb der jüdischen Gemeinschaft war der Aspekt der konkre-ten Ver�uchung der Christen, der jüdischen Konvertierenden zum Christentumund der christlichen Autoritäten durchaus geläu�g. Dennoch, darauf weist RuthLanger hin, setzten diese ungleichen christlich-jüdischen Auseinandersetzungeneinen Prozess der erzwungenen wie auch – von Seiten der jüdischen Gemein-schaft – vorwegnehmenden Veränderung der Birkat ha-Minim in Gang, die ihreursprüngliche Funktion in den Hintergrund treten ließ. Insbesondere seit der frü-hen Neuzeit gibt es Bestrebungen, die Benediktion so weit als möglich zu abstra-hieren (wie z.B.: „Verleumdung“ statt „Verleumder“, „Frevel“ statt „Frevler“, imGebetbuch Abraham Geigers von 1854) oder sie sogar auszulassen. Immer wie-der betont Langer die Flexibilität der Bedeutung liturgischer Texte, die immer inWechselwirkung mit den jeweiligen politischen Gegebenheiten zu sehen sind.

Aus kulturwissenschaftlicher Perspektive versteht Langer die Birkat ha-Minim vor allem im Mittelalter als eine ganz konkrete politisch-liturgische Grenz-ziehungsmaßnahme. Innerhalb der jüdischen Gemeinden diente sie dazu, dasÜberschreiten der Grenze zum Christentum zu sanktionieren und sich der eige-nen exklusiven – und von außen immens angefochtenen – Identität zu versichern.Erst außerhalb des eingangs erwähnten offensiven und apologetischen Diskurseswird es möglich, die faszinierende Klarheit und Schärfe der unzensierten Birkatha-Minim zu sehen: Den Apostaten sei keine Hoffnung, und alle Abweichler (mi-nim) sollen unverzüglich vergehen und alle Feinde deines Volkes sollen schnellausgerottet werden. Und die Frevelherrschaft reiße schnell aus, zerschmettere undzermalme sie, und bezwinge all unsere Feinde schnell und in unseren Tagen. Ge-priesen bist du, Ewiger, der die Feinde zerbricht und die Stolzen bezwingt (vgl.S. 5, Übersetzung: S.P.). Es leuchtet ein, dass diese Intensität in späteren Zeiten,

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in denen die bürgerliche Gleichstellung der Jüdinnen und Juden mehr und mehrzum Thema und zur Realität wurde, nicht mehr gefragt war, und die Benediktionin liberalen jüdischen Kreisen zur Herausforderung wurde. Als eine im jüdisch-christlichen Dialog engagierte Wissenschaftlerin plädiert Ruth Langer dafür, dieweniger offensiven Formen der Birkat ha-Minim beizubehalten und die Gemeindeüber die historischen und religionsgeschichtlichen Hintergründe der Benediktionzu informieren.

Insgesamt: ein spannendes text- und überlieferungsgeschichtliches Buch, dasdie Dynamik zwischen jüdischen und christlichen Identitäten in ihrem jeweiligenpolitischen und kulturellen Kontext darstellt. Hervorzuheben sind die zahlreichenQuellenverweise und die Appendices mit in verschiedenen Regionen und Tradi-tionen verwendeten Versionen der Birkat ha-Minim, die jeweils in Hebräisch undEnglisch (bzw. Deutsch) mitgeteilt wird. Es ist zu wünschen, dass dieses Werkauch im deutschsprachigen Raum diskursbildend wirken wird.

Susanne Plietzsch, Salzburg

LAUX, Bernhard (Hg.), Heiligkeit und Menschenwürde. Hans Joas‘ neue Ge-nealogie der Menschenrechte im theologischen Gespräch (Veröffentlichungen derPapst-Benedikt XVI.-Gastprofessur an der Fakultät für Katholische Theologie derUniversität Regensburg, hrsg. v. der Fakultät für Katholische Theologie der Uni-versität Regensburg in Verbindung mit der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung), Herder Freiburg im Breisgau/Basel/Wien 2013, 224 S., kart., 22,- Eur[D], ISBN 978-3-451-34148-9.

Menschenrechte sind fundamentale Rechte, sie sind unveräußerlich, sind allge-mein gültig und oberste Prinzipien des menschlichen Zusammenlebens. Sie sindTeile von Verfassungen oder Konventionen und haben eine politische und einemoralische Seite. Es sind einerseits Rechte, die den Staat beschränken, anderer-seits sind es Forderungen an den Staat. Es gibt keine bessere Alternative dazu.Darüber ist man sich einig. Nicht einig ist man sich jedoch in Bezug auf ihre Be-gründung bzw. Herleitung. In diesem Buch, herausgegeben von Bernhard Laux,Professor für Theologische Anthropologie und Wertorientierung in Regensburg,diskutieren zwölf Professoren der Fakultäten für Katholische Theologie Regens-burg und Passau die These des deutschen Soziologen und Sozialphilosophen HansJoas zur Begründung und Deutung der Menschenrechte. Hans Joas war im Som-mersemester 2012 der erste Gastprofessor der Joseph Ratzinger Papst BenediktXVI.-Stiftung in Regensburg. Er hielt Vorlesungen zum Thema „Sakralisierungund Säkularisierung“. In einem Workshop ging es um die „Sakralität der Person“.Die Debatten und Statements wurden in den Beiträgen des vorliegenden Buchesausgeführt.

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Bisher wurde versucht, einen christlichen oder einen säkular-humanistischenUrsprung der Menschenrechte nachzuweisen. Joas These hat einen anderen An-satzpunkt. Für ihn liegt der Ursprung der Menschenrechte in der „Sakralisierungder Person“ bzw. der „Sakralität oder Heiligkeit der Person“. So schreibt er amAnfang des Buches in seinem Beitrag „Der Mensch muss uns heilig sein“: „Ichschlage vor, den Glauben an die Menschenrechte und die universale Menschen-würde als das Ergebnis eines Sakralisierungsprozesses zu betrachten, in dem jedeseinzelne menschliche Wesen in immer stärker motivierender und sensibilisieren-der Weise als heilig angesehen und dieses Verständnis im Recht institutionalisiertwird“ (15). Joas sucht die Basis des Guten jenseits der Religion, denn nicht nurReligiöses ist dem Menschen heilig.

Der Band beginnt mit dem Abschnitt über „Historische Entwicklungen –Das Christentum und die Verwirklichung von Menschenwürde und Menschen-rechten“. Der erste Beitrag von Ulrich G. Leinsle, Professor für Philosophisch-Theologische Propädeutik, hat den Titel: „Welches Menschen Rechte? – oder: DieEr�ndung des Menschen und seiner Würde im Renaissance-Humanismus“. Imnächsten Beitrag behandelt der Kirchenhistoriker Klaus Unterburger das Thema:„Gnade und entschiedenes Christentum. Innerkatholische Kon�ikte des 18. Jahr-hunderts als lange verkannte Wurzel des Menschenrechtediskurses“. Der nächsteAbschnitt des Buches trägt den Titel „Heiligkeit“. Der Dogmatiker Erwin Dir-scherl, und der Alttestamentler Christoph Dohmen, schreiben über „Heiligkeit –Einzigkeit – Alterität“ und der Liturgiewissenschaftler Harald Buchinger über„Heiligkeit: Inklusiv oder exklusiv? Biblisch-liturgische Perspektiven“. Im darauffolgenden Abschnitt geht es um „Person“ und um das Verständnis des theologi-schen Personenbegriffs bei Hans Joas. Die wechselseitig aufeinander bezogenenBeiträge vom Dogmatiker und Fundamentaltheologen Hermann Stinglhammerund dem Fundamentaltheologen Alfons Knoll über „Person – theologisch und so-ziologisch“ und „Personalität als Relationalität: Ein Blick auf Romano Guardini(1885-1968)“ sind hier zu �nden. Es wird die These vertreten, „dass ein relatio-nales Personverständnis im Sinne von Hans Joas . . . der christlichen Theologiebereits von der Antike her vertraut war und sich heute in der Theologie weitge-hend durchgesetzt hat“ (112).

Peter Fonk, Professor für Theologische Ethik, schreibt im Abschnitt „Nor-mative Maßstäbe“ über „Ethische Anmerkungen zur konstitutiven Bedeutung vonGenese“ und von Bernhard Laux, Professor für Theologische Anthropologie undWerteorientierung stammt der sozialethische Beitrag „Welche Geltungsansprü-che, welche Gründe? Bedeutung, Formen und Grenzen moralischen Begründens“.Im letzten Abschnitt über „Kommunikationsweisen“ stellt der ReligionspädagogeBurkard Porzelt die Frage: „Wertegeneralisierung: (k)eine Perspektive für religi-öse Bildung?“ Die beiden Pastoraltheologen Heinz-Günther Schöttler und Johan-

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nes Först schreiben über „Erzählen: erinnern und entwerfen. Ein nachmetaphy-sischer Diskurs über Gott und die Menschen“. Mit einer Replik auf die sehr dif-ferenziert geführte theologisch-akademische Diskussion antwortet Hans Joas aufdie inhaltlichen Ausführungen in den Beiträgen, reagiert auf Kritiken und Ergän-zungsvorschläge. Das Verzeichnis der Autoren bildet den Schluss dieses Buches.

Durch die Vielzahl der mitwirkenden Autoren sind stilistische Differenzenwohl nicht zu vermeiden. Es handelt sich um eine anspruchsvolle Lektüre, Vor-kenntnisse sind dabei hilfreich, um die oft nur angedeuteten inhaltlichen Tiefenund Querverweise auch ganz nachvollziehen zu können. Dieses Werk gehört ge-wiss zu jenen Publikationen, die in jeder Theologischen und Philosophischen Bi-bliothek und Universitätsbibliothek zu �nden sein sollten. Besonders gut geeignetist es für Lehrende und Studierende an Universitäten, vor allem für all jene Fächer,die sich mit den Menschenrechten befassen.

Gertraud Putz, Salzburg

NEHRING, Andreas/TIELESCH, Simon (Hg.), Postkoloniale Theologien. Bi-belhermeneutische und kulturwissenschaftliche Beiträge (ReligionsKulturen 11),Kohlhammer-Verlag Stuttgart 2013, 359 S., kart. 39,90 Eur [D], ISBN 978-3-17-022552-7.

Dank der sorgfältigen Auswahl und aufwändigen Übersetzungsarbeit liegt zumersten Mal im deutschen Sprachraum eine umfassende Darstellung der postkolo-nialen Theoriebildung und deren Rezeption durch die Theologie vor. Die beidenHerausgeber Andreas Nehring und Simon Tielesch sind Lehrstuhlinhaber bzw.Assistent am Lehrstuhl für Religions- und Missionswissenschaft an der Universi-tät Erlangen-Nürnberg. Wie sie in der „Danksagung“ erwähnen, ist der vorliegen-de Band das Ergebnis eines langwierigen Prozesses der Auswahl und Übersetzungvon bisher nur auf Englisch vorliegenden grundlegenden Beiträgen zur Postkolo-nialen Theologie.

Vor den eigentlichen Beiträgen von Theologinnen und Theologen aus der an-glophonen Welt (insbesondere USA und Großbritannien) und (im Sinne einerAusnahme) dem deutschsprachigen Raum stecken die beiden Herausgeber in ihrerEinführung zum Verhältnis von Theologie und Postkolonialismus das Feld diesesnoch ungewohnten, aber höchst innovativen Ansatzes theologischer Re�exion ab.Zwar gehen die Postkolonialen Studien (Postcolonial Studies) vom Kontext ehe-maliger kolonialer Strukturen in Ländern mit kolonialer Vergangenheit (insbe-sondere in Afrika und Asien) aus, haben aber insgesamt mit der Darstellung der„Anderen“ und damit den unterschiedlichen Verengungen in der Wahrnehmungund Darstellung „fremder“ Kulturen und Gesellschaften durch eine abendländi-sche „Leitkultur“ zu tun.

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Damit verortet sich die Debatte des Postkolonialismus einerseits in der kri-tischen Aufarbeitung der Geschichte der Entkolonialisierung, aber andererseitsauch in den radikalen Veränderungen innerhalb der Geschichte des abendländi-schen Denkens und der zunehmenden Kritik am „Eurozentrismus“ und kognitiven„Neokolonialismus“. Eine kritische Postkoloniale Theologie sollte sich den Her-ausgebern zufolge auf beide Aspekte in ihrer gegenseitigen Beein�ussung undepistemologischen Zuordnung konzentrieren, und nicht etwa künstliche Inkom-patibilitäten zwischen beiden Ansätzen aufwerfen. Den großen Theoretikern desPostkolonialismus zufolge ist nicht nur der Kolonialismus eine Folge europäi-scher Vorherrschaft, sondern Europa gleichsam ein „Geschöpf der Dritten Welt“(Frantz Fanon) und das Ergebnis der „Eroberung des Anderen“ (Enrique Dussel),und sollte demnach „provinzialisiert“ (Dipesh Chakrabarty) und de-zentriert wer-den.

Postkoloniale Studien �nden sich zwar in Tuchfühlung mit der Postmoderne,der Interkulturellen Philosophie, den Cultural Studies und – im Falle der Theo-logie – der Befreiungstheologie, grenzen sich aber in entscheidenden Punktenauch von diesen ab. Zum Selbstverständnis der Postcolonial Studies gehören: sievertreten einen strengen Kontextualismus, sie praktizieren gegenüber Universali-tätsansprüchen eine „Hermeneutik des Verdachts“, sie haben nicht nur beschrei-benden oder analytischen, sondern vor allem interventionistischen Charakter, siebedingen eine konsequent selbstkritische Haltung, und sie haben ein besonderesAugenmerk für das Machtgefüge von Praktiken und Strukturen. Als Begründerder postkolonialen Theorie gelten die Arbeiten von Edward Said zum „Orientalis-mus“, sowie der Ansatz der Subaltern Studies, wie er etwa von Homi Bhabha undGayatri Spivak vertreten wird.

Als Themen des Postkolonialismus werden die Erforschung des (inneren) Ko-lonialismus und seine Ein�üsse auf Individuen und die Kultur des kolonialisier-ten Landes, aber auch die Relecture kolonialer Archive, die Dezentrierung klas-sischer, universaler und transhistorischer Werte und Wissenskategorien des Wes-tens, die doppelte Kolonialisierung der Frau, die Infragestellung dominanter Epis-temologien und die Kritik an abendländischen akademischen Standards bearbei-tet. Als wichtige konzeptionelle Referenzgrößen gelten das „Imperium“ (Empire),die „Grenze“ (Marginalität), die „Identität“ und die „Hybridität“ (Mimikry).

Die postkolonialen Theologien greifen viele der Kernpunkte und theoreti-schen Grundlagen der postkolonialen Theoriebildung auf und verstehen sich imWesentlichen als Kritik an und Herausforderung für eine klassische, eurozentri-sche Theologie. Ohne sich selber als „postkolonial“ zu bezeichnen, hat EATWOT(Ecumenical Association of Third World Theologians) in ihrem Vollzug des epis-temologischen Bruch mit dem Abendland schon in den 1970er Jahren eine wich-tige Forderung postkolonialer Theologie vorweggenommen. Die heutigen post-

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kolonialen Theologien verbinden solche Forderungen zudem mit den genanntenthematischen Brennpunkten postkolonialen Denkens.

Die vorliegende Publikation – eine Art kommentierter Reader zur Postkolo-nialen Theologie – ordnet die Beiträge drei grundsätzlichen Themenfeldern zu, diejeweils von den Herausgebern kurz eingeleitet werden. In einem ersten Teil geht esum eine postkoloniale Re-Lektüre biblischer Texte (Sugirtharajah; Segovia), teilsin feministischer Perspektive (Dube; Pui Lan). Im zweiten Teil stehen die Themenvon Rändern, Diaspora und Hybridität im Fokus postkolonialer theologischer Re-�exion (Rivera; Westhelle; Nausner; Kang), und im dritten Teil schließlich gehtes um die Loci theologici der Grenzen, Ausgrenzungen und Marginalität (Field;Lewis; Keller; Grau; Pui Lan).

R.S. Sugirtharajah, Professor für Biblische Hermeneutik am Department ofTheology and Religion der Universität von Birmingham, unterzieht in seinem Bei-trag „Befreiungshermeneutik und postkoloniale Bibelkritik“ die so genannte klas-sische Befreiungshermeneutik am Beispiel von Gustavo Gutiérrez und Elsa Ta-mez einer grundsätzlichen Kritik aus postkolonialer Perspektive. Dabei monierter, dass die großen Themen der klassischen Befreiungstheologie nicht nur demabendländischen Paradigma des Modernismus verp�ichtet seien, sondern aucheinen relativ unkritischen Rekurs auf die biblische Tradition befürworteten, beidem die Frage „kolonialer“ Verfasstheit von Texten ausgeblendet werde. Dabeiginge es eigentlich darum, die natürlichen „Kampfgefährten“ Befreiungsherme-neutik und postkoloniale Kritik konstruktiv miteinander ins Gespräch zu bringen.

Der in den USA lehrende kubanische Theologe Fernando Segovia befasst sichin seinem Beitrag „Grenzüberschreitendes Interpretieren“ explizit mit der Ver-hältnisbestimmung historisch-kritischer Bibelexegese und postkolonialer Studienzur Thematik der „Diaspora“. Danach sind Diaspora-Erfahrungen untrennbar mitdem Phänomen der (Neo-)Kolonialisierung und der Imperien verbunden, und die-se wiederum mit den historischen Expansionsbewegungen des Christentums. AmBeispiel von Boyarins Analyse der Identitätspolitik von Paulus von Tarsus kommtder Autor zum Schluss, dass die „Universalisierung“ der griechischen Diasporaeiner ideologischen Kolonialisierung gleichkommt.

Die an der Universität von Botswana lehrende feministische Theologin MusaW. Dube versucht unter dem Titel „Postkolonialität, Feministische Räume und Re-ligion“ aus afrikanischer Sicht eine Verhältnisbestimmung von Kolonialisierung,Religion und Gender-Problematik. Dabei geht es um die Bestimmung der Gender-beziehungen in postkolonialen Räumen und die Rolle der Religion, um dekoloni-sierende, feministische Befreiungsstrategien für die Frauen der Zwei-Drittel-Weltzu entwickeln. Anhand von Fallbeispielen aus Nigeria und Südafrika führt dieAutorin die These aus, Religion spiele sowohl im kolonialen wie patriarchalenKontext bei der Unterdrückung der Frau eine sehr ambivalente Rolle.

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Das Interview zur zeitgenössischen nordamerikanischen Jesus-Forschung mitder aus Hongkong stammenden, aber in den USA lehrenden feministischen Theo-login Kwok Pui Lan zeigt, dass es dabei eigentlich um die verschlüsselte Suchedes weißen Mannes nach seiner Identität geht, weil er sich durch Feministinnen,AfroamerikanerInnen, Latinas/os, Lesben und eingewanderte MuslimInnen be-droht fühle. Statt die Bibel als Fetisch in den Händen der (Neo-)Kolonisatoren zubetrachten, sollte sie als „Abenteuer in der Diaspora“ gesehen werden.

Im zweiten Betrag „postkoloniale Untersuchung von Kollusion und Konstruk-tion in biblischer Interpretation“ de�niert Sugirtharajah den Postkolonialismusprägnant als ein „kritisches Unternehmen, das darauf zielt, die Verbindung zwi-schen Idee und Macht zu demaskieren, die hinter westlichen Theorien und Gelehr-samkeit liegt“. Als Beispiel untersucht der Autor den matthäischen Missionsbe-fehl und die Missionsreisen von Paulus, die beide gleichermaßen Kolonialismusund koloniale Mission untermauert und dem expansionistischen Imperialismusdurch die europäischen Handelsgesellschaften des 18. Jahrhunderts als theologi-sche Legitimation gedient haben.

Die Beiträge zu den Themen „Identität – Hybridität – Diaspora“ gehen derschwierigen Frage der Identitätsbildung unter (neo-)kolonialen Vorzeichen nach,ohne dabei einem kulturellen Essentialismus oder einer einseitigen Schuldzu-weisung das Wort zu reden. Postkoloniale Theologien thematisieren gerade dieZwischenräume des Kulturkontakts, allerdings immer im Zusammenhang mit derMachtfrage in der Reproduktion von Wissensformen und gefestigten Identitäten.

Mayra Rivera Rivera, an der Universität von Harvard lehrende puerto-ricanische Theologin und Religionswissenschaftlerin, unterzieht die Metapher der„Ränder“ einer postkolonialen Kritik, indem sie ihnen die „Räume der Macht“entgegensetzt. Dabei bezieht das „Imperium“ auch die „Ränder“ in seinen Sogein und wischt gleichsam die Grenzen zwischen Innen und Außen aus. Die für diePostmoderne typische Multidimensionalität der Macht führt in Bibelwissenschaftund Theologie etwa zu dem als „drittem Raum“ bezeichneten hermeneutischenOrt hybrider und synkretistischer Identitäten.

Vítor Westhelle, Theologieprofessor in Chicago, unternimmt in seinem Bei-trag „Offene Ränder: Repräsentation, Hybridität und Trans�guration“ den Ver-such, die jüdisch-christlichen Schriften im Sinne durchlässiger Grenzen und ei-nes Prozesses der „Trans�guration“ zu deuten. Anhand von Beispielen aus derlateinamerikanischen zeitgenössischen Belletristik schildert Westhelle die Taktikhybrider Trans�guration, welche die politische Praxis der Repräsentation (hege-moniales Regime) durch die „poietische“ im Sinne des Portraits destabilisiert.

Der an der Theologischen Hochschule Reutlingen lehrende Michael Naus-ner plädiert für ein theologisches Verständnis von „Heimat“ als Grenzland undsieht daher in der „Entterritorialisierung“ christlicher Existenz ein Charakteris-

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tikum postkolonialer Identität. Der nomadische Lebensstil der großen religiösenTraditionen stehe in einem merkwürdigen Spannungsverhältnis zur territorialenVerfasstheit ihrer institutionalisierten Formen. In postkolonialer Perspektive kön-ne christliche Subjektivität daher nur an den Rändern und von den Rändern herausgehandelt werden.

Die aus Südkorea stammende und in Texas lehrende Theologin NamsoonKang unterzieht den zeitgenössischen asiatischen theologischen Diskurs im Lichtdes Orientalismus einer eingehenden Kritik, indem sie Wesenszuschreibungen als„Falle des Neo-Orientalismus“ enthüllt. Dieser reproduziere und zementiere diewestliche Sicht asiatischer Identität, indem sie diese auch theologisch in Oppo-sition zu Europa festschreibe. Namsoon plädiert dagegen für eine hybride Iden-tität theologischen Schaffens in Asien, die multiple Identitäten erlaubt und dieMarginalität (auch die weibliche) als Ort des Widerstandes gegen neo-kolonialeVereinnahmung postuliert.

Die Frage der Repräsentationen der „Ränder“ bleibt eines der umstrittenstenThemen der postkolonialen Theologie und wird in der „Option für die Ränder“ inAnlehnung an die klassische Befreiungstheologie programmatisch aufgegriffen.Der aus Südafrika stammende methodistische Theologe David N. Field versucht,die „Option für die Armen“ im Sinne einer postkolonialen Theologie in euro-afrikanischer Perspektive unter den Bedingungen der Postmoderne als „Zentrie-ren der Ränder“ umzudeuten. Die archetypische Zuschreibung von Afrika durchEuropa als von Armut, Ausschluss und Anderssein bestimmt, zementiert eine ko-loniale Sicht und lässt die kreative und widerständige Bedeutung der Andersartig-keit und der Ränder außer Acht.

Die US-amerikanische Theologin Catherine Keller plädiert für eine „Theolo-gie in den Zwischenräumen des Empire“ und damit für den Primat der Liebe inZeiten imperialer Machtstrategien und einer als imperialer Metaphysik vorherr-schenden Theologie. Ein postkoloniales Christentum setze der Globalisierung als„wirtschaftliche Postmodernität“ und der „gotischen Vision“ von Kirche die Zwi-schenräume der Verletzlichkeit und den utopischen Raum der Liebe als „postko-loniale Verleiblichung“ entgegen.

Mark Lewis Tylor (Princeton University) sieht die Subalternität und Fürspra-che als Kairos für eine postkoloniale Theologie und deutet damit eher ideologischbefrachtete Begriffe im Sinne eines Befreiungspotenzials. Die Sprachlosigkeit des„Subalternen“ bleibt nur so lang bestehen, als sich der Begriff kontrapunktischdurch die Sprachgewalt des dominanten Diskurses bestimmt, aber keine Möglich-keit der Repräsentation und „Fürsprache“ eröffnet. Authentische Fürsprache istdie eigentliche Herausforderung für eine postkoloniale Befreiungstheologie undumfassende Kritik an imperialer neo-kolonialer Theologie.

Marion Grau, deutschstämmige Theologin, die in Kalifornien lehrt, stellt in

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ihrem Beitrag den Entwurf einer postkolonialen Christologie im Kontext des neo-kolonialen Imperiums vor. Der christliche Erlösungsgedanke sei zutiefst in denSymbolismus des ökonomischen Geschäftsabkommens verstrickt, bei dem es umeinen „göttlichen Handel“ mit Christus als „gefälschtem Lösegeld“ gehe. Die Auf-lösung von Hierarchien und festgeschriebenen Identitäten im „täuschenden undgetäuschten Christus“ sei eine fruchtbare Metapher für die postkoloniale Dekon-struktion herkömmlicher Christologien.

Schließlich erläutert Kwok Pui Lan in ihrem zweiten Beitrag den Zusammen-hang von Postkolonialismus-Studien und feministischer Bibelinterpretation. Da-bei fügen postkoloniale Theorien zur historisch-kritischen Methode eine Dimen-sion hinzu, die sich auf das Weltreich (Empire) und die Kolonisation, das Zentrumund die Peripherie, die Exilierten und die in die Diaspora Gedrängten konzentrie-ren. Die feministische Kritik fügt dieser Perspektive die komplexe Beziehung vonKolonialismus und Patriarchat hinzu, und muss sich dabei vor einem pauschalenAntijudaismus hüten.

Der vorliegende Band ist in seiner Fülle und Komplexität eine Zumutung für„klassisch“ geschulte Theologinnen und Theologen. Viele Ansätze gehen impli-zit von postmodernen Gemeinplätzen (Komplexität; Vielfalt; Hybridität; multi-ple Identitäten) aus, vermögen diese aber insofern kritisch zu transzendieren, alsder eigentliche Bezugspunkt allen Theologisierens die asymmetrischen Macht-verhältnisse von Wissen und Praxis sind, wie sie sich unter kolonialen und neo-kolonialen Bedingungen herausgebildet haben und immer noch virulent sind.

Auffallend ist die Tatsache, dass von den ausgewählten AutorInnen, mit ei-ner Ausnahme, alle an akademischen Einrichtungen in den USA und Europa tä-tig sind, auch wenn über die Hälfte aus Ländern des globalen Südens stammen.Aufgrund der Begrenzung der Übersetzungen auf den englischsprachigen Raumfallen zum Beispiel wichtige Beiträge aus Lateinamerika zum Vornherein weg.Vielleicht hat dies aber auch mit der Tatsache zu tun, dass die Debatte um die „De-Kolonialisierung“ im abendländischen, aber auch afrikanischen und asiatischenKontext eine andere Fokussierung hat als in Lateinamerika, wo es insbesonde-re um eine politische Neubestimmung von in der Gesellschaft eingeschriebenenkolonialen Wissens- und Wertstrukturen geht.

Mit dieser Publikation liegt einem interessierten Publikum im deutschsprachi-gen Raum ein Material vor, das einer kritischen Sichtung und kreativen Weiterent-wicklung unter den Bedingungen der real existierenden globalisierten Marktwirt-schaft harrt. Wie viele AutorInnen zurecht betonen, beschränkt sich postkolonia-le Theologie nicht nur auf Kontexte ehemaliger Kolonialstaaten, sondern fordertauch – oder gerade – Theologinnen und Theologen in den vom Kolonialismusnicht direkt betroffenen Gebieten heraus. Patriarchale und eurozentrische mentale

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Schemata bestimmen nach wie vor einen großen Teil der herkömmlichen Theolo-gie in Europa.

Josef Estermann, Luzern

NIEDERBERGER, Andreas/SCHINK, Philipp (Hg.), Globalisierung. Ein in-terdisziplinäres Handbuch, Metzler Verlag Stuttgart/Weimar 2011, 450 S., geb.,19,99 Eur [D], ISBN 978-3-476-02272-1.

Die Reihe der interdisziplinären Handbücher ist wieder um ein Thema bereichertworden. Es geht um „Globalisierung“, ein von den Sozialwissenschaften gepräg-ter Begriff, ein Schlagwort unseres Alltags seit den 1990er Jahren. Herausgege-ben wurde dieser neue Band von Philipp Schink, wissenschaftlicher Mitarbei-ter und Andreas Niederberger, Professor am Institut für Philosophie der Goethe-Universität Frankfurt a. M., mit der Unterstützung von 53 Autorinnen und Auto-ren. Kulturelle, politische und ökonomische Grenzen haben sich aufgelöst. Kon-�ikte mit kultureller Vielfalt stehen an der Tagesordnung. Großes Aufsehen erreg-te der amerikanische Politikwissenschaftler Samuel Huntington 1993 mit seinemWerk „Clash of Civilizations and the Remaking of World Order“, wo es um Kon-�ikte zwischen verschiedenen Kulturkreisen geht. Seit den 2000er Jahren „wirdder Begriff der Globalisierung immer stärker in der Weise aufgefasst, dass ereinen bestimmten Zustand der Welt bezeichnet. Globalität wird allgemein als eineder wesentlichen Handlungsbedingungen sowohl für wirtschaftliche und politi-sche Akteure, als auch im kulturellen oder lebensweltlichen Bereich verstanden“(1). Was man aber genau unter „Globalisierung“ bzw. „Globalität“ versteht, dar-über ist man sich in den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen nicht einig. DasHandbuch will die Vielfalt der Ansätze – Parallelen und Unterschiede – darstellen.„Es ist das Ziel . . . einerseits zu re�ektieren, welche Ereignisse und Entwicklun-gen es sinnvoll erscheinen lassen, den Begriff der Globalisierung zu nutzen, damitman sie bestimmen und in einen Zusammenhang mit anderen Ereignissen undEntwicklungen bzw. deren Hintergründen setzen kann. Andererseits soll nachge-zeichnet werden, welche neuen, vielleicht auch problematischen Deutungen vonPhänomenen bzw. entsprechenden Herangehensweisen in der human- und kul-turwissenschaftlichen Forschung die Referenz auf diesen Begriff ermöglicht hat“(1f.). Darüber hinaus verfolgt das Handbuch v.a. das Ziel, „wesentliche Phäno-menbereiche, Veränderungen in der Forschung und Kontroversen herauszuheben,über die sich paradigmatisch die wichtigsten Aspekte des Globalisierungsdiskur-ses nachvollziehen lassen“ (5f.). Gerade in der „Globalisierungsforschung“ gibtes viele unterschiedliche Einstellungen zu Fragen der Universalität von Phäno-menen, Überzeugungen, Handlungsweisen oder Einrichtungen (vgl. 4). Über die

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Auswirkungen, die Zukunft betreffend, ist man sich auch nicht einig. Befürchtetwird u. a., dass das völkerrechtliche Gewaltverbot in Zukunft ein „Globalisie-rungsopfer“ werden könnte. Einig ist man sich darüber, dass De�zite, z.B. woes um Partizipationsmöglichkeiten von Frauen geht, nicht global, sondern oft nurüber lokale und nationale Politikprozesse gelöst werden können. Das Handbuchwill auch aufzeigen, dass Globalisierung nicht nur eine ökonomische Dimensionhat und dass die Verantwortung des Einzelnen in kollektiven Zusammenhängenimmer wieder gefordert werden muss.

Eine übersichtliche Struktur erhält die Publikation durch die Einführungvon drei Großkapiteln: „Phänomene der Globalisierung“ (I), „Globalisierungs-forschung in Kultur- und Sozialwissenschaft“ (II) und „Kernthemen der Globali-sierungsdiskussion“ (III). Zur Systematisierung der vielfältigen Themen, die dasdritte Kapitel subsumiert, wurde eine weitere Unterteilung (III.1–6) vorgenom-men.

Der erste Beitrag des ersten Großkapitels (I) zu „Phänomene von Globalisie-rung“ beschäftigt sich mit dem Bereich der „Ökonomie“. Behandelt werden u.a.Themen wie: Krisen und Kriege: Grenzen der ökonomischen Globalisierung, dieweltwirtschaftliche Entwicklung der Nachkriegsära und der Umbau der Weltwirt-schaft im Kontext neoliberaler Globalisierung. Im zweiten Beitrag über „Politik“geht es um die Zusammenhänge von Politik, Globalisierung und Weltgesellschaft.Darin �ndet man auch eine kurze Abhandlung über die Geschichte der Globalisie-rung (vgl. 31). Der nächste Artikel des Handbuches befasst sich mit dem „Recht“,der Globalisierung des Rechts, mit allgemeinen Merkmalen und einer damit ver-bundenen qualitativen Ausprägung des Rechts. Den besonderen Auswirkungenauf verschiedene Rechtsbereiche und den Problemen ist ebenso ein Abschnitt ge-widmet. Ein weiterer Beitrag über „Sozialverhältnisse“ beschäftigt sich mit derkapitalistischen Expansion, der Dimension der globalisierten Wirtschaft, der Le-benslage der Bevölkerung und mit Fragen zur Globalisierung von Transport undVerkehr. Probleme haben sich verschärf, Lösungen sind nicht in Sicht. Der Bei-trag über „kollektive Gewalt“ thematisiert den Wandel der internationalen Sicher-heitspolitik, die neuen Kriege, die Schattenglobalisierung und den globalen Krieggegen den Terror. Der nächste Punkt „Natur“ nimmt die Kontroversen in der Dis-kussion um alternative Formen der Naturaneignung in den Blick. Der Beitrag über„Technik und technische Prozesse“ untersucht den technischen Wandel und tech-nologische Innovation, die selbst Phänomene der Globalisierung darstellen. DerArtikel „Religion(en)“ setzt sich schließlich damit auseinander, inwiefern religi-öse Gemeinschaften von Globalisierung betroffen sind, und, darauf aufbauend,mit ihrer Verantwortung in diesem Prozess und ihrer allgemeinen Bedeutung in-nerhalb einer systematischen Globalisierungsdebatte. Die Religionen gelten alsdie ältesten „Global Player“, die Katholische Kirche als eine der größten „Global

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Player der Geschichte“. Es geht um Erfahrungen und neue Herausforderungen,denen sich die Religionen heute zu stellen haben. 1990 veröffentlicht der Theolo-ge Hans Küng das „Projekt Weltethos“ und wird so zu einem der ersten Wissen-schaftler, die sich den Phänomenen der Globalisierung stellen. Den Auswirkungendes Globalisierungsprozesses auf „Wissenschaft“ und „Geschlechterverhältnisse“sind ebenso Beiträge gewidmet.

Das zweite große Kapitel des Handbuches (II) sammelt Forschungsergebnis-se aus den „Kultur- und Sozialwissenschaften“. Im ersten Artikel „Wirtschafts-wissenschaften“, werden Aspekte wie Mobilität von Waren und Kapital oder dieinternationale Migration von Arbeitskräften beleuchtet, weiters die Themen Fi-nanzmärkte, globale Ungleichgewichte und Krisen, sowie ökonomische Globa-lisierung und Ökologie. Es folgen Beiträge der „Politikwissenschaft“ und der„Rechtswissenschaft“ über die „Globalisierungs- und Universalisierungstenden-zen im Recht“. Die „Soziologie“ versucht im darauffolgenden Artikel über Ten-denzen, Schwerpunkte und offene Fragen in der soziologischen Globalisierungs-forschung Auskunft zu geben. Der nächste Beitrag gibt einen Überblick der For-schung zur Globalisierung, über Tendenzen, Schwerpunkte und den offenen Pro-blemen in der „philosophischen Debatte“. Der Relevanz der Globalisierung fürdie „Religionswissenschaft“, der „Geschichts- und der Literaturwissenschaft“, der„Medien- und Kulturwissenschaft“, der „Geogra�e“, den „Gender Studies“ undder „Ethnologie“ sind die nächsten Beiträge gewidmet.

Im dritten (III), dem umfangreichsten Kapitel dieses Handbuches, geht esdann um die „Kernthemen der Globalisierungsdiskussion“. Darunter werden Bei-träge aufgenommen, die allgemeine, ökonomisch-soziale und politische Kontro-versen und Konsequenzen beleuchten (III.1–3). Angesprochen werden Themenwie die „Genese der ökonomischen Globalisierung“, die „Genese der politischenGlobalisierung“, die „Räume und Reichweiten ökonomischer Globalisierung“,die „Antriebskräfte ökonomischer Globalisierung“, „Hunger und Armut“, „nor-mative Modelle globaler Gerechtigkeit“, „Migration und Flucht“, die „nationaleSouveränität und die Menschenrechte“, „alte und neue Kriege“, „neue globale Re-gulierungsformen jenseits von Markt und Staat“, die „internationale Ordnung unddie Steuerung zwischen Recht und Politik“. Da an fast allen Globalisierungsphä-nomenen die klassischen politischen Akteure (Staaten, Regierungen, Parlamen-te) maßgeblich beteiligt sind, ist die Staatlichkeit und das Auseinanderfallen vonRecht und Politik Thema, ebenso die Frage, ob wir auf einem Weg zu einemWeltstaat sind und wie die Zukunft von Recht und Politik aussehen kann. DerDemokratieprozess steht vor neuen Herausforderungen, wenn es um „Demokratiejenseits der Einzelstaaten“ geht. Großen Herausforderungen sieht sich auch das„globale Strafrecht“ gegenüber. Ein eigener Beitrag ist dem Thema „Globalisie-rungskritik und globalisierungskritische Bewegungen“ gewidmet. In einem wei-

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teren Abschnitt (III.4) geht es um „Identität, Gemeinschaft und Religion“. „Reli-giöser Fundamentalismus“, seine Geschichte und Ausweitung, die Typologie undTrägerschaft fundamentalistischer Organisationsformen und der „Kampf der Kul-turen“ ist Gegenstand dieser Ausführung. Anschließend folgt der Beitrag über die„neue Technologien und Ökologie“ (III.5). „Naturverhältnisse“, „Netzwerke“, das„Internet“, die „Gentechnologie“ und der „Klimawandel“ werden darin behandelt.Im letzten Abschnitt dieses Kapitels (III.6) geht es um „Globalisierungskritik“. Daes zu einer immer enger werdenden „Verschränkung zwischen Zivilgesellschaftund Öffentlichkeit“ kommt, entstehen neue Probleme. Eine „kritische Theorie derGlobalisierung“, ein kritischer Blick auf den „Postkolonialismus“ und ein Beitragder Bedeutung von „Kultur“ runden diesen Abschnitt ab.

Nach den drei thematischen Kapiteln bietet das vierte Kapitel (IV) dem Leserein umfangreiches, aktuelles „Glossar mit Kernbegriffen der Globalisierungsdis-kussion“. Der „Anhang“ im fünften Kapitel (V) enthält eine umfangreiche, sehrgute „Auswahlbibliogra�e“, ein „Verzeichnis der Autorinnen und Autoren“, so-wie ein „Personen- und Sachregister“.

Das Handbuch gibt eine umfassende Übersicht zum Thema „Globalisierung“,bietet einen gut gelungenen Überblick über die kontrovers geführten Diskussionenund ist eine große Bereicherung, vor allem als wissenschaftliches Standardwerk.Es ist eine Hilfe für all jene, die sich mit dem Thema beru�ich befassen oderselbst Akteure in diesem Prozess sind. Positiv hervorzuheben ist auch, dass je-dem Beitrag ein kurzes Literaturverzeichnis angeschlossen ist. Durch die Vielzahlder mitwirkenden Autoren sind stilistische Differenzen wohl nicht zu vermeiden.Generell kann aber gesagt werden, dass eine gute Verständlichkeit gegeben ist.

Bedauerlich ist, dass sich kein Beitrag ausführlicher mit ethischen Dimensio-nen von Globalisierung, bzw. mit ethischen Re�exionen über Globalisierung be-schäftigt: Wünschenswert wäre darüber hinaus ein umfangreicherer Beitrag zumglobalen Kontext von Musik, Tanz und Bildender Kunst (im Kapitel III.6.4 wirdz.B. die Bedeutung von Musik nur kurz angesprochen). Nicht ganz nachvollzieh-bar war im Kapitel über Ökonomisch-soziale Kontroversen (III.2), dass zwischenden Themen „Armut“, „Hunger“ und „Migration und „Flucht“ der Beitrag über„normative Modelle globaler Gerechtigkeit“ steht. Hilfreich wäre es, wenn es beiden einzelnen Kapiteln Querverweise zu anderen ähnlichen thematischen Beiträ-gen in diesem Buch gäbe.

Das Handbuch „Globalisierung“ gehört gewiss zu jenen Publikationen, diein jeder öffentlichen Bibliothek und Universitätsbibliothek zu �nden sein sollte.Besonders gut geeignet scheint es mir für Lehrende und Studierende an den Uni-versitäten und Fachhochschulen, für Lehrer und Schüler an höheren Lehranstaltenund in der Erwachsenenbildung. Sowohl für Laien, als auch für Wissenschaftlerlohnt sich immer wieder ein Blick in dieses gelungene Handbuch.

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Gertraud Putz, Salzburg

PUDOTA, John, Indian Faces of Jesus. Gujarat Sahitya Prakash Anand 2012,224 p., kart., 10,- Eur [D], ISBN 978-93-80066-70-7.

Der indische Theologe John Pudota SJ, Professor am Vidyajyoti College of Theo-logy in Delhi, legt mit diesem Buch eine Einführung in Aspekte der Christologiein Indien vor, die seit geraumer Zeit Gegenstand intensiver Forschung und Dis-kussion ist. Der Autor spricht von einer herausfordernden Lernerfahrung und ei-ner „christological journey“ (16), die er bisher unternahm, und gibt als spirituelleWurzel seiner intellektuellen Auseinandersetzung den kulturellen und religiösenKontext Indiens und dessen Interpretation durch Theologen des Jesuitenordensan.

Im ersten Kapitel stellt John Pudota christologische Beiträge christlicher Den-ker in Indien vor, angefangen von Robert de Nobili bis hin zu Vertretern des 20.Jahrhunderts. Deutlich wird dabei der schwierige Übergang von einer europäi-schen, nachtridentinischen Theologie hin zu einer (ansatzweise) kontextualisier-ten Weise der Verantwortung des christlichen Glaubens in Indien. Das zweite Ka-pitel bietet einen Einblick in Beiträge zur Bedeutung Jesu, die von Seiten derHindu-Tradition geleistet wurden. Diese Interpretationen waren häu�g von einergroßen Ehrerbietung der Person Jesu gegenüber geprägt; in diesem Sinn sagteetwa Mahatma Gandhi: „I have regarded Jesus of Nazareth as one amongst themighty teachers that the world has had [. . . ]. Jesus occupies in my heart the placeof one of the great teachers who have made a considerable in�uence in my li-fe“ (74f.). Das dritte und umfangreichste Kapitel stellt vier indische Jesuiten vor,deren Christologie maßgebliche Impulse zur Interpretation des christlichen Glau-bens gab. Der Befreiungstheologe Sebastian Kappen (1924–1993) kritisierte dieVerfremdung, unter der das Christentum in Indien litt, markierte aber auch eineDifferenz zu gewohnten Ansätzen politischer Theologie: „Unlike Latin America,the context of India is religiously pluralistic where Christians form a minority“(84). Gegen eine Dominanz des „Kultischen“ und eine imperialistische Form derTheologie plädiert Kappen für eine neue Orientierung an der konkreten Geschich-te Jesu (vgl. 92f.). Der Exeget George M. Soares-Prabhu (1929–1995) schlug eineBibelhermeneutik auf religiöser, sozialer und intertextueller Ebene vor (vgl. 98)und begriff Jesus als „teacher of Dharma“ (104), der ein umfassendes Verständnisdes Lebens eröffnet, und von daher als „trend setter of a new society“ (107). Dieseneue Gesellschaft, das Reich Gottes, stehe für „a change of hearts and structures“(112). Samuel Rayan (geb. 1920) verbindet einen konsequenten Sinn für Gerech-tigkeit und eine tiefe Wertschätzung kontemplativen Lebens. In unterschiedlichenBildern, die aus der Lebensrealität der armen Bevölkerungsmehrheit Indiens stam-

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men, versucht Rayan die Bedeutung Jesu zu umschreiben; so ist er beispielswei-se der Träumer, der Freund der Massen, „the daily rice“ (133) – und in allem:das Leben (vgl. 135ff.). Einen besonderen Ort der Wahrnehmung christologischerVerantwortung stellen für Rayan die Dalits dar: „No Christian faith is possible inIndia today without identi�cation with them [= the Dalits, Anm. FGP] and com-mitment to their Resurrection from the tombs in which they are now held, guardedby the musclemen of the ruling classes according to the law and otherwise“ (129).Michael Amaladoss (geb. 1936) schließlich, der Lehrer des Autors, betont, „thatthe context should affect the theologizing process“ (145). Einen zentralen Kon-text Indiens, den religiösen Pluralismus, versucht Amaladoss mit der christlichenAuffassung von der Einzigartigkeit Jesu Christi zu vermitteln: „In his death andresurrection, God’s saving action in the world enters a decisive stage. But, God’saction in Christ must not be separated from his ongoing action in the Word and inthe Spirit“ (148). Das entsprechende christologische Konzept besteht für Amala-doss im Symbol, mit dem nicht „Stellvertretung“, sondern reale Präsenz gemeintist: konkrete, wirksame Gegenwartsweise Gottes im Christus der Geschichte (vgl.151ff.). Auf diesem Hintergrund entwickelte Amaladoss seine Christologie derunterschiedlichen Bilder Jesu (vgl. SaThZ 14 [2010] 303ff.). Maßgeblich bleibtfür ihn letztlich immer die Universalität der Erlösung: „The goal of history is thereign of God without excluding anyone in God’s plan“ (154).

Im vierten und letzten Kapitel unternimmt der Autor einen kritischen Rück-blick und einen Ausblick auf mögliche Entwicklungen. John Pudota ist sich derAmbivalenz eines rein kontextuellen Zugangs bewusst und formuliert präzisedie entscheidende Herausforderung: „The Indian Jesuology arising from religio-socio-cultural context will not stand by itself. It has to be reviewed in the contextof earlier Christologies, especially in the New Testament and in Chalcedon, to de-velop a meaningful Indian Christology“ (166). In gewisser Weise erscheint Chris-tologie hier als eine Ellipse mit zwei Brennpunkten: dem Kontext einer bestimm-ten Gesellschaft mit ihren kulturellen und religiösen Traditionen sowie dem An-spruch Jesu als dem Wort Gottes für die Menschen. Der Beitrag indischer Theo-logen versteht sich allerdings nicht als Alternative zur „klassischen“ Christologie,sondern als Anstoß zu deren Weiterentwicklung: „[. . . ] to help the classical tra-dition to move in the trans-historical realm and articulate the higher meaning andpurpose of God’s only Son becoming �esh and to help the subaltern tradition tobring out the earthliness and historical concreteness of the Living Jesus “ (204).

Das vorliegende Buch versteht sich weder als Lösung aller angesprochenenProbleme (insbesondere der vieldiskutierten Exklusivität der Heilsbedeutung Je-su Christi) noch als Präsentation eines homogenen Ansatzes „indischer Christolo-gie“, sondern als Erläuterung einiger Hintergründe zu Entwicklungen der Chris-tologie und zur Debatte, die in den vergangenen Jahrzehnten darüber geführt wur-

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de. Wie Michael Amaladoss in seinem Vorwort betont, setzt das „Verstehen“ derChristologie eine Praxis des Glaubens voraus, die sich nicht einfach „de�nieren“lässt: „P. R. John has narrated for us the way many Indians in the last two centurieshave sought to live this mystery. It is not necessary to reduce them to types. Wecan take them as showing various dimensions of the WAY. Their little lamps canthrow light on the WAY that all of us have to walk individually and collectively.The search continues. It will never end“ (14f.).

Franz Gmainer-Pranzl, Salzburg

RATZINGER, Joseph, Gesammelte Schriften, Band 7, Zur Lehre des ZweitenVatikanischen Konzils. Formulierung, Vermittlung, Deutung, Teilband 1, hrsg. v.Gerhard Ludwig Müller in Verbindung mit dem Institut Papst Benedikt XVI.,Freiburg im Breisgau/Basel/Wien 2012, 640 S., Leinen, 60,- Eur [D], ISBN 978-3-451-34124-3.RATZINGER, Joseph, Gesammelte Schriften, Band 7, Zur Lehre des ZweitenVatikanischen Konzils. Formulierung, Vermittlung, Deutung, Teilband 2, hrsg. v.Gerhard Ludwig Müller in Verbindung mit dem Institut Papst Benedikt XVI.,Freiburg im Breisgau/Basel/Wien 2012, 640 S., Leinen, 60,- Eur [D], ISBN 978-3-451-34043-7.

Als Benedikt XVI. am 11. Februar 2013 seinen Amtsverzicht ankündigte, stell-te dies nicht nur ein kirchenpolitisches Ereignis ersten Ranges dar, sondern auchein theologiehistorisch markantes. Einer der bedeutendsten Theologen der Papst-geschichte trat von der öffentlichen Bühne ab. Er hinterlässt ein Werk, das dieTheologie des 20. Jahrhunderts in die Gegenwart hinein verlängert und mehr als60 Jahre literarische Produktion als fortlaufenden Kommentar der Theologiege-schichte der Moderne lesen lässt.

Fünfzig Jahre nach Beginn des 2. Vatikanischen Konzils liegen nun auchdie Arbeiten Joseph Ratzingers dazu gesammelt vor: Redevorlagen für Kardi-nal Frings, Schema-Entwürfe, umfassende Kommentare, �ankierende Vorträge,einzelne Rezensionen. Die beiden Teilbände 7/1 und 7/2 der JRGS eröffnen einkonzilstheologisches Panoptikum. Fasziniert steht man vor dem jungen Zeitzeu-gen, der von Beginn an ein geheimer Akteur des Konzils war (und der auch darumweiß: vgl. das Interview mit Hubert Schöne: Band 7/2, 1091–1105; 1091). Ein-�uss gewann er nicht nur durch seinen Bischof, für den er als Peritus schriebund dem er sich ein Leben lang dankbar verbunden wusste (vgl. Teil D: Zusam-menarbeit mit Kardinal Frings [577–640] mit zum Teil sehr persönlichen Erinne-rungen und Anmerkungen [z.B. 602]). Es war auch die hermeneutische Sensibi-lität und analytische Schärfe der eigenen theologischen Gedanken, die Ratzinger

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rasch Aufmerksamkeit und Ein�uss verschafften. Seine Mitarbeit führte ihn in en-gen theologischen Kontakt mit Karl Rahner und vielen anderen herausragendenTheologen der Zeit, und seine Ideen haben Spuren in den Konzilsdokumenten hin-terlassen. Dass sich hier der spätere Papst in die Konzilsgeschichte hineinschrieb,macht den Vorgang spannend und erlaubt Rückschlüsse für die Einschätzung desachtjährigen Ponti�kats Benedikt XVI. Sicher bleibt er ein Papst des Übergangs;gleichzeitig aber wird deutlich, wie sehr seine Amtszeit mehr als diese Jahre um-fasst.

Die Texte der Konzilsjahre selbst mit ihrer Unmittelbarkeit des Eindrucks ge-ben dem Gewicht. Der Aufsatz über „Das Konzil und die moderne Gedanken-welt“ (73–91) konstelliert die Problemlage, in die hinein sich Kirche und Konzilzu bewegen haben, wenn sie Antworten auf moderne Herausforderungen �ndenwollen. Dass Ratzinger am „Vorabend des Konzils“, so die Kapitelüberschrift derHerausgeber, bereits kritisch auf den „Neoliberalismus“ (85) schaut, ist nicht nurvon zeitgeschichtlichem Interesse. Greifbar wird in dieser Zeit schon die starkeeucharistische Begründung der Ekklesiologie („Zur Theologie des Konzils“, 92–120; 107 pass.). Damit ergeben sich Anschlüsse vor allem im Blick auf die Or-thodoxie, wie Ratzinger insgesamt der Ökumene eine herausragende Bedeutungzuspricht. Differenziert, abwägend, im Ton sehr irenisch legt der junge Ratzingerseine Expertisen an. Zu beachten sind dabei die Zuordnungsformen des kirchli-chen Lehramts und die kollegiale Einbettung des Petrusdienstes. Sein Infallibili-tätsverständnis macht sich daran fest, wenn er betont, „dass das Wort des Papstesdoch seinen Sinn und seine Legitimität je daraus bezieht, dass es den wahren „con-sensus �delium“ ausdrückt, die unverfälschte Stimme von Christi Braut, die dasWort dem Herrn zurückträgt, von dem es sie empfangen hat. Es lebt also faktischvom Glaubensvollzug der gesamten Kirche, ist auf die Vielzahl der Kirchen ver-wiesen, die jeweils im Bischof ihre Mitte haben.“ (117) Das führt zu einem bemer-kenswerten Spitzensatz: „Die Stimme des Episkopats ist ohne den Papst juristischunvollständig; der Spruch des Papstes aber ist ohne die Grundlage in der einträch-tigen Verkündigung der Bischöfe faktisch unmöglich.“ (117f.) Mit der kollegialenAusrichtung der Ekklesiologie setzt Ratzinger auch einen ortskirchlichen Akzent.Wenn man die Kontinuität zwischen Benedikt XVI. und seinem Nachfolger Fran-ziskus beschwören will – hier �ndet sie ekklesiologischen Anhalt. Ausgeschöpftscheint dabei noch längst nicht alles.

Besondere Aufmerksamkeit ziehen die Vorlagen auf sich, mit denen Ratzingerin das Konzilsgeschehen eingriff. Unverkennbar sind die ganz eigenen Punkte, dieer zu setzen suchte. In seinem Entwurf für eine „Einleitungskonstitution“ (125–132) entdeckt man die charakteristisch augustinische Linie, auf der Ratzinger fun-damentaltheologisch dachte. Ihre Kennworte bilden der „innere Mensch“, das „in-nere Leben“. Das Gegenüber von „geistlichem“ und „äußerem Mensch“ (128) ist

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so gepolt, dass man darin die spätere Entweltlichungsthese Benedikt XVI. entde-cken kann (vgl. exemplarisch den Aufsatz „Weltoffene Kirche? Überlegungen zurStruktur des Zweiten Vatikanischen Konzils“, Bd. 7/2, 980–100; 998; hier �ndensich auch schon erste Hinweise auf die Frage der Konzilshermeneutik, die Bene-dikt XVI. umtrieb und die er kontinuitätsekklesiologisch beantwortete: Bedeutetdas Konzil „einen Bruch oder eine Fortführung?“ [1001]; ebenso wird bereits einestaurologische Perspektive in die Frage nach der Weltlichkeit der Kirche einge-fügt: 1020f.).

Ratzinger tritt in diesen Partien reformtheologisch auf. „Das Konzil ist derÜberzeugung, dass zu dieser stets notwendigen Erneuerung die Anpassung derVermittlung der kirchlichen Lehre an die Umstände des heutigen Lebens gehört;es erkennt in den Nöten der Zeit gewissermaßen die Stimme Gottes.“ (128f.) Wasin der Pastoralkonstitution Gaudium et spes später als „Zeichen der Zeit“ (GS 4)benannt wird und Phänomene der Geschichte bezeichnet, denkt Ratzinger indesaus der Innerlichkeit der Existenz. Man muss daraus keinen Gegensatz machen,aber kann das theologische Moll heraushören, in das Ratzinger seine lehramtli-chen Partituren später transponierte. Aufschlussreich erscheint hier der Aufsatzzur Gründung der Zeitschrift „Communio“, der die Sorgen um die kirchliche Ent-wicklung nach dem Konzil im Spiegel eines publizistischen Großprojekts einfasst(Bd, 7/2, 1106–1119).

Immer wieder führt Ratzinger selbst seine Hörerinnen und Leser in die Kon-zilszeit zurück, und so bleiben besonders die Berichte Ratzingers aus dieser Zeitein aufregendes Leseerlebnis, die „Teil C: Berichterstattung/Begleitung“ versam-melt und in den breiteren werkgeschichtlichen Kontext stellt (293–575). Von ho-her Bedeutung bleiben auch die Kommentare, in denen man dem theologischenAkteur, dem persönlich beeindruckten Konzilszeuge und dem sachkundigen In-terpreten begegnen kann, der seine Lesart an die Rezeptionsgeschichte (Teil F:Rezeption, 953–1134) vermittelt. Der zweite Teilband ermöglicht hier wichtigeEinblicke (Teil E: Kommentar, 645–949), zumal er neben die Kommentare auchvertiefende Aufsätze und Interviews stellt. Auf diese Weise entsteht eine eigenetheologische Konzilsgeschichte – mit ihren anlassbezogenen Besonderheiten, derinterpretativen Regie dieses Autors, im Übergang von Themen und Textanlässen,aber auch im anachronistischen Bewusstsein des späten Lesers, es mit dem kom-menden Papst zu tun zu haben.

Im Zeichen seines Rücktritts verändert sich auch der Blick auf die Werkausga-be Joseph Ratzingers noch einmal. Linienführungen lassen sich besser erkennen,Kontinuitäten wie Umstellungen, motivgeschichtliche Überlagerungen wie argu-mentative Zuspitzungen. Gerade im Spiegel der besprochenen Bände macht sichdie zentrale Bedeutung des Kirchenthemas für Ratzinger bemerkbar. Erkenntnis-theologische Weichenstellungen sind damit verbunden, die sich über die Habili-

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tationsschrift in die ganz eigene Zuordnung von Schrift, Tradition und Kirche mitihrem Lehramt verlängern. Die Hälfte der „Gesammelten Werke Joseph Ratzin-gers“ lag zum Zeitpunkt des Rücktritts Benedikt XVI. vor. Die laufenden Ereig-nisse geben dem weiteren Fortgang dieses Editionsprojekts eine eigene Note.

Gregor Maria Hoff, Salzburg

RÖTTING, Martin, Religion in Bewegung. Dialog-Typen und Prozess im inter-religiösen Lernen, LIT Verlag, Berlin 2011, 180 p., kart., 19,90 Eur [D], ISBN978-3-643-11465-5.

Das Buch bietet eine Verständnishilfe für die Lernprozesse, welche innerhalb desinterreligiösen Dialoges ablaufen. Es entfaltet die Bewegungsdynamik zwischenund in den Religionen, die durch den Dialog entsteht. Zwei wissenschaftliche For-schungen zum interreligiösen Lernen bilden die Grundlagen für das vorliegendeBuch. Ausführliche Befragungen von über hundert Personen zu ihrem interreligi-ösen Lernprozess wurden analysiert, verdichtet durch eine Online-Befragung von200 Teilnehmern aus unterschiedlichen Dialog-Erfahrungen. Der Vf., Mitgründerund Vorstandsvorsitzender des Instituts OCCURSO für interreligiöse und inter-kulturelle Begegnung, schöpft aus mehrjähriger praktischer und wissenschaftli-cher Erfahrung im Dialog der Religionen.

Im ersten Teil „Interreligiöses Lernen“ wird der Dialogprozess auf individuel-ler Ebene beleuchtet. Dies macht Sinn angesichts der Tatsache, dass als Zentrumder religiösen Autorität in Europa nicht mehr vor allem die religiösen Institutio-nen gelten, sondern vermehrt das Individuum. Außerdem vollzieht sich der Dia-log der Religionen immer in der Begegnung von einzelnen Menschen mit ihrer jeeigenen Geschichte, ihren Erfahrungen, Hoffnungen und ihrem Glauben. Der Pro-zess des interreligiösen Lernens, der immer eine Bewegung vom Eigenen hin zumAnderen und wieder zurück darstellt, wird in einem Lernkreis in zehn Phasen un-terteilt. Beein�usst wird der Prozess durch das Umfeld, die eigene Verwurzelungund durch den Lerntyp. Untersucht wird, welche Motivationen Menschen in denDialog führen, aber auch welche Ängste sie mitbringen. Festgehalten wird dazu,dass die Übertragung der Erfahrung des Einzelnen auf die Bewegungsprozesseder Religionen heuristisch möglich ist, mit dem Vorbehalt möglicher Ausnahmen.Zwei wesentliche Pole interreligiöser Begegnungen werden genauer angeschaut:der individuelle, religiöse oder spirituelle Aspekt und der gesellschaftlich struk-turierende, kulturelle und soziale Aspekt. Es wird erläutert, wie die Begegnungund das Lernen im Dialog der Religionen auch durch die jeweiligen Ziele, Bot-schaften und Heilsquellen der Gläubigen geprägt werden. Wie Religionen Ein-seitigkeiten, die sich über längere Zeit herausgebildet haben, im Dialog erkennen

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und bearbeiten, wird ebenfalls beschrieben. Immer wieder wird ersichtlich, dasssich Religionen über interreligiöse Lernprozesse weiterentwickeln. AnschaulicheBeispiele aus den Befragungen unterstreichen und ergänzen die Befunde.

Teil II stellt sechs Dialog-Typen vor. Diese können jedoch nicht konkretenMenschen zugeordnet werden, sondern stehen für bestimmte Tendenzen, die denDialog bestimmen. Die Kenntnis der Dialog-Typen hilft, den Lernprozess besserzu verstehen und zu erfassen. Gerade da, wo die Arbeit mit Angehörigen unter-schiedlicher Religionen schwierig erscheint, können sie hilfreich sein, um die Artund Weise, wie jemand fühlt, denkt oder argumentiert, zu verstehen. Aussagenaus den Interviews verdeutlichen die verschiedenen Dialog Typen.

Lernprozesse Einzelner, und über sie hinaus auch die von Gruppen und In-stitutionen in Westeuropa und Deutschland, und die Bewegung der Religionen indieser Region bestimmen unter dem Titel „Prozesse“ den Teil III. Der christlich-muslimische Dialog, der buddhistisch-christliche sowie der jüdisch-muslimischeDialog werden hier untersucht.

Es werden klare Tendenzen innerhalb des interreligiösen Dialoges ersichtlich.In den vorliegenden Untersuchungen sind keine Hinweise erkennbar, dass inner-halb des interreligiösen Dialoges eine wilde Vermischung von religiösen Traditio-nen geschieht. Klar wird jedoch, dass Vertiefung und Weitung der eigenen Reli-giosität zum Gewinn des interreligiösen Prozesses gehören. „Abschliessend wagtder letzte Teil”Wohin?“ einen Ausblick auf die Zukunft der religiösen Traditionenund ihrer Funktion in der Gesellschaft sowie auf ihre Bedeutung für den Einzel-nen“ (14). Im interreligiösen Lernprozess werden auch „wunde Punkte“ in der Be-wegung der Religionen ersichtlich. Sieben Herausforderungen für die Religionenund die Gesellschaft werden im letzten Teil konkretisiert und es werden Möglich-keiten aufgezeigt, um auf sie zu reagieren. Interreligiöse Spiritualität versteht denDialog auch als Chance, religiös vom Anderen zu lernen. Das Buch bietet einenaufschlussreichen Einblick in die aktuellen Prozesse im interreligiösen Dialog.Die sechs Dialog-Typen helfen dabei, gesellschaftliche Herausforderungen undtheologische Konsequenzen aufzuzeigen.

Monika Rohrer, Winterthur

SAJAK, Clauß Peter (Hg), Religionsunterricht kompetenzorientiert. Beiträgeaus fachdidaktischer Forschung, Ferdinand Schöningh Paderborn et al. 2012, 219S., kart., 29,90 Eur [D], ISBN 978-3-506-77626-6.

In seiner Einleitung parallelisiert der Herausgeber die religionspädagogischenDebatten um performativen und kompetenzorientierten Religionsunterricht. Kri-tikerInnen des performativen Religionsunterrichts befürchten „ungangemessene

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Ansprüche und Erwartungen des kirchlichen Lehramts“, KritikerInnen der Kom-petenzorientierung wollen den Religionsunterricht „vor Zugriffen einer ökono-mistischen Bildungspolitik im Schulsystem schützen“ (10). Beiden sei auch eineVielzahl an Modellen und Entwürfen, aber ein fachdidaktisches Forschungsde-�zit gemeinsam. Hier erste Ergebnisse darzulegen ist ein Ziel des vorliegendenSammelbandes. Als gemeinsames „Credo“ aller Beitragenden wird betont, dassnicht Standardisierung des Religionsunterrichts das Ziel sei, sondern ein Religi-onsunterricht, der im schulischen Fächerkanon bestehen kann, vor allem durch die„Entwicklung einer zeitgemäßen Unterrichskultur im Religionsunterricht“ (12).

Der Sammelband ist in drei Abschnitte geteilt: a) „Kompetenzorientierung inder religionspädagogischen Diskussion“, b) „Kompetenzorientierung in der reli-gionsdidaktischen Diskussion“ und c) „Kompetenzorientierung in der religions-unterrichtlichen Praxis“.

Zur religionspädagogischen Diskussion �nden sich Beiträge von BernhardDressler, Lothar Kuld, Wolfgang Michalke-Leicht, Hans Schmid und Rudolf Eng-lert. Bernhard Dressler konzentriert sich in seinem Beitrag auf die „religionsdi-daktischen Gewinne“ aus Kompetenzorientierung, v.a. die deutlichere Wahrneh-mung von Religion als kultureller Praxis und als religiöses Kommunikationsge-schehen und infolge die Aufgabe des Religionsunterrichts, Deutungs- und Par-tizipationskompetenz zu fördern. Die wesentlichen Kritikpunkte an der Kompe-tenzorientierung fasst Lothar Kuld zusammen und erachtet Bildungsstandards füreinen guten Religionsunterricht auch als sinnvoll im Blick auf die Qualität vonUnterricht und die Leistungen der SchülerInnen. Positiv sieht er, dass nun deutli-cher die Frage nach der Ef�zienz von Religionsunterricht gestellt wird. WolfgangMichalke-Leicht wirft den KritikerInnen der Kompetenzorientierung „eine Eng-führung auf die fachspezi�sche Domäne der Religionspädagogik“ vor, die durchdie Einforderung von mehr Glaubenswissen und letztlich Kirchlichkeit verschärftwerde. Er legt den Schwerpunkt auf die Förderung der Professionalität der Leh-renden – entscheidend sei deren Haltung, vor allem „der didaktische Perspekti-venwechsel, der die Schülerinnen und Schüler als Subjekte des Lernens hier undjetzt wahrnimmt“ (45). Hans Schmid betrachtet die großen Versprechen der Kom-petenzorientierung kritisch und formuliert drei offene Fragen für die Umsetzungim religionsdidaktischen Alltag: das Verhältnis von Kompetenzen und Inhalten,die Kriterien für die Auswahl von Inhalten (auch jenseits medialer Aktualität)und das Verhältnis von Inhalten und Lerngegenständen. Vor allem aber sollte dieDominanz der Kompetenzen relativiert werden: „Kompetenzen sind ein Bezugs-punkt neben anderen im Konzert eines mehrdimensionalen Bildungsgeschehens.Nicht mehr und nicht weniger“(58). Rudolf Englert konstatiert einen durch dieKompetenzorientierung angestoßenen Entwicklungsschub in der Religionsdidak-tik, bennennt aber auch kritische Punkte.

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Im Abschnitt „religionsdidaktische Diskussion“ �nden sich Beiträge von RolfSchieder, Clauss Peter Sajak, Andreas Feindt, Anne Stiens, Guido Hunze undThomas Ervens. Rolf Schieder stellt das Berliner Projekt der Entwicklung einesKompetenzmodells für den Evangelischen Religionsunterricht vor, das vor allemzum Ziel hatte, „den Religionsunterricht als ein ordentliches Unterrichtfach andeutschen öffentlichen Schulen zu erweisen“ (78). Die religiöse Deutungs- undPartizipationskompetenz wurden empirisch überprüft und daraus ein Niveaustu-fenmodell entwickelt. Weiterführend regt Schieder die empirische Überprüfungder Kompetenzen von angehenden ReligionslehrerInnen an. Clauss Peter Sajakund Andreas Feindt stellen zwei LehrerInnenforschungsprojekte vor: KompRUund KompKath, die die Konsequenzen der bislang vorliegenden Modelle religi-öser Kompetenz für die Planung, Gestaltung und Durchführung von Religionsun-terricht erforschen wollen, um daraus wiederum Erkenntnisse für die Fortbildungvon LehrerInnen zu gewinnen. Vor allem „die diagnostische Kompetenz auch inSachen Religion, die Entwicklung einer differenzierten Aufgabenkultur, die Her-meneutik von Schülerleistungen und vielfältige Evaluationsformen“ (104) soll-ten hier eingeübt werden können. Anne Stiens stellt in ihren Beitrag das ProjektKompKath als gelungenen Beitrag forschenden Lernens im Rahmen des Studi-ums vor. Guido Hunze stellt die Debatten um die Aufgabenstellung als Schlüsselzum kompetenzorienterten Religionsunterricht vor. An diesem Beispiel macht erdeutlich, dass „die Grundideen der Kompetenzorientierung keineswegs neu sind“(135) – allerdings harrten die vielen, auch aus der Reformpädagogik stammen-den Ansätze zu Lern-, Prüfungs- und diagnostischen Aufgaben immer noch derUmsetzung. Thomas Ervens stellt aus der Perspektive des Schulamtes die Imple-mentationsstrategien für den kompetenzorientierten Religionsunterricht im Bis-tum Köln vor, in dem sich mehrere Gruppen von LehrerInnen auf einen längerenProzess eingelassen haben. Diagnostik, individuelle Lernbegleitung und Evalua-tion stellen auch hier die wesentlichen Elemente für Fortbildungsveranstaltungendar.

Im dritten Teil des Bandes werden Beispiele kompetenzorientierter Unter-richtsreihen von der Grundschule bis zur Sekundarstufe II zu biblischen Themenund zur Präimplantationsdiagnostik vorgestellt und vor allem die neuen Perspek-tiven, die sich für die beteiligten LehrerInnen ergeben haben, dargestellt.

Insgesamt bietet der Band eine gute Einführung in die Debatten um Kompe-tenzorientierung aus religionspädagogischer und religionsdidaktischer Sicht. DieHerausforderungen, Chancen und Grenzen des kompetenzorienterten Religions-unterrichts werden aus verschiedenen Perspektiven deutlich, auf grundlegendeFragen im Bereich Schule und Bildung und Religion wird verwiesen und An-regungen für (weitere) Forschungsprojekte und die Re�exion des eigenen Unter-

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richts werden gegeben. Jedenfalls lesenswert für LehrerInnen, Lehramtsstudieren-de und in der LehrerInnenaus- und -fortbildung Tätige.

Silvia Arzt, Salzburg

SCHRAMM, Johannes, Die Option für die Armen. Moraltheologische Analysedes befreiungstheologischen Ansatzes in seiner Relevanz für Europa (ConcordiaReihe Monographien 54), Verlagsgruppe Mainz in Aachen, Aachen 2012, 159 p.,kart., 25,- Eur [D], ISBN 978-3-861-30312-1.

Seit geraumer Zeit ist unter jungen TheologInnen ein neues Interesse an befrei-ungstheologischen Ansätzen bemerkbar – nicht im Sinn einer Rückschau aufvergangene Entwicklungen, sondern als Weiterentwicklung eines theologischenProblembewusstseins, das sich dem politischen, sozialen und ökonomischen Ortder Glaubensverantwortung stellt. Vorliegende Veröffentlichung von JohannesSchramm, die auf seine Diplomarbeit an der Katholisch-Theologischen Fakultätder Universität Wien (2011) zurückgeht, ist ein Beispiel für diese neue befrei-ungstheologische Perspektive.

Der Vf. benennt zu Beginn seiner Arbeit die aktuellen Herausforderungen,um die es der befreiungstheologischen Re�exion gegenwärtig geht: es sind diedurch die tief greifenden politischen Umbrüche in Osteuropa 1989 ausgelöstenTransformations- und Globalisierungsprozesse, die „eine zunehmende Ausbrei-tung neoliberaler Ideologien“ (15) mit sich brachten – und in der Folge auch eineZunahme an Armut. Als einen wichtigen Analyseansatz stellt der Vf. in diesemZusammenhang den capability approach von Amartya Sen vor (vgl. 22–24). Diekirchliche „Option für die Armen“, die von Anfang an im Zentrum der lateiname-rikanischen Befreiungstheologie stand, ist nicht auf einen exklusiven Erklärungs-ansatz – auch nicht auf die Dependenztheorie – festgelegt, versteht sich aber als„präferentielle Entscheidung“ (34) der christlichen Theologie und Kirche für dieArmen, „weil die Armen die von Gott präferentiell Bevorzugten sind“ (76). Die-se (scheinbar) „partikuläre Perspektive des Armen“ dementiert nicht den von derBefreiungstheologie erhobenen „Anspruch auf Universalität“ (66), denn nur – sozitiert der Vf. eine Aussage Oscar Romeros – „[w]enn die Kirche von den Armenausgeht, wird es ihr gelingen, für alle da zu sein“ (69f.). Neben theologischenDifferenzierungen, zu denen auch die Auseinandersetzung mit dem theologalen,analytischen, politischen und partizipativen Aspekt der „Option für die Armen“gehört (vgl. 38), bietet der Vf. auch eine philosophische Analyse des Charak-ters einer „Option“ und der Praxis von Solidarität. Die Option für andere bedeu-tet demnach nicht eine Minderung, sondern eine Stärkung der eigenen Identität:„Indem ich Partei ergreife für die Freiheit des anderen, manifestiert sich meine

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eigene Subjektivität. Das sich Öffnen für den anderen ist damit auch ein wich-tiges Kriterium für autonomes ethisches Handeln“ (97). Doch genau eine solcheengagierte Parteilichkeit gerät in einer „von Konkurrenzdenken geprägten Gesell-schaft“ (105) ins Hintertreffen, wie der Vf. kritisch anmerkt. Auch die Mentalitätder Ökonomisierung, der Individualisierung, der Ästhetisierung und der Abgren-zung gegenüber Fremden (vgl. 106f.) erschwert die Umsetzung der Option für dieArmen, wie sie gerade im gegenwärtigen europäischen Kontext notwendig wäre.Genau deshalb plädiert der Vf. – nach einem Exkurs zur Situation in El Salva-dor, wo er im August 2009 eine befreiungstheologische Sommerschule absolvier-te (vgl. 108–124) – für eine Neuorientierung von einer „Mitgliedschaftspastoral“hin zu einer „Sozialpastoral“ (vgl. 131f.). Befreiungstheologie in Europa heißtkirchliche Solidaritätspraxis und Option für die Armen „hier und heute“.

Diese Arbeit ist ein konkreter Beitrag zur Reformulierung und Kontextuali-sierung befreiungstheologischen Denkens in europäischen Gesellschaften; auchwenn sie viele Problemstellungen nicht konkreter behandeln kann, setzt sie mar-kante Impulse für die theologische Arbeit und macht mit den Worten von MartinMaier SJ darauf aufmerksam, „dass sich arme Menschen den Luxus der Hoff-nungslosigkeit gar nicht leisten können“ (16).

Franz Gmainer-Pranzl, Salzburg

SCHREIJÄCK, Thomas (Hg.), Glaubenskommunikation in Afrika. Kontextu-elle Herausforderungen und Perspektiven (Forum Religionspädagogik interkultu-rell 22), Berlin 2012, 180 S., kart., 19,90 Eur [D], ISBN 978-3-643-11591-1.

Nach einer kolonialen Epoche, die in Afrika nur „Unterentwickeltes“ sah, undeiner exotistischen Phase, die afrikanische Traditionen essentialisierte und idea-lisierte, kommt in der gegenwärtigen Auseinandersetzung mit dem afrikanischenKontinent immer mehr eine postkoloniale Perspektive zur Geltung, die Krisenund Chancen dieses Lebenskontextes von seinen kulturellen Identitätszuschrei-bungen und politischen Machtverhältnissen her versteht. Dieses Problembewusst-sein zeichnet den vorliegenden Sammelband aus, der sich Fragen der Glaubens-vermittlung auf dem afrikanischen Kontinent widmet. Der Herausgeber geht imVorwort auf entscheidende Entwicklungen dieses postkolonialen Kontextes ein:Globalisierungs- und Migrationsprozesse, Urbanisierung und Transformation kul-tureller und religiöser Traditionen (vgl. 5).

Marco Moerschbacher (Leuven/Aachen) analysiert theologische und pastora-le Probleme im Umfeld der Zweiten Afrikasynode 2009. Boniface Bambu Maban-za (Heidelberg) zeigt am Beispiel der Demokratischen Republik Kongo, inwie-fern politische und ökonomische Krisen die Kommunikation des Glaubens beein-

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trächtigen – eines Glaubens zumal, der die Veränderung der Gesellschaft inten-diert: „Authentisches Christsein bezeugt sich in der außerkirchlichen Geschichtemit allem, was die Menschen in ihr treiben und erleiden“ (40). Ben Khumalo-Seegelken (Oldenburg) beschreibt die Arbeit eines südafrikanischen Bibelüber-setzungsprojekts in die Sprache isiZulu und die damit verbundenen kulturellenHerausforderungen. Amélé Adamavi-Aho Ekué (Bogis-Bossey/Schweiz) themati-siert den „Kampf gegen das Böse“ als zentrales Thema der Religion in westafrika-nischen Städten; während die missionschristlichen Kirchen vor allem die persön-liche Glaubenserfahrung hervorhoben, ging es den pentekostal-charismatischenKirchen um „eine kulturelle Praxis des Glaubens, in der die physische Erfah-rung des Heilseins eine wichtige Rolle spielt“ (97). Auch Werner Kahl (Frank-furt/Hamburg) befasst sich mit dem westafrikanischen P�ngstchristentum; ein-drücklich beschreibt er, wie pentekostale Kirchen in Ghana gesellschaftlich wirk-sam sind. Sein (selbstkritisches) Resümee lautet: „Unsere Werturteile als sozialengagierte Theologen des Westens bleiben an der Ober�äche, wenn wir die neo-pentekostalen Verhaltensweisen in Bezug auf die Demokratie als apolitisch oderkonservativ im politischen Sinne abtun“ (118). Edmund Emeka Ezegbobelu (Of-fenbach) arbeitet aktuelle Herausforderungen des interreligiösen Dialogs in Nige-ria heraus. Eric Oduro Wiafe (Accra) greift dieselbe Thematik mit Blick auf Gha-na auf; interessant ist dabei sein Hinweis auf die Dialogbereitschaft der Anhängerder Afrikanischen Traditionellen Religionen (ATR): „Anhänger der ATR gehendavon aus, dass die Risiken im Leben zu groß sind, um mit nur einer Weltsichtoder Lebenshilfe auszukommen, und dass jeder immer das Ganze der Gemein-schaft benötigt, um das Leben zu meistern“ (150). Nazaire Bitoto Abeng (Yaoun-dé) bringt die Thematik der Glaubenskommunikation nochmals ausdrücklich inVerbindung mit der Frage nach deren gesellschaftskritischen Impulsen, und FelixIkeagwuchi Agbara greift politische und ethnische Kon�ikte seines HeimatlandesNigeria auf, ohne deren Bewältigung echte Konvivenz nicht möglich ist.

Dieser Band gibt Einblick in einige Umbrüche und Herausforderungen derchristlichen Kirchen in Afrika und bietet dadurch sowohl aktuelle Information alsauch die Chance, eine europäische Perspektive von Glaube und Kirche (selbst-)kritisch zu erweitern.

Franz Gmainer-Pranzl, Salzburg

SCHREIJÄCK, Thomas (Hg.), Prekäres Christsein in Asien. Erfahrungen undOptionen einer Minderheitenreligion in multireligiösen Kontexten, Matthias Grü-newald Verlag Ost�ldern 2011. 131 S., kart., 17,90 Eur [D], ISBN 978-3-7867-2852-8.

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Die Texte dieses Sammelbandes lenken den Blick auf eine weltkirchliche Realität,die nur selten thematisiert wird: die marginalisierte Position des Christentums aufdem asiatischen Kontinent. Wie der Herausgeber einleitend anmerkt, erscheint dieLage der christlichen Kirchen angesichts der Einschränkung der Religionsfreiheitin mehreren asiatischen Ländern als „düster“ (7). Die Verfasser der acht Beiträ-ge werfen einen kritisch-differenzierten Blick auf die Situation der Christen inunterschiedlichen Gesellschaften Asiens und arbeiten die jeweiligen (religions-)politischen Hintergründe heraus.

Franz Magnis-Suseno SJ weist auf die Infragestellung des „Pancasila“-Prinzips der indonesischen Verfassung durch eine „innere Islamisierung“ hin undkonstatiert ein „wachsendes Bedürfnis, die religiöse Identität deutlich zu erken-nen zu geben“ (23), drückt aber zugleich die Hoffnung aus, dass die Mehrheitder Gesellschaft Indonesiens an einer Position interreligiöser Toleranz festhält.Georg Evers zeichnet die komplexen politischen Kräfteverhältnisse in Pakistannach, die vor allem von den Taliban als einer „staatsbedrohenden Macht“ (37) be-ein�usst werden; die Lage der Christen erweist sich mitunter als lebensgefährlich,wenngleich es auch Hoffnungszeichen im interreligiösen Bereich gibt. In einemzweiten Beitrag geht Georg Evers auf das Christentum in Malaysia ein, dem –wie in anderen Ländern auch – „das Image einer fremden, importierten Religionanhaftet“ (44). Eine spezielle Herausforderung stellt in Malaysia „das Verbot desGebrauchs des Namens „Allah“ für Christen und für andere Nicht-Muslime“ (46)dar sowie darüber hinaus das Verbot, bestimmte arabische Begriffe, ja sogar Bilderaus der christlichen Tradition zu verwenden. Wenn die Auslegung der VerfassungMalaysias de facto dazu führt, „dass Malaie-Sein mit Muslim-Sein gleichgesetztwird“ (50), sehen sich Christen und andere religiöse Minderheiten vor die Auf-gabe gestellt, das Recht auf Religionsfreiheit mit Nachdruck einzufordern. DieBeziehungen von Staat und Kirche in Vietnam beleuchtet Vu Tu Hoa. Eine Ur-sache vielfacher Spannungen geht auf die Zeit der Mission zurück, nämlich „dergrundlegende Unterschied im kulturellen Verständnis und im Alltag von Katholi-ken und Nicht-Katholiken“ (54). In jüngster Zeit hat sich allerdings das Verhältniszwischen Staat/Partei und Kirche spürbar verbessert. Eine vergleichbare Situationherrscht in der Volksrepublik China, in der die Christen, wie dies Luis GutheinzSJ ausdrückt, „wieder zu sprechen beginnen“. Auch wenn Religionsfreiheit nochnicht in vollem Umfang gewährt wird, resümiert Gutheinz: „Die Zeit der Isolie-rung hinter der chinesisch-kommunistischen Mauer geht ihrem Ende entgegen“(75). Sebastiano D’Ambra stellt die (koloniale) Vorgeschichte und gegenwärtigeEntwicklung des Kon�ikts auf Mindanao (Philippinen) dar und geht vor allem aufdas interreligiöse Friedensprojekt „Silsilah Dialogue Movement“ ein. D’Ambrasieht hier ein grundsätzliches Kennzeichen der Kirche in Asien gegeben: „For methe great contribution of Christians in Asia is to share the real spirit of love that

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gives light to values already embedded in the cultures and religions of Asian peo-ple“ (98). John Fernandes beschreibt Aspekte des gegenwärtigen interreligiösenDialogs in Indien und plädiert für einen Übergang vom „Dia-log zur Dia-praxis“(108). Am Schluss des Bandes �ndet sich ein Plädoyer für eine öffentliche asia-tische Theologie („Asian Public Theology“), verfasst von Felix Wilfred. Als be-sondere Anforderung an eine solche Theologie stellt Wilfred den Kampf gegenstaatliche Repression, die Verteidigung der Armen, den Einsatz für Harmonie undInklusion in den Gemeinschaften sowie ein ökologisches Engagement heraus (vgl.114–116).

Ohne einen vollständigen Einblick in die Entwicklungen des Christentums inAsien zu intendieren, hebt dieser Sammelband einige gesellschaftliche Entwick-lungen hervor, von der eine interkulturell-theologische Auseinandersetzung nichtabsehen kann; deutlich wird jedenfalls, dass der vielfältige Kontinent Asien einentscheidendes Lebens- und Lernfeld des christlichen Glaubens bildet, das dereuropäischen Kirche und Theologie einiges zu denken aufgibt.

Franz Gmainer-Pranzl, Salzburg

SCHREIJÄCK, Thomas/BRÖCKELMANN-SIMON, Martin/ANTKOWIAK,Thomas/BIESINGER, Albert/FUCHS, Ottmar (Hg.), Horizont Weltkirche.Erfahrungen – Themen – Optionen und Perspektiven. Josef Sayer zu Ehren,Matthias Grünewald Verlag Ost�ldern 2012, 560 S., geb., 34,90 Eur [D], ISBN978-3-7867-2925-9.

Festschriften stehen im Ruf, Lobeshymnen auf Jubilare zu verfassen und überdiesals Sammelcontainer für alle möglichen Beiträge zu dienen, die „irgendwie“ zueiner Thematik passen. Wenn es ein echtes Gegenbeispiel zu dieser Vorstellungvon „Festschriften“ gibt, dann ist das wohl dieser Sammelband. Er ist zum 70.Geburtstag von Josef Sayer erschienen, einem deutschen Theologen und Sozial-wissenschaftler, der an verschiedenen Universitäten tätig war, bevor er nach Peruaufbrach, wo er für die Erzdiözese Cusco zum Priester geweiht wurde und in ent-legenen Gebieten als Pfarrer tätig war. Seit 1988 lehrte er Praktische Theologiean der Universität Fribourg, von 1997 bis 2012 war er Hauptgeschäftsführer desBischö�ichen Hilfswerks „Misereor“ und in dieser Funktion auf der ganzen Welt,vor allem aber in Lateinamerika unterwegs. Nicht zu vergessen: Josef Sayer warauch Lehrbeauftragter an der Theologischen Fakultät der Universität Salzburg.

Die 37 Beiträge dieses umfassenden Sammelbandes sind weder ein Lobpreisauf den 70jährigen Leiter von Misereor noch einfach eine Artikelsammlung zumThema „Weltkirche“; sie lassen sich als differenzierter und gehaltvoller Kommen-tar zu Gaudium et spes 1 lesen – und dies in globaler und befreiungstheologischer

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Perspektive. So wie sich den Jüngerinnen und Jüngern Christi entsprechend derEinleitung der Pastoralkonstitution durch die Teilnahme an der „Freude und Hoff-nung, Trauer und Angst der Menschen dieser Zeit“ das Evangelium erschließt,wird durch die Partizipation an unterschiedlichen Lebens- und Erfahrungskontex-ten deutlich, was „Welt-Kirche“ heißt: sie ist eine Gemeinschaft von Glaubenden,die aus den Völkern dieser Welt kommt („Weltkirche“ als genetivus subiectivus)und für diese Welt lebt („Weltkirche“ als genetivus obiectivus). Vor allem diezweite Bedeutung weltkirchlicher Existenz kommt durch dieses Buch zur Gel-tung: Kirche ist nicht bloß ein internationaler Konzern, dessen Personal aus allenLändern der Welt kommt, sondern ein „Heilszeichen“, das in den unterschied-lichsten Gesellschaften den Menschen nahe ist und die neue Freiheit des christ-lichen Lebens bezeugt. Dieser Band gewährt spannende, überraschende und auf-regende Einblicke in Lebens- und Glaubenskontexte, in denen sich die Botschaftdes Evangeliums je neu erschließt – gerade angesichts vielfacher Bedrohungender Würde und Freiheit des Menschen. Der schwierige Dialog zwischen Christenund Muslimen in Nordnigeria (Ignatius Kaigama ) ist genauso vertreten wie dieErfahrungen einer Ordensfrau und Psychotherapeutin in Norduganda (MargaretAceng ), die Erfahrung Vertriebener, die in Deutschland eine neue Heimat fanden(Robert Zollitsch ), die mühsame Arbeit der Wahrheits- und Versöhnungskommis-sion in Peru (Salomón Lerner Febres ) oder die Situation der Kirche in Europa,die den „Abschied von einer volkskirchlichen Pastoral der satten Ernte und dasmühsame Lernen einer Pastoral des Säens“ (Leo Karrer, 430) vor sich hat. Dazukommen Überlegungen zur globalen wirtschaftlichen Gerechtigkeit, zum Klima-wandel bzw. -schutz, zu Kinderrechten, zur Situation der Jugend und zur Ent-wicklungspolitik. Interessant sind in diesem Zusammenhang natürlich auch dieAusführungen zum Projekt „Theologie interkulturell“, das 1985 an der Universi-tät Frankfurt gestartet wurde und durch Gastprofessuren und Publikationen den„Horizont Weltkirche“ auf vielfältige Weise öffnet (Thomas Schreijäck ).

Dieser Sammelband ist weder ein Lehrbuch über „Weltkirche“ noch eine blo-ße Sammlung von Erfahrungen; er dokumentiert vielmehr Auseinandersetzungs-und Lernprozesse, die Christen in verschiedenen Weltgegenden durchlaufen.„Weltkirche“ erscheint hier als „globalisierte Solidaritätsgemeinschaft“ (Leo Kar-rer, 428), die in ihrer Mission versucht, „das brüchige Netz menschlicher Lebens-entwürfe und Beziehungen immer wieder neu zu knüpfen“ (Paulo Suess, 367).Das Eintauchen in verschiedene kulturelle, gesellschaftliche und soziale Erfah-rungsfelder verhilft der Kirche schließlich, wie Kardinal Óscar A. Rodríguez Ma-radiaga aus Honduras mit Blick auf eine interessante Formulierung im Abschluss-dokument von Aparecida (Nr. 479) betont, „zu einer vollkommeneren Katholizi-tät“ (410). Diese bemerkenswerte Logik einer Ekklesiologie, die nicht eine expan-sive Globalisierung vertritt, sondern eine „responsive Katholizität“ (vgl. Martin

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Bröckelmann-Simon, 482: „response-ability“), ist ein hoffnungsvolles Zeichen füreine lokal verwurzelte und global orientierte Theologie, wie sie heute erforderlichist. Der vorliegende Band, der einen bemerkenswerten Vertreter einer „weltkirch-lichen“ Haltung ehrt, ist gleichermaßen als intellektuelle Anregung und praktischeErmutigung zu würdigen – und überdies von der ersten bis zur letzten Seite span-nend zu lesen.

Franz Gmainer-Pranzl, Salzburg

SUTOR, Bernhard, Katholische Soziallehre als politische Ethik. Leistungenund De�zite, Verlag Ferdinand Schöningh Paderborn 2013, 296 S., kart., 41,10Eur [D], ISBN 978-3-506-77680-8.

Die Bedeutung der Katholischen Sozialehre für die Gesellschaft wird einerseitsin den kirchlichen Aussagen (of�zielle kirchliche Dokumente, Sozialenzyklikenund Sozialworte, wissenschaftliche Beiträge usw.) immer wieder hervorgehoben,andererseits aber ist im Alltag wenig davon bekannt. Der deutsche Politikwis-senschaftler und Sozialethiker Bernhard Sutor zeigt die Kompetenz der Katholi-schen Soziallehre in seinem neuen Buch auf. Es ist eine Zusammenschau seinerBeiträge über politische Ethik von insgesamt 30 Jahren. Er geht von den Fragenaus: Was kann die Katholische Soziallehre Hilfreiches zur Politik beitragen? Wirdsie „den Bedingungen politischen Handelns im Interessen- und Machtkon�ikt ge-recht? Was sind die wichtigsten Beiträge der Kirche zu einer Ethik des Politischenund was typische De�zite infolge der Neigung zu kurzschlüssigem Moralisieren?“(Umschlag)

In der Einleitung wird die Entwicklung der Katholischen Soziallehre aufge-zeigt. Sie hat nicht „nur das Soziale im engeren Sinn zum Gegenstand, sondernalle für die Ordnung in und zwischen Gesellschaften und Staaten relevanten Fra-gen“ (10). Darüber hinaus trug sie „maßgeblich bei zu einem an Menschenrechtenund Humanität orientierten Verständnis von Entwicklungspolitik. Schließlich hatsie angesichts der Entwicklung der modernen Massenvernichtungswaffen die alteLehre vom gerechten Krieg revidiert und in einer umfassenden Lehre vom gerech-ten Frieden neu formuliert. Auch die neue globale Problematik der Bedrohung desWeltklimas und der Ressourcen der Erde �nden in ihren Lehraussagen zunehmendBeachtung“ (10).

Im ersten Kapitel werden Grundfragen erläutert und Begriffe geklärt, wie z.B.:Was ist Politik? Was versteht man unter Gemeinwohl? – Es geht um den Kon�iktvon Macht und Gewalt, die Dimensionen politischer Ethik und um Hauptaspek-te des Verhältnisses von Gewissen und Politik. Darüber hinaus werden die Un-terschiede zwischen liberalen und christlichen Konzepten und Vorstellungen des

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Gemeinwohls aufgezeigt, um dann das Gemeinwohl im Verständnis der Katho-lischen Soziallehre darzustellen und es gibt Überlegungen und Hinweise zu ge-meinwohlfördernde Reformen. Der Abschnitt über politische Tugenden beendetdas erste Kapitel.

Das zweite Kapitel beginnt mit der Auseinandersetzung des Autors mit derpolitischen Ordnung des demokratischen Verfassungsstaates und dem Verhältnisvon Religion und Politik in der Moderne. Sutor fasst zusammen: „Die christlichenKirchen dürfen nicht Fehler, De�zite, Nöte in Gesellschaft und Politik artikulie-ren aus der Vorstellung, wir könnten eine heile Welt schaffen. Heil und Unheilsind eschatologische Kategorien. Deshalb bleiben auch freiheitliche Demokratienlabile, ambivalente Gebilde. Sie verheißen keine heile Welt, sondern sind der ord-nungspolitische Ausdruck bleibender menschlicher Unvollkommenheit, ständigerKorrekturbedürftigkeit. Weil wir zu Vernunft und Gerechtigkeit fähig sind, ist De-mokratie möglich; weil wir zu Unvernunft und Ungerechtigkeit geneigt sind, istDemokratie nötig“ (97). Es geht um die katholische Kirche und die Menschen-rechte, den Paradigmenwechsel in der Frage der Religionsfreiheit, den Öffent-lichkeitsauftrag der Kirche, die Aufgabe der christlichen Ethik im säkularen Staatund um Toleranz und Kompromissfähigkeit.

Das dritte Kapitel hat die soziale und politische Gerechtigkeit zum Thema.„Die in diesem Kapitel zusammengestellten Aufsätze verfolgen . . . zwei Grund-gedanken. Erstens müssen Katholische Soziallehre und Sozialbewegung politischwerden, wenn sie nicht bei wohlgemeinten sozialmoralischen Appellen und al-lenfalls bei der Unterstützung gesellschaftlicher Formen von Selbsthilfe stehenbleiben wollen. Soziale Fragen, die eine ganze Gesellschaft betreffen, werden zuhochrangig politischen Fragen; sie können nur auf politischem Weg gelöst wer-den. . . . Zweitens (wird) hier gezeigt werden, dass soziale Gerechtigkeit ein viel-deutiger, ein mehrdimensionaler Begriff ist und dass ihre strukturelle Realisie-rung immer politische Gerechtigkeit impliziert. Es geht also um die Frage nacheiner angemessenen Gesamtordnung der wirtschaftlich-sozialen Institutionen undStrukturen durch Politik. Dabei ist die Balance zwischen Subsidiarität und Soli-darität eine ständige Aufgabe; denn diese sind keine caritativen Appelle, sondernOrdnungsprinzipien“ (149). Es wird der Weg von der sozialen zur politischen Ge-rechtigkeit aufgezeigt. Der Autor stellt zwei Thesen auf: „Unsere Absicht ist es,. . . die These zu begründen, dass soziale Gerechtigkeit als Rechtsein der sozia-len Zustände das notwendige objektive Widerlager zur subjektiven Seite, zur Tu-gend der Gerechtigkeit bildet; dass deshalb Sozialethik erst in der Polarität vonInstitutionen- und Tugendethik ihre volle Gestalt gewinnt. . . . Unsere zweite The-se lautet deshalb, dass soziale Gerechtigkeit ohne politische Gerechtigkeit, dasheißt ohne eine gute politische Ordnung des Gemeinwesens, nicht möglich ist“(153). Dargestellt wird Gerechtigkeit als Tugend und soziale Gerechtigkeit als

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Frage nach den gerechten sozialen Institutionen und der Schritt von der sozialenGerechtigkeit zur politischen Gerechtigkeit sowie die Verknüpfung von sozialerund politischer Gerechtigkeit in den kirchlichen Dokumenten. In weiteren Unter-kapiteln geht es um den Umbau des Sozialstaates als Institutionen- und Gesin-nungsreform, es geht um Beteiligungsgerechtigkeit und Sozialstaatsreform, unddie Deutungen sozialer Gerechtigkeit. Als Fazit wird festgehalten: „Wir könnennicht nur, wir müssen vielmehr das Soziale von den bewährten Prinzipien her neudenken. Im unvermeidbaren Streit um das Verständnis von sozialer Gerechtigkeitkann dabei deren neuere Akzentuierung als Beteiligungsgerechtigkeit eine guteHilfe sein. . . . Die Reform unseres Sozialstaates wird nur gelingen, wenn alleVerantwortlichen erkennen und vermitteln können, dass wir neue Lösungen su-chen müssen im Austarieren von Subsidiarität und Solidarität: dass BeteiligungVorrang haben muss vor Verteilung, weil gerade durch mehr Beteiligungsgerech-tigkeit auch Verteilungsgerechtigkeit leichter erreichbar wird“ (207).

Im vierten Kapitel dieses Buches geht es um die Ethik internationaler Po-litik, denn, „heute muss sich die Katholische Soziallehre mit allen Hauptfragender Entwicklung in Staatenwelt und Menschheit in globaler Perspektive befassen:mit Krieg und Frieden; mit Menschenrechten; mit Entwicklung der Armutsre-gionen; mit der Suche nach einer gerechten internationalen Wirtschafts- und So-zialordnung einschließlich ihrer ökologischen Fragen“ (221). Gleichzeitig ist dieGlobalisierung eine Herausforderung für die Katholische Soziallehre mit neuenChancen in der Gesellschaft.

Das vorliegende Buch gibt einen guten Überblick über die Diskussionen zurKatholischen Soziallehre und politischen Ethik. Es geht um Darstellungen vonThemen und es bietet auch kritische Anmerkungen wie z.B.: „Die kirchlichenTexte scheinen unre�ektiert ständig Großgruppen (kollektive Akteure) mit indivi-duellen Subjekten gleichzusetzen, die ihre gemeinsamen Probleme durch persön-liche moralische Anstrengung, durch Wohlwollen, durch Solidarität und Liebemiteinander lösen können. . . . Fatal ist es ganz besonders, wenn kirchenamtlicheTexte den Eindruck erwecken, die biblische Umkehr, die Bekehrung der Herzenund die moralische Rechtschaffenheit der Bürger seien Bedingung der Möglich-keit einer guten politischen Ordnung“ (170f.). Vor den einzelnen Kapiteln werdendie dafür verwendeten Aufsätze inhaltlich kurz dargestellt und es gibt immer wie-der Zusammenfassungen des Autors. Die Begriffserklärungen sind sehr präziseund leicht verständlich. Das Buch ist sehr gut lesbar und ist für interessierte Lai-en, für Menschen die in Kirche, Politik, Gesellschaft oder Wirtschaft tätig sindund für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Fachgebiete zuempfehlen. Kritisch anzumerken ist nur, dass die übersichtlichen Unterteilungender einzelnen Kapitel im Inhaltsverzeichnis des Buch selbst nicht verwendet wer-den.

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Gertraud Putz, Salzburg

TANG, Li/WINKLER, Dietmar W. (eds.), From the Oxus River to the ChineseShores. Studies on East Syriac Christianity in China and Central Asia (orientalia –patristica – oecumenica 5), LIT Verlag Wien/Berlin 2013, 480 S., Tb., 44,90 Eur[D], ISBN 978-3-643-90329-7.

Die Apostolische Kirche des Ostens (auch ostsyrische Kirche) ist heute nur nochwenigen westlichen Christen bekannt und angesichts ihrer geringen Mitglieder-zahl unter den christlichen Konfessionen von eher marginaler Bedeutung. Diesdarf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Kirche die Bewahrerin einesreichen religiösen und kulturellen Erbes ist und beispielsweise durch die Partizi-pation ostsyrischer Christen an der Übersetzung antiker Werke in das Arabischewährend der Abbasiden-Dynastie auch die abendländische Kultur wesentlich mit-geprägt hat. Überhaupt war die Kirche des Ostens im Mittelalter die Kirche mitder größten geographischen Ausdehnung: Von ihren Kerngebieten im heutigenIrak und Iran ausgehend verbreitete sich das ostsyrische Christentum entlang denRouten der Seidenstraße bis nach Indien und an die chinesische Pazi�kküste. Be-reits im Jahr 635 erreichte der Missionar Alopen den chinesischen Kaiserhof inXi’an. Dabei vollzog sich die Verbreitung des Christentums zuerst durch ostsy-rische Kau�eute, denen später von der Kirche des Ostens entsandte Missionarefolgten und eine kirchliche Struktur mit Bischofssitzen in Asien errichteten. Alswichtigster Organisator dieser Missionskirche gilt der bedeutende Patriarch Ti-motheos I. (780–823).

Die ostsyrischen Christen blieben im religiösen Pluralismus Zentral- und Ost-asiens aber immer eine Minderheit, deren Existenz von günstigen politischen Rah-menbedingungen abhing. Daher bereiteten die Feldzüge Timur Lenks der ostsy-rischen Missionskirche in Asien im 14. Jahrhundert ein Ende: Die ostsyrischenChristen zogen sich in das Gebiet zwischen dem Van- und Urmia-See und Mosulzurück, wo sie bis zum Ersten Weltkrieg weitgehend unbehelligt lebten. Deshalbgilt es heute, die Spuren der untergegangenen Kultur des ostsyrischen Christen-tums an der Seidenstraße neu zu entdecken. Zu dieser Spurensuche leistet der vonLi Tang und Dietmar W. Winkler herausgegebene Sammelband einen wichtigenBeitrag. Es handelt sich dabei um die Veröffentlichung der Vorträge der „3rd Inter-national Conference on the Church of the in China and Central Asia“, die im Juni2009 in Salzburg stattfand. Entsprechend des Charakters eines solchen Tagungs-bandes setzen sich die einzelnen Autoren mit den unterschiedlichsten Aspektender Geschichte des ostsyrischen Christentums in Zentral- und Ostasien ausein-ander, sodass kein innerer Zusammenhang zwischen den Beiträgen entsteht. InAnlehnung an die beiden vorangegangenen Tagungsbände (vgl. Malek, Roman

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(Hg.), Jingjiao. The Church of the East in China and Central Asia, St. Augus-tin 2006; Winkler, Dietmar W./Tang, Li (Hg.), Hidden Treasures and InterculturalEncounters. Studies on East Syriac Christianity in China and Central Asia (ori-entalia – patristica – oecumenica 1), Wien/Berlin 2009) gliedert sich der jüngsteBand in die folgenden vier Teile: „Manuscripts & Inscriptions“ (11–104), „Histo-ry & Archaeological Excavations“ (105–314), „Syriac Christianity along the SilkRoutes“ (315–354) und „Liturgical Traditions & Theological Re�ections“ (355–468).

Im Okzident waren die ostsyrischen Christen lange als „Nestorianer“ bekanntund wurden als Häretiker diffamiert. Dies belegen auch die Berichte von euro-päischen Diplomaten, Missionaren und Kau�euten, die im Mittelalter nach Asienreisten und dort mit den Ostsyrern in Kontakt kamen. Folglich sind diese Quellenhinsichtlich ihrer Beschreibung der ostsyrischen Christen mit Vorsicht zu behan-deln, da in ihnen im Westen lange tradierte Stereotype über die „Nestorianer“kolportiert werden (vgl. dazu in dem hier rezensierten Band den Beitrag von GlenL. Thompson, 417–439). Untersuchungen von Quellen in syrischer Sprache zei-gen hingegen, dass die Kirche des Ostens bei ihrer ersten Synode in Seleukia-Ktesiphon (410) das Glaubensbekenntnis des Konzils von Nicäa (325) rezipierte.Wie Daniel H. Williams darlegt (386–395), ist bisher noch nicht hinreichend ge-klärt, ob dieses Symbolon auch bei den ostsyrischen Christen in China Verwen-dung fand. Immerhin ist aber eine sogdische Übersetzung aus dem 9. oder 10.Jahrhundert in Bulayiq in der Nähe der Oase Turfan an der Seidenstraße nach-weisbar. Diese Sachlage verdeutlicht die Relevanz der Einbeziehung von Quellenin den Sprachen, die von den ostsyrischen Christen in Asien verwendet wurden,für die Erforschung der Geschichte der Kirche des Ostens entlang den Routen derSeidenstraße. Vor diesem Hintergrund ist die Bedeutung des ersten Teils des vonTang und Winkler herausgegebenen Bandes hervorzuheben: Er ist mit „Manus-cripts & Inscriptions“ betitelt und enthält eine Reihe von Beiträgen, die sich mitder Vielfalt der Sprachen, deren sich die ostsyrischen Christen entlang der Sei-denstraße bedienten, auseinandersetzen. Besonderes Augenmerk verdient dabeidie Studie von Erica C. D. Hunter, die Fragmente eines syrischen Gebetsamu-letts, die am Beginn des 20. Jahrhunderts in der Turfan-Oase gefunden wurden,mit einer ostsyrischen Gebetstradition aus Nordmesopotamien in Beziehung setzt(25–41). Auf diese Weise vermag sie die Verbindungen zwischen den ostsyrischenChristen im Kernland der Kirche des Ostens und deren Glaubensgeschwistern anden Routen der Seidenstraße aufzuzeigen.

Der umfangreiche historische Teil des Bandes ist in zwei Bereiche gegliedert,die sich der Geschichte des ostsyrischen Christentums während der Tang-Dynastie(105–202) und der mongolischen Yuan-Dynastie (203–314) widmen. Diese Ein-teilung ist darauf zurückzuführen, dass die Existenz der ostsyrischen Christen in

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China von offenen Verkehrswegen abhängig war. In Zeiten der Abschottung –wie unter der Sung-Dynastie – kam das ostsyrische Christentum in China dahernahezu zum Erliegen, wenngleich Wang Yuanyuan darauf hinweist (279–296),dass berechtigte Zweifel an der klassischen Theorie des gänzlichen Erlöschensdes Christentums nach dem Ende der Tang-Dynastie bestehen. Die fünf Aufsät-ze über die Geschichte des ostsyrischen Christentums zur Zeit der Tang-Dynastiesetzen sich mit den beiden wichtigsten Quellen zu dieser Thematik auseinander:den Inschriften der Stelen von Xi’an und Luoyang, den beiden Hauptstädten derTang-Dynastie. Sie wurden 781 und 829 errichtet. Während die Stele von Xi’anbereits in den 1620er Jahren ausgegraben wurde und in der Forschung große Auf-merksamkeit gefunden hat, wurde jene von Luoyang erst 2006 entdeckt. Dement-sprechend ist der Forschungstand über die Stele von Luoyang noch relativ über-schaubar, was den Wert der Ausführungen von Matteo Nicolini-Zani über die inder Inschrift erwähnten Kleriker (141–160), die wie in Xi’an persischer und sog-discher Herkunft waren, und die Einordnung der Ostsyrer von Luoyang in denKontext des Stadtteils Gande, einer eigens für Ausländer eingerichteten Siedlung,durch Zhang Naizhu (177–202) unterstreicht. Schließlich legt die Existenz derbeiden Monumente von Xi’an und Luoyang eine vergleichende Analyse ihrer In-schriften nahe, wie sie von Ge Chengyong vorgelegt wird (161–175). Allerdingssind diese Stelen nicht einfach historische Dokumente, die Auskunft über die Ge-schichte des ostsyrischen Christentums in der Tang-Zeit geben. Vielmehr warenmit ihrer Errichtung auch bestimmte Zwecke intendiert: Im Fall der Stele vonXi’an war laut Max Deeg etwa die Sicherung der Unterstützung der herrschendenSchichten der chinesischen Gesellschaft für die Kirche des Ostens beabsichtigt(107–121).

Im Block über die mongolische Zeit bildet das Turkvolk der Öngüten und seinKönig Georg einen Schwerpunkt: Die Beiträge von Pierre Marsone (225–236),Maurizio Paolillo (237–254) und Li Tang (255–266) widmen sich dieser The-matik. Georg war gewissermaßen eine der „prominenten“ Persönlichkeiten desfernöstlichen ostsyrischen Christentums im 13. Jahrhundert, der von dem Fran-ziskanermissionar Johannes von Montecorvino zum Katholizismus bekehrt wur-de. Von besonderem Interesse dürften die Ausführungen Marsones sein, da dieserdie beiden einzigen Quellen über König Georg – einen Brief Montecorvinos unddie Annalen der Yuan-Dynastie (Yuanshi ) – in ihren Originalsprachen und inenglischer Übersetzung wiedergibt und aufzeigt, dass sich diese Quellen nicht wi-dersprechen, zumal ihre divergierenden Darstellungen auf die unterschiedlichenPerspektiven ihrer Autoren zurückzuführen sind. Von der entsprechenden Passa-ge aus den Annalen der Yuan-Dynastie gab es bisher noch keine Übersetzung ineine westliche Sprache, sodass jene von Marsone insbesondere für alle von Inter-esse sein dürfte, die des Chinesischen nicht mächtig sind.

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Zeitlich widmen sich die Beiträge des Kongressbandes aber nicht nur demMittelalter, sondern nehmen vereinzelt auch spätere Epochen in den Blick. Auf-schlussreich ist vor allem der Artikel von Baby Varghese (317–340), der sich derEntsendung von ostsyrischen Bischöfen an die südindische Malabarküste durchdie Patriarchen der Kirche des Ostens in Nordmesopotamien im 15. und 16. Jahr-hundert widmet. Dadurch wird deutlich, dass sich die ostsyrische Kirchenleitungin der Frühen Neuzeit nicht einfach mit der Isolation ihrer Kirche abfand, sondernsich weiterhin um die Aufrechterhaltung internationaler Kontakte bemühte. DieGegenwartslage der ostsyrischen Christen behandeln Jasmine Dum-Tragut (341–353) und Martin Tamcke (457–468), wobei insbesondere Tamcke auf die identi-tätsstiftende Funktion der als ruhmreich stilisierten Vergangenheit der Kirche desOstens in Zentral- und Ostasien in der kollektiven Erinnerung der Ostsyrer, dieseit dem Ersten Weltkrieg als Minderheit in der Diaspora leben, eingeht.

Insgesamt leistet der Band „From the Oxus River to the Chinese Shores“ einenbeachtlichen Beitrag zur Erforschung der Geschichte der Kirche des Ostens inZentral- und Ostasien. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass es sich um einenForschungsband handelt, der entsprechende Kenntnisse dieses Kapitels der ost-syrischen Kirchengeschichte voraussetzt und somit nicht als Einführung in dieThematik geeignet ist. Für eine vertiefende Lektüre vieler Beiträge sind fernerKenntnisse der chinesischen und syrischen Sprache hilfreich, da die verwendetenQuellen neben englischen Übersetzungen immer auch in ihrer Originalsprache zi-tiert werden. Die wissenschaftliche Untersuchung der Geschichte des ostsyrischenChristentums weist noch viele Desiderate auf und es fehlt bislang eine umfassen-de Darstellung, die die Bezeichnung „Standardwerk“ verdient hätte. Wenn dieseallerdings einmal geschrieben wird, zählt der von Li Tang und Dietmar W. Wink-ler herausgegebene Tagungsband aber sicherlich zu jenen Publikationen, an derenRezeption kein Weg vorbeiführt.

Joachim Jakob, Salzburg

TROELTSCH, Ernst, Schriften zur Theologie und Religionsphilosophie(1888–1902), hrsg. v. Christian Albrecht in Zusammenarbeit mit Björn Bies-ter, Lars Emersleben u. Dirk Schmid, Band 1 der Ernst Troeltsch KritischeGesamtausgabe, im Auftrag der Kommission für Theologiegeschichtsforschungder Bayerischen Akademie der Wissenschaften hrsg. v. Friedrich Wilhelm Graf,Christian Albrecht, Volker Drehsen, Gangolf Hübinger, Trutz Rendtorff, de Gruy-ter Berlin/New York 2009, 1097 S., geb., 289,- Eur [D], ISBN 978-3-11-020923-5.

2015 steht das Troeltsch-Jahr an, die Erinnerung an den 150. Geburtstag dieses be-deutenden Theologen und herausragenden Vertreters der religionsgeschichtlichen

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Schule. Die große historisch-kritische Troeltsch-Gesamtausgabe, auf 21 Bändeangelegt und von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften unter Verant-wortung von Friedrich Wilhelm Graf sowie einer Reihe prominenter protestan-tischer Theologen herausgeben, schafft die Voraussetzung, sich dem Werk ErnstTroeltschs neu zuzuwenden.

In den letzten Jahren kann man eine Troeltsch-Renaissance beobachten.Seine Überlegungen zum Problem des Historismus, seine methodologischenRe�exionen zur Verhältnisbestimmung von historisch-kritischer Vernunft undphilosophisch-theologischer Interpretation, sein Ansatz zur Überwindung einesgeschichtsrelativistischen Denkens legen nicht nur die Wurzeln laufender Debat-ten frei, die tief ins auslaufende 19. und beginnende 20. Jahrhundert führen, son-dern inspirieren notwendige methodologische und hermeneutische Diskussionen,die nicht zuletzt nach der Wissenschaftlichkeit, in einem aber auch nach der Theo-logizität der Theologie fragen.

Mit dem ersten Band der Kritischen Gesamtausgabe liegen die „Schriften zurTheologie und Religionsphilosophie (1988–1902) vor. Sie versammeln Gelegen-heitsschriften wie den Bericht zur Münchener Kunstausstellung 1888, die Rothe-Gedächtnisrede (1899) oder die „Erinnerung an Siebenbürgen“ (1899/1900), theo-logiegeschichtliche Überblicke, die vom Aktuellen ins methodisch Grundsätzlicheführen wie „Die historischen Grundlagen der Theologie unseres Jahrhunderts“(1895) und „Zur theologischen Lage“ (1898), vor allem aber gewichtige Theorie-beiträge, die sich immer wieder an der Herausforderung der Theologie durch dieszienti�sche Moderne abarbeiten.

„Ernst Troeltsch ist Theoretiker der Kultur des 20. Jahrhunderts vom Blick-punkt des Christentums her.“ Trutz Rendtorff, Mitherausgeber der KGA, hat die-ses Urteil in einer früheren Einleitung in „Die Absolutheit des Christentums“(München/Hamburg 1969, 9) gefällt – der vorliegende Band macht es anschau-lich. Bereits die frühen Studien von Troeltsch halten entschlossen auf die Proble-me zu, die seinem Werk den eigenen systematischen Zuschnitt geben. Die Fragenach der „Absolutheit des Christentums“ (1902/1912) lässt sich ebenso wie seinespätere Bearbeitung des Historismus-Problems (1922) genealogisch in die Anfän-ge zurückverfolgen. Die Thesen zur öffentlichen Verteidigung im Rahmen seinesLizenziatenverfahrens aus dem Jahr 1891 haben hier orientierende Kraft (67–71).Hier begegnen Stichworte, die sich in Troeltschs Theorieregister immer wieder�nden: die Betonung des „religiöse(n) Individualismus“ (70), der kritische Blickauf die wissenschaftliche Bedeutung der Dogmatik, die religionsphilosophischeJustierung, der ethische Grundzug, mit dem er das Christentum in seiner reli-gionsgeschichtlichen Stellung erschließt. Ein Satz sticht heraus, stachelt, sperrt:„Die Theologie ist für die Kirche ebenso schwer zu ertragen als zu entbehren“(71). Seine Dissertationsschrift zu „Vernunft und Offenbarung bei Johann Ger-

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hard und Melanchthon“ (73–338) übersetzt sie in die Spitzenthese von der Dog-matik „als eine Art notwendiges Übel“ (86, Anm. 4). Diese Arbeit zeichnet sichdurch den souveränen Blick auf das theologiehistorische Material aus und wählteinen methodisch ungewöhnlichen, folgenreichen Zugang: Er erschließt vom er-reichten Problemniveau des späteren Autors das intellektuelle Bedingungsgefügedes früheren. Damit verbindet sich ein Paradigmenwechsel theologiehistorischerForschung: Troeltsch „rekonstruiert die Wissenschaftsgeschichte der Theologienicht rein ideenimmanent, sondern er sucht die wissenschaftsorganisatorischenund institutionellen Bedingungen sichtbar zu machen, die die Durchsetzung theo-logischer Gedankenkomplexe und zugleich die Ausbildung eines disziplinspezi�-schen Selbstverständnisses der Theologie befördert haben“ (Christian Albrecht,Einleitung, 11). Troeltsch wird damit als ein entscheidender Wegbereiter dis-kursanalytischer und genealogischer Forschung sichtbar. Theologiegeschichte alsIdeengeschichte wird dabei aus systematischen Gründen schon deshalb überholt,weil Troeltsch auf den Primat gelebter Religion verweist. Das wiederum hat ge-schichtstheoretische Gründe, die mit methodologischen Entscheidungen zusam-menhängen und seinem Ansatz unverwechselbare Konturen geben.

Deutlich treten sie in dem großen Aufsatz zur „Selbständigkeit der Religion“aus den Jahren 1895 und 1896 hervor (359–538). Ein „Editorischer Bericht“ lei-tet ihn ein und erlaubt – wie auch bei den anderen Texten – präzise Einblicke inseine Entstehung und die diskurspolitischen Zusammenhänge. In drei Lieferun-gen in der „Zeitschrift für Theologie und Kirche“ veröffentlicht, löste diese Pro-grammschrift eine Debatte aus, in die Troeltsch selbst mehrfach eingriff, in Brie-fen, besonders aber mit seinem Aufsatz über „Geschichte und Metaphysik“ von1898. Er schärfte nicht nur die Diskussion mit Julius Kaftan an, sondern hält imWerkzusammenhang auf die Absolutheitsschrift zu (613–682). Troeltsch strengtin diesen beiden Essays eine grundlegende Kritik des Supranaturalismus sowie ei-ner Offenbarungstheologie an, die sich positivistisch auf religiöse Sondergründestellt. Indem er sie konsequent historisiert, wird die geschichtliche Kontextuali-tät aller religiösen Konzepte sichtbar und das unverzichtbare Recht historischerKritik markiert. Theologie, als Wissenschaft aufgefasst, kann keine Eigenlogikbeanspruchen und sich auf göttlich lizenzierte Gründe stellen, die sich jeder Über-prüfung entziehen.

Das gilt auch für Jesus und das Christentum. Damit aber ergibt sich ein Pro-blem: Was bleibt normativ vom Christentum, was von seinem Anspruch auf au-thentische Gottesvermittlung? Jenseits des erreichten Standes moderner Wissen-schaften, philosophischer Kritik und historischer Durchdringungskraft, kann dieseFrage weder gestellt noch beantwortet werden. Im Zuge ihrer Entwicklung zeigtsich aber eine gemeinsame Richtung religiöser Traditionen, eine Art Konvergenz-punkt. Der Weg führt nach Troeltsch hin zur Ermöglichung menschlicher Indi-

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vidualität und ethischer Verantwortung. Gottes- und Weltbegriff, die Ausbildungder Vorstellung von einer individuellen Seele und die soteriologische Dynamikdes Christentums erlauben es, in ihm den kulturellen Höhepunkt der „Tendenzender Religion auf Vergeistigung und Versittlichung“ (512) zu identi�zieren. DieReligionsgeschichte übernimmt die Funktion einer historisch begründeten Wert-orientierung; das ist zulässig, weil sich jenseits von Geschichte keine Norm er-mitteln lässt. Jeder Sinnanspruch bildet sich geschichtlich heraus und muss in ihrseine Kraft erweisen (485).

Dabei unterlegt Troeltsch seinen Überlegungen eine geschichtsphilosophischeMetaphysik. Sie wird teleologisch aufgesetzt und im Progress der Geschichte be-stimmt. Troeltsch spricht in diesem Zusammenhang von einer „Zielgestalt der Re-ligion“ (469), die nicht theoretisch konstruiert, sondern historisch wahrgenommenwerden kann; zwar vorläu�g, aber af�rmierbar. Es handelt sich um eine eigeneForm von Offenbarungsgeschichte (485). Sie erschließt sich im und als Glauben,wo Religion in ihrer geschichtlichen Relativität einen Raum der „Anschauunggroßer göttlicher Mächte“ erschließt, „die sich an den Willen wenden und von ihmnur in der idealen Erhebung des inneren Menschen erfaßt werden.“ (472). Die-sen Gedanken verknüpft Troeltsch mit seinem religionsphilosophischen Ansatz,den er „in dem apriorischen Einheitstriebe der menschlichen Vernunft begründet“(506). Die religionsphilosophischen Gründe, die Troeltsch anführt (444ff.), füh-ren zu einem Wahrscheinlichkeitsaufweis, der sich letztlich an der Intelligibilitätder Wirklichkeit und ihrer Dynamik auf Geistiges festmacht, auf das Mehr-als-bloß-Sichtbare. Indem Troeltsch an Schleiermacher anschließt, erweitert er seinenAnsatz um die radikale Historisierung des religionspsychologischen und religi-onswissenschaftlichen Materials (654 pass.).

Methodisch macht Troeltsch damit das erkenntnistheoretische Problemniveauder Moderne für die Theologie fruchtbar. Seine Frühschriften führen dies in ei-nem sehr weiten Spektrum historisch wie systematisch durch. Zugleich werdendie epistemologischen Bruchstellen sichtbar. So luzide seine Hegel-Kritik ausfällt,so ungeklärt bleibt die Frage, wie sich kriteriologisch der Glaube an eine ergan-gene Offenbarung Gottes ausweisen lässt. Unscharf bleibt nicht nur der Begriffdes Supranaturalismus, sondern auch der Ausweis einer als göttlich angesproche-nen Macht. Wie die Gotteserfahrung in ihrer theologischen Dignität zu bestim-men ist, bleibt offen. Das gilt auch für die Frage, wie ein Kontakt zwischen Gottund Mensch, den Troeltsch „innerlich“ kon�guriert, extern nachvollzogen werdenkann, wie also die Introspektion behaupteter Gottesunmittelbarkeit zur Objektivi-tät einer Offenbarungsgeschichte gelangt, die im Blick der Geschichte doch nurals Phänomen in den Blick zu kommen vermag.

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Die Christologie bietet den Prüfstein. Eine Miniatur �ndet sich in TroeltschsAufsatz zu „Geschichte und Metaphysik“ (673–687), in der er sich vom altkirch-lichen Dogma verabschiedet. Die Debatten waren damit nicht beendet, sondernwurden in der Folge gerade durch Troeltsch neu ermöglicht. Abgeschlossen sindsie bis heute nicht. So behält Ernst Troeltschs Werk eine Aktualität und ein Ein-spruchsrecht, die weit über das anstehende Gedenkjahr 2015 hinausreichen. DieKGA stellt dafür reichhaltiges Material bereit. Mit den bereits erschienenen Bän-den steht fest, dass es sich bei diesem Projekt um eine editorische Meisterleistunghandelt – der erste Band bestätigt dies eindrucksvoll.

Gregor Maria Hoff, Salzburg

VALENTIN, Joachim, Eschatologie (Gegenwärtig Glauben Denken 11), VerlagFerdinand Schöningh, Paderborn 2013, 308 S., brosch., 39,90 Eur [D], ISBN 978-3506776488.

Die Reihe „Gegenwärtig Glauben Denken“ greift elf theologische Themen aufinnovative Weise auf, indem der Aufbau der Bücher die klassische Reihenfolgeumkehrt, sodass die Bibel als Zielpunkt angesteuert wird, weil sie sich heute kei-ner selbstverständlichen Anerkennung mehr erfreut. Die Herangehensweise äh-nelt damit einer genealogischen Diskursanalyse und ist für die Eschatologie neu.

Valentin kann mit diesem Thema an seine die Apokalyptik thematisierendeHabilitation Zwischen Fiktionalität und Kritik anschließen, in der er schon denAnsatz einer �ktiven Anthropologie von Wolfgang Iser aufgreift. Demnach sinddie apokalyptischen Bildwelten „organisches Ergebnis menschlicher Sehnsüchte“(20), die daher nicht als Aussagen letzter objektiver Dinge verstanden werden,sondern vielmehr als Fiktionen des Endes gelten können, von dem her wir unserLeben überhaupt erst zu bestimmen vermögen. Diese eschatologischen Fiktionensind in einem Ereignis fundiert, dass „mehr als nur“ �ktiv ist (35), nämlich derleiblichen Auferstehung Jesu.

Was das Buch nicht möchte, ist eine Einführung in die Thematik oder eineRechtfertigung des christlichen Glaubens. Vielmehr geht es um das detektivischeAufgreifen von Spuren, denen wir in die Vergangenheit folgen. In drei Abschnit-ten behandelt der Autor in chronologisch verkehrter Reihenfolge verschiedensteinner- und außerreligiöse Felder mit eschatologischer Relevanz. Dabei bestimmter Eschatologie als Verarbeitung apokalyptischer Texte und ihre Systematisierung,Korrektur und Integration in die christliche Heilshoffnung.

Der erste und umfangreichste Teil (Gegenwart) thematisiert Postmoderne,Film, Literatur, Philosophie, evangelische und katholische Theologie und die Er-wartungen der Endzeitkirchen. Dieser Teil ist auch die große Stärke dieses Bu-

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ches. Dabei zeigt Valentin u.a. in detaillierter Weise auf, wie das Aufgreifen es-chatologischer Themen vor dem Hintergrund der Abwesenheit Gottes – wie impostmodernen Denken oder im amerikanischen Mainstream-Kino – funktioniertund dabei knapp an der Gottesfrage vorbeischrammt. Eschatologische Bildweltenkönnen sowohl zur (Re)Stabilisierung des american way of life dienen, als auchder Hoffnung Ausdruck verleihen, dass Gott diese Ordnung bald umstürzen wird.Diese „Gottlosigkeit“ kennzeichnet weitgehend auch die europäische Philosophiedes 20. Jahrhunderts, die aber teilweise dennoch auf eine universelle Gerechtig-keit und einen Art Messias-Richter hofft. An diesem Sinn für Gerechtigkeit undan den neuen Bildwelten ließe sich eschatologisch anknüpfen, ließe sich mit demGlauben in toto anknüpfen, folgt man gegenwärtiger evangelischer Theologie, diedie Eschatologie nicht als Teildisziplin, sondern als Grundcharakter des Glaubensüberhaupt sieht. Die katholische Theologie ist Rahner folgend von einer Anthro-pologisierung und Christologisierung der Eschatologie geprägt. Diese Verände-rung führte zum Abschneiden so mancher Traditionsstränge und nach dem II. Va-tikanum zum Ende so mancher kirchlicher Sozialform, sodass neue Randgruppenmarianisch-eschatologischer Prägung entstanden sind.

Die beiden anderen Teile (Geschichte, Bibel) gehen dann den Weg rückwärts,von der idealistischen Philosophie über die mittelalterlichen und patristischenDenker bis hin zur biblischen Apokalyptik und der Reich-Gottes-Predigt Jesu.Hier werden die klassischen Themen der Eschatologie sowie die Art und Weiseaufgegriffen, wie sie ekklesiologisch und philosophisch umgearbeitet wurden.

Mit seinem Ansatz gelingt es Valentin einerseits, den Fiktionen, denen wir un-entwegt in der Bibel, aber auch in unserem Leben begegnen, einen positiven Wertfür die Theologie zuzumessen, und andererseits diese Bildwelten mit den moder-nen Bildwelten ins Gespräch zu bringen. Die moderne Kritik an den biblischenBildern, die sich selbst in Bildern ausdrückt, wird verstanden als organischerTeil der christlichen Wirkungsgeschichte und nicht als Fremdkörper, schließ-lich entstanden beide im Rückgriff auf traditionelles Material und in Hinblickauf ihre jeweilige historische Situation. Aber auch die modernen apokalyptisch-eschatologischen Positionen sind einer Kritik zu unterziehen, da bei ihnen einÜberhang bleibt, den sie selbst nicht mehr einholen können. In diesem Gesprächkann daher sowohl die Theologie von der Moderne als auch die Moderne vonder Theologie lernen, die von der Voraussetzung getragen ist, dass die christlicheHoffnung nicht ins Leere läuft.

An dieser Stelle wäre zu fragen, ob eine bei den menschlichen Sehnsüchtenansetzende Eschatologie nicht auch rechtfertigen müsste, dass die Fiktionen nichtreine Projektionen sind, sondern ihnen zumindest ein Wirklichkeitsindex eignet.Valentin stellt sich diesem Problem nicht. Weiters ist zu fragen, warum Eschato-logie auf die apokalyptische Textgattung einzuschränken ist. Hoffnungsperspek-

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tiven werden biblisch auch in anderen Texten thematisiert. Dies würde weiteresBildmaterial eröffnen wie z. B. den Auszug aus Ägypten oder der Verheißung desewigen Königtums an David, aber auch zu einer erweiterten Betrachtung der Ge-genwart führen.

Dass die „außerkirchliche“ Moderne heute als ernstzunehmender Gesprächs-partner für den Glauben und nicht als Feindbild fungieren sollte, müsste zu denSelbstverständlichkeiten der Theologie gehören. Darin ist Valentin zuzustimmen.Sein Buch ist damit ein wesentlicher Beitrag zu dieser Gesprächskultur und zurNeugestaltung der Eschatologie.

Karlheinz Six, Klagenfurt

VROOM, Hendrik M./VERDONK, Petra/ABDELLAH, Marzuk Au-lad/CORNEL, Martina C. (eds.), Looking Beneath the Surface. MedicalEthics from Islamic and Western Perspectives (Currents of Encounter. Studieson the contact between Christianity and other religions, beliefs, and cultures48), Rodopi Amsterdam/New York, NY 2013, 342 S., Tb., 73,60 Eur [D], ISBN978-90-420-3730-4.

Der Band enthält Beiträge zu bioethischen Fragen, die Gegenstand öffentlicherDebatten sind, von Autoren westlicher wie islamischer Provenienz aus Ägypten,Kuwait, den Niederlanden und Belgien. Wie der Titel andeutet, will er nicht nurunterschiedliche Positionen und Perspektiven aufzeichnen, sondern auch zu einemtieferen Verständnis dieser Unterschiede beitragen. Unter den westlichen Autorensind Theologen wie auch säkulare Autoren. Wenn beide sich säkularer Argumentebedienen, so können doch auch nicht explizit christliche Argumente auf christli-chen Werten beruhen, die Teil unserer säkularen Kultur geworden sind. Im Unter-schied zu den westlichen Autoren �nden sich bei deren muslimischen Kollegenimmer ausdrückliche Bezüge auf Koran und Scharia sowie auf einen mehr oderweniger starken Konsens unter muslimischen Rechtsgelehrten; sie sprechen somitweniger für ihre eigene Person als für eine Kommunität.

Damit bestimmte grundlegende Informationen über die „sources of Islamicethics and �qh “ nicht bei jedem islamischen Beitrag wiederholt werden müs-sen, folgt ein 2. Kapitel (nach Einleitung und Überblick) speziell zu diesem The-ma. Die Themen der folgenden Kapitel sind: Genetische Medizin (speziell inder Gesundheitsvorsorge) (Kap. 3–4), Genetische Tests und Blutsverwandtschaft(Kap. 5–6), Status und Behandlung des Embryos (Kap. 7–8.10), Abtreibung (Kap.9.11.15), Organtransplantation (Kap. 12–13) Euthanasie und palliative Sedierung(Kap. 14–16).

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Von diesen Themen ist die Frage der Blutsverwandtschaft in solchen Veröf-fentlichungen nicht so häu�g zu �nden, was wohl daran liegt, dass Ehen zwischenBlutsverwandten unter westlichen Personen nicht so häu�g sind, wohl dagegenin (vor allem ländlichen) muslimischen Gebieten. Kap. 6 berichtet hier vor al-lem über Marokko. Und da sich in den Niederlanden viele marokkanische Ein-wanderer �nden, stellt sich das Problem hier wie unter Immigranten in anderenwestlichen Ländern. Interessant ist dabei, dass sich aus der islamischen Traditi-on Argumente für (das Beispiel des Propheten) wie auch gegen diese Tradition(ein Hadith, in dem der Prophet von solchen Ehen abrät) �nden (vgl. 94f.109).Gründe für diese Praxis der Endogamie sind ein stärkerer Schutz der Frau in dereigenen Familie, in der sie sich auch freier bewegen kann (ohne Kopftuch) undin der Kon�ikte leichter gelöst werden, der Wegfall der Mitgift und damit zu-sammenhängender wirtschaftlicher Probleme und damit auch der Versuchung zurTötung weiblichen Nachwuchses (59, vgl. dazu aus islamischer Sicht: 110). Mithöherem Bildungsniveau nimmt allerdings die Praxis der blutsverwandten Ehenab. Mit assistierter Fortp�anzung hat der Islam wenig Probleme, soweit sie auf dashomologe System begrenzt ist, auch nicht mit Maßnahmen wie Präimplatations-diagnostik (PGD). Schon der Prophet habe zur Sorge um gesunden Nachwuchsgemahnt: „Select your spouse carefully in your offspring’s interests because li-neage is a crucial issue.“ Allerdings wird auch angesichts der Kosten das Problemeiner gerechten Allokation der Ressourcen auf globaler Ebene artikuliert. Mit Be-rufung auf den UN Report „Health and Sustainable Development“ (2001) heißtes u.a.: „It seems that the genetic approach diverts limited resources. . . A majorethical problem is the tendency to ignore the underlying socioeconomic or envi-ronmental causes of disease in favor of a genetic approach to disease prevention.This can result in using more and more advanced technology – and consequent-ly use limited resources – to study trivial issues more and more while the majorpopulation causes of widespread diseases are ignored“ (63f.).

Bei muslimischen PatientInnen ist zu beachten, dass hier oft ein gewisserärztlicher Paternalismus durchaus erwartet ist, d.h. man lässt sich gern die Ent-scheidung vom Arzt abnehmen (221). Autonomie hat hier somit einen geringerenStellenwert. Dem Problem Autonomie und Paternalismus ist aus westlicher Per-spektive Kap. 17 gewidmet (The Right ot Moral Independence and Its Meaning forMedical Issues). Neu war mir, dass der Islam Adoption nicht erlaubt (60) (vermut-lich damit es keine Irrtümer über die leibliche Abstammung gibt) und stattdessendie einfache Aufnahme von Waisen in die Familie emp�ehlt. Diese und andereunterschiedliche Perspektiven sind noch einmal artikuliert in den abschließenden„Observations and Comparisons“ (Kap. 18).

Wie aus den bisherigen Ausführungen indirekt hervorgeht, ergeben sich fürmit den Diskussionen zu den einschlägigen Themen vertrauten Lesern neue Per-

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spektiven vor allem aus den muslimischen Beiträgen. Die anderen Beiträge bildeneinen guten Überblick über westlich/christliche Positionen und die vorgetragenenArgumente. Auf einen originellen Schreibfehler sei zum Schluss verwiesen: Unterden medizinethischen Prinzipien erscheint: „non-magni�cence“ (222); gemeint istwohl: „non-male�cence“.

Werner Wolbert, Salzburg

ZIEBERTZ, Hans-Georg/BENZING, Tobias, Menschenrechte – trotz oder we-gen Religion? Eine empirische Studie unter jungen Christen, Muslimen undNicht-Religiösen. (Empirische Theologie/Empirical Theology 25), LIT VerlagBerlin 2012, 320 S., brosch., 24,90 Eur [D], ISBN 978-3-64311-933-9.

„Wer an den Koran als die wörtliche Offenbarung Gottes glaubt, wird sich mit denMenschenrechten schwer tun.“ „Wer Muhammad für den letzten Propheten hält,lehnt auch die Meinungsfreiheit ab.“ Es vergeht kaum eine Diskussion über denIslam, in der diese Annahmen, oftmals als unhinterfragte Prämissen, nicht präsentsind. Doch nicht immer ist in dieser religionskritischen Haltung allein der Islamim Blick: Insgesamt hat die Frage, inwiefern der universale Anspruch von Religio-nen der Akzeptanz des ebenfalls universalen Anspruches der Menschenrechte zu-bzw. abträglich sind, eine große Bedeutung – gerade im Hinblick auf das leitendeZiel der „sozialen Kohäsion“ (21). Denn die Menschenrechte können nicht ein-fach als gesicherter Besitz betrachtet werden. Auch wenn man annimmt, dass „siein ihrer Summe unverkürzt, weltweit und unabhängig von besonderen kulturellenKontexten gültig sind“ (10), bedürfen die Menschenrechte einerseits eine motivie-rende und begründende Unterstützung durch geformte und traditionell veranker-te weltanschauliche Überzeugungen und andererseits eine entwickelte Empathieund Sensibilität, die ihre Verletzung überhaupt wahrnimmt. Können die Religio-nen hier eine positive Rolle spielen? Dieser Frage gehen Ziebertz und Benzingin ihrer Untersuchung nach: „Konkret und kausal formuliert lautet die Frage, obreligiöse Menschen motiviert durch ihren Glauben die Menschenrechte unterstüt-zen und verteidigen . . . und ob sich Angehörige dieser Religionen [= Christentumund Islam, Anm. TS] signi�kant unterscheiden.“ (23)

Das Verdienst der vorliegenden Studie ist es, schnellen plakativen Urteilen ei-ne sauber gearbeitete empirische Untersuchung gegenüberzustellen und zugleicheine Vielzahl an erstaunlichen Erkenntnissen über religiöse Einstellungen von Ju-gendlichen und ihren Zusammenhang mit den Menschenrechten darzubieten. DieAutoren brechen dabei die allgemeinen Überlegungen in eine greifbare, an der re-ligiösen Einstellung des Individuums und nicht nur an seiner Religionszugehörig-keit orientierte Leitfrage herunter: „Konkret untersuchen wir, ob und in welchem

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Umfang junge Christen und Muslime sowie Jugendliche, die sich selbst als nicht-religiös bezeichnen, Werte unterstützen, die als inhärente Wertladung der Men-schenrechte gelten können. Es geht bei dieser Fragerichtung nicht um”das Chris-tentum“ oder „den Islam“, sondern um die jeweilige individuelle Haltung, diejunge Menschen aufgrund ihres Glaubens oder Nicht-Glaubens konkret vertreten.Es geht ebenso nicht um „die Menschenrechte“, sondern um ausgesuchte Wertbe-reiche der verschiedenen Menschenrechtserklärungen seit der UN Erklärung von1948“ (21). Die empirische Untersuchung von Ziebertz und Benzing ist der deut-sche Teil des von der Radboud-Universität Nijmegen (Prof. Johannes A. van derVen) koordinierten und in 15 Ländern durchgeführten Projektes „Religion undMenschenrechte“. In der Teilstudie wurden in den Jahren 2007/08 1785 Schüle-rinnen und Schüler im Alter von 16 und 17 Jahren von 13 Gymnasien und Gesamt-schulen, die mindestens 20% muslimische Schülerinnen und Schüler aufweisen,mit einem aufwändigen Fragebogen befragt: „Welche Einstellungen haben [nun]junge Christen, Muslime und nicht-religiöse Jugendliche zu den unterschiedlichenInhalten der Menschenrechtskataloge? Werden die Menschenrechte in toto bejaht,oder nur in Teilen? Unterscheiden sich die Gruppen generell in ihren Bewertun-gen oder unterscheiden sie sich im Blick auf bestimmte Menschenrechtsinhalte?Welche sozialdemographischen [Ein�üsse der Familie und peer-group] und per-sönlichen Merkmale [Geschlecht und neurotische/psychotische Persönlichkeitss-truktur] erweisen sich als diskriminierend (differenzierend)?“ (28). Diesen Fragengeht die Studie in drei theoretisch-konzeptuellen und sieben weiteren Kapitelnnach, die die empirische Untersuchung auswerten.

Die ersten drei Kapitel bilden die Grundlage der Befragung, indem sie aus-führlich das Konzept der Menschenrechte und ihren Zusammenhang mit den Re-ligionen, die Methode der Studie sowie die Zusammensetzung der Stichprobe dar-stellen. Im Blick auf das Konzept der Menschenrechte diskutieren die Autoren dieSpannung zwischen Universalität und kultureller Partikularität (mit einer deutli-chen Option für die Universalität) und den Zusammenhang zwischen spezi�schenReligionen und den Menschenrechten (mit einer Problematisierung der direktenAbleitung der Menschenrechte aus einer bestimmten religiösen Tradition) (10–20). Die Untersuchung bringt einerseits die ganze Breite der drei Generationender Menschenrechte (individuelle Schutzrechte, soziale und ökonomische Rechtesowie kulturelle und Umweltrechte) in den Blick, der sie in der Befragung auchgerecht werden möchte (65–69). Andererseits thematisiert sie die Spannung zwi-schen individuellen Rechten und kulturellen Gruppenrechten und legt den Akzentauf die individuellen Schutzrechte. Im Blick auf die Stichprobe ist das konzeptio-nelle Anliegen erkennbar, das individuelle religiöse Pro�l zu schärfen und so zugewährleisten, dass die religiöse Konfessionszuordnung auch tatsächlich im in-dividuellen Leben verankert ist: So wurde die Stichprobe durch einen Abgleich

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der Religionszugehörigkeit (christlich, muslimisch, nicht-religiös) mit der Frage„wenn ich wichtige Entscheidungen treffen muss, spielt Religion oder Weltan-schauung dabei eine große Rolle“ noch einmal auf die tatsächliche Bedeutsam-keit der Religion für das alltägliche Leben zugespitzt und ein reduziertes Samplevon 966 Schülerinnen und Schülern erzeugt, das stärker religiös pro�liert ist. DieKategorie der „Nicht-Religiösen“ ist durch den Ausschluss auch der weltanschau-lichen Orientierung von der Entscheidungs�ndung dementsprechend weniger alsdezidierte Atheisten, sondern als entschieden Indifferente zu verstehen. Dem An-liegen der religiösen Pro�lierung gibt auch die Zuordnung des vierten und fünftenKapitels Raum: Während das vierte Kapitel die Einstellung zu den Menschenrech-ten auf der Grundlage der konfessionellen Zugehörigkeit analysiert, vertieft dasfünfte Kapitel den Befund, indem es über die religiöse Zugehörigkeit hinaus nundie individuelle Religiosität in ihrer intellektuellen, ideologischen, rituellen, er-fahrungsbezogenen und handlungsmotivierenden Dimension in den Blick nimmtund diese wiederum mit der Einstellung zu den Menschenrechten korreliert. Indoppelter Weise trauen die Autoren also dem bloßen Bekenntnis, „Christ“, Mus-lim“ oder „Nicht-religiös“ zu sein, nicht, sondern versuchen, diese Zuordnung intatsächliche Haltungen und Lebenseinstellungen zu übersetzen – ein großer Vor-teil dieser Studie gegenüber anderen! Konsequent gliedern das sechste bis neunteKapitel das Phänomen „Religion“ noch einmal sehr gründlich in vier inhaltli-che Untersuchungsbereiche auf: Analysiert werden das Verständnis der religiösenGemeinschaft und die Konzeption von Religion (z.B. exklusivistisch oder plu-ralistisch), das Verständnis und die Bedeutsamkeit der grundlegenden religiösenSchriften (Bibel und Koran), die Vorstellungen über Gott, Jesus und Muhammadsowie die Werteeinstellungen. Die Untersuchung geht hierzu in diesen Kapiteln indenselben grundlegenden Schritten vor: Sie erhebt die Einstellung der Befragtenzum jeweiligen Themenbereich, analysiert die Relationierung innerhalb des The-menbereiches, fragt nach dem Ein�uss der Hintergrundvariablen (Familie, So-zialisation, Geschlecht, Persönlichkeit) und setzt die jeweiligen religiösen Ein-stellungen in Beziehung zu den im vierten Kapitel analysierten menschenrechtli-chen Einstellungen. Das zehnte zusammenfassende Kapitel fragt anhand des Re-gressionsverfahrens und ausgehend von den einzelnen Menschenrechtsbereichennach den hauptsächlichen Ein�ussfaktoren: Auf welche Menschenrechtsbereichewirken sich alle in der Untersuchung verwendeten Variablen (Sozialisation, Ge-schlecht, Religionszugehörigkeit, die einzelnen Dimensionen der Religiosität unddie Persönlichkeit) in ihrer Gesamtheit besonders aus und für welchen Menschen-rechtsbereich sind welche Variablen von besonderer Bedeutung?

Von besonderem Interesse im Blick auf die Konzeption der Untersuchung istsicherlich die Operationalisierung einzelner theologischer Themen. Wie machtman die Gottes-, Jesus- und Muhammadbilder greifbar? Wie misst man ein plura-

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listisches oder exklusivistisches Religionsverständnis? Welche Dimensionen be-zieht man in den Wertebegriff mit ein? Die Untersuchung bietet insgesamt ein aus-gesprochen differenziertes Herangehen: So überprüft sie zum Beispiel die theo-retisch vorentworfenen Dimensionen der Gottes-, Jesus- und Muhammadbilderzunächst darauf hin, ob die Unterscheidungen auch empirisch bei den Jugendli-chen greifen (und stellt fest, dass die Jugendlichen zwar sehr wohl zwischen einer„Christologie von oben“ und einer „Christologie von unten“ oder zwischen ei-ner religiösen und einer nicht-religiösen Rolle Muhammads unterscheiden, dassaber die Differenzierungen unterhalb der Grundunterscheidung eines personalenvon einem apersonalen Gottesverständnisses (Pantheismus, Panentheismus, Deis-mus u.ä.) keine differenzierende Kraft haben. Allerdings schafft die notwendi-ge parallele Konzeptionierung der Fragen zu christlichen und islamischen Glau-bensinhalten mitunter etwas schiefe Vergleiche. Dies ist zum Beispiel der Fall,wenn der Umgang mit dem Koran dem Umgang mit der Bibel als Indikator fürdie individuelle Religiosität gleich gestellt (104) und die höhere Zustimmung derMuslime zu der Aussage „Der Koran ist das Wort Gottes“ im Vergleich mit derchristlichen Zustimmung zu der Aussage „Die Bibel ist das Wort Gottes“ als In-dikator für eine größere Religiosität gesehen wird (110) oder wenn dem einseitiginklusiv-korrektiven Verhältnis des Islam zur Bibel und zur christlichen Religionin der Operationalisierung des Schrift- und Religionsverständnisses nicht Rech-nung getragen werden kann (161f.). Hier schlägt sich die grundlegende Spannungzwischen der religionsvergleichenden Perspektive und der Berücksichtigung desreligiösen Selbstverständnisses nieder, die in der vorliegenden Studie tendenziellzugunsten des Religionsvergleiches entschieden wird.

Die mit Spannung erwarteten Ergebnisse der vorliegenden Studie sind imBlick auf die Menschenrechtsfrage erwartbar, aber in Nuancen dann doch rechtüberraschend. „Religion matters!“ (123). Ja, es gibt einen Ein�uss der religiösenEinstellungen auf die Akzeptanz oder Ablehnung der Menschenrechte und er istsowohl in Bezug auf den jeweiligen Bereich der Menschenrechte als auch in Be-zug auf die jeweilige religiöse Zugehörigkeit unterschiedlich. Besonders starkist der Ein�uss in Bezug auf die Trennung von Staat und Kirche, in Bezug aufdie Flüchtlingsrechte, in Bezug auf die Freiheit der religiösen und der morali-schen Rede und in Bezug auf die Abtreibungsfrage. Die einzelnen Ein�ussfak-toren sind nicht leicht auf einen Nenner zu bringen: In manchen Bereichen istsowohl ein monoreligiöses als auch ein multireligiöses Religionsverständnis un-terstützend, mitunter ist ein nichtpersonales, in anderen Bereichen ein persona-les Gottesverständnis positiv wirksam. Immer wieder tauchen jedoch die Fakto-ren einer Gemeindevorstellung mit prophetischem Auftreten, einer hedonistischenWerteorientierung (gerade angesichts der Autonomierechte), eines multireligiösenReligionsverständnisses und des Verständnisses der Bibel als göttlich inspiriertes

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Menschenwort sowie Muhammads als Mensch (wie die Untersuchung unscharfformuliert) auf. Kurz: „Religiöse Motivlagen können Menschenrechte unterstüt-zen, besonders sozialkritische und zugleich dogmatisch abgerüstete Positionen“(244). Mitunter ist auch die öffentliche Diskussionslage leicht wieder zu erken-nen, so wenn unter anderem eine „politisch und religiös pro�lierte konservativeHaltung“ (237) das Menschenrecht der Pressefreiheit unterstützt – der Karikatu-renstreit lässt grüßen.

Interessanter noch als die überblickshafte Auswertung sind jedoch die vie-len Einzelerkenntnisse, für die alleine eine gründliche Lektüre der Studie lohnt.So sind in Bezug auf die unterschiedlichen religiösen Zugehörigkeiten gewisseGrundpräferenzen erkennbar: Die muslimischen Jugendlichen sind beispielsweisebesonders sensibel für den Schutz vor Folter und für Flüchtlingsrechte, aber auchfür die Frauenrechte. Demgegenüber zeigt die Gruppe der Nicht-Religiösen einebesondere Aufmerksamkeit für die Rechte, die mit der menschlichen Autonomiezusammenhängen. Christliche wie muslimische Religiosität schließlich wirkt po-sitiv auf die Wahrnehmung von Umwelt- und sozio-ökonomischen Rechten, stehtjedoch der Abtreibung und Euthanasie kritisch gegenüber – wobei die muslimi-schen Jugendlichen zu einer deutlicheren Ablehnung �nden. Die Ausbuchstabie-rung der Religiosität in die einzelnen Bereiche des Gemeinschafts-, Schrift- undGottesverständnisses hinein bietet sodann so manche Differenzierung schnellerVorannahmen. So ist zum Beispiel hervorzuheben, dass die verschiedenen Fak-toren, die den Koran als Gottes Wort deuten, zwar negativ mit der (laizistischverstandenen) Trennung von Staat und Religion und der Freiheit der religiösenRede (als Religionsverspottung) sowie mit der Erlaubtheit von Abtreibung undEuthanasie korreliert, positiv jedoch mit der Ablehnung der Folter, den Flücht-lingsrechten und dem Recht auf Beschäftigung. Die interessante Folgerung ist:„Die Vermutung, dass von einem strengen Koranverständnis her Spannungen zuden Menschenrechten bestehen, kann durch die empirischen Ergebnisse nicht di-rekt bestätigt werden“ (176). Gleiche positive Auswirkungen hat ein islamisch-religiöses Verständnis von Muhammad – und interessanterweise keine negativenim Blick auf die Freiheit der religiösen Rede. Diese bleibt aus der Perspektiveder Jugendlichen unbeein�usst – allerdings wird sie positiv verstärkt durch einnicht-religiöses Muhammad-Bild. Schließlich ist auch zu erwähnen, dass sowohldas Gottes- und Glaubensbild als auch das Schriftverständnis in der Gesamtgrup-pe wenig messbaren Ein�uss auf die Menschenrechte hat (173.199). Überhauptkönnte man trotz der differenzierten inhaltlichen Analyse fragen, ob tatsächlichder einzelne Glaubensinhalt die Sensibilität für bestimmte Menschenrechtsberei-che bewirkt oder nicht vielmehr die (hinter dem Glaubensinhalt stehende) jeweili-ge Lebenswelt der Befragten: Muslimischen Jugendlichen rückt eventuell die Fra-ge nach dem Schutz vor Folter und dem Recht auf Beschäftigung näher als den

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christlichen – und sei es nur in der Form stellvertretenden Identi�zierung mit denOpfern von Menschenrechtsverletzungen. So ergäbe sich insgesamt eine Tendenzdazu, dass jede Gruppe insbesondere für diejenigen Menschenrechtsbereiche einebesondere Sensibilität zeigt, die sie in ihrer eigenen Erfahrungswelt betreffen.

Schaut man nun auf die Gesamtstudie zurück, so können einige kritische An-merkungen nicht ausbleiben. Sie sind jedoch zum Teil dem Gesamtdesign derinternationalen Studie geschuldet und werden von Ziebertz/Benzing in der Zu-sammenfassung selbst kritisch thematisiert. Augenfällig ist, dass die Studie eineklar normativ verstandene säkulare Leitkultur voraussetzt, in die hinein sich Reli-gionen als „partikulare ideologische Interessen“ (23) zu integrieren haben (21.25).Diese normative Säkularisierungsvorstellung prägt sich in der Operationalisierungder Menschenrechte als ein expliziter Laizismus aus, der deutlich über das Anlie-gen der Autoren hinausgeht, die Fragen des Fragenbogens möglichst zuzuspitzen,um trennscharfe Antworten zu erhalten („forced choice“): Es mag wohl nicht nuraus einer christlichen Perspektive fraglich sein, die Lebensrechte mit der explizi-ten Zustimmung zur medizinischen sowie sozialen Indikation der Abtreibung unddie Trennung von Staat und Kirche allein mit der Unabhängigkeit der Politikervon den Vorstellungen einer religiösen Autorität im Hinblick auf Abtreibung undSterbehilfe zu messen. Spitz gesagt: Wer Abtreibung und Euthanasie kritisch ge-genüber steht, ist also menschenrechtsfeindlich eingestellt. Ebenfalls mutet es zu-mindest vom deutschen Hintergrund her seltsam an, die Religionsfreiheit mit demVerbot des Betens an öffentlichen Schulen und mit der Untersagung zu identi�zie-ren, dass Politiker sich mit Religion befassen. In gleicher Linie erscheint es ein-seitig, die Freiheit der religiösen Rede allein mit dem Recht zu verbinden, religi-öse oder atheistische Auffassungen zu verspotten. Vor diesem Hintergrund könnteein Satz wie „auffallend ist, dass die Jugendlichen den beiden Rechten Religi-onsfreiheit und Freiheit der religiösen Rede eher kritisch gegenüberstehen“ (84)auch von menschenrechtsfreundlichen Theologen geradezu als Beruhigung gele-sen werden. Neben dem kritischen Blick auf die nicht allzu versteckten weltan-schaulichen Voraussetzungen dieser Studie fragt sich der Leser, ob es tatsächlichertragreich ist, jedem Kapitel eine theologische Einführung in das christliche undislamische Verständnis des jeweils untersuchten religiösen Inhalts („Schriftver-ständnis“, „Verständnis der Gemeinschaft“, „Gott, Jesus und Muhammad“) vor-anzustellen. Um einen Einblick in die jeweiligen Probleme zu geben, auf die dasKonzept der empirischen Untersuchung zu reagieren versucht, sind die Einführun-gen auf jeden Fall zu lang, um in die theologische Problematik seriös einzuleiten,sind sie zu kurz. Denn auch wenn sich die Autoren sichtlich um Differenzierungbemühen, weist nicht nur die konsequente Schreibung der Aleviten als „Allevi-ten“ darauf hin, dass insbesondere die Informationen zum Islam auf die Schnelleangelesen sind. So bleiben holzschnittartige Aussagen „Der Koran vertritt eine

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starke Verbindung von Religion und Staat“ (160) oder „Es gibt inzwischen ei-ne Reihe von Rechtsschulen, in denen ein hermeneutisches bzw. interpretativesParadigma entwickelt wird“ (20) neben – freundlich gesagt – Ungenauigkeitenstehen: Christen und Juden sind im Koran keine „Brüder der Schrift“ (176) unddie Behauptung, dass die Schiiten in besonderer Weise „den in arabischer Spracheverfassten Koran als Abbild des prä-existenten und himmlischen Koran bei Gott“(159) verstünden, ist zu bestreiten. Die Ungenauigkeit schlägt sich mitunter auchin den Fragen nieder, so wenn die Einzigartigkeit Muhammads mit der doch rechtchristlich-spirituellen Aussage des Fragebogens „Mohammeds Weg zu und Ein-heit mit Gott (Allah) ist unzweifelhaft einzigartig“ gemessen werden soll. Etwasweniger Belehrung über den Islam und dafür eine vertiefte Rücksprache mit isla-mischen Theologen in der Konzeption der Fragen hätte der Studie womöglich gutgetan.

Abschließend sei jedoch noch einmal ausdrücklich hervorgehoben, dass dieStudie eine Fülle von Kollateralerkenntnissen birgt, die nicht direkt mit der Men-schenrechtsfrage zusammenhängen: Zu den erwartbaren Ergebnissen gehört, dassdie muslimischen Jugendlichen in den meisten Bereichen der Religiosität signi-�kant höhere Werte aufweisen als die Christen (112), wohingegen die Studie inBezug auf die Christen nur nüchtern festhält: „Junge Christen haben ein gerin-ges Interesse an religiösen Fragen, sie p�egen kaum eine religiöse Praxis und dieBedeutung ihrer Religiosität für das Leben wird gering eingeschätzt“ (122). Inter-essant ist, dass die befragten Muslime die höchsten monoreligiösen Werte haben,zugleich jedoch auch für den interreligiösen Austausch eintreten (143) und sichihr Religionsverständnis deutlich auf die Zustimmung zu den Menschenrechtenauswirkt – ganz im Gegensatz zu den Christen, bei denen die Gemeindekonzep-tion wichtiger ist (150). Interessiert mag man auch zur Kenntnis nehmen, dassMuslime am stärksten der Aussage zustimmen, dass die Bibel ein göttlicher Textist (167), aber praktisch nie in ihr lesen (110). Wenn es schließlich die Musli-me sind, die einer Reduktion Jesu auf einen besonderen Menschen am entschie-densten entgegentreten (193), mag man sich amüsiert fragen, ob nicht zurzeit dieMuslime doch die besseren Christen sind.

Bei aller Ernüchterung darf ein Theologe oder eine Theologin – nachdem ei-ne „dogmatische Abrüstung“ als menschenrechtsförderlich aufgezeigt wurde –dann doch wieder aufatmen: „Intellektuelle religiöse Aktivität und praktische Le-bensbedeutsamkeit von Religion werden . . . in hohem Maße verknüpft“ (113).Immerhin. Doch weiterhin bleibt Demut anempfohlen: In allen Dimensionen derindividuellen Religiosität sowie in allen religiösen Einzelthemen ist die religi-öse Kommunikation und Erziehung im Elternhaus von hervorragendem Ein�uss(115.145.170.197.220)! Wenn nun 88,4% der christlichen Jugendlichen angeben,dass in ihren Familien nur „ab und zu“ bis „nie“ über religiöse Themen ge-

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sprochen wird (wohingegen dies in 60,1% der muslimischen Familien „oft“ ge-schieht), kann sich ein skeptischer Betrachter auch jenseits dieser unbedingt le-senswerten Studie ausmalen, was dies für die Weitergabe des Glaubens bedeutet.

Tobias Specker SJ, Frankfurt am Main

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EINGESANDTE BÜCHER

AMELUNG, Iwo/ SCHREIJÄCK, Thomas (Hg.), Religionen und gesellschaftlicherWandel in China. Iudicium München 2012, 168 p., Pb., 25,50 Eur[D], ISBN 978-3-86205-383-4.

In den letzten Jahren ist es in der VR China zu einer dramatischen Renaissancevon Religiosität gekommen. Längst vergessen geglaubte religiöse Traditionen le-ben wieder auf und neu entstandene religiöse Strömungen stoßen auf große Reso-nanz. Gleichzeitig gewinnen die christlichen Kirchen ständig an Anhängern – nichtnur in ihrer of�ziell anerkannten Form, sondern auch als nicht-institutionalisierteUntergrund- und Hauskirchen.Der vorliegende Band, der auf einer an der Goethe-Universität Frankfurt gemein-sam von Theologie Interkulturell und dem Interdisziplinären Zentrum für Ostasi-enstudien organisiertenRingvorlesung basiert, nähert sich diesen Phänomenen undversucht eine erste Bestandsaufnahme. Dabei bemüht er sich, die gegenwärtigenEntwicklungen in eine historische Perspektive einzubetten, die für das Verständnisvon Religion und gesellschaftlichem Wandel im China der Gegenwart unverzicht-bar ist.

ANDERSSEN-REUSTER, Ulrike / MEIBERT, Petra / MECK, Sabine (Hg.), Psychothe-rapie und buddhistisches Geistestraining. Methoden einer achtsamen Bewusstseinskul-tur, Schattauer Stuttgart 2013, 374 p., Hardcover, 49,99 Eur[D], ISBN 978-3-7945-2927-8.

Was die Psychotherapie vom Buddhismus lernen kann. Zurzeit erleben wir diezweite Welle der Rezeption buddhistischer Lehren. In der ersten Welle wurde vor-rangig Achtsamkeit rezipiert und für den Westen nutzbar gemacht. Nun werdengrundlegende und therapeutisch wertvolle Methoden zur Entwicklung von Mitge-fühl, Freude, Gleichmut und Liebe in die Psychotherapie integriert.Renommierte Fachleute vermitteln in diesem Band die Grundlagen der buddhis-tischen Psychologie aus einem wissenschaftlichen und säkularen Blickwinkel, je-doch zugleich mit viel Respekt vor der buddhistischen Praxis. Meditation, Geis-tesschulung und Gestaltung heilsamer Bewusstseinszustände werden in einer Füllevon praktischen Übungen aufgezeigt. Daneben werden spezi�sche Ansätze wie dieÜberwindung von ungünstigen Selbstkonzeptionen und die Transformation vonSchmerz und Leid durch Mitgefühl und Achtsamkeit dargestellt.Dieses Buch weitet den Horizont beträchtlich und bietet vielfältige Anregungenfür die therapeutische Praxis. Darüber hinaus zeigt es dem Therapeuten Auswegeaus der Burnout-Falle und vermittelt Haltungen und Methoden, wie mit Schmerzund Leid akzeptierend und offen umgegangen werden kann.„Der Ozean des Mitgefühls ist unermesslich – darum lächelt Buddha.“ (Buddhis-tische Weisheit)

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484 EINGESANDTE BÜCHER

ANSORGE, Dirk (Hg.), Das Zweite Vatikanische Konzil. Impulse und Perspektiven(Frankfurter Theologische Studien 70), Aschendorff Münster 2013, 473 p., Hardcover,29,00 Eur[D], ISBN 978-3-402-16057-2.

Fünfzig Jahre nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist die Diskussion um seineZielsetzung in der katholischen Kirche keineswegs zur Ruhe gekommen. Ganz imGegenteil: teils erbittert wird heute um die Form der Liturgie gestritten, das Ver-hältnis der Ortskirchen zur universalen Kirche, die Gestalt des kirchlichen Amtes,den Umfang von Inkulturation, die Ökumene und die Beziehung zu den nicht-christlichen Religionen. Welche Akzente wollten die Konzilsväter setzen – undwelche Entwicklungen haben sie tatsächlich angestoßen? Wie sind die nachkon-ziliaren Entwicklungen theologisch zu beurteilen? Und welche Aufgaben stellensich Kirche und Theologie heute – an der Schwelle zum dritten Jahrtausend derKirchengeschichte?

ANTES, Peter. Christentum. Eine religionswissenschaftliche Einführung (Red Guide 6),LIT Berlin 2012, 216 p., Pb., 9,90 Eur [D], ISBN 978-3-643-11573-7.

Seit Jahrhunderten hat das Christentum Europa und seine Menschen geprägt:Kunst, Musik, Literatur, Philosophie, Naturwissenschaft und Recht. Unsere Feier-tage sind weitergehend christlichen Ursprungs, doch deren Bedeutung geht mit derSäkularisierung verloren. Notwendige Informationen bietet der Band: Der Atheisterfährt etwas über die Wurzeln seiner europäischen Kultur und für Christen kanndie nüchterne Sicht eine große Bereicherung sein.Peter Antes ist Professor für Religionswissenschaft an der Leibniz UniversitätHannover.

ARENS, Edmund/ BAUMANN, Martin / LIEDHEGENER, Antonius/ MÜLLER, Wolf-gang W./ RIES, Markus (Hg.), Integration durch Religion? Geschichtliche Befunde,gesellschaftliche Analysen, rechtliche Perspektiven (Religion-Wirtschaft-Politik 10), Pa-no Zürich 2014, 264 p., Pb., 30,00 Eur, ISBN 978-3-290-22024-2.

Religionen haben neue öffentliche Aufmerksamkeit gewonnen, weil sie in moder-nen Gesellschaften als Chance für Solidarität wie auch als Risiko für den Zusam-menhalt gelten. An der Universität Luzern untersuchen Wissenschaftler im For-schungsschwerpunkt „Religion und gesellschaftliche Integration in Europa“ (RE-GIE) mit einem interdisziplinären Zugang die Auswirkungen und Zusammenhän-ge. Ein erster Kongress vom Juni 2012 diente der Erhebung des aktuellen Diskus-sionsstandes, den der Band dokumentiert: Es geht um die Integrationsleistung vonReligion, um die integrative Wirkung religiöser Traditionen, Integrationskon�ikteinnerhalb von Gemeinwesen und um Aspekte des Rechts.

APPL, Karl-Friedrich/ BECKER, Dieter / BALZ, Heinrich/ KUNZ, Ralph/LIENEMANN-PERRIN, Christine/ NEHRING, Andreas/ NEU, Rainer/ NEUMANN,Wolfgang / TRIEBEL, Johannes (Hg.), Interkulturelle Theologe. Zeitschrift für Missi-onswissenschaften, 3/3013-39. Jahrgang, Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2013, Pb.,6,50 Eur [D], ISSN 1867-5492

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EINGESANDTE BÜCHER 485

erscheint im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Missionswissenschaft und derBasler Mission in Fortführung des Evangelischen Missions-Magazins (seit 1816)und der Evangelischen Missions-Zeitschrift

AXT-PISCALAR, Christine, Was ist Theologie? Klassische Entwürfe von Paulus biszur Gegenwart, Mohr Siebeck Tübingen / UTB 2013, 390 p., Pb., 24,99 Eur[D], ISBN978-3-8252-3579-6.

Was ist Theologie? Wie ist Gotteserkenntnis möglich? Wie verhalten sich Vernunftund Glaube zueinander? Was steht im Zentrum der Theologie? Christine Axt-Piscalar arbeitet das spezi�sche Pro�l klassischer Entwürfe der Theologie herausund lässt so die Vielgestaltigkeit ersichtlich werden, von der die Theologie durchihre Geschichte hindurch bestimmt war und ist. Zudem führt sie in einschlägigeKonzeptionen der Philosophie (Platon, Descartes, Kant, Hegel) ein und zeigt, wiediese die Frage nach der Möglichkeit der Gotteserkenntnis und den Bestimmun-gen vernunftgemäßer Rede von Gott behandeln. Die Darstellung ist von einemproblemgeschichtlichen Zugang geleitet und erarbeitet zentrale Fragestellungen,die für jede Verständigung über Aufgabe und Bedeutung von Theologie grundle-gend sind. Die Interpretation zentraler Textpassagen bietet einen Einstieg in daseigenständige Studium der einzelnen Werke und wird ergänzt durch Lektürehin-weise.

BAIER, Karl / WINTER, Franz (Hg.), Altern in den Religionen (Schriftenreihe derÖsterreichischen Gesellschaft für Religionswissenschaft 6), LIT Wien Berlin 2013, 312p., Pb., 29,90 Eur[D], ISBN 978-3-643-50477-7.

Wie antworten Religionen auf die Herausforderung eines veränderten Verständnis-ses des Alters und Alterungsprozesses? Der vorliegende Band will aus der Sichtder Religionswissenschaft sowie verwandter Disziplinen einen Beitrag zu einembesseren Verstehen dieser existenziellen Frage und ihrer Beantwortung zu leisten.Der demogra�sche Wandel erfordert eine auf soziale Realitäten bezogene Zu-gangsweise. Gemessen an der Gesamtbevölkerung wächst der Anteil der älteren,aber zugleich oft aktiven Menschen. Dabei tauchen nicht nur die Probleme der so-zialen Absicherung, der P�ege und der Fürsorge auf, sondern es zeigen sich ebensoveränderte spirituelle Fragen und religiöse Interessen

BARTH, Hans-Martin, Konfessionslos glücklich. Auf dem Weg zu einemreligionstranszendenten Christsein, Gütersloher Verlagshaus 2013, 272 p., Hardco-ver, 19,99 Eur [D], ISBN 978-3-579-08161-8.

Leise ist dieses Buch, doch radikal in seinen Fragen und herausfordernd in denKonsequenzen, die es zieht. Hans-Martin Barth fragt im ersten Teil seines Werkesnach der Religiosität des Menschen. In sorgfältiger Darstellung des gegenwärti-gen Forschungsstandes zeigt er: Menschen sind nicht „von vorneherein“ religiös!Wenn immer mehr Frauen und Männer Kirche, Konfession und Religion als fürihr Leben belanglos emp�nden, dann verwirklichen sie nur eine der menschlichen

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Möglichkeiten, das Leben zu deuten. Es geht auch ohne Religion und – es gehtgut!Ist also das Christentum in Europa dem Untergang geweiht? Nein, meint Hans-Martin Barth. Aber wer verhindern will, dass das Christsein in Zukunft bestenfallsnoch in einer sektenhaften Sonderwelt weiter existiert, der muss Wege �nden, dieBotschaft Jesu jenseits von Konfession und Religion neu zu sagen. Das verlangtradikalen Wandel: In der Theologie und der Sprache des Glaubens, im Verständnisder Kirche und in ihrer Struktur, in der Weise des kirchlichen Handelns in Liturgieund Präsenz in der Welt. Ein aufrüttelndes Werk – hellsichtig und berührend.

BAUSCHKE, Martin, Der Sohn Marias. Jesus im Koran, Lambert Schneider Darmstadt2013, 209 p., Hardcover, 29,90 Eur[D], ISBN 978-3-650-25190-9.

Das Buch bietet eine umfassende und einzigartige Darstellung des koranischenJesus. Berücksichtigt werden dabei sämtliche 120 Verse des Korans, die von Je-sus handeln. Somit liegt ein wichtiges Standardwerk vor für alle, die am Islam unddem Dialog zwischen Christen und Muslimen interessiert sind.Jesus ist dem Koranzufolge ein von Gott Gesandter, der als der Sohn Marias den Menschen durch Wortund Wundertat den Weg wahrer Gotteshingabe weist. Die Kenntnisse von diesemkoranischen Jesus sind immer noch relativ klein. Dabei spielt Jesus mittlerweileim Dialog zwischen Christen und Muslimen eine zentrale Rolle. Der Autor, derseit vielen Jahren im christlich-islamischen Dialog engagiert ist, legt hiermit seinStandardwerk in einer vollständig überarbeiteten und stark erweiterten Neufas-sung vor. Berücksichtigt werden sämtliche rund 120 Verse des Korans über Jesus.Muslimische Korankommentatoren kommen ebenso zu Wort wie die Ergebnisseder eigenen historisch-kritischen Beschäftigung des Autors mit dem Koran. DasBuch ist eine umfassende Darstellung und zugleich ein unentbehrlicher Ratgeberfür alle, die im Dialog zwischen Christen und Muslimen tätig sind und eignet sichebenso für generell am Koran Interessierte.

BECHERT, Heinz, Der Buddhismus in Süd- und Südostasien. Geschichte und Gegen-wart, Kohlhammer Stuttgart 2013, 308 p., Pb., 36,90 Eur [D], ISBN 978-3-17-022429-2.

Der Buddhismus hat sich im Laufe seiner langen Geschichte über den größten Teilvon Süd-, Südost-, Zentral- und Ostasien ausgebreitet. In großen Teilen Asiens,vor allem westlich von Indien, ist der Buddhismus durch den Islam, in seinem Ur-sprungsland Indien selbst durch den Hinduismus verdrängt worden, ist aber heu-te noch in vielen Ländern Asiens die bedeutendste Religion geblieben. In dieserVielfalt von Kulturen hat sich der Buddhismus dank seiner großen Anpassungsfä-higkeit entwickeln und erhalten können. So sucht man an der Ober�äche oft verge-bens die Einheitlichkeit, die sich in Christentum und Islam in Grundzügen �ndet.Gleichwohl gibt es so etwas wie eine „Welt des Buddhismus“, in der gemein-same Grundsätze Geltung haben. Bechert stellt dies am Beispiel des Theravada-Buddhismus mit seinen Entwicklungen von den Anfängen bis in die Gegenwartmeisterlich dar. Der vorliegende Text basiert auf einer in den Jahren 2004 und2005 von Heinz Bechert an der Universität Wien gehaltenen Vorlesung, bearbeitetund herausgegeben von Ernst Steinkellner.

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BECKER, Dieter, Mission verstehen (Missionswissenschaftliche Forschungen 28), Er-langer Verlag für Mission und Ökumene Neuendettelsau 2012, 240 p., Pb., 26,00 Eur[D],ISBN 978-3-87214-358-7.

Das Thema Mission ist für die christlichen Kirchen von bleibender Bedeutungund wird in verschiedenen Zusammenhängen zu Recht immer neu diskutiert. DieAufsätze dieses Bandes stellen das christliche Glaubenszeugnis in hermeneutischeund missionsgeschichtliche Kontexte. Sie durchdenken Themen wie Bekehrungund Konversion und beleuchten die Aufgabe von ökumenischer Partnerschaft undSolidarität. Die Texte erzählen vom schlichten Staunen über ein unerwartetes Wir-ken des Geistes Gottes an fremden Orten und re�ektieren das Glaubenszeugnisvon Christen in der Begegnung mit Menschen anderer Religion. Der Verfasser trittein für das Erfordernis der wissenschaftlichen Bearbeitung dieser Themen und füreine Stärkung des universitären Fachbereiches der Interkulturellen Theologie.

BEDENBENDER, Andreas (Hg.), Judäo-Christentum. Die gemeinsame Wurzel vonrabbinischem Judentum und früher Kirche, Bonifatius Paderborn 2012, 196 p., Pb., 24,90Eur[D], ISBN 978-3-89710-469-3.

Religionsgeschichtlich standen sich das rabbinische Judentum und die frühe Kir-che näher, als beiden wohl lieb war. Wie Jakob und Esau stritten sie um Erwäh-lung und heilsgeschichtlichen Primat, aber wie Jakob und Esau stammten sie, alsungleiche Zwillinge, von ein und derselben Mutter ab, dem Judentum um die Zei-tenwende. Zwischen den beiden entstehenden Orthodoxien entwickelte sich dar-um ein komplexes Wechselspiel aus Faszination und Abstoßung. Der amerikani-sche Judaist Daniel Boyarin erkennt hier einen „Kessel zerstrittener, dissonanter,manchmal freundlicher, öfter feindseliger, üppiger religiöser Produktivität“, fürden er in einem seither viel diskutierten Buch den Begriff „Judäo-Christentum“einführte. In enger Orientierung an einschlägigen Quellentexten beschäftigen diesich in diesem Band versammelten Beiträge mit verschiedenen Aspekten des„Judäo-Christentums“. Das Buch ist insbesondere für jene gedacht, die sich vomNachdenken über die gemeinsame Wurzel von rabbinischem Judentum und frü-her Kirche neue Impulse für die Auslegung neutestamentlicher oder rabbinischerTexte erhoffen. Das Judentum um die Zeitenwende: Ursprung sowohl des rab-binischen Judentums als auch der frühen Kirche – ein komplexes Wechselspielaus Faszination und Ablehnung! Sich an einschlägigen Quellentexten orientierend,untersucht die Beitragssammlung verschiedene Aspekte des Judäo-Christentums.Die spannende Lektüre erschließt neue Zugangsweisen für jüdische und christli-che Theologen und Exegeten; an der Frühgeschichte des Christentums und denKirchenvätern Interessierte; Mitglieder der Gesellschaften für christlich-jüdischeZusammenarbeit, am christlich-jüdischen Dialog Interessierte.

BEHLOUL, Samuel M./ LEUENBERGER, Susanne / TUNGER-ZANETTI, Andreas(eds.), Debating Islam. Negotiating Religion, Europe and the Self, Transcript Bielefeld2013, 372 p., Pb., 32,99 Eur[D], ISBN 978-3-8376-2249-2.

Conspicuously, Islam has become a key concern in most European societies withrespect to issues of immigration, integration, identity, values and inland security.

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As the mere presence of Muslim minorities fails to explain these debates convin-cingly, new questions need to be asked: How did”Islam“ become a topic? Whotakes part in the debates? How do these debates in�uence both individual as wellas collective „self-images“ and”image of others“?Introducing Switzerland as an under-researched object of study to the academicdiscourse on Islam in Europe, this volume offers a fresh perspective on the objec-tive by putting recent case studies from diverse national contexts into comparativeperspective.

BEINERT, Wolfgang / KÜHN,Ulrich (Hg.), Ökumenische Dogmatik. Friedrich PustetRegensburg 2013, 880 p., Hardcover, 78,00 Eur[D], ISBN 978-3-7917-2473-7.

Zwei Theologen mit jahrzehntelanger ökumenischer Erfahrung legen als Summeihrer Arbeit eine Darstellung der Hauptpunkte des christlichen Glaubens vor. IhreFragestellung: Wie weit, wie tief, wie umfassend können nach vielen Jahrhunder-ten der Spaltung und manchem Jahrzehnt Einigungsarbeit die Christenmenschenheute gemeinsam ihren Glauben bekennen?Das leitende Interesse: Die theologische Disziplin Dogmatik steht im Dienst derAufgabe aller Glaubenden – Gottes-Lehre (dogma) mündet in Gottes-Lob (doxa).Die Ökumenische Dogmatik verkündet zwar nicht das Ende der Trennung, abersie macht es erheblich schwieriger, diese weiterhin zu begründen.

BEINERT, Wolfgang/ STUBENRAUCH, Bertram (Hg.), Neues Lexikon der katholi-schen Dogmatik. Herder Freiburg, 6. völlig überarbeitete Au�age 2013 inkl. CD-Rom,720 p., Hardcover, 49,99 Eur[D], ISBN 978-3-451-34054-3.

Das vielfach bewährte Standardwerk in völlig neuer Bearbeitung bietet präziseGrundinformation zu allen wesentlichen Fragen des christlichen Glaubens aufdem neuesten Erkenntnisstand: leichten Zugang zu allen wichtigen Themen durchalphabetische Anordnung / rasche Orientierung aufgrund durchgehend gleicherGliederung der Artikel: biblische Grundlagen, dogmengeschichtlicher Aufriss,lehramtliche Aussagen, ökumenische Perspektiven, theologische Erläuterung, Li-teratur / hilfreiche Querverweise, die themenübergreifendeZusammenhänge sicht-bar machen / zahlreiche Schaubilder, Graphiken, Tabellen und ein ausführlichesSachregister zur übersichtlichen Orientierung / eine CD-Rom für die Arbeit amComputer.Unverzichtbar für das Theologiestudium und für alle jene, die theologische Kom-petenz suchen und vermitteln.

BERNHARDT, Reinhold/ SCHMIDT-LEUKEL, Perry, Interreligiöse Theologie. Chan-cen und Probleme (Beiträge zu einer Theologie der Religionen 11), Theologischer VerlagZürich 2013, 296 p., Pb., 29,20 Eur [D], ISBN 978-3-290-17718-8.

Interreligiöse Theologie behandelt theologische Fragen nicht nur auf der Basisder christlichen Tradition, sondern in Bezugnahme auf andere religiöse Traditio-nen. In diesem Programm bündeln sich Entwicklungen, die sich in den letzten 50

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Jahren in verschiedenen Bereichen der Theologie ergeben haben, wie z. B. Inter-kulturelle/Kontextuelle Theologie, Interreligiöser Dialog, Theologie der Religio-nen, Systematische Theologie im Horizont der Religionen, Komparative Theolo-gie, Interreligiöse Feministische Theologie. Die Religionswissenschaft ist dabeieine wichtige Gesprächspartnerin. Die Beiträgerinnen und Beiträger diskutierenmethodische und inhaltliche Fragen einer interreligiös arbeitenden Theologie, kon-kretisieren sie an exemplarischen Beispielen und erschliessen sowohl Probleme alsauch Chancen einer interreligiös ansetzenden Theologie. Mit Beiträgen von Rein-hold Bernhardt, Michael von Brück, Catherine Cornille, Ulrich Dehn, WolfgangGantke, Michael Hüttenhoff, Anja Middelbeck-Varwick, Marianne Moyaert, Sig-rid Rettenbacher, Perry Schmidt-Leukel, Werner Ustorf.

BERNLOCHNER, Max, Interkulturell-interreligiöse Kompetenz. Positionen und Per-spektiven interreligiösen Lernens im Blick auf den Islam, Ferdinand Schöningh Paderborn2013, 390 p., Pb., 49,90 Eur[D], ISBN 978-3-506-77665-5.

Das interreligiöse Gespräch zwischen den Religionen wird meist nur auf einereinzigen Gesprächsebene geführt. Die Gesprächspartner argumentieren entwederlebenspraktisch oder historisch und – nicht selten – aneinander vorbei. Der Autorstellt hier ein didaktisches Modell zur Diskussion, das für die Konzeption gemein-samer Lernphasen mit christlichen und muslimischen Schülerinnen und Schülernwertvolle Grundlagen und Entscheidungshilfen bietet.Bei der interkulturell-interreligiösen Begegnung von Christen und Muslimen giltes, verschiedene Lebenswelten, Glaubensüberzeugungenund ethische Lebenskon-zepte gleichermaßen miteinander ins Gespräch zu bringen.

BEUTEL, Albrecht, Gerhard Ebeling. Eine Biographie, Mohr Siebeck Tübingen 2012,606 p., Hardcover, 49,00 Eur[D], ISBN 978-3-16-150447-1.

Gerhard Ebeling (1912-2001) hat die deutschsprachige evangelische Theologienach 1945 maßgeblich gestaltet. Als führender Lutherforscher, Hermeneutiker,Dogmatiker und Fundamentaltheologe, dazu als ein�ußreicherWissenschaftsorga-nisator prägte er über Jahrzehnte hinweg die Konturen und Konstellationen theo-logischer Sachre�exion. Frühe Impulse, die er namentlich von Dietrich Bonhoef-fer und Rudolf Bultmann emp�ng, vermochte er in seiner eigenen, weit ausstrah-lenden Lehr- und Forschungstätigkeit durch kritisch aneignende Transformationfruchtbar zu machen. Das vorliegende Lebensbild schöpft aus einem reichhalti-gen, zu erheblichen Teilen in Privatarchiven verwahrten Quellenmaterial. Dadurchkann es erstmals auch die geistige Verwurzelung Ebelings in der BekennendenKirche und die lebenslangen Prägungen, die ihm daraus erwachsen sind, tiefen-scharf rekonstruieren. Durchgehend wird der engen Ver�echtung von Biographieund Theologie, die für Ebeling in überraschender Intensität wichtig geworden ist,Beachtung geschenkt. Insgesamt entsteht dabei das theologische Charakterbild ei-nes Menschen, der auf Kollegen, Schüler und Weggefährten, auf Kirche, Theo-logie und Gesellschaft bedeutenden Ein�uß ausübte und dem es dank hoher Be-gabung und Selbstdisziplin auf besondere Weise vergönnt war, Leben in Werk zu

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verwandeln. Am Leitfaden einer außergewöhnlichen Biographie erschließen sichnicht nur Zusammenhänge der jüngsten Theologie- und Zeitgeschichte, sondernzugleich auch elementare Voraussetzungen, von denen die evangelische Theologieund Kirche der Gegenwart zehren.

BIESINGER, Albert / KIESSLING, Klaus / JAKOBI,Josef / SCHMIDT, Joachim (Hg.),Interreligiöse Kompetenz in der beruflichen Bildung. Pilotstudie zur Unterrichtsfor-schung (Religion und beru�iche Bildung 6), LIT Münster 2011, 168 p., Pb., 19,90 Eur[D],ISBN 978-3-643-10796-1.

Angesichts der Herausforderungen einer pluralen Gesellschaft, in der Menschenunterschiedlicher Ethnien, Sprachen, Prägungen und Religionen zusammenleben,wird die Entwicklung interreligiöser Kompetenz unter Jugendlichen zu einembildungstheoretischen und bildungspraktischen Muss. Band 6 der Reihe „Reli-gion und beru�iche Bildung“ dokumentiert eine Pilotstudie zur Unterrichtsfor-schung. In der Auseinandersetzung mit den monotheistischen Weltreligionen Ju-dentum, Christentum und Islam kommen kommunikative und didaktische Prozessein Gang, die in Fachklassen des dualen Systems in drei Bundesländern exempla-risch videogra�ert und erforscht wurden. Die Ergebnisse präzisieren, wie sich ver-schiedene Dimensionen interreligiöser Kompetenz im Unterricht zeigen, Unter-richtsbeispiele veranschaulichen Lernprozesse unter Schülerinnen und Schülern,didaktisch zeichnen sich Chancen und Grenzen der Entwicklung interreligiöserKompetenz ab. Diese Veröffentlichung resultiert aus der Zusammenarbeit des Ka-tholischen Instituts für berufsorientierteReligionspädagogik an der Universität Tü-bingen mit dem Seminar für Religionspädagogik, Katechetik und Didaktik an derHochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main.

BIGGAR, Nigel, In Defence of War. Oxford University Press 2013, 384 p., Hardcover,25,00 GB£, ISBN 978-0-19-967261-5.

Paci�sm is popular. Many hold that war is unnecessary, since peaceful means ofresolving con�ict are always available, if only we had the will to look for them.Or they believe that war is wicked, essentially involving hatred of the enemy andcarelessness of human life. Or they posit the absolute right of innocent individualsnot to be deliberately killed, making it impossible to justify war in practice. Pe-ace, however, is not simple. Peace for some can leave others at peace to perpetratemass atrocity. What was peace for the West in 1994 was not peace for the Tutsisof Rwanda. Therefore, against the virus of wishful thinking, anti-military carica-ture, and the domination of moral deliberation by rights-talk In Defence of Warasserts that belligerency can be morally justi�ed, even though tragic and morally�awed. Recovering the Christian tradition of re�ection running from Augustine toGrotius, this book af�rms aggressive war in punishment of grave injustice. Moral-ly realistic in adhering to universal moral principles, it recognises that moralitycan trump legality, justifying military intervention even in transgression of positi-ve international law-as in the case of Kosovo. Less cynical and more empiricallyrealistic about human nature than Hobbes, it holds that nations desire to be morally

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virtuous and right, and not only to be safe and fat. And aspiring to practical rea-lism, it argues that love and the doctrine of double effect can survive combat; andthat the constraints of proportionality, while real, are nevertheless suf�ciently per-missive to encompass Britain’s belligerency in 1914-18. Finally, in a painstakinganalysis of the Iraq invasion of 2003, In Defence of War culminates in an accountof how the various criteria of just war should be thought together. It also concludesthat, all things considered, the invasion was justi�ed.

BISCHOF, Franz Xaver/ BREMER, Thomas / COLLET,Giancarlo / FÜRST, Alfons,Einführung in die Geschichte des Christentums. Herder Freiburg 2014, 640 p., Pb.,29,99 Eur[D], ISBN 978-3-451-31210-6.

Diese „Einführung in die Geschichte des Christentums“ benutzt gegenüber chro-nologischen Darstellungen ein neues Konzept: In drei zentralen Themenblöckenwerden kirchenhistorische Entwicklungen in ihrer regionalen Vielfalt behandelt.Ausgehend von Zeiten und Räumen (Ausbreitungsgeschichte) gelangt das Verhält-nis von Kirche und Welt/Staat im Lauf der Zeiten in den Blick, schließlich wirddie innere Entwicklung des Christentums (kirchliche Ämter, Lehrentwicklung undKonzilien, Mönchtum und Orden) skizziert. Ein spannender Entwurf, der Bekann-tes und Unbekanntes in neuem Licht erscheinen lässt.

BÖHM, Otto/ KATHEDER, Doris (Hg.), Grundkurs Menschenrechte. Die 30 Artikel.Kommentare und Anregungen für die politische Bildung, Band 1: Präambel, Artikel 1-5,Echter Würzburg 2012, 272 p., Pb., 19,90 Eur[D], ISBN 978-3-429-03503-7.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte umfasst eine Präambel und 30 Ar-tikel. Systematisch jeden Einzelnen davon in den Fokus zu nehmen und für Inter-essierte auch ohne spezi�sche Vorbildung zugänglich zu machen, ist das Anliegender Reihe „Grundkurs Menschenrechte“. In fünf Bänden werden neben den histo-rischen Entstehungsbezügen vor allem wesentliche, im jeweiligen Menschenrechtrelevante Kommentierungen und aktuelle Kontroversen herausgearbeitet und fürdie politische Bildung fruchtbar gemacht. Die Reihe bietet ein kompaktes Grund-wissen über die Menschenrechte und alle ihre Artikel, vermittelt Einsichten in ih-re Anliegen und gibt viele Anregungen für weiterführende Auseinandersetzungenin pädagogischen und politischen Handlungsfeldern. Ein besonderes Anliegen istdabei die Sensibilisierung für aktuelle Diskriminierungsperspektiven und das Auf-greifen weiterer im Menschenrechtediskurs spannender Schwerpunkte (Band 1:Inklusion).

BÖHM, Otto/ KATHEDER, Doris (Hg.), Grundkurs Menschenrechte. Die 30 Artikel.Kommentare und Anregungen für die politische Bildung, Band 2: Artikel 6-11, EchterWürzburg 2013, 259 p., Pb., 19,90 Eur[D], ISBN 978-3-429-03522-8.

Jeden Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte systematisch in denFokus zu nehmen ist das Anliegen dieser fünfbändigenReihe. Darin werden vor al-lem im jeweiligen Menschenrecht relevante Kommentierungen und aktuelle Kon-troversen herausgearbeitet und für die politische Bildung fruchtbar gemacht. Im

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Band 2 wird erklärt, wie grundlegend „das Recht, Rechte zu haben“ ist; wie damitder Person-Status von Menschen nicht nur gefeiert, sondern auch gesichert wirdund wie im Alltag des Rechtsverkehrs, aber auch in gesellschaftlichen Kon�iktsi-tuationen BürgerInnenrechte als substanzielle und doch auch fragile Güter behaup-tet werden müssen. Mit diesem Element politischer Bildung positioniert sich derBand 2 gegen populistische Stimmungen, die von mangelndem Menschen-Rechte-Verständnis pro�tieren.

BÖHM, Otto/ KATHEDER, Doris (Hg.), Grundkurs Menschenrechte. Die 30 Artikel.Kommentare und Anregungen für die politische Bildung, Band 3: Artikel 12-17, EchterWürzburg 2013, 259 p., Pb., 19,90 Eur[D], ISBN 978-3-429-03522-8.

Im dritten Band des fünfbändigen „Grundkurses Menschenrechte“ geht es um zweiunterschiedliche Gruppen von Rechten. Zum einen um die Rechte, die ein frei-es Privatleben garantieren. Denn jede Person ist in ihrer Privatsphäre vom Staat,aber auch von medialen und gesellschaftlichen Akteur_innen zu respektieren. Zumanderen um die Gruppe von Rechten, die jene Menschen schützt, die Teil vonweltweiten und regionalen Wanderungsbewegungengeworden sind. Staatsangehö-rigkeitsund Niederlassungsfragen, Flucht und Migration sind kon�iktreiche Auf-gaben des internationalen Menschenrechteschutzes. Außerdem im vorliegendenBand: ein Special zu Asyl goes LGBTI von Christine Burmann, Politikwissen-schaftlerin.

BOEHME, Katja (Hg.), Wer ist der Mensch? Anthropologie im interreligiösen Lernenund Lehren (Religionspädagogische Gespräche zwischen Juden, Christen und Muslimen4) Frank & Timme Berlin 2013, 286 p., Pb., 28,00 Eur[D], ISBN 978-3-86596-463-2.

Auf die philosophisch wie theologisch gewichtige Frage nach Herkunft und Ziel,Leib und Seele, Freiheit und Schuld, Mann und Frau, Individualität und Sozialitätdes Menschen versuchen die großen Weltreligionen seit jeher Antworten zu geben.Diese anthropologische Frage bestimmt grundlegend das Verständnis der Bezie-hungskoordinaten, in die der Mensch gestellt ist: zu sich selbst, zum Mitmenschen,zur Schöpfung und zu Gott. Mit Beiträgen zur Anthropologie aus jüdischer, katho-lischer, evangelischer und islamischer Feder, die durch philosophische und reli-gionswissenschaftliche Abhandlungen ergänzt werden, bietet der Band Anknüp-fungspunkte für das interreligiöse religionspädagogische Gespräch über den Men-schen. Und weil alle Bildungsprozesse in Schule und Hochschule vom jeweiligenMenschenbild geprägt sind, wird zudem ein erprobtes Modell interreligiösen Be-gegnungslernens vorgestellt, das für die Praxis des Dialogs und seine Umsetzungin Bildungseinrichtungen anregende Impulse bereithält.

BOSCH, David J., Mission im Wandel. Paradigmenwechsel in der Missionstheologie,TVG Brunnen Giessen 2013, 736 p., Hardcover, 60,00 Eur[D], ISBN 978-3-7655-9561-5.

Die 1991 unter dem Titel „Transforming Mission“ herausgegebene Missionstheo-logie des südafrikanischen Missionswissenschaftlers David J. Bosch hat sich welt-

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weit zu einem der Standardwerke in der Missionstheologie entwickelt. Im eng-lischsprachigen Kontext zählt es zu den bedeutendsten theologischen Veröffentli-chungen des 20. Jahrhunderts.Bosch geht von einem ganzheitlichen Missionsverständnis aus und gründet diesesim Zeugnis der Bibel. Die Kirche hat seiner Auffassung nach nicht, neben vie-len anderen Aufgaben, „auch noch“ missionarisch nach außen zu wirken, sondernMission, ihre Sendung in die Welt, ist geradezu ihr Wesen.In diesem Werk werden die unterschiedlichen Paradigmen verschiedener kirchen-geschichtlicher und gegenwärtiger Verständnisse von Mission aufgezeigt. DerHauptteil ist einem aufbrechenden ökumenischen Missionsverständnis gewidmet.

BREMER, Thomas/ GAZER, Rafik H./ LANGE, Christian (Hg.), Die orthodoxen Kir-chen der byzantinischen Tradition. WBG Darmstadt 2013, 215 p., Hardcover, 29,90Eur[D], ISBN 978-3-534-23816-3

Das Buch gibt einen allgemein verständlichen, kompakten Überblick in Geschich-te, Glauben und Liturgie der orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition.Nach einer allgemeinen Einführung in ihre Geschichte werden die orthodoxenKir-chen verschiedener Prägung und Nationen, von Bulgarien bis Russland, von Alba-nien bis Rumänien einzeln besprochen. Die Autoren stellen heutige Strömungenorthodoxer Theologie vor und blicken auf das Verhältnis der orthodoxen Kirchezum Staat und zur Ökumene. Übersichtstabellen, Karten und Gra�ken erleichternden Gebrauch. Ihre klare Gliederung und die umfassenden Verzeichnisse machendiese Einführung zu einem unverzichtbaren Überblickswerk.

BRINKMAN, Martien E., Jesus Incognito. The Hidden Christ in Western Art since 1960(Currents of Encounter / Studies on the contact between christianity and other religions,beliefs, and cultures 47), Rodopi Amsterdam / New York 2013, 240 p., Pb., 50,00 Eur,ISBN 978-90-420-3623-9.

In this book Martien Brinkman explores the Jesus incognito as found in Western�lm, literature, and the visual arts since 1960. His interest here is focused primarilyon indirect references to the Jesus �gure. To his surprise, he found an abundanceof allusions to Jesus in key �gures in modern art. This con�rmed his view that�lm, literature, and the visual arts make a substantial contribution, even in secularWestern culture, to continuing re�ection on Jesus‘ signi�cance.Brinkman �nds important characteristics of a hidden Christ in �lms by GabrielAxel, Ingmar Bergman, Krzysztof Kieslowski, and Lars von Trier, novels by PeterDe Vries, J.M. Coetzee, and Arnon Grunberg, poems by Les Murray and CzeslawMilosz, and paintings by Andy Warhol, Harald Duwe, and Frans Franciscus. Hede�nes a hidden Christ as a �ctional human individual who can be seen as a newembodiment of the meaning that can be attributed in the present to the biblical�gure of Jesus. The hidden Christ is therefore a contemporized Jesus �gure.This book will be of interest for everyone who shares Brinkman’s quest for thisJesus incognito.

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CLAVER, Francisco F., Der Aufbau einer Ortskirche. Vermächtnis eines philippini-schen Bischofs (Salzburger Theologische Studien 44 – interkulturell 9), Tyrolia Innsbruck2011, 256 p., Pb., 28,00 Eur, ISBN 978-3-7022-3149-1.

In einer Zeit großer Verunsicherung und drängender Probleme in der katholischenKirche erscheint dieses Buch als Vermächtnis des philippinischen Bischofs Fran-cisco F. Claver wie ein befreiendes Geschenk für eine kirchliche Erneuerung. AufsEngste verbunden mit der philippinischen Kirchenbasis und feinfühlig für ihre An-liegen nimmt der charismatische Kirchenführer und Professor an der Universitätder Jesuiten in Manila den Geist und die Texte des Zweiten Vatikanums erfrischendmutig auf. In seinem Buch zeigt er, wie in dialogischer Partizipation und Mitver-antwortung aller Glieder der Kirche an jedem Ort und in jeder Kultur lebendigeKirche entstehen kann. In ihrer je eigenen Kultur engagieren sich kleine kirchli-che Basisgemeinschaften bei gemeinsamer Schriftlesung und unter Führung desHeiligen Geistes in Kirche und Gesellschaft.Bischof Claver hat sich über Jahrzehnte in der Ortskirche der Philippinen für dieseArt von Kirche eingesetzt. Sein prophetisches Wirken wird auch andere Ortskir-chen in der ganzen Welt inspirieren.

CLOONEY,Francis X., Komparative Theologie. Eingehendes Lernen über religiöseGrenzen hinweg, Ferdinand Schöningh Paderborn 2013, 166 p., Pb., 24,90 Eur[D], ISBN978-3-506-77656-6.

Eine Gesellschaft mit religiöser Vielfalt braucht den vergleichenden Blick auf ver-schiedene Religionen. Daher ist die Komparative Theologie aktueller denn je. Die-se einzigartige Einführung zeigt tiefe Einblicke in die neuen globalen Zusammen-hänge der menschlichen Religiosität und stellt die Disziplin, ihre Methodik, An-sätze und Chancen vor und lotet Stärken und Grenzen aus. Dabei veranschaulichenu.a. konkrete hinduistisch-christliche Beispiele, wie tieferes Verständnis der reli-giösen Vielfältigkeiten um uns herum zu erlangen ist.Der Leser kann sich auf 30 Jahre Erfahrung des Autors in diesem Fachgebiet ver-lassen, um sich im Feld der komparativen Theologie zu orientieren. Unsere inter-religiöse Umgebung gibt nicht nur Anlass, über den Glauben unserer Nachbarn zulernen, sondern auch von ihnen.

CORNILLE, Catherine / MAXEY, Jillian (Eds.), Women and Interreligious Dialogue(Interreligious Dialogue Series 5), Wipf and Stock Eugene 2013, 260 p., Pb., 29,00 US$,ISBN 978-1-60608-294-2.

Though women have been objects more often than subjects of interreligious dia-logue, they have nevertheless contributed in signi�cant ways to the dialogue, justas the dialogue has also contributed to their own self-understanding.This volume, the �fth in the Interreligious Dialogue Series, brings together histo-rical, critical, and constructive approaches to the role of women in the dialoguebetween religions. These approaches deal with concrete examples of women’s in-volvement in dialogue, critical re�ections on the representation of women in dia-logue, and the important question of what women might bring to the dialogue.

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Together, they open up new avenues for re�ection on the nature and purpose ofinterreligious dialogue.

DANZ, Christian, Grundprobleme der Christologie. Mohr Siebeck Tübingen / UTB2013, 290 p., Pb., 22,99 Eur[D], ISBN 978-3-8252-3911-4.

Unter den Erkenntnisbedingungen der Moderne sind sowohl der Gegenstand alsauch die überlieferte Lehrgestalt der dogmatischen Christologie in eine tiefgreifen-de Krise geraten. Die historische Kritik hat die Stifter�gur des Christentums ent-zaubert, und die Kritik am Dogma wies zunehmend die Aporien und Unhaltbarkeitder klassischen Person- und Werkchristologie auf. Christian Danz setzt bei den vonder neueren Jesusforschung formulierten Fragen nach dem Verhältnis von Glaubeund Geschichte an. Er lotet auf der Grundlage der Problemgeschichte der Chris-tologie von den neutestamentlichen Anfängen bis zur gegenwärtigen Diskussiondie Möglichkeiten einer zeitgemäßen Christologie aus, die sowohl den erkenntnis-theoretischen als auch den historischen Anfragen an die überlieferte dogmatischeChristologie Rechnung trägt.

D’COSTA, Gavin / KNITTER, Paul/ STRANGE, Daniel, Only One Way? Three Chris-tian Responses on the Uniqueness of Christ in a Religiously Plural Word, SCM PressNorwich 2011, 240 p., Pb., 25,00 GB£, ISBN 978-0-334-04400-0.

This book presents three different, in�uential and representative theological ap-proaches towards the world religions. Students are not only introduced to the �eld,but get three passionate and intelligent ‚takes‘ on what is at stake. By means of aresponse to each of the primary essays, the authors are put into interaction witheach other, and are also engaged with the most contemporary scholarship in the�eld of theology of religions.This sustained and high level critical interaction bet-ween the authors provides a feature that is not to be found in any other current workin theology of religions. The three views represent: conservative Roman CatholicChristianity (D’Costa), Reformed evangelical Christianity (Strange) and liberatio-nist liberal Christianity (Knitter). This book will therefore appeal to a very widetheological market from all sections of the theological spectrum. An exceptionalresource for the general reader or student of theology, this volume succinctly in-troduces the three major Christian positions on religious diversity. Written withtheological precision, readable prose and autobiographical detail, the dialogicalformat puts the reader at the center of an intimate conversation where she can fol-low closely the moves each theologian makes to defend his position. Simply put,the exchange illuminates the very different stances Christian theologians take inthe response to other religions, and helps readers to see the diverse methodologi-cal options for a Christian theology of religious pluralism. This book should berequired reading in seminary, congregation and classroom!

DEMEL, Sabine (Hg.), Vergessene Amtsträger/-innen? Die Zukunft der Pastoral-referentinnen und Pastoralreferenten, Herder Freiburg 2013, 264 p., Hardcover, 16,99Eur[D], ISBN 978-3-451-32596-0.

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Fachleute aus Theorie und Praxis wenden sich in diesem Band den aktuellen Her-ausforderungen für die PastoralreferentInnen zu. Sie analysieren die neuen Rah-menstatuten für die Berufsgruppe aus biblischer, dogmatischer, kirchenrechtlicherund pastoraltheologischer Sicht und prüfen diese auf ihre Praxistauglichkeit. Einerhellendes Buch zur Zukunft der PastoralreferentInnen und der Pastoral über-haupt.Mit Beiträgen von Sabine Bieberstein, Sabine Demel, Christian Domes, Fre-derike Dostal, Eva-Maria Faber, Leo Karrer, Werner Kleine, Georg Köhl und Bar-bara Kückelmann.

DESELAERS, Manfred (Hg.), Dialog an der Schwelle von Auschwitz. Band II – Per-spektiven einer Theologie nach Auschwitz (Bibliothek des Zentrums für Dialog und Ge-bet in Oswiecim 10), UNUM Krakow-Oswiecim 2011, 237 p., Pb., 15,00 Eur, ISBN 978-83-7643-070-6.

Das Buch „Dialog an der Schwelle von Auschwitz“ versammelt Vorträge, die wäh-rend der Seminare „Am Rande von Auschwitz“ im Zentrum für Dialog und Ge-bet in Oswiecim gehalten wurden. Die Autoren sind: Manfred Deselaers, HalinaBirenbaum, Wieslaw Jan Wysocki, Marian Kolodziej, Teresa Swiebocka, LukaszKamykowski, Sacha Pecaric, Klaus Kienzler, Michael de Goedt, Marek Nowak,Hanspeter Heinz, Michael A. Signer.

DIECKMANN, Elisabeth/ SAJAK, Clauß Peter (Hg.), Weißt du, wer ich bin? Initiati-ven und Projekte für das interreligiöse und interkulturelle Lernen (Forum Religionspäd-agogik interkulturell 24), LIT Münster 2014, 208 p., Pb., 24,90 Eur[D], ISBN 978-3-643-12299-5.

„Weißt du, wer ich bin?“ Unter diesem Motto haben Juden, Christen und Muslimeüber mehrere Jahre zusammengearbeitet, um das friedliche Zusammenleben derReligionen in Deutschland zu fördern. Mit kreativen Initiativen wurden vielfältigeMöglichkeiten erschlossen, einander kennenzulernen, Verbindendes zu entdeckenund Unterschiede zu verstehen und zu respektieren. Das Projekt „Weißt du, werich bin?“ wurde von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschlandzusammen mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland, dem Zentralrat der Mus-lime in Deutschland und der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion(DITIB) getragen. Dieses Buch fasst den Ertrag des Projekts zusammen und re-�ektiert Perspektiven für den Dialog zwischen Juden, Christen und Muslimen.

EHLERS, Joachim, Otto von Freising. Ein Intellektueller im Mittelalter, C.H.BeckMünchen 2013, 383 p., Hardcover, 29,95 Eur[D], ISBN 978-3-406-65478-7.

Als Bischof Otto von Freising 1158 im Alter von kaum 46 Jahren starb, hatte er –auch für einen Menschen im Mittelalter – seinen Lebensweg zeitig abgeschrit-ten. Er war als fünfter Sohn des Markgrafen Leopold III. von Österreich und derAgnes, Tochter Kaiser Heinrichs IV., zur Welt gekommen. Als Enkel und Neffevon Kaisern, Halbbruder eines Königs, Bruder von Herzögen und eines Bischofsgehörte er zur Spitze der Gesellschaft – und ein Spitzenamt in dieser Gesellschaftsollte er nach dem Willen seiner Familie auch dereinst bekleiden. So schickte man

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ihn zum Studium nach Paris, damit er dort jene Techniken erwerben sollte, dererman bedurfte, wenn man die weltlichen und geistlichen Angelegenheiten der Zeitbeherrschen wollte. Paris aber glich damals einem intellektuellen Laboratorium.Hier begannen die Schulen, das aus der heidnischen und christlichen Antike über-lieferte Wissen systematisch zu organisieren, Curricula für Studien zu entwickelnund damit der gelehrten Arbeitsweise einer ganzen Epoche die Basis zu schaffen:dem scholastischen Denken, das im 13. und 14. Jahrhundert seine größte Wirkungentfalten sollte. Unter diesen mannigfaltigen Ein�üssen entwickelte sich Otto zueiner Persönlichkeit von markanter Eigenständigkeit und suchte für sich den Wegdes Geistes und des Gebets in einem französischen Zisterzienserkloster, bevor erals Bischof und Reichsfürst einer der großen philosophisch-theologischen Schrift-steller des Mittelalters wurde. Joachim Ehlers läßt in seinem faszinierenden Buchdie Welt des Hochmittelalters wiedererstehen und macht uns vertraut mit den intel-lektuellen und politischen Kon�iktlinien, die sich in der Persönlichkeit Ottos vonFreising kreuzten.

EVANGELISCHE KIRCHE IN DEUTSCHLAND KIRCHENAMT (Hg.), Gelobtes Land?Land und Staat Israel in der Diskussion. Eine Orientierungshilfe, Gütersloher Verlagshaus2012, 144 p., Pb., 6,99 Eur [D], ISBN 978-3-579-05966-2.

Die hier vorgelegte Orientierungshilfe greift ein ebenso aktuelles wie sensiblesund zugleich herausforderndes Thema in einer Zeit auf, in der viele Christinnenund Christen angesichts der ungelösten politischen Kon�ikte im Nahen Osten ver-unsichert sind. Sie fragen nach politischen Lösungswegen, einem angemessenenVerständnis des Staates Israel aus christlicher Sicht und einer theologisch verant-worteten und zeitgemäßen Deutung biblischer Landverheißungen.Die Orientierungshilfe benennt Aspekte jüdischen und muslimischen Verständnis-ses des Landes Israel und der Stadt Jerusalem. Die Kirchengeschichte des „Heili-gen Landes“ wird ebenso skizziert wie die gegenwärtige Situation der Kirchen inder Region und unterschiedliche theologische Argumentationsmuster.Leserinnen und Lesern wird damit die Chance geboten, die komplexe Thematikaus verschiedenen Perspektiven in den Blick zu nehmen, um so zu einem begrün-deten, eigenständigen Urteil zu kommen. So ist diese Orientierungshilfe eine ArtReiseführer durch das von Verheißungen geprägte Land Israel. Sie bringt sowohldie starke Verbundenheit der Christen mit Israel und Palästina als auch ihre Ver-antwortung für alle im Nahen Osten lebenden Menschen zum Ausdruck.

FIRESTONE, Reuven, Holy War in Judaism. The Fall and Rise of a Controversial Idea,Oxford University Press New York 2012, 384 p., Hardcover, 25,99 GB£, ISBN 978-0-986030-2.

Holy War in Judaism is the �rst book to consider how the concept of „holy war“disappeared from Jewish thought for almost 2000 years, only to reemerge with re-newed vigor in modern times. Holy war, sanctioned or even commanded by God, isa common and recurring theme in the Hebrew Bible, but Rabbinic Judaism largelyavoided discussion of holy war in the Talmud and related literatures for the simple

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reason that it became extremely dangerous and self-destructive. The revival of theholy war idea occurred with the rise of Zionism, and as the need for organized Je-wish engagement in military actions developed, Orthodox Jews faced a dilemma.There was great need for all to engage in combat for the survival of the infant stateof Israel, but the Talmudic rabbis had virtually eliminated divine authorization forJews to �ght in Jewish armies. The �rst stage of the revival was sanction for Jewsto �ght in defense. The next stage emerged with the establishment of the state andallowed Orthodox Jews to enlist even when the community was not engaged ina war of survival. Once the notion of divinely sanctioned warring was revived, itbecame available to Jews who considered that the historical context justi�ed moreaggressive forms of warring. Among some Jews, divinely authorized war becameassociated not only with defense but also with a renewed kibbush or conquest, aterm that became central to the discourse regarding war and peace and the landsconquered by the state of Israel in 1967. By the early 1980’s, the rhetoric of ho-ly war had entered the general political discourse of modern Israel. In this bookReuven Firestone identi�es, analyzes, and explains the historical, conceptual, andintellectual processes that revived holy war ideas in modern Judaism. The bookserves as a case study of the way in which one ancient religious concept, oncedeemed irrelevant or even dangerous, was successfully revived in order to �ll apressing contemporary need. It also helps to clarify the current political and reli-gious situation in relation to war and peace in Israel and the Middle East.

FISCHER, Irmtraud, Macht – Gewalt – Krieg im Alten Testament. GesellschaftlicheProblematik und das Problem ihrer Repräsentation (Quaestiones disputatae 254), HerderFreiburg 2013, 416 p., Pb., 32,00 Eur[D], ISBN 978-3-451-02254-8.

Die Thematik Macht/Gewalt/Krieg durchzieht das gesamte Alte Testament. Ge-walt gegen Kinder, gegen alte Menschen, gegen Feinde, Gewalt im Geschlech-terverhältnis, politische Gewalt, göttliche Gewalt – ist Gott ein gewaltliebender,gewalttätiger Gott? Wie ist das alles zu verstehen, wie können wir damit umge-hen?

FISHER, James T. / MCGUINNESS, Margaret M. (Eds.), The Catholic Studies Rea-der. Fordham University Press New York 2011, 468 p., Pb., 32,00 US$, ISBN 978-0-8232-3411-0.

The Catholic Studies Reader is a rare book in an emerging �eld that has neither adocumented history nor a consensus as to what should be a normative methodo-logy. Dividing this volume into �ve interrelated themes central to the practice andtheory of Catholic Studies—„Sources and Contexts,“ „Traditions and Methods,“„Pedagogy and Practice,“ „Ethnicity, Race, and Catholic Studies,“ and „The Ca-tholic Imagination“—the editors provide readers with the opportunity to under-stand the great diversity within this area of study.Readers will �nd informative essays on the Catholic intellectual tradition and Ca-tholic social teaching, as well as re�ections on the arts and literature. This provo-cative and enriching collection is valuable not only for scholars but also for lay and

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EINGESANDTE BÜCHER 499

religious Catholics working in Catholic education in universities, high schools, andparish schools.

FÖCKING, Marc / GOETZ, Hans-Werner (Hg.), Ungläubige, Teufelsdiener, Abtrün-nige . . . Der Umgang mit Andersgläubigen in Geschichte und Gegenwart (Hamburgergeisteswissenschaftliche Studien zu Religion und Gesellschaft 3), LIT Berlin 2012, 216p., Pb., 24,90Eur[D], ISBN978-3-643-11911-7.

Bei der Frage nach den Wechselbeziehungen zwischen Religion und Gesellschaftspielt das Verhältnis zu jeweils Andersgläubigen eine entscheidende Rolle als In-dikator für den Stellenwert der Religion in Kultur und Gesellschaft einer Epoche.Auf einer sozialen Ebene enthüllt es den Umgang mit Andersgläubigen, auf derideologischen Ebene die – oft stereotype – Wahrnehmung der anderen Religionenund zugleich das jeweils eigene Selbstverständnis, und es bringt verschiedene For-schungszugänge in den Blick. Die zwölf Beiträge dieses Bandes gehen solchenFragen aus der Sicht mehrerer Disziplinen in verschiedenen Epochen, Kulturkrei-sen und Religionen von der Spätantike bis zur Gegenwart nach.

GÄRTNER, Stefan/ KLÄDEN, Thomas/ SPIELBERG, Bernhard (Hg.), PraktischeTheologie in der Spätmoderne. Herausforderungen und Entdeckungen (Studien zurTheologie und Praxis der Seelsorge 89), Echter Würzburg 2014, 332 p., Pb., 36,00 Eur[D],ISBN 978-3-429-03652-2.

Wie stellt sich die Praktische Theologie der religiösen, kulturellen und gesell-schaftlichen Situation der Gegenwart? Der Band dokumentiert die Ergebnisse desvon der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekts pastoraltheologi-scher Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler. Diskutiert werden diegrundsätzlichen Herausforderungen an eine gegenwartssensible Theologie. Dane-ben werden charakteristische Signaturen der Spätmoderne beschrieben. Schließ-lich zeigen die Autorinnen und Autoren in Portraits bekannter evangelischer undkatholischer Theologinnen und Theologen deren je eigene Zugänge zur Zeit undbefragen diese kritisch auf ihre aktuelle Anschlussfähigkeit.

GILES, Chery A./ MILLER, Willa B. (Eds.), Arts of Contemplative Care. PioneeringVoices in Buddhist Chaplaincy and Pastoral Work, Wisdom Publications Somerville MA2012, 368 p., Hardcover, 34,95 US$, ISBN 978-0861716647.

Powerful and life-af�rming, this watershed volume brings together the voices ofpioneers in the �eld of contemplative care-from hospice and hospitals to colleges,prisons, and the military. Each �rst-person essay offers a distillation of the wisdomgained over years of experience, and vividly shows days-in-the-life of the each pas-toral worker. The stories told here are sure inspire-whether you are a professionalcaregiver or are simply called to serve through giving care. This is a book that canchange lives.

GMAINER-PRANZL, Franz/ NAORTANGAR, Rodrigue M. (Hg.), Christlicher Glaubeim heutigen Afrika. Beiträge zu einer theologischen Standortbestimmung (Salzburger

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Theologische Studien 49 – interkulturell 13), Tyrolia Innsbruck 2013, 382 p., Pb., 34,00Eur, ISBN 978-3-7022-3289-4.

Die Wahl von Papst Franziskus hat es deutlich gemacht: Die meisten Christen le-ben auf der südlichen Halbkugel der Erde, allein in Afrika sind es annähernd 500Millionen. Unter den zehn Staaten der Erde mit den meisten Christen scheinen mitNigeria (81 Millionen), Kongo (63 Millionen) und Äthiopien (53 Millionen) dreiafrikanische Länder auf. Doch Wachstum ist nicht das einzige Kennzeichen desafrikanischen Christentums. Theologie und Kirche sind in vielen Ländern von tiefgreifenden Umbrüchen geprägt. Nach kolonial bestimmten Anfängen und einer in-tensiven Suche nach der eigenen Kultur hat eine Re�exion über den Ort des christ-lichen Glaubens in Afrika eingesetzt und mit dieser gesellschaftlichen und kirchli-chen Transformation setzt sich dieser Sammelband auseinander. Afrikanische undeuropäischeTheologinnen und Theologen unternehmen aus unterschiedlichen Per-spektiven eine Standortbestimmung, die (1) ein Licht auf die postkoloniale RealitätAfrikas wirft, (2) zentrale Fragen und Problemstellungen systematischer Theolo-gie im afrikanischen Kontext aufzeigt und (3) konkrete Herausforderungen undEntwicklungen des Lebens der christlichen Gemeinden diskutiert.

GMAINER-PRANZL, Franz (Hg.), Christus und die Religionen der Erde. In welchemBekenntnis begegnet Gott? (Kardinal-König-Bibliothek 2), Styria Graz, 170 p., Hardco-ver, 16,99 Eur, ISBN 978-3-222-13401-2.

Franz König war nicht nur ein vielseitig interessierter und gebildeter Theologe,der den Dialog über kulturelle, politische, weltanschauliche und religiöse Gren-zen hinweg suchte, sondern auch ein ausgewiesener Religionswissenschaftler. AlsErzbischof von Wien sowie als wichtiger Repräsentant des Zweiten VatikanischenKonzils verband er religionswissenschaftliche Kompetenz, weltkirchliche Kom-munikationsfähigkeit und pastorale Erfahrung zu einem beeindruckenden Ganzenund wurde dadurch zu einem „Brückenbauer“ der besonderen Art.Das vorliegende Buch zeichnet wichtige Wegstationen Franz Königs nach: seinereligionswissenschaftlichen Studien, die in das Werk „Christus und die Religionender Erde“ (1951) sowie in sein „Religionswissenschaftliches Wörterbuch“ (1956)mündeten, seine Mitarbeit an der Entstehung des Konzilsdokuments „Nostra Ae-tate“, sein Engagement im interreligiösen Dialog sowie seine Stellungnahmen zu(inter-)religiösen Fragen bis ins hohe Alter, denkt man etwa an seinen Beitrag im„Tablet“ kurz vor seinem Tod, in dem er den religionstheologischen Ansatz vonJacques Dupuis SJ verteidigte. Leben und Werk von Kardinal Franz König ermu-tigen auf außerordentliche Weise dazu, die Botschaft des christlichen Glaubens ineiner globalen Welt „mit Klugheit und Liebe, durch Gespräch und Zusammenar-beit mit den Bekennern anderer Religionen“ („Nostra Aetate 2“) zu vertreten.

GOBIET, Roland, Kollegienkirche Salzburg. Das Meisterwerk des J. B. Fischer vonErlach (Salzburger Beiträge zur Kunst und Denkmalp�ege VII), Pustet Salzburg 2013,280 p., Hardcover, 45,00 Eur, ISBN 978-3-7025-0730-5.

Eine der großartigsten Barockkirchen hierzulande. Die Salzburger Kollegienkir-che wird nach zehnjähriger Restaurierung/Sanierung feierlich wiedereröffnet. Der

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prächtige Bild-Text-Band setzt sich neben der detaillierten Dokumentation dersel-ben auch damit auseinander, was dieses europäische Bauwerk spätbarocker Prä-gung so einzigartig und bedeutend macht. Neben der Darstellung der archivali-schen Quellen, der Geschichte und Ausstattung des Kirchenbaus werden auch dasgeistliche Programm und die „Invention“ am Beispiel der Altargestaltung mit ihrerStuckglorie (mit der genialen, nun wiederhergestellten Lichtführung) veranschau-licht. Zudem werden die Probleme der Restaurierung ebenso wie die zukünftigeNutzung des Baus zu kulturellen Zwecken behandelt. Eine Kooperation zwischender Österreichischen Denkmalp�ege und dem World Monuments Fund.

GOETZ, Hans-Werner, Die Wahrnehmung anderer Religionen und christlich-abendländisches Selbstverständnis im frühen und hohen Mittelalter (5. – 12. Jahr-hundert). Akademie Berlin 2013, Bd. 1: I-X, S. 1-410, Bd. 2: I-X, S. 411-942, gesamt 942p., Hardcover, 44,80 Eur[D], ISBN 978-3-05-005937-2.

Die Wahrnehmung der anderen Religionen seitens der abendländischen Chris-ten im Mittelalter ist ein wichtiges kulturwissenschaftliches Thema, das in einem‚Zeitalter des Glaubens‘ nicht nur einen wesentlichen Bereich der Vorstellungs-welt erschließt, sondern in der Fremdwahrnehmung auch das christliche Selbst-verständnis in seiner spezi�sch mittelalterlichen Ausprägung erkennen lässt. Dieaus einem Advanced Grant-Projekt des European Research Council hervorgegan-gene, geschichtswissenschaftliche Studie untersucht auf der Grundlage eines sehrunterschiedlichen Forschungsstandes in einem breiten zeitlichen, räumlichen undgattungsmäßigen Spektrum und nach bestimmten Leitfragen Terminologie, Wis-sen, Funktion, Bewertung, Verständnis, Einordnung und Vergleich aller damalsbekannten Religionen: der Heiden, Muslime, Juden, Häretiker und Griechisch-Orthodoxen. Einschlägige Schriften werden dabei ebenso berücksichtigt wie dasüber zahlreiche Äußerungen verteilte, verbreitete, gerade auch stereotype Bild derAnderen. Die Frage, was man in diesem Sinne unter Heiden oder Häretikern ansich verstanden hat und wie sich die Religionen jeweils vom Christentum abgren-zen, spielt hier eine ebenso große Rolle wie die Einschätzung, ob Muslime undJuden im Mittelalter als dem Christentum näher stehende Monotheisten anerkanntoder ob Häretiker und Orthodoxe überhaupt als Christen wahrgenommen wordensind. Solche Fragen werden hier in diesem Umfang erstmals systematisch für dasBild aller anderen Religionen und vor allem zum ersten Mal vergleichend unter-sucht. Das Buch bietet daher fundierte Einblicke in die mittelalterlichen Vorstel-lungswelten und deren Bedeutung für den Umgang der Religionen miteinander.Die mittelalterliche Wahrnehmung anderer Religionen berührt zudem ein auch fürdie heutige Gesellschaft und Wissenschaft wichtiges Thema in geschichtswissen-schaftlicher Perspektive.

GREGUR, Josip /HOFMANN, Peter /SCHREIBER, Stefan (Hg.), Kirchlichkeit undEucharistie. Intradisziplinäre Beiträge der Theologie im Anschluss an 1 Kor 11,17-34,Pustet Regensburg 2013, 272 p., Pb., 29,95 Eur[D], ISBN 978-3-7917-2490-4.

Die gemeinsame Antrittsvorlesung der drei Herausgeber an der Universität Augs-burg thematisierte das Herrenmahl bzw. die Eucharistie als Zentrum kirchlicher

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Einheit und theologischer Erkenntnis, aber auch als Ort der Gruppenbildung undSpaltung. Die regen Folgediskussionen, bei denen weitere historische und theo-logische Aspekte des Themas zur Sprache kamen, zeigten erneut, wie aktuell derDiskurs um die Eucharistiefeier als Zeichen und als Wesensgrund der Einheit derKirche, aber auch als Manifestation der Gefährdung dieser Einheit ist. Die hierveröffentlichten Beiträge setzen auf eine Vielfalt der Zugänge und spannen einenweiten Bogen von biblischen Erkundungen über geschichtliche Ausprägungen bishin zu systematischen Grundlegungen und praktischen Perspektiven. Die Heraus-geber lehren an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Augsburg.

GRESCHAT, Martin, Der erste Weltkrieg und die Christenheit. Ein globaler Über-blick, Kohlhammer Stuttgart 2013, 164 p., Pb., 24,90 Eur [D], ISBN 978-3-17-022653-1.

In allen kriegführenden europäischen Staaten wie auch in den USA herrschte dieÜberzeugung vor, dass der Erste Weltkrieg als Verteidigungskrieg, als gerech-ter Krieg geführt wurde, bei dem man Gott auf der eigenen Seite wusste. DieseÜberzeugung proklamierten die Europäer auch in ihren Kolonien in Asien undAfrika. Daraus resultierte eine schrittweise Distanzierung der indigenen Bevölke-rung von den Kolonialmächten, die Förderung eines eigenen Nationalismus sowieein wachsendes Selbstbewusstsein der Christen in diesen Gebieten. Im Fokus derDarstellung stehen die of�ziellen und of�ziösen Verlautbarungen der christlich-kirchlichen Repräsentanten, die dadurch die in der Öffentlichkeit weitgehend ak-zeptierte Deutungshoheit ausübten. Es zeigte sich jedoch, dass dieser Anspruchzunehmend gebrochen und bestenfalls partiell die Menschen an der Front und inder Heimat überzeugte.

GRIFFITH, James L., Religion hilft, Religion schadet. Wie der Glaube unsere Gesund-heit beein�usst, WBG Darmstadt 2013, 304 p., Hardcover, 39,90 Eur[D], ISBN 978-3-534-24310-5.

In einer Zeit, in der eine Rückkehr zu spirituellen und religiös-moralisch de�-nierten Werten festzustellen ist, treten zunehmend zwei Phänomene zutage: ZumEinen wird immer stärker die heilende Kraft der Religion auf gläubige Menschenbei der Behandlung von Krankheiten sichtbar. Viele Mediziner sind überzeugt,dass gläubige Menschen besser mit ihrer Krankheit fertig werden und höhere Hei-lungschancen haben. Doch warum ist das so? Zum Anderen zeigt sich, dass immermehr Fälle von geistiger Verwirrung ebenfalls religiös motiviert sind. Dies reichtvon harmlosen psychischen Problemen bis hin zu extremen Schizophrenien, reli-giös motiviertem Selbstmord oder Amoklauf. Die Ambivalenz der Auswirkungenvon Religion, die offenbar gleichermaßen zu heilen oder zu schaden vermag, wirdim vorliegenden Band erstmals zusammengefasst und anhand von konkreten Fall-beispielen aus der medizinischen Praxis erläutert.

GRUBER, Judith, Theologie nach dem Cultural Turn. Interkulturalität als theologi-sche Ressource (ReligionsKulturen 12), Kohlhammer Stuttgart 2013, 258 p., Pb., 36,90Eur[D], ISBN 978-3-17-022963-1.

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Wie lässt sich der christliche Einheits- und Universalitätsanspruch angesichts derfaktischen Pluralität partikularer Theologien normativ begründen? Das Projekt,Theologie interkulturell zu betreiben, sucht Antworten auf diese Frage: mit derfundamentaltheologischen Verhältnisbestimmung von der Partikularität und Uni-versalität des Evangeliums, von Einheit und Differenzen in Theologien, von Nor-mativität und Kontingenz christlicher Gottesreden. Gruber stellt zunächst in his-torischen Skizzen den Weg zur interkulturellen Theologie dar, um dann eine fun-damentaltheologische Interpretation im Rahmen einer Theologie nach dem Cultu-ral Turn zu entwerfen: Interkulturalität, postkolonial als Raum der Differenz undRaum der Absenz entworfen, wird zu einer theologischen Ressource.

GRUBER, Judith (Hg.), Theologie im Cultural Turn. Erkenntnistheologische Erkun-dungen in einem veränderten Paradigma (Salzburger interdisziplinäre Diskurse 4), PeterLang Frankfurt am Main 2013, 233 p., Hardcover, 52,95 Eur[D], ISBN 978-3-631-64463-8.

Der Paradigmenwechsel des Cultural Turn verändert religiöse Wissensformen undstellt Theologie unter einen veränderten Theoriedruck. Zur Debatte stehen damitneue erkenntnistheologische Fragestellungen: Wie verändert die Partikularität vonWissen die christliche Erfahrung, Verehrung und Konzeptualisierung Gottes? Wiewird die Pluralität von christlichen Traditionen vermessen – und wie verhält sichihre Normativität zu ihrer Kontingenz? In welchen Räumen eröffnen sich loci theo-logici – und wo lässt sich der christliche Universalanspruch verorten? In welchenPraktiken wird christliches Wissen verkörpert – und wie konditionieren diese In-karnationen eine Rede von Gott? Und nicht zuletzt: Unter welchen diskursivenVoraussetzungen wird die Machtförmigkeit theologischen Wissens re�ektiert?

HAAS, Alois M./ BINOTTO, Thomas, Meister Eckhart – der Gottsucher. Aus derEwigkeit ins Jetzt, Kreuz Freiburg, 160 p., Hardcover, 16,99 Eur[D], ISBN 978-3-451-61230-5.

Eine systematische Lehre hat er nicht hinterlassen: Meister Eckhart, Brückenbauerzwischen den Religionen, ist ein Fixstern der Mystik und seit bald 800 Jahren ei-ne nie versiegende Quelle der Anregung und Herausforderung für alle, die sich aufdie Gottsuche machen. Alois M. Haas, weltweit einer der renommiertesten KennerEckharts, und der Kulturjournalist Thomas Binotto entdecken und beschreiben inihrer leicht lesbaren Einführung Meister Eckharts Werk als zugleich uralt und tau-frisch. ‚Meister Eckhart ist kein mystischer Akteur, er ist ein mystisches Ereignis.‘(Alois Haas)

HAMMER, Stefan/ HUSEIN, Fatimah (Eds.), Religious Pluralism and ReligiousFreedom. Religions, Society and the State in Dialogue, Contributions to the Austrian-Indonesian Dialogue, Center for Religious and Cross-Cultural Studies Yogykarta – Gad-jah Mada University Yogyakarta / Department of Legal Philosophy, Law of Religion andCulture – University of Vienna, 221 p., Pb., ISBN 978-602-17781-3-5.

In an environment of increasing religious pluralism, The State’s responsibility forthe protection of equal religious freedom for all is gaining in importance. Yet the

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more religion tends to assert a public role, the more the State must be able to counton the recognition by religions themselves of religious pluralism and religiousfreedom also for others. This requires an opening of eligions not only towards eachother, but also towards modernity and its paradigms of legitimacy. Only then canreligions assume their share in answering the growing need for dialogue that en-gages not only religious communities but also civil society at large, and the State.This volume comprises paper, panel statements, and lectures presented and dis-cussed on the occasion of the 2nd Indonesian-Austrian Dialogue Symposium heldin Yogyakarta on 22-24 Sept. 2010 as well as during the 3rd Austrian-IndonesianDialogue Symposium held in Vienna and Salzburg on 6-11 June 2011. The variousissues dealt with in this volume re�ect the multiple dimensions in which religioncan and indeed does acquire heightened signi�cance in today’s world. What emer-ges from all this is the growing need for dialogue that engages not only religiouscommunities but also civil society and the democratic public at large, als well aspolitical actors.

HARTL, Herbert, Christliche Weisheit und neues Mensch-Sein. Leben und Werk desKleinen Bruders Heinz R. Schmitz, Auf den Spuren Charles de Foucaulds und JacquesMartains, Echter Würzburg 2013 (Studien zur systematischen und spirituellen Theologie50), 383 p., Pb., 36,00 Eur[D], ISBN 978-3-429-03620-1.

Die Studie stellt einen Ordensmann vor, dessen philosophisches und theologischesWerk im deutschen Sprachraum bis heute unbekannt ist. Heinz R. Schmitz (1936–1982), geb. in Viersen, tritt 1959 dem katholischen Orden der Kleinen Brüder Je-su bei, der sich von Charles de Foucauld herleitet. Während des ordensinternenTheologiestudiums in Toulouse kommt es zur Begegnung mit Jacques Maritain,der nach dem Tod seiner Frau Raïssa als Gast bei den Brüdern lebt. Zwischen ih-nen entwickelt sich eine geistige Verbundenheit, aus welcher ein eigenständigesWerk hervorgeht. Darin konfrontiert Heinz R. Schmitz – von der Denkbasis einerin ihm lebendigen thomanischen Tradition aus – das christliche, von der Weis-heit des Evangeliums geprägte Menschenbild mit jenem, das aus dem „deutschenDenken“ von Martin Luther an über Jakob Böhme bis hin zu Martin Heideggerund Ernst Bloch hervorgegangen ist. Sein Werk, das zur Gänze auf Französischverfasst ist, wird dank der vorliegenden Studie gleichsam in seine Mutterspracheheimgeholt.

HARTMANN, Richard, Was kommt nach der Pfarrgemeinde. Chancen und Perspekti-ven, Echter Würzburg 2013, 104 p., Pb., 12,90 Eur[D], ISBN 978-3-429-03625-6.

Die Volkskirche geht nicht zu Ende,sie ist zu Ende. Weil das so ist, ist auch die„Pfarrgemeinde“ anders geworden; spüren die Gemeinden, dass meist nur be-stimmte Menschen, bestimmte Milieus an ihrem Leben teilnehmen, sind sie im-mer wieder konfrontiert mit klaren Erwartungen an sie, ohne dass dem eine Be-reitschaft zu fester Bindung entspräche. Richard Hartmann will keinen weiterenBeitrag leisten, der dem nachtrauert, was einmal war. Skeptisch gegenüber vielenIdealisierungen von Kirche und Pfarrgemeinde früherer Jahrzehnte, beschreibt er

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wichtige Konsequenzen aus den Veränderungen und skizziert Wege, die in eineZukunft führen, die schon längst die Zukunft Gottes ist. Es geht darum, Freiräumezu schaffen, Entfaltungsräume für Lebensentwürfe und für die Glaubenspraxis derMenschen in ihrer Sehnsucht nach Freiheit und Lebenssinn.

HAUSCHILDT, Eberhard / POHL-PATALONG, Uta, Kirche (Lehrbuch PraktischeTheologie 4), Gütersloher Verlagshaus 2013, 480 p., Pb., 29,99 Eur [D], ISBN 978-3-579-05990-7.

Umfassende Einsichten in Gestalt, Gegenwart und Zukunft der KircheWas ist Kirche? Welche Gestalt kann Kirche zukünftig gewinnen und auf welcheAufgaben sollte sie sich dabei konzentrieren? – Auf dem Hintergrund aktueller Re-formdebatten erschließt dieses Lehr-buch die Geschichte des Kirchenbegriffs undder sich wandelnden Kirchenbilder, analysiert die Wahrnehmungen von Kirche inder Gegenwart, fragt nach den realen kirchlichen Organisations-formenund entwi-ckelt einen erweiterten Blick auf das Verständnis von Kirchenmitgliedschaft. DieAutoren spüren der Ver�ochtenheit von Partizipation und Leitung in der Kirchenach und identi�zieren schließlich sechs Grundaufgaben, die sich in den unter-schiedlichen Handlungsfeldern der Kirche verwirklichen. Umfassende Einsichtenfür Studierende und für alle, die in der Praxis an der Kirche mitgestalten.

HEDGES, Paul, Controversies in Interreligious Dialogue and the Theology of Reli-gions (Controversies in Contextual Theology Series), SCM Press Norwich 2011, 287 p.,Pb., 30,00 GBPD, ISBN 978-0-334-04211-2.

Controversies in Interreligious Dialogue and the Theology of Religions providesa guide and critical extension to contemporary controversies in the theology ofreligions and interfaith dialogue.

HEFT, James L. S.M.(Ed.), Catholicism and Interreligious Dialogue, Oxford Univer-sity Press New York 2011, 224p., Pb., 29,95 US$, ISBN 978-019-982789-3.

An up-to-date, critical assessment of the Catholic Church’s involvement in inter-religious dialogue.Not only offers an evaluation of the present state of dialogue between the CatholicChurch and other world religions, but actually engages in that very dialogue.

HEINZMANN, Richard/ ANTES, Peter/ THURNER, Martin/ SELCUK, Mualla/ AL-BAYRAK, Halis, Lexikon des Dialogs. Grundbegriffe aus Christentum und Islam, Band1 (Abendmahl – Kult), Band 2 (Kultur – Zwölferschiiten), Herder Freiburg 2013, 2 Bde.zus. 854 p., Hardcover, 38,00 Eur[D], ISBN 978-3-451-30684-6.

In Zeiten von Migration und Globalisierung wächst die Prägekraft der Religio-nen. Doch es wächst auch die Irritation, die sich aus dem Zusammentreffen derReligionen ergibt. Das Lexikon des Dialogs unternimmt erstmals das Wagnis, ei-ne christliche und eine muslimische Sicht auf die eigene Religion nebeneinanderzu stellen. Theologen aus Deutschland und der Türkei erklären die Grundbegrif-fe ihrer Religion, stellen sie nebeneinander und laden so ein, das Eigene und das

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Fremde besser zu verstehen. Eine unerlässliche Orientierung für das Zusammen-leben von Christen und Muslimen in einer demokratischen Gesellschaft.

HENKEL, Jürgen/ WYRWOLL, Nikolaus (Hg.), Askese versus Konsumgesellschaft.Aktualität und Spiritualität von Mönchtum undOrdensleben im 21. Jahrhundert (Deutsch-Rumänische Theologische Bibliothek 4),Schiller Bonn 2013, 470 p., Hardcover, 19,90Eur[D],ISBN 978-3-941271-18-9.

Mönchtum, Klöster und Ordensleben wirken im diesseitsorientierten 21. Jahrhun-dert wie ein Anachronismus. Immer mehr Menschen vor allem im Westen wendensich von Kirchen und verbindlichen Formen christlicher Frömmigkeit ab. Kon-sumismus, Materialismus und Hedonismus sind für viele längst Ersatzreligion.Befriedigung meditativer Bedürfnisse wird bei fernöstlichen Religionen gesucht,statt auf den reichen Schatz christlicher Spiritualität zurückzugreifen. Gleichzei-tig erfreut sich „Kloster auf Zeit“ großer Beliebtheit. Welchen Beitrag können dasMönchtum, Klöster und Ordensgemeinschaften zur Vermittlung der christlichenSpiritualität heute leisten?Autorinnen und Autoren aus Australien, Belgien, Deutschland, Österreich, Rumä-nien, der Schweiz und Tschechien bieten in diesem Band eine bisher einzigarti-ge kirchenübergreifende Bestandsaufnahme des geistlichen Anspruchs und Wir-kens der Klöster und Orden in Ost und West. Es äußern sich Bischöfe, orthodoxeund katholische Äbte sowie Angehörige der Orden der Augustiner, Benediktiner,Dominikaner, Franziskaner, Kapuziner, Karmeliter, Prämonstratenser, Trappisten,Zisterzienser, orthodoxer Klöster und evangelischer Gemeinschaften.

HOEPS, Reinhard (Hg.), Handbuch der Bildtheologie, Zwischen Zeichen und Präsenz(Band III), Schöningh Paderborn 2009, 647 p., Hardcover, 88,00 Eur[D], ISBN 978-3-506-76853-7.

Bilder sind aus der Vorstellungswelt des Christentums nicht wegzudenken. DieBilderfrage reicht tief in die historischen, aber auch in die systematischen Wurzelndes christlichen Bekenntnisses hinab. Sie markiert zugleich eine brisante Nahtstel-le zwischen christlicher Religion und europäischer Kultur. Die Bildtheologie gehtden Valenzen des Bildes im Christentum nach, entwickelt sie als durchgängigetheologische Perspektive und bringt sie in den Diskurs mit Kunst- und Kulturwis-senschaften ein.Das Handbuch der Bildtheologie gibt in vier Bänden eine gründliche Einführungin Phänomene, Begriffe und Geschichte des Bildes unter theologischen Gesichts-punkten. Wissenschaftler aus Theologie, Kunstgeschichte, Philosophischer Ästhe-tik, Kultur- und Medienwissenschaften entfalten die zentralen Fragestellungen, diedas Bild in theologischer Perspektive aufwirft, und umreißen die Schnittstellenzwischen theologischen, kunstwissenschaftlichen und philosophisch-ästhetischenBild-Diskursen.Der dritte Band versammelt die systematischen Eckpunkte, die eine theologischeTheorie der Medialität des Bildes auszeichnen. Im Zentrum steht zunächst der Wi-derstreit zwischen der Sichtbarkeit als dem wesentlichen Medium der Bildsprache

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und der grundsätzlichen Unsichtbarkeit Gottes, der mittels der Sichtbarkeit desBildes zur Sprache gebracht werden soll. Zudem �ndet sich das Bild als Mediumder Verkündigung, aber auch der Offenbarung, in einer spannungsvollen Wech-selbeziehung mit dem Medium des Wortes. Schließlich wird vom Bild mehr alsdie bloße Repräsentation der christlichen Botschaft, nämlich der gesteigerte Aus-druck wirklicher Präsenz erwartet. Das Spektrum der medialen Beanspruchung desBildes im Christentum reicht vom zeichenhaften Verweis bis zur realen Vergegen-wärtigung.

HOFF, Gregor M. / WINKLER, Ulrich (Hg.), Poesie der Theologie. Versuchsanord-nungen zwischen Literatur und Theologie: Bachl Lectures 2007-2011 (Salzburger Theo-logische Studien 45), Tyrolia Innsbruck 2012, 180 p., Pb., 19,00 Eur, ISBN 978-3-7022-3192-7.

Gottfried Bachl gehört zu den wichtigsten Theologen des deutschsprachigenRaums. Exemplarisch steht seine Eschatologie „Über den Tod und das Leben da-nach“ aus dem Jahr 1980 im „Lexikon der theologischen Werke“ neben den bedeu-tendsten Arbeiten der Theologiegeschichte. Wie seine anderen Publikationen lebtauch dieser Text vom eigenen Stil Bachls, der sich immer wieder in seiner ganzeigenen poetischen Vorstellungskraft durchsetzt. Nicht zufällig hat Bachl immeran der Grenze von Literatur und Theologie gearbeitet, um sie neu zu bestimmen,ja zu verschieben.Auf dieser Linie wurde Gottfried Bachl als Mitglied des PEN-Clubs aufgenom-men und die „Bachl-Lectures“ an der Universität Salzburg haben sie verfolgt. DasZiel dieser Lectures ist die Verortung der Theologie in den kulturellen Herausfor-derungen ihrer Gegenwart. Dabei geht es um diskursive Entdeckungsreisen, umVersuchsanordnungen zwischen Literatur und Theologie, um notwendige Blick-wechsel und um Irritationsangebote, die vom Werk des literarischen Theologenund theologischen Literaten Gottfried Bachl ausgehen.Der vorliegende Band dokumentiert zum 80. Geburtstag von Gottfried Bachl dieBachl-Lectures, erweitert um eine Einführung in das theologisch-literarische WerkBachls sowie ein ausführliches Gespräch mit ihm. Mit Beiträgen von Alois Halb-mayr, Karl-Josef Kuschel, Georg Langenhorst, Susanne Heine, Alex Stock, Mar-kus Orths, Barbara Vinken, Rudolf Habringer, Eckhard Nordhofen und HeinrichSchmidinger.

HOFF, Gregor M./ KÖRTNER, Ulrich H. J. (Hg.), Arbeitsbuch Theologiegeschichte.Diskurse. Akteure. Wissensformen (Bd. 2 / 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart), Kohlham-mer Stuttgart 2013, 416 p., Pb., 34,90 Eur[D], ISBN 978-3-17-019114-3.

Theologie entwickelt sich in Auseinandersetzungen, in Problem- und Kon�ikt-geschichten. Der zweite Band des Arbeitsbuchs Theologiegeschichte stellt acht-zehn Theologinnen und Theologen vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart vor,die entscheidend zur Lösung drängender Fragen beigetragen haben. BiographischeHinweise und werkgeschichtliche Koordinaten erlauben eine wissensgeschichtli-che Einordnung. Mit der Vorstellung eines Hauptwerks wird aufgezeigt, wie sich

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die theologischen Akteure den Herausforderungen ihrer Zeit gestellt haben. Be-deutende Einschnitte von der Reformation bis zum Zweiten Vatikanischen Konzilrahmen die Darstellung und lassen die longue durée theologischen Wissens sicht-bar werden. Abschließend werden Anfragen, Übergänge und Umstellungen be-stimmt, mit denen die pluralen Gestalten von Theologie im 21. Jahrhundert kon-frontiert sind. Im Panorama der Beiträge ergibt sich ein konzentrierter Überblicküber die Geschichte der Theologie, der die historischen Formationen als theoreti-sche Voraussetzungen heutiger Theologien erschließt.

HOFF, Gregor Maria (Hg.), Konflikte um Ressourcen – Kriege um Wahrheit. (Grenz-fragen 37), Alber Freiburg / München 2013, 430 p., Hardcover, 29,00 Eur[D], ISBN 978-3-495-48612-2.

Der vorliegende Band greift aus unterschiedlichen Wissenschaftsperspektiven Fra-gen der Kon�ikt und Kriegsforschung auf. Es geht dabei um die komplexe Erfas-sung von Kon�iktszenarien und die Analyse ihrer vielschichtigen Entstehungsbe-dingungen – mit einem besonderen Augenmerk auf die Entwicklungen des begon-nenen 21. Jahrhunderts. Im Zentrum stehen dabei Kon�ikte um Ressourcen sowieReligionen und Ideologien. Ressourcenkon�ikte gelten als eines der größten Si-cherheitsrisiken unserer Zeit. Kon�ikte um Rohstoffe wie Gesteine, Metalle undfossile Brennstoffe, aber auch um Böden, Wasser und Wälder hängen nicht al-lein von der absolut verfügbaren physischen Menge ab, sondern vielmehr von derrelativen Knappheit, also der ungleichen Verteilung der Vorkommen und der Zu-gangsrechte. Der Sammelband greift ebenfalls das Thema der „Kriege um Wahr-heit“ auf: Berührungspunkte verschiedener Kulturen, Religionen und Ideologienführen immer wieder zu Streitigkeiten und teils blutigen Auseinandersetzungen,die als Bürgerkriege oder aber auch als transnationale Aggressionen zutage tretenkönnen. Auf der Basis ihrer politologischen Bestimmung und einer philosophi-schen Begriffsklärung werden die verschiedenen Kon�iktszenarien einer Bedin-gungsanalyse unterzogen, um sie in ausgewählten Feldern mit konkreten Kon�ikt-szenarien und möglichen Lösungsstrategien zu konfrontieren. Mit Beiträgen von:Wolfgang Bergsdorf, Bernhard Bogerts, Stephan Borrmann, Christoph Horn, Pe-ter Neuner, Claude Ozankom, Eberhard Schockenhoff, Friedrich Steinhäusler, JanSzaif, Johannes Wallacher und Wolfgang Wickler.

HOFF, Gregor Maria (Hg.), Gefährliches Wissen. Salzburger Hochschulwochen 2013,Tyrolia Innsbruck 2013, 256 p., Pb., 21,00 Eur, ISBN 978-3-7022-3288-7.

In der global vernetzten Informationsgesellschaft wird Wissen zu einem brisan-ten Faktor. Versicherungen verfügen über die Krankheitsgeschichten ihrer Kundenund schaffen den gläsernen Patienten. Soziale Netzwerke speichern persönlicheDaten ihrer User und verbreiten seine Interessen und Obsessionen. Der Staat ver-folgt unsere elektronischen Fußabdrücke im Internet und verschiebt die Grenzender Privatsphäre. Dadurch zeichnen sich paradoxe Rückkopplungen ab: Was derFinanzierbarkeit der Sozialsysteme dienen soll, produziert Ausschließung aus ge-sellschaftlicher Solidarität. Was innere und äußere Sicherheit stärken soll, schafft

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über Datenlecks Unsicherheiten. Riskantes Wissen verspricht an den Börsen Ge-winn und kann in umso größere Verluste umschlagen.Aber auch kulturell vergessenes oder verdrängtes Wissen birgt Gefahren – zumBeispiel das vernachlässigte Wissen religiöser Traditionen um die ambigen Mo-mente ihrer Herkunft. Religionen verfügen über ein eigenes Wissen von Gott. Esbildet sich in den lehrförmigen Inhalten und gelebten Grundsätzen der Religionenab und setzt sich in den Überzeugungswelten ihrer Gläubigen durch. Das schließtInterpretationsstreit ein und kann zu Religionskon�ikten führen. Wie von Gott zusprechen und wie in seinem Namen zu handeln sei, bringt das gefährliche Wissenvon Gott zu Tage. Die Salzburger Hochschulwoche 2013 bewegt sich im Raumoffener Fragen und sucht Klärungen: Wie ist Wissen zu bestimmen? Wie entstehtneues Wissen? Lässt sich Wissen begrenzen? Wie kann man mit ethisch problema-tischen Wissensfällen umgehen? Grundsätzlich: Wo wird Wissen gefährlich? Undwas bedeutet gerade dies Moment für seine Produktivität?

HÖFER, Rudolf K. (Hg.), Kirchenfinanzierung in Europa (Theologie im kulturellenDialog 25), Tyrolia Innsbruck 2014, 200 p., Pb., 19,00 Eur, ISBN 978-3-7022-3250-4.

Eine vergleichende Studie. Die Finanzierung der Kirchen ist in vielen europäi-schen Ländern in Diskussion. Hier werden die Modelle der Kirchen�nanzierungin Belgien, Deutschland, Italien, Österreich, Schweden, Schweiz, Slowenien undUngarn dargestellt und kritisch beurteilt und auch ein Blick auf neuere Entwick-lungen in Frankreich, der Slowakei, Tschechien, Polen, Rumänien und Bulgariengeworfen. Je unterschiedliche gesellschaftliche, historische und politische Vorgän-ge sind der Grund für die großen Unterschiede zwischen den verschiedenen Län-dern. So �nanziert z. B. in Belgien seit Napoleon der Staat die Kirchen. In derSchweiz wurden seit jeher auf Kantonsebene regionale Lösungen entwickelt. DieWeimarer Reichsverfassung hat in Deutschland die bis heute praktizierte Kirchen-steuer eingeführt. Österreich hat seit 1939 das von den damaligen NS-Herrscherneingeführte Kirchenbeitragssystem. Neuere Entwicklungen sind die Widmung ei-nes Steueranteils für die Kirchen oder für Kultur in Spanien (seit 1982) und Italien(seit 1984). In Schweden heben seit 2000 staatliche Stellen die Kirchengebührein, Ungarn hat seit 1997 die Teilzweckwidmung von 1 2 Prozent des Steueran-teils für kirchliche oder staatliche Zwecke. In Slowenien wurde eine Kultursteuerim Rahmen der Einkommensteuer vorgeschlagen, bisher aber nicht umgesetzt, dieDiskussion dauert an. Der Vergleich macht deutlich, dass es nicht nur um die Fra-ge geht, wie die Kirchen ihre spezi�schen Aufgaben und Strukturen �nanzieren.Entscheidend ist auch, wie Staat und Kirche beim Erhalt von kirchlichen Kulturgü-tern und bei der Finanzierung von kirchlichen Sozial- und Bildungseinrichtungenzusammenwirken.

HÖGGER, Rudolf, Die heilige Schnur. Vom Reifen der Persönlichkeit nach indischenÜberlieferungenmit Parallelen aus der jüdisch-christlichen Tradition und der analytischenPsychologie, Religion & Kultur Zell am Main 2013, 282 p., Pb., 19,90 Eur[D], ISBN 978-3-933891-25-9.

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Die heilige Schnur ist ein altes indisches Symbol für das unsichtbare Band, dasalle Menschen untereinander und mit ihrem Schöpfer verbindet. Im indischen Ver-ständnis gilt jene Frau oder jener Mann als reife Persönlichkeit, die nicht nur ih-re konkreten Alltagsp�ichten erfüllt, sondern ihr Leben ebenso konsequent aufden umfassenden geistigen Zusammenhang alles Lebendigen ausrichtet. RudolfHögger hat einen siebenjährigen Hindu Jungen auf dessen Einführungsweg in die-se religiöse Tradition begleitet. Im vorliegenden Buch beschreibt er die Symbo-le und Rituale, welche dabei eine Rolle spielen, und setzt sie in Parallele mit derjüdisch-christlichen Tradition sowie mit der modernen Tiefenpsychologie. Die Le-serschaft erfährt Tiefgründiges über indische Weisheitsschätze, wegen der kultur-vergleichenden Leitidee des Buches aber ebenso viel über die jüdisch-christlicheTradition und die Weisheit in der modernen analytischen Psychologie sowie überden kulturenübergreifenden Geist im menschlichen Sein.

HOLZER, Anton (Hg.), Die letzten Tage der Menschheit. Der Erste Weltkrieg in Bil-dern, Mit Texten von Karl Kraus, Primus Darmstadt 2013, 144 p., Hardcover, 29,90Eur[D], ISBN 978-3-86412-004-7.

Um den Ersten Weltkrieg zu verstehen, muss man Karl Kraus lesen. Mit seinemDrama „Die letzten Tage der Menschheit“ schuf er eines der großen Antikriegsbü-cher der Geschichte. Unerbittlich rechnet er mit den Kriegstreibern ab: den großenKommandanten und den kleinen Pro�teuren, den voyeuristischen Kriegsbericht-erstattern und Fotografen, den Schaulustigen und Mitläufern. „Die unwahrschein-lichsten Taten, die hier gemeldet werden“, schreibt er in der Vorrede seines Dra-mas, „sind wirklich geschehen.“Der renommierte Fotohistoriker Anton Holzer stellt kommentierte Auszüge desWerks neben zeitgenössische Kriegsbilder und zeigt damit nicht nur den doku-mentarischen Charakter des Dramas, sondern zeichnet zugleich ein eindrücklichesBild des Ersten Weltkriegs. Die Bilder und Texte spannen den Bogen von derKriegsbegeisterung im August 1914 bis hin zum bitteren Ende des Krieges, vonder Kriegshetze in den Medien bis zu den trostlosen, zerstörten Schlachtfeldern.Die Fotos stammen aus dem Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothekund werden teilweise zum ersten Mal publiziert.

HOLZER, Anton, Das Lächeln der Henker. Der unbekannte Krieg gegen die Zivilbe-völkerung 1914-1918, Primus Darmstadt 2008, 244 p., Hardcover, 39,90 Eur[D], ISBN978-3-89678-375-2.

Tausende unschuldiger Zivilisten wurden während des Ersten Weltkriegs im Os-ten und Südosten Europas als angebliche Spione am Galgen hingerichtet. Anhandbisher unveröffentlichter Fotodokumente erzählt der Fotohistoriker Anton Holzerdie jahrzehntelang verschwiegene Geschichte eines mit aller Brutalität geführtenKrieges gegen die Bevölkerung. Die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung war imErsten Weltkrieg keineswegs nur auf die Exzesse Einzelner zurückzuführen. DieÜbergriffe waren systematisch geplant und of�ziell angeordnet. Sie waren Teil derKriegsführung. Seit dem Ersten Weltkrieg, das dokumentiert dieser Band auf ein-

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drückliche Weise, gehört der Krieg gegen Zivilisten zum Instrumentarium einesjeden modernen Krieges.Anton Holzer hat in jahrelangen Forschungen Fotodokumente zusammengetragenund analysiert, die von diesem brutalen Feldzug gegen die Zivilbevölkerung be-richten. Viele der Hinrichtungen sind in Fotogra�en festgehalten. Aufgenommenwurden die Bilder von Soldaten und Of�zieren, die als Schaulustige und VoyeureZeugen der Gewalttaten waren. Immer wieder stoßen wir auf ein und dieselbe Sze-ne: Henker und Schaulustige umringen den Getöteten und lächeln triumphierend indie Kamera. Warum, so fragt der Autor, wurde an den Schauplätzen der Gewalt sohäu�g fotogra�ert? Ausgehend von Fotos aus dem Ersten Weltkrieg und weiterenBeispielen aus der Geschichte des Krieges beschäftigt er sich mit der Faszinationder Gewalt in Bildern. Unweigerlich endet diese Rekonstruktion bei den Fotos ausAbu Graibh.

HUBER, Doris, „Wenn du keine Bildung hast, hast du keine Befreiung!“. Die gesell-schaftliche Bedeutung von Bildung für die Befreiung von Frauen in Nicaragua (Salzbur-ger Theologische Studien 47 – interkulturell 11), Tyrolia Innsbruck 2013, 352 p., Pb.,34,00 Eur, ISBN 3-7022-3194-1.

Auf der Basis jahrelangen Engagements in der Entwicklungszusammenarbeit gehtdiese Forschungsarbeit der Frage nach, welche Art Bildung zur Befreiung vonFrauen beiträgt und welche Auswirkungen diese Befreiung auf die Gestaltungeiner menschwürdigen Gesellschaft hat. Die an der katholisch-theologischen Fa-kultät der Universität Wien als Dissertation entstandene Arbeit stellt sich in denKontext der feministischen Befreiungstheologie Lateinamerikas. Sie entwickeltdie Forderung nach einer kritischen und feministisch geprägten De�nition von Be-freiung und stellt als Ergebnis einer umfassenden Befragung zehn Thesen überBildung und Befreiung für Frauen in Nicaragua zur Diskussion, als Beitrag zueinem interdisziplinären Dialog auf Augenhöhe.

IRLENBORN, Bernd, KORITENSKY, Andreas (Hg.), Analytische Religionsphiloso-phie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2013, 224 p., Pb., 29,90 Eur [D],ISBN 978-3-534-24912-1.

Die analytische Religionsphilosophie ist in den letzten Jahrzehnten immer mehrzum universalen Medium des philosophischen Diskurses geworden das auch imdeutschsprachigen Raum stetig größeren Ein�uss gewinnt. Die analytische Reli-gionsphilosophie zeigt neue Wege der Interpretation von Themen der klassischennatürlichen Theologie unter Berücksichtigung des modernen Weltbildes auf. IhreRezeption aktueller Entwicklungen in Logik, Wissenschafts- und Erkenntnistheo-rie hat ihr bislang ungeahnte Möglichkeiten eröffnet, die rationale Begründung vonGlaubensaussagen zu analysieren. Diese Anthologie versammelt zentrale Beiträgeder letzten Jahre erstmals in deutscher Sprache. Die Texte führen in die Geschich-te und das Selbstverständnis der analytischen Religionsphilosophie ein und stel-len gegenwärtige Argumente und Entwicklungen im Feld der Gottesbeweise, derInterpretation seiner Attribute und dem Theodizeeproblem vor. Der Band bietetgleichzeitig eine gut zugängliche Textgrundlage für Seminare.

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KÄRKKÄINEN, Veli-Matti, Christ and Reconciliation. A Constructive Christian Theo-logy for the Pluralistic World (Vol. 1), Eerdmans Grand Rapids 2013, 467 p., Pb., 40,00US$, ISBN 978-0-8028-6853-4.

In Christ and Reconciliation Veli-Matti Kärkkäinen develops a constructive Chris-tology and theology of salvation in dialogue with the best of Christian tradition,with contemporary theology in its global and contextual diversity, and with othermajor living faiths. Kärkkäinen’s Constructive Christian Theology for the Plura-listic World is a �ve-volume project that aims to develop a new approach to andmethod of doing Christian theology in our pluralistic world at the beginning of thethird millennium. Topics such as diversity, inclusivity, violence, power, culturalhybridity, and justice are part of the constructive theological discussion along withclassical topics such as the messianic consciousness, incarnation, atonement, andthe person of Christ.With the metaphor of hospitality serving as the framework for his discussion,Kärkkäinen engages Judaism, Islam, Buddhism, and Hinduism in sympathetic andcritical mutual dialogue while remaining robustly Christian in his convictions. Ne-ver before has a full-scale doctrinal theology been attempted in such a wide anddeep dialogical mode.

KATZ, Steven T., Comparative Mysticism. An Anthology of Original Sources, OxfordUniversity Press 2013, 648 p., Hardcover, 175,00 US$, ISBN 978-0-1951-4379-9.

This collection of primary texts introduces readers to the mystical literature ofthe world’s great religious traditions. Beginning with an introduction by Steven T.Katz, a leading scholar of mysticism, the anthology comprises poetry, prayer, nar-rative, and other writings from Jewish, Christian, Muslim, Hindu, Buddhist, Taoist,Confucianist, and Native American traditions.This collection provides readers notonly with the primary mystical texts from each religious tradition, but with an ex-planation of the context of the source and tradition. Comparative Mysticism showshow the great mystical traditions of the world are deeply rooted in the religious tra-ditions from which they originated. The contextual methodological approach takenthroughout the anthology also addresses the critical question of what these mysti-cal traditions, at their highest level, have in common. Despite the prevailing viewthat mystical traditions throughout the world are essentially similar, the presenta-tion of the sources in this volume suggests that, in fact, the various traditions havedistinct teachings and different metaphysical goals.The writings collected in Com-parative Mysticism address the most fundamental and important methodological,epistemological, and hermeneutical questions regarding the study and interpreta-tion of mysticism and mystical sources across cultures. This anthology will be aninvaluable resource to students and scholars of mystic tradition for years to come.

KELLER, Catherine, Über das Geheimnis. Gott erkennen im Werden der Welt. EineProzesstheologie, Herder Freiburg 2013, 288 p., Hardcover, 35,00 Eur [D], ISBN 978-3-451-33263-0.

Die bedeutende amerikanische Theologin Catherine Keller fragt in ihrem grund-legenden Werk, wie das Wahre in der Welt zu entdecken ist. Ihre höchst kreati-

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ven Antworten, in denen Sie theologisches Denken mit moderner Wirklichkeits-deutung vermittelt, sind eine gut lesbare Einführung in die Prozesstheologie. IhrAnsatz stellt eine außerordentliche Bereicherung für den deutschsprachigen theo-logischen Kontext dar.

KEUL, Hildegund, Weihnachten – Das Wagnis der Verwundbarkeit. Patmos Ost�l-dern 2013, 144 p., Hardcover, 12,99 Eur[D], ISBN 978-3-8436-0440-6.

Woher kommt die faszinierende Kraft der Weihnachtsgeschichte? Hat sie viel-leicht damit zu tun, dass sich darin alles um ein neu geborenes Kind dreht, winzig,schutzbedürftig und – verwundbar? Doch nicht nur der neugeborene Jesus ist ver-letzlich, auch die Menschen in seinem Umfeld zeigen sich als verwundbar undschutzbedürftig: Maria und Josef zum Beispiel, die bei der Herbergssuche abge-wiesen wurden. Die Weihnachtsgeschichten erzählen davon, wie leidenschaftlichund zugleich verletzlich Menschen sind. Wie gehen sie damit um? Setzen sie aufSelbstschutz oder wagen sie wie Jesus Christus Hingabe? Mit dieser Fragestellungermöglicht Hildegund Keul einen ganz neuen Zugang zum Weihnachtsfest. DennFragen nach Verwundung und Heil, Selbstschutz und Hingabe sind aktueller dennje – im persönlichen Leben, in politischen Kon�ikten, in sozialen Herausforderun-gen.

KNITTER, Paul F., Ohne Buddha wäre ich kein Christ. Herder Freiburg 2012, 360 p.,Hardcover, 24,99 Eur [D], ISBN 978-3-451-30278-7.

Ein spannendes Buch, klar und direkt geschrieben. Paul F. Knitter beschreibt in�üssigem Stil seine religiösen Fragen, Krisen, Einsichten. Dank seiner intensivenKenntnis des Buddhismus denkt er neu und frisch über das Christentum und seineKernvorstellungen nach. Eine lohnende, anspruchsvolle Lesekost für alle, die sichintensiver mit ihrem eigenen, aber auch dem Glauben der anderen auseinanderset-zen wollen.

KNOBLOCH, Stefan, Gottesleere? Wider die Rede vom Verlust des Göttlichen, Grüne-wald Ost�ldern 2013, 176 p., Pb., 16,99 Eur[D], ISBN 978-3-7867-2979-2.

Viele Menschen wenden sich von der Kirche ab, die Zahl der Gottesdienstbesu-cher sinkt und die der Kirchenaustritte steigt. Kirchliche Verlustangst sieht darinnichts anderes als einen Glaubens- und Gottesverlust. Ein differenzierter Blick je-doch zeigt: Menschen können in ihrem biogra�schen Lebenstext weiterhin nachTranszendenz suchen, auch wenn die Begriffe „Gott“ und „Kirche“ nicht explizitaufscheinen.Stefan Knobloch plädiert eindringlich dafür, diese Suche ernst zu nehmen, ohnesie allerdings als dezidierte „Gott“suche zu vereinnahmen. Er zeigt damit Mög-lichkeiten auf für einen Prozess, an dessen Ende das Wort Jesu steht: „Du bistnicht weit vom Reich Gottes“ (Mk 12,34).

KÖRTNER, Ulrich H.J., Gottesglaube und Religionskritik (Forum Theologische Lite-raturzeitschrift 30). Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2014, 168 p., Pb., 18,80 Eur [D],ISBN 978-3-374-03753-7.

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Parallel zum Wiedererstarken von Religion im öffentlichen Raum formiert sichauch ein neuer Atheismus. Beide Entwicklungen führen zu einer Renaissance derReligionskritik. In Auseinandersetzung mit heutigen Formen des Atheismus solldas komplexe Verhältnis von christlichem Glauben und Religionskritik untersuchtwerden. Komplex ist dieses Verhältnis zum einen, weil der Begriff der Religi-onskritik eine mehrfache Bedeutung hat, zum anderen, weil der biblische Gottes-glaube selbst ein religionskritisches Potential hat. Gottesglaube und Religionskri-tik stehen sich also nicht einfach als zwei verschiedene Größen gegenüber – hierder Glaube, dort die Kritik –, sondern sie durchdringen sich auf unterschiedlicheWeise. Darum kann auch die Auseinandersetzung mit heutigen Formen von Reli-gionskritik oder den neuen Spielarten von Atheismus nicht nach einem einfachenSchema von Frage und Antwort geführt werden, sondern nur in einem Wechsel-spiel von unterschiedlichen Formen der Kritik von Religion.

KRÄMER, Klaus / VELLGUTH, Klaus (Hg.),Theologie und Diakonie. Glaube in derTat, Herder Freiburg 2013, 315 p., Hardcover, 25,00 Eur [D], ISBN 978-3-451-33262-3.

Gerade aus den Ländern des Südens meldeten sich zahlreiche Theologen, die aufdie Bedeutung der Diakonie als Spezi�kum des Christentums hinwiesen. Der Banddiskutiert eine diakonische Pastoral, die im Zeitalter der Globalisierung und desNeoliberalismus einen heilsamen Kontrapunkt darstellt zu menschenfeindlichenIdeologien, die den Wert des Menschen auf seinen wirtschaftlichen Nutzen redu-zieren.

KRÄMER, Klaus/ VELLGUTH, Klaus (Hg.), Weltkirchliche Spiritualität. Den Glau-ben neu erfahren, Herder Freiburg 2013, 274 p., Hardcover, 28,00 Eur[D], ISBN 978-3-451-33265-4.

Auf den Trend einer wachsenden Sehnsucht nach Religiosität haben Soziologenwiederholt aufmerksam gemacht. Der spirituelle Reichtum der Kirche nährt sichaus ihrer Tradition, aber auch aus der Begegnung mit anderen Religionen und Kul-turen. Der Band zeigt auf, welcher Reichtum das Christentum auszeichnet und wiechristliche Spiritualität gerade auch im Dialog mit anderen Kulturen neu zur Ent-faltung kommt.

KREUTZER, Ansgar/ GRUBER, Franz (Hg.), Im Dialog. Systematische Theologie undReligionssoziologie (Quaestiones disputatae 258), Herder Freiburg 2013, 400 p., Pb.,35,00 Eur[D], ISBN 978-3-451-02258-6.

Lange standen sich Theologie und Soziologie skeptisch gegenüber. Da das Inter-esse am Phänomen der Religion steigt, sind die Zeichen günstig, einen Austauschvoranzutreiben. Der Band will den Dialog von Theologie und Religionssoziologiedokumentieren und motivieren. Vertreter beider Fächer re�ektieren das Verhält-nis ihrer Disziplinen sowie soziale Prozesse wie Säkularisierung, religiöse Indi-vidualisierung und die Wechselwirkung von Religion und Politik. Mit Beiträgenvon: José Casanova, Hans-Ulrich Dallmann, Maria Dammayr, Michael N. Ebertz,Karl Gabriel, Winfried Gebhardt, Franz Gruber, Hans-Joachim Höhn, Franz-Xaver

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Kaufmann, Ansgar Kreutzer, Alexander-Kenneth Nagel, Walter Raberger, HanjoSauer, Andreas Telser, David Tracy, Sibylle Trawöger.

LANGANKE, Martin/ RUWE, Andreas / THEISSEN, Henning (Hg.), Rituelle Be-schneidung von Jungen. Interdisziplinäre Perspektiven, (Greifswalder TheologischeForschungen 23) Evangelische Verlagsanstalt Leipzig 2014, 282 p., Hardcover, 32,00 Eur[D], ISBN 978-3-374-03783-4.

Mit seinem Urteil vom Mai 2012 hat das Landgericht Köln eine öffentliche Dis-kussion über die rituelle Beschneidung von Jungen ausgelöst, die immer noch un-abgeschlossen und zugleich schwer zu überblicken ist. Vor diesem Hintergrundgibt der Band einen Einblick in verschiedene fachliche, kulturelle und religiöseDiskurse zum Thema der rituellen Jungen_beschneidung. Er vereint kulturhis-torische Beiträge mit Texten, die die Binnen_perspektiven von Islam, Judentumund Christentum zur Geltung bringen. Darüber hinaus werden die medizinischenAspekte der Jungenbeschneidung ausführlich behandelt. Einen weiteren Schwer-punkt bildet die juristische und ethische Re�exion auf die Frage nach Legalitätbzw. Legitimität der rituellen Beschneidung von Jungen.Schließlich liefert der Band auch eine Analyse der die _öffentliche Diskussiondes Themas mitbestimmenden gesellschaftlichen”Hintergrunddiskurse“. Mit Bei-trägen von Wolf Ahmed Aries, Winfried Barthlen, Stefan Beyerle, Frank Häßler,Laura Hoppe, Klaus-Dieter Kaiser, Martin Langanke, Andreas Ruwe, EberhardSchockenhoff, Daniel Stein Kokin, Henning Theißen, Micha Werner, Helmut Wolfund William Wolff.

LAUBACH, Thomas (Hg.), Kann man Gott beleidigen? Zur aktuellen Blasphemie-Debatte, Herder Freiburg 2013, 244 p., Pb., 12,99 Eur [D], ISBN 978-3-451-30905-2.

Das Thema Blasphemie hat explosionsartig an Bedeutung gewonnen. Vom”Punk-Gebet“ in einer orthodoxen Kirche über Mohammed-Karikaturen bis zum Papstauf dem Cover einer Satire-Zeitschrift. Während die einen auf die Meinungsfrei-heit pochen, sehen viele Gläubige den Tatbestand der Blasphemie erfüllt. KönnenGott und der Glaube überhaupt beleidigt werden? Deckt die Meinungsfreiheit jedeÄußerung ab? Braucht Religion den Schutz durch den Staat?

LAUX, Bernhard (Hg.), Heiligkeit und Menschenwürde. Hans Joas‘ neue Genealogieder Menschenrechte im theologischen Gespräch, Herder Freiburg 2013, 200 p., Pb., 22,00Eur[D], ISBN 978-3-451-34148-9.

Der Band setzt sich aus theologischer Perspektive mit Hans Joas‘ Ansatz zur Deu-tung und Begründung der Menschenrechte auseinander. Nach einem Blick aufgeistesgeschichtliche, insbesondere innerkatholische, Entwicklungen wird Joas‘Konzept der Sakralisierung der Person re�ektiert. Ferner werden seine Überlegun-gen zu den Begründungs-, Lern- und Implementierungsprozessen der Menschen-rechte diskutiert. Mit Beiträgen von: H. Buchinger, E. Dirscherl, Chr. Dohmen, P.Fonk, J. Först, H. Joas, A. Knoll, B. Laux, U. G. Leinsle, B. Porzelt, H.-G. Schött-ler, H. Stinglhammer, K. Unterburger.

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LÄTZEL, Martin, Die Katholische Kirche im Ersten Weltkrieg. Zwischen Nationa-lismus und Friedenswillen, Pustet Regensburg 2014, 216 p., Pb., 22,00 Eur[D], ISBN978-3-7917-2581-9.

Gewaltlosigkeit und Friedenswille gehören zum Wesen des Christentums. Dochverhielten sich deutsche Katholiken im Ersten Weltkrieges ambivalent. Währenddie Katholiken in Deutschland jahrzehntelang als politisch unzuverlässig galten,eröffnete der Weltkrieg die Chance zu deutlichen Loyalitätsbekundungen gegen-über dem Deutschen Reich. Mit dem Kampf um das Reich wurde auch ein Kampfum die überlieferte Ordnung geführt. So wurde der Erste Weltkrieg zum Kataly-sator für politische Reform-ansätze, die die monarchischen Strukturen beseitigtenund in der Katholischen Kirche das Erstarken der Laien und Reformbestrebungenwie z. B. Quickborn oder die Liturgische Bewegung begünstigten. Erstmalig liegthier eine zusammenfassende Darstellung des Verhaltens der deutschen Katholi-schen Kirche im Ersten Weltkrieg vor.

LEIMGRUBER, Stephan, Unser Gott – euer Gott? Christentum und Weltreligionen(Edition NZN, Studiengang Theologie XII), TVZ Zürich 2014, 300 p., Pb., 32,00 Eur,ISBN 978-3-290-20098-5.

Was ist eine Religion? Wie verhalten sich die Religionen zueinander? StephanLeimgruber geht von der heutigen multikulturellen und religiös pluralen Situationaus und versteht Christsein im Kontext der Weltreligionen. Besondere Aufmerk-samkeit schenkt er der Gottesfrage, den Religionsstiftern, den heiligen Schriftenund der religiösen Praxis. Ausgehend von Dokumenten des Zweiten VatikanischenKonzils plädiert Stephan Leimgruber für eine Vertiefung des Dialogs von Christenmit den Angehörigen der grossen Religionen. Der Autor formuliert für diesen Dia-log mit dem Judentum, dem Islam, dem Hinduismus, dem Buddhismus und demJainismus jeweils Thesen, in denen er konkrete Perspektiven auslotet und Zielebenennt.

LEPPIN, Volker, Die Reformation. Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt2013, 144 p., Pb., 14,90 Eur[D], ISBN 978-3-534-15122-6.

Mit der Reformation endet das Mittelalter, beginnt die Moderne. Sie ist ein Trans-formationsprozess, der alle Bereiche grundlegend wandelt: die religiöse Sphäre,die Mentalität wie auch die territoriale Politik. Überaus klar und klug gegliedertlegt Volker Leppin einen kompakten Überblick über alle Aspekte der europäi-schen Reformation vor.Die Reformation brach – nach Vorankündigungen im Spät-mittelalter – die religiöse Einheit Europas auf. In der Folge entwickelten sich inBöhmen, in der calvinistischen Schweiz, in Skandinavien, den Generalstaaten derNiederlande oder in England unterschiedlichste Ausprägungen von Kirchen undReligion. Aber auch die politische Landkarte wurde grundstürzend neu geschrie-ben – die gewalttätigsten Auswirkungen �ndet dieser Umbruch im DreißigjährigenKrieg. Volker Leppin, der mit seiner Luther-Biographie auch international großeAnerkennung fand, ist heute der führende deutsche Spezialist zur Reformations-zeit. Überaus klar und klug gegliedert legt er einen kompakten Überblick über alle

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Aspekte der europäischen Reformation mit Schwerpunkt auf dem Reich vor: vonder spätmittelalterlichen Frömmigkeit mit ihren neuen Glaubensformen über erstereformatorischen Ansätze in Städten und bei Fürsten über die Auswirkungen aufdas Reich insgesamt, die Ausdehnung auf Europa und die Reaktion des Papsttumsbis zum Erreichen eines Status quo.

LEPPIN, Volker / SATTLER, Dorothea (Hg.), Heil für alle? Ökumenische Re�exionen(Dialog der Kirchen 15), Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 2012, 399 p., Pb., 40.00Eur[D], ISBN 978-3-525-56948-1.

Werden nur solche Menschen, die in ihrem Leben zum Glauben an Jesus Christus�nden und sich taufen lassen, Gottes Heil im Diesseits und im Jenseits erfahren?Die christlichen Konfessionen haben eine unterschiedliche Geschichte mit dieserFragestellung. Zugleich gibt es auch viele Gemeinsamkeiten in der Re�exion die-ser Thematik, deren Quelle das gemeinsame Studium der biblischen Schriften ist.Der Ökumenische Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen nimmtsich erstmals einer Thematik an, die nicht im engeren Sinn kontroverstheologischist: Jenseits des konfessionellen Streits über die rechte Gestalt der Kirche ist inder interreligiösen Gesprächssituation heute zu bedenken, welche Wege zum Heilaus christlicher Sicht allen Menschen offen stehen. Die Autorinnen und Autorengeben darauf eine Antwort, bei der bibeltheologische, historische, systematisch-theologische und auch praktische Themen aufgenommen werden.

LITTGER, Benno, Christliche Hospiz- und Palliativkultur. Grundlagen, Erfahrungenund Herausforderungen (Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge 90), EchterWürzburg 2014, 532 p., Pb., 48,00 Eur[D], ISBN 978-3-429-03692-8.

Was ist „Christliche Hospiz_ und Palliativkultur“? Die Frage besitzt Bedeutungüber den Binnenraum von Theologie und Kirche hinaus: Von einer re�ektiertenIdentität christlicher Akteure pro�tieren letztlich alle Beteiligten in Hospiz undPalliative Care. Es gilt, eine anschlussfähige Theologie christlicher Praxis in Hos-piz und Palliative Care zu formulieren. Aus vier Blickwinkeln ergibt sich einreich_haltiges Gesamtbild: Biographische Skizzen bedeutender Protagonisten he-ben die christlichen Wurzeln der neuzeitlichen Hospizbewegung neu ans Licht.Der Blick auf ‚weltanschaulich neutrale‘ Positionen beschreibt allgemein aner-kannte Prinzipien palliativer Praxis. Die Auswertung kirchlicher Dokumente er-gibt ein differenziertes Bild systematischer Positionen und theologischer Erkennt-nisprozesse. Die Analyse von Mitarbeiterinterviews wirft Schlaglichter auf Her-ausforderungen der Praxis.Am Ende entsteht eine ideale „Leitvision“ christlicher Hospiz_ und Palliativkulturin Form von differenzierten Qualitätskriterien.

LOTH, Wilfried (Hg.), Erster Weltkrieg und Dschihad. Die Deutschen und die Revo-lutionierung des Orients, Oldenbourg München 2013, 214 p., Pb., 39,95 Eur[D], ISBN978-3-486-75570-1.

„unsere Consuln [müssen] in Türkei und Indien, Agenten etc. [. . . ] die ganze Mo-hamedan. Welt gegen dieses verhaßte, verlogene, gewissenlose Krämervolk zum

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wilden Aufstand ent�ammen; denn wenn wir uns verbluten sollen, dann soll Eng-land wenigstens Indien verlieren.“ Kaiser Wilhelm II., auf dem Höhepunkt derJuli-Krise 1914Die Völker der islamischen Welt zum Aufstand gegen die britische Kolonialherr-schaft zu bewegen – das war Teil der Kriegsstrategie, die die politische und mi-litärische Führung des Deutschen Reiches in der Julikrise 1914 entwickelte. Siestützte sich dabei auf die Kenntnisse der Entwicklungen im Osmanischen Reich,die der Kölner Bankierssohn und Orientexperte Max Freiherr von Oppenheim er-worben hatte. Wie deutsche Militärs, Diplomaten und in den Kriegsdienst versetz-te Zivilisten versuchten, diese Strategie auf dem orientalischen Kriegsschauplatzumzusetzen, wird in diesem Band zum ersten Mal auf breiter Quellengrundlagedargestellt. Er handelt von wechselnden militärischen und politischen Erfolgen inÄgypten, Palästina, im Libanon, in Mesopotamien, Persien, im Kaukasus und amArabischen Golf, aber auch von internen Rivalitäten und Auseinandersetzungenmit den habsburgischen und osmanischen Verbündeten. In der Summe wird eineBewegung deutlich, die tatsächlich mehr auf die Unabhängigkeit der islamischenVölker zielte als auf einen Ausbau der deutschen Weltmachtstellung. Mit Beiträ-gen von Marc Hanisch, Michael Jonas, Stefan M. Kreutzer, Martin Kröger, BerndLemke, Wilfried Loth, Veit Veltzke, Alexander Will und Jan Zinke.

LÜDDECKENS, Dorothea/ UEHLINGER, Christoph/ WALTHERT, Rafael (Hg.), DieSichtbarkeit religiöser Identität. Repräsentation – Differenz – Kon�ikt (CULTuREL4), Pano Zürich 2013, 430 p., Pb., 41,50 Eur, ISBN 978-3-290-22022-8.

Im Zentrum dieses Sammelbandes steht die Frage nach der Visibilität religiöserZugehörigkeit. Wie und warum können Kennzeichen religiöser Identität, die imöffentlichen Raum sichtbar gemacht werden, in der pluralistischen Gesellschaftzur Konstruktion kultureller Differenz und Fremdheit beitragen und Gegenstandöffentlich ausgetragener Kon�ikte werden? Die Beiträge untersuchen individuelleund kollektive Auseinandersetzungen über religionsbezogene Kleidungspraktikenund Bauvorhaben im Horizont kultur- und sozialwissenschaftlicher Theorien. DieDebatten im Rahmen der schweizerischen (Anti-)Minarett-Initiative werden erst-mals in einem religionswissenschaftlichen Zusammenhang analysiert.

LUTHERISCH/RÖMISCH-KATHOLISCHE KOMMISSION FÜR DIE EINHEIT (HG.),Vom Konflikt zur Gemeinschaft. Gemeinsames lutherisch-katholisches Reformations-gedenken im Jahr 2017, Bonifatius Paderborn 2013 (Koproduktion mit der EVA Leipzig),102 p., Pb., 14,80 Eur[D], ISBN 978-3-89710-549-2.

Im Jahr 2017 werden Katholiken und Lutheraner gemeinsam auf die Ereignisse derReformation vor 500 Jahren zurückblicken. Zugleich werden sie 50 Jahre of�zi-ellen ökumenischen Dialog auf weltweiter Ebene bedenken. In dieser Zeit ist ihreneu gewonnene Gemeinschaft weiter gewachsen. Das ermutigt Lutheraner und Ka-tholiken, ihr gemeinsames Zeugnis für das Evangelium von Jesus Christus, der dasZentrum ihres gemeinsamen Glaubens ist, miteinander zu feiern. Jedoch werdensie bei dieser Feier auch Anlass haben, das Leid, das durch die Spaltung der Kir-che verursacht wurde, wahrzunehmen und selbstkritisch auf sich zu schauen, nicht

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nur im Blick auf die Geschichte, sondern auch angesichts der heutigen Realitäten.„Vom Kon�ikt zur Gemeinschaft“ entwickelt eine Grundlage für ein ökumeni-sches Gedenken, das sich deutlich von früheren Jahrhundertfeiern unterscheidet.Die Lutherisch/Römisch-katholische Kommission für die Einheit lädt alle Chris-ten ein, diesen Bericht aufgeschlossen, aber auch kritisch zu prüfen und auf demWeg zur vollen, sichtbaren Einheit der Kirche weiterzugehen.

MAI, Klaus-Rüdiger, Lob der Religion. Warum es nicht egal ist, was Sie und Ihr Nach-bar glauben, Kreuz Freiburg 2013, 176 p., Hardcover, 16,99 Eur[D], ISBN 978-3-451-61231-2.

Ohne den Glauben an Gott hat Europa keine Zukunft. Und: Der Glaube an dievermeintliche Objektivität der Naturwissenschaft ist der Irrglauben unserer Zeit.Davon ist der Historiker Klaus-Rüdiger Mai überzeugt und greift die Life-Style-Atheisten unserer Tage frontal an. Dabei argumentiert Mai streng historisch. Ineinem Jahrtausende überspannenden Bogen zeigt er u.a wie die Existenz der Re-ligion Gesellschaft, Kultur und Naturwissenschaft überhaupt ermöglichte und wiedie Verdrängung des Gottesglaubens Raum schuf für Ideologie und Fanatismus.Er ist sich sicher: Nur ein vernünftiger Glaube an Gott vermag Vertrauen in dieZukunft freizusetzen und bringt Werte mit sich, die ein Gemeinwesen tragen. Einfulminanter Essay zum Lob der (christlichen) Religion und ein überraschenderZwischenruf in die Krisendebatten unserer Zeit.

MARBÖCK, Johannes, Faszination Bibel (Theologie im kulturellen Dialog 27). TyroliaInnsbruck 2014, 288 p., 19,95 Eur, ISBN 978-3-7022-3325-5.

Eine Schatzsuche in der Bibel. Für Johannes Marböck, Professor für Altes Testa-ment in Linz (1970–1976) und an der Universität Graz (1976–2003), ist die wis-senschaftliche Beschäftigung mit der Bibel untrennbar verbunden mit der Verkün-digung und Vermittlung der biblischen Botschaft. So richtet sich auch der vor-liegende Band an eine breite, biblisch interessierte Leserschaft. Er bietet Impulsefür Frauen und Männer in der Verkündigung ebenso wie spirituelle Vertiefung.Die einzelnen Beiträge (etwa zu den Psalmen, zu Weisheitsliteratur und Prophetie,Apokalyptik und Judentum) sind eine Einladung, an den Erfahrungen teilzuneh-men, die Marböck in seiner Arbeit mit der Bibel Israels und der werdenden christ-lichen Kirche bis zur Stunde macht. Es ist eine Einladung in ein Haus mit vielenweiten Räumen.

MARKSCHIES, Christoph, Hellenisierung des Christentums. Geschichte und Bedeu-tung eines umstrittenen Konzepts (Forum Theologische Literaturzeitschrift 25), Evange-lische Verlagsanstalt Leipzig 2012, 144 p., Pb., 16,80 Eur[D], ISBN 978-3-374-03058-3.

”Hellenisierung des Christentums“ ist nicht erst bei dem berühmten Berliner Kir-chenhistoriker und Wissenschaftsorganisator Adolf von Harnack (1851–1930) ei-ne der schlechterdings zentralen Kategorien, die Formation des antiken Christen-tums zu beschreiben. Wie beispielsweise die heftig umstrittene Regensburger Rede

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Papst Benedikt XVI. aus dem Jahre 2006 zeigt, spielt diese Kategorie bis heute ei-ne zentrale Rolle in theologischen wie althistorischen Konzeptionen von Christen-tum. Meist wird mit dem Begriff eine Transformation des Christentums durch diehellenistisch-römische Kultur im „globalisierten“ Imperium Romanum bezeich-net.Christoph Markschies analysiert die Geschichte des Begriffs und der damit verbun-denen, höchst unterschiedlichen De�nitionen wie Vorstellungen, informiert überdie teilweise vollkommen vergessenen Vorgeschichten (beispielsweise im franzö-sischen Renaissancehumanismus) und macht am Ende einen Vorschlag, wie derBegriff heute trotz einer nicht unproblematischen Vorgeschichte noch sinnvoll ver-wendet werden kann.

MERLE, Kristin (Hg.), Kulturwelten. Zum Problem des Fremdverstehens in der Seel-sorge (Studien zu Religion und Kultur 3), LIT Münster 2013, 344 p., Pb., 34,90 Eur[D],ISBN 978-3-643-11629-1.

Dieser Aufsatzband zur Seelsorge nimmt die Frage von lebensweltlicher Fremd-heit und kommunikativer Annäherung, wie sie in der interkulturellen und interreli-giösen Seelsorge seit einiger Zeit diskutiert wird, konzeptionell in neuer Weise fürdie allgemeine Seelsorge auf. Das Problem des Fremdverstehens zeigt sich dabeials grundsätzliches Problem der Sozialwelt überhaupt, denn zwischenmenschli-ches Verstehen stellt sich als komplexer und prinzipiell unabgeschlossener Prozessdar, der auf der situativ-biogra�schen wie kulturell bedingten Kontextgebunden-heit von Deutungsprozessen aufruht.

MICZEK, Nadja, Biographie, Ritual und Medien. Zu den diskursiven Konstruktionengegenwärtiger Religiosität (Religion und Medien 2), transcript Verlag Bielefeld 2013, 414p., Pb., 33,80 Eur [D], ISBN 978-3-8376-1940-9.

Engel, Reiki, Jesus und das Vaterunser – wie passt das zusammen? Für viele reli-giöse Menschen ist es heute selbstverständlich, verschiedenste Vorstellungen undrituelle Praktiken in die eigene Biographie zu integrieren. Sie gestalten ihre Reli-giosität so, wie es für sie passend erscheint.Nadja Miczek zeigt: Das Internet undandere Medien spielen hierbei eine zentrale Rolle – sowohl als Wissensvorrat alsauch für die öffentliche Präsentation der eigenen Biographie und Anschauungen.Mit Hilfe diskurs- und subjektorientierter Theorien zeichnet sie die komplexenKonstruktionen von individueller Religiosität nach.

MOKROSCH, Reinhold/ HELD, Thomas/ CZADA, Roland (Hg.), Religionen undWeltfrieden. Friedens- und Kon�iktlösungspotenzial von Religionsgemeinschaften,Kohlhammer Stuttgart 2013, 352 p., Pb., 34,90 Eur[D], ISBN 978-3-17-022431-5.

Die Beiträge dieses Bandes werfen ein Schlaglicht auf die ambivalente Rolle derReligionsgemeinschaften im globalen Kon�iktgeschehen. Dabei richtet sich derFokus auf die Weltreligionen Christentum, Judentum, Islam, Buddhismus und Hin-duismus. Gefragt wird, welche Friedensvorstellungen und -botschaften von den je-weiligen religiösen Quellen ausgehen und wie sich diese im Selbstverständnis und

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in der Praxis handelnder Religionsgemeinschaften widerspiegeln. Weiter wird da-nach gefragt, welche Rolle Religionen in Kon�iktkonstellationen spielen. Hierbeigeht es nicht nur darum, den „Faktor“ Religion näher zu bestimmen, sondern auchdarum, Ansätze zu identi�zieren, die zu einer Politik der proaktiven Gewaltprä-vention und Friedenskonsolidierung beitragen. Beispiele aus der Praxis bereicherndie Perspektiven auf das friedensfördernde Potenzial der Religionen.

MOOSBRUGGER, Mathias, Die Rehabilitierung des Opfers. Zum Dialog zwischenRené Girard und Raymond Schwager um die Angemessenheit der Rede von Opfer imchristlichen Kontext (Innsbrucker theologische Studien 88), Tyrolia Innsbruck 2014, 398p., 39,00 Eur, ISBN 978-3-7022-3322-8.

Zur Entstehung der Opfertheologie Raymund Schwagers. Die vorliegende Unter-suchung stellt die Frage nach dem erlösenden Opfertod Jesu in den Kontext deseinzigartigenDialogs zwischen dem KulturtheoretikerRené Girard und dem Theo-logen Raymund Schwager. Ihre über Jahre hinweg geführte Kontroverse um dieOpferfrage, die für beide von fundamentaler Bedeutung war, ist zwar oft zitiert,aber bislang noch nicht anhand von primären Quellen rekonstruiert worden. Demwird in diesem Buch Abhilfe geschaffen. Es wird erstmals gezeigt, wie Schwagerim Rahmen dieser Kontroverse Girard schließlich dazu brachte, die Rede vom er-lösenden Opfer Jesu zu übernehmen. Zunächst zeichnet der Autor die Entwicklungder Opfertheorie Girards nach, sodann wird die Theologie Schwagers umfassendwerkgenetisch erschlossen. Auf der Grundlage der umfangreichen KorrespondenzSchwagers wird sein schulbildendes Modell einer Dramatischen Theologie in einneues Licht gerückt. Es wird gezeigt, dass Schwager vom frühesten Beginn seinertheologischen Bemühungen an von spezi�schen Argumentations- und Erkenntnis-interessen umgetrieben war, die ihn schließlich in Kontakt mit Girard brachten,aber zugleich auch für die Opferkontroverse verantwortlich waren. Dabei wirddeutlich, dass Schwagers Dramatische Theologie ihre Entstehung in besondererWeise dieser Kontroverse verdankt und ohne deren Berücksichtigung kaum sach-gerecht verstanden werden kann.

MÜNZ, Christoph/ SIRSCH, RudolfW. (HG.), “. . . damit es anders anfängt zwischenuns allen.“ 60 Jahre Woche der Brüderlichkeit (Forum Christen und Juden 8), LIT Müns-ter 2012, 272 p., Pb., 24,90 Eur[D], ISBN 978-3-643-11959-9.

Keine andere Veranstaltung von christlich-jüdischer und interreligiöser Bedeu-tung hat über einen Zeitraum von nunmehr sechzig Jahren in der BundesrepublikDeutschland jene öffentliche Resonanz erfahren, jene innerkirchliche wie gesell-schaftspolitische Relevanz gewonnen und jene mediale Präsenz erhalten, wie esauf die „Woche der Brüderlichkeit“ zutrifft. Die in diesem Band versammeltenBeiträge zu ihrem 60-jährigen Jubiläum rekapitulieren und re�ektieren die Ge-schichte, Entwicklung, Erträge und gewiss auch Versäumnisse dieser „Erfolgsge-schichte“. In den Beiträgen wird mehr als deutlich, wie sehr die „Woche der Brü-derlichkeit“ mit ihren Impulsen einen wesentlichen Beitrag zur Verständigung vonJuden und Christen gerade in Deutschland geleistet und weit über innerkirchlicheund religiöse Kreise hinaus eine eminent politische Wirkung erzielt hat.

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NEHRING,Andreas / TIELESCH,Simon (Hg.), Postkoloniale Theologien (Bibelher-meneutische und kulturwissenschaftliche Beiträge ReligionsKulturen 11), KohlhammerStuttgart 2013, 359 p., Pb., 39,90 Eur[D], ISBN 978-3-17-022552-7.

Die postkoloniale Theologie ist in den letzten Jahren zu einem der wichtigstenund innovativsten Felder innerhalb der interkulturellen Theologie avanciert. Theo-logInnen aus Asien, Afrika und Lateinamerika haben begonnen, die Konstruktio-nen postkolonialer Identitäten theologisch zu re�ektieren. Dabei nehmen sie Be-zug auf kulturwissenschaftliche Diskurse, die in den letzten Jahren an Bedeutunggewonnen haben. Bislang sind allerdings postkoloniale theologische Entwürfe imdeutschsprachigen Raum weitgehend unbekannt geblieben. Dieser Band führt zu-nächst in die Entwicklungsgeschichte und gegenwärtige zentrale Positionen derpostkolonialen Theologie ein. Daran anschließend werden die wichtigsten Aufsät-ze aus den letzten Jahren erstmals in deutscher Übersetzung publiziert, um Studie-renden und allen Interessierten den Zugang zu dieser theologischen Richtung zuerleichtern.

NEUDECK, Rupert, Radikal leben. Gütersloher Verlagshaus 2014, 160 p., Hardcover,14,99 Eur[D], ISBN 978-3-579-07070-4.

Widerstand darf niemals aufhören! Sein Lebensthema: Radikalität. Sein Lebens-werk: Komitee Cap Anamur / Deutsche Notärzte e.V., Grünhelme e.V. Seine Hel-den: Menschen, die im Widerstand gegen Missstände ihr Leben riskieren. SeineBotschaft: Die Tugend des Widerstands darf nie verschwinden. Mit dieser brisan-ten Streitschrift im Sinne eines Stéphane Hessel macht der Journalist und Theo-loge Rupert Neudeck eindringlich deutlich, wie aktuell und überlebensnotwen-dig gelebter Widerstand, radikales Umdenken und mutiges Eingreifen sind – fürdie Gesellschaft und für jeden Einzelnen. Schluss mit Folter, Diskriminierung undVerschwendung. Schluss auch mit einem Glauben, der an der Wirklichkeit derMenschen vorbei existiert. Hin zu einer Religiosität jenseits von Kirchengebäu-den, Gewändern, Weihrauch und Myrrhe.

NEUHAUS, Gerd, Fundamentaltheologie. Zwischen Rationalitäts- und Offenbarungs-anspruch, Pustet Regensburg 2013, 320 p., Pb., 29,95 Eur[D], ISBN 978-3-7917-2489-8.

Im Bewusstsein, dass Aufklärung ein stets unabgeschlossener Prozess ist, weistdie vorliegende Studie zunächst in kritischer Auseinandersetzung mit Kant nach,auf welche Weise eine um ihre Fremdbestimmtheit wissende Vernunft nicht nurdie biblische Offenbarungsgeschichte erhellt, sondern dabei auch umgekehrt ihrereigenen De�zite innewird. In kritischer Auseinandersetzung mit Nietzsches Reli-gionskritik und Girards Theorie der Gewalt gelingt so der Nachweis, in welcherGestalt Vernunft und Offenbarung nicht Gegner, sondern Partner sind, die ein-ander wechselseitig herausfordern und in diesem Sinne aufeinander angewiesensind. Der Autor versteht es hervorragend, komplexe Gedankengänge elementar zuveranschaulichen und erfahrungsorientiert zu präsentieren. Dadurch emp�ehlt sichdas Werk auch für die Vorbereitung des Unterrichts in der Sekundarstufe II.

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NEUHOLD, Leopold (Hg.), Frieden, Frieden, aber es gibt keinen Frieden (Theologieim kulturellen Dialog 24), Tyrolia Innsbruck 2014, 200 p., Pb., 19,00 Eur, ISBN 978-3-7022-3198-9.

Für eine Theologie des Friedens. Es ist still geworden um den Frieden: kei-ne großen Demonstrationen anlässlich von kriegerisch ausgetragenen Kon�ikten,kein Kampf um den Frieden, dass kein Stein auf dem anderen bleibt. Anderer-seits gilt das Wort aus Jeremia: Den Schaden meines Volkes möchten sie leichthinheilen, indem sie rufen: Frieden! Frieden! Aber es gibt keinen Frieden (Jer 6,14).Damit Friede wirklich und konkret wird, bedarf es einer umfassenden Strategie,die auf verschiedenen Ebenen ansetzt. Traditionen, Elemente und Perspektiven ei-ner solchen Strategie werden in diesem Sammelband analysiert und entwickelt.

NIEDERBERGER, Andreas / SCHINK, Philipp (Hg.), Globalisierung. Ein interdizi-plinäres Handbuch, J.B. Metzler Stuttgart 2011, 450 p., Hardcover, 49,95 Eur[D], ISBN978-3-476-02272-1.

Wichtiges Forschungsfeld und vielschichtige Problematik. Das Handbuch be-schreibt die zentralen Phänomene und die gegenwärtigen Kontroversen der Globa-lisierung. Es präsentiert die Kernthemen der Globalisierungsdebatten in den ver-schiedenen Disziplinen: von Wirtschaft und Politik über Philosophie und Geogra-�e bis zu den Medien- und Kulturwissenschaften. Ein Glossar bündelt die grund-legenden Begriffe wie Attac, Biopolitik, G20, Klimawandel, Menschenrechte,multinationale Konzerne, NGO, Postkolonialismus, UN, Völkerrecht, Weltbank-Gruppe, WHO etc.

NOTH, Isabelle (Hg.), Palliative und Spiritual Care. Aktuelle Perspektiven in Medizinund Theologie, TVZ Zürich 2014, 156 p., Pb., 21,50 Eur, ISBN 978-3-290-17761-4.

Wer ist für die Seele zuständig: Seelsorgerin oder Arzt? Was sind interdisziplinäreChancen und Risiken von Palliative und Spiritual Care? Die Beiträge einer Ta-gung der Abteilung Seelsorge der Theologischen Fakultät Bern in Verbindung mitdem Inselspital Bern und dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund vomApril 2013 beleuchten verschiedene Positionen aus Medizin und Theologie. Ei-ner Klärung der Begriffe Palliative Care, Spiritual Care und Spiritualität und einerÜbersicht über den aktuellen Forschungsstand folgen Beiträge zu Medizinethikund Seelsorge. Mit „Ethik und Spiritual Care“ und „Seelsorge und Spiritual Care“kommen zwei pointierte theologische Positionen zu Wort, denen mit „SpiritualCare: Eine Aufgabe für den Arzt?“ eine ebenso prägnante medizinische gegen-übersteht. Zum Schluss re�ektiert ein Beitrag die interdisziplinären Möglichkeitenund Schwierigkeiten von Palliative und Spiritual Care.

OZANKOM, Claude (Hg.), Katholizität im Kommen. Katholische Identität und gegen-wärtige Veränderungsprozesse, Pustet Regensburg 2011, 134 p., Pb., ISBN 978-3-7917-2351-8.

Was ist das Katholische an der Katholischen Kirche? Gewinnt die weltkirchlicheDimension der Kirche durch die Globalisierung ein neues Pro�l? Wie verändert

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sich das Verhältnis von Kirche und Welt unter den heutigen Bedingungen? Wieist das Verhältnis von Ortskirche und Universalkirche, Katholizität und Ökumene,Staat und Kirche zu bestimmen? Welche Bedeutung gewinnen Papsttum, globalesKirchenrecht, Mission in weltkirchlicher Perspektive? Wie drückt sich „das Ka-tholische“ in verschiedenen Erdteilen aus? Solchen und ähnlichen Fragen gehenrenommierte Theologen und Theologinnen wie Paul M. Zulehner, Hans-JürgenFindeis, Georg Schöllgen, Gisela Muschiol, Karl-Heinz Menke, Norbert Lüdicke,Gregor Maria Hoff, Michael Sievernich, Hadwig Müller, Felix Wilfred, AlbertFranz und Claude Ozankom aus verschiedenen theologischen Perspektiven nach.

PATENGE, Markus, Grundrecht Gewissensfreiheit. Genese, Funktion und Grenzen ausmoraltheologischer und rechtlicher Perspektive (Studien der Moraltheologie 1), Aschen-dorff Münster 2013, 231 p., Pb., 34,00 Eur[D], ISBN 978-3-402-11926-6.

Das Recht auf Gewissensfreiheit gehört zu den ältesten Grundrechten auf deut-schem Boden und ist aus dem Grundrechtskanon der Bundesrepublik Deutschlandnicht wegzudenken. Seine Auslegung gestaltet sich aber schwierig: Juristen sindgezwungen, mit dem (theologisch-)ethischen Begriff des Gewissens zu operieren.Ethiker dagegen müssen sich mit der juristischen Grundrechtsdogmatik auseinan-dersetzen. Dieser Band unternimmt daher eine multiperspektivische Darstellungund Analyse dieses Grundrechts. Zu Beginn steht ein Überblick zur Gewissens-freiheit in der Lehre der katholischen Kirche und im Recht der BundesrepublikDeutschland samt ihrer Vorgängerstaaten. Daraufhin wird sie im Kontext aktu-eller Grundrechtsauslegung und theologischer Gewissensexplikation interpretiert.Abschließend werden Eingriffe in dieses Grundrecht systematisiert und einer ethi-schen Bewertung unterzogen.

PETZKE, Martin, Weltbekehrungen. Zur Konstruktion globaler Religion imp�ngstlich-evangelikalen Christentum, transcript Bielefeld 2013, 530 p., Pb., 39,80 Eur[D], ISBN 978-3-8376-2241-6.

Lässt sich inmitten der weltreligiösen Vielfalt ein globaler Zusammenhang ähnlichetwa der Weltwirtschaft oder Weltpolitik ausmachen? Martin Petzke prüft hierzudie religionssoziologischen Erträge von Differenzierungs- und Weltgesellschafts-theorien und entwickelt einen Begriff der Globalität gesellschaftlicher Teilsyste-me. Die Studie, deren empirischer Fokus auf der p�ngstlich-evangelikalen Be-obachtung anderer Religionen liegt, zeichnet nach, wie durch statistische Bilan-zierungen von Bekehrungen eine globale Konkurrenz von Mitgliedschaftsreligio-nen konstruiert wird: ein „amerikanischer“ Sinnentwurf, auf den sich im Zuge desMissionskontakts auch andere Religionen einlassen.

PFLEIDERER, Georg / HEIT, Alexander (Hg.), Religions-Politik I. Zur historischenSemantik europäischer Legitimationsdiskurse (Religion-Wirtschaft-Politik 6), Pano Zü-rich 2013, 443 p., Pb., 43,20 Eur, ISBN 978-3-290-22016-7.

Legitimität aufzubauen ist essenziell für den Bestand und das Funktionieren po-litischer Institutionen. Das gilt für Staaten, ihre Verfassungen und deren Grund-begriffe, aber auch für Staatenverbünde, wie es die Europäische Union ist. Der

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Band versammelt Beiträge eines interdisziplinär zusammengesetzten Forschungs-kollegs, das sich mit den Ein�üssen von Religion auf politische Legitimations-diskurse beschäftigt hat. Welchen historischen Verlauf und welche systematischeStruktur solche Diskurse haben, zeigen die Autoren am Beispiel von fünf Grund-begriffen des europäischen Selbstverständnisses: Gesetz, Entscheidung, Souverä-nität, Menschenwürde, Europa.

POLAK, Regina, Mission in Europa. Auftrag – Herausforderung – Risiko (Spiritualitätund Seelsorge 4), Tyrolia Innsbruck 2012, 128 p., Pb., 9,95 Eur, ISBN 978-3-7022-3147-7.

Der Glaube in Europa schwindet. Zunehmende Säkularisierung, gesellschaftlicherund religiöser Pluralismus haben unter anderem dazu beigetragen. In diesem Zu-sammenhang spricht man wieder von Mission in den christlichen Kirchen Euro-pas. Doch dieser Begriff ist belastet, denn die Geschichte zeigt, dass Mission sehroft mit der Ausübung von Macht und Vorherrschaft verbunden war. Andererseitsgehört Mission unverzichtbar zum christlichen und kirchlichen Selbstverständnis.Wie ist also Mission heute in Europa zu denken und praktizieren in der Spannungzwischen Auftrag und Verp�ichtung, geschichtlicher Last und den gegenwärtigenHerausforderungen und Versuchungen? Band 4 der Reihe „Spiritualität und Seel-sorge“, die im Auftrag der Ordensgemeinschaft der Redemptoristen herausgege-ben wird.

QUAYESI-AMAKYE, Joseph, Christology and Evil in Ghana. Towards a PentecostalPublic Theology (Currents of Encounter, Studies on the contact between christianity andother religions, beliefs, and cultures 49), Rodopi Amsterdam/New York 2013, 363 p., Pb.,Eur 80,00, ISBN 978-90-420-3753-3.

Pentecostalism has traditionally always been other-worldly in the sense that Pen-tecostals tend to believe that people’s lives are controlled by unseen powers thatare responsible for both good and bad. This makes people look for a power that isstronger than those of evil and can ensure that believers enjoy good health and pro-sperity. Pentecostals �nd this power in Jesus Christ, who is victorious over all evilpowers, and therefore pray that Jesus will save them. For them, life is characterisedby suffering and evil, but in Christ they are conquerors, and life is full of concreteblessings. Using songs and sermons, this book shows the main widespread beliefsof the leadership and grassroots members of the Church of Pentecost (GhanaianPentecostals) on Christology and evil. It discusses their fear of evil and their �n-ding solace in the power of Jesus. The author supplements this attitude by the bibli-cal calling to help build a just and peaceful society. He thus develops a theology ofthe public domain in which the church can make a difference by developing its dia-conal services, establishing more educational institutions, and helping—togetherwith people who want to collaborate—build a just and more af�uent society withgood healthcare and a literate and thriving population. This book balances on theinterface between traditional African religious ideas and practices and Christianideals for a more humane society.

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QUISINSKY, Michael/ WALTER, Peter (Hg.), Personenlexikon zum Zweiten Vatika-nischen Konzil. Herder Freiburg 2013, 304 p., Hardcover, 38,00 Eur[D], ISBN 978-3-451-30330-2.

Zum 50. Jahrestag der Konzilseröffnung werden erstmals alle deutschsprachigensowie die wichtigsten Teilnehmer aus anderen Ländern mit rund 400 Einträgenin einem lexikalischen Nachschlagewerk präsentiert. Neben einer Kurzvita bietendie Artikel Informationen zu den Konzilsaktivitäten der Teilnehmer und nennendarüber hinaus Quellen und Literatur. Der Einleitungsteil enthält eine knappe Ge-samtschau auf das Konzil (Vorbereitung, Ablauf, Folgen; Forschungsgeschichte).Das Personenlexikon zum Zweiten Vatikanischen Konzil erweist sich so als unent-behrliches Arbeitsinstrument für alle, die sich für das Konzil interessieren oder eserforschen.

RAGER, Günter/ VON BRÜCK, Michael, Grundzüge einer modernen Anthropologie(Religion, Theologie und Naturwissenschaft 27), Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen2012, 352 p., Hardcover, 39,99 Eur[D], ISBN 978-3-525-57024-1.

Von Beginn menschlicher Re�exion war die Frage, was der Mensch seinem Wesennach sei und welche Stellung er im Kosmos einnehme, von zentraler Bedeutung,denn schließlich wird in ihr das Selbstverständnis des Menschen thematisiert. Da-bei wird die Komplexität der Fragestellung deutlich, da auch nur der Versuch, diesezu beantworten, zahlreiche andere Erkenntnisse und Erfahrungsgebiete voraussetztund somit auch immer von kulturellen Komponenten abhängt.Dabei spielen zwei Aspekte in der Deutung des Menschen eine wichtige Rolle:Zum einen erarbeiteten die modernen Naturwissenschaften zahlreiche Erkenntnis-se, die für das Selbstverständnis des Menschen höchst relevant sind. Zum anderenbilden weiterführende Sinndeutungen,wie sie in religiösen Systemen durchgeführtwerden, eine anthropologische Grundoption.Im Ausgang an die radikalisierte Moderne wurde deutlich, dass sowohl die Inter-pretation naturwissenschaftlicher Erkenntnisse als auch die religiösen Deutungenan kontingente Voraussetzungen geknüpft sind, die eine Pluralität von anthropolo-gischen Bestimmungen nach sich ziehen. Möchte man diese Vielfalt nicht unver-bunden nebeneinander stehen lassen, können diese Bestimmungen im Licht derunumgänglich von allen Menschen zu leistenden Welt- und Lebensorientierungnur in einer philosophischen Analyse vernünftig aufeinander bezogen werden,wodurch mögliche Horizonte und Grenzen des anthropologischen Unternehmensdeutlich werden.

REDFORD, Shawn B., Missiological Hermeneutics. Biblical Interpretation For the Glo-bal Church, Pickwick Eugene OR 2012, 384 p., Pb., 42,00 US$, ISBN 978-1-60899-402-1.

How have those engaged in the mission of God been challenged to reinterpretScripture through their experience? In what ways were the missionaries in the Bi-ble challenged to reevaluate Scripture in their own time? Redford attempts to giveshape to the nature of missional hermeneutics by examining Scripture, present-day

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cultural values, historical struggles, and the experience of those who are engagedin the mission of God. In order for missionaries to overcome the scienti�c polari-zation in Western hermeneutics, they must be able to perceive and learn from theoverarching missional and spiritual hermeneutics found throughout Scripture sothat they can balance missional, spiritual, historical-critical, and even unforeseenhermeneutical paths, providing increased con�dence in biblical interpretation.

REIFENHÄUSER, Hubert, Der verstummte Gott. Auf der Suche nach einem dem heu-tigen Menschen zumutbaren Gottesbild, Books on Demand Norderstedt 2013, 264 p., Pb.,16,90 Eur[D], ISBN 978-3-7322-3376-2.

Die Erkenntnisse der Evolution und die Begegnung mit den Phänomenen derQuantenwelt haben unseren Blick auf das Leben radikal verändert und einematheistisch-materialistischen Denken den Boden bereitet. Der Glaube an Gottscheint vielen Menschen nicht mehr „zeitgemäß“ zu sein, während sie in ihremVerlangen, sich als Bestandteil eines großen Ganzen zu erfahren, spirituell umsostärker auf der Suche sind.Die Kirche mit ihren starren Strukturen widmet dem religiösen Aufbruchsverlan-gen der Menschen wenig Aufmerksamkeit. In ihrem immer noch nicht beigeleg-ten jahrhundertealten Kon�ikt mit der Naturwissenschaft hält sie an ihren Dogmenund an einem statischen Weltbild fest, in dem die umittelbar erfahrbare Lebensrea-lität sich nicht mehr zu spiegeln scheint.Mit seinem Buch versucht Hubert Reifenhäuser, die kritischen Christen und ihreKirche einander wieder näher zu bringen. Er zeigt, dass sich der Glaube an Gottmit „der Welt von heute“ sehr wohl vereinbaren lässt, wenn das Bild, das wir unsvon ihr machen, im konstruktiven Sinne wieder frag-würdig wird – und wenn dieKirche und ihre christliche Theologie sich ernsthaft bemühen, den Menschen vonheute die religiösen Reichtümer der Kirche wieder verständlich zu machen.

RENZ, Andreas, Die katholische Kirche und der interreligiöse Dialog. 50 Jahre „No-stra aetate“: Vorgeschichte, Kommentar, Rezension, Kohlhammer Stuttgart 2014, 286 p.,Pb., 34,90 Eur[D], ISBN 978-3-17-023425-3.

Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) hat sich die katholische Kirchedem religiösen Pluralismus gestellt und den Weg der dialogischen Öffnung beigleichzeitiger Wahrung der eigenen Identität beschritten. Besonders mit der Er-klärung „Nostra aetate“ hat die Kirche in nahezu prophetischer Weise die anderenWeltreligionen, insbesondere das Judentum, in Blick genommen und diese erst-mals positiv gewürdigt. Der Autor skizziert die Vor- und Entstehungsgeschichteder Konzilserklärung „Nostra aetate“, ordnet sie in die Theologie- und Kirchenge-schichte ein und bietet eine ausführliche Kommentierung der Erklärung und ihrerTextstadien. Schließlich wird die Rezeptions- und Wirkungsgeschichte bis zu denHerausforderungen der Gegenwart beleuchtet. „Andreas Renz hat eine wichtige,ja einzigartige Orientierung auf dem Feld des interreligiösen Dialogs vorgelegt. Indiesem bedeutenden Werk zeigt er, wie untrennbar Dialog und Identität der Kirchemiteinander verbunden sind.“ Aus dem Vorwort von Roman Siebenrock.

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RENZ, Monika, Der Mystiker aus Nazaret. Jesus neu begegnen – Jesuanische Spiritua-lität, Kreuz Freiburg 2013, 208 p., Hardcover, 16,99 Eur[D], ISBN 978-3-451-61195-7.

Wie können wir mit der Brüchigkeit unseres Lebens, unseren Prägungen undÄngsten umgehen? Wie auf unserer Suche nach Sinn die Wirklichkeit des Gött-lichen erfahren? Monika Renz zeigt: Die Spiritualität Jesu kann zum Begleiter aufder eigenen Suche nach Innerlichkeit, tiefer Verwurzelung und ganzheitlicher Be-ziehung werden: Persönliche Hilfe im Sinn einer therapeutischen und spirituellenOrientierung.

RIEGER, Jörg, Christus und das Imperium. Von Paulus bis zum Postkolonialismus(Theologie Forschung und Wissenschaft 26), LIT Berlin 2009, 250 p., Pb., 19,90 Eur[D],ISBN 978-3-8258-1513-4.

Seit 2000 Jahren haben Imperien nicht nur das Christentum für ihre eigenen Zwe-cke benützt, sondern auch die zentralen Themen christlicher Theologie nachhaltigbeein�usst. In diesem Buch zeigt Rieger diese Zusammenhänge auf, aber er zeigtzugleich auch, dass kein Imperium das Christentum jemals völlig gleichschaltenkonnte. Die hartnäckige Weigerung von Jesus, sich dem Imperium unterzuordnen,hat Menschen durch die Jahrhunderte bis heute dazu inspieriert, sich nicht anzu-passen, Widerstand zu leisten und alternative Lebensstile zu entwickeln.

ROSENAU, Hartmut, Vom Warten – Grundriss einer sapientialen Dogmatik. NeueZugänge zur Gotteslehre, Christologie und Eschatologie (Lehr- und Studienbücher zurTheologie 8) LIT berlin 2012, 232 p., Pb., 19,90 Eur[D], ISBN 978-3-643-11518-8.

Dieses Lehr- und Studienbuch führt in die heutigen Aufgaben und Probleme derSystematischen Theologie ein und erörtert klassische Themen sowohl der natür-lichen Theologie (Gottesbeweise, Anthropologie, Schöpfungslehre) als auch derOffenbarungstheologie (Christologie, Schriftprinzip, Theologie der Religionen).Die hier aufgezeigten Aporien leiten zu einem eigenständigen Entwurf einer sa-pientialen (weisheitlichen) Dogmatik über, die an den Beispielen der Gotteslehre,der Christologie und der Eschatologie neue Wege zwischen aufgeklärter Skepsisund orientierender Verbindlichkeit eröffnet.

ROTH, Ulli, Gnadenlehre (Gegenwärtig Glauben Denken – Systematische Theologie8), Ferdinand Schöningh Paderborn 2013, 274 p., Pb., 38,90 Eur[D], ISBN 978-3-506-77647-1.

Gnade ist ein allgegenwärtiges und umstrittenes Urwort des christlichen Glaubens.Dennoch scheint sie heute – zum Unwort geworden – fast vergessen zu sein. Ent-gegen diesem Trend in Theologie und Gesellschaft erschließt diese Untersuchungeinen neuen Zugang zu einem Herzstück der biblischen Botschaft.Die vorliegende Gnadenlehre zeigt auf, in welcher Weise der christliche Gnaden-gedanke über die Jahrhunderte hinweg prägend war und immer noch ist. Dazuzeichnet sie die Spuren nach, die das Evangelium der Gnade Gottes in Philosophieund Theologie gelegt hat. So darf und soll die Menschenfreundlichkeit Gottes, die

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der christliche Glaube seit Paulus im Wort Gnade verdichtet, auch gegenwärtiggeglaubt und gedacht werden.

RUHSTORFER, Karlheinz, Glaube im Aufbruch. Katholische Perspektiven, FerdinandSchöningh Paderborn 2013, 221 p., Pb., 24,90 Eur[D], ISBN 978-3-506-77862-8.

Die Katholische Kirche be�ndet sich in einem dramatischen Übergang: von einereuropäischen Kirche zur Weltkirche, von einer quasi-mittelalterlichen Institutionzu einem global player in postsäkularen Gesellschaften, von einem ständischenSystem zu einer partnerschaftlichen Gemeinschaft, . . .Kräfte des Beharrens und der Veränderung ringen miteinander. Aber klar ist: „Pil-gerschaft und Aufbruch vertragen sich nicht mit Sesshaftigkeit. Wir haben die Zu-sage, dass Gott uns hilft, dass wir uns in der Fremde nicht verlieren . . . “ (RobertZollitsch).Karlheinz Ruhstorfer eröffnet Perspektiven, wie der katholische Glaube eine neuekulturelle, intellektuelle und soziale Dynamik erhalten kann, wenn er den schein-baren Kon�ikt von Zeitgeist und dem Geist Jesu überwindet. Denn der Geist Jesubefreit, erneuert und bewegt – auch da, wo wir nicht damit rechnen.Der Band stellt entscheidende Fragen: Welche Trends prägen unsere Wirklichkeit?Gibt es eine Wiederkehr der Religion? Worin bestehen die christlichen „Essenti-als“? Kann man den Glauben vernünftig begründen? Warum sollen wir heute vonJesus sprechen? Kann man an Gott angesichts des Leidens glauben? Was ist ei-ne Gottesbeziehung? Wie hängen Glaube und Demokratie zusammen? Inwieferndürfen Gläubige und Theologen in der Kirche mitreden? Gibt es ein Ende allerDinge?

SAJAK, Clauß Peter (Hg.), Religionsunterricht kompetenzorientiert. Beiträge ausfachdidaktischer Forschung, Ferdinand Schöningh Paderborn 2012, 221 p., Pb., 29,90Eur[D], ISBN 978-3-506-77626-6.

Kompetenzorientierung verändert die didaktische Struktur von Lernprozessen –auch im Religionsunterricht.Der mit der Einführung von Bildungsstandards verbundene Paradigmenwechselder Bildungs- und Schulpolitik hat auch Konsequenzen für die Religionsdidaktikgehabt. Sowohl für den evangelischen als auch für den katholischen Religions-unterricht gibt es in den meisten Bundesländern in-zwischen kompetenzorientierteKerncurricula. Auch die wissenschaftliche Religionspädagogik diskutiert seit eini-gen Jahren intensiv die Frage, in welchem Maße der neue Ansatz der Kompetenz-orientierung die traditionelle Gestalt des Religionsunterrichts verändern wird. In-zwischen liegen Ergebnisse aus verschiedenen Forschungsprojekten zur Kompe-tenzorientierung im Religionsunterricht vor. Die vorliegende Publikation präsen-tiert die jüngsten Forschungsergebnisse und diskutiert die daraus abzuleitendenKonsequenzen für die Gestaltung von religiösen Lern- und Unterrichtsprozessen.

SATTLER, Dorothea, Kirche(n) (Grundwissen Theologie), Schöningh / UTB Paderborn2013, 167 p., Pb., 14,99 Eur[D], ISBN 978-3-8252-3723-3.

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„Kirche(n)“ ist die erste systematische Einführung in die Ekklesiologie, die eineökumenisch sensible Perspektive einnimmt.Die Grundfragen dieses relativ jungen Teilgebietes der Theologie werden ver-ständlich und klar erläutert und sorgen für einen strukturierten Überblick über dieKirchenlehre.Die Themen sind Judentum und Kirche, der irdische Jesus, Sozialformen, Kir-chenspaltungen und -reformen, Wesensbestimmungen der Kirche, Grunddienste,kulturelle Traditionen sowie die Zukunft der Kirche(n).

SCHAMBECK, Mirjam, Interreligiöse Kompetenz. Vandenhoeck & Ruprecht / UTB2013, 192 p., Pb., 19,99 Eur[D], ISBN 978-3-8252-3856-8.

Der Plural der Religionen ist auch in Deutschland angekommen und alltäglich er-fahrbar. Die Klassenzimmer sind bunter, die Religionszugehörigkeiten sind unter-schiedlicher geworden. Schülerinnen und Schüler im Religionsunterricht zu einereigenen, begründeten Position zu Fragen der Religion zu befähigen, heißt inso-fern, dies angesichts des Plurals der Religionen zu tun. Das vorliegende Lehrbuchlegt einen Ansatz (inter-)religiöser Bildung vor, der die Chancen und Herausforde-rungen des Religionsplurals produktiv aufgreift. Ausgehend von sozio-politischenEntwicklungen, den Einstellungen von Schülerinnen und Schülern zum Religi-onsplural sowie theologischen Weichenstellungen im Dialog der Religionen wer-den zum ersten Mal unterschiedlicheAnsätze interreligiösen Lernens aufgearbeitetund kritisch beleuchtet. Insofern bietet das Buch wichtiges Prüfungswissen.Mittels eines theologischen Differenzmodells, das im Verständnis Gottes als Lie-be wurzelt, wird es möglich, den Anderen, Fremden nicht als Bedrohung, sondernals anerkanntes und anerkennendes Gegenüber zu verstehen. Das erlaubt, inter-religiöse Kompetenz neu zu konturieren und einen Ansatz (inter-)religiöser Bil-dung vorzulegen, der die Schülerinnen und Schüler als Subjekte des Lernens ernstnimmt und die Wahrheitsansprüche der Religionen nicht überdeckt. Beispiele, wiedieser Ansatz (inter-)religiöser Bildung im Religionsunterricht fruchtbar gemachtwerden kann, runden die Überlegungen ab.

SCHMID, Hansjörg/ DZIRI, Amir/ GHARAIBEH, Mohammad / MIDDELBECK-VARWICK, Anja (Hg.), Kirche und Umma. Glaubensgemeinschaft in Christentum undIslam (Theologisches Forum Christentum – Islam 9), Friedrich Pustet Regensburg 2014,296 p., Pb., 22,00 Eur[D], ISBN 978-3-7917-2583-3.

Das Glaubensleben in und mit der Gemeinschaft ist im Christentum wie im Islamein Grundbestandteil religiöser Praxis. Zur Kirche als theologisch begründeter In-stitution gibt es im Islam keine unmittelbare Entsprechung. Die Idee der Ummasteht für die weltweite Gemeinschaft der Muslime. Trotz aller Unterschiede ha-ben die islamische und die christliche Glaubensgemeinschaft die Funktionen vonZeugnis, Erinnerung und Tradierung gemeinsam. Wie verhalten sie sich angesichtsder Spannung von Einheitsideal und empirischer Vielfalt? Wie stellen sie sich zumVolk Israel, wie zur Politik und zum Verfassungsstaat?

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SCHREIJÄCK, Thomas (Hg.), Afrika im Aufbruch? Analysen und Impulse in interdis-ziplinärer und interkultureller Perspektive, Grünewald Ost�ldern 2012, 160 p., Hardcover,23,00 Eur[D], ISBN 978-3-7867-2959-2.

Das heute verbreitete Bild des afrikanischen Kontinents ist einerseits von den„Ks“: Krisen, Kriege, Katastrophen, Krankheiten und Korruption, andererseits vonden „Ds“: Demokratisierung, Diversi�zierung, Dezentralisierung und Dynamisie-rung, insbesondere der Zivilgesellschaft (Tetzlaff), bestimmt. Die Korrektur diesesBildes und der Weg in eine hoffnungsvolle Zukunft sind nicht die alleinige Sacheund Aufgabe Afrikas. Die Ansätze und Re�exionen in den hier vorgelegten Tex-ten berücksichtigen neben theologischen auch historische, philosophische, anthro-pologische, sprach- und kommunikationswissenschaftlich ansetzende Disziplinenund deren Impulse in interkultureller Perspektive. Sie erörtern u.a. die innovativeDynamik und das Selbstbewusstsein der Kirchen des Südens sowie die theolo-gischen Folgen dieser Transformationsprozesse und bieten so ein facettenreichesBild eines Kontinents im Aufbruch.

SCHÜTTE, Heinz, Dialog, Kritik, Mission. Franz Magnis-Suseno, ein indonesischer Je-suit aus Deutschland, Regiospectra Verlag Berlin 2013, 450 p., Pb., 29,90 Eur[D], ISBN978-3-940132-61-1.

Franz Magnis-Suseno SJ, 1936 in Schlesien als Franz Graf von Magnis geborenund seit 1961 in Indonesien lebend, gehört zu den ein�ussreichsten öffentlichen In-tellektuellen des Landes. Er ist katholischer Priester, Philosoph, Hochschullehrer,Autor wissenschaftlicher Schriften und Essays sowie von einem breiten Publikumaufmerksam verfolgter Beiträge in Presse und Fernsehen. Magnis-Suseno ist einführender Vertreter des Dialogs der Religionen, insbesondere zwischen Muslimenund Christen, Vorkämpfer für Demokratie und Menschen- rechte sowie Verfech-ter für den Ausgleich zwischen politisch-sozialen Interessen Indonesiens. Mit demZiel, ein Leben im historischen Kontext und aus seinen geistigen Wurzeln zu ver-stehen, versucht Heinz Schütte die Annäherung an einen Grenzgänger, der sich, ge-tragen von tiefer Gläubigkeit und seiner philosophischen Ethik, stets eingemischthat: in der Zeit des Kalten Krieges während der Präsidentschaft des neutralistisch-linken Staatsgründers Sukarno, der Massenmorde in den Jahren 1965/66, aus de-nen das Militärregime Suhartos seinen Gründungsmythos schmiedete, bis in diegesellschaftlich-kulturellen Debatten der Gegenwart um mehr Demokratie, sozia-le Gerechtigkeit, Bekämpfung von Korruption und religiös motivierter Gewalt.

SEDMAK, Clemens /GAISBAUER, Helmut P. /TEIXEIRA, Marina P. (Hg.), Eine Kul-tur der Hoffnung bauen. Papst Benedikt XVI. und die Idee guter Zukunft, Pustet Re-gensburg 2013, 276 p., Pb., 29,95 Eur[D], ISBN 978-3-7917-2492-8.

In seiner Enzyklika „Spe Salvi“ über die Hoffnung stellt Papst Benedikt XVI. dieFrage nach Grund, Quellen und Frucht der Hoffnung, die uns trägt. Dabei betonter, dass Hoffnung nicht individualistisch zu verstehen ist, sondern ein Gut einerGemeinschaft darstellt. In früheren Schriften Joseph Ratzingers wie auch in derEnzyklika „Caritas in Veritate“ �nden sich Ideen zu einer Kultur der Hoffnung.

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In den vorliegenden Beiträgen junger WissenschaftlerInnen geht es um die Fra-ge nach Begriff, Manifestationen und Möglichkeiten der Einübung in eine solcheKultur der Hoffnung sowie um die Frage nach dem konkreten Aufbau einer Kulturder Hoffnung.

SHELDRAKE, Philip, Spirituality: A Brief History. (2nd Edition), Wiley-Blackwell Ho-boken NJ 2013, 264 p., Pb., 24,70 Eur, ISBN 978-1-1184-7235-4.

Engagingly written by one of the world’s leading scholars in this �eld, this com-prehensively revised edition tells the story of Christian spirituality from its originsin the New Testament right up to the present day.Charts the main �gures, ideas, images and historical periods, showing how andwhy spirituality has changed and developed over the centuries. Includes new chap-ters on the nature and meaning of spirituality, and on spirituality in the 21st cen-tury; and an account of the development and main features of devotional spiritua-lity. Provides new coverage of Christian spirituality’s relationship to other faithsthroughout history, and their in�uence and impact on Christian beliefs and prac-tices. Features expanded sections on mysticism, its relationship to spirituality, thekey mystical �gures, and the development of ideas of ‚the mystical‘. Explores theinterplay between culture, geography, and spirituality, taking a global perspectiveby tracing spiritual developments across continents.

SIEBENROCK, Roman A./ TÜCK, Jan-Heiner (Hg.), Selig, die Frieden stiften. Assi-si – Zeichen gegen Gewalt, Herder Freiburg 2012, 260 p., Hardcover, 19,99 Eur[D], ISBN978-3-451-32573-1.

25 Jahre Weltgebetstreffen in Assisi. Aus diesem Anlass leuchtet der Band dasModell Assisi in Entwicklung, Breitenwirkung und aktueller Bedeutung aus. Erversammelt Beiträge christlicher Theologen und Stellungnahmen anderer Religi-onsvertreter, die das Anliegen von Assisi würdigen.

SUESS, Paulo, Und sie bewegt sich doch! Wegmarken pastoraler Praxis in Theologieund Kirche Lateinamerikas (Theologie interkulturell 21), Matthias-Grünewald Ost�ldern2014, 178 p., Pb. 20,00 Eur[D], ISBN 978-3-7867-2814-6.

”Option für die Armen“, „Basisgemeinden“, „ganzheitliche Befreiung“ und „In-kulturation des Evangeliums“. Im Rahmen der zweiten gesamtlateinamerikani-schen Bischofsversammlung in Medellín (1968) wurde erstmals in der kirchlich-theologischen Öffentlichkeit von der Theologie der Befreiung gesprochen.Paulo Suess beschreibt die Pro�le und Aufbrüche einer standort- und kulturbe-zogenen Theologie, die nahe bei den Menschen ist und darum die Artikulationzwischen Theologie und Volksfrömmigkeit, zwischen Armen und den Anderen inder universalen Sache des Reiches Gottes versuchen muss. Eine wichtige Studieim Blick auf lateinamerikanisch-kontinentale und globale Herausforderungen desKulturwandels und die Rolle, die das Christentum darin spielen kann.

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SUTOR, Bernhard, Katholische Soziallehre als politische Ethik. Leistungen und De�-zite, Ferdinand Schöningh Paderborn 2013, 296 p., Pb., 39,90 Eur[D], ISBN 978-3-506-77680-8.

Hat die Soziallehre der Kirche Hilfreiches zur Politik zu sagen? Die Katholi-sche Soziallehre ist stark in ihren Prinzipien: Personalität, Gemeinwohl, Solida-rität, Subsidiarität. Kann sie auch Orientierung geben für die politische Praxis, fürInteressen- und Machtkon�ikte, für Kompromisssuche?Die Katholische Soziallehre wurde im 19. Jahrhundert in Auseinandersetzung mitder Sozialen Frage, dem Liberalismus und Sozialismus entwickelt. Gegen beidehat sie ihre Prinzipien einer gerechten Ordnung entwickelt. Im 20. Jahrhundertwurde sie präzisiert und zunehmend auf Hauptfelder der Politik angewandt: politi-sche Ordnung, Menschenrechte und Demokratie, internationale Politik, Krieg undFrieden, Entwicklung und Ökologie.Inwieweit wird die Katholische Soziallehre den Bedingungen politischen Han-delns in Interessen- und Machtkon�ikten gerecht? Was sind wichtige Beiträge derKirche zu einer Ethik des Politischen und was typische De�zite infolge der Nei-gung zu kurzschlüssigem Moralisieren?

STAUSBERG, Michael / Engler, Steven (Eds.), The Routledge Handbook of ResearchMethods in the Study of Religion. Routledge London 2011, 546 p., Hardcover, 135,00GB£, ISBN 978-0-415-55920-1.

This is the �rst comprehensive survey in English of research methods in the �eldof religious studies. It is designed to enable non-specialists and students at upperundergraduate and graduate levels to understand the variety of research methodsused in the �eld. The aim is to create awareness of the relevant methods current-ly available and to stimulate an active interest in exploring unfamiliar methods,encouraging their use in research and enabling students and scholars to evaluateacademic work with reference to methodological issues. A distinguished team ofcontributors cover a broad spectrum of topics, from research ethics, hermeneu-tics and interviewing, to Internet research and video-analysis. Each chapter coverspractical issues and challenges, the theoretical basis of the respective method, andthe way it has been used in religious studies, illustrated by case studies.

STEIOF, Dorothee, Verherrlichung Gottes. Madeleine Delbrêl und alttestamentlicheTexte (Praktische Theologie heute 131) Herder Freiburg 2013, 420 p., Pb., 44,90 Eur[D],ISBN 978-3-17-023012-5.

Die katholische Mystikerin und Sozialarbeiterin Madeleine Delbrêl (1904-1964)zählt zu den ein�ussreichsten Gestalten der missionarischen Bewegungen inFrankreich. Sie war mit einer Gruppe von Laien in der Arbeitervorstadt von Paristätig und verbindet in ihrem Wirken Gottesbegeisterung und Nächstenliebe. DieAnalyse ihres Lebenszeugnisses zeigt, dass ihre Pastoral maßgeblich doxologischinspiriert war: Die Verherrlichung Gottes leitet ihr Handeln auch dort, wo diesnicht unmittelbar erkennbar ist, und wird ihr zur Quelle einer umso größeren Nähezum Menschen. Steiof zeichnet diese Dynamik bei Madeleine Delbrêl nach und

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bringt sie mit einer Auswahl alttestamentlicher Motive der Gottesverherrlichungins Gespräch. Aus diesem Dialog der doxologischen Zeugnisse vergangenerGlau-benssubjekte ergeben sich wichtige Impulse für das Verhältnis von Spiritualitätund Pastoral heute.

STETTBERGER, Herbert/ BERNLOCHNER, Max (Hg.), Interreligiöse Empathie ler-nen. Impulse für den trialogisch orientierten Religionsunterricht (Religionspädagogik undEmpathie 1), LIT-Verlag Münster 2013, 208 p., Pb., 9,90 Eur[D], ISBN 978-3-643-11984-1.

In unserer pluralen Gesellschaft begegnen sich täglich Menschen unterschiedli-cher religiöser Provenienz und Sozialisation. Dadurch eröffnen sich buchstäblichungeahnteChancen der Verständigung und gegenseitigen Wertschätzung. Eine we-sentliche Voraussetzung hierfür ist die Fähigkeit zur interreligiösen Empathie. Werbereit ist, die Welt gleichsam mit anderen Augen zu sehen, ungewohnte Perspek-tiven zu berücksichtigen und von Mitmenschen zu lernen, erweitert nicht nur sei-nen Horizont, sondern entdeckt möglicherweise im scheinbar Fremden allzu Be-kanntes oder, um es in Anlehnung an Emmanuel L’evinas zu formulieren, erkenntvielleicht „im Anderen“ sein „alter ego“. Wenn in einem trialogisch orientiertenReligionsunterricht empathische Lernprozesse gefördert werden, sind damit diebesten Grundlagen für gelingende interreligiöse Begegnungen junger Menschengeschaffen.

STRECKER, Christian / VALENTIN, Joachim (Hg.), Paulus unter den Philosophen(Religionskulturen 10), Kohlhammer Stuttgart 2013, 278 p., Pb., 32,00 Eur[D], ISBN:978-3-17-022069-0.

War Paulus aus Tarsus ein Philosoph? Zählt er gar zu jenen bedeutenden Philo-sophen, die das abendländische Leben und Denken maßgeblich mit prägten? Deritalienische Philosoph Giorgio Agamben bezeichnet jedenfalls den Römerbrief desApostels als „grundlegenden messianischen Text der westlichen Kultur“. Nach-drücklich weisen auch jüdische Gelehrte wie Jacob Taubes und Daniel Boyarinauf die philosophisch-politische Sprengkraft paulinischen Denkens hin. Lange zu-vor setzten sich bereits Friedrich Nietzsche und Martin Heidegger intensiv mitden Briefen des Apostels auseinander. War Paulus ein Philosoph? In jedem Fallgenießt er unter den Philosophen der Moderne und Spätmoderne eine bemerkens-wert große Aufmerksamkeit. Die hier versammelten Beiträge von Philosophen undTheologen geben einen profunden Einblick in sein denkerisches Potential.

STRIET, Magnus / TÜCK, Jan-Heiner (Hg.), Erlösung auf Golgota? Der OpfertodJesu im Streit der Interpretationen (Theologie kontrovers), Herder Freiburg 2012, 180 S.,Pb., 11,99 Eur[D], ISBN 978-3-451-30651-8.

Seit Jahrzehnten schwelt in der Theologie die Auseinandersetzung darüber, wiedas biblische „gestorben für unsere Sünden“ zu interpretieren ist. Dieser Bandgreift in die Debatte ein, traditionsverp�ichtet und zugleich kritisch. Er eröffnetdabei neue Interpretationszugänge. Mit Beiträgen von: Ottmar Fuchs, Julia Knop,

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Karl-Heinz Menke, Jozef Niewiadomski, Magnus Striet, Jan-Heiner Tück und Jür-gen Werbick

TANG, Li / WINKLER, Dietmar W. (Eds.), From the Oxus River to the Chinese Sho-res. Studies on East Syriac Christianity in China and Central Asia (orientalia-patristica-oecumenica 5), LIT Münster 2013, 480 p., Pb., 44,90 Eur[D], ISBN 978-3-643-90329-7.

Syriac Christianity spread along the Silk Road together with Aramaic culture andliturgy. The staging posts of Christian merchants along the trade routes grew into�rst missionary centers. Thus, the mission of the Church of the East stretched fromPersia to Arabia and India; and from the Oxus River to the Chinese shores. Thisvolume contains a collection of studies on the Church of the East in its historicalsetting. Contributors have shed new light on this subject from various perspectivesand academic disciplines, providing fresh insights into the rich heritage of SyriacChristianity.

TATARI, Muna / VON STOSCH, Klaus. Trinität – Anstoß für das islamisch-christliche Gespräch (Beiträge zur Komparativen Theologie 7), Ferdinand SchöninghPaderborn 2013, 268 p., Pb., 29,90 Eur[D], ISBN 978-3-506-77538-2.

Das Gottesbild stellt in jeder Religion den Ausgangspunkt und das Zentrum fürtheologische Auseinandersetzungen mit den eigenen Glaubensinhalten und derVerhältnisbestimmung zu anderen Religionen dar.In Bezug auf andere Religionen – auch und besonders im christlich-muslimischenGespräch – ist das Gottesbild immer wieder der zentrale Punkt, um die Differenzenzwischen den Religionen herauszustellen. Vor allem an das Christentum entstehenin diesem Zusammenhang Anfragen, wie sich das Bekenntnis zu einem dreifal-tigen Gott und damit das Festhalten an der Trinität als konkreter Monotheismusausweisen lässt. Aber auch für den Islam stellen sich eine Reihe von Fragen, dieausloten, wie man aus muslimischer Sicht die spekulativen Probleme lösen kann,auf die die Trinitätstheologie eine Antwort geben möchte.

TOCH, Michael, Die Juden im mittelalterlichen Reich (Enzyklopädie deutscher Ge-schichte 44), Oldenbourg München, 3. erw. Au�age 2013, 208 p., Pb., 19,95 Eur[D],ISBN 978-3-486-71908-6.

Michael Toch bietet einen ausgezeichneten Überblick über das jüdische Leben ineiner Epoche, in der sich nicht zuletzt jene antijüdischen Stereotype entwickel-ten, die schließlich zu Pogromen sowie zu Vertreibung und Ermordung der Judenführten. Jüngste Forschungsergebnisse, die aktuelle Strömungen und Tendenzenerfassen, und die aktualisierte Bibliographie bereichern die neue Au�age.

TÜCK, Jan-Heiner (Hg.), Erinnerung an die Zukunft. Das Zweite Vatikanische Kon-zil, Herder Freiburg 2013, 760 p., Hardcover, 24,99 Eur[D], ISBN 978-3-451-33568-6.

Das Vaticanum II hat das Selbstverständnis der katholischen Kirche erneuert undeine dialogische Öffnung zur Moderne vollzogen. Das große und erfreulich positi-ve Echo, das der vorliegende Band gefunden hat, ist Anlass für diese aktualisierte

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und um einige Beiträge erweiterte Neuau�age. „Hier kommt der neueste Standder Forschung zur Sprache. Studierende und Lehrende der Theologie werden aufdieses Kompendium kaum verzichten können“ (Sabine Pemsel-Maier).

TÜCK, Jan-Heiner / BIERINGER, Andreas, „Verwandeln allein durch Erzählen“,Peter Handke im Spannungsfeld von Theologie und Literaturwissenschaft, Herder 2014,248 p., Hardcover, 19,99 Eur]D], ISBN 978-3-451-32673-8.

Seit Jahrzehnten gehört Peter Handke zu den bedeutendsten Schriftstellern desdeutschen Sprachraums. Ihm ist es wie kaum einem anderen Autor seiner Genera-tion gelungen, sowohl im Literaturbetrieb als auch in den Feuilletons immer wie-der präsent zu sein. In diesem Band gehen namhafte Stimmen aus Theologie undLiteraturwissenschaft den bisher wenig beachteten religiösen Motiven in HandkesWerk nach.

UHDE, Bernhard, Warum sie glauben, was sie glauben. Weltreligionen für Anders-gläubige und Nachdenkende, Herder Freiburg 2013, 256 p., Hardcover, 16,99 Eur [D],ISBN 978-3-451-30917-5.

Kon�ikte rühren oft vom Nichtwissen. Noch öfter vom Nichtverstehen:Wie”ticken“ die „anderen“ wirklich? Was sind ihre inneren Antriebskräfte, ihregedanklichen Prinzipien? Damit Debatten über kulturelle Unterschiede nicht mehrso schnell ins Leere laufen, stellt Bernhard Uhde die inneren Konzepte vor, die dieinnere spirituelle und kulturelle Dynamik der großen Weltreligionen ausmachen –und zwar so, wie sie sich für Anhänger dieser Religion darstellen. Eine neue Basisfür den Dialog und das Zusammenleben.

UCAR, Bülent (Hg.), Islam im europäischen Kontext. Selbstwahrnehmungen und Au-ßensichten (Reihe für Osnabrücker Islamstudien 9), Peter Lang Frankfurt 2013, 520 p.,Hardcover, 59,95 Eur[D], ISBN 978-3-631-60709-1.

Dieser neunte Band der ROI – Reihe für Osnabrücker Islamstudien – stellt die Do-kumentation der Ringvorlesungen im Rahmen des Studienganges Islamische Re-ligionspädagogik der Universität Osnabrück dar. Der Sammelband ist eine weitereVertiefung der in den vorangegangenROI-Bänden aufgeworfenen Fragestellungenzu Islam und Integration in Europa. Im Mittelpunkt der Beiträge steht, wie gelebteVielfalt in Einheit in Zeiten von Säkularisierung und Individualisierung auch fürdie muslimische Umma in Deutschland und Europa realisiert werden kann. Wiekann sich also eine heterogene Gesellschaft im Sinne von Anerkennung, Partizi-pation, Gleichberechtigung und Normalität entwickeln? In den versammelten Bei-trägen werden zahlreiche Blickwinkel auf islam- und integrationspolitische, isl-amtheologische, interreligiöse und religionswissenschaftliche Fragen präsentiert.

VALENTIN, Joachim, Eschatologie. Gegenwärtig Glauben denken (SystematischeTheologie 11), Ferdinand Schöningh Paderborn 2013, 260 p., Pb., 34,90 Eur[D], ISBN978-3-506-77648-8.

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Eine Zeit lang schien es, als seien die letzten Dinge (Eschata), Gericht, Fegefeuer,Himmel und Hölle, ganz aus der gegenwärtigen Theologie verschwunden. Dabeiwaren sie nur in Film, Literatur und Endzeitkirchen ausgewandert, feierten dortaber, im Raum des Nicht-Re�exiven, fröhliche Urständ.Ausgehend von der Gegenwart sucht das Buch archäologisch die zerfaserten Strän-ge dessen zu entwirren, was einmal kurz vor der Zeit Jesu im spätjüdischen Pa-lästina zur litera-rischen Form „Apokalyptik“ gerann. Beim Abtragen der ideen-politischen Schichten in Postmoderne, Neuzeit und Mittel-alter greifen medien-und literaturwissenschaftliche, philosophische und theologische Methoden inein-ander. Im Hintergrund wirkt die Annahme, der Mensch sei im Rahmen einer �k-tionalen Anthropologie adäquat beschreibbar. Gerade dort, wo wissenschaftlichesErklären nicht hinreicht, in die Sphäre jenseits von Geburt und Tod eben, erfülltdie Einbildungskraft eine unvertretbare Aufgabe der Welterschließung.

VALLOORAN, Jaison D., Heidegger und Sankara. Die hermeneutische Zusammen-gehörigkeit von ‚Atman‘ und ‚Brahman‘, Dr. Kovac Hamburg 2013, 246 p., Pb., 79,80Eur[D], ISBN 978-3-8300-6801-3.

Die Erörterung der wechselseitigen Anteilnahme der abendländisch-morgenländischen Grunderfahrung im Bereich des Denkens, insbesonderein der Befugnis der ontologischen Seinsverständnisse, ist die beabsichtigteAufgabe dieser Arbeit. So setzt der Autor den Schwerpunkt dieser Untersuchungdarauf, die Vedanta-Darlegung des Brahmans als”Sat-Cit-Ananda“ durch dasontologische Verständnis Heideggers zu betrachten. Philosophieterminologischist es eine ontologische Untersuchung im vergleichenden Denkbereich, dassdie Advaita-Darlegung des Bestehenden als die Nicht-Dualität („Advayam“)parallel den Weg zu dem ontologischen Standpunkt Heideggers bahnt, dass nachdem Advaita-Vedanta das Universum als das „Eine“ und „Selbige“ betrachtetwird; dieses „Eine“ und”Selbige“ heißt dogmatisch „Brahman“. Im Hinblickauf die Betrachtung, dass das Sein als das „Eine“ und „Selbige“ zu begreifenist, kennzeichnet Heidegger die langwaltende Tradition des abendländischenSeinsdenkens als die Epoche der Seinsvergessenheit.Sowohl haben die Wahrheitsverständnisse Heideggers vieles gemeinsam mit demin dem Advaita-Vedanta dargelegten „Sat“. Die Heideggersche Untrennbarkeitvon Wahrheit und Sein ist in Advaita-Vedanta soweit dargelegt worden, dassdas Advaita-Denken das Wahrheitsphänomen sowie das Sein begrif�ich unter„Sat“ versteht. Das Seinsdenken Heideggers als ontologischer Monismus und dasAdvaita-Denken als uneingeschränkte Nicht-Dualität sind an einem Punkt gleich,nämlich in der Verneinung der waltenden Subjektivität, das Ich-Denken. Zugleichsehen wir, wegen seiner Akzente auf dem Weg des Wissens („Jnana-Yoga“), unddem Standpunkt, dass „das Erlösungsmittel das Wissen“ ist, bahnt San?kara par-allel zu Parmenides einen Weg des Seins, in dem das Wissen und die Wahrheit(„Sat“) zu ihrer wesentlichen Entfaltung kommen, wo das Zusammengehören als„das Zwischen“ zwischen dem Sein und Seienden (zwischen dem Brahman undJiva) zu wesentlicher Entfaltung kommt. Das ist auch die Einzigartigkeit dieser

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Untersuchung, dass wir in dieser Untersuchung bisher übersehene Aspekte desvergleichenden Seinsdenkens bejahen.

VOGT, Markus / OSTHEIMER, Jochen / UEKÖTTER, Frank (Hg.), Wo steht dieUmweltethik? Argumentationsmuster im Wandel (Beiträge zur sozialwissenschaftlichenNachhaltigkeitsforschung 5), Metropolis Weimar 2013, 459 p., Pb., 38,00 Eur[D], ISBN978-3-89518-972-2.

Wo liegen gegenwärtig die zentralen Herausforderungen für die Umweltethik?Welche Methoden, Disziplinen oder Wissensbestände braucht die Umweltethikin den kommenden Jahren, um diese Herausforderungen zu bewältigen? Wie hatsich die Diskussion über umweltethische Themen in den vergangenen Jahrzehntenentwickelt? Welche Themen und Fragestellungen können als überholt gelten, undwelche sind weiterhin aktuell? Wie sieht der geographische Referenzrahmen derUmweltethik im 21. Jahrhundert aus? Welche Bedeutung kommt der Umweltethikim Gesamtzusammenhang des Ethikdiskurses sowie innerhalb der Umweltdebattezu, und wie sollte sich die Stellung der Umweltethik in diesen Kontexten künf-tig verändern? Diese und andere Fragen werden in diesem Band von namhaftenExperten aus verschiedenen Fachdisziplinen erörtert.

VON STOSCH, Klaus, Theodizee (Grundwissen Theologie), Schöningh / UTB Pader-born 2013, 185 p., Pb., 14,99 Eur[D], ISBN 978-3-8252-3867-4.

Wie kann Gott angesichts des Leidens auf der Welt gut und allmächtig sein?Das Theodizeeproblem ist eines der brisantesten Themen der Theologiegeschichtewie der gegenwärtigen Theologie. Erstmalig stellt dieses Studienbuch die unter-schiedlichen Positionen und Perspektiven auf das Theodizeeproblem übersichtlichdar.Neben der deutschsprachigen wird auch die englischsprachige Debatte nachge-zeichnet.

VROOM, Hendik M. / VERDONK, Petra / ABDELLAH, Marzouk Aulad / CORNEL,Martina C. (Eds.), Looking Beneath the Surface. Medical Ethics from Islamic andWestern Perspectives (Currents of Encounter, Studies on the contact between Christianityand other religions, beliefs, and cultures 48), Rodopi Amsterdam / New York 2013, 321p., Pb., 70,00 Eur, ISBN 978-90-420-3730-4.

Looking Beneath the Surface explores Arab-Islamic and Western perspectives onmedical ethical issues: genetic research and treatment, abortion, organ donation,and palliative sedation and euthanasia. The contributions in this volume discussthe state of the (medical) art, the role of laws, counseling, and spiritual counselingin the decision-making process.The different approaches to the ethical issues, ways of moral reasoning, becomeclear in these contributions, especially the role of tradition for Islam and the im-portance of autonomy for the West. Beneath the differences, however, the readerwill also discover common values, such as the role of dignity and the value of li-fe, and similar practices. Some of the main differences are sociocultural in nature,rather than religious as such.

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Well-known experts in the �elds of medicine and ethics have contributed to thisvolume from different religious and secular backgrounds. The book offers a care-fully written introduction and �nal chapter on intercultural comparisons. LookingBeneath the Surface is more than a collection of writings on issues in medicalethics: it helps the reader to compare different paradigms of accountability andmoral reasoning.

WENGST, Klaus, Der wirkliche Jesus? Eine Streitschrift über die historisch wenigergiebige und theologisch sinnlose Suche nach dem „historischen“ Jesus, KohlhammerStuttgart 2013, 310 p., Pb., 29,90 Eur [D], ISBN 978-3-17-023009-5.

Die Suche nach dem historischen Jesus beginnt im deutschen Sprachraum mit Her-mann Samuel Reimarus. Er meinte, man brauche nur die „Tünche“ der Apostelwegzunehmen, um die „tatsächliche“ Stimme Jesu zu vernehmen. An dem sichhier zeigenden Grundproblem hat sich seitdem nichts geändert und kann sich an-gesichts der Quellenlage auch nichts ändern: Wer nach dem „historischen“ Jesusfragt und also die „tatsächlichen“ Fakten sucht, muss mit für dieses Unternehmenäußerst widerständigen Texten rechnen. Wengst stellt die ersten beiden Phasen derLeben-Jesu-Forschung modellhaft vor. Anschließend wendet er sich der „drittenSuche nach dem historischen Jesus“ zu und fragt, was es denn Neues bei dieserdritten Suche gibt – mit negativem Ergebnis. Aufgabe der Exegeten kann daher nursein, nicht die Texte der Evangelien für eigene Hypothesengebilde auszuschlach-ten, sondern sie immer wieder auszulegen.

WERBICK, Jürgen, Gnade(Grundwissen Theologie), Schöningh / UTB Paderborn 2013,178 S., Pb., 14,99 Eur[D], ISBN 978-3-8252-3842-1.

Gnade in ökumenischer Perspektive.Jürgen Werbick betritt Neuland: Er ist der erste katholische Theologe, dem es ge-lingt, beim Thema „Gnade“ die Kerngedanken der reformatorischen Theologie zuwürdigen und in ein katholisches Konzept zu integrieren.Anhand von Symbolisierungen und Artikulationen von Gnade macht Werbick dieGnadenlehre jenseits abstrakter Begriffe greifbar.

WIND, Renate, Grenzenlos glücklich – absolut furchtlos – immer in Schwierigkeiten.Dorothee Sölle, Gütersloher Verlagshaus 2013, 80 p., Hardcover, 14,99 Eur [D], ISBN978-3-579-08155-7.

Absolut furchtlos – grenzenlos glücklich – immer in Schwierigkeiten – an die-sem Lebensideal aus der Tradition der Quäker wollte sie sich orientieren, und sowurde sie auch von vielen gesehen: Dorothee Sölle, die radikale, unbedingte, pro-phetische Theologin. Sie war eine der bekanntesten und umstrittensten Frauen inder politischen und kirchlichen Szene der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts;streitbare Zeitgenossin und spirituelle Begleiterin einer ganzen Epoche des Wider-stands. Ihre Texte spiegeln die Bewegungen dieser Zeit wider und die Visionenderer, die sich ihnen anschlossen.

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Am 27.April 2003 starb Dorothee Sölle. Zum 10. Todestag erinnert dieser Bandeinfühlsam an Lebenssthemen der ebenso streitbaren wie frommen Theologin. Die„Clerical Beauties“ Hans-Martin Gutmann und Michael Schirmer begleiten auf derdem Buch beigegebenen CD die von Renate Wind gelesenen Texte mit jazzigenInterpretationen der Lieblingslieder Dorothee Sölles.

WINKLER, Ulrich, Wege der Religionstheologie. Von der Erwählung zur komparativenTheologie (Salzburger Theologische Studien 46 – interkulturell 10), Tyrolia Innsbruck2013, 482 p., Pb., 29,80 Eur, ISBN 3-7022-3191-0.

Die Wege der Religionstheologie führen zu den Schauplätzen ihrer Re�exions-formen und Handlungsfelder. Die besuchten Erkenntnisorte tragen die Problem-signaturen unserer Zeit kultureller und religiöser Pluralität. Die Religionstheolo-gie ist kein vernachlässigbarer Nischendiskurs oder eine lästige Modeerscheinung,die Pluralität anderen religiösen Glaubens bildet vielmehr einen unausweichlichenVerantwortungshorizont der gesamten gegenwärtigen Theologie. Die theologischeDenk�gur einer falsch verstanden Erwählung hat bisweilen die Exklusivität desEigenen gestützt. Gottes Erwählen aber ist vielmehr konkretes Handeln unter denBedingungen je konkreter Geschichte und drängt auf universale Entgrenzung undÜberschreitung. Umkehr ist nötig: Die Juden sind nicht verworfen, und unter denanderen Religionen gibt es Wahrheit, Heiligkeit und Gaben des Heiligen Geistes,sagt das Zweite Vatikanische Konzil.Das Herzstück der vorliegenden Arbeit liegt in der Verschränkung von Israeltheo-logie und Religionstheologie. Die Klammer wird eröffnet mit einer diskurs- undwissenschaftspolitischen Positionierung von Theologie interkulturell und mündetin die theologische Zukunftsperspektive einer komparativen Theologie und einerspirituellen Fundierung theologischen Re�ektierens.

WROGEMANN, Henning, Missionstheologien der Gegenwart. Globale Entwicklun-gen, kontextuelle Pro�le und ökumenische Herausforderungen (Lehrbuch InterkulturelleTheologie / Missionswissenschaft 2), Gütersloher Verlagshaus 2013, 488 p., Pb., 29,99Eur[D], ISBN 978-3-579-08142-7.

Was bedeutet interkulturelles Verstehen?Seit seinen Anfängen ist das Christentum eine missionarische Religion. Doch wieist die christliche Sendung zu verstehen? Welche Begründungsmuster und Zielvor-stellungen sind leitend?In diesem Lehrbuch werden globale missionstheologischeDiskurse der letzten ein-hundert Jahre nachgezeichnet und unterschiedliche christliche Pro�le (P�ngstbe-wegung, Orthodoxe Kirchen, römisch-katholische Kirche, protestantische Akteureu.a.) in ihren kontextuellen Varianten (etwa in Afrika oder Asien) vor Augen ge-führt. Aktuelle ökumenische Herausforderungen werden unter Einbeziehung vonBeispielen behandelt, wie etwa: Mission und Interreligiöser Dialog, Befreiung,diakonisches Handeln, Versöhnung, Partnerschaft, Konversion, Heilung, Exorzis-men, Prosperity Gospel oder Genderfragen. Den Abschluss bildet der Versuch, fürden deutschen Bereich Hinweise zu einer ebenso kontextuellen wie interkulturellanschlussfähigen Missionstheologie zu geben.

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WUNN, Ina / SELCUK, Mualla (Hg.), Islam, Frauen und Europa. Islamischer Femi-nismus und Gender Jihad – neue Wege für Musliminnen in Europa, Kohlhammer Stuttgart2013, 270 p., Pb., 26,90 Eur[D], ISBN 978-3-17-021152-0.

Die Debatte über „islamischen Feminismus“ und „Gender Jihad“ gewinnt im eu-ropäischen, in den letzten Jahren besonders auch im deutschsprachigen Raum anIntensität und handlungsbezogener Relevanz. Im Kontext des westlichen Femi-nismus und westlicher feministischer Theologie wird der interkulturelle bzw. in-terreligiöse Dialog, vor allem auch im Prozess politischer Entscheidungs�ndung,immer wichtiger. Die Beiträge dieses Bandes geben einen umfassenden Einblick indiesen Diskurs mit folgenden thematischen Schwerpunkten: Weibliche Koranex-egese und Texthermeneutik – Islamischer Feminismus und die Diskussion übersoziale und politische Handlungsstrategien – Frauenrechte als Menschenrechteund die Situation der Musliminnen mit und ohne Migrationshintergrund – For-men, Aufgaben und Problem-/Kon�iktzonen des interkulturellen und interreligi-ösen Dialogs.