links sein - rosalux.de · litikwissenschaftler francis fukuyama als «ende der geschichte»....
TRANSCRIPT
Petra Pau LI
NK
S SE
IN
IM 2
1. J
AH
R-
HU
ND
ERT
INHALT
Prolog 3
ZweieinhalbSysteme 5
DasScheiternderDDR 9
LinkeKlassiker 13
MarxkontraMarx 17
SozialeundFreiheitsrechte 21
Generationen-Manifest 25
WirtschaftundGesellschaft 29
Solarunddigital 33
KontureneinerviertenRevolution 37
DigitalesundDemokratie 41
Revolution,Reformation,Transformation 45
AlternativeVisionen 49
MeinFazit 53
2 |
3
PRO-LOG
AuslöserfürfolgendeÜberlegungenwardieLandeszentralefürpolitischeBildungBaden-Württemberg.IchmögealsRefe-rentinaneinerVeranstaltungsreihe«VonderDDRüberdenMauerfallzuDeutsch-land einig Vaterland – eine Erfolgsge-schichte?!»teilnehmen.AlsweitereGe-sprächspartnerinnenbzw.-partnerdieserSeriesolltenunteranderenHubertusKna-be(damalsDirektorderStasi-Gedenkstät-teBerlin-Hohenschönhausen),MarianneBirthler(ehemalsBundesbeauftragtederStasi-Unterlagen-Behörde)sowieMarkusMeckel(letzterAußenministerderDDR)ih-reSichtdarstellen.Ichsagteab.DenndieAbsichtderVeranstalterschienmirklar.DasFragezeichensollteverschwinden,dasAusrufezeichenerhärtetwerden.Sehrsim-
pel,argbrotlos.DreiWochenspäterwiederholtedieLandeszentraleihreAnfrage.IchsagteerneutNein.DochdieLandeszentraleließnichtnach.DerTitelderReiheseinurdieOberüberschrift,schriebsie.MeinThemakönneichnatürlichselbstbestimmen.Nunsagteichzu.«Linksseinim21.Jahrhundert»seimeinAngebot.DenndieseFragebeschäftigtemichschonlängerundbewegtmichweiterhin.AlsofuhrichindenSüdwestennachFreiburg.Wasichwoll-te,daswussteichwohl.AberwaserwartetendieTeilnehmerinnenundTeilnehmerdesAbends?UndwenkönntedasThemaüberhauptinteressieren?AlsichindenVorlesungssaalderUnikam,warichüber-rascht.DieörtlichePresseschriebvon200Teilneh-menden.DiemeistenwohlStudierende,zweiDut-zendwarenaberauchreiferenAlters,womöglichaufderSinnsuchenachihremdrittenlinkenLeben.
EswareinbewegterAbend,sowiespäterinGreifs-wald,TrierundRostockauch.EsgingnichtumUn-säglichesausderVergangenheit,sondernumeinesoziale,gerechteundfriedfertigeZukunft,dieoffen-barnichtnurmiraufderSeelebrennt.Ineinemneu-enJahrhundert.Einementscheidenden!
4 |
5
ZWEI-EINHALB SYSTE- ME
2017hatteichmeinenHalbe-Halbe-Tag.Vorherwussteichauchnicht,wasdasseinsoll.AbereinFreundhattefürmichgerech-net.Am6.Septemberwarichgenausolan-geBürgerinderBundesrepublikDeutsch-land,wie ichvordemBürgerinderDDRgewesenwar,alsohalbe-halbe.DerweilhabeichsogarzweieinhalbpolitischeSys-temeerlebt:denrealexistierendenSozialis-musderDDR,denrealexistierendenKapi-
talismusderBRDunddazwischenalsOstdeutscheeinekurze,rasante,bewegendeZeit.Dieeinennen-nensieWende,andereRevolution,wenigeAlt-Lin-keauchKonterrevolution.DieseErfahrunghatmichfortansehrgeprägt.
EswareineZeit,inderpolitischeBelangeöffentlichausgehandeltwurden,inderBewegunginschein-barunverrückbareMachtverhältnissekam,inderJournalistinnenundJournalistenihregewonneneFreiheitindenDienstderAufklärungstellten,inderdieOppositionregierteunddieRegierungopponier-te,inderdieBürgerschaftsehrengagiertwar,inderdasPolitischeHoch-Zeitfeierte.Der«RundeTisch»istdafürsynonym.Nein,daswarkeinSystem,daswargelebteDemokratie.Dasallesfandkurioser-weisemitdererstenfreien,gleichenundgeheimenWahlzuDDR-Zeiten,mitderVolkskammerwahlam18.März1990,einabruptesEnde.DermoderneVer-fassungsentwurfdesRundenTischeszumBeispielwurdedanachvonderOst-CDUignoriert,weildieWest-CDUihnnichtwollte.BeiderSPDwareseben-so.IndemEntwurfstandenübrigenshöchstaktuel-lePassagen.ZumBeispielArtikel8:«JederhatdasRechtanseinenpersönlichenDatenundaufEinsichtinihnbetreffendeAktenundDateien.Ohnefreiwil-
6 |
7Zw
eiei
nh
alb
SyS
te m
e ligeundausdrücklicheZustimmungdesBerechtig-tendürfenpersönlicheDatennichterhoben,gespei-chert,verwendet,verarbeitetoderweitergegebenwerden.»OderArtikel43:«DieStaatsflagge[…]trägtdieFarbenSchwarz-Rot-Gold.DasWappendesStaatesistdieDarstellungdesMottos‹SchwerterzuPflugscharen›.»1
Datenschutz, Abrüstung, soziale Gerechtigkeit,mehrDemokratie–dieseVerfassungwaralsMitgiftdesRundenTischesderDDRfüreinneuesDeutsch-landgedacht.EinbürgerrechtlichesDrängen,dasErinnerungverdient.Beidenüblichenundoffiziel-lenRückblickenaufdasEndederDDRunddiedeut-scheEinheitwirddiestunlichstausgeblendet.War-umwohl?
1 Arbeitsgruppe«NeueVerfassungderDDR»desRundenTisches:EntwurfVerfassungderDeutschenDemokratischenRepublik,Berlin1990,unter:www.documentarchiv.de/ddr/1990/ddr-verfassungsentwurf_runder-tisch.html#45.
8 |
9
DAS SCHEI-TERN DER DDR
NachdemEndederDDRfrohlocktederda-maligeSozialministerderBundesrepublikDeutschlandNorbertBlüm(CDU):«Marxisttot,Jesuslebt!»DenZusammenbruchderSowjetunionkommentiertederUS-Po-litikwissenschaftlerFrancisFukuyamaals
«EndederGeschichte».Beidenwidersprecheichve-hement:demerstenausÜberzeugung,demzwei-tenausHoffnungundbeidenalsLinke.Aberdazuspäter.1989/90implodiertedieDDR,mehrnoch,dasgesamtesozialistischeLagersowjetischerPrä-gung.DamitendeteeinehistorischeEpoche,diemitderOktoberrevolution1917inRusslandbegannundspäterbiszueinemDrittelderErdeumspannte.Ein-malausgeblendet,werwievonaußenzudiesemAb-sturzbeigetragenhat–irgendwannöffnensichauchwestlicheGeheimarchive–,derSozialismussowje-tischerPrägungscheitertevorallemanseinereige-nenUnterlegenheit;jedenfallsverglichenmitdenführendenkapitalistischenLändern.DabeiwarendiepolitischenundwirtschaftlichenStrukturen,diezumfinalenAusführten,keinZufall.TheoretischfußtensieaufInterpretationenvonKarlMarxundWladimirIljitschLenin.EsbrachalsokeinirgendwieschlechtgemachtesExperimentzusammen,sonderneinver-meintlichwissenschaftlichfundiertesSystem.
IchwarTeildiesesSystemsundichdachtelangeinseinemSinne.DazugehörtedasEngagementfürso-zialeGerechtigkeitundfürFriedenweltweit;auchalslinkeLehreausderBarbareidesFaschismus,allemalinDeutschland.Insofernbarst1989/90auchdiese
10 |
11
Da
S Sc
hei
tern
Der
DD
r DDR-Hoffnung.RückblickendseheichdreiGründefürdasScheiterndesrealexistierendenSozialismus.
ErstenswarerwirtschaftlichnichtinderLage,mitdenführendenkapitalistischenUnternehmenSchrittzuhalten,geschweigedenn,einehöhereProdukti-vitätzuentwickeln.Dasaberwärenacheinerzen-tralenPrämissevonKarlMarxunabdingbarge-wesen.ZweitenswurdenverbriefteBürgerrechtesowieGrundregelnderDemokratieeinervermeint-lichbesserenSachewegenzurück-oderausgesetzt.DaswarletztlicheinRückfallhinterForderungenderFranzösischenRevolutionvon1789.DrittensliefdasKonzeptder«führendenRolleeinerPartei»undder«EinheitundGeschlossenheit»seinerMitgliederge-sellschaftlichaufÜberwachungundMaßregelun-genhinaus.DieswiederumblockierteVielfaltundmithinlebendigeEntwicklungen.
DasResultatistbekannt:ImmerwenigerMenschenfolgtendensozialistischenVerheißungen,immermehrprotestiertendagegen.WarMarxdeshalbwirklichtotunddasEndederGeschichteerreicht?
12 |
13
LINKE KLASSI-KER
Nein!Ichbindavonüberzeugt,dasssichwederdiewissenschaftlicheAnalysevonKarlMarxnochlinkePolitikerledigthaben.ImGegenteil!WassinddiedrängendenProbleme,dieunsumtreibensollten?
1.DiesozialeFragefeiertschlimmeUr-ständ.DieReichenwerdenimmerreicher,dieArmenimmerzahlreicher.
2.DiegroßeUtopiederFreiheitfürallerücktfürimmermehrMenscheninweiteFerne,auchweilihnendiesozialeBasisda-fürverwehrtwird.
3.DieFriedensfragegerätzunehmendinsAbseits.Kriegetoben,atomaredrohen.
4.DieökologischeFragedrängtaufeineglobaleLö-sung.DerClubofRomehattesiebereitsvoreinemhalbenJahrhundertaufgerufen.
5.DieDemokratie,diewestlicheVorzeigeflagge,wirddurchdenselbenWestenpolitischvielfachundhöchstbedrohlichattackiert.
6.Bürgerrechte,grundgesetzlichundvölkerrechtlichverbrieft,werdenzunehmendeinervermeintlichenSicherheitgeopfert.
7.DieGleichberechtigungvonMannundFrau,vonhierGeborenenundhierLebenden,vonMenschenmitundohneBehinderungenusw.lahmt.
IchnennediesePunktedieklassischenSiebenderLinken.Siesindunerfüllt.
14 |
15
lin
ke k
laSS
iker
SolltediesalsodasEndederGeschichtesein,wievonFrancisFukuyamaprophezeit,sowäreeseineschlechteGeschichteundeinschlechtesEnde.VielmehrstimmeichsogarmitPapstFranziskusüberein.ErbezeichnetejüngstdenKapitalismusalsunerträg-lich.Underkritisierte:«DasWirtschaftssystemsollteimDienstderMenschenstehen.AberwirhabendasGeldindenMittelpunktgerückt,dasGeldalsGott!»2OderwieFrankSchirrmacher(1959–2014)imFeuil-letonderFrankfurter Allgemeinen Zeitungüberbür-gerlicheWerteunddieKrisenschrieb:«Ichbeginnezuglauben,dassdieLinkerechthat.»3
2 FranziskusbezeichnetKapitalismusalsunerträglich,in:DieZeit,13.6.2014,unter:www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2014-06/papst-franziskus-kapi-talismuskritik. 3 Schirrmacher,Frank:«Ichbeginnezuglauben,dassdieLinkerechthat»,in:FrankfurterAllgemeineZeitung,15.8.2011,unter:www.faz.net/aktuell/feuilleton/buergerliche-werte-ich-beginne-zu-glauben-dass-die-linke-recht-hat-11106162.html.
16 |
17
MARX KONTRA MARX
ZurückzuMarx:2008warntederdamali-geBischofReinhardMarxineinemBuchvoreinemungebändigtenKapitalismus.ErnannteseinWerkinwerbewirksamerAn-spielungaufKarlMarx«DasKapital».4DasBerlinerInstitutfürchristlicheEthikundPo-litikbatmichumeinenKommentardazu.ErerschienunterderÜberschrift«Marxkont-raMarx–KapitaloderStaat».5Dass«Jesuslebt»,darfmanbeieinemRepräsentanten
4 Marx,Reinhard(2008):DasKapital.EinPlädoyerfürdenMenschen,Frankfurta.M. 5 Pau,Petra:MarxkontraMarx–KapitaloderStaat,in:JahresberichtdesBerlinerInstitutsfürchristlicheEthikundPolitik,2011,S.9–10.
derchristlichenKirchevoraussetzen.DassKarlMarxtotist,glaubtebeiallerDistanzselbstReinhardMarxnicht.ErbefürchtetvielmehrdessenRenaissance.
2010wareineKrisen-Hoch-Zeit.«DasKapital»vonBischofReinholdMarxwurdedamalszumBest-seller.ZugleichmeldetenBuchhändlereinenAn-sturmaufWerkevonKarlMarx.20Jahrezuvorhat-tediesganzandersausgesehen.VieleDDR-Bürger«säuberten»ihreBücherregale.DerSchauspielerPe-terSodannsprachvondergrößtenBüchervernich-tunginderdeutschenGeschichte.KarlMarxgehörtezudenOpfern.AbgesehenvondemkulturellenFre-vel:KarlMarxwurdevonvielenfürdasScheiternderSED-PolitikinHaftgenommen,weildieSEDzuvorKarlMarxfürihrePolitikverhaftethatte.Dashatteernichtverdient.
DeshalbdazudreibleibendeStichpunkte:1.KarlMarxhattedasKapitalnicht–wieheutzuta-geüblich–alsHeilsbringerhofiert,sondernalsHerr-schaftsverhältniskritisiert.
2.DavonabgeleitetbleibtfürLinkediegerechtereUmverteilungvonReichtumundMachteinezentralepolitischeFrage.
18 |
19
ma
rx
kon
tra
ma
rx 3.DiedamitverbundeneEigentumsfrageistnicht
ausderWelt.«Eigentumverpflichtet»,heißtesauchimGrundgesetz,allerdingsfolgenlos.
UmalledreiFragenmacheninzwischenalleimBun-destagvertretenenParteieneinengroßenBogen,ausgenommenDIELINKE.
DeshalbbewegtmichaucheineÜberlegungvonWolfgangFritzHaug.ErgiltinternationalalsKarl-Marx-Kenner.NachdemZusammenbruchdesSo-wjet-Sozialismusgaber1999inseinemBuch«Po-litischrichtigoderrichtigpolitisch»zubedenken:«LinksistallesHandeln,dasWeltausdemReichdesPrivateigentumszurückgewinnt,ohnesiedemReichdesStaatsapparatsauszuliefern.»6DemKapitalneh-men,ohneesdemStaatzugeben,diesenGedankenlasseichersteinmalmiteinemFragezeichenstehen.
6 Haug,WolfgangFritz:Politischrichtigoderrichtigpolitisch.LinkePolitikimtransnationalenHigh-Tech-Kapitalismus,Hamburg1999,S.14.
20 |
21
1998wurdeichüberraschendindenBun-destaggewählt.ObwohlichstudiertePä-dagoginmitZusatzfachKunsterziehungbin,entschiedichmichfürdieInnenpoli-tik.DashatteeinenpolitischenGrund.Mei-nezentraleLehreausdemScheiternder
SOZIALE UND FREI-HEITS-RECHTE
DDRwarundist:SozialeGerechtigkeit,Bürger-undFreiheitsrechtedürfenniemehrhierarchisiertodergegeneinanderausgespieltwerden,schongarnichtdurchLinke.GenaudasabergeschahinderDDR.UndesgeschiehtimvereintenDeutschlandwieder.BeideGrundgesetzansprüche,dernachsozialerGe-rechtigkeitunddernachverbrieftenBürgerrechten,taumeln.
SpäterüberlagertendieterroristischenAnschlägeindenUSAam11.September2001alles.Seitherwer-denimmermehrBürgerrechtepreisgegeben,wäh-rendGeheimdiensteallerortenhochgerüstetwer-den.NamhafteBürgerrechtlerinnenund-rechtlerausDDR-ZeitenveröffentlichtendaraufhinimDe-zember2001einenAppell,überschriebenmit«Wirhabenessatt!».7VielederUnterzeichnerinnenundUnterzeichnerwurdenfürihrmutigesEngagementinderDDRspäterdurchdieBundesrepublikmitdemNationalpreis,demGeorg-Büchner-PreisoderdemBundesverdienstkreuzausgezeichnet.2001schrie-bensie:«Wirhattenerwartet,dassnachdemEn-
7 Pflugbeil,Sebastianu.a.:Wirhabenessatt.AufrufvonehemaligenDDR-Bür-gerrechtlernzurPolitikderrot-grünenRegierung,in:DerFreitag,12.12.2001,unter:www.freitag.de/autoren/der-freitag/wir-haben-es-satt.
22 |
23
SoZi
ale
un
D F
reih
eitS
rech
te
dedesKaltenKriegesauchdiewestlichenGeheim-diensteabrüsten.Keinervonunshatjedochdamitgerechnet,dassnachBeendigungdesKaltenKrie-gesdieTelefonabhöraktivitätensteilansteigen,dassdievonunsabgerissenenStasi-Videokamerasnurdurchneueersetztwerden.»Undweiter:«Wardennallesumsonst?Wirwissen,wohinsowasführt.Kei-nervonunshatdamitgerechnet,dasseinschreck-licherTerroranschlagindenUSAzumAnlassge-nommenwerdenkönnte,scheinbarunumstößlicheMaßstäbevonRechtundGerechtigkeitsgefühlinderganzenwestlichenWeltinsRutschenzubringen.»DieseBürgerrechtler,übrigensohnedasabschlie-ßendeVorwort«ehemalige»,werdenindengroßenMediennichtmehrerwähnt,auchzurundenJahres-tagennicht.UmsomehrhabensiemeinenRespekt.
24 |
25
VorderBundestagswahl2017wurdeeinMahnruföffentlich.ErträgtdenTitel«Ge-nerationen-Manifest».8Aufgesetztwur-deesvonJournalistenundJuristen,vonUnternehmernundWissenschaftlern,vonKünstlern,Bürgerrechtlernundvielenwei-terenengagiertenFrauenundMännern.
GENERA-TIONEN- MANI-FEST
8 DasGenerationen-Manifest,unter:www.generationenmanifest.de.
DiezentraleBotschaft:LangegaltdieAnnahme,dasseskünftigenGenerationenbessergehenwer-de.NunaberdrohendennächstenGenerationenBürden,diesienichtmehrschulternkönnen,wennwirjetztnichtradikalumsteuern.DasistdieEin-gangswarnungdesAppells.EsfolgenzehnPunkte,formalandieBundesregierunggerichtet,aberrealbetreffensiedieGesellschaft,alsounsalle.IchgreifedreidavoninverkürzterFassungauf:
StichwortFrieden:«WirforderndieBundesregie-rungauf,sichfüreineendgültigeAbschaffungallerAtomwaffeneinzusetzenundeinEndedesExportsvonKriegswaffeninSpannungsgebietezubeschlie-ßen.»
StichwortGerechtigkeit:Wirfordern«eingerechtesSteuersystem,mitVermögens-,Erbschafts-undFi-nanztransaktionssteuern[…]sowieeineernsthafteDiskussionüberdasbedingungsloseGrundeinkom-men».
StichwortDigitalisierung:«Wirbraucheneinedigita-leChartaundeinesupranationaleInstitution,dieRe-gelnsetzen[…]fürdieNutzungpersönlicherDaten[und]dieStrafbewehrungdigitalerVerbrechen.»
26 |
27
Gen
erat
ion
en- m
an
iFeS
t NatürlichverwiesdasManifestauchaufdiedrohen-deKlimakatastrophe.EinJahrspäternahmsichdiejungeSchwedinGretaThunbergdieserSorgean.ImMärz2019fordertengeschätzteineMillionSchüle-rinnenundSchülerweltweitunterdemMotto«Fri-daysforFuture»radikaleLösungen.Gutso!
DiedeutschenKommentareaufdasGeneratio-nen-Manifest waren übrigens durchaus wider-sprüchlich,mancheauchboshaft.IchhabeesalsLinkedennochsofortunterschrieben,denndiezehnThesenzeigenzweierlei:SollteestatsächlicheinEndederGeschichtegeben,danndurchdieUnfä-higkeitdesKapitalismus,mitBlickaufdieZukunftmenschlichzuagieren.UndsollteesalternativeLö-sungengeben,dannbedarfesdazuwohlaucheinerRückbesinnungaufKarlMarx.
28 |
29
EingangshabeichzumgescheitertenSozi-alismusversuchgesagt:«Erwarwirtschaft-lichnichtinderLage,mitdenführendenkapitalistischenUnternehmenSchrittzuhalten,geschweigedenn,einehöherePro-duktivitätzuentwickeln.»Undichhabehin-
WIRT-SCHAFT UND GESELL-SCHAFT
zugefügt:«DasaberwärenacheinerzentralenPrä-missevonKarlMarxunabdingbargewesen.»Derhatteinseiner«KritikderpolitischenÖkonomie»ge-meint:«EineGesellschaftsformationgehtnieunter,bevoralleProduktivkräfteentwickeltsind,fürdiesieweitgenugist[…].»Undweiter:«[…]neuehöhereProduktionsverhältnissetretennieandieStelle,be-vordiemateriellenExistenzbedingungenderselbenimSchoßderaltenGesellschaftselbstausgebrütetwordensind».9Einfachübersetzt:DarangemessenundrückblickendwarendiemateriellenVerhältnis-seweder1917noch1945undauchnicht1990reiffüreinenSozialismus,derüberdenKapitalismushin-ausreicht.AllesanderewarWunschdenken.
DochnunstehtdieFrage:HatdiekapitalistischeGe-sellschaftwomöglichinzwischenetwasausgebrü-tet,wasübersiehinausweist?ErnstzunehmendeTheorienunterstellen:Eswarenimmerzweimate-rielleInnovationen,zweitechnologischeRevolutio-nen,dieeineneuegesellschaftlicheEntwicklunger-möglichten:bisdatonichtgekannteMöglichkeiten,Energienzunutzensowievölligneue,weiterrei-
9 Marx,Karl:EinleitungzurKritikderPolitischenÖkonomie,in:MarxEngelsWerkeBd.13,Berlin201512.Aufl.,S.9.
30 |
31
wir
tSch
aFt
un
D G
eSel
lSch
aFtchendeFormenderKommunikation.OhnedieEr-
findungderDampfmaschine(späterderPetrol-undElektroenergie)undohnedieTelegrafie(späterTe-lefon,RadioundFernsehen)wäredieEntwicklungzumKapitalismusnichtmöglichgewesen.
32 |
33
SOLAR UND DIGITAL
Nehmenwireinmalan,dieseThesestimmt,danndrängensichspannendeFragenauf:Könnteessein,dassdieSolaroptionunddasInternetmiteinandereinesolchege-sellschaftlicheSprengkraftentfalten,wieseinerzeitdieDampfenergieunddieTele-grafie?UnddassbeideneinPotenzialinne-wohnt,dasüberdenKapitalismushinaus-weistundneuegesellschaftlicheChanceneröffnenkönnte?Natürlichnichtautoma-tisch.DasbedarfpolitischerKämpfe.Nam-hafteWissenschaftlerstützendieseAnnah-me.ZuihnengehörtausmeinerSichtderUS-amerikanischeGesellschaftstheoretiker
JeremyRifkin.Ersprichtvoneinerneuenindustriel-lenRevolution,wegvonprofitorientiertenMonopolenhinzugemeinwohlorientiertenUnternehmen.Her-mannScheer,dervorerstletzteVisionärderSPD,gingnochweiter.DerweltweitanerkannteSolarexperte(1944–2010)sahindenneuenrevolutionärenTech-nologiensogarGrundlagenfüreinendemokratischenSozialismus.IchempfehlediverseBücherbeider.
Angenommen,siehättenrecht,dannhättedasna-türlichgrundlegendeKonsequenzenfürLinkeim21.Jahrhundert.Denndaswürdebedeuten:ErstensreichtsozialesEngagementgestütztaufdieklassi-scheUmverteilungvonReichtumnichtaus,esgreiftzukurz.ZweitensbrauchenLinkeneue,zeitgemäßeSolar-undDigitalkompetenzen–aussozialen,ökolo-gischenunddemokratischenGründen.
DaheristmeinezentraleThese:Rotemüssenim21.JahrhundertzugleichGrüneundPiratensein.NursokannausdemnötigenKontrazumBestehendeneinwerbendesProfürNeueswerden–bündnis-undmehrheitsfähig.
Übrigens:Wennichbishierhinüber«Linksseinim21.Jahrhundert»sprach,dannimmerübervielfäl-
34 |
35
Sola
r u
nD
DiG
ita
l tigeAkteureundBewegungen,diesichvernetzenundbestärken.DassichbeialledemauchAnsprücheandieParteiDIELINKEmitdenke,solltegleichwohlnichtverwundern.
NatürlichergibtsichnochkeineneueGesellschaft,nurweilmandierevolutionärenPotenzialeeinerSo-larwendeundderDigitalisierungzusammendenkt.WasgleichwohlalleinschonZündstoffbirgt.IchdeutedasamBeispielEnergiewendenurkurzan.HierzulandescheintesparteiübergreifendKonsenszusein,dassdasunbeherrschbareAtomzeitalterbe-endetwerdenmuss.FürfossileEnergieträgergiltnurnocheineRestlaufzeit.InabsehbarerZeitbrau-chenwirdeshalb100ProzentSolarenergie.
GleichwohlgibteszurUmsetzungzweiwiderstrei-tendeStrategien:Dieeine:DasGrosderAlternativ-energiewirdausOffshore-WindparksinderNordseeoderausriesigenSolarfelderninNordafrikageliefert.Dieandere:DieSolarenergiespeistsichvorallemausdezentralenAnlagen,wirdalsovorOrtprodu-ziert–Sonne,Wind,Wasser,Biomasseusw.
DieersteStrategiemitRiesenwindparks,Riesensolar-flächenundRiesenenergietrassenwürdedieMono-
polmachtdergroßenKonzerneneubegründen,alsomehrProfitundwenigerDemokratie.DiezweiteStra-tegieentsprächederIdeevonWolfgangFritzHaug:«WeltausdemReichdesPrivateigentumszurückge-winnen,ohnesiedemReichdesStaatsapparatsaus-zuliefern.»DaswarauchHermannScheersAnsatz.DieSolarwendewürdesozurEigentumswendezu-gunstenvonKommunenoderGenossenschaften.DieKonsumentenwürdenzuProduzentenundum-gekehrt,ergowenigerProfit,mehrDemokratie!
UnddasbetrifftnichtnurdieEnergie.InChinawur-debereitseinMehretagenhausper3-D-Druckerpro-duziert.Der3-D-Druckwiederumermöglichtdezen-traleProduktionsweisenwovonauchimmer.Rifkinsprichtvon«Prosumenten»inGemeinschaften,vonKonsumenten,diezugleichProduzentensind,undumgekehrt.InderEnergiefrageförderndieEUunddieentsprechendenRegierungenbislangeherdieProfitoption,dieLinkehingegendieDemokratie-option.
36 |
37
KONTU-REN EINER VIERTEN REVOLU-TION
ZweineueSchlüsseltechnologienermög-lichenim21.JahrhundertvielleichtneueProduktions-undLebensweisen.WobeidasStichwort«solar»nichtnurfürEnergieimengerenSinnesteht,sondernüberhauptfürerneuerbareRoh-undBetriebsstoffe,
fürNachhaltigkeit.Und«Internet»meintnatürlichauchmehralseineglobaleKommunikationinEcht-zeitviaE-MailoderSMS.LängstmachteinneuesSchlagwortFurore:«Produktion4.0»bzw.«Indust-rie4.0».Vom«InternetderDinge»istdieRede,vomEnergienetz,vomKommunikationsnetz,vomIn-frastrukturnetzmitweit-undtiefgreifendengesell-schaftlichenFolgen.Einewillichhiernurandeuten:WennWerkzeugemitWerkstückenkommunizieren,dieMaschinemitihrenProdukten,werdenimmerwenigerMenschendafürgebraucht.Selbstgutaus-gebildetenFachleutendrohteinAbstieginsPrekari-at,ungesichertundmassenhaft.DasisteinesozialeGefahr.MankannsiewegredenundmancheLinketundas,abermansollteesnicht.DiesozialeChancedieserEntwicklungwiederumhattebereitsKarlMarxals«SprungderMenschheitausdemReichederNot-wendigkeitindasReichderFreiheit»beschrieben.10
JüngstlasicheinenVergleich,denichspannendfand.ZuZeitenderSklavereilebtedasbesitzendeBürgertumkomfortabeldavon,dassSklavenfürsiearbeitenmussten.Daswarschlimm.Wäreesnicht
10 Engels,Friedrich:Anti-Dühring,in:Marx,Karl/Engels,Friedrich:Werke,Bd.20,10.Aufl.,Berlin1990,S.264.
38 |
39
kon
ture
n e
iner
vie
rte
n r
evo
luti
on
gut,wennnundigitaleAutomatendieneuenSklavenwären,dieweltweitallenBürgerinnenundBürgernLastenabnehmenundFreiheitenermöglichen?
EineFrage,dieicheinfachstehenlasse.Womital-lerdingsauchdieDebatteübereinbedingungslosesGrundeinkommenneueNahrungerhaltendürfte.Ichbefürwortees.DennvoneinembedingungslosenemanzipatorischenGrundeinkommenerwarteichvorallemzweierlei:wenigerZwänge,mehrFreiheit.Ergo:EineLinkeim21.JahrhundertmussdieChan-cenergreifen,darfnichtnurdieGefahrengeißeln.SonstverpasstsiedenZugderZeit.
40 |
41
DIGITA-LES UND DEMO-KRATIE
SiedarfaberauchGefahren,diederDigi-talisierunginnewohnen,nichtblauäugigübersehen.1983hatdasBundesverfas-sungsgerichtunterdemStichwort«Volks-zählungsurteil»weitreichendgeurteiltunddenDatenschutzzueinemGrundrechter-hoben.OhnedenSchutzpersönlicherDa-tengibteskeineSelbstbestimmungundohneselbstbestimmte,souveräneBürge-rinnenundBürgerkanneskeineDemo-
kratiegeben,sosinngemäßdieKurzfassung.Seit-herwurdediesesUrteilmehrfacherhärtetundauchdurchdieEuropäischeUnionbekräftigt.Undnundas:FünfmilliardenschwereDigitalmonopolelebendavon,dasRechtaufDatenschutzzubrechen.WennvomSiliconValleydieRedeist,dannvondengröß-tenKonzernenwieApple,Google,Facebookundandere.IhrBörsenwertübersteigtinzwischenallesbislangBekannte.SiesindkeineHeilsbringer,auchwennsiesodaherkommen,sondernnahezuwelt-umspannendeundzunehmendweltbeherrschendekapitaleMonopole.IhrPrimärgeschäftsindDaten,allemalpersönliche.Siesaugensiean,vergleichen,verknüpfenundbewertensie.SiemachenMen-schendurchschaubarundmanipulierbar.Sieunter-grabenPersönlichkeitsrechteunddieDemokratie.Undsiekönnendasnahezuunbehelligttun.Mehrnoch:Wirallehelfenihnenemsigdabei,indemwirGoogleundFacebooknutzenodertwittern.Ichtueesauch.
ÜberdiesallesgibteskaumgesellschaftlicheDebat-ten.AuchdiePolitikpenntdenrasantenEntwicklun-genhinterher.DasfandenauchdieAutorinnenundAutoreneinesDiskussionsangebotsvomHerbst2016.EsträgtdenTitel:«ChartaderdigitalenGrund-
42 |
43
DiG
ita
leS
un
D D
emo
krat
ie
rechtederEuropäischenUnion»undwurde2018ak-tualisiert.11Zuihnengehören,umnurdreizunennen,YvonneHofstetter(IT-UnternehmerinundAutorin),SaschaLobo(Digitalkenner)undJuliZeh(Schrift-stellerin).DieChartafolgtderFrage,wieBürger-undMenschenrechte,wieFreiheitundDemokratieauchinZeitenfortschreitenderDigitalisierungrechtlichundpolitischgesichertwerdenkönnten.Ichemp-fehledieseChartaderdigitalenGrundrechtesehr.Undesverstehtsichvonselbst,dassLinkeim21.Jahrhundertnichtanihrvorbeikommen.ImGegen-teil,esdrängt.
UndgerngebeichfürdasweitereNachdenkenei-nePreisfragemit,aufdieauchichbislangkeineAnt-worthabe:WaskönntederRatvonWolfgangFritzHaugmitBlickaufdasInternetunddieDigitalmono-polebedeuten:«LinksistallesHandeln,dasWeltausdemReichdesPrivateigentumszurückgewinnt,oh-nesiedemReichdesStaatsapparatsauszuliefern»?UnddabeihabeicheinevielweitergehendeFragenochgarnichtaufgeworfen.Waswirdeigentlich,wennkünstlicheIntelligenznichtnurpunktuell,son-
11 ChartaderdigitalenGrundrechtederEuropäischenUnion,2018,unter:https://digitalcharta.eu/hintergrund/.
dernprinzipiellintelligenterseinwirdalsmenschli-che?Ichredevondemnächst.DerDeutscheEthikratbotdazuimJuni2018eineinternationalhochkarätigbesetzte12Jahrestagungan.13DabeigingesauchumdieFrage,welchenEinflusstechnologischeEntwick-lungenaufdieMenschenwürdehaben(oderhabenkönnten).ZumBeispieldurchEingriffeindasGehirn,indasGenomoderdurchEingriffemitkünstlicherIn-telligenz.
12 Hochkarätigbesetztauch,weilzudeninternationalenReferentenunteran-deremYuvalNoahHarari(HebräischeUniversitätJerusalem)gehörte.Ichemp-fehleseinBuch«HomoDeus.EineGeschichtevonmorgen»(München2017)mitderFrage:IstdieMenschheitbaldamEnde–oderbrauchteseineneuehu-maneErzählung? 13 JahrestagungdesDeutschenEthikrates:DesMenschenWürdeinunsererHand–HerausforderungendurchneueTechnologien,Berlin2018,unter:www.ethikrat.org/jahrestagungen/des-menschen-wuerde-in-un-serer-hand-herausforderungen-durch-neue-technologien/.
44 |
45
REVO-LUTION, REFOR-MATION, TRANS-FORMA-TION
NunwirdzuweilenunterLinkengestritten,welcherpolitischeKurszueinerbesserenGesellschaftüber-haupterfolgsträchtigseinkönnte.Dieeinenhaltenei-nesozialistischeRevolutionfürunumgänglich.Nachihrwürde«dieSonnohn’Unterlass»scheinen,glau-bensie.AnderebevorzugendenirdischenWegtiefgreifender,alsoradikalerReformen,ohneeingebauteSchönwettergarantie.DerÖkonomDieterKleinhältdiesenStreitfürbrotlos.Ichauch.Erplädiertfürei-nedoppeltegesellschaftlicheTransformation:eineTransformationimKapitalismusundeinezweiteda-rüberhinaus.14Wiedasgehenkönnte,beschreibtermitvierLeitideen,mit«vierU».Damitmeinter:
1.U:«gerechteUmverteilungvonLebenschancenundMacht».DassLebenschancenundMachtunge-rechtverteiltsind,istoffenbar.
2.U:«sozial-ökologischerUmbauvonWirtschaftundGesellschaft»,dennbeidesindbislangwedersozial,nochökologischambitioniert.
14 Vgl.Klein,Dieter:DoppelteTransformation.EineKonsultationErnstBlochs,hrsg.vonderRosa-Luxemburg-Stiftung,Online-Publikation7/2018,unter:www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Online-Publikation/07-18_Onli-ne-Publ_doppelteTransformation.pdf.
46 |
47
revo
luti
on
, reF
orm
atio
n, t
ra
nSF
orm
atio
n
3.U:«demokratischeUmgestaltungvonWirtschaftundGesellschaft».Auchhiergilt,mehrMitbestim-mungundTransparenzsindüberfällig.
4.U:umfassendeFriedenspolitikundinternationaleSolidarität;FriedegedeihtdiesseitsderMilitärlogik.Davonsindwirweitentfernt.
Allevier«U»bedingeneinanderundgeltenDieterKleinalsGütesiegelfürradikaleTransformationenimKapitalismusunddarüberhinaus.15SeineÜber-legungenhabenmitdemgescheitertenSozialismussowjetischerPrägungnichtszutun.SiesindeinPlä-doyerfürmehrDemokratie,fürverbriefteBürger-rechteundtatsächlicheFreiheit.
15 Wersichdafürinteressiert,demempfehleichseinBuch:DieterKlein:DasMorgentanztimHeute,Hamburg2013.
48 |
49
ALTER-NATIVE VISIO-NEN
AlsHelmutSchmidtnochKanzlerderBun-desrepublikDeutschlandwar,dameinteer:«WerVisionenhat,solltezumArztge-hen!»Ichfinde:LinkebrauchenVisionen,wirallebrauchensie,nichtHalluzinationen,sondernVorstellungenvoneinerbesserenWelt.UndmancheVorhabendrängenzurEile.Nicht,weilPessimistendasbehaup-ten,sondernweildieZeitabläuft.Damitmeineichdensozial-ökologischenUmbau
derWirtschaftundderganzenGesellschaft.EinJahr-hundertwerk,fürdasbestenfallsnochJahrzehntebleiben.DieKlimakatastropheistkeineErfindungvonÖkospinnern,siedrohtwirklich.Unddassunsdem-nächstGrundlagenunseresLebenswieKohleundÖlausgehen,liegtaufderHand.AuchLandundWasserlassensichnichtkünstlichausdehnenundvermeh-ren.ImGegenteil:WirtötenWälderundLeben.
EskannineinerendlichenWelteinfachkeinunend-lichesWachstumgeben,dasaufAusbeutungdieserendlichenWeltbasiert.AberseitzweiJahrhundertenberuhtEntwicklungstetsaufzweiPrämissen:ständi-gesWachstumundzunehmenderNaturverbrauch.Beidehabensichalsbalderledigt.SieschaffenheuteschonmehrUnheilalsNutzen.
WirbrauchenfolglicheineneueEntwicklungslogik.DervielgeprieseneMarkt,derangeblichallesregelt,folgtderaltenLogik.AlsosindeineneuePolitikge-fragt,dieGesellschaft,wiralle.ZudenSchimpfwör-tern,diedenUntergangdesStaatssozialismusnach-haltigdiffamierensollen,gehört«Planwirtschaft».So,alswürdenichtjederweltumspannendeKon-zerneinemPlanfolgen.Umsomehrbrauchtderso-zial-ökologischeUmbaueinengroßenPlan.Undes
50 |
51
alt
ern
ativ
e vi
Sio
nen
gibtsie:interessante,respektableundhoffentlichauchpraktikableIdeen.DeshalbistimmerSkepsisgeboten,wenneinebestimmtePolitikalsalternativ-losgepriesenwird.DaswareinGrundübeldesSo-zialismussowjetischerPrägung.Zugleichwurde«alternativlos»2010politischmahnendinderBun-desrepublikDeutschlandzum«UnwortdesJahres»gewählt.ZuRecht!
52 |
53
MEIN FAZIT
PolitischlinksalsAlternativeundHer-ausforderunghatsichmitdemZusammen-bruchdesSozialismussowjetischerPrä-gungnichterledigt.
ÜberdieUrsachendesVersagensistzureden,wiederundwieder,abernachvorngerichtet,umnichtFehlerzuwiederholenoderChancenzuverpassen.
EsgibttechnologischeRevolutionen.SiehabendasPotenzialfürgesellschaftli-cheEntwicklungen,überdenKapitalismushinaus.
Automatismenindeshatesniegege-ben.EsbedarfimmerpolitischerKämpfefürsozialeGerechtigkeit,DemokratieundMenschenrechte.
KeinederwirklichgroßenHerausforderungenwieSolarrevolutionoderDigitalisierungistnationalzumeistern,sondernnurinternationalundglobal.
Schließlich:ObJesuslebt?Ichwünscheesvie-len.ObMarx’Ideenbestehen?Davonbinichüber-zeugt,nichtalsDogmen,sondernalsDenksport.
Petra Pauist geborene Berlinerin, Jahrgang 1963. Sie war Mitglied der SED und trat 1990 der Partei des Demokratischen Sozialismus bei. In der PDS war sie zehn Jahre lang Berliner Landesvorsitzen-de und um die Jahrtausendwende stellvertretende Bundesvorsitzende. 1990 wurde sie in die Bezirks-verordnetenversammlung Hellersdorf und 1995 ins Berliner Abgeordnetenhaus gewählt. Seit 1998 er-rang sie sechs Mal ein Direktmandat für den Deut-schen Bundestag, dessen Vizepräsidentin sie seit 2006 ist. Als Innenpolitikerin sind ihre Pro-Themen Bürgerrechte und Demokratie, ihre Kontra-Themen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitis-mus. Seit einigen Jahren plädiert Petra Pau für eine neue strategische und programmatische Debatte der Partei DIE LINKE.
54 |
55
IMPRESSUM
HerausgegebenvonderRosa-Luxemburg-StiftungV.i.S.d.P.:AlrunKaune-NüßleinFranz-Mehring-Platz1·10243Berlin·www.rosalux.deISBN978-3-948250-02-7·Redaktionsschluss:Juni2019Redaktion:AlrunKaune-NüßleinFoto:TRIALONLektorat:TEXT-ARBEIT,BerlinLayout/Herstellung:MediaServiceGmbHDruckundKommunikationGedrucktaufCircleoffsetPremiumWhite,100%Recycling
«Die soziale Re volution […] kann ihre Poesie nicht aus der Vergangenheit schöpfen, sondern nur aus der Zukunft.» Karl Marx