evidenz für besondere ernährungsempfehlungen bei senioren · evidenz für besondere...
TRANSCRIPT
Evidenz für besondere Ernährungsempfehlungen bei Senioren
Prof. Dr. med. Diana Rubin 29. April 2017, DGEM edi 2017
Auguste-Viktoria-Klinikum
Humboldt-Klinikum
Klinikum Am Urban Klinikum Hellersdorf
Klinikum im Friedrichshain
Klinikum Neukölln Klinikum Spandau Wenckebach-Klinikum
03.05.2017 2
Prognose der demographischen Entwicklung in Deutschland
03.05.2017 3
Prognose der demographischen Entwicklung in Deutschland
„Go-go“ „Slow-go“ „No-go“
03.05.2017 4
Hat Appetit Körperlich aktiv Hält sich im Freien auf
Hat wenig Appetit Körperlich kaum aktiv Hält sich überwiegend im Haus auf
Hat keinen Appetit Körperlich inaktiv bettlägerig
Besonderheiten bei der Ernährung von Senioren
• Ältere Menschen stellen eine sehr heterogene Gruppe dar: Von gesund leistungsfähig bis hin zu multimorbiden, gebrechlich Senioren
• Allgemein gültige Referenzwerte für Personengruppen treffen daher bei älteren Menschen zunehmend weniger auf den Einzelfall zu
• Folglich ist es erstrebenswert, den Ernährungszustand und die Ernährungsgewohnheiten von Seniorinnen und Senioren zu erheben und individuelle Empfehlungen auszusprechen
03.05.2017 5
Körpergewicht ändert sich im Laufe des Lebens
Körpergewicht in kg
Lebensalter in Jahren
03.05.2017 6
Gewichtsrekompensation ist im Alter schwieriger
Roberts et al., JAMA 1994
Studiengrundlage: 21-tägige Unterernährung mit 800 kcal/d, gefolgt von 45-tägiger „ad libitum“ Ernährung bis zum Erreichen des „Höchstgewichtes“ nach etwa 100 Tagen; *** mit statistischer Güte von p<0,001
03.05.2017 7
Studie zur Gewichtsveränderung von Jüngeren und Älteren zeigt Änderungen beim Körpergewicht nach Unterernährung (21 Tage)
Mortalität in Abhängigkeit vom BMI bei Senioren
Daraus leitet sich zentral folgende Empfehlung ab: Keine restriktiven Diäten bei Senioren Bei Senioren gilt ein BMI von 24-29 als Normalgewicht
03.05.2017 8 Wang et al. 2017; Neuhäuser-Berthold et al. 2001
Personen mit einem BMI von etwa 25 kg/m2 zeigen im Alter die geringste Sterbenswahrscheinlichkeit
BMI (kg/m²)
Mortalität (Person pro
100’000 Personen und
Jahr)
Abnahme der Muskelmasse geringere körperliche Aktivität
Grundumsatz Leistungsumsatz
Energiebedarf
- 40%
Abnehmender Energiebedarf im Alter
03.05.2017 9
Bei der Aufnahme in deutsche Kliniken ist jeder 4. Patient mangelernährt oder hat ein Risiko für Mangelernährung, in der Geriatrie mehr als jeder 2. Patient
03.05.2017 10 Pirlich et al. Clin Nutr 2006
Berlin
Freiburg
Regensburg
Wien
LeipzigKrefeld
Frankfurt
Hannover
Darmstadt
Bonn
Berlin
Freiburg
Regensburg
Wien
LeipzigKrefeld
Frankfurt
Hannover
Darmstadt
Bonn
The German Hospital Malnutrition Study Deutsche Studie zur Mangelernährung im Krankenhaus
Ernährungsempfehlungen für Senioren - Allgemeines
03.05.2017 11 Van Nes et al., Nutrition in Clinical Practice, Vol 17 (2012) / Age and Ageing 30, 2001: Does the Mini Nutritional Assessment Predict Hospitalization Outcomes in Older People?SENECA: HAVEMAN-NIES et al. Age and Ageing Vol. 32
Personen mit schlechtem Ernährungszustand bei der Einlieferung haben eine höhere Mortalität oder müssen stationär länger versorgt werden
• Mini Nutritional Assessment (MNA) • n = 1319 • “A low Mini Nutritional Assessment score is
associated with striking increase in mortality, prolonged length of stay and a greater likelihood of discharge to nursing home”
• n =2200 • “high-quality diet contributes to
healthy ageing”
SENECA (Survey in Europe on Nutrition and the Elderly: a Concerted Action)
Belgium, France, Denmark, Italy, The Netherlands, Portugal, Spain, Switzerland, and Poland.
Meals-on-Wheels: Ursachen für Mangelernährung
Medication
Emotional problems
Anorexia
Late-life Paranoia
Swallowing disorders
Wandering (Demenz)
Hyperthyroidism
Eneritic problems (Tumor)
Eating problems (bei ca. 20 % aller Senioren: Kauprobleme. Schluckstörungen)
Low salt, low cholesterol diet (Diätvorschriften)
Social problems (inkl. Lesbarkeit Produktkennzeichnung, Motorik für Öffnen der Verpackung)
Moorley (1995) 03.05.2017 12
Oral factors (Zähne) No money
Meals on Wheels
Teufelskreis der Mangelernährung im Alter
03.05.2017 13 adaptiert nach Volkert (1989 / 2011), Quelle: Ernährung im Fokus 1/12
Mini Nutritional Assessment (MNA)
03.05.2017 14
Ernährungsempfehlungen für Senioren: Energiezufuhr
Presseinformation: Presse, DGE aktuell 01/2015 vom 19. Februar 03.05.2017 16
Ernährungsempfehlungen für Senioren: Eiweiß
Courtney-Martin, 2016
03.05.2017 17
Altersgruppen Eiweiß (g/kgKG/Tag)
Gesunde Erwachsene 0,8 – 1,0
Gesunde Ältere 1,0 – 1,2
DGE Stellungnahme, Ernährungsumschau 7/2012
DRI daily recommended intake EAR estimated average requirement bei 50% einer Population wird der Bedarf erfüllt RDA recommended dietary allowance bei 97.5% einer Population wird der Bedarf erfüllt IAAO Methode der Indikatoraminosäure
Ernährung in stationären Einrichtungen für Senioren und Seniorinnen (ErnSTES) - Nährstoffaufnahme
Methodik: - Zehn Altenpflegeheime, sieben
Bundesländer, n=773 Bewohner
o 20% Männer, mittleres Alter 81 Jahre,
o 80% Frauen, mittleres Alter 86 Jahre
Erhobene Parameter: - Körpergewicht, Körpergröße,
Kniehöhe, Wadenumfang, Oberarmumfang, Trizepshautfaltendicke
- dreitägiges Verzehrsprotokoll - Mini Nutritional Assessment
(MNA)
* Dargestellt für Männer. Quelle: ErnSTES-Team. Pohlhausen et al., J Nutr Health Aging. 2016 Mar;20(3):361-8. 03.05.2017 18
Ergebnisse (*): Nährstoffaufnahme im Vergleich zu den D-A-CH-Referenzwerten
Bethanien Ernährungsstudie – Vitaminserumspiegel bei hospitalisierten Hochbetagten
Studienpopulation: 300 hospitalisierte Hochbetagte (75-97 J.)
Volkert et. Al. 1992 03.05.2017 19
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
Vitamin C Vitamin B1 Vitamin A Vitamin B6 Folsäure Vitamin B12
2/3 weisen einen Mangel an mind. einem Vitamin auf
Kritische Nährstoffe – Vitamin D
0% <25 nmol/L = Mangel, 22 % < 50 nmol/L = unzureichende Versorgung
Vitamin D Spiegel von 132 selbstversorgenden Senioren (66-96J.,)
03.05.2017 20 GISELA-Studie, Uni Giessen 2008.
i.d.R. nicht bei selbstversorgenden Senioren
Kritische Nährstoffe bei Senioren – Vitamin B12
Prävalenz einer Unterversorgung (Serum Vitamin B12 <150 pmol/L):
• Selbstversorgende Senioren 5-15% • Senioren in Pflegeheimen 30-40% Ursachen • In 40-70% Malabsorption • In max. 5% verminderte Aufnahme
Prävalenz atrophe Gastritis • 60-69J. 24% • >80J. 37%
Häufig verordnete Medikamente Beeinträchtigen die Resorption • PPI, Metformin
> Screening, generelle Supplementation?
Lindenbaum J et al. Am J Clin Nutr 1994; 60 // Clarke R, et al. Am J Clin Nutr 2003;7 // Loikas et al. Age Ageing 2007;36:
Andrès E, et al. Am J Med 2005;118 // Carmel R. Cobalamin. Am J Clin Nutr 1997;66: // Wong CW. Hong Kong Med J 2015
03.05.2017 21
Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente: Supplemente im Alter ?
• Senioren in stationären Einrichtungen sollten
• Vitamin D 20ug tgl. supplementieren
• Bei unzureichender Ernährung kann der Bedarf über Trinknahrung gedeckt werden
• Sollte dennoch eine hypokalorische Ernährung vorliegen, so sollte ein Multivitaminpräparat supplementiert werden
03.05.2017 22
Ernährungspyramide (für Menschen > 70 Jahre)
03.05.2017 23 Modifiziert nach Russell et al. 1999
Ernährungspyramide (für Menschen > 70 Jahre)
03.05.2017 24 Modifiziert nach Russell et al. 1999
Spezifische Ratgeberquellen für Senioren
03.05.2017 25 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), Prävention von Austrocknungszuständen im Alter. DGE Info 08 (2005) 119-120.
DGE
BMEL
Ernährungsempfehlungen für Senioren Zusammenfassung
• Senioren sind eine heterogene Gruppe: Der Ernährungsstatus wird stärker vom Grad der Pflegebedürftigkeit beeinflusst, als vom Lebensalter
• Ein Screening auf Mangelernährung sollte zum Standard werden
• Es wird Nahrung mit einer hohen Nährstoffdichte empfohlen
• Auf eine ausreichende Eiweißzufuhr sollte geachtet werden
• Vitamin B12 kann ein kritischer Nährstoff sein (Screening?)
• Vitamin D Supplemente werden bei geringer Sonnenexposition
empfohlen (20ug/d)
• Anpassung der Ernährung an die individuellen Umstände/ Bedürfnisse • Berücksichtigung individueller ernährungsphysiologischer
Veränderungen
• Enge Kooperation mit Pflegekräften ist von hoher Bedeutung
Ein Schmankerl zum Schluß: Kühlschrankinhalte
03.05.2017 27
„Go-go“ „Slow-go“
n = 132, Durchschnitt 81 Jahre, Lebensort: rund um Genf. Boumendjel et al, Lancet 2000; Pfuschi Catroon
Mehr als 3 Lebensmittel im Kühlschrank (bei 90% zutreffend)
Kühlschrank quasi leer (bei 10% zutreffend)
8% Einweisung in Klinik
31% Einweisung in Klinik