dyspnoe - aktuelle evidenz - careum weiterbildung · 2018-11-29 · dyspnoe - aktuelle evidenz...
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Dyspnoe - Aktuelle Evidenz Monique Sailer Schramm, MNS, RN Pflegeexpertin ANP Palliative Care Palliative Pflege Expertise GmbH in Gründung [email protected]
Patienteninformationen
• Herr R.B., 1951 • Verheiratet • protestantisch • Elektroniker / Computerspezialist • Lebt in Einfamilienhaus mit Ehefrau und
Berner Sennenhund • Gewünschter Sterbeort: zu Hause • Gesamtbetreuungszeit: 6d
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Geno-Ökogramm
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Diagnose
• Lungenemphysem
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Jetziges Leiden
• „.............(schnauf)............(schnauf)......................(schnauf).........“
=> Herr R. kann nicht mehr selbst sagen, was er möchte und was ihn am meisten stört
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Hauptbeschwerde
• Absolute Immobilität bei Ruhedyspnoe in sitzender Haltung und fehlende Perspektiven bezüglich Symptomlinderungsmöglichkeiten in der letzten Lebensphase zu Hause.
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Pflege - Anamnese
• Patient wach • PPS 30% • Schmerzen 0/10 • Atemnot 7/10 • Delir neg. • Stuhlfrequenz regelmässig • Kein Mundsoor
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Symptomfokussierte Anamnese • Inspektion:
– Patient im Bett 45° sitzend, gräuliche Hautfarbe, leicht zyanotische Lippen. Tachypnoeisch bei 24/ Minute, Nasenflügeln, Einziehungen supraclaviculär und intercostal. O2 via Nasensonde auf 1 ½ l
• Palpation: nicht ausgeführt • Auskultation: nicht ausgeführt • Perkussion: nicht ausgeführt
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Medikamente • Dospir: 3-4x tgl. • Prednison 20mg (nimmt Patient nicht, wegen
schlechter Erfahrung mit Mundsoor) • Cordarone 200mg 0-1-0-0 • Solmucol 600mg 1-0-0 • Becozym forte 1-0-0 • ViDe 3 1x wöchentlich • Multivitamine • Movicol Sachet b. Bed. • Môrphin Tropfen 2%, 3-5 Tropfen pro Dosis 14. August 2014 Netzwerktreffen ambulante
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Synthese
• Kachektischer Patient mit langjähriger Lungenkrankheit, nun Lungenemphysem mit starker Ruhe-Dyspnoe, der sich wünscht, zu Hause und möglichst symptomarm von seinem Leiden erlöst zu werden.
• Ehefrau wünscht Möglichkeiten in der palliativen Symptomlinderung zu kennen, um für ihren Mann etwas tun zu können.
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Pflegeplanung
FO025.01 Hilfe- und Pflegeplan Seite 1 von 1
Individueller Hilfe- und Pflegeplan (Pflegediagnosen nach Doenges / Nanda / Jahr) Name: R. Vorname: B. Geburtsdatum: 1951 Blatt-Nr.: 1
Datum /
Visum
Pr.
Nr.
Problem mit Ursache und Symptomen Ziel Massnahmen Ziel
erreicht
27.9.2013
mss
1 Problem:
Starke Ruhedyspnoe bei schon lange bekanntem
Lungenemphysem schränkt Herrn R. in seiner
Mobilität und in seiner Lebensqualität stark ein.
Ursache:
Wissensdefizit (Pflegediagnose Wissensdefizit,
8.1.1 / 00126 / 1980) einer pflegenden Laienperson
im Umgang mit Dyspnoe bei Lungenemphysem.
Symptom:
Ehefrau äussert verbal Unsicherheit, welche
Medikamente sie ihrem Mann geben darf und was
diese bewirken. Sie möchte, dass ihr Mann nicht
leiden muss.
Ehefrau weiss, wohin sie
sich bei Fragen bezüglich
Umgang mit Dyspnoe
wenden kann.
• 24h Erreichbarkeit von M. Sailer
Schramm als Pflegeexpertin
Palliative Care.
• Regelmässige Hausbesuche zur
Beratung im Umgang mit Dyspnoe
und zur Evaluation der
eingeleiteten Massnahmen.
Antizipation von möglichen
zusätzlichen Symptomen und
Information der Ehefrau, was
wann zu tun ist.
• Angehörigenedukation im
Symptommanagement
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Verlauf • Patient wünschte, den Sauerstoff auf 2l zu
erhöhen und dann zu belassen und nahm Mô Tropfen zur Symptomlinderung (2-3x tgl 3 Tropfen). Er erlebte ein recht gutes Wochenende, war am Montag Morgen delirant (ohne Mô genommen zu haben), war mit fortschreitender Zeit schlechter weckbar, ab Montag Abend komatös. Verstarb ruhig am Dienstag-Nachmittag (in der CO2 Narkose). Ehefrau musste / wollte in den letzten 48h keine Reserve-Medikamente mehr geben.
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Kurzfortbildung Dyspnoe
Definition
• Als Dyspnoe (von griech. dys ‚schwierig‘ und pnoe ‚Atmung‘) wird eine unangenehme, erschwerte Atemtätigkeit bezeichnet. (Wikipedia, 13.8.2014)
• Dyspnoe ist eine subjektive Erfahrung von Atembeschwerden, bestehend aus qualitativ unterschiedlichen Empfindungen wechselnder Intensität. (American Thoracic Society, 1999)
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Begriffe
• Hyperkapnie: Anstieg des CO2 Gehaltes im Blut
• Hypoxie: Sinken des O2 Gehaltes im arteriellen Blut unter 70-75 mmHg
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Inzidenz
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Aetiologie (zu Grunde liegender ursächlicher Zusammenhang)
• Atemnot ist ein stress- und angstauslösendes Symptom (nicht nur für den Patienten, sondern auch für die Angehörigen und die Behandelnden). Die entstehende Angst des Patienten kann zur Verstärkung der Atemnot und somit zu einem Circulus vitiosus führen.
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Ursachen 1
• Pulmonal – Bronchiale Obstruktion – Atelektase – Pleuraerguss – Lungenembolie – Pneumothorax – Pneumonie – Lungenemphysem – COPD, Asthma – Lungenfibrose
• Kardial – Herzinsuffizienz – Perikardergruss – Perikardinfiltration – Obere Einflussstauung – Pulmonale
Hypertension
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Ursachen 2 • Neuromuskulär
– Amytrophe Lateralsklerose
– Muskuläre Schwäche bei Kachexie
– Lähmung des Zwerchfells
– Lähmung der Stimmbänder
• Andre Ursachen – Phrenikusparese – Anämie – Aszites – Hepatomegalie – Obstruktion im
Larynxbereich – Fieber, Infekte, Sepsis – Schlecht kontrollierte
Schmerzen – Angst, Einsamkeit
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Spezifische Anamnese
• Verlauf des Symptoms • Beginn: akut oder langsam progredient • Qualitative Beschreibung • Verschlimmernde Faktoren • Linderende Faktoren • Frühere Behandlungen • Auswirkungen auf den Alltag • Psychische Erleben
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Multidimensionale Anamnese
• Erfassungsinstrumente: ESAS • VAS bezüglich Dyspnoe
– Patient kann unter Dyspnoe leiden, ohne dass es die Mitmenschen mitbekommen.
• Lebensgeschichte • Prognose => Dyspnoe ist subjektiv und korreliert nicht zwingend mit klinischen / laborchemischen
Befunden
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Symptomfokussierte Anamnese • Akut auftretende Dyspnoe
– Lungenembolie? – Pneumothorax
• Langsam zunehmende Dyspnoe • Begleitsymptome
– Schmerzen – Fieber – Auswurf
• Perkussion, Auskultation, Inspektion: – Zyanose? Hautkolorit? Tachypnoe? Beinödem?
Halsvenenstauung?
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Allgemeine Massnahmen
• Beruhigung des Patienten und der Angehörigen
• Oberkörper hochlagern, Schultergürtel unterstützen (T-Lagerung)
• Frischluftzufuhr
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Spezifische Therapie
• Behandlung der Ursache – falls möglich – Chemotherapie, Bestrahlung, Laser,
Dilatation, Stentimplantation – Behandlung der Infektion – Korrektur des Wasserhaushaltes – Lysierung
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Symptomatische Therapie
• Kortikosteroide (entzündungshemmend) • Bronchodilatatoren (bei COPD) (Ventolin®,
Oxis®, Serevent®) • Anticholinergika (bei COPD)
– Inhalativ (Atrovent®) – Subcutan (Buscopan®) – Sublingual (Atropin-Augentropfen) – Transcutan (Scopolamine)
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Für die Praxis empfohlen Evidenz basierte Interventionen gegen Dyspnoe
• Schnell wirkende Opioide (systemisch) 2,4
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Ausgeglichen: Benefit vs Belastung durch Intervention
Evidenz basierte Interventionen gegen Dyspnoe
• Pleurodese 7, 12
• Pleuradrainage 7, 12
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Effekt nicht nachgewiesen Evidenz basierte Interventionen gegen Dyspnoe
• Akupunktur 3
• Ventilator 3
• Musiktherapie 9
• Muskelentspannung 6
• Psychoedukative Interventionen 11
• Reflexzonentherapie 14
• Anxiolytika 4
• Lang wirkende Opioide 8
• Lasix z. Inhalieren 10
• Lidocaine z. Inhalieren 13
• Opioide zum Inhalieren 4
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Nicht empfohlen für Praxis
Evidenz basierte Interventionen gegen Dyspnoe
• Palliative Sauerstoffverabreichung bei nicht hypoxischen Patienten / Patienten ohne Kriterien für Sauerstoffgabe 1, 4, 5
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Zeichen der Hypoxie
• Zyanose • Bläulicher Hautkolorit • Gräuliches Munddreieck • Nasenflügeln • Einziehungen • Trommelschlägelfinger • Uhrglasnägel
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Kriterien für eine Sauerstoffgabe • Sauerstoff ist ein Medikament! • Cave Hyperkapnie – Koma – und
Atemstillstand bei CO2 Narkose! • Atemanreiz bei Patienten, die sich einen
höheren PCO2 gewohnt sind, geschieht über den O2 Gehalt des Blutes. Wird diese weiterhin mit O2 angereichert, fehlt der Reiz zur Atmung.
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Anticholinergika
• Nicht mit Dyspnoe in direkter Verbindung • Als Linderung des terminalen Rasselns
etabliert – Robinul – Buscopan – Scopolamin – Atropin Augentropfen, sublingual verabreicht
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Webseite zum Nachschlagen
• http://ons.org/Research/PEP/Dyspnea.
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