einführung und umsetzung von industrie 4€¦ · industrie 4.0, die strategische initiative für...

28

Upload: others

Post on 13-Jun-2020

1 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den
Page 2: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

Einführung und Umsetzung von Industrie 4.0

Page 3: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

Armin Roth (Hrsg.)

Einführung und Umsetzung von Industrie 4.0

Grundlagen, Vorgehensmodellund Use Cases aus der Praxis

Page 4: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

HerausgeberArmin RothBraincourt GmbHLeinfelden-Echterdingen, Deutschland

ISBN 978-3-662-48504-0 ISBN 978-3-662-48505-7 (eBook)DOI 10.1007/978-3-662-48505-7

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliogra e; detail-lierte bibliogra sche Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Springer Gabler© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbeson-dere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikrover lmungen und die Einspeicherung undVerarbeitung in elektronischen Systemen.Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen.

Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier

Springer Berlin Heidelberg ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media(www.springer.com)

Page 5: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

Liebe Leserinnen und Leser,

die digitale Transformation erfasst derzeit alle Lebensbereiche. Nahezu ständig sind wir mit den neuen Technologien über unsere Smartphones, Tablets, PCs etc. verbunden und nutzen die angebotenen Services (Chats, Shops, Online-Banking, Reiseportale, eTickets, mobile Apps zur Steuerung von Außendienst-, Lager- oder Instandhaltungsmitarbeitern etc.) wie eine Selbstverständlichkeit. Häufig wird vergessen, dass diese Dienstleistungen noch nicht sehr lange zur Verfügung stehen und mit welcher Geschwindigkeit diese Ver-änderung stattfindet.

Derzeit befinden sich ca. 8 Mrd. Endgeräte im Internet. Nach Prognosen sollen es im Jahr 2020 bereits ca. 50 Mrd. Endgeräte sein, d.h. die Chancen für neue Services und das Ange-bot an digitalen Produkten werden sich drastisch erhöhen.

Unternehmen müssen heute ständig auf der Suche sein, wie sie ihre Wertschöpfungspro-zesse durch den Einsatz neuer Technologien schlanker und effizienter gestalten und ihr Produkt- und Leistungsportfolio an die veränderten Möglichkeiten anpassen können. Die-jenigen Unternehmen die, unterstützt durch die technologischen Chancen der digitalen Kunden-Unternehmens-Interaktion, am schnellsten für die Kunden überzeugende Lösun-gen anbieten, werden ihre Marktattraktivität und Wettbewerbsfähigkeit deutlich steigern.

Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den letzten 18 Monaten zu einem Modewort und Hype-begriff stilisiert worden. Selbst der Normalbürger wird mit diesem Begriff inzwischen über Sonderbeilagen in den Tageszeitungen konfrontiert.

Dieses Buch will dem Konzept Industrie 4.0 auf den Grund gehen, in dem

• systematisch die historischen und technologischen Hintergründe von Industrie 4.0 herausgearbeitet werden,

• diese mit den Paradigmen von Industrie 4.0 kombiniert werden und so ein Verständnis für die Gesamtzusammenhänge entsteht,

• ein Vorgehensmodell zur strategischen und stufenweisen Einführung von Industrie 4.0 vorgestellt und anhand eines Beispielfalls illustriert wird und

• durch innovative Praxisbeispiele aufgezeigt wird, wie dieses Konzept bereits heute und in der Zukunft die Wertschöpfung und das Produktangebot verändern kann.

Bei dem Entstehen dieses Buches wirkten natürlich viele Personen mit, welchen ich dan-ken möchte. Zuerst einmal den Autoren, die mit ihren Buchbeiträgen einen wesentlichen Teil zum Gelingen des Buches beigetragen haben sowie für ihre Bereitschaft, sich in dieses Gesamtwerk integrieren zu lassen.

Vorwort

Page 6: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

VI Vorwort

Für den regen Gedankenaustausch möchte ich mich bei meinen Partnern sowie Sandra Merz, David Siepmann und Norbert Graef bedanken. In der Umsetzung des Buches wurde ich sehr gut von Nils von der Heide unterstützt. Bedanken möchte ich mich auch beim Springer-Verlag, insbesondere bei Michael Bursik und Janina Tschech für die konstruktive Zusammenarbeit. Zuletzt möchte ich mich auch bei meiner Familie bedanken, die mit großem Verständnis viele gemeinsame Abende, Wochenenden und Urlaubstage für das Gelingen des Buches geopfert hat.

Bleibt mir die Hoffnung, dass Sie als Leser dieses Buches einige interessante Anregungen für Ihren Weg der digitalen Transformation bzw. der Einführung sowie Umsetzung von Industrie 4.0 in Ihrer Organisation finden. Für einen Gedankenaustausch und eine Dis-kussion stehe ich jederzeit gerne zur Verfügung.

Viel Spaß bei der Lektüre!

Leinfelden-Echterdingen, im Oktober 2015

Armin Roth

Page 7: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

Glossar VII

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V

1 Industrie 4.0 – Hype oder Revolution?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1Armin Roth

2 Industrie 4.0 – Grundlagen und Gesamtzusammenhang . . . . . . . . . . . . . 17

2.1 Industrie 4.0 – Struktur und Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

David Siepmann

2.2 Industrie 4.0 – Fünf zentrale Paradigmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

David Siepmann

2.3 Industrie 4.0 – Technologische Komponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

David Siepmann

2.4 Industrie 4.0-Gesamtkonzept: Zusammenspiel von intelligenten Infrastrukturen, Paradigmen und technologischen Komponenten . . . 73

Norbert Graef

3 Industrie 4.0 – Vorgehensmodell für die Einführung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

3.1 Industrie 4.0-Strategie: So geht man bei der Einführung vor . . . . . . . . . . 83

Sandra Lucia Merz

3.2 Industrie 4.0-Anwendungsbeispiel: Entwicklung einer Industrie 4.0-Strategie am Beispiel eines Unternehmens der Lackmittelindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

Sandra Lucia Merz und David Siepmann

4 Industrie 4.0 – Use Cases aus Forschung und Unternehmenspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

4.1 Vernetzung der realen und der virtuellen Welt in der Produktionsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

Matthias Schindler

Page 8: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

VIII Inhalt

4.2 Durchgängiges digitales Engineering und Losgröße 1 in der Getränkeabfüll- und Verpackungsindustrie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151

Stefan Magerstedt

4.3 MICA – Die modulare Embedded Plattform der Firma HARTING für Industrie 4.0. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Jan Regtmeier und Timothy Kaufmann

4.4 Innovative Konzepte einer sich selbstorganisierenden Fahrzeugmontage am Beispiel des Forschungsprojekts SMART FACE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

Lennart Sören Bochmann, Lars Gehrke, Nils Gehrke, Christoph Mertens, Oliver Seiss

4.5 viEMA: Schwankenden Stückzahlen in Industrie 4.0 durch flexiblen Wechsel zwischen Hand- und Automatenmontage begegnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

Andreas Hermann

4.6 Digitale Transformation: Wie Virtual / Mixed und Augmented Reality unser Arbeitsleben verändern . . . . . . . . . . . . . . 209

Lina Longhitano

4.7 Pumpen und Armaturen im Umfeld von Industrie 4.0 . . . . . . . . . . . . . . . . 221

Thomas Paulus und Maximilian Hauske

4.8 Innovation Labs und Aktivitäten der Volkswagen Konzern IT im Zuge der Digitalisierung und Industrie 4.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231

Lars Gehrke, David Hajizadeh, Christoph Kreibich, Stefan Meinzer, Stefanie Augustine, Jennifer Sarah Geffers

5 Industrie 4.0 – Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247Armin Roth und David Siepmann

Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261

Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269

Page 9: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

1 Industrie 4.0 – Hype oder Revolution? 1

1 Industrie 4.0 – Hype oder Revolution?

Armin Roth

Zusammenfassung (Summary)• Die digitale Transformation ist der Auslöser dafür, bestehende Produktionsparadig-

men in Frage zu stellen oder weiterzuentwickeln. Sie bietet produzierenden Unterneh-men die Chance, ihre Wertschöpfung grundlegend zu optimieren und neue Geschäfts-potentiale zu erschließen.

• Im Rahmen von Industrie 4.0 werden die aktuellen Informations- und Kommunikati-onstechnologien mit der Produktions- und Automatisierungstechnik kombiniert und eine neue Stufe der Organisation und Steuerung der gesamten Wertschöpfungskette über den kompletten Lebenszyklus von Produkten und Services angestrebt. Ziel ist die signifikante Flexibilisierung und Verbesserung der Wertschöpfung sowie eine In-dividualisierung der Produkte und Services durch eine intensive Kunden-Unterneh-mens-Interaktion und -Vernetzung.

• Dieses Buch vermittelt ein Verständnis für die Konzepte, Paradigmen und technolo-gischen Komponenten von Industrie 4.0 sowie deren Zusammenspiel. Ferner wird ein flexibel anpassbares Vorgehensmodell zur erfolgreichen Einführung von Industrie 4.0 vorgestellt.

Inhalt1 Die fortschreitende Digitalisierung verändert die Unternehmensumwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Industrie 4.0 – Die vierte industrielle Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Welchen Mehrwert liefert das Konzept für die Unternehmen und die deutsche Wirtschaft? . . . . 64 Mehrwert und Aufbau dieses Buches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

A. Roth (Hrsg.), Einführung und Umsetzung von Industrie 4.0,DOI 10.1007/978-3-662-48505-7_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016

Page 10: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

2 Armin Roth

Page 11: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

1 Industrie 4.0 – Hype oder Revolution? 3

1 Die fortschreitende Digitalisierung verändert die Unternehmensumwelt

„Wenn Technologien und Gesellschaft sich schneller ändern, als Unternehmen in der Lage sind sich anzupassen, dann kommt es ganz nach den Regeln der Evolution zum Aus-sterben bestimmter Unternehmenstypen“ (vgl. Land, K.-H. 2015).

Das obige Zitat macht deutlich: Die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung der rea-len mit der digitalen Welt verändert das Alltagsleben der Menschen sowie die Märkte, Geschäftsbeziehungen und Wertschöpfungsketten drastisch. Die digitale Transforma-tion – das heißt, die Integration und Implementierung der digitalen Technologien in die bestehende Geschäftswelt – wird einerseits als Chance für einen Wandel bestehender Ge-schäftsmodelle und die Generierung neuer Geschäftspotenziale angesehen. Anderseits stellt sie für die Unternehmen aber zugleich eine große Herausforderung dar, denn um ihre Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu sichern oder auszubauen, müssen sich Organisa-tionen schnell den Zeichen der Zeit anpassen und auf die bevorstehenden Veränderungen reagieren.

Neue technologische Möglichkeiten und Innovationen (z.  B. die der Mensch-zu-Mensch-, Mensch-zu-Maschine- und Maschine-zu-Maschine-Kommunikation und -In-teraktion) bieten die Chance das Unternehmens-Kundenverhältnis grundlegend weiter zu entwickeln. Innovationen wirken sich dabei nicht nur auf der Marketing- oder Ver-triebsseite von Unternehmen z. B. durch die neuen Interaktionsmöglichkeiten im Social Web aus. Insbesondere die Entwicklung und Entstehung von Produkten und Services, z. B. in Unternehmensbereichen wie Produktion und Logistik sowie der Sales- und After- Sales-Prozess werden sich deutlich verändern.

Das Zusammenwachsen der digitalen und produzierenden Industrie gilt dabei als Schlüssel für eine Effizienzsteigerung und neues Wachstum. Studien zufolge haben digita-lisierte Unternehmen die Chance ihre Schnelligkeit, Flexibilität und Produktivität um ca. 40 Prozent zu steigern (vgl. Frost, 2014). Gleichzeitig kann die Digitalisierung auch dazu genutzt werden, um die Unternehmensstrategien neu auszurichten und die Produkt- und Servicepalette weiter zu entwickeln.

In diesem Zusammenhang werden die neuen Chancen, die aus der digitalen Vernet-zung zwischen Märkten und Unternehmen sowie innerhalb des Unternehmens entstehen, als erfolgskritisch für die Zukunft angesehen. Ziel ist es die Distanz zwischen Angebot und Nachfrage durch die Digitalisierung zu minimieren. Man spricht im Idealzustand von einer „Nulldistanz“ (Zero Distance) z.  B. zwischen Endkunden und Unternehmen (s. Abb. 1), so dass Innovationen sehr nahe am Kunden entwickelt werden können.

Page 12: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

4 Armin Roth

Geschäftsmodelle, basierend auf einer starren, losgrößenoptimalen Massenproduktion standardisierter Produkte, welche anschließend an Kunden verkauft werden sollen, sind nicht effizient und werden zukünftig als nicht mehr wettbewerbsfähig eingestuft. In den nächsten Jahren werden nur die Unternehmen beim Erreichen einer Nulldistanz erfolg-reich sein, die es schaffen, zwei grundlegende Unternehmens-Orientierungen miteinander in Einklang zu bringen, welche wie zwei „Kreisläufe“ ineinander greifen und sich gegen-seitig beeinflussen:

• Die „Outside-in Orientierung“: Schnelle Anpassung der Ressourcen und Fähigkei-ten des Unternehmens an dynamische Umweltveränderungen (z.  B. technologische Trends, veränderte Kundenbedürfnisse oder neue Lieferantenbeziehungen).

• Die „Inside-out Orientierung“: Fokussierung des Unternehmens auf die Optimie-rung seiner internen Ressourcen und den Ausbau wesentlicher Kernkompetenzen mit dem Ziel einer Effizienzsteigerung und Kostensenkung in der Leistungserbringung.

Neue technologische Ansätze und Konzeptionen fungieren in diesem Wechselspiel als Ka-talysatoren. Sie dienen dazu, den Datenaustausch zwischen den Akteuren in den Unter-nehmen und Märkten (z. B. zwischen dem Produktionsbereich eines Unternehmens und einem Lieferanten) so zu beschleunigen, dass diese quasi in Echtzeit miteinander kom-munizieren, Informationen austauschen und sich aufeinander einstellen können. Dadurch verkürzt sich die Reaktionszeit auf Veränderungen dramatisch und Standardprodukte ver-wandeln sich in individuelle Sonderanfertigungen, die ganz nach Kundenwünschen (in Losgröße 1) produziert werden können.

All dies verspricht das Konzept Industrie 4.0. Doch was davon hält in der Reali-tät wirklich stand und was nicht? Versteckt sich dahinter lediglich ein neumodischer „ Hype-Begriff “ oder ist darunter wirklich eine Revolution in der Produktion zu verstehen? Die nächsten Seiten sollen Fakten und Hintergründe hierzu liefern.

Abb. 1 Zusammenhänge und Kreisläufe zwischen Unternehmen und Märkten zum Erreichen einer „Nulldistanz“ (Zero Distance)

Page 13: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

1 Industrie 4.0 – Hype oder Revolution? 5

2 Industrie 4.0 – Die vierte industrielle Revolution

Der Industriesektor hat in Deutschland heute noch einen Anteil von ca. 25 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (vgl. Bauernhansl 2014, S. 7). Dafür wurde Deutschland in der Vergangenheit von anderen Ländern, welche schneller auf eine Entwicklung zur Dienst-leistungsgesellschaft hingearbeitet haben, eher belächelt. Man ging davon aus, dass es auf-grund der Globalisierung und der wachsenden Konkurrenz in Billiglohnländern nicht gelingen wird, einen solch hohen Industrieanteil in einem Hochlohnland zu halten. In-zwischen wird Deutschland eher bewundert, da dieser Industrieanteil maßgeblich zum Handelsbilanzüberschuss beiträgt (siehe das Thema Exportbeitrag in diesem Kapitel).

Deshalb hat das Zukunftsprojekt „Industrie 4.0“ als eines von 10 Projekten aus der Hightech-Strategie 2020 der Bundesregierung eine besondere Bedeutung. Ziel dieses Zu-kunftsprojektes ist es, die Wettbewerbsfähigkeit des Produktionsstandortes Deutschland durch den Einsatz innovativer Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) zu sichern und zu steigern sowie deutsche Unternehmen als Industrieausrüster im Weltmarkt zu positionieren.

Der Begriff Industrie 4.0 steht für die 4. industrielle Revolution. Diese ist nach der Einführung mechanischer Produktionsanlagen unter Nutzung der Wasser- und Dampf-kraft (1. Revolution), der Einführung der arbeitsteiligen Massenproduktion mit Hilfe der elektrischen Energie (2. Revolution), des Einsatzes der Elektronik und IT zur Automation (3. Revolution), nun durch vernetzte und kommunizierende Systeme mittels der neuesten Internettechnologie gekennzeichnet. Es wird durch die Kombination dieser mit der Pro-duktions- und Automatisierungstechnik eine neue Stufe der Organisation und Steuerung der gesamten Wertschöpfungskette über den kompletten Lebenszyklus von Produkten angestrebt. Ziel ist die signifikante Flexibilisierung und Verbesserung der Wertschöpfung sowie eine Individualisierung der Produkte.

Durch diese 4. industrielle Revolution (s. Kap. 2.1), welche im Wesentlichen als eine durch die IT ausgelöste Revolution angesehen wird, sollen sich produzierende Unterneh-men bis zum Jahr 2025 durch folgende vier Charakteristika auszeichnen:

• Ein hohes Maß an Produktindividualisierung über die Standardkonfigurationsmög-lichkeiten hinaus.

• Hoch flexibilisierte und zugleich effiziente Produktion bis zur Losgröße 1.• Weitgehende Integration von Kunden und Geschäftspartnern in Geschäfts-und

Wertschöpfungsprozesse.• Verkopplung von Produktion und hochwertigen Dienstleistungen (z. B. nutzenori-

entierte Informationsbereitstellung), die in so genannten hybriden Produkten mündet (z. B. Verkauf von „Mobilität“ anstatt Fahrzeugen).

Es gibt für Industrie 4.0 bisher keine eindeutige Definition. Für viele Autoren ist Industrie 4.0 die digitale Transformation des produzierenden Gewerbes. In diesem Herausgeber-werk wird Industrie 4.0 detaillierter beleuchtet und wie folgt definiert:

Page 14: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

6 Armin Roth

„Industrie 4.0 umfasst die Vernetzung aller menschlichen und maschinellen Akteure über die komplette Wertschöpfungskette sowie die Digitalisierung und Echtzeitauswertung al-ler hierfür relevanten Informationen, mit dem Ziel die Prozesse der Wertschöpfung trans-parenter und effizienter zu gestalten, um mit intelligenten Produkten und Dienstleistun-gen den Kundennutzen zu optimieren.“

Die Ziele von Industrie 4.0 finden sich im internationalen Kontext unter Begriffen wie beispielsweise „Smart Factory“, „Internet of Things (IoT)“ oder „(Business) Digitali zation“ wieder. In diesem Buch wird der Begriff „Internet of Things“ jedoch technologisch, d.h. als Vernetzung von realen Bauteilen durch Internettechnologien verstanden. Das IoT ist somit ein technologischer Baustein für ein Industrie 4.0-Gesamtmodell (s. Kap. 2.1).

In Summe betrachtet ist Industrie 4.0 eigentlich nichts grundsätzlich Neues. Viele der unter Industrie 4.0 subsumierten Konzepte stellen eine Kombination oder konsequente Weiterentwicklung alter Konzepte aus der Automation, dem computer-integrated ma-nufacturing (CIM) der siebziger Jahre oder z. B. dem Lean Management dar. Allerdings wird es durch den aktuellen Entwicklungsstand der konvergierenden Technologien erst sukzessive möglich, grundlegende Konzepte konsequent und durchgängig umzusetzen. Digitalisierte Produkte und Lösungen werden somit für die Kunden erfahrbar und mit dem weiteren Fortschritt der Technologien fortlaufend, intensiver erlebbar. Vor diesem Hintergrund ist Industrie 4.0 eher als eine Evolution statt einer Revolution einzustufen. Zu einer Revolution wird sie allerdings für diejenigen Unternehmen, die diese Entwicklungen und die sich daraus ergebenden Marktveränderungen unterschätzen. Deshalb ist Industrie 4.0 sicher nicht nur ein Hype, sondern mittelfristig, insbesondere durch die wachsenden Ansprüche der Kunden an zukünftige Lösungen, nicht mehr aufzuhalten.

So möchte dieses Buch auch für diejenigen eine Anregung sein, die sich der Zukunfts-fähigkeit ihres bisherigen Geschäftsmodelles sicher sind und die Möglichkeiten aufzeigen, die Industrie 4.0 auch ihnen bietet.

3 Welchen Mehrwert liefert das Konzept für die Unternehmen und die deutsche Wirtschaft?

Industrie 4.0 bietet zahlreiche Chancen, nicht nur die Herstellungsprozesse nachhaltig zu verbessern, sondern einen Quantensprung innerhalb der kompletten Wertschöpfungsket-te zu erzielen. Diese Chancen-Bereiche sind nachfolgend im Überblick zusammengefasst (s. Abb. 2):

Die ersten drei Chancen beziehen sich auf den Bereich der Produktion.

1. Individualisierung• Die Berücksichtigung individueller und kurzfristiger Kundenwünsche beim Design

sowie bei der Planung und Produktion außerhalb der vorgedachten Konfiguration der Serienfertigung u.a. durch ein durchgängiges digitales Engineering.

• Die Rentabilität bei der Produktion von Kleinstmengen (Losgröße 1).

Page 15: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

1 Industrie 4.0 – Hype oder Revolution? 7

2. Flexibilisierung• Flexibilisierung und Verkürzung der Lead-Time (Reaktion auf Kundenanfragen)

und Time-to-Market (Verkürzung der Entwicklungszeiten), u.a. durch digitales En-gineering, 3D-Druck im Prototypenbau oder durch Predictive Analytics.

• Dynamische Geschäftsprozessgestaltung durch Ad-hoc-Vernetzung von cyber-phy-sischen Produktionssystemen (CPPS) (s. Kap. 2.1).

• Schnelle, flexible Reaktion auf Veränderungen (u.a. Ausfälle von Zulieferern oder kurzfristige Erhöhung von Liefermengen).

• Schnelle und flexible Entscheidungsfähigkeit sowie globale und lokale Optimie-rungen in der Entwicklung und Produktion anhand einer durchgehend (digitalen) Transparenz in Echtzeit.

3. Produktivitätssteigerung• Ressourceneffektivität und -effizienz durch die Optimierung der Produktion hin-

sichtlich Ressourcen- und Energieverbrauch sowie Emissionen.• Predictive Maintenance im Produktions- und Servicebereich (Vorhersage und Op-

timierung von erforderlichen Wartungsprozessen).• Umfangreiche Simulationsmöglichkeiten der Geschäftsprozesse aufgrund eines

durchgängigen digitalen Engineerings und dem Einsatz von Technologien wie Aug-mented Reality (AR) und Virtual Reality (VR).

Die vierte Chance bezieht sich speziell auf den Bereich Personal, mit dem Ziel der:

4. Steigerung der Einsatzfähigkeit der Mitarbeiter• Demographie-orientierte Arbeitsgestaltung durch das Zusammenspiel zwischen

Mensch und technischen Systemen.• Sicherstellung der gleichbleibenden Qualität in der Produktion durch visuelle, qua-

litätssichernde Systeme (Einsatz intelligenter Assistenzsysteme). • Umfangreiche Job-Enrichement und -Enlargement-Möglichkeiten durch perma-

nent aktualisiertes Informations- und Trainingsmaterial.

Abb. 2 Chancen und Chancen-Bereiche von Industrie 4.0 im Überblick

Page 16: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

8 Armin Roth

• Bekämpfung des Fachkräftemangels durch neue Laufbahnmodelle und zunehmen-de Diversität der Beschäftigten (Alter, Geschlecht, Kultur).

• Verbesserte Work-Life-Balance aufgrund erhöhter Flexibilität in der Arbeitsorga-nisation.

Die fünfte Chance fokussiert den Bereich der Ausrichtung der Unternehmensstrategie, insbesondere die:

5. Erweiterung des Geschäftsmodells• Ausweitung und Ergänzung des bisherigen Leistungsportfolios durch neue Wert-

schöpfungspotentiale. • Entwicklung vom Produktanbieter zum Lösungsanbieter durch die Kombination

intelligenter Dienstleistungen.

Industrie 4.0 erlaubt es, Produktionsabläufe vorab zu simulieren, diese durch eine ausge-prägte Sensorik im Detail nahezu in Echtzeit über Cockpits zu verfolgen und auf eine Wei-se zu optimieren, die vorher nicht möglich war. Die Möglichkeiten des Informations- und Wissensaustauschs sowie der intensiven Vernetzung zwischen Lieferanten und Kunden generieren für alle Beteiligten neue Nutzenpotentiale. Diese technologischen Möglichkei-ten (s. Kap. 2.1) bieten die Chance für veränderte Produktionsmethoden (u.a. dezentrale Steuerung) und neuartige Wertschöpfungsnetzwerke.

Durch die Anknüpfung an traditionelle Stärken wie der Marktführerschaft im Anla-gen- und Maschinenbau, einer Innovationsführerschaft in Embedded Systems und der Automatisierungstechnik sowie der Konzentration einer weltweit beachtlichen IT-Kom-petenz, kann der Produktionsstandort Deutschland durch die aktive Mitgestaltung und der damit verbundenen Umsetzung von Industrie 4.0 weiter ausgebaut werden (vgl. Helbig 2013, S. 24). Dieses Wachstum käme auch dem Wirtschaftsraum Europa zu Gute, denn bereits heute findet 90 Prozent des weltweiten Wachstums außerhalb Europas statt (vgl. Frost 2014).

Durch ein, auf Industrie 4.0 basierendem, Wachstum ließe sich auch der Exportbeitrag in Deutschland weiter steigern. Mit Ausfuhren von 1.133,6 Mrd. Euro im Jahr 2014 und einem Rekord-Exportüberschuss von 217 Mrd. Euro gehört Deutschland zu den weltweit führenden Exportnationen. Neben der Kraftfahrzeugindustrie mit 180,7 Mrd. Euro, zählt auch der Bereich des Maschinenbaus mit 179,1 Mrd. Euro zu den Exportschlagern (vgl. Statistisches Bundesamt 2013). Diese Zahlen spiegeln wieder, dass der Industriesektor traditionell den größten Anteil am Export ausmacht. Darüber hinaus sind die Chancen zur Produktivitätssteigerung nicht zu vernachlässigen. Speziell im Bereich des Maschinen-baus, könnte wie in Abbildung 3 aufgezeigt, bereits im ersten Jahr einer Einführung von Industrie 4.0 ein Produktivitätsgewinn von schätzungsweise 3 Mrd. Euro entstehen.

Dadurch, dass die Technologien der Industrie 4.0 zukünftig in den Fertigungshallen deutscher Unternehmen eingeführt werden, könnte auch die Nachfrage nach intelligenten Maschinen und Produkten „Made in Germany“ ansteigen.

Page 17: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

1 Industrie 4.0 – Hype oder Revolution? 9

Angesichts dieser zusätzlichen Nachfrage müssten natürlich auch die Kapazitäten an spe-zialisiertem Fachpersonal aufgestockt werden, wodurch allein in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) des Maschinen baus in den nächsten Jahren bis zu 100.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden könnten (vgl. Student und Maier 2014, S. 98).

Auch Industrieunternehmen aus dem Ausland haben den Mehrwert und die Potentiale des Themas Industrie 4.0 für deren Industrie erkannt. So gibt es bereits einen Zusammen-schluss der amerikanischen Unternehmen Cisco Systems Inc., General Electric Corpora-tion und der IBM Corporation, welche mit asiatischen Unternehmen wie der Hitachi Ltd. Corporation sowie der Huawei Technologies Co., Ltd. zusammenarbeiten. Diese bilden gemeinsam das sogenannte International Industrie Consortium (IIC), welches auf schnel-le Ergebnisse und eine rasche Umsetzung in den Themen Internet der Dinge – englisch Internet of Things (IoT) – und der Digitalisierung der Produktion abzielt. Als weltweit führender Hersteller von Sensoren arbeitet die Robert Bosch GmbH neben der Siemens AG als deutsches Unternehmen produktiv und aktiv an diesem Konsortium mit (vgl. IDG Business Media GmbH 2015).

Um diesem Konkurrenzdruck aus dem Ausland standzuhalten, muss die Entwicklung deutscher Industrie 4.0-Konsortien zum einen durch den Zusammenschluss innovations-starker Unternehmen und zum anderen durch staatliche Fördermaßnahmen (in anderen Ländern wird dies bereits praktiziert) zukünftig vorangetrieben werden, umso aktiv zur Erhaltung und Stärkung des Produktionsstandortes Deutschland beizutragen.

Jüngsten Studien zufolge beurteilen deutsche Manager den Mehrwert der Digitalisie-rung in der Produktion deutlich skeptischer als ihre ausländischen Kollegen. Politik und Verbände aber warnen davor, dass Deutschland seine global führende Stellung in der Au-tomation auch in der digitalisierten Welt nicht verlieren dürfe.

Abb. 3 Industrie 4.0 als Schubkraft für die deutsche Industrie (vgl. Student und Maier 2014, S. 98).

Page 18: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

10 Armin Roth

Wie groß das Interesse an der Einführung innovativer Technologien für Deutschland ist, kann durch eine Analyse des Online-Services „Google Trends“ aufgezeigt werden (vgl. Google Inc. 2015). Über dieses Analyseverfahren lassen sich Suchanfragen zu bestimmten Themen, die über die Suchmaschine der Google Inc. gestellt werden, zeitlich, geografisch und mengenmäßig auswerten.

Die Abbildung 4 zeigt das Interesse in Bezug auf das Schlagwort „Industrie 4.0“ in Form von Suchanfragen über die Suchmaschine Google.de. Da es sich bei dem Thema Industrie 4.0 um einen in Deutschland geprägten Begriff handelt, wurde zur geografischen Eingren-zung die Bundesrepublik Deutschland herangezogen. Das zeitliche Fenster liegt zwischen April 2013 und Juli 2015. Es kann festgestellt werden, dass das Interesse trotz kleinerer bis mittlerer Einbrüche im Zeitverlauf angestiegen ist.

Die Abbildung 5 zeigt auf, dass das Bundesland Baden-Württemberg das meiste Inter-esse am Thema Industrie 4.0 aufweist. Dies wird zum einen durch die Intensität der Einfär-bung des jeweiligen Bundeslandes auf der Deutschlandkarte und zum anderen durch die Häufigkeit der gestellten Suchanfragen veranschaulicht. Die dargestellten Zahlen geben hier das Verhältnis zum höchsten Punkt auf der Karte an, der immer 100 beträgt (vgl. Google Inc. 2015).

Abb. 5 Deutschlandweites Interesse nach Bundesländern (Google Inc. 2015).

Abb. 4 Interesse am Thema Industrie 4.0 im zeitlichen Verlauf (Google Inc. 2015).

Page 19: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

1 Industrie 4.0 – Hype oder Revolution? 11

4 Mehrwert und Aufbau dieses Buches

Derzeit wird zum Thema Industrie 4.0 aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln des Ma-nagements sehr viel publiziert. Existierende Literatur legt den Fokus entweder rein auf technologische Aspekte von Industrie 4.0 (z. B. Internet der Dinge und Dienste, Ubiqui-tious Computing und RFID), auf prozessuale Aspekte oder mitarbeiterbezogene Auswir-kungen von Industrie 4.0.

Dies zeigt den Umfang, die Vielschichtigkeit und Komplexität des Themas. Anderer-seits bietet das Thema Industrie 4.0 die Chance, gerade die Komplexität in der Produk-tionssteuerung der Ebenen Prozesse, Organisation, Technologie, Mitarbeiter und Projekte durch entsprechende Vernetzung und Standardisierung zu reduzieren. Dafür ist insbeson-dere eine strategische Betrachtung und Herangehensweise notwendig.

Es gibt derzeit kaum Literatur, die das Thema der Einführung von Industrie 4.0 im Zusammenhang mit der Unternehmensstrategie behandelt und die wichtigsten Hand-lungsfelder (Technologien, Prozesse, Organisation, Mitarbeiter, Projekte) betrachtet. Um Industrie 4.0 ganzheitlich einzuführen, ist es insbesondere erforderlich, dass strategische Überlegungen den Ausgangspunkt bilden und eine Einschätzung darüber vorliegt, wieviel Wissen über Industrie 4.0 und dessen Paradigmen sowie technologischen Komponenten bereits im Unternehmen vorhanden ist.

Das Buch besteht aus drei Teilen, die sich unter den Schlagworten:1. Verstehen (Kapitel 1 und 2)2. Gestalten (Kapitel 3)3. Umsetzen (Kapitel 3 und 4) zusammenfassen lassen.

1. VerstehenDer Leser wird in Kapitel 2 in das Thema Industrie 4.0 (Grundlagen und Gesamtzusam-menhang) eingeführt und die wichtigsten Begriffe, Paradigmen (grundsätzliche neue Denkweisen) und Technologien in Bezug auf Industrie 4.0 werden erklärt und erläutert. Des Weiteren wird auch das Zusammenspiel von intelligenten Infrastrukturen, Paradig-men und technologischen Komponenten erläutert. Gleichzeitig wird dem Leser die Mög-lichkeit gegeben, bestimmte Punkte, Begriffe (z. B. cyber-physische Systeme (CPS)) und Zusammenhänge in Bezug auf Industrie 4.0 in Form eines Glossars/Nachschlagewerks nachzulesen.

2. Gestalten: In Kapitel 3 wird ein dreistufiges Vorgehensmodell zur Einführung von Industrie 4.0 be-schrieben, das dem Leser aufzeigt, wie er das Thema im Unternehmen einführen, etablie-ren oder optimieren kann und wie er konkrete Maßnahmen ableitet (Vorgehensmodell für die Einführung). Dabei wird kein dogmatischer „one-fits-all“-Ansatz präsentiert, den Unternehmen immer Folge zu leisten haben. Abhängig von der Unternehmenssituation und der gewünschten Betrachtungsebene (strategisch, taktisch oder operativ) ist es nicht erforderlich, immer bei Stufe 1 zu starten und jede der Stufen nacheinander zu durchlaufen.

Page 20: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

12 Armin Roth

Abb. 6 Überblick zur Gesamtstruktur des Buches

Page 21: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

1 Industrie 4.0 – Hype oder Revolution? 13

Zuerst werden die strategischen Komponenten einer Industrie 4.0-Einführung beleuchtet und mit der bestehenden Geschäftsstrategie in Einklang gebracht. Das erscheint insbeson-dere wichtig, um sich die durch die Einführung von Industrie 4.0 bietenden Chancen, bei der Neukonzeptionierung der Wertschöpfungskette und des Leistungsportfolios zunut-ze zu machen. Je nach Zielstellung bzw. bereits vorliegenden Erkenntnissen in Bezug auf Industrie 4.0 können auch konkrete Projekte, Prozesse oder IT-technische Umsetzungen (auf operativer Ebene der Industrie 4.0-Maßnahmenumsetzung) als Einstiegspunkte zur Einführung bzw. Umsetzung von Industrie 4.0-Themen dienen. Unternehmen gewinnen so die Flexibilität (sei es auf Geschäftsführungs-, mittlerer Management- oder Projekt-leitungs-Ebene), fallspezifisch bzw. unternehmens- und situationsindividuell vorzugehen.

3. Umsetzen: In Kapitel 4 wird anhand von konkreten Anwendungs- und Fallbeispielen aus der Praxis aufgezeigt: Was haben andere Unternehmen gemacht? Wie sind sie vorgegangen? Welchen Nutzen haben sie daraus gezogen? Was lässt sich für die Zukunft daraus ableiten?

Abbildung 6 gibt die Gesamtstruktur des Buches wieder.

5 Fazit

Die wahre Chance liegt in der Konsequenz mit der Industrie 4.0 die Produktentwicklungs- und Produktionsprozesse mit modernsten Lösungen aus der Informations- und Kommu-nikationstechnologie verbindet, um die Wertschöpfung über den gesamten Produktle-benszyklus zu optimieren und neue Geschäftspotenziale und -modelle zu ermöglichen.

KMUs sehen sich häufig aus finanziellen Gründen nicht in der Lage, in grundlegende Technologien der Industrie 4.0 zu investieren. So wird als Hauptvorbehalt eine vermeint-lich schlechte Kosten-Nutzen-Relation bzw. langfristige Pay-Back-Zyklen angegeben. Die aktuellen Herausforderungen liegen derzeit eher bei der immer weiter voranschreitenden Internationalisierung sowie dem ansteigenden Innovationsdruck durch den Wettbewerb (vgl. Mittelstand-Nachrichten.de 2014). Einer Studie zu urteilen, haben KMUs zudem Schwierigkeiten einzuschätzen, wie die zukünftige Situation auf den heutigen Stand des Unternehmens zu projizieren ist und welche Entscheidungen aktuell getroffen werden müssen, was zu hohen Unsicherheiten und Bedenken in Bezug auf eine Einführung von Industrie 4.0 führt (vgl. VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V. 2013).

Natürlich ist bekannt, dass die zunehmende Vernetzung der Produktionsanlagen in der Industrie 4.0 zudem Risiken in der IT- und Datensicherheit mit sich bringt. Auch Daten-qualitäts-, Stabilitäts-, Schnittstellenprobleme oder rechtliche Probleme sind ausschlagge-bend für die Verunsicherung der Unternehmen. Durch die zukünftig immer weiter anstei-gende Vernetzung zwischen Unternehmen und Stakeholdern, müssen sich insbesondere Zulieferunternehmen in der Pflicht sehen, das Thema Industrie 4.0 aufzugreifen und sich damit auseinander zu setzen. Gerade diese Unternehmen müssen sich vor Augen führen, dass sie nur durch den zukünftigen Einsatz geeigneter Informations- und Kommunikati-onstechnologien noch in der Lage sein werden, Teil der Wertschöpfungskette zwischen ihren Kunden und Lieferanten zu sein.

Page 22: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

14 Armin Roth

Dieses Buch will einen Beitrag zur erfolgreichen Industrie 4.0-Implementierung leis-ten, indem es:

• auf die Gefahr, die Geschwindigkeit des Digitalisierungsprozesses zu unterschätzen, hinweist,

• das relevante Basiswissen für die Konzepte, Paradigmen und Technologien von Indus-trie 4.0 verständlich vermittelt,

• ein Vorgehensmodell zur Einführung von Industrie 4.0 ausgehend von der Unterneh-mensstrategie vorstellt und an die Hand gibt sowie

• anhand von Use Cases innovative Umsetzungsbeispiele aufzeigt.

6 LiteraturhinweiseBauernhansl, T. (2014): Die Vierte Industrielle Revolution – Der Weg in ein wertschaffendes Produk-

tionsparadigma. In: Bauernhansl, T., ten Hompel, M. und Vogel-Heuser, B. (Hrsg.): Industrie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik: Anwendung, Technologien, Migration. Springer Vieweg: Wiesbaden, S. 5-35. (ISBN: 978-3-658-04681-1)

Frost, S. (2014): Industrie 4.0 soll Europa retten. http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/kein- kontinent-der-zukunft-ausstrahlt-industrie-4-0-soll-europa-retten/11075408.html (08.01.2015).

Google Inc. (2015): Industrie 4.0. http://www.google.de/trends/explore#q=industrie%204.0&geo=DE&date=4%2F2013%2029m&cmpt=q&tz=Etc%2FGMT-2 (06.08.2015).

Helbig, W. (2013): Die Vision: Industrie 4.0 als Teil einer vernetzten, intelligenten Welt. In: Kager-mann, Henning; Wahlster, Wolfgang und Helbig, Johannes (Hrsg.): Umsetzungsempfehlungen für das Zukunftsprojekt Industrie 4.0. Abschlussbericht des Arbeitskreises Industrie 4.0, S. 20-31. URL: http://www.bmbf.de/pubRD/Umsetzungsempfehlungen_Industrie4_0.pdf

IDG Business Media GmbH (2015): Bosch will Standards für Industrie 4.0 erarbeiten. http://www.cio.de/a/bosch-will-standards-fuer-industrie-4-0-erarbeiten,3093905 (20.02.2015).

Land, K.-H. (2015): Digitale Transformation am Beispiel der Automobilindustrie. In: Leopold, M.: Digitaler Darwinismus: Friss oder stirb!? – Im Interview mit Karl-Heinz Land. https://www.salesforce.com/de/blog/2015/02/digitaler-darwinismus-friss-oder-stirb-im-interview-mit-karl-heinz-land.html (25.07.2015).

Mittelstand-Nachrichten.de (2014): Hürde für Industrie 4.0 – produzierendes Gewerbe verkennt die Chancen von Big Data. https://www.mittelstand-nachrichten.de/unternehmen/huerde-fuer-in-dustrie-4-0-produzierendes-gewerbe-verkennt-die-chancen-von-big-data-20140905.html (15.01.2015).

Statistisches Bundesamt (2015): Deut sche Ex porte im Jahr 2014: + 3,7 % zum Jahr 2013. https://www.destatis.de/DE/PresseService/Presse/Pressemitteilungen/2015/02/PD15_038_51.html (10.02.2015).

Student, D. und Maier, A. (2014): Made in Germany. Manager magazin Verlagsgesellschaft mbH: Hamburg. (Manager Magazin Ausgabe 12/2014)

VDI Verein Deutscher Ingenieure e.V (2013): Cloud in der Automation entscheidend für „Indus-trie 4.0“. http://www.vdi.de/presse/artikel/cloud-in-der-automation-entscheidend-fuer-indus-trie-40/ (20.01.2015).

Page 23: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

1 Industrie 4.0 – Hype oder Revolution? 15

Der AutorProf. Armin Roth ist Inhaber des Lehrstuhls Unternehmenssteuerung und Leiter des Forschungsbereichs “Enterprise Performance Management & Business Intelligence” im Stu diengang Wirtschaftsinformatik der Hochschule Reutlingen sowie Senior Partner der Braincourt GmbH, Managementberatung & Informationssysteme in Leinfelden-Echter-dingen.

Page 24: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

2 Industrie 4.0 – Grundlagen und Gesamtzusammenhang 17

2 Industrie 4.0 – Grundlagen und Gesamtzusammenhang

2.1 Industrie 4.0 – Struktur und Historie

David Siepmann

Zusammenfassung (Summary)• Industrie 4.0 (oder auch die vierte industrielle Revolution genannt) repräsentiert die

konsequente Weiterentwicklung drei vorausgegangener industrieller Revolutionen. Sie basiert auf historischen und technologischen Ansätzen der intelligenten Fabrik sowie der computerintegrierten Produktion.

• Das in diesem Beitrag vorgestellte „Industrie 4.0-Haus“ zeigt alle relevanten Technolo-gien und Ansätze auf, die im weiteren Verlauf dieses Buches immer wieder aufgegriffen werden und zum grundlegenden Verständnis der Thematik hilfreich sind.

• Cyber-physische Produktionssysteme (CPPS), die in Summe das Herzstück von In-dustrie 4.0 repräsentieren, werden ebenso vorgestellt, wie deren technologische Ent-wicklung vom Ubiquitous Computing hin zum Internet der Dinge und Dienste (IoTS).

Inhalt1 Die vierte industrielle Revolution (Industrie 4.0) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Komponenten der Industrie 4.0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Drei grundlegende Phasen der technologischen Entwicklung von Industrie 4.0 . . . . . . . . . . . . . 24

3.1 Phase 1: Ubiquitous Computing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243.2 Phase 2: Internet der Dinge und Dienste (IoTS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263.3 Phase 3: Cyber-physisches Produktionssystem (CPPS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

4 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

A. Roth (Hrsg.), Einführung und Umsetzung von Industrie 4.0,DOI 10.1007/978-3-662-48505-7_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016

Page 25: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

18 David Siepmann

Page 26: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

2 Industrie 4.0 – Grundlagen und Gesamtzusammenhang 19

1 Die vierte industrielle Revolution (Industrie 4.0)

Besonders in Deutschland stößt das Thema der vierten industriellen Revolution, besser bekannt als „Industrie 4.0“, derzeit auf sehr großes öffentliches Interesse. So finden regel-mäßig Tagungen dazu statt und es werden Projektgruppen und Kooperationen gebildet, die sich mit dem Verfassen von Whitepapern beschäftigen und eine Vielzahl an Artikeln, Fachberichten und Interviews zu diesem Thema veröffentlichen. Trotz intensiver For-schungsarbeiten gibt es noch immer keine einheitlichen Standards oder konkrete Kon-zepte zur Umsetzung und Einführung von Industrie 4.0. Deshalb beschäftigt sich aktuell eine Großzahl deutscher Unternehmen noch nicht intensiv mit der Thematik und den vorhandenen Problemstellungen. Ob sich dies als Nachteil erweist, das wird die Zukunft zeigen (vgl. Graf 2014).

Wieso spricht man eigentlich von der „vierten industriellen Revolution“? Bereits in den fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts nahm die erste industrielle Revolution durch die Entwicklung mechanischer Arbeits- und Kraftmaschinen mithilfe von Wasser und Dampf (Dampfmaschine) ihren Lauf und ermöglichte die erste wirkliche Industrialisierung in der Textil-, Eisen- und Stahlindustrie. Die industrielle, arbeitsteilige Massenproduktion unter Zuhilfenahme von Fließ- und Förderbändern sowie der elektrischen Energie ab dem Jahr 1870 wird als die zweite industrielle Revolution angesehen. Getrieben durch das deutsche Wirtschaftswunder, Anfang der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts, brach schließlich die noch heute vorherrschende dritte industrielle Revolution an. Diese ist durch den Einsatz von Elektronik sowie der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) zur Au-tomatisierung der Produktion geprägt (s. Abb. 1) (vgl. Bauernhansl 2014, S. 5-7).

Abb. 1 Die vier Stufen der industriellen Revolution

Page 27: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

20 David Siepmann

Der Begriff Industrie 4.0 wurde zum ersten Mal im Jahr 2011 auf der Hannover-Messe aufgegriffen und beschreibt ein Zukunftsprojekt der Bundesregierung zum Vorantreiben der „Informatisierung“ der deutschen Fertigungstechnik. Diese sich anbahnende vierte industrielle Revolution, sowohl in der Produktion, als auch in der Informations- und Kommunikationstechnologie (s. Abb. 2), basiert auf den Ideen und Ansätzen einer intel-ligenten Fabrik.

Der Ansatz der intelligenten Fabrik sieht vor, die immer weiter ansteigende Komplexität, welche unweigerlich durch den Einsatz neuster IKT in der Produktion entsteht, für ein Unternehmen beherrschbar zu machen. Auch die Störanfälligkeit der Maschinen und des geplanten Produktionsprogrammes soll durch die Möglichkeit einer Selbstoptimierung verringert werden. Intelligente Produkte besitzen dabei das Wissen über ihre zukünftige Verwendung sowie über die einzelnen Schritte des ihnen zugehörigen Produktionspro-zesses. Auch sind in der intelligenten Fabrik Mensch, Maschine und Ressourcen in der Lage direkt über das Internet der Dinge und Dienste (IoTS) miteinander zu kommuni-zieren und zu interagieren, was zu einer Effizienzsteigerung in der Produktion führt (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) 2013, S. 23). Technologisch wird die intelligente Fabrik vor allem durch den Einsatz cyber-physischer Produktionssysteme definiert. Des Weiteren sieht sie die Integration interner und externer Stakeholder in die Geschäfts- und Wertschöpfungsprozesse (neue Geschäftsmodelle), die Verkopplung von Produkten mit hochwertigen Dienstleistungen sowie die Vernetzung sämtlicher Produk-tionssysteme über das Internet vor.

Die Entwicklung hin zu eben dieser intelligenten Fabrik begann ursprünglich mit dem Ansatz des computer-integrated manufacturing (CIM) aus den siebziger Jahren. Über die Einführung der sogenannten „Lean Production“ in den neunziger Jahren entwickelte sich das CIM hin zur heutigen Idee der Industrie 4.0 (s. Abb. 3).

Der CIM-Ansatz sah eine menschenarme, automatisierte und computerintegrierte Produktion vor, in welcher der Faktor Mensch schlichtweg ausgegrenzt wurde.

Abb. 2 Wie verändert sich die Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in der Industrie 4.0? (vgl. ifpconsulting 2014, S. 16).

Page 28: Einführung und Umsetzung von Industrie 4€¦ · Industrie 4.0, die strategische Initiative für den digitalen Transformationsprozess in der produzierenden Industrie, ist in den

2 Industrie 4.0 – Grundlagen und Gesamtzusammenhang 21

Der Mitarbeiter nahm dadurch lediglich eine beobachtende Rolle ein, die er aus einem Kontrollzentrum heraus erfüllen sollte. Im Gegensatz zum CIM-Ansatz nimmt in der in-telligenten Fabrik der Mensch, nicht die Maschine, die entscheidende Rolle einer überge-ordneten Steuerungseinheit ein. Der Mensch agiert als letzte Entscheidungsinstanz und ist über geeignete Mensch-Maschine-Schnittstellen (Virtual Reality, Augmented Reality) ganzheitlich in den Produktions- und Steuerungsprozess integriert. Die Produktionsan-lagen in der intelligenten Fabrik sind, entgegen dem Ansatz einer vollständigen Automa-tisierung im Kontext von CIM, so nur teilweise autonom (vgl. Schließmann 2014, S. 451).

Die ausschlaggebenden Gründe, welche zum Scheitern des CIM beitrugen, lagen vor allem in Problemen bei der Bereitstellung geeigneter IT-Infrastrukturen, Datensysteme und Datenübertragungstechniken. Zum anderen war die für die Kommunikation sowie zur Datenerhebung und -verarbeitung benötigte Sensorik noch nicht zu rentablen Preisen auf dem Markt erhältlich (vgl. Soder 2014, S. 86). Ebenso waren technologische Ansätze wie das Cloud Computing, Big Data, das Internet der Dinge und Dienste sowie Standards zur herstellerübergreifenden Maschine-zu-Maschine-Kommunikation (M2M-Kommuni-kation) noch unbekannt. Aufgrund dieser Tatsachen konnte das CIM die Komplexität der Systeme zum damaligen Zeitpunkt nicht bewältigen, wodurch es nie zu einer Umsetzung kam (vgl. Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung IOSB 2012, S. 1).

Die zweite Entwicklungsstufe in Form der Lean Production kann als Zwischenschritt zwischen CIM und der intelligenten Fabrik verstanden werden und setzt sich aus einer Bündelung verschiedenster Prinzipien (bspw. Just-In-Time, Qualitätskontrollen, Flexibili-tät) zusammen. Ziel der Lean Production ist es, Produktionsfaktoren sparsam und effizient im Rahmen sämtlicher Unternehmensaktivitäten einzusetzen (vgl. Voigt 2015).

Abb. 3 Entwicklung des CIM bis zur Industrie 4.0 (vgl. Ahrens 2014, S. 13).