edmond hamilton - rueckkehr zu den sternen

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John Gordon, der Mensch aus dem 20. Jahrhundert, ist aus derfernen Zukunft zurückgekehrt. Seine ganze Sehnsucht gilt je-ner glanzvollen Zeit, da die Menschheit sich über den größtenTeil der Galaxis ausgebreitet hat und in der er seine Geliebtezurücklassen mußte: Prinzessin Lianna von Fomalhaut.

Seine galaktischen Freunde haben ihm versprochen, ihnwieder über 200 000 Jahre in die Zukunft zu holen, wenn dietechnischen Möglichkeiten dazu gegeben sind. Oder hat erdoch alles geträumt? War alles nur eine Fluchtphantasie?

Doch eines Tages ist es wieder soweit. Er hört einen Ruf ausder Zukunft.

Mit seinem Roman »The Star Kings« (»Die Sternenkönige« HEY-NE-BUCH Nr. 3774) hatte Edmond Hamilton so etwas wie einenSchlüsselroman für jugendliche Science Fiction-Fans geschrieben,der ihren Wunschträumen ideal entgegenkam und so zu einem dermeistgelesenen Romane der vierziger Jahre wurde. Hamilton wurdeimmer wieder gebeten, eine Fortsetzung zu »The Star Kings« zuschreiben. Nach dem selben bewährten Muster entstand »Return tothe Stars« ein weiterer, in sich abgeschlossener Roman mit den sel-ben Figuren und neuen galaktischen Abenteuern im Stil der SpaceOpera.

Die Ähnlichkeit mit Personen und Episoden in dem berühmten Film»Krieg der Sterne« (»Starwars«) von George Lucas ist keineswegszufällig. Leigh Brackett, die Witwe des 1977 verstorbenen Schrift-stellers und selbst SF-Autorin, schrieb mit am Drehbuch zu »Kriegder Sterne«.

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Vom gleichen Autor erschienen außerdemals Heyne-Taschenbücher

Die Heimat der Astronauten · Band 3032Die Sternenkönige · Band 3774

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EDMOND HAMILTON

RÜCKKEHR ZUDEN STERNEN

Ein klassischer Science Fiction-Roman

Deutsche Erstveröffentlichung der ungekürzten Fassung

Mit einem Nachwort von Thomas LeBlanc

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Dieses E-Book ist nicht zum Verkauf bestimmt!!

Page 5: Edmond Hamilton - Rueckkehr Zu Den Sternen

HEYNE-BUCH Nr. 3781im Wilhelm Heyne Verlag, München

Titel der amerikanischen Originalausgabe

RETURN TO THE STARS

Deutsche Übersetzung von Thomas LeBlancDie Illustrationen im Text sind von Giuseppe Festino

Redaktion: E. SenftbauerCopyright © 1964 & 1965 by Ziff-Davis Publications,

Inc., sowie 1968 & 1969 by Ultimate Publications, Inc.,Copyright © 1981 der deutschen Übersetzung by Wilhelm

Heyne Verlag, MünchenPrinted in Germany 1981

Umschlagbild: Eddie JonesUmschlaggestaltung: Atelier Heinrichs & Schütz, München

Gesamtherstellung: Mohndruck Graphische Betriebe GmbH,Gütersloh

ISBN 3-453-30682-1

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INHALT

I Die Sternenkönigreiche ...................................... 7

II Die Ufer der Unendlichkeit ................................ 77

III Der Sternenbruch ................................................ 142

IV Der Schrecken aus der Magellan'schen Wolke 210

Zur Edition – Nachwort: .................................... 282

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I

Die Sternenkönigreiche

1

Die Sprechstundenhilfe öffnete ihm die Innentür.»Wenn Sie bitte eintreten wollen, Mr. Gordon.«

»Danke«, sagte Gordon. Die Tür schloß sich sanfthinter ihm, gleichzeitig erhob sich ein Mann hintereinem kleinen Schreibtisch und kam auf ihn zu. Erwar ein großer Mann, überraschend jung und mit ei-ner frischen, freundlichen, kraftvollen Ausstrahlung.

»Mr. Gordon?« sagte er und streckte die Hand aus.»Ich bin Dr. Keogh.«

Gordon schüttelte ihm die Hand und ließ sich zueinem Sessel neben dem Schreibtisch führen. Er setztesich und schaute sich im Raum um, schaute in plötz-licher heftiger Verlegenheit überall hin, nur nicht inKeoghs Richtung.

Keogh fragte ruhig: »Haben Sie früher schon ein-mal einen Psychiater konsultiert?«

Gordon schüttelte den Kopf. »Ich hatte nie das Ge-fühl ... äh ... einen zu brauchen.«

»Wir haben alle einmal in unserem Leben Proble-me«, meinte Keogh. »Das ist nichts, dessen man sichschämen müßte. Das Wichtigste ist, zu erkennen, daßein Problem existiert. Dann, und nur dann, ist esmöglich, etwas dagegen zu tun.« Er lächelte. »SehenSie, Sie haben bereits den notwendigen ersten Schrittgetan. Von jetzt an dürfte es viel leichter sein. – Nun«,er studierte Gordons Karteikarte, die er in einer – wie

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es ihm schien – unnötigen Ausführlichkeit ausgefüllthatte.

»Sie sind in der Versicherungsbranche.«»Ja.«»Nach Ihrer Position in der Firma zu urteilen, müs-

sen Sie recht erfolgreich sein.«»Ich habe die letzten paar Jahre hart gearbeitet«,

sagte Gordon mit einer sonderbaren Stimme.»Mögen Sie Ihre Arbeit?«»Nicht besonders.«Keogh war für ein, zwei Augenblicke still und be-

trachtete stirnrunzelnd die Karteikarte. Gordonkämpfte einen aufkommenden Impuls nieder, zurTür zu laufen. Er wußte, daß er doch wieder zurück-kommen müßte. Er konnte dieses Problem nicht län-ger allein tragen. Er mußte Gewißheit haben.

»Ich sehe, daß Sie unverheiratet sind«, sagte Keogh.»Würden Sie mir erzählen, warum?«

»Das ist ein Teil des Grundes, weshalb ich herkam.Es gab da ein Mädchen ...« Er brach ab und sagtedann in heftiger Entschlossenheit: »Ich möchte her-ausfinden, ob ich Wahnvorstellungen gehabt habe.«

»Was für Wahnvorstellungen?« fragte Keogh ruhig.»Als es geschah«, sagte Gordon, »hatte ich keine

Zweifel. Es war real. Realer, lebendiger als alles, wasmir je vorher zugestoßen ist. Aber jetzt ... jetzt weißich es nicht mehr.« Er sah Keogh an, die Augen vollerSchmerz. »Ich will aufrichtig zu Ihnen sein. Ichmöchte diesen Traum nicht verlieren ... wenn es einTraum war. Er ist mir wertvoller als jede Realität.Aber ich weiß, daß wenn ... wenn ich ... oh, zur Höl-le!« Er sprang auf und lief im Zimmer herum, ziellos,die breiten stämmigen Schultern gebeugt und die

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Hände zu Fäusten geballt. Er sah aus wie ein Mann,der gerade von einer Klippe springen wollte, undKeogh wußte, daß Gordon genau dieser Mann war.Keogh saß ruhig da und wartete.

Gordon sagte: »Ich dachte, daß ich zu den Sternenflöge. Nicht heute, sondern in der Zukunft. Zwei-hunderttausend Jahre in der Zukunft. Ich werde Ih-nen alles in einem Brocken servieren, Doktor, unddann können Sie nach der Zwangsjacke rufen. Ichglaube, daß mein Geist durch die Zeit hindurch inden Körper eines anderen Mannes versetzt wurde,und für eine Zeitlang ... während ich meine eigeneIdentität behielt, verstehen Sie, meine eigenen Erinne-rungen als John Gordon der Erde des zwanzigstenJahrhunderts ... für eine Zeitlang lebte ich im Körpervon Zarth Arn, eines Prinzen des MittelgalaktischenReiches. Ich flog zu den Sternen ...«

Seine Stimme verlor sich. Er stand am Fenster, sahhinaus in den fallenden Regen und zu den Dächernund Mauern und Schornsteinen der Westlichen 64.Straße. Der Himmel war eine graue Leere, be-schmutzt mit Ruß.

»Ich hörte die Musik des Sonnenaufgangs«, sagteGordon, »die die Kristallgipfel über Throon an-stimmten, wenn Canopus sie zu wärmen kam. Ichfeierte mit den Sternenkönigen in der Halle der Ster-ne. Und zum Schluß führte ich die Flotten des Reichsgegen unsere Feinde an, die Männer von der Liga derDunkelwelten. Ich sah die Schiffe an den Grenzen desHerkules-Sternhaufens stehen wie schwärmendeLeuchtkäfer ...«

Er wandte sich nicht, um zu sehen, wie Keogh alldas aufnahm. Er hatte begonnen und wollte nicht

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aufhören, und in seiner Stimme fand sich Stolz undSehnsucht und die Qual des Verlusts.

»Ich habe den Orion-Nebel beschossen. Ich bin inder Wolke gewesen, wo die erstickten Sonnen imDunst der Dunkelheit brennen. Ich habe Menschengetötet, Doktor. Und in der letzten Schlacht habe ich...«

Er hielt inne, schüttelte den Kopf und drehte sichabrupt vom Fenster weg.

»Lassen wir das mal. Es gab mehr, viel mehr. Einganzes Universum, eine Sprache, Namen, Menschen,Kleidung, Orte, Einzelheiten. Könnte ich mir das alleseingebildet haben?«

Er blickte Keogh verzweifelt an.Keogh fragte: »Waren Sie glücklich in jenem Uni-

versum?«Gordon dachte darüber nach, sein eckiges ehrliches

Gesicht in sorgenvollen Falten zusammengekniffen.»Die meiste Zeit hatte ich Angst. Es gab Dinge ...« Ermachte eine vage Geste, die große Schwierigkeitenanzeigen sollte. »Ich war in ständiger Gefahr. Aber ...ja, ich denke, ich war glücklich dort.«

Keogh nickte. »Sie erwähnten ein Mädchen?«Gordon wandte sich wieder zum Fenster. »Ihr Na-

me war Lianna. Sie war eine Prinzessin des König-reichs Fomalhaut. Sie und Zarth Arn waren verlobt ...eine rein politische Angelegenheit, verstehen Sie,mehr sollte es nicht sein. Zarth Arn hatte schon einemorganatische Frau, doch ich, Gordon, in Zarth ArnsKörper – ich verliebte mich in Lianna.«

»Erwiderte sie Ihre Gefühle?«»Ja. Die Welt ging für mich unter, als ich sie verlas-

sen und hier in meine eigene Welt, meine eigene Zeit

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zurückkehren mußte ... Und hier liegt das, was allesso schwierig macht, Doktor. Ich hatte die Hoffnung,sie je wiederzusehen, aufgegeben, und da schien esmir, als spräche sie eines Nachts wieder zu mir, tele-pathisch durch die Zeit hindurch, und sagte mir, daßZarth Arn glaubte, er könnte einen Weg finden, michphysisch hinüberzubringen, in meinem eigenen Kör-per ...« Seine Stimme verlor sich wieder, und seineSchultern hingen herab. »Wie verrückt dieser Traumklingt, wenn ich ihn erzähle! Aber er machte diesesöde Leben für lange Zeit lebenswert: gerade dieHoffnung, zu wissen, daß ich eines Tages zurückkeh-ren würde. Aber natürlich geschah nichts. Und jetztweiß ich nicht, ob je irgend etwas wirklich geschehenist.«

Er ging zu seinem Sessel zurück, setzte sich hineinund fühlte sich seltsam erschöpft und leer.

»Ich habe das nie irgend jemandem vorher erzählt.Daß ich es jetzt getan habe, ist wie ... es ist, wie wennich etwas getötet hätte oder einen Teil von mir selbstgetötet hätte. Aber ich kann nicht weiter zwischenzwei Welten leben. Wenn jene Welt der Zukunft eineHalluzination war und diese hier die Wirklichkeit,die einzige Wirklichkeit ist, dann muß ich das akzep-tieren.«

Er saß da und grübelte. Nun war es an Keogh, auf-zustehen und umherzugehen. Er wandte den Kopfein-, zweimal, um Gordon kurz anzuschauen, als ober Schwierigkeiten hätte, einen Angriffspunkt zu fin-den. Dann entschloß er sich.

»Nun«, sagte er munter, »schauen wir uns einmaldas verfügbare Material an.« Er warf einen kurzenBlick auf einige hingeworfene Notizen auf seinem

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Schreibtisch. »Sie sagen, daß Ihr Geist durch die Zeithindurch in den Körper eines anderen Menschen ge-sandt worden ist.«

»Richtig. Zarth Arn war Wissenschaftler und auchein Adliger. Er hatte die Methode und die Ausrü-stung vervollkommnet. Der Austausch wurde vonseinem Laboratorium aus bewerkstelligt.«

»Sehr schön. Was geschah denn nun mit Ihrem ei-genen Körper, hier in unserer Zeit auf der Erde, wäh-rend Ihr Geist ihn verlassen hatte?«

Gordon blickte ihn an. »Ich sprach von einem Aus-tausch. Das war der Zweck der ganzen Sache. ZarthArn wollte die Vergangenheit erforschen. Er hatte dasschon viele Male vorher getan. Nur in meinem Fallverwickelten sich die Dinge.«

»Dann bewohnte dieser ... äh ... Zarth Arn tatsäch-lich Ihren Körper?«

»Ja.«»Nahm Ihren Arbeitsplatz ein, machte Ihre Ar-

beit?«»Nein. Als ich zurückkam, meinte mein Chef, er

wäre glücklich, daß ich von meiner Krankheit wiedergenesen wäre. Offensichtlich hatte Zarth Arn dieseEntschuldigung gegeben. Ich nehme an, daß er dasRisiko, nichtwiedergutzumachende Schnitzer zu ma-chen, nicht auf sich hatte nehmen wollen. Ich hattenicht diese Wahl.«

»Ich beglückwünsche Sie zu Ihrem äußerst logi-schen Verstand, Mr. Gordon«, sagte Keogh. »Aber esgibt dennoch keinen Beweis, keinen körperlichenBeweis, daß dieser Geistesaustausch tatsächlich statt-gefunden hat?«

»Nein«, gab Gordon zu. »Nicht den geringsten.

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Wie wäre das auch möglich! Aber was meinen Sie mitmeinem logischen Verstand?«

»Sie haben alle Lücken so sorgfältig gestopft«, lä-chelte Keogh. »Sie haben eine prächtige Fantasie, Mr.Gordon. Nur wenige Menschen sind mit solch reicherFantasie gesegnet.« Er fügte ernsthaft hinzu: »Ich ver-stehe, was für einen strengen Verstand es gebrauchthaben muß, um Sie hierherzubringen. Ich denke, wirwerden gut zusammenarbeiten, Mr. Gordon, dennich glaube, Sie haben bereits unterbewußt erkannt,daß Ihre Träume über Sternenkönigreiche und Ster-nennebel und schöne Prinzessinnen nur der VersuchIhres Geistes waren, einer Welt zu entkommen, dieSie unerträglich eintönig und stumpfsinnig fanden.Öde, glaube ich, war Ihr Ausdruck. Nun, das brauchtArbeit und Zeit, und vielleicht wird es einigeschmerzvolle Augenblicke geben, aber ich denkenicht, daß es etwas gibt, weswegen Sie sich Sorgenmachen müßten. Die Tatsache, daß Sie einen langenZeitabschnitt hindurch kein Wiederkommen desTraums erlebt haben, ist ein Zeichen der Besserung.Ich würde Sie gern, wenn möglich, zweimal die Wo-che sehen.«

»Das kann ich so einrichten.«»Gut. Miss Finlay wird die Termine mit Ihnen ab-

stimmen. Und hier ist meine Privatnummer.« Er gabGordon eine Karte. »Wenn Ihnen zu irgendeiner Zeitetwas zustößt, rufen Sie mich bitte an – ganz gleich,wie spät es ist.«

Er schüttelte Gordon herzlich die Hand, und einigeMinuten später fand sich Gordon auf der Straße wie-der, wie er durch den Regen lief und nichts fühlte au-ßer einer völligen Verlorenheit. Er wußte, daß Keogh

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recht hatte, daß er recht haben mußte. Er wußte, daßer sich schon fast mit dieser Tatsache abgefundenhatte und nur noch jemanden brauchte, der den letz-ten Anstoß gab. Doch schon die Tat, all das in Wortezu kleiden, hatte irgendwie die Grausamkeit einesChirurgenmessers, das eine zwar notwendige undhumane Operation durchführte, aber das ohne Be-täubung tat.

Und all das war ihm so real erschienen, schien ihmweiterhin so real ...

Hart drängte er aus seinem Gedächtnis und seinemHerzen den Klang von Liannas Stimme, das schöneBild ihres Gesichts, die Erinnerung an ihre Lippen.

In seiner Praxis sprach Keogh schnell in sein Dik-tiergerät, brachte all das, was Gordon ihm erzählthatte, zu Band, während es noch frisch war, undschüttelte dabei den Kopf voller Erstaunen. Dieser Fallwürde buchstäblich in die Literatur eingehen.

Zweimal in der Woche besuchte daraufhin GordonKeogh, beantwortete seine Fragen, erzählte ihm mehrund mehr von seinem Traum, und unter Keoghs ge-schickter Anleitung lernte er, alles objektiv zu be-trachten. Es gelang ihm, die zugrundeliegenden Mo-tive zu verstehen ... Stumpfsinn in einem Beruf, derihn nicht genügend forderte, das Sehnen nach Ruhmund Aufstieg, das Sehnen nach Macht, der Wunsch,die Welt für ihre Enttäuschungen und ihr Versagen,ihn richtig zu würdigen, zu bestrafen. Bei diesemletzten Punkt war Keogh besonders beeindruckt, umnicht zu sagen bestürzt, von Gordons Beschreibungdes Disruptors, einer Waffe von unglaublicher Macht,die Gordon, als Zarth Arn, in der großen Schlacht ge-gen die Liga bedient hatte.

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»Sie haben einen Teil des Raums vernichtet?«fragte Keogh und schüttelte den Kopf. »Sie habenwirklich machtvolle Wünsche. Glücklicherweise er-füllte sich dieser nur in Ihrem Traum.«

Lianna war von allem am leichtesten zu erklären.Sie war das Traum-Mädchen, die Unerreichbare, undwährend er seine Gefühle auf sie übertrug, war ervon der Notwendigkeit befreit, nach einer wirklichenFrau, die um ihn war, zu suchen und um sie zu wer-ben. Keogh zeigte ihm auf, daß er Angst vor Frauenhatte. Gordon hatte zwar empfunden, daß er nur vonihnen gelangweilt wurde, aber er nahm an, Keoghkannte sein Unterbewußtsein besser als er. Deshalbstritt er nicht mit ihm darüber.

Und beständig, Woche für Woche, verblaßte derTraum.

Keogh war persönlich entzückt von dem ganzenFall. Er mochte Gordon, der sich als ein einzigartigkooperativer Patient erwiesen hatte. Und er hatte eineMenge Material gewonnen, das lange Zeit für Stu-dienschriften und hervorragende Vorlesungen rei-chen würde.

Schließlich sagte Keogh an einem linden Nachmit-tag im Mai, als die Sonne freundlich von einemHimmel voller Wolkenflecken herabschien, zu Gor-don:

»Wir haben gewaltige Fortschritte gemacht. Ich binsehr zufrieden. Und ich werde Sie Ihre Flügel jetzt ei-ne Weile allein schwingen lassen. Kommen Sie in dreiWochen wieder, und sagen Sie mir, wie es läuft.«

Sie tranken einen Schluck zusammen, und danachgönnte sich Gordon ein verschwenderisches Abend-essen, ging in eine Show und sagte sich andauernd

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selbst, wie glücklich er war. Als er spät in der Nachtheim in sein Apartment spazierte, glühten die Sterneüber den Lichtern der Stadt. Er vermied es geflissent-lich, zu ihnen hinaufzusehen.

Er ging zu Bett.Um viertel vor drei klingelte Keoghs Telefon und

rüttelte ihn aus dem Schlaf. Er meldete sich und warsofort hellwach. »Gordon! Was ist?«

Gordons Stimme war wild und aufgewühlt. »Es istalles wiedergekommen. Zarth Arn. Er sprach mit mir.Er sagte – er sagte, er wäre jetzt bereit, mich hinüber-zubringen. Er sagte, daß Lianna warten würde. Dok-tor – Doktor ...!«

Die Stimme brach ab. »Gordon!« rief Keogh, doch eskam keine Antwort. »Halten Sie aus«, sprach er in diesummende Leitung. »Keine Panik! Ich bin gleich da.«

Er war in fünfzehn Minuten dort. Die Tür zu Gor-dons Apartment war verschlossen, aber er weckteden Verwalter, der sie widerwillig öffnete, nachdemer Keoghs Ausweise geprüft hatte. Das Zimmer warleer und still. Der Telefonhörer pendelte an seinerSchnur, wie wenn er mitten im Gespräch fallengelas-sen worden wäre. Geistesabwesend legte Keogh ihnauf.

Er blieb einen Augenblick gedankenvoll stehen. Erbesaß keinen Zweifel darüber, was geschehen war.Gordon war nicht fähig gewesen, den Verlust seinerglitzernden Wahnvorstellung, seines Traumes zu er-tragen, deshalb war Gordon davongelaufen, seinemPsychiater und der Realität davongelaufen. Natürlichwürde er zurückkehren, aber dann mußte die ganzeArbeit wieder getan werden ... Keogh seufzte, schüt-telte den Kopf und ging hinaus.

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2

Nur langsam kehrte zu Gordon das Bewußtsein zu-rück. Er hatte zunächst eine verworrene Erinnerungan Angst, Entsetzen und an eine Panik, die seine Ein-geweide verdrehte und sein Gehirn zertrümmerte –was alles irgendwie mit dem Gefühl des Fallens di-rekt aus der Welt hinaus in einen Zustand des Nicht-Seins verbunden war. Er dachte, daß er sich selbstschreien hören könnte, und er wunderte sich sehr,warum Keogh nichts hörte und nicht kam, um ihn zuretten. Dann hörte er andere Stimmen: bekannte, un-bekannte, weit weg. Eine Flüssigkeit glitt kühl durchseine Kehle und explodierte in weißem Feuer in sei-nem Magen. Er öffnete die Augen. Vor ihm war einleerer Lichtfirnis, aus dem allmählich Bilder auf-tauchten. Große Objekte: Wände und Fenster undMöbel. Kleine Objekte in Handreichweite, die sichüber ihn beugten.

Gesichter.Zwei Gesichter. Eines war nur irgendein Gesicht,

männlich, gespannt, besorgt. Das andere war sein ei-genes Gesicht ...

Nein. Einen Augenblick mal! Sein eigenes Gesichtwar kantig und hatte blaue Augen und braunes Haar,und dieses Gesicht über ihm hatte dunkle Augen undwar adlerartig, deshalb konnte es kaum sein eigenessein. Und dazu noch ...

»Gordon, Gordon«, sagte das Gesicht.Das andere Gesicht meinte: »Einen Augenblick,

Hoheit.« Gordon fühlte, wie sein Kopf angehobenwurde. Eine Hand, die ein Glas hielt, tauchte aus dem

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Nebel auf. Gordon trank automatisch. Und wiederfand eine Explosion eines weißen Feuers in ihm statt,sehr angenehm und belebend. Der Nebel begann sichzu klären.

Er sah hinauf in das dunkle, noble Gesicht undsagte nach einem Augenblick: »Zarth Arn.«

Starke Hände packten ihn. »Gott sei Dank. Ich be-kam schon Angst. Nein, versuche noch nicht aufzu-stehen. Bleib still liegen! Du hattest ziemlich lange ei-nen Schock, kein Wunder, wenn die Atome deinesKörpers quer durch die Zeitdimension gereist sind.Aber es ist nun alles vorbei. Nach all diesen Jahrender Arbeit endlich Erfolg!« Zarth Arn lächelte. »Hastdu gedacht, ich hätte dich vergessen?«

»Ich dachte ...«, meinte Gordon und schloß seineAugen. Keogh. Keogh, dachte er, ich brauche Sie! Binich wahrhaftig verrückt und träume? Oder ist daswirklich?

Wirklich, wie ich es die ganze Zeit wußte, wie ichdieses Wissen niemals aufgab – trotz all Ihrer sorg-fältigen Logik!

Wirklich.Er kämpfte sich in sitzende Stellung, und sie ließen

ihn. Er schaute sich im Laboratorium um. Es war ge-nauso wie das erste Mal, als er es gesehen hatte, au-ßer daß einige neue und komplizierte Apparate in-stalliert worden waren: eine Tafel mit unbegreiflichenKontrollen auf der einen Seite, und in der Mitte einhohes Gebilde wie ein auf das Kopfende gestellterGlassarg, das zwischen zwei Kraftfeldern schwebte –nichts, was Gordon kannte. Ungeheuer breite Kabelschlängelten sich aus dem Raum, vermutlich zu ei-nem Generator außerhalb.

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Der Raum war achteckig und hatte hohe Fenster anjeder Seite. Durch sie ergoß sich das klare und strah-lende Sonnenlicht großer Höhen, und durch siekonnte Gordon die mächtigen Gipfel des Himalayasehen. Die alte Erde war noch vorhanden, da drau-ßen.

Er schaute hinunter auf seine Hände, auf seinenvertrauten Körper. Er fühlte die Festigkeit des gepol-sterten Tisches, auf dem er saß, das Gewebe der La-ken, die Luftbewegung über seinem nackten Rücken.Er streckte sich aus und packte Zarth Arn an. Kno-chen und Muskeln, Fleisch und Blut, warm und le-bendig.

»Wo ist Lianna?« fragte Gordon.»Sie wartet.« Sein Nicken zeigte, daß sie in der Nä-

he war, in einem anderen Zimmer. »Sie wollte hierbei uns sein, aber wir hielten es für besser so. Sobalddu dich stark genug fühlst ...«

Gordons Herz hämmerte. Wirklichkeit oder Traum,Gesundheit oder Irrsinn, was machte es aus! Er lebtewieder, und Lianna wartete. Er stand auf und lachte,als Zarth Arn und der andere Mann ihn ergriffen undseine einknickenden Knie abstützten. »Es hat langegedauert«, meinte er zu Zarth Arn. »Ich bin ein wenigdurcheinander. Aber jetzt ist alles in Ordnung. Wasauch immer es ist, ich werde mich dafür entscheiden.– Wie wäre es mit einer weiteren Unterstützungdurch dieses Höllenfeuer und mit einigen Kleidern?«

Zarth Arn blickte den anderen Mann an. »Wie ist esdamit, Lex Vel? Gordon, das ist Vel Quens Sohn. Erhat bei mir seines Vaters Platz eingenommen. Wennes ihn nicht gegeben hätte, dann hätte ich die unlösli-chen Probleme nicht lösen können, die uns beide ver-

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rückt gemacht haben, seit du in deine eigene Zeit zu-rückgekehrt bist.«

»Warum bescheiden sein«, sagte Lex Vel. »Es istwahr.« Er schüttelte grinsend Gordons Hand. »Unddie Antwort ist nein, noch nicht. Ruhen Sie noch eineWeile aus, und dann werden wir über Kleider reden.«

Gordon legte sich widerstrebend wieder hin. ZarthArn meinte: »Du wirst in Throon sehr willkommensein, wenn du dorthin kommst, Gordon. Mein BruderJhal ist einer der wenigen, der die ganze Geschichtekennt und der weiß, was du für uns getan hast. Wirkönnen dir das wirklich niemals vergelten, aber den-ke nicht, daß wir es vergessen haben.«

Während er dalag, erinnerte sich Gordon an denTag, als Jhal Arn, der Herrscher des Reichs an derStelle seines ermordeten Vaters, selbst durch einenFast-Attentäter niedergestreckt worden war und dieriesige Bürde der Vertretung und Verteidigung desReichs auf seinen, Gordons, völlig unzulänglichenSchultern ließ. Mit der Gunst des Himmels und rei-nem Narrenglück hatte er alles gemeistert.

Er lächelte und sagte: »Danke.« Dann schlief er un-erwartet für eine Weile.

Als er erwachte, war das Sonnenlicht trüber, dieSchatten der hohen Gipfel waren länger. Er fühltesich frisch und ausgeruht. Zarth Arn war nicht da,aber Lex Vel unterzog ihn einer Untersuchung, nickteund deutete auf einige Kleider, die über einen Sesselgehängt waren. Gordon erhob sich und zog sich an,er fühlte sich zuerst noch wacklig, aber entdeckteschnell seine Kräfte wieder. Der Anzug war von derseidenen Art, an die er sich erinnerte: ein ärmellosesHemd und Hosen in einem leichten Kupferton mit

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einem Umhang vom gleichen Material. Er stand voreinem Spiegel, um den Umhang zu richten, der beiZarth Arn natürlich und passend ausgesehen hatte,der ihn dagegen jetzt lächeln ließ und ihm das Gefühlgab, wie wenn er für einen Kostümball angezogenwäre.

Und dann traf es ihn wie ein Blitzschlag.Lianna hatte ihn nie gesehen. Sie hatte sich in ihn

als Zarth Arn verliebt, sicherlich einen anderen ZarthArn, und sie hatte später verstanden, daß die Person,die sie liebte, John Gordon von der Erde war. Aberwürde sie ihn immer noch lieben, wenn sie seinemtatsächlichen Körper gegenüberstand? Oder würdesie enttäuscht sein, würde sie ihn unscheinbar undlangweilig aussehend finden, vielleicht sogar absto-ßend?

Gordon drehte sich nach Lex Vel um und sagteverzweifelt: »Ich brauche doch noch etwas mehr vondiesem Stimulans ...«

Lex Vel sah ihm kurz ins Gesicht und brachte ihmschnell ein Glas. Gordon trank es aus, da kam ZarthArn herein und eilte auf ihn zu.

»Was ist los?«»Ich weiß nicht«, sagte Lex Vel. »Er schien in Ord-

nung, und dann plötzlich ...«»Vielleicht kann ich es mir denken«, meinte Zarth

Arn sacht. »Es ist Lianna, nicht wahr?«Gordon nickte. »Mir ist plötzlich eingefallen, daß

sie mich zum ersten Mal sehen wird ... einen völligFremden.«

»Sie ist weitgehend vorbereitet. Denk daran, ichhabe dich ihr beschreiben können, und sie hat michschließlich zehntausendmal gebeten, es zu tun.« Er

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legte seine Hand auf Gordons Schulter. »Es wird beiihr eine Weile dauern, bis sie sich an die Verwand-lung gewöhnt hat, Gordon, aber hab Geduld mit ihrund zweifle nicht an ihren Gefühlen für dich. Sie hatviel zuviel Zeit hier verbracht, fern von ihrem König-reich. Viel Zeit, in der sie hätte zu Hause sein undsich um die Staatsangelegenheiten kümmern müssen,war sie statt dessen hier und wartete auf den Tag, andem wir ihr sagen konnten, daß wir bereit waren, eszu versuchen.« Zarth Arn schüttelte den Kopf, undseine Augen waren ernst. »Sie hat wiederholte Bot-schaften von Fomalhaut ignoriert, und natürlichwollte sie nicht auf mich hören. Nun, da du hier si-cher angekommen bist, hoffe ich, daß sie auf dich hö-ren wird. Sag es ihr, Gordon. Sag ihr, daß sie nachHause fliegen muß.«

»Gibt es Schwierigkeiten?«»Es gibt immer Schwierigkeiten, wenn das Staats-

oberhaupt sich nicht um seine Amtsgeschäfte küm-mert«, sagte Zarth Arn. »Wie viel und wie ernst es ist,weiß ich nicht, weil sie es mir nicht gesagt hat. Aberdie Botschaften von Fomalhaut waren zuerst mitDRINGEND bezeichnet. Nun sind sie UNBEDINGT.Du wirst es ihr sagen?«

»Natürlich«, sagte Gordon, in diesem Augenblickeher erfreut, daß er etwas außer sich selbst hatte,weswegen er sich sorgen mußte.

»Gut«, meinte Zarth Arn und nahm ihn beim Arm.»Kopf hoch, Freund. Denk daran, ich habe dich be-schrieben. Sie erwartet keinen Apollo.«

Er sah Gordon auf eine Weise an, daß dieser flüch-tig grinsen mußte. »Mein Freund«, sagte er, »tausendDank.«

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Zarth Arn lachte und führte ihn hinaus. Doch Gor-don hatte immer noch Angst.

Sie wartete auf ihn in einem kleinen Raum, der nachSonnenuntergang zeigte. Hinter den Fenstern nah-men die Schneegipfel das Licht auf und flammten ineinem herrlichen, heißen Gold, und unter ihnen wa-ren die Felsschluchten mit purpurfarbenem Schattenangefüllt. Zarth Arn verließ Gordon in der Tür, unddie beiden waren allein. Es war still. Sie drehte sichvom Fenster weg, um ihn anzusehen, und er bliebstehen, wo er war – ängstlich, sich zu bewegen undzu sprechen. Sie war so liebreizend, wie er sie in Er-innerung hatte: groß und schlank und anmutig, mitaschblondem Haar und klaren, blauen Augen. Undnun wußte Gordon endlich und ein für alle Mal, daßdas wahr war und kein Traum, denn kein Menschkonnte sich einbilden, was er in seinem Herzen fühlte.

»Lianna«, flüsterte er. Und wieder: »Lianna ...«»Du bist John Gordon.« Sie kam auf ihn zu, ihre

Augen suchten sein Gesicht ab wie nach einem win-zigen Eckchen, das ihr vertraut war und an dem sieihn erkennen könnte. Er wollte sie in seine Armenehmen, sie festhalten und anfassen und sie küssenmit all dem angesammelten Hunger seiner einsamenJahre – aber er wagte es nicht. Er konnte nur starr undelend dastehen, während sie suchend näherkam unddann stehenblieb. Ihr Blick senkte sich und sie drehtesich ein wenig zur Seite, ihr roter Mund wirkte unsi-cher.

»Ist der Schock so groß?« fragte Gordon.»Zarth Arn hat sehr genau berichtet, wie du aus-

siehst.«

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»Und du findest mich ...«»Nein«, entgegnete sie schnell und drehte sich, um

seinem Blick wieder zu begegnen. »Bitte denk dasnicht.« Sie lächelte zitternd. »Wenn ich dir zum erstenMal begegnet wäre ... ich meine, wirklich zum erstenMal, würde ich dich für einen sehr anziehendenMann halten.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich meine,ich finde dich anziehend. Das ist es also nicht. Es istnur, daß ich dich noch einmal ganz neu kennenlernenmuß. Das«, fügte sie hinzu, und ihre Augen sahenfest in seine, »wenn du immer noch für mich empfin-dest wie damals.«

»Das tue ich«, sagte er. »Das tue ich«, und er legteseine Hand auf ihre Schulter.

Sie entzog sich ihm nicht, aber ebenso überließ siesich ihm auch nicht. Sie lächelte nur unsicher undwiederholte ihm Zarth Arns Worte: »Hab Geduld mitmir.«

Er nahm seine Hände weg und sagte: »Das werdeich.« Er versuchte dabei die Spur von Bitterkeit ausseiner Stimme herauszuhalten.

Er ging zum Fenster hinüber. Die flammenden Gip-fel hatten sich verdunkelt, und die Schneefelder ver-färbten sich in reines Blau, als die ersten Sterne denHimmel punktierten. Er fühlte sich so kalt und leerund verloren wie der Wind, der durch diesen Schneestreifte.

»Zarth Arn berichtete mir, daß du Schwierigkeitenzu Hause hast.«

Sie schob es beiseite. »Nichts Wichtiges. Er möchte,daß du mir sagst, daß ich nach Hause fliegen soll,nicht wahr?«

»Ja.«

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»Das werde ich morgen auch tun – unter einer Be-dingung.« Sie war wieder dicht neben ihm, der Restdes Tageslichts zeigte ihr Gesicht blaß und klar wieeinen gemeißelten Stein in der Dämmerung. »Dumußt mit mir kommen.«

Er sah sie an, und sie berührte seinen Arm. »Ichhabe dich verletzt«, sagte sie sanft. »Und ich habe esnicht beabsichtigt, ich habe es nicht gewollt. Kannstdu mir verzeihen?«

»Natürlich, Lianna.«»Dann komm mit mir. Ein wenig Zeit, John Gordon

– das ist alles, was ich brauche.«»In Ordnung«, antwortete er. »Ich werde mitkom-

men.« Ich werde mitkommen, dachte er wild, undwenn ich erneut um dich werben und dich wiedergewinnen muß, und ich werde es so gut, so ver-dammt gut tun, daß du vergessen wirst, daß es je eineZeit gegeben hat, in der ich wie jemand anderer aus-gesehen habe.

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3

Der königliche Sternenkreuzer mit der glitzerndenweißen Sonne von Fomalhaut auf seinem Bug erhobsich vom Sternenhafen, hinter dem die größte Stadtder neuen Erde lag. Es war eine Stadt mit viel freiemRaum und voll erhebender Schönheit. Angestrahlte,mit Ringen besetzte Türme ragten an den Kreuzun-gen des Straßennetzes empor. Die irdischen Nahver-kehrsflugzeuge strömten durch den gelben Sonnen-schein hinab und glitten wie Vögel dahin, die sich aufden Landeplattformen der Türme niederhockten. Siewar nicht wie die Städte, die Gordon kannte.

Das Sternenschiff ließ all das hinter sich undtauchte wieder in sein wahres Element ein, die düste-ren gezeitenlosen Meere des Raums, die sich so tiefzwischen den Sonneninseln erstreckten. Der gelbeFunke Sol und der alte, grüne Planet, von dem ausdie menschliche Rasse sich über ein Universum aus-gebreitet hatte, fielen zurück in die Dunkelheit.

Nun erstrahlten die aufgereihten Sterne wiedereinmal vor Gordon in all ihrer nackten Pracht. KeinWunder, dachte er, daß er von den beengten Hori-zonten der Erde des zwanzigsten Jahrhunderts er-stickt worden war, nachdem er einmal diese Großar-tigkeit gesehen hatte.

Über das breite Gewebe der Galaxis waren die Na-tionen der Sternenkönige in vielfarbigem Feuer mar-kiert, in karmesin und gold und smaragdgrün, blauund violett und diamantweiß ... die Königreiche derLeier, des Schwans, der Cassiopeia, des Polarsternsund des Hauptsterns des Mittelgalaktischen Reiches

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unter Canopus. Der Herkules-Sternhaufen loderte mitseinen Baronien der Sonnenschwärme. Im Süden, alsder Kreuzer die Richtung westwärts nach Fomalhauteinschlug, streckte der Orion-Nebel seine Strahlenspi-rale über das Firmament. Weit im Norden lag derschwarze Fleck der Wolke, wo das erstickte Thallarnanun in Frieden lag.

Einmal, als der Kreuzer seinen Kurs änderte, umeine Bank mit Sternendrift zu umfliegen, sichteteGordon die Magellan'schen Wolken, die immer nochunbekannten und unerforschten Sternenwolken, diewie küstennahe Inseln im intergalaktischen Abgrundlagen. Er erinnerte sich, daß es einstmals eine Invasi-on der fremden Magellanier in das ganz junge Reichgegeben hatte, eine Invasion, die für alle Zeiten durcheinen Ahnen von Zarth Arn zermalmt worden war,der zum ersten Mal jene schreckliche geheime Waffedes Reichs angewandt hatte: jene Waffe, die Dis-ruptor genannt wurde.

Gordon dachte an Keogh und seine detailliertepsychologische Erklärung dessen, was er ›die Dis-ruptor-Fantasie‹ nannte. Er lächelte und schüttelteden Kopf. Schade, daß Keogh nicht mit ihm hier war.Keogh konnte den Kreuzer als ein Mutterleib-Symboldeuten, und er konnte Lianna als das unerreichbareTraum-Mädchen deuten und Gordons Romanze mitihr als Wunsch nach Erfüllung. Aber er hätte gerngewußt, wie Keogh Korkhann deuten würde, LiannasMinister für Nichtmenschliche Angelegenheiten.

Seine erste Begegnung mit Korkhann, die in derNacht vor dem Start stattfand, war ein Schock für Gor-don gewesen. Er hatte gewußt, daß es nichtmenschli-che Einwohner in den Sternenkönigreichen gab, und

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er hatte auch schon einige von ihnen gesehen, kurzund mehr oder weniger entfernt, aber das war das er-ste Mal, daß er tatsächlich einem von Angesicht zuAngesicht begegnete.

Korkhann war auf Krens geboren, einem Sternen-system an den entfernten Grenzen des KönigreichsFomalhaut. Von dort, so sagte Korkhann, konnte manquer über die weite Wildnis der Mark des ÄußerenRaums schauen, wie wenn man unsicher auf derletzten dünnen Kante der Zivilisation thronte.

»Die Grafen der Mark«, hatte Zarth Arn Gordonerklärt, »sind mit dem Reich verbunden, wie du dicherinnerst. Aber sie sind ein wilder Haufen und offen-sichtlich entschlossen, das auch zu bleiben. Sie sagen,daß ihr Lehnseid nicht das Öffnen ihrer Grenzen fürSchiffe des Reichs einschließt, und sie weigern sich,das zu tun. Mein Bruder meint oft, daß wir besserdaran wären, die Grafen zu Feinden als zu Freundenzu haben.«

»Deren Zeit wird auch kommen«, sagte Korkhann.»Aber jetzt liegen meine unmittelbaren Probleme nä-her der Heimat.« Dabei hatte er seinen ernsten, gel-ben Blick auf Lianna gerichtet, die ihre Hand aus-streckte und sie liebevoll auf seine glatten, grauenFedern legte.

»Ich bin eine Plage für Sie gewesen«, sagte sie unddrehte sich zu Gordon um. »Korkhann kam mit mirhierher, und er ist fast ständig über Stereokommuni-kator mit Fomalhaut in Verbindung gewesen, wobeier sein Bestes getan hat, sich mit allen Angelegenhei-ten aus dieser weiten Entfernung zu befassen.«

Und Korkhann wandte seine runden, lidlosen Au-gen und seine schnabelförmige Nase Gordon zu und

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sprach in seiner grell pfeifenden Stimme: »Ich binglücklich, daß Sie nun endlich sicher hier angekom-men sind, John Gordon, solange Ihre Hoheit noch einKönigreich besitzt, in das sie heimkehren kann.«

Lianna hatte das auf die leichte Schulter genom-men, und Gordon war noch verwirrt von dieserplötzlichen Konfrontation mit einem anderthalb Me-ter hohen Wesen, das aufrecht ging, das voller Stolzin seine eigenen Federn gekleidet war, das die demEnglischen entstammende Sprache des Reichs sprachund das würdevoll mit seinen langen Klauenfingern,die an den Enden seiner fluguntüchtigen Schwingensaßen, gestikulierte. Aber jetzt auf der Reise erinnertesich Gordon daran.

Sie drei befanden sich allein in dem kleinen, aberverschwenderisch ausgestatteten Salon des Kreuzers,und Gordon wartete schon auf die Stunde, da Kork-hann sein unglaublich kompliziertes Schachspiel mitLianna beenden und sich in seine eigene Kabine zu-rückziehen würde. Er saß da und gab vor, ein Vide-oband aus der Bibliothek des Kreuzers anzusehen,betrachtete aber heimlich Lianna, wie sie ihren Kopfüber das Brett neigte, dachte daran, wie hübsch siewar, und blickte dann zu Korkhann und versuchte,die heftige innere Übelkeit zu ersticken, gegen die erseit ihrer ersten Begegnung angekämpft hatte. Plötz-lich sagte er: »Korkhann ...«

Der lange schlanke Kopf wandte sich und ließ dieHalsfedern sich verschieben und im Lampenlichtglänzen. »Ja?«

»Korkhann, was meinten Sie, als Sie sagten, Sie wärenglücklich, daß ich gekommen bin, solange Lianna nochein Königreich besitzt, in das sie heimkehren kann?«

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Lianna sagte ungeduldig: »Es besteht keine Not-wendigkeit, sich mit all dem jetzt eingehend zu befas-sen. Korkhann ist ein loyaler Freund und ein ergebe-ner Minister, aber er macht sich zu viele Sorgen ...«

»Hoheit«, erwiderte Korkhann sanft. »Es hat nie jedie kleinste Falschheit zwischen uns gegeben, unddas hier würde ein schlechter Augenblick sein, umdamit zu beginnen. Sie sind genauso sehr wie ichüber Narath Teyn beunruhigt, aber wegen einer an-deren Sache haben Sie diese Sorge beiseitegeschoben– und um Ihr Gewissen zu beruhigen, müssen Sieverleugnen, daß es etwas gibt, deswegen man sichsorgen müßte.«

Gordon dachte: Er klingt genauso wie Keogh. Under wartete auf die Explosion.

Liannas Mund öffnete sich, und ihre Augen blick-ten stürmisch. Sie erhob sich und sah dabei auf eineWeise gebieterisch aus, an die Gordon sich noch guterinnern konnte. Aber Korkhann blieb weiterhin sit-zen und ertrug ihren ärgerlichen Blick ruhig.

Abrupt wandte sie sich ab.»Sie machen mich wütend«, sagte sie, »also ist das,

was Sie sagen, vermutlich wahr. Nun gut also. Er-zählen Sie es ihm.«

»Wer«, fragte Gordon, »ist Narath Teyn?«»Liannas Vetter«, antwortete Korkhann. »Er ist au-

ßerdem der mutmaßliche Erbe der Krone von Fomal-haut.«

»Aber ich dachte, Lianna ...«»Ist die rechtmäßige und unbezweifelte Herrsche-

rin. Ja. Aber es muß stets einen Nächsten in derThronfolge geben. Wieviel wissen Sie über das Kö-nigreich, John Gordon?«

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Er deutete auf das Band. »Ich habe das studiert,aber ich habe nicht die Zeit gehabt, um genügend zulernen.« Er blickte Korkhann stirnrunzelnd an. »Ichwundere mich, warum das den Minister für Nicht-menschliche Angelegenheiten berührt.«

Korkhann nickte und erhob sich von dem verges-senen Schachspiel. »Ich kann Ihnen das zeigen.« Erdunkelte die Lichter ab und berührte einen Wand-knopf. Eine Täfelung glitt zurück und enthüllte einedreidimensionale Karte des Königreichs Fomalhaut,ein Schauer von winzigen Sonnen in der simuliertenSchwärze des Raums, beherrscht von dem weißenStern, der diesem Gebiet seinen Namen gab.

»Es gibt viele nichtmenschliche Rassen in der Gala-xis«, erläuterte Korkhann. »Einige sind intelligentund zivilisiert, einige sind auf der Stufe von Tieren,einige erleben gerade den Übergang vom einen zumanderen, einige werden das nie erleben. In den frühenTagen hat es einige unglückliche Zusammenstöße ge-geben, nicht ohne Grund auf beiden Seiten. – Sie fin-den mich abstoßend ...«

Gordon fuhr auf, dabei merkte er, daß Lianna sichumgedreht hatte, um ihn anzusehen.

Er fühlte sein Gesicht heiß anlaufen und sagte mitunnötiger Schärfe:

»Was hat Ihnen diesen Gedanken eingegeben?«»Verzeihen Sie mir«, bat Korkhann. »Sie waren

sehr darauf bedacht, höflich zu sein, und ich möchteSie nicht beleidigen, besonders weil ich verstehe, daßIhre Reaktion eine rein instinktive ist.«

»Korkhann ist Telepath«, erklärte Lianna, und siefügte hinzu: »Eine Menge der Nichtmenschlichensind es, deshalb – wenn das wahr ist, was er sagt –

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solltest du, John Gordon, diesen Instinkt besserüberwinden.«

»Sehen Sie«, meinte Korkhann, »gut über die Hälfteder Welten unseres Königreichs sind nichtmenschli-che.« Seine schnellen Klauenfinger zeigten sie: diewinzigen Sonnensysteme mit ihren staubkorngroßenPlaneten. »Auf der anderen Seite die unbewohntenWelten, die von Ihrem Volk besiedelt wurden, hierund hier ...« Wieder schnellte der Finger hin und her.»Das sind die Planeten mit hoher Bevölkerungsdich-te, so daß die Menschen die Nichtmenschlichen mitetwa zwei Dritteln zahlenmäßig überrundet haben.Sie wissen, daß die Prinzessin mit der Unterstützungeines Rates regiert, der in zwei Kammern aufgeglie-dert ist: die Vertretung in der einen basiert auf Pla-neteneinheiten und in der anderen auf der Bevölke-rungszahl ...«

Gordon begann das Bild aufzunehmen. »So wirdeine Kammer des Rates immer von einer Gruppedominiert werden.«

»Exakt«, sagte Korkhann. »Deshalb ist die Meinungder Herrscherin oftmals die ausschlaggebende. Siekönnen daran sehen, daß deswegen die Sympathiender Herrscherin von mehr als nur gewöhnlicher Be-deutung im Königreich Fomalhaut sind.«

»Es hat nie irgendeine wirkliche Schwierigkeit ge-geben, bis vor etwa zwei Jahren«, fuhr Lianna fort.»Damals begann eine Kampagne, die die Nicht-menschlichen glauben machte, daß die Menschen ihreFeinde wären, daß ich im besonderen sie haßte undalle möglichen Arten von Verschwörungen ausbrü-tete. Völliger Unsinn, aber unter Nichtmenschlichenwie auch unter Menschen gibt es immer welche, die

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auf so etwas hören.«»Allmählich«, sagte Korkhann, »kristallisierte sich

ein Muster heraus. Eine bestimmte Gruppe unter dernichtmenschlichen Bevölkerung strebt danach, dieHerrschaft des Königreichs Fomalhaut zu überneh-men, und als ersten Schritt müßten sie Lianna durcheinen Herrscher ersetzen, der mehr nach ihrem Ge-schmack ist.«

»Narath Teyn?«»Ja«, bestätigte Korkhann, »und ich möchte auch

Ihre unausgesprochene Frage beantworten, JohnGordon. Nein, Lianna, es ist eine faire Frage, und ichwill sie beantworten.« Die klaren, gelben Augen tra-fen Gordons Augen direkt. »Sie wundern sich, war-um ich die menschliche Sache gegen meine eigeneArt unterstütze. Die Antwort ist sehr einfach: Weil indiesem Fall die menschliche Sache die gerechte ist.Die Gruppe hinter Narath Teyn spricht sehr eloquentvon Gerechtigkeit, aber sie denken nur an Macht.Und irgendwo in all dem ist etwas verborgen, einUnheil, das ich nicht begreife, das mir aber nichtsde-stominder Furcht einflößt.«

Er schüttelte sich und öffnete dabei die grauenSchulterfedern. »Über all das hinaus ist Narath Teyn...«

Er hielt inne, als jemand heftig an die Tür klopfte.»Herein!« rief Lianna.Ein Jungoffizier trat ein und blieb in steifer Ach-

tungsstellung stehen. »Hoheit«, sagte er. »KapitänHarn Horva erbittet mit allem Respekt Ihre sofortigeAnwesenheit auf der Brücke.« Seine Augen schnell-ten zu Korkhann. »Sie beide, Sir, bitte.«

Gordon spürte den leichten Schock einer Unruhe in

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der Luft. Nur ein unerwartetes Ereignis von beträcht-licher Wichtigkeit würde solch eine Bitte des Kapitänsveranlassen. Lianna nickte.

»Natürlich«, meinte sie und wandte sich Gordonzu. »Komm mit.«

Der junge Offizier geleitete sie. Sie folgten ihm hin-unter durch enge und schwach erleuchtete Korridoreund dann eine steile Kajütstreppe hinauf zum Kon-trollzentrum des Schiffs, das immer noch archaisch›die Brücke‹ genannt wurde.

Achtern war ein großes, halbrundes Schott, in demdie massigen Tafeln der Computerbänke standen, dasLeitsystem und die Kontrollen, die über Geschwin-digkeit, Masse und die Speicherbänke wachten. Hier,unter den stählernen Bodenplatten, war das Pulsierender Generatoren so nah und vertraut wie der Puls-schlag des eigenen Bluts. Vorne gab eine Reihe vonBildschirmen visuelle Bilder und Radarbilder desRaums über einen 180-Grad-Ausschnitt wieder, undan einer Seite befand sich der Stereokommunikator.Als sie die Brücke betraten, nahm Gordon eine völligeStille wahr, die nur von dem elektronischen Murmelnund Summen der Anlage unterbrochen wurde. DieTechniker schienen alle den Atem anzuhalten, ihreAufmerksamkeit war zur Hälfte auf ihre Instrumentegerichtet und zur Hälfte auf die gespannte kleineGruppe um die Radarschirme: den Kapitän, den Er-sten und den Zweiten Offizier und das Radarperso-nal.

Harn Horva, ein großer, kräftiger, grauhaarigerMann mit sehr scharfen Augen und einem starkenUnterkiefer, wandte sich um, sie zu begrüßen. »Ho-heit«, sagte er, »es tut mir leid, Sie stören zu müssen,

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aber es ist notwendig.«Für Gordons ungeschulte Augen zeigten die

Schirme nichts als ein sinnloses Gesprenkel von Blips.Er wandte seine Aufmerksamkeit statt dessen denSichtschirmen zu.

Der Kreuzer näherte sich einem Gebiet kosmischenDrifts. Gordon sah es erst als eine Art dünne, dunkleWolke an, die die Sterne dahinter verbarg. Dann, alser genauer hinschaute, begann er, die einzelnen Be-standteile zu erkennen: Stücke und Teile interstella-ren Tangs, die schwach im Licht von fernen Sonnenglühten. Gesteinsbrocken so groß wie Planeten, Brok-ken so klein wie Häuser und von jeder Größe dazwi-schen, eingebettet in einen zerfetzten Strom vonStaub, der sich einen Parsec oder zwei über die Leereerstreckte. Es war noch ein weites Stück Wegs ent-fernt. Der Kreuzer würde es auf seiner Backbordseitein genügendem Abstand passieren. Nichts sonstzeigte sich. Er konnte sich nicht vorstellen, welcherSache die Aufregung galt.

Harn Horva war damit beschäftigt, es Lianna zuerklären.

»Unser reguläres Radar nimmt nur die normalenBlips auf, die zu dem Drift gehören. Aber die hoch-auflösenden Abtastgeräte erhalten einige hochener-getische Ausstrahlungen, die nicht typisch für Driftsind.« Sein Gesicht war grimmig, seine Stimme fuhrauf einen harten Schluß zu. »Ich fürchte, wir werdenannehmen müssen, daß dort drinnen Schiffe liegen,die den Drift als Abschirmung benutzen.«

»Ein Hinterhalt?« fragte Lianna mit vollkommenruhiger Stimme. Und Gordons Herz machte einenSprung und begann zu pochen. »Ich verstehe nicht,

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wie das möglich sein kann, Kapitän. Ich weiß, daß Siedem taktischen Ausweichkurs gefolgt sind, den dieSicherheitsvorschriften verlangen, was heißt, daß Sieselbst die Koordinaten in zufälligen Intervallen im-provisiert haben. Wie konnte jemand einen Hinterhaltplanen, ohne unseren Kurs zu kennen?«

»Ich könnte einen Verräter annehmen«, sagte HarnHorva, »aber ich halte das für höchst unwahrschein-lich. Ich möchte statt dessen vermuten, daß Telepa-then eingesetzt worden sind.« Seine Stimme wurdenoch härter. »Narath Teyn hat die Besten davon aufseiner Seite.«

Er drehte sich zu Korkhann um. »Sir, ich würde Ih-re Unterstützung zu schätzen wissen.«

»Sie wollen wissen, ob dort tatsächlich Schiffesind«, meinte Korkhann und nickte. »Wie Sie sagen,Narath Teyn hat die Besten, und meine Rasse gehörtnicht dazu. Dennoch will ich mein Bestes tun.«

Er bewegte sich ein wenig beiseite und blieb ruhigstehen, seine Augen wurden fremd und waren aufnichts fixiert. Jeder war still und wartete. Die Gene-ratoren pochten und donnerten. Unstete Blips blitztenauf den hochauflösenden Schirmen auf und ver-schwanden wieder. Gordons Mund war trocken undseine Brust beengt, und alles andere an ihm schwitz-te.

Schließlich sagte Korkhann: »Dort sind Schiffe. Na-rath Teyns.«

»Was noch?« fragte Lianna. »Was haben Sie ver-nommen?«

»Gedanken. Menschliche, nichtmenschliche, einGedankengeplapper kurz vor dem Kampf.« Seineschlanken Klauenfinger öffneten sich in einer Geste

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der Enttäuschung. »Ich konnte sie nicht klar lesen,aber ich glaube ... ich glaube, Hoheit, sie warten dortnicht, um Gefangene zu machen, sondern um zu tö-ten.«

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Sofort erscholl auf der Brücke ein Aufschrei vollerZorn und Schock.

Harn Horva unterdrückte ihn mit einem scharfenBefehl.

»Ruhe! Dafür haben wir keine Zeit.« Er wandtesich wieder den Bildschirmen zu und studierte sie,sein Körper war dabei steif wie ein gespannter Bogen.Gordon blickte zu Lianna. Was immer sie auch inner-lich fühlte, sie zeigte den Männern nichts als kühleSelbstbeherrschung. Gordon fing an, wirklich Angstzu haben.

»Können Sie Fomalhaut einen Hilferuf senden?«fragte er.

»Zu weit weg. Sie können unmöglich rechtzeitigherkommen und in jedem Fall würden unsere Freun-de da vorne im Drift sofort angreifen, wenn sie solcheinen Ruf abhören. Was sie natürlich tun.«

Harn Horva reckte sich, tief eingegrabene Linienzeigten sich in seinen Mundwinkeln. »Ich glaube, un-sere einzige Hoffnung ist, umzukehren und uns ausdem Staub zu machen. Mit Ihrer Erlaubnis, Hoheit ...«

»Nein«, sagte Lianna unerwartet.Gordon starrte sie an. Ebenso der Kapitän. Sie lä-

chelte, knapp und ohne Humor.»Es ist nicht nötig, mich zu schonen, Harn Horva,

obwohl ich für die Absicht danke. Ich weiß so gut wieSie, daß wir vielleicht ihren Schiffen entkommenkönnten, aber nicht ihren Waffen. Und in dem Au-genblick, wenn wir unseren Kurs abändern und da-mit zeigen, daß wir den Hinterhalt bemerkt haben,

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werden wir eine Wolke von Geschossen hinter unsher haben.«

Harn Horva begann wild von Ausweichmanövernund geschoßvernichtenden Batterien zu sprechen,aber Lianna stand bereits neben dem Kommunikati-onstechniker.

»Ich möchte mit dem Königlichen Kom-Zentrumauf Fomalhaut sprechen. In normaler Übermittlung.«

»Hoheit«, sagte der Kapitän verzweifelt, »sie wer-den es abhören.«

»Ich will, daß sie das tun«, sagte Lianna, und Gor-don war von dem Blick in ihren Augen betroffen. Ersetzte zum Sprechen an, aber Korkhann kam ihm zu-vor, seine Federn voller Erregung gesträubt:

»Ihr Plan ist sehr kühn, Hoheit, und manchmalzahlt sich Kühnheit aus. Aber ich bitte Sie, sehrgründlich zu überlegen, bevor Sie sich selbst auslie-fern.«

»Und Sie alle ebenfalls. Ich weiß das, Korkhann. Ichhabe überlegt. Und ich kann keinen anderen Wegfinden.« Sie schaute sie alle an und erklärte: »Ich willFomalhaut benachrichtigen, daß ich auf dem Wegbin, meinen Vetter Narath Teyn auf Marral wegen ei-ner wichtigen Besprechung zu besuchen. Und dannhabe ich vor, genau das zu tun.«

Einen Augenblick lang herrschte eine betäubteStille. Dann sagte Gordon: »Was?«

Lianna fuhr fort, wie wenn sie ihn nicht gehörthätte. »Sie verstehen, was das auslösen wird. Wenn esbekannt ist, daß ich Kurs auf Marral genommen habe,und irgend etwas mir auf diesem Weg zustößt, wür-de man sicher meinem Vetter die Schuld geben. Undzumindest würde das genügend Emotionen gegen

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ihn aufbringen, so daß seine Hoffnungen darauf,meine Nachfolge anzutreten, ziemlich ruiniert wären.Was unsere Freunde dort im Drift mattsetzt. NarathTeyn wird es nicht wagen, mich unter Begleitum-ständen töten zu lassen, die all seine Pläne zerschla-gen würden.«

»Das klingt alles sehr schön«, warf Gordon ein,»aber was geschieht, nachdem du dort hingekommenbist? Du weißt, daß der Mann dich loswerden will,und du gibst dich selbst direkt in seine Hände.« Erstand jetzt unmittelbar vor Lianna, war ganz ihr zu-gewandt und fühlte deutlich die gefrorene Stille umsich herum. »Nein. Die Idee des Kapitäns ist besser.Die Chance zu entkommen mag klein sein, aber es isteine Chance. Diese Möglichkeit ...«

Liannas Augen waren sehr groß, sehr kühl, sehrgrau. Sie lächelte, indem sie den Mund nur ein wenigverzog. »Ich danke dir für deine Sorge, John Gordon.Ich habe all diese Punkte bedacht, und das ist meineEntscheidung.« Sie wandte sich an den Techniker.»Fomalhaut, bitte.«

Der Techniker blickte unsicher zu Harn Horva, dereine hilflose Geste machte und sagte: »Tun Sie, wasIhre Hoheit wünscht.« Weder er noch jemand andersschienen die Verfärbung von Gordons Gesicht zubemerken, das erst rot und dann weiß wurde. Tat-sächlich war es so, wie wenn Gordon plötzlich un-sichtbar geworden wäre.

Gordon trat einen Schritt vor, ohne es überhaupt zugewärtigen.

Korkhanns Finger schlossen sich fest um seinenArm, und dann wurden sie noch fester, die scharfenKrallen gruben sich sogar ein wenig ein. Gordon ver-

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steifte sich, zwang sich dann aber selbst, sich zu ent-spannen und ruhig stehenzubleiben. Er beobachtetedie Bildschirme, während Lianna ihre Übermittlungnach Fomalhaut vornahm. Nichts geschah. Derdunkle Drift vor ihnen blieb ruhig, nur mit seiner ei-genen Kälte und uralten Dingen befaßt, die nichts mitder Menschheit zu tun hatten. Der Gedanke durchzogsein Gehirn, daß Korkhann die lauernden Schiffe undihre Todesabsichten erfunden haben könnte.

»Sehen Sie nur her«, flüsterte Korkhanns Stimmeneben ihm. Die Klauenfinger zeigten auf die hoch-auflösenden Schirme und die unsteten Funken, diedort glitzerten. »Jeder Funke ist ein Schiffsantrieb.Der Drift bewegt sich. Nichts ist je in Ruhe im Raum.Wie der Drift sich bewegt, so müssen das auch dieSchiffe, und das können Abtastgeräte noch sehen, woder Radar so gut wie blind ist.«

»Korkhann«, sagte Gordon sanft, »mein Freund, Siemachen mich ein ganz kleines bißchen nervös.«

»Sie sollten sich daran gewöhnen. Und vergessenSie nicht ... ich bin Ihr Freund.«

Lianna beendete ihre Botschaft, sprach kurz mitdem Kapitän und verließ dann die Brücke. Gordonfolgte ihr mit Korkhann. Unten angekommen, sagteLianna freundlich: »Würden Sie uns entschuldigen,Korkhann?«

Korkhann verneigte sich und schritt auf seinen lan-gen, dünnen Beinen den Gang hinab. Lianna riß dieTür zu ihrem Salon auf, ohne darauf zu warten, daßGordon das für sie tat. Als sie drinnen waren und dieTür wieder geschlossen war, drehte sie sich um undblickte ihn an.

»Du darfst in der Öffentlichkeit niemals«, sagte sie,

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»meine Entscheidung anzweifeln oder dich in meineAnordnungen einmischen.«

Gordon sah sie an: »Und wie ist das im Privaten?Oder bist du auch im Schlafzimmer die Herrscherin?«

Jetzt wurde sie rot. »Es mag für dich schwer sein zuverstehen. Du kommst aus einem anderen Zeitalter,einer anderen Kultur.«

»Das komme ich wirklich. Und ich will dir etwassagen. Ich werde nicht mein Recht aufgeben, zu sa-gen, was ich denke.« Sie öffnete ihren Mund, doch ererhob seine Stimme, nicht viel, aber es lag ein Tondarin, der sie stillbleiben ließ. »Und weiter: wenn ichals ein Freund spreche, als der Mann, der dich liebtund der nur um deine Sicherheit besorgt ist, dannwill ich nicht öffentlich dafür ins Gesicht geschlagenwerden.« Sein Blick war so fest wie ihrer – und soheiß. »Ich fange an, mich zu fragen, Lianna. Vielleichtwürdest du besser mit jemand fahren, der nicht so einTölpel ist, was das Protokoll angeht.«

»Bitte versuch mich zu verstehen! Ich habe Ver-pflichtungen, die über und hinter meinen persönli-chen Gefühlen stehen. Ich habe ein Königreich, umdas ich mich sorgen muß.«

»Ich verstehe es«, sagte Gordon. »Ich hatte aucheinmal ein Königreich, um das ich mich sorgen mußte– du erinnerst dich? Gute Nacht.«

Er ließ sie stehen. Draußen im Gang mußte er ganzim Gegensatz zu seinem Ärger unwillkürlich grinsen.Er fragte sich, wie viele Male jemand so von ihr da-vongegangen war. Nicht oft genug, dachte er.

Er ging zu seiner eigenen Kabine, lag wach undfragte sich, ob ihr zerfahrener Plan funktionierenwürde, wenn sie auf ihrem Weg nach Marral, wo

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immer das sein mochte, ruhig passieren durften. Halberwartete er jede Minute den Einschlag eines Ge-schosses zu fühlen, das die Bruchstücke des Kreuzersüber die Hälfte dieses Raumsektors blasen würde.Aber die Zeit verging, und nichts geschah, und nacheiner Weile fing er an, über Lianna nachzudenkenund was vor ihnen liegen mochte. Als er schließlichschlief, waren seine Träume beunruhigend und trau-rig. In allen verlor er sie, manchmal mitten in einergespenstigen Dunkelheit, wo sich fremde Gestaltenbewegten, und manchmal in einem weiten Thronsaal,wo sie von ihm davonging ... davon und davon, in-dem sie rückwärts wegglitt, ihr Gesicht ihm zuge-wandt und ihre Augen auf seine gerichtet, die küh-len, fernen Augen einer Fremden.

Der Kreuzer fuhr um den Rand des Drifts herum,änderte sachte seinen Kurs nach Südwesten und flogseinen Weg unbelästigt weiter.

Am nächsten ›Tag‹ – willkürlich so im Schiffslog ge-nannt – traf Korkhann Gordon in der Kapitänsmesse,wo er ganz allein in einem schwermütigen Frühstückherumstocherte; mit Absicht hatte er gewartet, bisHarn Horva und die anderen Offiziere fertig waren.Lianna nahm ihr Frühstück stets in ihren privatenRäumen ein.

»Soweit«, sagte Korkhann, »scheint der Plan zufunktionieren.«

»Sicher«, meinte Gordon. »Das Opfer geht direkt indie Falle, warum soll man es auf dem Weg erschie-ßen!«

»Es könnte für Narath Teyn schwierig sein, einenWeg zu finden, sie auf seiner eigenen Welt zu töten,

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ohne deswegen beschuldigt zu werden.«»Meinen Sie?«Korkhann schüttelte den Kopf. »Nein. So, wie ich

Narath Teyn, seine Welt und sein Volk kenne, glaubeich, daß es überhaupt nicht schwierig sein wird.«

Sie waren einen Augenblick still. Dann sagte Gor-don: »Ich denke, Sie erzählen mir besser alles, was Siekönnen.«

Sie gingen in einen Besprechungsraum, und Kork-hann öffnete die Kartentafel, wo die winzigen Sonnendes Königreichs Fomalhaut im Dunkeln glitzerten.

»Hier die südwestlichen Grenzen des Königreichsentlang ist eine Art Öde von mörderischen Sternenund unbewohnten, unbewohnbaren Welten, hier undda ein Sonnensystem, das fähig wäre, Leben zu tra-gen: wie Krens, von wo ich komme. Die Völker dieserverstreuten Systeme sind – wie mein eigenes – nicht-menschlich.« Er zeigte auf einen lohgelben Stern, derwie ein trüber Rauchtopas auf dem dunklen Herz derDriftwolke brannte. »Dieser Stern ist Marral, und seinPlanet Teyn ist der Ort, wo Narath Hof hält.«

Gordon runzelte die Stirn. »Es scheint ein merk-würdiger Ort für einen Thronerben zu sein.«

»Bis vor kurzem war er nur der sechste in der Li-nie. Er wurde auf Teyn geboren. Die Intrige fließt ir-gendwie in seinem Blut, verstehen Sie. Sein Vaterwurde dafür verbannt, einige Jahre, bevor Lianna ge-boren wurde.«

»Und was macht Narath Teyn bei den Nicht-menschlichen so viel populärer als Lianna?«

»Er hat sein Leben lang unter ihnen gelebt. Erdenkt wie sie. Er ist wirklich mehr einer von ihnen,als ich das bin. Nichtmenschliche sind von allen Sor-

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ten und Arten, John Gordon, Kinder vieler verschie-dener Sterne, Produkte der Evolutionsbedingungen,die durch die Umwelt unserer verschiedenen Plane-ten bestimmt wurden. Viele sind so fremdartig, daßnicht nur Menschen den Kontakt mit ihnen ablehnen,sondern ebenso die anderen Nichtmenschlichen. Na-rath liebt sie alle. Er ist ein sonderbarer Mensch, undich glaube, geistig nicht ganz gesund.«

Korkhann schloß die Kartentafel sacht und wandtesich ab, sein Gefieder war so zerzaust wie stets, wenner zutiefst verstört war.

»Lianna hätte gut daran getan, auf Sie zu hören«,sagte er. »Verdammtes Protokoll! Aber sie ist zu mu-tig, um auf eine vernünftige Weise Angst zu haben,und sie ist zu sehr die Tochter ihres Vaters, um Dro-hungen hinzunehmen. Sie ist jetzt wütend und ent-schlossen, den Aktivitäten ihres Vetters ein Ende zusetzen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube, sie wirdzu lange gewartet haben.«

»Auf jeden Fall«, sagte Gordon, »ist es zu spät, umwieder umzukehren.«

Lianna gab ihm keine Chance, um zu versuchen,ihre Entscheidung zu revidieren. In der folgendenZeit, während der lohfarbene Stern von einem ent-fernten Funken auf den Bildschirmen zu einer flam-menden Scheibe anwuchs, vermied sie es, mit ihmallein zu sein. Er ertappte sie ein-, zweimal dabei, wiesie ihn mit einem neugierig fragenden Ausdruck an-blickte, aber daneben war ihre Art korrekt und nachaußen freundlich. Nur Gordon wußte, daß zwischenihnen jetzt eine drei Meter hohe Mauer war. Er ver-suchte nicht, diese Mauer zu ersteigen. Noch nicht.

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Der Kreuzer ging in die Bremsverzögerung über undlandete auf dem zweiten der fünf Planeten, die Mar-ral umkreisten.

Teyn.Naraths Welt.Der Staub und die sengende Hitze vergingen. Auf

der Brücke stand Lianna mit Harn Horva und Kork-hann neben den Sichtschirmen, die jetzt die Umge-bung außerhalb des Schiffes aufzeichneten. Gordonstand ein wenig abseits und versuchte, seine beweg-ten Nerven zu beruhigen.

»Sie haben unsere Botschaft erhalten?« fragte Lian-na.

»Ja, Hoheit. Wir haben die Bestätigung auf Band.«»Ich zweifle Ihr Wort nicht an, Kapitän. Es ist nur,

daß alles so merkwürdig erscheint ...«Es erschien tatsächlich merkwürdig, auch für Gor-

don. Die Schirme zeigten ein leeres Land hinter demprimitiven und augenscheinlich wenig benutzten Ha-fen mit seinen verrammelten Häusern und rissigenWegen, der nur gerade eine Handvoll Schiffe fassenkonnte. Außerhalb der versengten Fläche gab es offe-ne, lichte Wälder mit sehr dünnen und anmutigenBäumen, die die Farbe von reifem Weizen besaßenund ihm auch in der Form nicht unähnlich waren.Das Licht war fremdartig, ein schweres Gold, das inden Schatten nach Orange hin abdunkelte. Eine Brise,ungehört und ungefühlt, wiegte die hohen Bäume.Daneben bewegte sich nichts.

Liannas Mund war starr, ihre Stimme dagegen sei-dig. »Wenn es meinem Vetter nicht möglich ist, michbegrüßen zu kommen, dann muß ich ihn eben begrü-ßen gehen. Ich möchte das Bodenfahrzeug haben,

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Kapitän, und die Wache. Sofort.«Die Befehle wurden gegeben. Lianna kam und

stellte sich vor Gordon. »Das ist ein Staatsbesuch. Dumußt nicht mit mir kommen.«

»Ich möchte es nicht versäumen«, sagte Gordonund fügte hinzu: »Hoheit.«

Eine matte Farbe berührte ihre Wangenknochen.Sie nickte und ging, und er ging mit ihr hinab zurLuftschleuse, um das Ausladen des Wagens zu er-warten. Korkhann, der neben ihm stand, warf ihm ei-nen verstohlenen Blick zu. Nichts mehr wurde gesagt,und nach kurzer Zeit erschien der Wagen.

Die Wache reihte sich um Lianna auf und damitauch um Gordon und Korkhann. Die Luftschleuseöffnete sich. Der Standartenträger schüttelte das Ban-ner der Weißen Sonne in den fremd riechenden Windaus, marschierte dann die Rampe zum Wagen hin-unter, wo er die Standarte in ihrem Sockel befestigte,und stand steif in Achtungsstellung, als Lianna hin-einstieg.

Der Wagen war ein längliches Fahrzeug, das un-aufdringlich bewaffnet und mit verborgenen Feuer-luken ausgestattet war. Die Wache war bewaffnet. Alldas sollte Gordon eigentlich dazu gebracht haben,sich etwas entspannter zu fühlen. Doch das tat esnicht. Da war etwas um die großen wiegenden Bäu-me und in der Art, wie die Lichtungen den Blick vonihrer offenen Unschuld in eine plötzliche Panik derVerwirrung und düsteren Bedrohung stürzten. Dawar etwas in der Luft, in ihrer Wärme, die wie derAtem eines Tieres war, und in ihrem Geruch vonWildheit. Er traute dieser Welt nicht. Sogar der Him-mel mißfiel ihm, er schloß ihn in einen schimmernden

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metallischen Bogen ein, der sich wie ein Deckel einerFalle fast berühren ließ.

Der Landwagen raste einen rohen und ungepfla-sterten Weg entlang, indem er die Rauheit mit seinerLuftkissenfederung zu nichts zähmte. Das Land glittvorbei, sein Charakter wandelte sich rasch von flachzu wellig und dann zu hügelig, mit Wäldern, die sichauf den Felshügeln lichteten. Die Schatten schienentiefer zu werden, wie wenn der Planet sich der Nachtzuneigen würde.

Plötzlich stieß jemand, der Fahrer oder der Stan-dartenträger, der neben ihm saß, oder eine der Wa-chen, einen Alarmruf aus, und alle Waffen im Wagenklackten in die Feuerluken, noch bevor Gordon sehenkonnte, was den Ausruf verursacht hatte. Korkhannzeigte auf einen langen Hang vor ihnen.

»Schauen Sie da hin, zwischen den Bäumen ...«Dort standen Objekte in den schattigen Lichtungen,

eine gewundene Masse von Formen, die für GordonsAugen völlig unidentifizierbar waren. Die Männer imWagen waren still geworden. Das sanfte, stotterndeZischen der Luftdüsen hörte sich in der Stille sehrlaut an; und dann kam von dem Hang ein klarer Rufaus einem silbernen Horn, süß und fremdartig, derwie Feuer die Nervenfasern entlanglief.

Und in diesem Augenblick fegte die Horde denHügel hinab auf sie zu.

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Liannas Stimme neben Gordon erklang scharf unddringend: »Nicht feuern!«

Gordon wollte schon protestieren. Doch Korkhannstieß ihn an und flüsterte:

»Warten Sie!«Die Wesen ergossen sich in einer geschmeidigen

und gewundenen Flut den Hang entlang, fächertenaus, um den Wagen einzukreisen, wobei ihre fremd-artigen Gestalten immer noch wegen der Schatten-streifen der Bäume unbestimmbar waren. Die Luftwar erfüllt mit Schreien – einem Heulen und Schrillenaus nichtmenschlichen Kehlen, das für Gordon vollTriumph und grausamem Gelächter zu sein schien.Er strengte seine Augen an. Es waren große Wesen.Sie liefen auf vier Füßen, taten das aber auf einesanfte Art, nicht wie Huftiere, sondern sie sprangenstatt dessen wie große langbeinige Katzen, und sieschienen Reiter zu tragen.

Nein. Er konnte einige von ihnen nun ganz deut-lich sehen: poliertes Kupfer und mit kreisförmigenFlecken versehenes rauchfarbenes und glänzendesSchwarz. Sein Magen rumorte. Nicht etwa, weil sievielleicht abscheulich wären. Sie waren es nicht, undnoch in diesem Augenblick des Schocks war er vonihrer fremdartigen Schönheit betroffen. Aber sie wa-ren zu unvergleichlich fremd. Das Tier und das, waser für den Reiter gehalten hatte, waren zentaurenartigaus einem Körper, wie wenn eine sechsbeinige Le-bensform beschlossen hätte, endlich teilweise auf-recht zu gehen, wobei Kopf, Torso und Vorderbeine

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eine fast menschliche Gestalt annahmen, abgesehenvon einem knochigen, schlanken Bau. Ihre Augenwaren weit und schräggelegt und glühten, es warenKatzenaugen mit scharfer Intelligenz dahinter. IhrMund lachte, und sie bewegten sich mit der Freudean Kraft und Geschwindigkeit, wobei ihr oberer Kör-perteil sich dabei wie geschmeidiges Schilf bog.

»Die Gerrn«, flüsterte Korkhann. »Die dominieren-de Rasse dieses Planeten.«

Sie befanden sich nun alle rund um den Wagen,der fast zum Stillstand gekommen war. Gordon be-kam flüchtig Liannas Profil zu sehen, das wie ausweißem Stein geschnitten schien. Sie schaute gerade-aus. Die Spannung im Wagen war rasch quälend ge-worden, greifbar wie das Aufbauen von Kräften, di-rekt bevor ein kleiner Funke die Explosion auslöste.

Er flüsterte Korkhann zu:»Können Sie aus ihren Gedanken erfahren, was ih-

re Absichten sind?«»Nein. Sie sind ebenfalls Telepathen und darin weit

erfahrener als ich. Sie können ihre Gedanken total ab-sichern. Ich konnte noch nicht einmal fühlen, daß sieda waren, bevor wir sie sahen. Und ich glaube, daßsie genauso noch die Gedanken von jemand andersabschirmen ... ah!«

Gordon sah nun, daß einer der Gerrn tatsächlicheinen Reiter trug.

Er war ein junger Mann, nur ein paar Jahre älter alsLianna, und so leicht und geschmeidig und magerwie die Gerrn selbst. Er war in einen engsitzendenAnzug aus goldenem Grobstoff gekleidet, und seinbraunes Haar fiel lang über seine Schultern, vomWind zerzaust und von der Sonne durchschienen.

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Das silberne Horn, das den einen lieblichen Ruf aus-gestoßen hatte, hatte er an seiner Seite umhängen. Erhielt sich auf dem Rücken eines großen schwarzpel-zigen männlichen Gerrn fest, der ihn leichtfüßig zurvorderen Linie des Schwarms trug. Er hob seine Ar-me und warf sie weit auseinander, er lächelte, einnetter junger Mann mit Augen wie Saphire, und seineAugen schienen Gordon fremder und unheildrohen-der zu sein als die Katzenaugen der Gerrn.

»Willkommen!« rief er. »Willkommen auf Teyn,Cousine Lianna.«

Lianna neigte den Kopf. Die Spannung ließ nach.Die Männer begannen wieder zu atmen und wischtenihre schweißnassen Hände und Gesichter ab. NarathTeyn hob das Horn an seine Lippen und ließ es wie-der erschallen. Die Gerrnherde löste sich in fließendeBewegung auf und riß den Wagen in ihrer Mitte mitsich weiter.

Zwei Stunden später war das Teyn-Haus mit Licht er-füllt und schrillte voller Musik. Das Haus selbst standhoch auf dem Hang eines Flußtals, ein langer, ausge-streckter Bau aus Naturstein und Holz mit vielenFenstern, die sich der Nacht öffneten. Weiter Rasenzog sich zum Flußufer und zum Gerrn-Dorf hinab,das dort zwischen den Bäumen Schutz suchte. Überihnen träufte der Nachthimmel Feuer aus den wildenAureolen hinab, die aus der Nähe zum Sternendriftentstanden waren, und in dem unruhigen Licht flo-hen fremde Gestalten und tanzten über den Rasenoder kamen hinein und hinaus durch die offenen Tü-ren oder hockten auf den breiten Fenstersimsen.

Fehl am Platz und unbehaglich standen sechs von

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Liannas Bewachern neben dem Wagen und beobach-teten, und der Funker sprach in Abständen ins Mi-krophon.

Drinnen brannte Feuer auf hohen Feuerstellen anjedem Ende des massiven Hauses. Lüster gossenLicht von der gewölbten Decke. Die Luft war schwermit den Gerüchen von Essen und Wein und Rauchund der gemischten Gesellschaft. Es gab nur einenTisch, und Gordon saß daran mit Lianna und NarathTeyn und Korkhann, der auf eine würdevolle Art miteinem Stuhl fertigwurde. Die meisten Gäste, die dasHaus anfüllten, zogen die reichen Teppiche und Kis-sen auf dem Boden vor.

Auf einer freien Fläche in der Mitte des Hausesmachten drei bucklige und haarige Gestalten mit soetwas wie einer Panflöte und einer tiefstimmigenTrommel Musik, während zwei hellrote Wesen mitmehr Armen und Beinen, als irgend jemand brauchte,einander in einer gekünstelten Anmut umherwiegten,ihre Gesten waren Kabuki-Tänzern nachgebildet, ihrelangen Gesichter und vielfacettigen Augen ähneltenrotlackierten Masken. Der Trommelschlag stieg an,die Flöten schrillten höher. Die scharlachfarbenenBeine und Arme bewegten sich schneller und schnel-ler. Die Tänzer wirbelten und wiegten sich hypno-tisch und verschwammen vor Gordons Augen. DieHitze war schrecklich, der trockene, fahle Geruch derdichtgepackten nichtmenschlichen Körper war fasterschreckend.

Narath Teyn lehnte sich hinüber und sprach mitLianna. Gordon konnte nicht hören, was er sagte,aber er hörte Liannas Entgegnung.

»Ich bin zu einer Verständigung hierher gekom-

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men, Vetter, und ich werde sie bekommen. All dashier ist nebensächlich.«

Narath Teyn neigte seinen Kopf voller Anmut undHohn. Er war jetzt in Grün gekleidet, sein langesHaar glatt und mit einem goldenen Reif gehalten.Seine Tänzer erreichten einen kaum möglichen Hö-hepunkt, dem ein abruptes und lähmendes Abbre-chen von Bewegung und Musik gleichzeitig folgte.Narath Teyn erhob sich und bot Beutel mit Wein dar.Er rief etwas in einem zischenden und klackerndenSingsang, und die Scharlachfarbenen antwortetenund kamen auf ihn zugetrippelt, um ihre Weinbeutelmit einer Verbeugung entgegenzunehmen. Ein Lärm-sturm brach aus, als die Gäste auf ihre verschiedenenArten applaudierten.

In diesem Lärm sprach Gordon mit Korkhann:»Wo bekommt er seine Schiffe her?« fragte er.

»Und seine Männer?«»Es gibt eine Stadt und einen Sternenhafen auf der

anderen Seite dieser Welt. Es herrscht viel Handelzwischen diesen wilden Systemen, und er kontrolliertalles. Auf seine eigene Weise ist er reich und mächtig.Außerdem ist er ...«

Der Lärm im Haus verging, als ein anderer Lauteindrang: das lange, pfeifende, ferne Röhren einesRaumkreuzers, der zu einer Landung ansetzte. Gor-don sah, wie Lianna sich versteifte, und seine eigenenNerven spannten sich straffer.

»Nun«, sagte Narath Teyn und blickte mit un-schuldigem Erstaunen gen Himmel, »es scheint, alsseien noch mehr Gäste auf dem Weg. Es kommt stetseine Flucht nach einer langen Trockenheit.«

Er verfiel in eine gutturale Sprache und schlug auf

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den Tisch, er lachte, und der große, schwarzpelzigeGerrn, der ihn getragen hatte, sprang in die offeneFläche, die von den Tänzern verlassen worden war.Er war Gordon als Sserk vorgestellt worden, alsOberhaupt des lokalen Klans der Gerrn und Zweitemunter Narath Teyn. Er bewegte sich nun um denKreis in einer rituellen Bewegung, langsam und jedenlöwenklauigen Fuß abwechselnd anhebend. SeineHände waren über dem Kopf gekreuzt, und jede hieltein Messer. Der Rhythmus der Bewegung wurde vonden Stimmen der Gerrn aufgegriffen und wurde eineArt jaulender Gesang, der immer wieder in einemtiefgegrunzten Off! endete und nur wieder begann,wenn Sserk seine Schritte wiederaufnahm. NarathTeyn, der übermütig und zufrieden aussah, sprachwieder mit Lianna.

»Außerdem«, flüsterte Korkhann nüchtern, »wasich noch sagen wollte: ich fürchte, daß er Verbündetehat.«

Gordon fluchte unterdrückt. »Können Sie irgendetwas in seinem Gehirn lesen?«

»Die Gerrn schirmen ihn ab. Alles, was ich lesenkann, ist Befriedigung, und das können Sie in seinemGesicht ja selbst sehen. Ich fürchte, wir sind hier ...«

Ein rauher Schrei zerschnitt das Singen, und einzweiter Gerrn, ein junger männlicher mit geflecktenFlanken und sehr kräftigen Hüften, sprang in denKreis hinein und begann eine tänzelnde Gegenbewe-gung, während er dabei seine beiden Messer hoch-hielt. Seine Augen waren auf Sserk geheftet – wietrunkener Bernstein, weit und leuchtend.

Das Singen nahm eine tiefere Prägung an. Überallim Raum wurde es ruhig. Groteske Köpfe reckten

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sich vor, fremdartige Glieder verlagerten sich undwaren still. Die zwei Gerrn umkreisten sich balancie-rend.

Die Dienerinnen, meist junge Frauen des Stammes,die noch den flockigen Babypelz trugen, hörten aufherumzulaufen und standen abwartend da.

Sserk sprang. Die Messer blitzten, trafen und wur-den pariert, und sofort sank sein Rumpf und erhobensich seine Vordertatzen, die eine täuschte mit schnel-len Hieben, während die andere ausschlug. Der ge-fleckte Gerrn wirbelte sich leichtfüßig außer Reich-weite und richtete sich auf, seine Messer schossen vorund klirrten, als Sserk sie seinerseits parierte, dannbefreite er sich mit einem Sprung von der reißendenKlaue. Sie begannen sich wieder zu umkreisen, siestampften leise, und ihre Hüften bebten.

Nur Narath Teyn beobachtete nicht die Fechten-den, wie Gordon bemerkte. Er wartete auf etwas oderjemanden, und seine sonderbaren, unheildrohendenAugen strahlten in einem geheimen Triumph.

Lianna saß so stolz und ungerührt, wie wenn sie inihrem eigenen Haus auf Fomalhaut wäre, und Gor-don fragte sich, ob sie unter dieser Ruhe so angstvollwar wie er.

Das Duell ging weiter, wie es schien, ohne Ende.Die geschickten Hände, die mörderisch flinken Tat-zen, die gekrümmten Körper schossen vor undsprangen hoch. Die Augen leuchteten vor Kampfes-lust, allerdings mußte der Kampf nicht gerade mitdem Tod enden. Nach einer Weile floß Blut, und eineWeile danach floß noch mehr Blut, so daß die Zu-schauer, die dem Kreis nahe waren, damit bespren-kelt wurden. Das Singen wurde immer mehr ein pri-

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mitives, tierisches Heulen. Gegen seinen Willen undbeschämt davon, fühlte Gordon, wie eine alte grau-same Erregung in ihm aufstieg, er fand sich selbstüber den Tisch gelehnt und bei den Schlägen mit-grunzend. Am Ende schleuderte der gefleckte Gerrnseine Messer hin und ging mit seinen zerrissenenFlanken davon, er triefte zur Tür und hinaus, soschnell er laufen konnte, während Sserk Sieg! schrieund die Gerrn sich um ihn drängten: mit Wein undLob und Tüchern, um seine Wunden zu stillen. Gor-don, der sich ein wenig unwohl fühlte, da nun die Er-regung vorbei war, langte nach seinem eigenenWeinbecher, als er fühlte, wie Korkhann ihn berührte.

»Schauen Sie, in der Tür ...«Ein großer Mann stand da, in schwarzes Leder ge-

kleidet mit dem Symbol eines juwelenbesetzten, glit-zernden Streitkolbens auf seiner Brust und einemHelm aus schwarzem Stahl mit einer Feder daran undeinem Umhang von dunklem Purpur, der bis zu sei-nen Hacken hinabglitt.

Und da war noch irgend jemand oder irgend etwashinter ihm.

Gordon hörte, wie Lianna scharf Atem holte, unddenn sprang Narath Teyn auf und klopfte um Ruheund rief dem neuangekommenen Gast ein Willkom-men zu.

»Cyn Cryver, Graf der Mark des Äußeren Raums!Willkommen!«

Der Graf schritt in Teyns Haus hinein, und dieGerrn machten ihm respektvoll den Weg frei. Undjetzt sah Gordon, daß der Begleiter des Grafen in eineArt Mönchskutte aus schimmerndem Grau gekleidetwar, die ihn oder es völlig von Kopf bis Fuß bedeckte.

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Die Gestalt unter dem wallenden Tuch schien merk-würdig verkümmert, und sie bewegte sich mit einerfließenden, gleitenden Bewegung, die Gordon unbe-dingt unangenehm empfand.

Der Graf setzte seinen Helm ab und beugte sichüber Liannas Hand. »Ein sehr glückliches Zusam-mentreffen, Lady. Glücklich mindestens für mich. Ichhoffe, Sie vergeben mir, daß ich dieselbe Zeit gewählthabe, Ihren Vetter zu besuchen, wie Sie.«

Lianna sagte süßlich: »Die Wege des Zufalls sindtatsächlich wunderbar. Wer mag sie befragen.« Siezog ihre Hand zurück. »Wer ist Ihr Begleiter?«

Das Wesen in der Kutte nickte höflich und gab ei-nen dünnen, zischenden Laut von sich, dann glitt esdavon in eine relativ ruhige Ecke hinter dem Tisch.Cyn Cryver lächelte und sah Korkhann an.

»Einer der entfernteren Verbündeten des Reichs,Lady, der sich aus Höflichkeit verschleiert hält. Erbekleidet bei mir weitgehend die gleiche Stellung wieIhr Minister Korkhann bei Ihnen.«

Er ließ sich Gordon vorstellen und setzte sich hin.Die Festlichkeit ging weiter. Gordon bemerkte, daßKorkhann gespannt und beunruhigt schien, seineFinger öffneten und schlossen sich krampfhaft umseinen Weinbecher. Die Luft wurde heißer und lär-merfüllter. Auf dem freien Platz begannen zwei jungeGerrn ohne Messer zu kreisen und zu tänzeln, dabeischlugen sie einander nur halb spielerisch. Am jen-seitigen Ende des Raums brach ein Kampf zwischenzwei Mitgliedern verschiedener Spezies aus undwurde sofort erstickt. Die Pfeifer und Trommlerspielten wieder, und ein zottig aussehendes Wesenmit ledrigen Flügeln bahnte sich einen Weg hinauf

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auf das geschnitzte Geländer der großen Treppe undfing ein rhythmisches Schreien an, das wohl ein Sin-gen sein sollte. Aber unter all dem schien Gordon einUnbehagen zu fühlen, wie wenn ein Schatten dieFestlichkeiten überzogen hätte. Sserk und einige dererwachsenen Gerrn schienen ihren Wunsch nachTrinken und Fröhlichsein verloren zu haben. Einernach dem anderen begann sich zurückzuziehen, sieschmolzen unaufdringlich durch die ungebärdigeMenge davon.

Gordon fragte sich, ob sie wie er die Anwesenheitdes Fremden in der Kutte wie den Atem eines kaltenWindes auf ihrem Rückgrat spürten. Die Ecke, in derdas Wesen hockte, war ansonsten nun verlassen, unddie freie Fläche darum schien sich zu erweitern. Gor-don schauderte, er konnte das Gefühl nicht loswer-den, daß das verdammte Ding hinter seinen glatten,grauen Tüchern direkt ihn anstarrte.

Vorne im Kreis umklammerte einer der jungenGerrn seinen Gegner zu übermütig, so daß Blut floß,und sofort fetzten Klauen und Fell ernsthaft.

Lianna erhob sich. »Ich werde dich bei deinen Ver-gnügungen lassen, Vetter«, sagte sie eisig. »Morgenwerden wir uns unterhalten.«

Gordon ergriff die Chance wegzukommen und waran ihrem Ellenbogen, bevor sie zu Ende gesprochenhatte. Aber Narath Teyn bestand darauf, sie zu be-gleiten, so hatte Gordon keine andere Wahl, als ihnendas große Treppenhaus hinauf mit Korkhann zu fol-gen, der neben ihm herstolzierte. Der Lärm aus derHalle unter ihnen verringerte sich, als sie den ge-wölbten Korridor entlanggingen.

»Ich bedauere es, falls meine Freunde dich belei-

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digt haben, Cousine Lianna. Ich vergesse manchmal,daß ich mit ihnen mein ganzes Leben zusammenge-lebt habe, daß andere vielleicht nicht ...«

»Deine Freunde haben mich überhaupt nicht belei-digt«, sagte Lianna, »wenn du die Nichtmenschlichenmeinst. Du beleidigst mich. Cyn Cryver beleidigtmich.«

»Aber, Cousine ...!«»Du bist ein Narr, Narath Teyn. Und du planst für

einen Einsatz weit jenseits deiner Fähigkeiten. Dusolltest hier in deinen Wäldern mit deinen Gerrn zu-frieden bleiben.«

Gordon sah, wie Narath Teyns Gesicht hart wurde.Die unheildrohenden Augen schossen Blitze. Aberseine Fassung wankte nicht. »Es ist bekannt, daß eineKrone ihrem Träger alle Weisheit vermittelt. Deshalbwerde ich mich nicht mit dir streiten.«

»Dein Spötteln scheint fehl am Platz, Vetter, solan-ge du für diese Krone morden willst.«

Narath Teyn starrte sie bestürzt an. Er leugnete esnicht, aber sie gab ihm auch keine Gelegenheit dazu.Sie deutete auf die andere Hälfte ihrer zwölf Wachen,die außerhalb ihrer Tür postiert waren.

»Ich möchte dir raten, Cyn Cryver zu erklären, fallser es nicht versteht: daß ich gut bewacht werde vontreuen Männern, die weder durch Drogen noch durchBestechung noch durch Angst von ihrem Posten ge-jagt werden können. Sie können getötet werden, aberin diesem Fall mußt du auch ihre Kameraden untentöten, die in ständiger Verbindung mit meinem Kreu-zer stehen. Falls nun dieser Kontakt unterbrochenwird, so wird Fomalhaut sofort unterrichtet, und vomKreuzer wird sogleich eine Streitmacht anrücken.

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Cyn Cryver könnte seine Truppen benutzen, sie auf-zuhalten, aber weder du noch er könnte etwas damitgewinnen außer letztendliche Zerstörung.«

Narath Teyn sprach in einer sonderbar heiserenStimme: »Hab' keine Angst, Lady.«

»Ich habe keine«, sagte sie. »Ich wünsch' dir einegute Nacht.« Sie fegte in ihr Apartment, und die Wa-che schloß die Tür hinter ihr.

Narath Teyn warf Gordon und Korkhann noch ei-nen leeren Blick zu, dann drehte er sich um undschritt davon, den Korridor hinunter.

Korkhann nahm Gordons Arm, und sie gingenweiter zu ihren eigenen Quartieren. Gordon setzte zusprechen an, aber Korkhann unterbrach ihn. Er schienzu lauschen. Sein Drängen sprach für sich selbst, undGordon protestierte nicht, als Korkhann ihn nötigte,an ihren eigenen Türen vorbei und immer rascher indas entfernteste Ende des Korridors zu gehen, wo esverlassen und still und fast dunkel war, und dort wareine Hintertreppe, die sich hinabwand.

Korkhann stieß ihn dorthin mit einer merkwürdi-gen Verzweiflung. »Für einen Augenblick werdenwir nicht überwacht. Ich muß hinunter zum Wagen,mit Harn Horva sprechen ...«

Gordon zögerte, sein Herz donnerte nun Alarm.»Was ...?«

»Ich verstehe nun alles«, sagte Korkhann. »Sie pla-nen nicht, Lianna zu töten.« Seine gelben Augen wa-ren voller Entsetzen. »Sie planen etwas viel Schlim-meres!«

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Gordon wollte zurückgehen. »Ich werde sie hier her-ausbringen.«

»Nein!« Korkhann hielt ihn fest. »Sie wird beob-achtet, Gordon. Es sind Gerrn in dem Zimmer, dasneben ihrem liegt, versteckt. Sie werden sofort Alarmschlagen. Wir würden niemals aus dem Gebäudeherauskommen.«

»Aber die Wachen ...!«»Gordon, hören Sie zu! Es existiert hier eine Kraft,

gegen die die Wachen nichts ausrichten können. Dergraue Fremde, der mit dem Grafen kam ... Ich ver-suchte seinen Geist zu berühren und wurde durch ei-nen Schlag zurückgeschleudert, der mich fast be-täubte. Aber die Gerrn sind stärker. Einige von ihnendrangen durch, mindestens ein kurzes Stück. Ichweiß es, denn sie waren so erschüttert, daß sie ihreeigene Abschirmung fallen ließen. Haben Sie gese-hen, wie Sserk und die anderen verschwunden sind?Sie haben Angst, sind krank vor Angst vor diesemWesen, und die Gerrn sind kein furchtsames Volk.«Er sprach so schnell und in solcher Verzweiflung, daßGordon Schwierigkeiten hatte, ihn zu verstehen.»Sserk sah Lianna an. Wie ich gesagt habe: sein eige-ner Geist war für einen Augenblick ungeschützt. Ersah sie als eine gehirnlose, zerstörte Puppe und fühlteEntsetzen und wünschte, daß sie nicht gekommenwäre.«

Jetzt fühlte Gordon eine kalte Übelkeit in sich. »Sieglauben, daß dieses Ding die Macht hat, zu ...«

»So etwas habe ich niemals je zuvor gespürt. Ich

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weiß nicht, was dieses Wesen ist oder wo es her-kommt, aber sein Geist ist tödlicher als all unsereWaffen.« Er begann die Treppe hinabzusteigen. »IhrPlan hängt noch von seiner Geheimhaltung ab. WennHarn Horva Bescheid weiß und Fomalhaut Mittei-lung macht, würden sie es nicht wagen, die Sacheauszuführen.«

Wahrscheinlich nicht, dachte Gordon. Aber HarnHorva konnte mehr tun, als Fomalhaut benachrichti-gen. Er konnte Männer und Waffen schicken, zu vieleselbst für den grauen Fremden, um sich mit allen zu-gleich zu befassen. Es gab einen Kopter im Laderaumdes Kreuzers. Hilfe konnte in nicht mehr als dreißigMinuten hier sein, vielleicht in weniger. Er stürztehinter Korkhann her.

Die Treppe wand sich hinab und führte sie in einenSteingang und zu einer kleinen Tür. Sie gingen hin-durch, während die Geräusche des Rummels in ihrenOhren schwächer wurden, und traten hinaus in diewarme Nacht hinter dem Teyn-Haus, und dannrannten sie los, hielten sich dabei aber dicht in denSchatten. Als sie die vordere Hausecke erreichten,blieben sie stehen und schauten vorsichtig herum.

Die Vorderseite des Teyn-Hauses war noch heller-leuchtet, und Festgäste schwärmten immer noch hin-ein und hinaus durch die offene Tür, obwohl sie jetztweniger zu werden schienen. Das Bodenfahrzeugstand noch genauso wie vorher, mit sechs Wachendarum und dem Fahrer und Funker drinnen sichtbar.

Gordon begann weiterzugehen.Korkhann zog ihn zurück. »Es ist zu spät. Ihre Ge-

hirne ...«In dem Augenblick, als Gordon zögerte, sah er et-

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was, was das Schimmern einer grauen Robe gewesensein mochte, die an einer Gruppe von Gerrn vorbeiund zurück in das Haus glitt. Dann lehnte sich imWagen der Funker vor und sprach in das Mikro.

»Sehen Sie dort«, sagte Gordon, »sie sind in Ord-nung, er hält den Kontakt.« Er riß sich frei und rannteauf den Wagen zu.

Er hatte vielleicht fünf große Schritte gemacht, alseine der Wachen ihn sah, sich drehte und seine Waffehob, und Gordon sah sein Gesicht klar im Lichtscheinder Fenster. Er sah, wie die anderen sich Mann fürMann umdrehten. Er machte blitzschnell kehrt undfloh zurück in den Schutz der Ecke. Die Wachensenkten ihre Waffen und nahmen ihre Posten wiederein, sie beobachteten weiter mit glasigen und unsi-cheren Augen die Gestalten, die über die Wiesen unddurch die Baumgehölze sprangen und jagten.

»Das nächste Mal«, sagte Korkhann, »hören Sie aufmich.«

»Aber der Funker ...!«»Der Kontakt wird wie zuvor durchgeführt. Glau-

ben Sie wirklich, daß der Graue eine so einfache Sa-che wie das nicht bewerkstelligen kann?« Sie zogensich hinter die dunkle Rückwand zurück. Korkhannschlug seine Hände leise und qualvoll zusammen.»Es gibt jetzt keine Hoffnung, eine Nachricht durch-zubringen. Aber wir müssen etwas tun, und dasschnell.«

Gordon schaute hinauf zu den hohen Fenstern, woLianna war. Wo vielleicht der graue Fremde schondas große Treppenhaus zum Korridor hinaufschlot-terte, um die Gehirne von Liannas Wachen in teil-nahmslose Gallerte zu verwandeln. Wo die Gerrn in

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dunklen Räumen versteckt lagen und die Beute be-wachten.

Die Gerrn.Plötzlich drehte Gordon sich um und rannte quer

über die weiten Wiesen, die sich bis zum Fluß hinabund zum Baumgehölz und zu den seltsamen rundenDächern des Gerrndorfes hinzogen. Korkhann liefneben ihm, und diesmal war Gordon der Telepathiedankbar. Er durfte keine Zeit mit Erklären vergeuden.

Zwischen den Bäumen gingen sie hinein und ge-langten in andere Schatten und Eruptionen von unsi-cherem Licht der Aureole am Himmel und wareninmitten unvertrauter Eigenlaute eines Dorfes, dasseinem Treiben nachging. Und dann sammelten sichnur schwach zu erkennende Gestalten um sie, und siehörten den drohenden, sanften Tritt von großen Tat-zen. In der feuerschillernden Düsternis über ihmkonnte Gordon die schmalen Köpfe sehen, die auf ihnniederblickten: Katzenaugen, in denen sich auf un-heimliche Weise das Licht verfing.

Er war flüchtig erstaunt, daß er nicht im geringstenAngst verspürte. Er hatte keine Zeit mehr dafür. Ersagte zu den Gerrn: »Mein Geist ist offen für euch, obihr meine Worte versteht oder nicht. Ich möchte zuSserk.«

Nun raschelte und rührte es sich unter ihnen. Eineschwarze Gestalt bewegte sich nach vorne, und eineundeutliche, rauhe Stimme sagte: »Ihre beiden Gehir-ne sind für mich offen. Ich weiß, was Sie wollen, aberich kann Ihnen nicht helfen. Kehren Sie um.«

»Nein«, sagte Gordon. »Um der Liebe willen, dieSie für Narath Teyn in sich tragen, werden Sie unshelfen. Nicht für uns, nicht für Prinzessin Lianna,

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sondern um seinetwegen. Sie haben den Geist desgrauen Fremden berührt ...«

Die Gerrn bewegten sich unbehaglich und knurr-ten. Und Korkhann sagte plötzlich. »Cyn Cryver undder Graue. Wer führt wirklich, und wer folgt?«

»Der Graue führt«, sagte Sserk widerwillig, »undder Graf folgt, auch wenn er es noch nicht weiß.«

»Und wenn Narath Teyn König auf Fomalhaut ist,wer wird dann führen?«

Sserks Augen glühten kurz im Licht der Himmel-saureole. Aber er schüttelte den Kopf. »Ich kann Ih-nen nicht helfen.«

»Sserk«, sagte Gordon. »Wie lange werden sie Na-rath Teyn herrschen lassen – der Graue und CynCryver und wer auch immer hinter ihnen steht? Na-rath Teyn will Macht für die Nichtmenschlichen, aberwas wollen die?«

»Ich konnte nicht so viel erfahren«, sagte Sserk sehrsacht, »aber was immer es ist, es gilt nicht uns.«

»Noch Narath Teyn. Sie benötigen ihn jetzt, weil erder legitime Erbe ist, falls die Prinzessin stirbt oderfür regierungsunfähig erklärt wird. Aber Sie wissen,was am Ende auch mit ihm geschehen wird. Sie wis-sen es, Sserk.«

Er konnte nun fühlen, daß Sserk zitterte. Er sagte:»Wenn Sie ihn lieben, retten Sie ihn.« Und er fügtehinzu: »Sie wissen, daß er geistig nicht ganz gesundist.«

»Aber er liebt uns«, sagte Sserk wild, und seinegroße Tatze hob sich, als wollte sie nach Gordonschlagen. »Er gehört zu uns.«

»Dann halten Sie ihn hier. Anderenfalls ist er verlo-ren.«

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Sserk war still. Der Wind raschelte in den hohenBäumen, und die Gerrn wiegten sich, wo sie standen,unbehaglich und verstört. Gordon wartete, sein Geistwar merkwürdig still und entfernt schon mit der al-lerletzten Möglichkeit befaßt. Falls die Gerrn sichweigerten, würde er eine Waffe finden und sein Be-stes versuchen, den grauen Fremden zu töten.

»Sie würden nicht so lange leben, um den Feuer-knopf zu drücken«, sagte Sserk. »Gut, um seinetwil-len ... um seinetwillen werden wir helfen.«

Gordon brach der Schweiß aus. Seine Knie wurdenwie ich. »Dann schnell«, meinte er und wandte sichzum Loslaufen. »Wir müssen hier heraus, bevor ...«

Die Gerrn versperrten ihm den Weg. »Nicht Sie«,befahl Sserk. »Bleiben Sie hier, wo wir Ihre Gehirneabschirmen können, wie wir es getan haben, seit Siegekommen sind.« Gordon begann zu protestieren,doch Sserk ergriff ihn roh, schüttelte ihn, wie ein un-geduldiger Vater sein Kind schütteln würde. »UnsereLeute bewachen die Prinzessin. Wir können sie viel-leicht herausholen, Sie können es nicht. Wenn Sie zu-rückkehren, werden Sie uns alle verraten, und alleswird verloren sein.«

»Er hat recht«, bestätigte Korkhann. »Lassen Sie siegehen, Gordon.«

Sie gingen, vier von ihnen mit Sserk an der Spitze,und Gordon sah ihnen bitter nach, als sie den Rasen-hang entlang davonrannten. Die anderen Gerrn wa-ren um sie herumgeschlossen, und Korkhann sagte:»Sie wollen versuchen, unsere Gehirne abzuschirmen.Sie können ihnen helfen, indem Sie an andere Dingedenken.«

Andere Dinge! Was gab es für andere Dinge in der

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Welt, die irgendeine Bedeutung besaßen? Dennochtat Gordon sein Bestes, und die Minuten tröpfeltendahin mit den Perlen von eisigem Schweiß, die anihm hinabliefen, und plötzlich erscholl ein ziemlichzaghafter und verwirrter Schrei vom Teyn-Haus unddann ein Krachen von Schüssen. Gordon fuhr wildauf, fühlte, wie das gleiche Erschrecken durch dieGerrn lief, und einen Augenblick später kam Sserkund stürzte zwischen den Bäumen hinein. Er trug ei-ne sich sträubende Person in seinen Armen. Hinterihm kamen nur drei seiner Begleiter, und einer vonihnen torkelte zur Seite und fiel zu Boden.

»Hier«, sagte Sserk und stieß Lianna in GordonsArme. »Sie versteht nicht. Bringen Sie es ihr schnellbei, oder wir werden alle sterben.«

Sie wehrte sich gegen ihn. »Steckst du dahinter,John Gordon? Sie kamen durch eine Geheimtür, zo-gen mich aus dem Bett ...« Sie versteifte sich gegenseine Hände, ihr Körper war warm und zornig in ei-nem dünnen Nachthemd. »Wie konntest du es wagenzu ...«

Er schlug sie, und das nicht gerade leidenschafts-los: »Du kannst mich später erschießen lassen, wenndu das willst, aber jetzt wirst du tun, was ich dir sage.Dein Verstand hängt davon ab, deine Gesund ...«

Da traf es ihn, ein Hammerschlag, der seinen Geistbetäubte und ihn so erschütterte, daß er sich bebendder Kante eines dunklen Abgrunds näherte. Liannasebenfalls heimgesuchtes Gesicht schwand vor seinenAugen. Jemand – er nahm an, es war Korkhann – gabeinen unterdrückten Schrei von sich, und es war eintiefes Stöhnen unter den Gerrn. Gordon hatte eindumpfes Fühlen von Kräften, die jenseits seines Ver-

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stehens lagen und in einen schrecklichen Kampf ver-wickelt waren, und dann lichtete sich die Dunkelheitetwas. Er hörte Sserk rufen: »Kommen Sie, schnell!«

Gerrnhände griffen und zerrten fordernd nach ihm.Er half, Lianna hinauf auf Sserks Rücken zu schwin-gen, und wurde selbst halb auf den pelzigen, schma-len Widerrist eines anderen männlichen Gerrn geho-ben. Das Dorf schien in Panik explodiert zu sein.Frauen mit ihren Kindern rannten wild umher. Sserksprang durch die Bäume davon mit acht oder zehnälteren Männern, die ihm folgten. Gordon klammertesich unter Schwierigkeiten fest, als sein Reittier durchdie Waldgürtel floh und die steilen Stellen hinauf undhinab stürmte und kletterte. Er sah Korkhann, derleichter auf dem Rücken eines anderen Gerrn getra-gen wurde, und an der Spitze Liannas Nachthemd,das im Wind von Sserks Laufen flatterte. Über ihnenflammte der Himmel: scharlachviolett und eisgrünund engelsweiß, fern und herrlich.

Hinter ihnen war Lärm und Aufruhr – und nochetwas: Angst. Gordons Inneres zog sich zusammenund erwartete den zweiten Schlag. Er konnte sich dengrauen Fremden ausmalen, wie er sich mit jener son-derbaren, verkümmerten Behendigkeit bewegte, dieKutte flatternd ...

Und es kam noch einmal. Der Hammer schlug zu.Für Gordon war es zu ertragen, aber er sah Liannataumeln und fast fallen, als die Gerrn sich um sieschlossen. Dieses Mal hatte sich der Blitz direkt aufsie entladen.

Dann, viel schneller als vorher, wurde die Kraftschwächer und fiel ab.

»Den Göttern sei Dank«, sagte Korkhann heiser,

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»das Ding hat tatsächlich seine Grenzen. Die Machtnimmt mit der Entfernung ab.«

Sserk meinte: »Aber unsere Gehirne verlieren ihreStärke auch – durch Ermüdung.«

Er lief schneller, er sprang durch die Lichtungenmit dem Mädchen, das sich fest an seine Schulternklammerte. Die anderen beschleunigten ihre Gangart,um sich seiner anzupassen, indem sie ihre Körperstreckten. Dennoch schien es Gordon, als ob sie krie-chen würden, durch endlose Meilen goldenen Wald-lands unter brennendem Himmel.

Plötzlich sagte er: »Hört!«Da war ein neuer Ton, noch fern, ein sanfter, sau-

sender Laut, wie wenn ein Wind durch die Bäumeblies.

Korkhann sagte: »Ja, das Bodenfahrzeug. DerGraue folgt uns.«

Die Gerrn rasten schneller und schwenkten weitervon der Straße ab. Aber sie konnten das sausendeWispern nicht verlieren, das unbarmherzig näher-kam. Und Gordon wußte auch ohne Telepathie, daßdie Gerrn Angst hatten, sich schon vor dem nächstenSchlag duckten, bevor er fiel.

Ein letztes Kämpfen der Klauenfüße einen Hanghinauf, und der Rand des Waldes war erreicht. Dieverrammelten Gebäude des Hafens, die langen,schmalen Formen der zwei Kreuzer – einer mit derWeißen Sonne versehen, der andere mit dem Streit-kolben – standen ruhig im wechselnden Licht der Au-reole. Beide Schiffe hatten ihre Schleusen offen underleuchtet. Gordon rutschte auf die Erde hinab undfing Lianna auf, als sie halb von Sserks Rücken fiel.

»Der Graue ist nah«, rief der Gerrn, und seine

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Flanken bebten.Gordon konnte die Luftdüsen nicht mehr hören.

Der Wagen hatte irgendwo kurz vor dem freien Platzangehalten. Das Haar in seinem Nacken sträubte sich.»Wir statten euch Dank ab«, sagte er zu dem Gerrn.»Die Prinzessin wird das nicht vergessen.«

Er legte seinen Arm fester um Lianna und wandtesich mit ihr zum Laufen um. Hinter sich hörte erSserks Stimme, die meinte: »Was wir getan haben,haben wir getan. So sei es.«

Und dann schrie Korkhann auf: »Verlassen Sie unsjetzt nicht, oder Sie haben alles für nichts getan. Ichkann sie nicht ganz alleine schützen.«

Gordon floh mit Lianna quer über das rissige Be-tonvorfeld, sein ganzes Denken und Fühlen auf dasLicht der offenen Schleuse gerichtet. Er hörte Kork-hanns leichtere Fußstapfen hinter sich trappeln. EinenAugenblick lang dachte er, daß nach allem der Graueaufgegeben hatte und nichts mehr passieren würde.Und mit einem stummen Blitzschlag kam die Dun-kelheit und schlug ihn nieder, daß er sich mühsamauf den Knien bewegte.

Lianna rutschte von ihm weg. Er tastete rein in-stinktiv nach ihr, als er sie wimmern hörte. Erkämpfte sich blind und windend durch die weite, an-schwellende Schwärze auf einen fernen Lichtfunkenzu.

Da waren Hände und Stimmen. Der Funke wurdeheller und wuchs schwindelerregend. Gordon tauchtedurch kalte, laute Dimensionen von Furcht auf, sahGesichter, Uniformen, Männer, sah, wie Lianna inHarn Horvas Armen gestützt wurde, und fühlte sichhochgehoben und weitergetragen. In der Ferne war

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ein pfeifendes Hetzen wie von einem enttäuschtenund ärgerlichen Wind, der sich zurückzog. Und zweiMänner trugen Korkhann hinter ihm her, halb be-wußtlos.

Harn Horvas Stimme brüllte über allem: »Allesfertigmachen zum Abheben!«

Gordon bekam die klirrenden Luken, das warnen-de Heulen und den röhrenden Schub des Starts nurhalb mit. Er war im Salon, und Lianna war an ihn ge-schmiegt, sie zitterte wie ein verängstigtes Kind, ihrGesicht blutleer und ihre Augen weitaufgerissen.

Später, nachdem der Kreuzer hinauf in den Him-mel gestürzt war und Teyn schnell hinter ihm zu-rückgefallen war, hielt Gordon sie noch immer in denArmen und beruhigte sie. Inzwischen hatte Korkhanndas Bewußtsein wiedererlangt. Seine Augen warennoch verstört, aber er sagte in einer Art wildem Stolz:»Einen Augenblick lang ... einen Augenblick langmachte ich es ganz allein!«

»Korkhann, wer ... was ... war das?« fragte Gordon.»Der Graue.«

»Ich glaube«, flüsterte Korkhann, »daß er nicht ausdieser Galaxis stammt. Ich glaube, ein alter Feind istwieder erwacht. Ich ...«

Er senkte den Kopf und wollte einen Augenblicklang nichts mehr sagen. Dann meinte er düster:»Wenn Narath Teyn Verbündete wie diese hat, ist erweit gefährlicher, als wir dachten, Hoheit.«

»Ich weiß das jetzt«, sagte Lianna. »Wir werdenKriegsrat abhalten, wenn wir Fomalhaut erreichen.Und ich glaube, daß mit unserer Entscheidung meinKönigreich stehen oder fallen wird.«

Gordon tauchte wieder in seine Gedanken ein: Ja,

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ich habe mich stets an die Schönheit dieser unermeß-lichen Welt erinnert, aber ich hatte die Gefahren undSchrecken vergessen. Nun, dann soll es eben so sein!Das ist immer besser als der dunkle Traum, in demich gefangen war.

Denn das war der Traum, Keogh! Die Illusion, daßnur ein kleiner Zeitabschnitt auf einem ganz kleinenPlaneten von Bedeutung wäre, während das weiteMeer der Zukunft und des Raums mit all seinenSchönheiten und all seinen Schrecken keine Bedeu-tung haben soll. Ja, das war der Traum. Ich habe ihnverlassen, und ich werde niemals mehr dort Zufluchtnehmen.

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II

Die Ufer der Unendlichkeit

7

Draußen im Licht der flüchtigen Monde standen diealten Könige von Fomalhaut und träumten in Stein.Den ganzen Weg entlang von den ausgedehntenLichtern der Stadt bis hinauf zu diesem mächtigenPalast lief die großartige Allee der Statuen: elf Dyna-stien und mehr als einhundert Könige, alle ragten siein Überlebensgröße empor, so daß die Gesandten, diediesen Weg kamen, ein Gefühl der Ehrfurcht spürten.Zu dieser Stunde aber kam niemand, alles war ruhig,allein im wechselnden Licht der umlaufenden Mondeschienen sich die Steine zu verändern, zu lächeln, zuschauen, nachzudenken.

Während er hinaus auf diese mächtige Allee blick-te, fühlte sich John Gordon in der weiten Dunkelheitdes Thronsaals klein und unbedeutend. Von den dü-steren Wänden schauten andere gemalte Gesichterauf ihn herab, die Gesichter von weiteren Größen inder langen Geschichte des Königreichs Fomalhaut,und es schien ihm, als wäre Mißachtung in ihrenBlicken.

Mensch der Erde, Mensch des alten zwanzigsten Jahr-hunderts, das nun zweihunderttausend Jahre vorbei ist ...was tust du hier, fern von deinem eigenen Platz und deinerZeit?

Was tat er wirklich hier? Und wieder kam dieseFrage und plagte ihn ... Wirklichkeit oder Traum? Mit

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der Frage kam die Angst und der überwältigendeWunsch, in die Sicherheit von Keoghs Praxis zu eilenund zu der ruhigen Stimme, die all seine Problemehinwegerklärte.

Er fühlte ein leidenschaftliches Heimweh nach deralten, eintönigen, vertrauten Welt, in der er die meisteZeit seines Lebens verbracht hatte, und ein erschrek-kendes Gefühl von Entfremdung packte ihn bei derKehle.

Er bekämpfte es, wie er noch nie zuvor hatte kämp-fen müssen. Schweiß trat ihm auf die Stirn, und seinganzer Körper zitterte. Doch im gleichen Augenblickkonnte er sich selbst roh verspotten: Die ganze Zeit, diedu in jener herrlichen, vertrauten Welt gewesen warst,hast du nichts anderes getan, als zu weinen und zu zetern,daß du wieder hierher gelangen willst.

Er bemerkte nicht, daß Korkhann in den Saal ge-kommen war, und fuhr beim Klang seiner Stimmeheftig auf.

»Es ist schon seltsam, Gordon, daß Sie jetzt zittern,wo keine Gefahr mehr ist ... wenigstens im Augen-blick.«

Korkhann erschien so undeutlich im Schatten, daßer auch ein Mensch hätte sein können. Dann raschel-ten seine Federn, und sein schnabelförmiges Gesichtund seine weisen Augen stießen vorwärts in einenStreifen des wandernden Mondlichts. Es war schwer,auf Korkhann zornig zu sein, aber Gordon gelang es.

»Ich habe Sie doch bereits gebeten, nicht meine Ge-danken zu lesen.«

»Sie verstehen die telepathischen Kräfte immernoch nicht«, sagte Korkhann mild. »Ich habe Ihre gei-stige Privatsphäre nicht verletzt. Aber ich kann nichts

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dafür, wenn ich Ihre Gefühle empfange.« Nach einemAugenblick fügte er hinzu: »Ich soll Sie zum Ratbringen. Lianna schickt mich.«

Die düstere Stimmung lag weiterhin auf Gordon,und Liannas Name brachte eine frische Woge Ärger.»Was braucht mich Lianna schon!« Nach jenem Au-genblick des Nahseins, als sie ein ängstliches Mäd-chen gewesen war, das er in seinen Armen haltenkonnte, war sie wieder die Prinzessin geworden, ent-rückt, reserviert, schön und stark befaßt mit Staatsge-schäften. Sie schien ihn tatsächlich bewußt zu mei-den, als ob sie sich für diesen Vorfall schämte undnicht wünschte, daran erinnert zu werden. Und imGrunde war er, verdammt noch mal, immer noch derFremde, immer noch der primitive Tölpel.

»In mancher Hinsicht«, sagte Korkhann, der diesesMal schamlos seine Gedanken las, »sind Sie es. Lian-na ist eine Frau, aber sie ist auch eine regierendePrinzessin, und Sie müssen bedenken, daß Ihre Ver-bindung für sie so schwierig ist wie für Sie.«

»Oh, zur Hölle!« rief Gordon. »Jetzt bekomme ichschon Ratschläge für Liebeskummer von einem ... ei-nem ...«

»Von einem zu groß geratenen Beo?« fragte Kork-hann. »Ich nehme an, das ist ein Tier aus Ihrer eige-nen Welt. Nun, der Rat ist dennoch gut.«

»Es tut mir leid«, sagte Gordon und meinte es auchso. Er benahm sich wie ein Kleinkind. Er holte tiefAtem und reckte die Schultern. »Es ist nur so, daß al-les auf einmal ...«

»Sie fühlen sich verloren. Das ist natürlich. Sie ha-ben einen sehr abseitigen Weg gewählt, John Gordon.Er wird nie ein einfacher sein. Aber Sie wissen das.

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Nun ... wollen Sie mitkommen.«»Ja«, sagte Gordon. »Ich komme.«Sie verließen den weiten, widerhallenden Saal und

gingen durch geräumige Korridore. Es war spät, undes liefen nur wenige Personen herum, aber Gordonhatte ein Gefühl, daß eine Spannung in der Stille war,die den Palast einhüllte, ein brütendes Gefühl vonGefahr. Er wußte, daß das nur in seinem eigenenKopf stattfand, die Gefahr war nicht hier, noch nicht.Sie war noch in der Mark des Äußeren Raums, derfernen Grenzen der Galaxis. Dennoch war die Tatsa-che, daß der Rat des Königreichs Fomalhaut sich sospät in der Nacht traf, nur Stunden, nachdem derKreuzer auf der Hauptwelt gelandet war, Beweis ge-nug, für wie schwerwiegend diese Gefahr einge-schätzt wurde.

In dem kleinen, getäfelten Raum, den sie betraten,blickten vier Gesichter zu Gordon hoch, mit Aus-drücken zwischen Gereiztheit und Feindseligkeit.Korkhann war das einzige nichtmenschliche Mitglieddes Rats, und Lianna, die am Kopf des kleinen Ti-sches saß, nickte Gordon zu und nannte die Namender vier Männer.

»Ist das notwendig?« fragte der jüngste von ihnen,ein Mann in mittlerem Alter mit dichten Augenbrau-en. Er fügte plump hinzu: »Wir haben von Ihrer Nei-gung zu diesem Erdenmann gehört, Hoheit, aber ichkann nicht verstehen, wieso ...«

»Es tut mir leid«, sagte Gordon freundlich, »daß ichauch nicht verstehen kann, wieso. Nichtsdestominderwurde nach mir geschickt.«

Lianna sagte schnell: »Es ist notwendig, Abro. Setzdich, John Gordon.«

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Er setzte sich an das entfernte Ende des Tischesund war innerlich widerborstig, bis Korkhann wis-perte: »Müssen Sie denn so kämpferisch sein?« Dasschreckte Gordon zu einem kurzen Lächeln auf, under entspannte sich ein wenig.

Der Mann, der Abro genannt wurde, sprach, under ignorierte dabei Gordon auf eine Weise, die einevorsätzliche Beleidigung war.

»Die Sachlage ist folgendermaßen: Das Attentat,das Narath Teyn gegen Sie verübte, seine Verwegen-heit, gegen die Herrscherin von Fomalhaut Gewaltanzuwenden, zeigt, daß er gefährlich ist. Deshalb sa-ge ich: schlagen Sie los gegen ihn. Senden Sie eineSchwadron schwerer Kreuzer nach Teyn, um ihn undseine Gerrn eine Lektion zu lehren.«

Innerlich stimmte Gordon fast zu. Jemand, der ei-nen Verbündeten wie den Grauen rief, verdiente Zer-störung.

Aber Lianna schüttelte ihren goldblonden Kopflangsam. »Mein Vetter Narath ist nicht die Gefahr. Erhat schon lange sich verschworen, mich zu ersetzen,aber solange er nur auf seine wilden, barbarischenNichtmenschlichen zählen konnte, solange konnte ernichts ausrichten. Aber jetzt wird er einfach wie eineSchachfigur von anderen benutzt ... und unter ihnenist Cyn Cryver, ein Graf der Mark des ÄußerenRaums.«

»Dann schlagen Sie gegen die Mark los«, meinteAbro rauh.

Gordon begann diesen derben, zähen Charakter,der ihm eine so feindselige Begrüßung geboten hatte,zu mögen.

Aber Korkhann sprach in seiner zögernden, pfei-

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fenden Stimme: »Es ist da etwas verborgen, ver-schleierte, unbekannte Kräfte, die hinter Cyn Cryverund Narath Teyn am Werke sind. Eine davon war aufTeyn und hätte uns vernichtet, wenn die Gerrn nichtdie Seiten gewechselt hätten. Wer oder was das We-sen war, könnten wir nicht sagen, aber es ist mächti-ger, als man sich vorstellen kann ... und es ist derwahre Führer. Cyn Cryver ist auch nur eine Schachfi-gur.«

»Dann wenden Sie Gewalt gegen Cyn Cryver an,und wir werden herausfinden, wer oder was hinterihm steht«, sagte eines der anderen Ratsmitglieder.»Abro hat recht.«

»Ich denke, Sie vergessen etwas«, warf Lianna ein.»Die Grafen sind Verbündete des Kaiserreichs.«

»Das sind wir auch«, rief Abro, »und bessere undverläßlichere Verbündete dazu!«

Lianna nickte. »Dem stimme ich zu. Aber dennochkönnen wir nicht einfach in die Mark fliegen, ohnezuerst die Sache Throon zu unterbreiten.«

Ihnen gefiel das nicht, Gordon sah das. Wie diemeisten Bewohner der kleineren Sternenkönigreichebesaßen sie eine übermäßige Menge an Stolz, und beijemandem eine Erlaubnis einzuholen, ging ihnen ge-gen den Strich. Aber dennoch: das Kaiserreich wardas Kaiserreich, die größte Einzelmacht in der Gala-xis, die eine unfaßbare Weite von Sonnen und Plane-ten und Wesen von der kaiserlichen Welt aus be-herrschte, die die mächtige Sonne Canopus umkrei-ste. Ob ihnen das gefiel oder nicht, sie würden fragen.

Lianna gelang es, sie für einen Augenblick zu be-ruhigen. Sie fügte hinzu: »Ich werde Korkhann schik-ken, um die Sache mit ihnen zu diskutieren. John

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Gordon wird mit ihm gehen.«Gordons Herz schlug in großer Erregung. Nach

Throon! Er würde es wiedersehen ...Ein zorniger Protest hatte sich schon auf Abros

Lippen gebildet, aber es war Hastus Nor, das ältesteder Ratsmitglieder, der den Einwand äußerte. Erschaute den Tisch hinab zu Gordon und wandte sichdann Lianna zu.

Er sagte: »Es geht uns nichts an, wenn Sie IhreGünstlinge haben, Hoheit. Aber es geht uns etwas an,wenn Sie sie in Staatsangelegenheiten mitmischenlassen. Nein.«

Lianna stand auf, ihre Augen loderten. Der alteMann wich vor ihrem Zorn nicht zurück. Doch bevorsie sprechen konnte, unterbrach Korkhann so sanftund geschwind, daß es kaum wie eine Unterbrechungerschien.

»Mit Ihrer Erlaubnis, Hoheit, würde ich gerne dar-auf antworten«, sagte er. Er schaute das feindseligeQuartett der Gesichter an. »Sie alle wissen, denke ich,daß ich gewisse Kräfte besitze und daß ich im Darle-gen von Fakten nicht oft falsch gelegen habe.«

»Kommen Sie zur Sache, Korkhann«, knurrte deralte Ratsherr.

»Gut.« Korkhanns Flügel entfaltete sich, und seineKlauenhand ruhte auf Gordons Schulter. »Ich will esnun sagen: als eine Tatsache. Niemand ... ich sage:niemand in der ganzen Galaxis besitzt einen so großenEinfluß im Rat des Kaiserreichs wie dieser Erden-mann John Gordon.«

Gordon blickte erstaunt zu ihm hoch. »Also habenSie Gedanken gelesen?« murrte er. »Oder hat sie esIhnen gesagt ...«

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Korkhann ignorierte ihn und sah die Ratsmitglie-der unbeweglich an. In ihren Gesichtern verwandeltedie Feindseligkeit sich in Verwirrung.

»Aber warum ... wie?« verlangte Abro.Korkhann machte eine fremdartig achselzuckende

Bewegung, die seine Federn wie in einem Wind zer-zausen ließ. »Ich habe Ihnen die Tatsache dargelegt.Ich werde sie nicht erklären.«

Sie starrten stirnrunzelnd und neugierig Gordonan, bis er heftig versucht war, ihnen zuzurufen: »Weilich eine Zeit lang euer Kaiser war!« Aber er rief es nicht,und schließlich grummelte der alte Hastus Nor:»Wenn Korkhann das sagt, muß es wahr sein, obwohlnoch ...« Er hielt inne, dann fuhr er entschieden fort:»Lassen Sie den Mann Gordon gehen.«

Gordon sagte sanft: »Vielen Dank. Aber hat irgendjemand mich gefragt, ob ich dahin gehen will?«

Er war außer sich vor Zorn, daß man ihn wie eineSchachfigur behandelte, um ihn stritt, ihn bedrohteund verteidigte – und er hätte das wohl ausgespro-chen, aber Lianna sagte sehr bestimmt: »Meine Her-ren, die Ratssitzung ist beendet.«

Sie gingen hinaus, ohne daß noch etwas gesagtwurde, und als sie gegangen waren, kam Lianna aufGordon zu.

»Warum hast du das gesagt?« fragte sie. »Du willstdoch gehen.«

»Warum sollte ich?«»Lüge nicht«, sagte sie. »Ich habe den Eifer in dei-

nem Gesicht gesehen, als vorgeschlagen wurde, daßdu nach Throon gehst.«

Sie sah ihn an, und er sah die Qual und den Zwei-fel in ihren klaren Augen.

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»Für eine Weile, nachdem auf Teyn der Tod geradean uns vorbeigegangen war, dachte ich, wir wärenuns nähergekommen«, sagte sie. »Ich dachte, es wür-de sein, so wie es vorher mit uns gewesen war ...«

»Das dachte ich auch.«»Aber das war falsch. Ich bin es nicht, wofür du

dich interessierst.«»Das«, sagte Gordon zornig, »einem Mann zu sa-

gen, der sein Leben riskiert hat, um hierher zu dir zukommen, ist sehr nett. Alles, was ich erfahre, ist, daßdu mich behandelst wie einen ...«

Sie ließ ihn den Satz nicht beenden. »Hast du deinLeben riskiert, um zu mir zu gelangen, John Gordon?War ich es, an die du dich erinnert hast und nach derdu dich gesehnt hast, als du zurück in deinem fernenZeitalter warst – oder waren es das Abenteuer unddie Sternenschiffe, all das, was unser Zeitalter hatund deines nicht, nach dem du dich wirklich zurück-zukommen gesehnt hast?«

In dieser Anklage war gerade genug Wahrheit, umGordon den Zorn zu nehmen, und der Ausdruck derFast-Schuld, die er fühlte, mußte auf seinem Gesichtzu sehen gewesen sein, denn Lianna, die zu ihmhochsah, lächelte ein bleiches und bitteres Lächeln.

»Ich dachte es mir«, sagte sie und drehte sich weg.»Geh also nach Throon und geh zum Teufel!«

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8

Auf dem ganzen Weg zur Sonne Canopus verbrachteGordon seine Wachzeiten auf der Brücke des schnel-len Aufklärers. Durch die Fenster, die keine wirkli-chen Fenster waren, beobachtete er die Sternengrup-pen, wie sie aufgingen, sich wandelten und wiederzurückfielen. Nach den öden Jahren auf der kleinenErde konnte er von den Sternen nicht genug bekom-men.

Das titanische Durcheinander von Sonnen, das denHerkules-Sternhaufen darstellte, der Sitz jener mäch-tigen Barone, die Sternenkönige als fast ebenbürtigansahen, fiel hinter ihnen nach Westen ab. Die weit-gezogene Masse des schwachglühenden Drifts, derals die Deneb-Falle bekannt war, umhüllte sie. Sietauchten weiter in den Raum ein, und nun passiertensie jenes Gebiet, wo damals die Raumflotten des Kai-serreichs und seiner Verbündeten ihr letztes Arma-geddon mit der Liga der Dunkelwelten ausgefochtenhatten.

Gordon schaute hinaus und träumte. Fern, weitweg im Süden, lag der ausgedehnte Fleck tiefererDunkelheit, der die Wolke war, von wo aus die Ar-madas der Dunkelwelten ihre kühne Bedrohung er-gossen hatten. Sie erinnerte sich an Thallarna, und ererinnerte sich an Shorr Kan, den Herrscher der Liga,und wie er sich seiner Niederlage ergeben hatte.

»Sie denken zu viel an vergangene Dinge und nichtgenug an die gegenwärtigen«, sagte Korkhann, derihn scharf ansah.

Gordon lächelte. »Wenn Sie so viel über mich wis-

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sen, wie ich denke, daß Sie wissen – können Sie michda tadeln? Ich war ein Betrüger. Ich wußte kaum, wasich in jener Schlacht tat, aber ich war dabei, und werkönnte das vergessen?«

»Macht ist ein Wein, der schnell zu Kopf steigt«,sagte Korkhann. »Sie hatten sie einmal in Ihrer Hand,die Macht eines Universums. Sehnen Sie sich wiederdanach?«

»Nein«, erwiderte Gordon, bestürzt über das Echovon Liannas Anklage. »Ich war darüber zu Tode er-schrocken, als ich sie besaß.«

»Waren Sie das, John Gordon?«Bevor Gordon eine gereizte Antwort darauf for-

mulieren konnte, war Korkhann schon von der Brük-ke gegangen.

Seine Gereiztheit verging und war schnell verges-sen, als bald das Herz des gewaltigen Mittelgalakti-schen Reichs weit vorne erstrahlte.

Das herrliche, blauweiße Licht von Canopus waranmaßend in seiner Größe und Intensität. Und als derAufklärer weiterjagte, da kamen die Planeten in Sicht,die diese wahrhaft königliche Sonne umkreisten.Gordons Augen hingen an einem dieser Planeten, ei-ner grauen, wolkenverhüllten Kugel: Throon ...

Er erinnerte sich, wie er ihn das erste Mal gesehenhatte, als er verblüfft und verwirrt von diesem Uni-versum der Zukunft war und eine Rolle spielte, aufdie er nicht vorbereitet worden war, eine Schachfigurin den Händen kosmischer politischer Mächte, derenAbsichten er nicht einmal träumen konnte.

War er damals irgend etwas anderes gewesen als jetzt?Wurde er nicht hier nach Throon gebracht, damitKorkhann seinen vermutlichen Einfluß auf Jhal Arn,

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den Herrscher des Reichs, ausnutzen konnte? Ja,dachte er, das ist wahr. Aber es geschah nicht wegender Politik Fomalhauts sondern wegen Lianna undgegen was auch immer für geheimnisvolle erschrek-kende Dinge, die in der Mark ausgebrütet wurdenund die Lianna unmittelbar bedrohten.

Der Planet ging auf und näherte sich, seine grau-grüne, gewaltige Masse wuchs, die ausgedehntenKontinente gleißten mit funkelnden Metropolen, dieim weißen Sonnenlicht strahlten. Dann ein mächtigerOzean, und dann weit vorne das, worauf sein Blicksich stürzte: die blendenden Strahlen, die das Augefast erblinden ließen, die Glasberge aus glatten Sili-katen, die das Licht des Sonnenuntergangs wie inbewegten Speeren zurückwarfen, aufgefächert und inaller Pracht. Sie flogen über diese Strahlen hinwegund durch sie hindurch, und vor ihnen zeichnete sichdie Traube der anmutigen Glastürme ab, die diegrößte Hauptstadt der Galaxis war.

Über ihrem Sternhafen war ein Verkehr von unge-heuerem Ausmaß. Gordon hatte vergessen, wie vieleSchiffe zu diesem Zentrum der Galaxis kamen undwieder wegflogen. Von den Leitcomputern in engemzeitlichen Fluß eingewiesen, schwebten die massigen,stolzen Linienschiffe von Deneb und Aldebaran undSol herunter auf den Einflughafen wie eine Paradevon Riesen, während die kleineren Einheiten sich wieein Katarakt von leuchtenden Mücken ergossen. Aberihr eigenes Schiff umflog all das, weil es ein Staats-schiff war, und ging auf dem Flottenhafen nieder, wodie riesigen Kriegsschiffe des Reichs sich wie dunkleGewitterwolken über ihren Docks abzeichneten.

Eine Stunde später standen sie in dem hohen Ge-

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bäude, das der Sitz der Dynastie und das Verwal-tungszentrum des Kaiserreichs war.

Zarth Arn kam ihnen entgegen, er war von hoherGestalt, sein dunkles Gesicht brach in ein Lächeln ausund wurde dann wieder ernst, als er Gordons Handergriff.

»Ich hätte gewünscht, daß deine Rückkehr nachThroon aus einem anderen Anlaß wie diesem gesche-hen wäre«, sagte er. »Ja, mein Bruder weiß, warumdu gekommen bist. Du bist nicht der erste mit diesemAuftrag.«

Korkhann fragte schnell: »Die anderen sind auchwegen der Mark besorgt, Hoheit?«

Zarth Arn nickte. »Das sind sie. Aber darüber sollspäter gesprochen werden. Zur Hölle mit der Diplo-matie, Gordon und ich müssen jetzt einen trinken.«Er führte Gordon zu einem sanft dahingleitendenRollsteig. Er trug sie davon in einen anderen Saal, einweites Zimmer, dessen Glaswände mit abgeflachtenReliefs von dunklen Sternen, ausgebrannten Schlak-kensonnen und ebenholzschwarzem kosmischenDrift geschmückt waren und einen überwältigendenEindruck von Düsternis und Erhabenheit gaben.Gordon erinnerte sich an diese schwermütige Pracht,und er erinnerte sich ebenso an den gleichermaßenprachtvollen Saal dahinter, der von der Glut flam-mender Sternennebel umgeben zu sein schien. DerRollsteig trug sie eine sanfte Neigung hinauf.

Überall verbeugten sich Höflinge und Kammerdie-ner tief vor Zarth Arn. Es schien Gordon, daß sie ihnein wenig scheel ansahen, wie er so vertraut mit ei-nem Prinzen des Reichs entlangschritt.

»Erscheint dir das nicht sonderbar?« fragte Zarth

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Arn. »Mit mir gemeinsam zu gehen und dabei zuwissen, daß wir einmal jeweils den Körper des ande-ren bewohnt haben?«

Zarth Arn lächelte: »Mir nicht. Du mußt darandenken, daß ich schon viele Male vorher getauschthabe und dabei in vielen anderen Körpern gewohnthabe. Aber ich glaube, für dich ist es tatsächlich sehrsonderbar.«

Sie kamen zu Zarth Arns Gemächern, an die Gor-don sich so gut erinnerte: mit ihren hohen Deckenund rein weiß außer in den silbernen Wandbehängen.Die Rahmen der Gedankenspulen standen immernoch auf der einen Seite des Zimmers. Er ging zu denhohen offenen Fenstern und hinaus auf den Balkon,der wie eine kleine Terrasse aus einer Seite des gro-ßen rechteckigen Palastes herausragte. Er schautewieder über Throon City.

Es könnte wieder in jener anderen Zeit gewesensein, dachte er. Denn Canopus ging unter und warflange, waagerechte Strahlen über die märchenhaftenTürme der Metropole und den wogenden, grünenOzean und die Glasberge, die jetzt ein Wall blenden-der Herrlichkeit waren.

Gordon schaute gedankenverloren hinaus, bisZarth Arns Stimme ihn aus dem Zauber erweckte.

»Findest du es noch genauso, Gordon?« fragte erund gab ihm ein hohes Glas mit der braunen Flüssig-keit Saqua.

»Nicht ganz«, murmelte Gordon.Zarth Arn verstand. »Lianna war damals hier, nicht

wahr? Ich hatte nicht vor, schon zu fragen, aber jetzt... sag mir, was ist mit euch beiden?«

»Wir haben nicht gerade gestritten«, antwortete

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Gordon. »Aber wir scheinen weiterhin Fremde zusein, und ... sie scheint zu glauben, daß ich nicht we-gen ihr gekommen bin, sondern ... dafür.«

Und seine Geste fing das ganze Bild der Herrlich-keit der großen Stadt ein, die lodernden Strahlen derBerge, die Erhabenheit der Sternenschiffe, die vondem entfernten Raumhafen aufstiegen.

Sie wurden durch das Öffnen der Tür unterbro-chen. Der Mann, der hereintrat, war groß und statt-lich, schwarzgekleidet mit einer kleinen, leuchtendenInsignie auf seiner Brust. Seine Augen waren direktund forschend, als er auf Gordon zukam.

Gordon kannte ihn. Jhal Arn, der ältere Bruder vonZarth Arn und der Herrscher des MittelgalaktischenReichs.

»Es ist schon merkwürdig«, sagte Jhal Arn. »Dukennst mich natürlich von damals. Aber ich sehe dich... das körperliche Dich ... zum ersten Mal.«

Er streckte die Hand aus. »Zarth hat mir erzählt,daß das die Begrüßungsgeste in deiner Zeit war. Dubist willkommen in Throon, John Gordon. Du bistsehr willkommen.«

Die Worte kamen ruhig und ohne Nachdruck, aberder Handgriff war fest.

»Aber mehr davon später«, sagte Jhal Arn. »Duhast ein Problem mit nach Throon gebracht. Undnicht du allein. Wir haben wichtige Besucher von ei-nigen der engsten Verbündeten des Reichs, und siesind ebenfalls beunruhigt.«

Er ging hinüber und schaute gedankenvoll hinausauf die Stadt, deren Lichter angingen, als der Son-nenuntergang in die Dämmerung verschwand. ZweiMonde strahlten am zwielichtigen Himmel, einer von

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ihnen warm und golden und der andere geisterartigsilbern in der Farbe.

»Ein Flüstern ist durch die Galaxis gelaufen«, sagteJhal Arn. »Ein Murmeln, ein Atmen, ein Gerücht ohneUrsprung. Und es besagt, daß in der Mark des Äuße-ren Raums ein Geheimnis und eine Gefahr existiert.Nichts mehr als das. Aber gerade die völlige Unbe-stimmtheit daran hat einige verstört, die hohe Posi-tionen in den Sternenkönigreichen einnehmen, wäh-rend andere das als bloße Fantasterei verspotten.«

»Es war keine Fantasterei, der wir auf Teyn begeg-net sind«, sagte Gordon. »Korkhann kann dir berich-ten ...«

»Korkhann hat mir schon berichtet«, sagte Jhal Arn.»Ich schickte nach ihm, gleich nachdem ihr beide an-gekommen seid. Und ... es gefällt mir gar nicht, wasich da gehört habe.«

Er schüttelte den Kopf. »Später, heute nacht, wirdeine Entscheidung getroffen werden müssen. EineEntscheidung, die das politische Gefüge der Galaxiszertrümmern kann. Und dennoch müssen wir siefällen, obwohl wir nur so wenig wissen ...« Er brachab und wandte sich zum Gehen, an der Tür drehte ersich herum und schenkte Gordon ein krummes Lä-cheln. »Du hast einmal auf meinem Platz gesessen,für eine kurze Zeit, John Gordon. Ich sage dir, es istimmer noch ein qualvoller Platz.«

Als er sie verlassen hatte, sagte Zarth Arn: »Ichwerde dich in die Räume bringen, die dir und Kork-hann zugedacht sind. Ich habe darauf geachtet, daßsie diesem hier nahe sind. Wir haben noch viel, wor-über wir reden müssen.«

Er trennte sich von Gordon an der Tür zu seinen

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Räumen. Gordon ging hinein und war überraschtvom Luxus des großen Zimmers, das er betrat. ImVergleich dazu war Zarth Arns Raum spartanisch.Aber Zarth Arn war immer mehr der einfache Ge-lehrte und Wissenschaftler gewesen als irgend je-mand anderer.

Er bemerkte die Rückseite eines gefiederten Kopfesüber einem metallenen Sessel und sah, daß Korkhannvor dem offenen Fenster saß und hinaus auf das blit-zende Panorama von Lichtern blickte, die strahlendenLichter von Throon City und die fernen Lichter dergroßen Sternenlinienschiffe, die über den sternenbe-deckten Himmel herunterkamen.

Gordon ging auf das Fenster zu und um den Stuhlherum, er sagte dabei: »Mir gefällt das gar nicht, wasich gehört habe, Korkhann. Ich ...«

Dann hielt Gordon inne und rief plötzlich »Kork-hann!«

Der Gefiederte saß in unnatürlicher Unbeweglich-keit. Und sein Gesicht, das schnabelförmige Gesichtund die weisen, gelben Augen, die Gordon zuerst er-tragen und dann liebgewonnen hatte, waren fremd-artig versteinert. Die Augen waren so stumpf wiekalte, gelbe Juwelen, und sie besaßen nicht einmaldas schwächste Flackern eines Ausdrucks in sich.

Gordon ergriff Korkhann mit den Händen undfühlte die erstaunliche Schwäche und Zerbrechlich-keit des Körpers unter den Federn.

»Korkhann, was ist mit Ihnen passiert? Wachen Sieauf ...«

Nach einer Weile trat etwas in seine Augen ... eineBewußtseinswelle zog hindurch. Und tiefer Schmerz.Nur eine verdammte Seele, die für einen Sekunden-

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bruchteil vom Ort ewigwährender Bestrafung her-aussah, konnte solch einen Ausdruck besitzen.

Schweiß stand auf Gordons Stirn. Er fuhr fort,Korkhann zu schütteln und seinen Namen zu rufen.Der Schmerz erschien wieder in seinen Augen, eswar, wie wenn der Geist hinter diesen Augen einemächtige Anspannung erfuhr, und dann war es, wiewenn etwas abbrach, und Korkhann preßte sich inGordons Hände, krank und zitternd, und seine Flügelbebten wild. Unartikulierte pfeifende Töne kamenaus seiner Kehle.

»Was war das?« schrie Gordon.Es dauerte noch eine Minute, bis Korkhann mit

wilden Augen zu ihm aufschauen konnte.»Etwas, das ich – und Sie – schon vorher erfahren

haben. Nur schlimmer. Sie erinnern sich, wie derGraue auf Teyn mit der Macht seines Geistes uns nie-dergehämmert hat?«

Gordon schauderte. Er würde das niemals verges-sen können.

»Ja«, flüsterte Korkhann. »Was immer sie sein mö-gen, einer von ihnen ist hier. Hier, glaube ich, in die-sem Palast.«

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Der kaiserliche Palast von Throon pulsierte voller Le-ben und glitzerte in der Nacht. Aus Hunderten vonFenstern ergoß sich sanftes Licht und dahinwehendeMusik und das Summen von vielen Stimmen. DieAnkunft der Würdenträger der anderen Sternenkö-nigreiche war Anlaß für einen Staatsball, und in dengroßen Sälen feierte und trank die prächtige Gesell-schaft. Doch diese Gesellschaft war nicht nurmenschlich. Schuppen und Fell und Federn berührtenseidene Gewänder. Gesichter, die menschenähnlichaber nicht menschlich waren, Augen, geschlitzt unduntertassengroß und pupillenlos, schimmerten imLicht. Gargoylengestalten spazierten durch diedunklen Gärten, in denen großangelegte Pflanzungender leuchtenden Blumen von Achernar glühten.

Wie in grimmiger Mahnung, daß das Reich nichtnur eine Angelegenheit zum Bereiten von Freudewar, wurde die Musik und das Stimmengewirr voneinem gewaltigen, donnernden Gebrüll erstickt, alsvolle zwanzig Kriegsschiffe in den Sternenhimmelaufstiegen. Die kleineren Aufklärer und Phantom-schiffe waren schon kreischend gen Himmel gejagt,und jetzt hoben die großen Schlachtkreuzer ab,dunkle Massen gegen die Sternkonstellationen, diehinaus zu den Plejaden flogen und zu den riesigenFlottenbasen dort unterwegs waren.

Gordon hatte nur wenig vom festgeschmücktenTeil des Palastes gesehen. Er war mit Zarth Arn hin-ter Jhal Arn gegangen, als der Herrscher dort in Er-scheinung trat, und dann waren sie hier in die Privat-

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gemächer von Jhal Arn gekommen.Er hatte den neugierigen Blick bemerkt, den die

Gesellschaft unten auf ihn gerichtet hatte. Sie fragtensich, das wußte er warum ein rangloser Erdenmenscheinen Kaiser begleiten durfte.

Er sagte nun: »Ich fühle, daß ich bei Korkhannhätte bleiben sollen. Er war ziemlich schwer mitge-nommen.«

»Meine eigenen Wachen behüten ihn«, sagte JhalArn. »Er wird zur Sitzung bald hier sein. Und da istnoch jemand, nach dem ich geschickt habe, an den dudich, wie ich glaube, erinnern wirst, Gordon.«

Sogleich betrat ein Mann die Gemächer. Er trug dieUniform eines Kapitäns in der kaiserlichen Raum-flotte, und er war ein großer, stämmiger Mann mitwiderborstigem, schwarzem Haar und einem rauhen,kupferfarbigen Gesicht. Als er ihn sah, sprang Gor-don auf die Füße.

»Hull Burrel!«Der große Offizier schaute ihn verwirrt an. »Ich

kann mich nicht erinnern, daß wir uns schon begeg-net sind ...«

Gordon sank in seinen Sessel zurück. Natürlich er-kannte Hull ihn nicht. Sowohl für seinen bestenFreund wie auch für die Frau, die er liebte, war er einFremder. Er fühlte Bitterkeit in sich wegen der un-möglichen Situation, in die er sich selbst gebrachthatte, als er in dieses Zeitalter in seinem eigenen Kör-per gekommen war.

»Kapitän Burrel«, sagte Jhal Arn. »Erinnern Sie sichdaran, als die Liga der Dunkelwelten das Reich an-griff und der versuchte Mordanschlag mich schonniedergestreckt hatte, so daß mein Bruder als der

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herrschende Regent in dieser Krise fungiert hatte?«Ein Glühen überzog Hull Burrels zerbeultes Ge-

sicht. »Könnte ich das vergessen, Hoheit! Es warPrinz Zarth Arn, dem wir gefolgt sind, als wir die Li-ga zerschmetterten, in jener letzten Schlacht vor De-neb!«

Jhal Arn fuhr fort. »Als Shorr Kan die Armadas derLiga schickte, um uns anzugreifen, verbreitete er überFunk eine galaxisweite Propagandabotschaft. Ichmöchte, daß Sie das Band von einem Teil daraus sichansehen.«

Als Zarth Arn einen Knopf neben seinem Sesseldrückte, erschien auf der gegenüberliegenden Wandein Stereobild von lebensechter Lebendigkeit. DasBild zeigte einen sprechenden Mann.

Gordon verkrampfte sich in seinem Sessel. DerMann war groß und breitschultrig, das schwarzeHaar kurzgeschnitten, die Augen scharf und blitzend.Seine Stimme schnitt wie ein Schwertblatt, und dieganze Wirkung dieser skrupellosen, amoralischen,höhnischen Persönlichkeit kam sogar in dieser Wie-dergabe noch durch.

»Shorr Kan«, flüsterte Gordon.Er konnte den Diktator der Liga wohl nie verges-

sen, den völlig zynischen und äußerst fähigen Führer,gegen den Gordon für die Königreiche gekämpfthatte.

»Hören Sie zu«, sagte Jhal Arn.Und Gordon hörte es wieder und schien wieder in

jenen schrecklichen Augenblick versetzt zu werden.Shorr Kan sagte:»Zarth Arn kann den Disruptor nicht anwenden,

weil er überhaupt nicht wirklich Zarth Arn ist – er ist

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ein Schwindler in der Maske Zarth Arns! Ich habeunwiderlegliche Beweise dafür! Hätte ich die nicht,würde ich dann wohl die Bedrohung durch den Dis-ruptor herausgefordert haben? Das Reich kann dieseGeheimwaffe also nicht anwenden, und deshalb istdas Reich dem Verderben geweiht. Sternenkönigeund Barone, schließt euch nicht einer Sache an, diezum Untergang bestimmt ist, und schlagt euer eige-nes Gebiet nicht in Trümmer!«

Die Szene im Stereo verschwand. Hull Burreldrehte sich um, schaute verwirrt und meinte: »Icherinnere mich daran, Hoheit. Seine Anschuldigungwar so lächerlich, daß niemand ihr irgendeine Be-achtung schenkte.«

»Die Anschuldigung war wahr«, sagte Jhal Arnmatt.

Hull Burrel starrte seinen Herrscher an, die Un-gläubigkeit war groß auf sein Gesicht geschrieben. Ersetzte zum Sprechen an, dann ließ er es lieber. Er sahzu Zarth Arn.

Zarth Arn lächelte. »Ja. Shorr Kan sprach dieWahrheit. Nur wenige wissen es, aber in den vergan-genen Jahren benutzte ich wissenschaftliche Metho-den, um den Geist mit Menschen anderer Welten undZeiten auszutauschen. Ein solches Experiment ge-schah mit dem Mann neben Ihnen ... John Gordon derErde. Es war Gordon, der in meinem Körper Regentdes Reichs im Augenblick der Krise war. Und ShorrKan hatte es herausgefunden.«

Er berührte wieder eine Kontrolle und sagte: »Siewerden sich erinnern, daß, nachdem die Flotte derLiga zerschmettert war, die Männer der Dunkelwel-ten ihre Niederlage eingestanden und um Waffen-

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stillstand baten. Und das war ihre Kapitulationserklä-rung über Telestereo, die Sie auch damals gesehenhaben ...«

Eine andere Szene blitzte auf der Wand auf, eine,die für immer in Gordons Erinnerung eingeätzt war.In einem Zimmer in Shorr Kans Palast erschien eineGruppe wildaussehender Männer, und einer davonsprach rauh:

»Wir sind mit Ihren Bedingungen einverstanden,Prinz Zarth. Unsere Schiffe werden sofort in dieDocks gebracht und entwaffnet werden. Sie könnenin ein paar Stunden einfliegen. Shorr Kans unheil-volle Tyrannei ist niedergeworfen. Als er sich wei-gerte, sich zu ergeben, erhoben wir uns in Rebelliongegen ihn. Ich kann das beweisen, indem ich Sie ihnsehen lasse: Er liegt im Sterben!«

Die Szene wechselte abrupt in ein anderes Zimmerdes Palastes. Hinter einem Schreibtisch saß ShorrKan. Männer um ihn herum hatten ihre Waffen aufihn gerichtet, sein Gesicht war marmorweiß, und ergriff nach einer geschwärzten Wunde in seiner Seite.Seine stumpfen Augen klärten sich einen Augenblick,und er grinste schwach.

»Du gewinnst«, sagte er. »Ich dachte niemals, daßdu es wagen würdest, den Disruptor auszulösen.Narrenglück, daß du dich nicht selbst mit ihm ver-nichtet hast. Eine teuflische Art und Weise für mich,so zu enden, nicht wahr? Aber ich will nicht klagen.Ich hatte ein Leben, und ich nützte es bis zur Neige.Du bist im Grunde von derselben Art, deswegenmochte ich dich gut leiden.« Seine Stimme ging in einFlüstern über. »Vielleicht bin ich ein Mensch, der ei-gentlich aus deiner Welt stammt, Gordon? Geboren

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außerhalb meiner Zeit? Vielleicht ...«Und er streckte sich vorwärts über den Schreibtisch

und blieb unbeweglich liegen, und einer der grim-miggesichtigen Männer beugte sich über ihn, um ihnzu untersuchen, und sagte dann: »Er ist tot. Es wärefür die Dunkelwelten besser gewesen, wenn er niegeboren worden wäre.«

Die wiedergegebene Szene brach ab. Nach einemAugenblick betäubter Stille sprach Hull Burrel in ei-ner Stimme, die seine Verblüffung zeigte.

»Ich erinnere mich daran. Ich konnte nicht verste-hen, was er damit gemeint hatte, als er Prinz Zarth als›Gordon‹ ansprach. Niemand von uns konnte das.«Er warf sich herum, bis seine verwirrten Augen inGordons Gesicht blickten. »Dann sind Sie derjenigegewesen, der mit mir in jener Schlacht gewesen ist?Sie ... derjenige, der Shorr Kan besiegte?«

Zarth Arn nickte. »So ist es.«Gordon holte tief Atem, und dann streckte er die

Hand aus und sagte: »Hallo, Hull!«Der Antarier – Hull Burrel war auf einem Planeten

von Antares geboren – starrte ihn weiterhin sprachlosan, dann ergriff er Gordons Hand und fing an, aufge-regt loszuplappern. Er wurde durch das plötzlicheEintreten Korkhanns unterbrochen.

Auf eine Frage von Jhal Arn antwortete Korkhann:»Ja, Hoheit, ich bin völlig wiederhergestellt.«

Gordon bezweifelte das. Die gelben Augen warenbeunruhigt, und es war eine Angst in dem schnabel-förmigen Gesicht, die er vorher noch nicht gesehenhatte.

»Der Palast ist durchsucht worden, und man hatkeine Spur dieses geheimnisvollen Angreifers gefun-

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den.« Jhal Arn sagte das. »Berichten Sie uns genau,was geschehen ist.«

Korkhanns Stimme verfiel in ein Flüstern. »Es gibtnur wenig, was ich berichten kann. Es war dasselbeGefühl eines allesüberwältigenden mentalen Angriffs,wie ich es auf Teyn gespürt hatte, nur stärker undunwiderstehbarer. Ich konnte es diesmal nicht be-kämpfen, nicht einmal eine Sekunde lang. Danachwußte ich nichts mehr, bis Gordons Rufen undSchütteln mich wieder zu Bewußtsein brachte. Aber... ich glaube, daß, während ich in diesem Griff ge-halten wurde, mein Gehirn untersucht worden ist, allmeine Erinnerungen und mein Wissen durchwühltworden sind – und das von einem Telepathen, mitdem ich verglichen ein Kind bin.«

Jhal Arn lehnte sich vor. »Sagen Sie mir: als seineKraft Sie packte, hatten Sie da das Gefühl einer geisti-gen Kälte?«

Korkhann schaute erstaunt auf. »Wie konnten Siedas erraten, Hoheit?«

Jhal Arn antwortete nicht, aber zwischen ihm undseinem Bruder blitzte ein Blick, der grimmig und dü-ster war.

Ein Kammerdiener betrat das Zimmer und kündigteWürdenträger an, die Jhal Arn in formellem Protokollbegrüßte. Gordon, als er die Namen einiger hörte undandere erkannte, war aufs äußerste erstaunt.

Nicht weniger als drei Sternenkönige waren zudiesem Geheimtreffen gekommen: der junge SathShamar vom Nordsternreich Polaris, der bejahrte Kö-nigliche Regent von Cassiopeia und der dunkle, ge-rissen wirkende Herrscher des Königreichs von Ce-pheus. Dazu waren Kanzler von zwei weiteren Kö-

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nigreichen anwesend und auch einer der gewaltig-sten der machtvollen Herkules-Barone, Jon Ollen.Seine Domäne erstreckte sich so weit vom Herkules-Sternhaufen bis zum Rand des Mark, daß sie tatsäch-lich größer war als einige der kleineren Königreiche.Er sah jetzt wie ein besorgter Mann aus, sein leichen-blasses Gesicht zeigte einen düsteren Ausdruck.

Gordon kannte die Galaktographie gut genug, umzu erkennen, daß jedes Reich, das hier vertreten war,nahe der Mark des Äußeren Raums lag.

Jhal Arn begann ohne Einleitung. »Sie haben alledie Gerüchte gehört, daß gewisse Markgrafen einengeheimnisvollen und gefährlichen Angriff vorberei-ten. Er bedroht Sie alle, aber zuerst bedroht er Fomal-haut, weshalb Korkhann und mein Freund John Gor-don hierher gekommen sind.«

Jhal Arn betonte das Wort ›Freund‹, und die Män-ner, die Gordon bis zu diesem Augenblick nicht be-achtet hatten, blickten ihn scharf an.

Jhal Arn fuhr fort:»Berichten Sie ihnen, was auf Teyn geschehen ist,

Korkhann.«Korkhann berichtete ihnen vom Versuch Narath

Teyns, sich Liannas zu bemächtigen, und das mit Hil-fe Verbündeter, die nicht allein gewisse Markgrafenwaren, sondern auch ein verhüllter Fremder, vondem niemand je sein Gesicht noch seinen Körper ge-sehen hatte, aber dessen schreckliche mentale Machtsie hatten erleiden müssen.

Nachdem er geendet hatte, war Stille. Dann sagteder junge Sath Shamar gequält: »Von geheimnisvol-len verhüllten Fremden haben wir nichts gehört. Aberin letzter Zeit sind die Markgrafen uns gegenüber auf

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Polaris anmaßend geworden und haben uns mit Waf-fen bedroht, von denen sie sagen, daß sie uns zerstö-ren könnten.«

Der mit verkniffenem Gesicht dasitzende Herrschervon Sepheus fügte nichts hinzu, doch der alte Regentvon Cassiopeia nickte Zustimmung. »Es ist da etwasin der Mark ... nie sind die Grafen uns gegenüber sounverschämt gewesen.«

Korkhann sah den Baron an und sagte sanft: »Siehaben noch etwas mehr als das, Jon Ollen? Es scheintmir, daß Sie uns noch etwas vorenthalten.«

Jon Ollens leichenblasses Gesicht überzog sich vollZorn mit matter Röte, und er rief aus: »Ich möchtenicht in meinen Gedanken gelesen haben, Telepath!«

»Und wie«, fragte Korkhann mißbilligend, »könnteich das tun, wenn Sie einen Schild um Ihre Gedankentragen, seitdem Sie dieses Zimmer betreten haben?«

Jon Ollen sagte mürrisch:»Ich bin nicht auf Ärger aus. Meine Baronie liegt

direkt neben der Mark, näher als irgendeine von Ih-ren Domänen. Wenn es dort eine Gefahr gibt, dannbin ich davon am ehesten verwundbar.«

Jhal Arns Stimme klang entschieden. »Sie sind einVerbündeter des Reichs. Wenn eine Gefahr Sie an-greift, sind wir sofort bei Ihnen. Falls Sie etwas wis-sen, sagen Sie es.«

Jon Ollen schaute unentschlossen, gequält, beunru-higt. Es dauerte eine Minute, bis er sprach.

»Ich weiß wirklich nur wenig. Aber ... innerhalbder Mark, nicht weit von unserer Grenze, ist eineWelt namens Aar. Und geheimnisvolle Dinge sindgeschehen, die sich auf diese Welt zu konzentrierenscheinen.«

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»Was für Dinge?«»Ein Handelsschiff kehrte aus der Mark zurück in

meine Baronie, es hielt dabei einen völlig wirren Kursein. Unsere Kreuzer konnten sein Verhalten nichtverstehen. Sie holten es ein und enterten es. JederMann an Bord war tollwütig. Die automatische Log-Aufzeichnung zeigte, daß das Schiff zuletzt Aar be-rührt hatte. Dann schickte ein anderes Schiff, das na-he an Aar vorbeiflog, einen Notruf aus, der plötzlichüberdeckt wurde. Und von jenem Schiff wurde niewieder etwas gehört.«

»Was noch?«Jon Ollens Gesicht wurde länger. »Er kam an mei-

nen Hof, Markgraf Cyn Cryver. Er sagte, daß gewissewissenschaftliche Experimente Aar gefährlich ge-macht hatten und schlug vor, daß wir allen SchiffenBefehl geben, den Planeten zu meiden. Aber ›vor-schlagen‹ ist kaum das richtige Wort ... er befahl uns,das zu tun.«

»Es scheint wohl«, murmelte Jhal Arn gedanken-voll, »daß Aar mindestens ein Brennpunkt des Ge-heimnisses ist.«

»Wir könnten eine Schwadron dorthinein schicken,um es rasch herauszufinden«, sagte Zarth Arn.

»Aber was ist, wenn dort wirklich nichts ist?« riefJon Ollen. »Die Grafen würden mich für den Einfallverantwortlich halten. Sie müssen meine Positionverstehen.«

»Wir verstehen sie«, versicherte Jhal Arn ihm. Undzu seinem Bruder gewandt, meinte er: »Nein, Zarth.Der Baron hat recht. Wenn dort nichts ist, hätten wirdie Grafen durch eine Invasion in ihre Domäne ver-ärgert, was dazu führen könnte, daß ein Grenzkrieg

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überall an der Mark beginnt. Wir werden einen Auf-klärer ohne Hoheitszeichen in die Mark schlüpfenlassen, mit ein paar Mann, die den Ort in Augen-schein nehmen können. Kapitän Burrel, Sie könnensie anführen.«

Gordon ergriff das erste Mal bei dieser Zusam-menkunft das Wort: »Ich werde mit Hull mitfliegen.Schauen Sie, ich bin der Einzige – außer Korkhann,der für diese Art Mission nicht geeignet ist –, der ei-nen der verborgenen Verbündeten des Grafen gesehenhat. Auf Teyn, wenn Sie sich erinnern.«

»Warum bin ich für eine solche Mission nicht ge-eignet?« verlangte Korkhann zu wissen, seine Federnschienen sich ärgerlich zu sträuben.

»Weil niemand sonst so gut geeignet ist, PrinzessinLiannas rechte Hand zu sein, und sie darf Sie nichtverlieren«, sagte Gordon besänftigend.

»Das ist eine riskante Sache«, murrte Jon Ollen.»Ich bitte Sie um eins ... wenn Sie gefaßt werden,verwickeln Sie mich nicht da mit hinein.«

»Ihre Sorge um die Sicherheit meiner Freunde istüberwältigend«, meinte Jhal Arn ätzend.

Der Baron beachtete den Sarkasmus nicht. Er standauf. »Ich werde sofort heimkehren. Ich will nicht zusehr in diese Angelegenheit verwickelt werden. Ho-heiten ... meine Herren ... gute Nacht.«

Als er hinausgegangen war, gab Sath Shamar einenFluch von sich. »Das ist das, was ich von ihm erwar-tet habe. In der Schlacht gegen die Dunkelwelten, alsdie anderen Barone der Galaxis ein Beispiel imRaumkampf gaben, werden wir nie vergessen, daß ersich zurückhielt, bis sicher war, daß Shorr Kan be-siegt war.«

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Jhal Arn nickte. »Aber die strategische Position sei-ner Domäne macht ihn als Verbündeten so wertvoll,deshalb müssen wir uns seine Selbstgefälligkeit ge-fallen lassen.«

Als die Sternenkönige und Kanzler gegangen wa-ren, blickte Jhal Arn Gordon ein wenig traurig an.

»Ich wünschte, du würdest dich nicht zum Gehenaufmachen, mein Freund. Bist du zu uns zurückge-kommen, nur um dein Leben aufs Spiel zu setzen?«

Gordon sah Korkhann ihn anschauen und wußte,was in seinen Gedanken lag. Er dachte an Liannasbitteren Abschied, ihre Anklage, daß es die Gefahrund die wilde Schönheit dieses viel größeren Univer-sums war, die ihn hierher zurückgezogen hatte, undnicht die Liebe zu ihr. Er sagte sich eigensinnig, daßdas nicht wahr war.

»Du hast selbst gesagt«, erinnerte er Jhal Arn, »daßdiese Gefahr hauptsächlich Fomalhaut bedroht. Undwas immer Lianna bedroht, geht mich etwas an.«

Er war nicht sicher, daß Jhal Arn ihm glaubte – under war völlig sicher, daß Korkhann ihm keinesfallsglaubte.

Drei Tage später lag ein sehr kleines Schiff im militä-rischen Raumhafen von Throon. Es war ein Phan-tomaufklärer, von dem alle Insignien entfernt wur-den. Die kleine Besatzung trug keine Uniformen,auch Kapitän Hull Burrel nicht, der sie befehligensollte.

Im Palast erhielt Gordon, bevor er abflog, noch eineletzte Mitteilung von Zarth Arn.

»Wir hoffen, daß du mit Informationen zurück-kommst, John Gordon. Aber wenn nicht ... dann wer-

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den in dreißig Tagen drei vollständige Reichsschwa-dronen sich nach dieser Welt Aar aufmachen.«

Gordon war überrascht und ein wenig erschreckt.»Aber das könnte in der Mark zum Krieg führen.Dein Bruder meinte das.«

»Es gibt schlimmere Dinge als ein Grenzkrieg«,sagte Zarth Arn düster. »Du mußt dich unserer Ge-schichte erinnern, die du damals erfahren hast. Duerinnerst dich an Brenn Bir?«

Der Name klang in Gordons Gedächtnis. »Natür-lich. Dein ferner Ahn, der Begründer eurer Dynastie... der Anführer, der die fremde Invasion aus demMaggellan'schen Wolken außerhalb der Galaxis zu-rücktrieb.«

»Und der dabei einen Teil der Galaxis vernichtete«,nickte Zarth Arn. »Wir haben noch seine Aufzeich-nungen, Archive, von denen die Galaxis nichts weiß.Und ein Detail in der Beschreibung, die du undKorkhann uns von dem verhüllten Fremden auf Teyngegeben haben, ließ uns in jene Archive schauen.«

Gordon fühlte eine erschreckende Vermutung, undsie wurde von Zarth Arns nächsten Worten bestätigt.

»Die Aufzeichnungen Brenn Birs beschreiben dieFremden aus der Magellan'schen Wolke: sie besitzeneine mentale Kraft, die so schrecklich ist, daß keinMensch oder Nichtmenschlicher ihr widerstehenkann. Nur durch die Vernichtung des Raums und ih-rer Herausschleuderung aus dieser Dimension warenjene Invasoren besiegt worden. Und nun ... scheint es,daß nach all diesen Tausenden von Jahren sie wiederzurückkommen.«

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Die Mark des Äußeren Raums war ursprünglich einGebiet gewesen, das nur ungenau begrenzt war. Frü-he Galaktographen hatten es definiert als jenen Teilder Galaxis, der zwischen den östlichen und südli-chen Königreichen und dem Rand dieser Insel imUniversum lag. Denn als im zweiundzwanzigstenJahrhundert die drei Erfindungen der überlicht-schnellen Subspektrum-Strahlen, der Massenkon-trolle und der Stasis-Kraft, die die Körper der Men-schen barg, so daß sie von extremen Geschwindig-keiten und Beschleunigungen nicht angegriffen wur-den – als das die Interstellarfahrt möglich machte unddie menschliche Sippe von der Erde aus sich über dieGalaxis ergoß, um sie zu kolonisieren, waren es diegrößeren Sternensysteme, zu denen die Menschenzogen, und nicht die Randgebiete. Jahrtausende spä-ter, als die fernen Systeme sich der Herrschaft der Er-de entzogen hatten und unabhängige Königreichegebildet hatten, waren in jenen Königreichen kühneAbenteurer hinaus in die Sternenwildnis gezogenund hatten sich dort kleine Domänen errichtet, die oftnur durch einen Stern und einen Planeten begrenztwaren.

Diese Markgrafen, wie sie sich selbst nannten, wa-ren schon immer ein zäher und unverschämter Schlaggewesen. Sie schuldeten keinem Sternenkönig Lehen-streue, obwohl sie eine nominelle Allianz mit demReich hatten, die die anderen Königreiche davon ab-hielt, in ihre kleinen Gebiete einzufallen. Diese Ge-gend war lange ein Brennpunkt der Intrige gewesen,

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ein Refugium für Outlaws, ein Ärgernis für die Ge-samtpolitik der Galaxis. Aber jeder eifersüchtigeSternenkönig verhinderte, daß sein Rivale die Markübernahm, und so hatte die Lage überdauert.

Und das, dachte Gordon, ist verflucht schlimm.Wenn dieser anarchistische Sternendschungel aufge-räumt worden wäre, würde er jetzt nicht solche Ge-fahr beherbergen. Er fragte sich, wie viele der Grafenmit Cyn Cryver an der Verschwörung beteiligt wa-ren. Es mußten noch andere sein, weil Cyn Cryverallein nicht genügend Schiffe für irgendeine bedeu-tende Aktion bereitstellen konnte. Falls eine bedeu-tende Aktion das war, was sie planten.

Der kleine Phantomaufklärer war nun tief inner-halb der Mark und bewegte sich auf einem abgelege-nen Kurs. In interstellaren Maßstäben war die Ge-schwindigkeit des Aufklärers langsam. Seine Vertei-digungsausrüstung war fast nicht vorhanden, undseine Angriffswaffen waren nicht mehr als ein paarGeschosse. Aber er besaß einen hohen Vorteil für eineso verstohlene Mission wie diese: die Fähigkeit zuverschwinden. Das war der Grund, warum es Phan-tomschiffe in der Flotte jedes Königreichs gab.

»Es wäre sicherer, zu verdunkeln«, sagte Hull Bur-rel stirnrunzelnd. »Aber dann würden wir selbstblind fliegen, und ich möchte das nicht in diesemDurcheinander tun.«

Gordon dachte, wenn das ein Durcheinander war,dann war es ein eindrucksvolles. Dutzende von Ster-nen brannten wie große Smaragd- und Rubin- undDiamantenleuchten in der dunklen Düsternis. DerRadarschirm zeigte Driftstellen zwischen diesen Ster-nensystemen an, und hier und da war die Mark

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durch große Schwärze, durch Schlingen und Spurenkosmischen Staubs aufgerissen.

Er blickte den Weg, den sie gekommen waren, zu-rück zum Herkules-Sternhaufen, der wie glänzendeMotten loderte, die dicht um eine Lampe schwärm-ten, und zum fern glimmenden Funken Canopus. Erhoffte, daß sie noch leben würden, um dahin zurück-zukehren. Er blickte nach vorne, und seine Vorstel-lungskraft sprang über die Sterne, die er sehenkonnte, hinaus zu jenen, die außerhalb des Randlan-des lagen, außerhalb der Spirale: hinausfliegendeSternenarme, die die kreisende Galaxis umsäumtenund jenseits derer nichts war bis zu den fernen Ma-gellan'schen Wolken.

»Sie liegen zu weit entfernt«, sagte er zu Hull.»Zarth Arn muß unrecht haben, es können keine Ma-gellanier in der Mark sein. Wenn sie gekommen wä-ren, dann wären sie nicht als verstohlene Eindring-linge gekommen sondern in einer großen Invasion.«

Hull Burrel schüttelte den Kopf. »Auf diese Weisesind sie schon einmal gekommen, wie die Historikerbehaupten. Und sie sind vernichtet worden, als BrennBir den Disruptor auf sie anwendete. Sie könnten esdiesmal auf eine andere Weise versuchen.« Der großeAntarier-Kapitän fügte hinzu: »Aber ich kann es auchnicht glauben. Es liegt so lange zurück.«

Das kleine Phantomschiff fädelte weiter seinen lan-gen Weg in die Mark hinein, umsäumte dabei großeDriftgebiete, die sich wie Flüsse durch den Raum er-gossen, lavierte sich vorbei und wand seinen Weg umriesige, ausgebrannte Dunkelsterne herum undschwenkte weit um bewohnte Systeme.

Schließlich kam der Augenblick, als Hull Burrel,

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der auf den Sichtschirm lugte, auf einen kleinen, hellorangefarbenen Stern zeigte, der ferne glitzerte.

»Das ist sie. Die Sonne von Aar.«Gordon sah hin. »Und jetzt?«»Jetzt verdunkeln wir«, grunzte der Antarier. »Und

von hier an wird es eine verflucht heikle Navigationwerden.«

Er gab einen Befehl. Alarm klingelte durch dasSchiff. Die großen Verdunklungsgeneratoren achternbegannen laut zu dröhnen. Im selben Augenblickwürden alle Sichtschirme und Radarschirme dunkelund leer.

Gordon war schon damals in Phantomschiffen ge-wesen und hatte dieses Phänomen erwartet. Die Ge-neratoren hatten eine Aura einer mächtigen Kraft umdas Schiff aufgebaut, und diese Kraft lenkte jedenLichtstrahl oder Radarstrahl, der es traf, ein wenig ab.Das Phantomschiff war vollständig unsichtbar so-wohl für das Auge wie auch für das Radar, aberdurch ebendiesen Vorteil konnten diejenigen imSchiff gleichfalls nichts außerhalb sehen. Die Naviga-tion mußte jetzt mit Hilfe des speziellen Sub-Ultra-Radars geschehen, durch das das Phantomschiff sichlangsam einen Weg vorwärts ertasten konnte.

In der folgenden Zeit dachte Gordon, daß die Si-tuation bemerkenswert ähnlich der eines U-Bootesdes zwanzigsten Jahrhunderts war, das sich seinenWeg durch die Tiefen des Ozeans ertastete. Es wardas gleiche Gefühl der Blindheit und Fast-Hilflosigkeit vorhanden, die gleiche Furcht vor einerKollision – in diesem Fall mit einem Brocken Drift,den das sich abmühende Radar nicht aufnehmenkonnte – und das gleiche halb hysterische Sehnen,

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das Sonnenlicht wiederzusehen. Und die Qual gingweiter und weiter, der Schweiß stand in feinen Trop-fen auf Hull Burrels Stirn, als er das kleine Schiff nä-her auf die einzigen Planeten des orangefarbenenSterns hinlenkte.

Schließlich gab Hull einen Befehl, und das Schiffhing bewegungslos. Er wandte sein schweißglitzern-des Gesicht Gordon zu.

»Wir müßten genau über der Oberfläche von Aarsein, aber das ist alles, was ich sagen kann. Ich bete zuGott, daß wir nicht gerade genau über den Köpfenunserer Feinde aus der Verdunklung herauskom-men.«

Gordon zuckte die Achseln. »Jon Ollen sagte, daßes nicht viel auf dieser Welt gebe, daß sie hauptsäch-lich wild sei.«

»Was ich mag, ist ein Optimist, der keine direkteVerantwortung trägt«, knurrte der Antarier. »In Ord-nung. Verdunklung weg!«

Das Dröhnen der Generatoren erstarb. Sofort ergoßsich in die Brücke durch die Sichtschirme eine Flutorangefarbenen Sonnenlichts. Sie äugten gespannthinaus und blinzelten in den Glanz.

»Ich entschuldige mich, Optimist«, sagte Hull. »Eskönnte nicht besser sein.«

Das kleine Schiff hing in gleicher Höhe mit demhöchsten Laubwerk eines goldenen Waldes. DiePflanzen – Gordon konnte sie sich nicht als Bäumevorstellen, obwohl sie so groß waren – waren zehnbis zwölf Meter hoch, anmutige Büschel von dunkel-grünen Stämmen, deren Äste große Mengen von fe-derartigen, goldgelben Blättern trugen. Sie besaßeneine ferne, aber beunruhigende Ähnlichkeit mit den

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Bäumen auf Teyn, und Gordon schauderte, er hoffte,daß das kein böses Omen war. So weit das Augereichte, gab es nichts als das Dach des Waldes, das imLicht der orangefarbenen Sonne glitzerte.

»Bringen Sie das Schiff schnell hinunter!« befahlHull. »Wir könnten gerade hier oben vom Radar er-reicht werden.«

Das Phantomschiff sank durch die Massen spitzen-förmigen Goldes und landete in einem Gehölz auszahlreichen Stämmen auf weichem Boden. Er war miteinem kupferfarbenen Gestrüpp bedeckt, dasschwarze Früchte trug.

Gordon, der fasziniert durch den Bildschirm hin-ausäugte, rief plötzlich: »Da ist etwas!«

Der Antarier sprang an seine Seite: »Was?«»Jetzt ist es weg«, sagte Gordon. »Es war etwas

Kleines, fast Unsichtbares, das unter dem Gestrüppdavongeschossen ist.«

Die anderen schauten zweifelnd. »Im Sternenlog istdiese Welt Aar als unbewohnt aufgeführt. Es wareinmal ein Versuch gestartet worden, sie zu koloni-sieren, aber die Kolonisten sind von ihren gefahrvol-len Umweltbedingungen vertrieben worden. Daskönnte vielleicht ein Ungeheuer gewesen sein.«

Gordon zweifelte. »Es erschien zu klein.«»Nichtsdestoweniger sehen wir uns besser um, be-

vor wir durch diese Wälder dreschen«, sagte derAntarier entschieden. Er sprach zur Mannschaft aufder Brücke: »Sie und ich werden hinausgehen, Var-ren. Volle Bewaffnung.«

Gordon schüttelte den Kopf. »Ich werde mit Varrengehen. Einer von uns muß bleiben, um die Mission zuvollenden, wenn dem anderen etwas zustößt ... und

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der Zurückbleibende sollte besser derjenige sein, derdas Schiff von hier heraus heimsteuern kann.«

Als Gordon und Varren aus dem Schiff hinausstie-gen, trugen sie Anzüge, die in doppelter Weise alsRaumanzüge und Verteidigungsbewaffnung dienten,und hatten Helme auf. Sie trugen Waffen.

Gordon, der unsicher umherschaute, begann sichein wenig albern zu fühlen. Nichts rührte sich außerdem goldenen Blattwerk hoch über ihnen, das sich indem leichten Wind wiegte.

Seine Schallaufnahme im Helm brachte ihm keineLaute außer den schwachen Geräuschen des Waldes.

»Wo war dieses Ding, das Sie gesehen haben?«fragte Varren. Seine Stimme war sehr höflich.

»Diese Richtung etwa«, meinte Gordon. »Ich weißnicht ... es könnte ein wehendes Blatt gewesen sein...«

Er hielt plötzlich inne und sah hoch. Fast vier Meterüber dem Boden war, solide in einer Gabelung einesder Bäume befestigt, eine merkwürdige Struktur, dievage an das Sommernest eines Eichhörnchens erin-nerte. Nur war das kein zerrissenes Ding aus Zwei-gen und Blättern, sondern ein massiver kleiner Ka-sten von geschnittenem Holz mit einer Tür an derSeite.

»Es ist dahin gegangen«, zeigte Gordon. »SchauenSie!«

Varren schaute. Er sah eine lange Zeit hinauf, unddann gab er er einen leisen Fluch von sich.

»Ich werde dorthinauf klettern, um einen Blickdarauf zu werfen«, erklärte Gordon. »Wenn es das ist,was ich dachte, das ich sah, wird es nicht zu gefähr-lich sein. Wenn nicht, dann geben Sie mir Deckung.«

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Das Klettern wäre nicht schwierig gewesen, wennnicht der klobige Anzug gewesen wäre. So schwitzteer, als er eine Gabelung erreichte, auf der er stehenkonnte und wo er sein Gesicht in gleicher Höhe mitdem kleinen Kasten hatte.

Sanft drückte er gegen die kleine Tür. Ein schwa-ches Schnappen zeigte an, daß ein winziger Hakenbrach. Er drückte weiter, aber es war schwer ... etwas,jemand hielt die Tür von innen fest.

Dann gab der Widerstand nach, und Gordonschaute hinein. Zuerst sah er nichts außer einer pur-purfarbenen Dunkelheit. Aber das heiße, orangefar-bene Sonnenlicht, das sich durch die offene Tür hin-einergoß, enthüllte Einzelheiten, als seine Augen sichdarauf einstellten.

Diejenigen, die versucht hatten, die Tür gegen ihnfestzuhalten, kauerten jetzt voller Schrecken an derentfernten Seite des kleinen Raums. Sie waren nichtviel mehr als dreißig Zentimeter hoch, und von ihrerGestalt her waren sie durchaus menschlich. Sie warennackt: ein Mann, eine Frau, und das einzig Fremdar-tige an ihnen, abgesehen von ihrer Größe, war dieTatsache, daß ihre Körper halbdurchsichtig waren,lichtdurchlässig wie Plastik. Er konnte Einzelheitender Wandoberfläche direkt durch sie hindurch sehen.

Sie kauerten, und Gordon starrte sie an, und dannhörte er den Mann mit einer winzigen Stimme spre-chen. Er konnte es kaum hören, aber es war keineSprache, die er kannte.

Nach einem Augenblick glitt er runter auf den Bo-den. Er deutete hinauf und sagte zu Varren: »SehenSie selbst. Vielleicht können Sie ihre Sprache verste-hen.«

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»Ihre was!« fragte Varren. Er sah Gordon an, alszweifelte er an seinem Verstand.

Dann kletterte er ebenfalls hinauf.Es dauerte lange, bis Varren wieder hinunterkam.

Als er kam, sah er unwohl aus.»Ich habe mit ihnen gesprochen«, sagte er und

wiederholte es dann, wie wenn er es nicht glaubenwürde: »Ich habe mit ihnen gesprochen. O ja, ichkonnte sie verstehen. Wissen Sie, vor ein paar tau-send Jahren waren sie von unserem eigenen Volk.«

Gordon sah ihn ungläubig an. »Diese Wesen? Aber...«

»Die Kolonisten«, erklärte Varren. »Die, über dieKapitän Burrel im Log las, die von hier durch schäd-liche Umweltbedingungen vertrieben worden sind.Sie sind nicht alle fortgezogen. Einige waren schonvon der Gefahr besiegt worden: ein chemischer Be-standteil entweder in der Luft oder im Wasser hier,der nach einigen Generationen den menschlichenKörper sich zu dieser Kleinheit entwickeln ließ.«

Varren schüttelte den Kopf. »Arme, kleine Kerle.Sie konnten mir das nicht so berichten, aber ichkonnte es mir von den wenigen Stückchen der Le-gende zusammenreimen, die sie mir erzählten. Es istmeine Vermutung, daß sie zu dieser Halbdurchsich-tigkeit mutiert sind, als eine Tarnung zur Verteidi-gung gegen andere Wesen hier.«

Gordon schauderte. Es gab Schönheit und Wunderzwischen den Sternen, aber es gab auch Schrecken.

»Eines habe ich noch gehört«, fügte Varren hinzu.»Sie haben schreckliche Angst vor etwas da draußenim Westen. Ich habe das von ihnen herausbekommen,aber nicht mehr.«

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Als sie zurück zum Schiff kamen, war es die letzteBemerkung, die Hull Burrel am meisten interessierte.

»Das paßt«, sagte er. »Wir haben einen Schwenkmit dem Sub-Ultra-Radar gemacht, und es hat defini-tiv große Metallkonstruktionen einige hundert Kilo-meter im Westen gezeigt. Auf dieser Welt – und daskann nur der Ort sein, nach dem wir suchen.«

Der Antarier dachte einen Augenblick nach, dannsagte er entschieden: »Wir können diese Entfernungnicht zu Fuß zurücklegen. Wir werden die Nacht ab-warten und das Schiff näher heranbringen. Wenn wiruns dicht an den Baumwipfeln halten, könnte das ihrRadar täuschen.«

Die Nacht auf Aar war eine schwere Dunkelheit,denn diese Welt besaß keinen Mond. Das Phantom-schiff brummte über das Laub, das im Licht der Ster-ne glitzerte, der verstreuten, einsamen Sterne derMark. Hull Burrel stand an den Kontrollen. Gordonstand ruhig dabei und sah durch das Sichtfenster.

Er dachte, er sähe endlich etwas: etwas weit vorne,das trübe schimmernde Reflexe des Sternenlichts zu-rückwarf. Er begann zu sprechen, aber Hull nickte.

»Ich habe es schon. Wir gehen runter.«Gordon wartete. Anstatt sofort hinunterzugehen,

glitt das kleine Schiff nach oben – wie er annahm, aufder Suche nach einer freien Öffnung, um in den Waldhinabzusinken.

Er warf seinen Blick auf das Teleskop und äugtehindurch. Das Schimmern des Metalls vor ihnensprang näher, und jetzt konnte er erkennen, daß dieundeutlichen Metallmassen Gebäude einer kleinenStadt waren. Dort waren Kuppeln, Straßen, Mauern.Aber es gab nicht ein einziges Licht dort, und er

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konnte erkennen, daß schon vor langer Zeit der Waldin die Straßen der Stadt eingedrungen war, ihre Wegewaren mit Laubwerk überdeckt. Ohne Zweifel wardas ein Mittelpunkt jener tragisch untergegangenenKolonie vor vielen Jahrhunderten gewesen.

Aber da waren ein paar verhüllte Lichter jenseitsder Stadt. Er berührte die Adjustierung des Tele-skops. Er konnte nur wenig erkennen, aber es schienso, daß der alte Sternenhafen der toten Stadt jenseitsgelegen hatte, eine dunkle, glatte Fläche, die derWald noch nicht hatte überwältigen können.

Gordon konnte gerade das Schimmern und die Ge-stalt von ein paar Schiffen wahrnehmen, die dort ge-parkt waren. Sie waren kleine Schiffe der Fünferklas-se, nicht viel größer als der Phantomaufklärer. Aberein Schiff lag dort, das etwas Sonderbares in seinemUmriß hatte.

Er wandte sich um, das Hull Burrel zu sagen, undals sein Auge das Teleskop verließ, sah er, daß ihrSchiff immer noch geradeausglitt und noch nicht mitdem Absinken begonnen hatte.

Gordon rief aus: »Was machen Sie da? Haben Sievor, vor deren Haustür zu landen?«

Der Antarier antwortete nicht. Gordon ergriff sei-nen Arm. Hull Burrel riß ihn los und schlug Gordondabei.

Aber in diesem Augenblick hatte Gordon Hulls Ge-sicht gesehen. Es war steinern, unbeweglich, die Au-gen bar jeder Regung oder Wahrnehmung. Wie einBlitz traf Gordon die Erkenntnis.

Er krümmte sich und warf sich in einem verzwei-felten Sprung gegen den Antarier. Er schlug Hull vonden Kontrollen weg, aber nicht bevor es dem Antarier

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in seinem verzweifelten Versuch, sich an ihnen fest-zuhalten, gelungen war, ihnen einen harten Ruck zugeben. Der Phantomaufklärer stand plötzlich auf demKopf und tauchte dann gerade hinab durch dasLaubwerk.

Gordon fühlte, wie die Metallwand gegen seineSchläfe schlug, und dann war da nur Dunkelheit, indie er fiel und fiel ...

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In der Dunkelheit hörte Gordon die Stimme eines to-ten Mannes.

»So sieht er also aus«, sagte die Stimme.Wessen Stimme war das? Gordons schmerzge-

quältes Hirn konnte sich nicht erinnern. Aber wiekonnte er dann wissen, daß es die Stimme eines totenMannes war? Er wußte nicht, wieso er das wußte,aber er war sicher, daß der Mann, der gesprochenhatte, gestorben war.

Er mußte seine Augen öffnen und sehen, wer eswar, der nach seinem Tod sprach. Er strengte sich an.Und mit der Anstrengung walzten Schmerz undSchwärze wieder stärker über sein Hirn als vorher,und er wußte nichts mehr.

Als er schließlich erwachte, spürte er, daß es vielspäter war. Er spürte auch, daß er eine der größtenKopfschmerzen in der Geschichte der Galaxis hatte.

Er bekam diesmal seine Augen auf. Er war in ei-nem kleinen metallenen Raum mit einer soliden Me-talltür. Es gab ein sehr winziges Gitterfenster, undorangefarbenes Sonnenlicht kam schräg hindurch.

In der anderen Ecke des Raumes lag Hull Burrelwie ein Toter ausgestreckt.

Gordon erhob sich. Einen Augenblick stand er völ-lig bewegungslos und hoffte, daß er nicht fallen wür-de. Dann bewegte er sich qualvoll auf den Antarierzu und kniete sich neben ihn.

Hull hatte eine Prellung am Kinn, aber sonst keineweiteren erkennbaren Verletzungen. Dennoch lag erwie ein Mensch in tödlichem Koma, sein kupferfar-

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benes Gesicht sah nicht länger wie ein Brocken rohenGesteins aus, sondern war schlaff und durchhängendgeworden. Seine Augen waren geschlossen, aber seinMund war offen, und Speichel tropfte heraus.

Gordon ergriff ihn bei den Schultern und sagte:»Hull«, und ganz plötzlich verwandelte sich der le-bende Baumstamm in eine rasende Wildkatze. Hullriß sich hoch, schleuderte Gordon zur Seite undblickte ihn an, wie wenn er ein angreifender Feindwäre.

Allmählich klärten sich Hulls Augen. Seine Mus-keln entspannten sich. Er starrte Gordon dumpf anund sagte: »Was zum Teufel ist mit mir los?«

»Sie sind geschlagen worden«, erklärte Gordon.»Nicht mit einer Keule, sondern mit mentaler Kraft.Sie waren unter Kontrolle genommen, als wir unsdiesem Ort genähert haben.«

»Diesem Ort?« Hull Burrel schaute sich um in demkleinen, staubigen, metallenen Raum. »Ich erinneremich nicht«, murmelte er. »Das sieht wie ein Gefäng-nis aus.«

Gordon nickte. »Wir sind in der toten Stadt der al-ten Kolonisten. Und eine Stadt ohne Gefängnis wer-den Sie nicht finden.«

Sein Kopf schmerzte. Und es war noch mehr alssein Kopf verletzt. Sein Stolz war ernsthaft ange-schlagen. Er sagte: »Hull, ich war eine Art Held da-mals in jener anderen Zeit, als ich in Zarth Arns Kör-per war, nicht wahr?«

Hull sah ihn an. »Das waren Sie. Aber was ...«»Ich bin wohl daran, wieder mal ein Held zu wer-

den«, meinte Gordon bitter. »Um zu zeigen, daß ichauch als John Gordon so gut sein kann. Das habe ich

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doch gut gemacht, nicht? Throon, Lianna ... sie wer-den stolz auf mich sein.«

»Sie haben diese Mission nicht angeführt, das warich«, knurrte Hull Burrel. »Ich bin es, der auf die Na-se gefallen ist.« Er ging zu dem kleinen Fenster undsah auf die Straße, die mit goldenem Laub überdecktwar. Er drehte sich um, die Stirn gerunzelt: »MentaleKraft, haben Sie gesagt. Dann muß es hier einen jenerverdammten Magellanier geben.«

Gordon zuckte die Achseln. »Wer sonst könnte eineSache wie diese bewerkstelligen? Wir haben uns wieKinder benommen. Sie haben hier gesessen und aufuns gewartet.«

Hull rief plötzlich laut: »Varren! Kano ... Rann ...sind Sie hier?«

Es kam keine Antwort von den Männern derMannschaft, deren Namen er gerufen hatte.

»Wo immer sie sind, sie sind nicht in Hörweite«,murmelte Hull deutlich beunruhigt. »Und was nun?«

»Nun warten wir«, sagte Gordon.Sie warteten mehr als eine Stunde. Dann öffnete

sich die Tür ohne Vorwarnung. Draußen stand einhochmütiger junger Mann, dessen schwarze Uniformin Silber das Zeichen der Mark trug.

»Der Graf Cyn Cryver will Sie jetzt sehen«, sagteder junge Mann. »Sie können gehen, oder Sie werdenrübergeschleppt.«

Mit einer kleinen Geste des Kopfes deutete er aufzwei wartende Männer, die mit Paralysatoren be-waffnet waren.

»In Ordnung, wir gehen«, sagte Gordon. »Ich habeschon genug Kopfschmerzen.«

Sie gingen hinaus in das heiße Sonnenlicht und ei-

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ne Straße entlang, die einmal breit gewesen war. AberZeit und Witterung hatten ihr Pflaster aufgebrochen,und Samen waren steckengeblieben, um zu federarti-gen Bäumen zu wachsen, so daß sie jetzt mehr einenPfad wie in einem Wald verfolgten.

Die korrodierten Metallvorderseiten der Gebäudezeigten sich durch das Laubwerk stumm und tot.Und Gordon sah mit einem flüchtigen Blick eineStatue, die Gestalt eines Mannes in Raumkleidung,der stolz von der Mitte der Straße heruntersah. Eskönnte, so dachte er, der Sternenkapitän sein, der inden weit zurückliegenden Jahrhunderten die un-glücklichen Kolonisten hierhergeführt hatte.

Schau aus und sei stolz, Sternenkapitän! Alles, wasdu geschaffen hast, ist schon lange untergegangen,und die letzten Nachkommen deines Volkes sind jeneverstohlenen, kleinen, gejagten Dinger im Wald. Seistolz, Sternenkapitän, sei glücklich, denn deine Au-gen sind blind und können es nicht sehen ...

Sie wurden in ein Gebäude gebracht, das wie einVerwaltungszentrum aussah. In einem dunklen, gro-ßen Saal räkelte sich Graf Cyn Cryver in einem Sesselan einem Tisch und trank eine lohfarbene Flüssigkeitaus einem hohen Pokal. Er trug schwarz, seine Insi-gnien prangten arrogant auf seiner Brust, und er sahGordon mit belustigten Augen an.

»Sie haben auf Teyn für einige Aufregung gesorgt,aber es scheint, wir haben Sie jetzt sicher«, sagte er. Ertrank und stellte den Pokal hin. »Ein kleiner Rat ... ver-traue nie einem Feigling. Wie Jon Ollen zum Beispiel.«

Gordon ging ein Licht auf. »Natürlich. Deshalb ha-ben Sie hier auf uns gewartet. Jon Ollen ist einer vonIhnen.«

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Nichts anderes konnte alles erklären. Der leichen-blasse Baron war ein Verräter, und man durfte mitGewißheit annehmen, daß der Supertelepath, dernach Throon gekommen war, in Jon Ollens Schiff ver-steckt gewesen war.

Hull Burrel verlangte schroff: »Wo sind meineMänner?«

Cyn Cryver lächelte. »Wir hatten keinen Bedarf anden Männern Ihres Schiffes, so sind sie vernichtetworden. Wie Sie vernichtet werden, wenn wir nichtlänger eine Verwendung für Sie haben.«

Hulls Faust ballte sich. Er sah aus, als würde ergleich Cyn Cryver anspringen, aber die Männer mitden Betäubungsstrahlern traten vor.

»Sie werden später untersucht werden«, sagte CynCryver. »Sie sind jetzt nur hier, weil ein alter Freundvon Ihnen Sie zu sehen wünscht. Sag ihrem altenFreund, daß sie hier sind, Bard.«

Einer der Männer ging durch eine Tür an der Hin-terseite des Saals. Gordon bekam eine Gänsehaut, alser einen Augenblick später Schritte zurückkehrenhörte. Er dachte, daß er wüßte, was nun kam.

Er irrte sich. Es war nicht die verhüllte Gestalt, vorder er sich so fürchtete, die in den Saal hineinkam. Eswar ein Mann, breitschultrig und groß, mit schwar-zem Haar, hartem Gesicht und scharfen Augen, derstehenblieb und sie lächelnd ansah.

»O Gott«, sagte Hull Burrel, »Shorr Kan!«»O nein«, sagte Gordon. »Können Sie nicht sehen,

das ist eine Personifikation, die sie hergerichtet haben... der Herr weiß, wie. Wir haben Shorr Kan sterbengesehen, getötet von seinen eigenen Männern.«

Der Mann, der wie Shorr Kan aussah, lachte. »Du

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hast geglaubt, mich sterben zu sehen. Aber du bistgetäuscht worden, Gordon. Ich sage das hier so ein-fach: dabei war es ein ordentliches Stück Täuschung,wenn man bedenkt, wie kurz die Zeit war, die wir be-saßen, um uns alles auszudenken.«

Und es war die Stimme von Shorr Kan. Es warebenso die Stimme des toten Mannes, der in derDunkelheit sprach und dabei sagte: »So sieht er alsoaus!«

Er kam näher und sprach ernst, wie jemand etwaseinem Freund erklärt. »Ich war in einer verteufeltenSituation, und das hatte ich dir zu verdanken. Deinverdammter Disruptor hatte unsere Flotte zer-schmettert, und ihr kamt jetzt auf die Dunkelweltenzu, und meine treuen Untertanen hatten Wind davonbekommen und waren auf den Straßen in Aufruhr. Esging um meinen Hals, wenn ich mir nicht sehr schnelletwas ausdachte.«

Er grinste. »Ihr seid alle darauf hereingefallen,nicht wahr? Ich hatte immer noch einige treuergebeneOffiziere, und als sie jene Stereovisions-Botschaft derKapitulation aussandten, konnten sie euern armen,alten Shorr Kan zeigen: mit einer großen vorge-täuschten Wunde in seiner Seite und eine Todesszenevorspielend, auf die ich wirklich stolz bin.«

Er brach in Gelächter aus. Verblüfft, weil er dasnicht glauben wollte und doch begann, genau das zutun, rief Gordon aus: »Shorr Kans Körper wurde inden Ruinen seines Palastes gefunden!«

Der andere zuckte die Achseln. »Ein Körper wurdegefunden. Der Körper eines toten Aufrührers, dermeine Größe besaß und meine Uniform und Ordentrug. Natürlich war da nicht mehr allzuviel übrig

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zum Identifizieren, weil wir den Palast angezündethatten, bevor wir uns höllisch aus dem Staub machenmußten ... wobei diese kleine Brandstiftung dannmeinen aufrührerischen Untertanen in die Schuhe ge-schoben wurde.«

Gordon konnte das nicht länger bezweifeln. Er sahShorr Kan an, diesen Mann, der sich selbst zumHerrn der Dunkelwelten gemacht hatte und dann mitderen Macht fast die Sternenkönigreiche zerschmet-tert hatte.

»Und Sie haben sich seitdem hier in der Mark ver-steckt gehalten«, rief er.

»Laß mich statt dessen sagen, ich habe einen aus-gedehnten Besuch bei einigen meiner alten Freundehier gemacht, unter denen ich als ersten den GrafenCyn Cryver zähle«, sagte Shorr Kan. »Als ich hörte,daß du bei uns bist, der Gordon, den ich körperlichnie gesehen, den ich aber nur zu gut gekannt habe ...nun, ich mußte dich doch um der alten Zeiten willenbegrüßen.«

Die freche Unverschämtheit dieses Mannes, seinvollständiger spöttischer, leichtherziger Zynismushatten sich nicht verändert.

Gordon preßte zwischen den Zähnen heraus:»Nun, ich bin erfreut darüber, daß du deinen Halsgerettet hast ... wenn es auch ein Abstieg für denHerrn der Liga der Dunkelwelten ist, an den Rock-schößen eines Cyn Cryver zu hängen. Aber dennochist das besser, als zu sterben.«

Shorr Kan lachte in echtem Vergnügen. »Hörst dudas, Cyn? Wunderst du dich noch, daß ich diesenKerl bewunderte? Hier steht er, die Schlinge schonum den Hals, und da versucht er, mir auf eine Weise

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ins Gesicht zu schlagen, die böses Blut zwischen dirund mir machen soll!«

»Schauen Sie ihn sich an, Hull«, sagte Gordonspöttisch. »Ist er nicht gerade derjenige, der es amwenigsten nötig hätte, ein stolzes Gesicht aufzuset-zen! Herr der Wolke, Herrscher der Dunkelwelten,fast der Eroberer des Reichs selbst ... und nun, wo erdarauf beschränkt ist, sich in der Mark zu versteckenund in schmutzigen Verschwörungen mit Pack ausEin-Planeten-Grafen mitzumischen, bleibt er immernoch fröhlich.«

Shorr Kan grinste, aber Cyn Cryver stand auf undkam herüber und schaute Gordon mit lebendigemHaß an.

»Ich habe genug davon gehört«, sagte er. »Du hastdeinen alten Feind gesehen, Shorr, und das war'sdann. Bard, fessele sie an diese Pfeiler. Lord Susurrwird diesen Abend kommen und ihre Hirne darauf-hin untersuchen, was sie von Wert enthalten mögen,und danach können sie auf einen Misthaufen gewor-fen werden.«

»Lord Susurr«, wiederholte Gordon. »Das wirdwohl einer Ihrer gruseligen, kleinen Verbündeten vonMagellan sein, nicht? Wie der, den wir so arg ent-täuscht haben, als wir Sie auf Teyn überlistet haben?«

Die Wut verließ Cyn Cryvers Gesicht, und er lä-chelte auf eine tödliche Art, als Gordon und Hull Bur-rel jeder an eine der schlanken, verzierten Metallsäu-len gekettet wurden, die in zwei Reihen den Saal hin-unterliefen.

»Selbst für Sie«, sagte Cyn Cryver, »hatte ich nocheinen Funken Mitgefühl, wenn ich daran denke, wasmit Ihnen bald geschehen wird. Aber das ist jetzt

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vorbei.« Er kehrte Gordon den Rücken zu und befahldem jungen Kapitän: »Bewachen Sie sie, bis Lord Su-surr kommt. Es wird einige Stunden dauern, dennder Lord mag das Sonnenlicht nicht.«

Shorr Kan sagte heiter:»Nun, Freunde, ich fürchte, das ist jetzt der Ab-

schied. Ich sehe, daß ihr jetzt euerm Ende begegnenwerdet wie Männer von tapferem Blut. Ich habe im-mer gesagt: stirb wie ein Mann ... wenn du keineMöglichkeit findest, es zu umgehen. Und ich glaubenicht, daß ihr es umgehen könnt.«

Hull Burrel antwortete ihm mit einem tiefempfun-denen Fluch. Shorr Kan machte kehrt und verließ siezusammen mit Cyn Cryver.

Bard, der junge Kapitän, blieb mit zwei Männernzurück, sie stellten die Wache am Eingang des Ge-bäudes.

Hull Burrel fuhr mit dem Fluchen fort und ge-brauchte dabei Ruchlosigkeiten von einem Dutzendverschiedener Welten. »Dieser von einem Teufel ge-borene Fuchs! All diese Jahre hat die gesamte Galaxisihn für tot gehalten, und nun taucht er plötzlich hierauf, um uns auszulachen.«

»Das ist jetzt alles Geschichte«, sagte Gordon. »Vongrößerer Bedeutung ist, was heute nacht geschieht,wenn Lord Susurr, der das Sonnenlicht nicht mag,uns besuchen kommt.«

Hull hörte auf zu fluchen und sah ihn an. »Waswird das Wesen uns antun werden?«

»Ich denke, man könnte es mentale Vivisektionnennen. Ich glaube, es wird unsere Hirne nehmenund das Innerste nach außen stülpen, um jeden Brok-ken Information zu erhaschen, den wir besitzen, und

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daß nur zwei hirnlose Wracks bleiben werden, diespäter getötet werden.«

Hull schauderte. Nach einer kurzen Stille sagte er,und uralter Haß schnitt dabei in seiner Stimme: »KeinWunder, daß Brenn Bir die Magellan'schen Invasorendamals aus unserem Universum geblasen hat.«

Nichts wurde mehr gesagt, es gab nichts mehr zusagen. Gordon stand an der Säule, die Ketten schnit-ten in seine Handgelenke hinter ihm, und er sah hin-aus durch die offene Tür, während die langen Stun-den des Nachmittags davonschlichen. Die orangefar-benen Strahlen des Sonnenlichts, das durch die Lük-ken zwischen den Zweigen schnitt, legte sich schrä-ger und verschob sich. Der Wind kräuselte die Blätterwie Espen im Herbst auf der fernen, weit zurücklie-genden Erde. Hinter diesen Bäumen stand der me-tallene Sternenkapitän aufrecht und tapfer undblickte für immer über seine zerstörte Stadt.

Die Wachen lungerten und hingen im Eingangherum und blickten dann und wann zu den beidenGefangenen hinüber. Aber Gordon hörte keinen Lautirgendeiner Aktivität aus der toten Stadt um sie. Wasgeschah hier auf Aar? Daß es ein Brennpunkt für dieIntrige war, die zwischen den Grafen und NarathTeyn und den Verbündeten von außerhalb ausge-brütet wurde, da hatte er keinen Zweifel. Aber eskonnte kein wesentliches Zentrum ihrer Verschwö-rung sein, sonst hätte der verräterische Jon Ollen denOrt nicht genannt und sie damit geködert.

Hatte Jon Ollen eine Falle gelegt, nicht nur für HullBurrel und ihn selbst und ihr kleines Schiff, sondernfür die Hauptschwadronen des Reichs? Jhal Arn hattegesagt, daß diese Schwadronen hierherkommen

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würden, falls sie nicht mit Informationen zurück-kehrten. Wenn das so war, dann hatten Hull und erdie Sache tatsächlich verbockt. Lianna würde stolzauf ihn sein, wenn sie das hörte!

Er dachte an Lianna und wie sie auf Fomalhautauseinandergegangen waren. Er wollte nicht an siedenken, und er ließ seinen Geist leer werden und be-trachtete in einer Art Betäubung die sich kräuselnden,goldenen Blätter draußen. Die Zeit glitt langsam vor-bei.

Das Gold wurde stumpf. Gordon erwachte aus sei-ner Betäubung und sah, daß Zwielicht anstelle desSonnenlichts getreten war. Und die Wachen im Ein-gang blickten nun nervös die Straße entlang. Als dieDämmerung tiefer wurde, gingen sie weiter weg vomEingang hinaus auf die Straße, wie wenn sie allesmögliche taten, um nicht diesem Raum zu nahe zusein, wenn Lord Susurr kam, um das zu tun, was ermit den Gefangenen tun würde.

Der Saal verdunkelte sich schneller als die Straßedraußen. Gordon versteifte sich plötzlich gegen seineKetten. Er hörte ein Geräusch sich nähern.

Etwas war in dem dunklen Saal bei ihnen, etwas,das sachte auf sie von hinten zukam.

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Gordon bekam zwischen den Schultern eine Gänse-haut. Er hörte, wie das Geräusch seine Position ver-änderte, wo immer es auch verstohlen hereingekom-men war, und leise um sie herumging, bis es vor ih-nen war.

Dann sah er nahe vor sich, nur als Silhouette gegendas letzte Zwielicht der offenen Tür, das Profil vonShorr Kan.

»Hört zu und haltet euern Mund!« flüsterte ShorrKan. »Ihr werdet tot sein und schlimmer noch als tot,bevor der Morgen kommt, wenn ich euch nicht hierherausbekomme. Es gibt eine Chance, daß es mir ge-lingt.«

»Und warum würdest du so etwas wie das tun?«fragte Gordon und hielt dabei seine Stimme stark ge-dämpft.

»Er liebt uns, das ist es«, murrte Hull Burrel. »Er istso voll liebender Güte, daß er es nicht ertragen kann,uns verletzt zu sehen.«

»O Gott«, flüsterte Shorr Kan, »gib mir lieber einenintelligenten Feind als einen dummen Freund.Schaut, ich habe vielleicht nur noch Minuten, bevorder verfluchte H'Harn kommt.«

»H'Harn?«»Ihr nennt sie die Magellaner. H'Harn lautet der

Name, wie sie sich selbst nennen. Lord Susurr ist ei-ner von ihnen, und wenn er kommt, dann ist es ausmit euch.«

Gordon bezweifelte das nicht. Aber dennoch fragteer mißtrauisch: »Wenn dieses Wesen so ein außeror-

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dentlicher Telepath ist, wird es dann nicht wissen,daß du jetzt hier bist?«

Verachtung lag in Shorr Kans Antwort. »Ihr Leutedenkt alle, daß die H'Harn allmächtig und allwissendsind. Sie sind es nicht. Tatsächlich stehen sie sogar ingewisser Weise ein wenig auf der dummen Seite desLebens. Sie besitzen wirklich ungeheuere parapsychi-sche Kräfte, aber nur wenn sie sie auf ein Objekt kon-zentrieren. Sie können ihre mentalen Kräfte nicht aus-fächern, um alles zu umfassen, und sie schwinden ineiner gewissen Entfernung.«

Gordon kannte das aus eigener Erfahrung vonTeyn her, aber er gab keine Bemerkung dazu. ShorrKan wandte seinen Kopf ruckartig um, um nach denWachen zu spähen, die unbehaglich draußen in derdüsteren Straße warteten, und fuhr dann in einemgehetzten Flüstern fort:

»Ich muß mich beeilen. Hört zu: Ich bin hier in derMark schon seit der Niederlage der Dunkelwelten.Ich dachte, ich könnte früher oder später diese gek-kenhaften Grafen in die Richtung beeinflussen, dieich wollte ... sie gegeneinander ausspielen, sie dazubringen, sich gegenseitig zu bekämpfen. Und wennsich der Pulverdampf wieder gelichtet hätte, dannwäre Shorr Kan der König der Mark. Und ich hättedas auch getan, wenn da nicht eines gewesen wäre.

Die Agenten der H'Harn kamen von außerhalb derGalaxis und nahmen Kontakt mit Cyn Cryver undNarath Teyn und einigen anderen Grafen auf. DieH'Harn hatten Prügel bezogen, als sie vor langer Zeiteine Invasion versucht hatten, und sie hatten dieseganze Zeit gebraucht, um sich davon zu erholen, aberjetzt sind sie wieder stark, und sie haben weiterhin

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vor, in unsere Galaxis zu gelangen – allerdings aufeinem anderen Weg.«

»Auf was für einem Weg?« fragte Gordon.»Das weiß ich nicht«, antwortete Shorr Kan. »Ich

bin noch nicht einmal sicher, ob Cyn Cryver es weiß.Ich weiß aber, daß die H'Harn etwas Großes da drau-ßen in den Magellan'schen Wolken vorbereiten, et-was, gegen das unsere Galaxis schutzlos sein wird.Was es ist, davon habe ich nicht die leiseste Idee.«

Er fuhr fort. »Diejenigen der H'Harn, die so weithierher gekommen sind, wie Lord Susurr und andere,sind Agenten, die vorausgeschickt wurden, um sichmit den Grafen zu verbünden und den Weg für ir-gendeine Art von Angriff zu bereiten. Die H'Harnhaben Cyn Cryver und den anderen versichert, daßihnen für ihre Hilfe die Hälfte der Galaxis gegebenwird. Und diese hirnverbrannten Dummköpfe glau-ben das!«

»Aber du nicht?«»Na, sieh doch, Gordon, hast du mich als Idioten

kennengelernt, als wir in jenen alten Tagen uns be-kämpft haben? Die H'Harn sind nichtmenschlich, sosehr nichtmenschlich, daß sie sich sehr in acht neh-men, nicht ihren eigenen Körper zu zeigen, damit sienicht ihre Verbündeten verschrecken. Natürlich be-nutzen sie die Grafen, und ebenso natürlich werdensie die beiseiteschaffen, wenn sie ihre Pläne erfolg-reich erfüllt haben – was werden ihre Versprechendann wert sein?«

»Etwa so viel«, murmelte Gordon, »wie die Ver-sprechen eines Shorr Kan.«

Shorr Kan lachte kurz in sich hinein. »Ich wollte esja so haben. Na ja, Schwamm drüber! – Ich mußte

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sorgfältig auf meine Gedanken achten. In dem Au-genblick, wo dieser verdammte Fremde mißtrauischwird und meinen Geist überprüft, dann bin ich fällig,und ich kann nicht für ewig meine Gedanken imZaum halten. Ich muß von hier weg. Aber ein Mannkann ein Schiff nicht führen. Drei Männer können es.Deshalb brauche ich euch.« Sein Flüstern war nach-drücklich. »Gebt mir euer Wort, daß ihr dahin fliegenwerdet, wo ich hinwill, sobald wir ein Schiff haben,und ich werde euch sofort befreien.«

»Unser Wort Shorr Kan geben?« sagte Hull. »Daswäre nun wirklich eine tolle Sache ...«

»Hull, hören Sie zu!« warf Gordon rasch ein.»Wenn Shorr Kan uns in dem Augenblick betrügt,wenn wir aus diesem Raum raus sind, dann sind wirimmer noch nicht so schlimm dran, wie wenn jenerFremde mit uns fertig ist. Geben Sie ihm Ihr Wort. Ichtue es.«

Der Antarier murrte verdrossen: »In Ordnung. Erhat es.«

Shorr Kan holte etwas unter seiner Jacke hervor,das dumpf im letzten Licht vom Eingang schimmerte.Es war ein schwerer, sichelförmiger Metallhaken,dessen innere Schneide gezackt war.

»Ich habe keinen Schlüssel für euere Ketten, aberdas sollte sie durchtrennen«, flüsterte er. »Halt deineHände weit auseinander, Gordon, wenn du nicht einedavon abgeschnitten haben möchtest.«

Er glitt um ihn herum hinter die Säule und begannan den Ketten zu sägen. Das Geräusch erschien Gor-dons Ohren sehr laut, aber die Schattenfiguren derWachen draußen auf der Straße bewegten sich nicht.

»Fast durch«, murmelte Shorr Kan nach ein paar

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Augenblicken. »Wenn du jetzt ...«Sein Flüstern brach plötzlich ab. Das Sägen hörte

ebenso auf, und verstohlen hörte Gordon, wie ShorrKan sich schnell zurückzog.

»Was ...«, begann Gordon, aber dann klopfte seinHerz schmerzvoll, als er das sah:

Draußen in der in Dämmerung gehüllten Straße,die noch nicht so dunkel war wie das Innere desSaals, bewegten sich die Wachen davon, sie zogensich zurück, bis sie an die Wand eines Gebäudes aufder gegenüberliegenden Seite stießen und nicht wei-terkonnten.

Und eine in eine Robe gekleidete verhüllte Gestaltvon schimmerndem Grau, nicht ganz so groß wie einMann, erschien im Eingang. Sie bewegte sich in völli-ger Lautlosigkeit mit jener abscheulichen fließend-gleitenden Bewegung, die Gordon schon einmal ge-sehen hatte, in die Dunkelheit des Saals hinein auf siezu.

Gordons ganzer Körper versteifte sich unwillkür-lich. Er hörte, wie der Antarier, der bis jetzt noch kei-nen der H'Harn gesehen hatte, scharf Atem holte. Ei-nen Augenblick schien die Schattengestalt zwischenihnen zu zögern, dann war die Wahl getroffen, unddie Gestalt schwenkte auf Gordon zu, und er warteteauf die sengende mentale Kraft, die in sein Gehirneinbrechen würde.

Ein Schatten stach durch die Dunkelheit – ein tie-fes, gequältes Zischen kam von dem H'Harn, undsein Körper schwankte unsicher zur Seite. Und gegendas dämmerige Rechteck des Eingangs sahen GordonShorr Kans Silhouette, wie er den gezackten Hakentief, tief in den Rücken des Grauen stieß.

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In einem Ekelheitsanfall spannte sich Gordon heftigan, und die fast schon getrennten Ketten rissen auf.

Er konnte den Alptraum, der sich nun in demdunklen Saal abspielte, nicht deutlich sehen. DerH'Harn schien davonzuwanken, maunzend und zi-schend, als Shorr Kan immer wieder zustach.

»Hilf mir, es zu töten!« keuchte Shorr Kan. »Hilfmir ...!«

Er hatte keine Waffe, aber Gordon packte den Stuhlneben dem Tisch. Er stürzte auf es zu und schlug zu.Das maunzende Ding ging nieder.

Qual! Qual! Schreckliche Wellen, die bewußt oderunbewußt von dem niedergestreckten Fremden ka-men, schossen durch Gordons Hirn. Er taumelte undfiel auf die Knie.

Eine Welle schwarzer Pein schoß über ihn undwich dann wieder zurück. Er kam zitternd wiederhoch. Er erblickte die dunklen Gestalten der zweiWachen auf der Straße, die jetzt auf den Eingang desGebäudes zurannten. Dort zögerten sie.

»Lord Susurr?« rief einer, seine Stimme war hochund schrill.

Shorr Kans Betäubungsstrahler surrte in der Dun-kelheit, und die zwei Männer im Eingang fielen.

»Zersäg Burrels Ketten und beeil dich«, sagte ShorrKan heiser und gab ihm den Haken, der jetzt am Grifffeucht war.

Als Gordon sich an die Arbeit machte, sah er ShorrKan sich bücken und die Robe des zusammenge-drückten Haufens auf dem Boden aufreißen, aber erkonnte nicht erkennen, wie der tote H'Harn aussah.Er hörte einen scharfen Ton von Shorr Kan.

Die Ketten gingen entzwei. Shorr Kan drängte sie

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auf die Rückseite des Saals zu.»Diesen Weg. Ich glaube nicht, daß wir alle Zeit der

Welt zur Verfügung haben.«Der kleine Raumhafen jenseits der toten Stadt lag

dunkel und schweigend unter den Sternen, als sie ihnerreichten. Shorr Kan führte sie auf ein kleines Schiffzu, das abseits der anderen lag. Seine schwarze Massezeichnete sich vor ihnen ab, und Gordon erschien esmerkwürdig fremdartig in seinen Umrissen: mit sodicken Flügeln, die von seiner Seite sprossen, wie ernoch an keinem anderen Sternenschiff gesehen hatte.

»Das ist das Schiff, in dem die vier H'Harn-Agenten in diese Galaxis kamen«, sagte Shorr Kan,während er an dem Öffnungsgriff herumfummelte.»Die anderen drei sind nach Teyn gegangen, aber dasSchiff wurde hier mit Susurr zurückgelassen. Nachdem, was ich gehört habe, ist es schneller als jedesSchiff, das wir kennen, deshalb, wenn wir mit ihmabhauen, werden sie uns niemals einfangen.«

Als sie hineingelangt waren und die verhülltenLichter auf der Kontrollbrücke brannten, gab Hull einGrunzen des Erstaunens von sich.

»Stehen Sie nicht so herum«, meinte Shorr Kan un-geduldig. »Sie sind der Raumfahrer hier. Machen Sieschon und bringen Sie uns, zum Teufel, noch mal hierheraus.«

»Ich habe nie ein Kontrollbord wie das hier gese-hen«, wandte Hull ein. »Einige dieser Kontrollenscheinen überhaupt nichts zu bedeuten. Sie ...«

»Einige der Kontrollen sind Ihnen vertraut, oder?«»Ja, aber ...«»Dann gebrauchen Sie die, die Sie kennen, aber he-

ben Sie ab!«

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Hull Burrel, dessen Berufsehre durch die Schlam-pigkeit solch eines Vorschlags verletzt wurde, nahmdennoch den Pilotensitz ein. Er war viel zu klein fürihn, und seine Knie kamen fast bis zu seinem Kinn,als er an den Kontrollen herumsuchte und drückteund zog.

Das kleine Schiff entfernte sich sehr schnell von Aarund brach dabei aus der Dunkelheit der Nachtseitedes Planeten hinaus in das glänzende Sonnenlicht.

»Welchen Kurs?« verlangte der Antarier.Shorr Kan gab ihm die Positionen. Hull Burrel

stellte sie behutsam ein und fluchte dabei über dieFremdartigkeit der Instrumente.

»Ich lege keinen Kurs fest, ich stelle nur eine intel-ligente Vermutung an«, grummelte er. »Wir werdenwahrscheinlich irgendwo im Drift aufsetzen.«

Gordon betrachtete die einsamen Sterne vor ihnen,während sie so dahinrasten, und seine Unruhe ver-ließ ihn.

»Wir halten auf den Rand der Galaxis zu?« fragteer, und Shorr Kan nickte. »Wo werden wir dann zu-rückschwenken?«

»Wir werden nicht zurückschwenken«, antworteteShorr Kan ruhig. »Wir werden geradeaus weiterflie-gen.«

Hull warf sich herum. »Was meinen Sie da? Dortdraußen gibt's nichts außer intergalaktischem Raum... nichts!«

»Sie vergessen«, erinnerte ihn Shorr Kan, »dortsind die Magellan'schen Wolken ... die Welten derH'Harn.«

»Um Gottes willen, warum sollten wir dorthin flie-gen wollen?«

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Shorr Kan lachte. »Ich habe befürchtet, daß das einSchock für euch sein würde. Aber ich habe euer Wort,denkt daran. Es ist doch so: Die H'Harn bereiten ir-gend etwas da draußen vor, womit sie einen Schlaggegen unsere Galaxis führen wollen. Deshalb fliegenwir dort hinaus auf Erkundung. Wir finden heraus,was es ist. Und wir bringen dieses Wissen zurück,damit die Sternenkönige sich gegen die H'Harn rü-sten können. Und außerdem ... ist das nicht die Mis-sion, wegen der ihr beide gekommen seid?«

»Aber warum solltest du deinen Hals riskieren, umdie Sternenkönigreiche zu retten?« fragte Gordon.

Shorr Kan zuckte die Achseln. »Der Grund ist ein-fach. Ich konnte nicht viel länger bei den Grafen blei-ben, ohne meinen Argwohn gegenüber ihren H'Harn-Verbündeten zu verraten ... und in dem Augenblick,wo ein H'Harn das in meinem Gehirn gesehen hätte,wäre ich tot gewesen. Aber ich konnte auch nicht zu-rück zu den Sternenkönigreichen gehen ... sie würdenmich mit Sicherheit hängen, wenn sie herausfindenwürden, daß ich immer noch lebe.«

Gordon fing an, klar zu sehen.»Aber«, fuhr Shorr Kan fort, »wenn ich alles riskie-

re, indem ich zu den Magellan'schen Wolken fliege,und mit einer Warnung vor den Plänen der H'Harnzurückkomme, wird die Vergangenheit vergessensein. Ich werde ein Held sein, und man hängt keineHelden. Ich wette, daß ich wieder auf einem Thronsitzen werde – in einem Jahr.«

Hull Burrel wandte sich Gordon zu. »Sollen wir ihneinen Vorteil daraus gewinnen lassen, daß wir dazuunser Wort gegeben haben?«

Gordon antwortete nachdenklich: »Das werden

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wir, Hull. Nicht gerade wegen unseres Wortes, son-dern wegen etwas anderem: er hat recht, wenn er unsdaran erinnert, daß das unsere Mission ist.«

Hull Burrel gab einen lauten Fluch von sich. »Siesind ein Narr, John Gordon, aber ich mache mit. Ichhabe auf jeden Fall lang genug gelebt, deshalb kannich genauso gut Selbstmord begehen, indem ich aufeine unmögliche Mission gehe – mit einem ver-dammten Narren und dem größten Schurken in derGalaxis!«

Shorr Kan hieb ihm freundschaftlich auf den Rük-ken: »Gut gesprochen! Nichts im Universum könntekühne Herzen und treue Kameraden aufhalten!«

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III

Der Sternenbruch

13

Das Schiff flog mit unglaublicher Geschwindigkeitdurch die Mark des Äußeren Raums. Überall um siewaren Sonnen, brennende Sonnen und erloschene,sterbende Sonnen und dunkle Schlackenbrocken, mitihren Planeten und Monden und gefährlichen, wan-dernden Driftbänken. Ein kosmischer Dschungel weitjenseits des Gebiets der großen Sternenkönigreiche,ein Dschungel, in den nicht ohne gebührende Vor-sicht eingedrungen werden sollte.

Dennoch waren die Männer im Innern des Schiffsnicht besorgt wegen ihres wahnwitzigen Vordrin-gens.

John Gordon war in diesem Augenblick immernoch zu sehr bewegt, um sich über irgend etwas zusorgen. Er starrte durch den Heckbildschirm hinausauf die Wildnis, in der die orangefarbene Sonne vonAar schon verschwunden war, und glaubte immernoch nicht an ihr Entkommen. Er spürte kaum, daßder Sessel, in dem er saß, zu klein für seinen musku-lösen, stämmigen Körper war und daß die Decken-krümmung des Kontrollraums sich viel zu nah überseinem Kopf befand. Und daß die Metallflächen umihn herum von einem ekligen und unangenehmenBlau waren: wie die Haut eines Ertrunkenen.

Nach einer Weile wandte er sich vom Bildschirmweg, um Shorr Kan anzusehen, der sich nach ihm

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umsah: das dunkle, wohlbekannte Gesicht mit denengen Wangenknochen und den sardonischen Au-genbrauen.

Shorr Kan grinste.»Ja, wir haben es hinter uns«, sagte er. »Wir haben

es geschafft. Und das ist mir zu verdanken.«Gordon atmete in einem tiefen Zug aus, legte die

Hand über sein eigenes Gesicht und rieb die Kantenwie ein Schlafender, der gerade erwachte. »Ja«, sagteer, »ich schätze, wir haben es. Hull?«

Hull Burrel schaute jetzt völlig ruhig und zufriedendrein, obwohl er in diesen lächerlich kleinen Sesselgezwängt war. »Geschafft«, sagte er. »Mindestens imAugenblick.«

Jetzt erst fing Gordon an, seine Umgebung mitzu-bekommen. Der Kontrollraum war wie das Innere ei-nes polierten Eies, das gemacht war, viel kleinere Vö-gel als sie zu beherbergen.

»Nun«, sagte Shorr Kan, »die H'Harn sind einekleine Rasse. Kein Grund für sie, für unsere Bequem-lichkeit zu bauen.«

Hull, der sogar noch Shorr Kan überragte, hob denKopf, stieß damit gegen ein überstehendes Gerät undzog ihn fluchend wieder ein. »Sie hätten es nichtübertreiben müssen«, sagte er. »Und ich wünschte,sie wären nicht so verdammt geheimnisvoll mit ihrenKontrollen gewesen.« Er fuhr fort, behutsam an denunverständlichen Knöpfen und Skalen, die mit frem-den Symbolen beschriftet waren, herumzusuchenund zu drücken. Wenn Hull Burrel ihre Funktionenherausfinden konnte, so dachte Gordon, dann war ersogar noch besser als der beste Raumfahrer in derGalaxis.

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Und er tat besser daran, diese Funktionen auchherauszufinden, dachte Gordon, weil immerhin ihrkostbarer Hals davon abhing.

Shorr Kan beobachtete jetzt den vorderen Bild-schirm, den subelektronischen Spiegel, der Masseim-pulse vom normalen Raum, den sie mit ÜL buchstäb-lich zerrissen, in Bilder umwandelte, die das Augesehen konnte. Er schien fasziniert davon zu sein, wasdort dargestellt war.

»Wie hoch«, fragte er, »würdet ihr etwa unsere Ge-schwindigkeit schätzen?«

Gordon sah auf den Schirm. Die Sterne, tot und le-bend, und die Driftbänke, all die zerschmettertePracht der Mark, kamen ihm fast bewegungslos vor.

»Wir scheinen uns überhaupt nicht zu bewegen«,sagte er. »Oder mindestens nicht viel.«

Aber Hull starrte weiterhin auf den Schirm, seinkupferfarbenes Gesicht darin versunken.

»Wir bewegen uns schon richtig«, sagte er. »KeinSchiff in unserer Galaxis kann so schnell wie dies hierfliegen.« Er beantwortete Shorr Kans Frage. »Nein,ich kann die Geschwindigkeit nicht abschätzen. Ichmüßte einen weiteren Bezugspunkt haben und ...«

Shorr Kan meinte: »Fliegen wir bei dieser hoherGeschwindigkeit eigentlich sicher hier in diesemDreck?«

Der Antarier drehte sich um, seine Augen warenein wenig unbestimmt. »Sicher? Nun, ich nehme an...«

Gordon wurde plötzlich sehr nervös. Wenn ShorrKan, dieser zähe und erfahrene Veteran, besorgt we-gen ihrer Geschwindigkeit war, dann war da wirklichetwas, worüber man sich Sorgen machen mußte.

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»Hull«, fragte er, »warum haben Sie nicht verlang-samt?« Und das hätte unbedingt zuerst gemachtwerden müssen – dachte er als besserwisserischerPassagier.

»Hm«, meinte Hull und blickte finster auf dieKontrollen in Kindergröße. »Ich kann diese verfluch-ten Dinger nicht lesen.« Seine Stimme ging eine Stufehöher. »Wie habe ich eigentlich einen Kurs aus derGalaxis hinaus und auf den Weg zu den Magel-lan'schen Wolken gesetzt«, fragte er, »wenn ich dieInstrumente nicht lesen kann?«

»Wohin haben Sie Kurs gesetzt«, sagte Gordon er-staunt. »Wovon sprechen Sie?«

Hull schüttelte den Kopf. »In Richtung Magel-lan'sche Wolken. Wo die H'Harn herkommen. Gehenwir etwa nicht dahin, um sie auszukundschaften?«

»Dieses kleine Schiff, um eine Subgalaxis auszu-kundschaften?« rief Gordon aus. Er erhob sich, gingauf Hull zu und sah ihn dabei besorgt an. »Hull,träumen Sie?«

Shorr Kan ging zu ihnen und bückte sich leichtunter der Decke. »Das«, sagte er, »ist der idiotischsteVorschlag, den ich je gehört habe.«

Hull wandte sich ihm zornig zu, seine Augen wa-ren jetzt wieder ganz normal. »Idiotisch, ja? Sie sindderjenige gewesen, der es vorgeschlagen hat! Sie ha-ben gesagt, wir müßten zu den Wolken hinausfliegenund in Erfahrung bringen, was die H'Harn gegen dasReich planen!«

Shorr Kans Körper versteifte sich plötzlich wie ineinem Schock. »Das ist lächerlich. Aber ... aber ich ha-be das gesagt.«

Es gab Augenblicke, wo sein dunkles Gesicht so

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hart und kalt und scharf wie eine Schwertschneidewerden konnte. Dies war so ein Augenblick.

»Sagen Sie mir, Hull«, fragte er schnell, »warumhaben Sie dieses H'Harn-Schiff für unser Entkommenausgesucht?«

»Du hast es ausgesucht, Shorr Kan«, sagte Gordon.»Du hast gesagt, daß es schneller wäre.«

»Aha«, meinte Shorr Kan. »Ich habe das getan,wirklich? Aber wie war es Ihnen möglich, das Dingzu fliegen, Hull?«

Hull schaute verwirrt. »Nun, ich habe halt an denKontrollen geraten ...«

»Geraten?« spottete Shorr Kan. »Sie haben wie einExperte abgehoben, in einem Schiff, dessen Kon-struktion für sie vollständig fremd ist.«

Seine schwarzen Augen blitzten von Hull zu Gor-don. Er senkte die Stimme.

»Da gibt es nur eine Antwort auf all das, was wirgetan haben. Wir sind unter fremdem Einfluß gewe-sen. H'Harn-Einfluß.«

Ein Gefühl schrecklicher Kälte brandete durchGordon. »Aber du hast gesagt, daß die H'Harn ihrementale Kraft nicht über große Entfernungen anwen-den können!«

»Und das ist wahr«, sagte Shorr Kan. Er drehte sichum, sein Blick ging zu einer geschlossenen Tür imSchott, die der Weg zum hinteren Teil des Schiffeswar. »Wir sind da hinten noch nicht gewesen, oder?«

Diese Folgerung traf Gordon mitten ins Herz. Esgibt verschiedene Formen von Angst und viele Gradevon Furcht, aber was er wegen des H'Harn fühlte,war der allerletzte, totale, krankmachende Schrecken.Er hatte Schwierigkeiten, die Worte auszusprechen.

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»Du denkst, daß ein H'Harn in diesem Schiff war.Daß da jetzt einer drin ist?«

Er starrte die Tür an und sah dabei das Wesen vorseinem geistigen Auge ... das kleine, fremdartig ver-zerrte, seltsam knochenlose Ding mit seinem ge-schmeidigen, tänzelnden Gang, ein gesichtsloses,sanft zischendes Rätsel, grau verhüllt, das einefurchtbare Kraft verbarg ...

»Das denke ich«, murmelte Shorr Kan. »Gott weiß,wie viele dieser kleinen Monster in unserer Galaxislos sind, obwohl vier die Zahl war, die ich gehört ha-be. Aber ich habe sie von Cyn Cryver gehört, undCyn Cryver ist ein Lügner, weil er mir gesagt hat, daßnur einer auf Aar wäre.«

Hull Burrel und Gordon sahen sich gegenseitig an.Er war immer noch frisch in ihnen, der Schrecken,den sie empfunden hatten, als der H'Harn namensSusurr auf sie zugekommen war. Gordon sagte matt:»Guter Gott!«

Dann wandte er sich Shorr Kan zu, um ihn zu fra-gen, was sie tun sollten. Und er kam fast zu spät.

»Wenn ein H'Harn auf diesem Schiff ist«, sagteShorr Kan, »gibt es nur eines, was zu tun ist. Ihn zufinden und zu töten.«

Mit einer entschiedenen Geste zog er den Strahleraus dem Gürtel.

Gordon sprang.Er brachte Shorr Kan in einem blitzschnellen An-

griff zu Boden und packte die Hand, die den Strahlerhielt. Er klammerte sich daran, während Shorr Kanwie ein Tiger mit ihm kämpfte – die ganze Zeit warShorr Kans Gesicht leer, wie aus Holz geschnitzt, undseine Augen waren starr und glasig und sahen nichts.

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Gordon gellte: »Hull, helfen Sie mir!«Hull sprang schon vor. »Dann ist er ein Verräter?

Ich habe immer gewußt, daß wir ihm nicht vertrauenkönnen ...«

»Nein, das nicht«, sagte Gordon und schnapptenach Luft. »Sehen Sie sein Gesicht an. Ich habe dasschon vorher gesehen: er ist unter H'Harn-Kontrolle.Nehmen Sie diesen Strahler aus seiner Hand!«

Hull zog vorsichtig Shorr Kans Finger zurück, biser die Waffe losließ. Sobald sie in die Hände desAntariers gelangt war, sackte Shorr Kan durch undwurde schlaff. Wie jemand, der aus einer Ohnmachterwachte, sah er zu ihnen hoch und murmelte: »Wasist geschehen? Ich fühlte ...«

Aber Gordon hatte ihn schon vergessen. Er ent-wand dem bestürzten Hull den Strahler und entludihn, indem er den Ladungsblock herausnahm. Dannwarf er genauso schnell den unbrauchbaren Strahlerzurück zu Hull.

»Sie behalten ihn. Ich behalte den Ladungsblock,und auf diese Weise kann keiner von uns die Waffegebrauchen, wenn H'Harn die Kontrolle von einemüber ...«

Er beendete den Satz nicht. Ein Strahl wie einschwarzer Blitz, die kalte paralysierende Kraft, die erdamals auf Teyn gespürt hatte, explodierte mit er-schreckender Stille in seinem Hirn. Es gab keinenSchutz dagegen, keine Möglichkeit, dagegen anzu-kämpfen. Es war wie der Tod. Er starb einfach.

Genauso einfach und plötzlich lebte er wieder. Erlag auf dem Deck, und seine Hände waren um ShorrKans Hals, um ihn zu erdrosseln, und Hull Burrel zogihn mit solcher Kraft weg, daß er die Sehnen im Rük-

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ken und in den Schultern des Antariers krachen hörte.»Lassen Sie ihn los!« knurrte Hull. »Lassen Sie ihn

los, oder ich muß Sie k.o. schlagen ...!«Er ließ los. Shorr Kan wälzte sich zur Seite und

rutschte davon, sein Mund war weit offen, und seineBrust hob sich. »Alles ... alles in Ordnung jetzt«,stammelte Gordon. Er fühlte sich schwach unddurchgeschüttelt, aber er begann wieder aufzustehen.Jedoch anstatt ihn loszulassen, wurde Hulls Griffplötzlich fester. Sein Knie knallte in Gordons Rücken,und Gordon fiel hart nach vorne, sein Schädel klin-gelte auf dem Stahldeck.

Der H'Harn hatte seine Aufmerksamkeit wiedereinmal einem anderen zugewandt. Mit glasigen Au-gen und leer wie eine Statue ließ der Antarier Gordonlos und warf sich auf Shorr Kan und versuchte, ihnernsthaft zu töten. Shorr Kan gelang es, ihn abzuweh-ren, bis Gordon seine Sinne wieder beisammen hatteund ihm helfen konnte. Zusammen zwangen sie ihnnieder und hielten ihn fest, und dann wurde er zwi-schen zwei Atemzügen schlaff und lag dort und sahsie an, seine Augen waren wild, aber wieder ganzklar.

»Ich auch?« fragte er, und Gordon nickte. Hull saßauf und nahm den Kopf in die Hände. »Warum tötetes uns nicht einfach und bringt damit alles hintersich?«

»Es kann uns nicht töten«, sagte Shorr Kan. »Nichtmit mentalen Kräften. Es könnte unseren Geist zer-stören, einen nach dem anderen, aber ich glaubenicht, daß es durch die Mark mit drei gehirnlosenWahnsinnigen fliegen möchte. Es scheint zu versu-chen, zwei von uns dazu zu bringen, sich gegenseitig

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zu töten, damit es nur noch einen übrig hat, den esdann kontrollieren kann. Ich nehme an, daß es je-manden braucht, der ihm hilft, das Schiff zu fliegen.«

Er blickte auf die geschlossene hintere Tür. »Wennwir versuchen, nach hinten zu ihm zu gelangen, wirdes uns nie gelingen ...«

Gordon blickte kurz hoch auf den Sichtschirm, wodie Sternenmassen und die Driftbänke mit täuschen-der Langsamkeit dahinkrochen. Das war eine der ammeisten überfüllten Regionen der Mark, und ShorrKan war über ihre Geschwindigkeit beunruhigt.Vielleicht ...

In verzweifelter Eingebung, so verzweifelt, daß ernoch nicht eine Sekunde innehielt, um darüber nach-zudenken, sprang Gordon zum Kontrollbord. Er be-gann, wahllos auf die rätselhaften Kontrollen einzu-schlagen, er drückte, drehte und bog sie auf allemöglichen Weisen.

Das kleine Schiff spielte verrückt. Es raste blitz-schnell auf einen großen Driftgürtel zu, drehte dannwild ab in Richtung einer blauen Sonne und ihrerPlaneten, stieg dann plötzlich gen Zenit auf ein Dop-pel-Doppel-System zu, dessen vier Sonnen vor ihnenwie große Flammenportale gähnten. Hull Burrel undShorr Kan purzelten gegen die Schotts und brülltenihre Überraschung heraus.

Der H'Harn, der hinten versteckt war, mußte über-rascht worden sein, für den Augenblick zu über-rascht, um ihn aufzuhalten.

Hull sprang auf ihn zu. »Sie werden Bruch ma-chen!« schrie er. »Sind Sie geisteskrank? Nehmen SieIhre Hände von diesen Kontrollen, um Gottes willen!«

Gordon stieß ihn beiseite. »Es ist unsere einzige

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Chance, mit diesem Wesen zu verhandeln. Ihm Angstmachen! Ihr beide, schlagt wahllos auf die Kontrollenein! Wenn wir das alle drei tun, kann es uns nicht allegleichzeitig stoppen.«

Hull blickte auf den Sichtschirm und den schwin-delerregenden Strudel von Sonnen und Planeten undtödlichem Drift. »Aber wir werden Bruch machen.Das ist Selbstmord!«

Shorr Kan hatte Gordons Idee erkannt. »Er hatrecht, Hull. Wir riskieren damit einen Absturz, aberes ist der einzige Weg.« Er stieß Hull auf das Kon-trollbord zu. »Tun Sie's schon!«

Verwirrt und nur alles halb verstehend, gehorchteHull. Sie drei drückten und zogen an diesen Dingernwie Verrückte. Das Schiff drehte sich wie ein Korken-zieher und stand dabei auf seinem Schwanz. Dasschützende Gravitationsfeld, das innerhalb des Schif-fes wirkte, bewahrte sich vor den schlimmsten Be-schleunigungseffekten, aber der reine Wahnsinn ihresFliegens in dieser verrückten Art war erschreckend.

»Alles in Ordnung da hinten?« gellte Gordon. »Siekönnen meine Gedanken lesen, Sie wissen, was ichmeine. Falls wir Bruch machen und sterben, dannsterben Sie mit uns! Versuchen Sie nur die Kontrolleüber einen von uns wieder zu nehmen, und wir wer-den Bruch machen!«

Er wartete auf den eisigen mentalen Schlag, der ihnniederwarf, aber er kam nicht. Und nach einer Minutegelangte ein telepathischer Fühler in sein Gehirn: erwar kalt, fremd und – voller Angst!

»Aufhören!« dachte der versteckte H'Harn. »Wirkönnen nicht überleben, wenn Sie das fortsetzen. Hö-ren Sie damit auf!«

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14

Der Schweiß stand auf Gordons Stirn. Er sah auf demSichtschirm, daß das Schiff jetzt mit all seiner enor-men Geschwindigkeit auf die unregelmäßige Aus-dehnung eines Staubnebels zuflog. Dieser Nebelwürde verrottet mit Drift sein.

Er nahm seine Hände von den Kontrollen. »Laßt essein!« sagte er zu den anderen. »Aber haltet euch be-reit, jeden Augenblick wieder auf sie einzuschlagen!«

Ein angstvoller Gedanke kam von dem H'Harn. Eskonnte ganz klar sehen, das wußte Gordon, was vorihnen war, indem es ihre Augen zum Sehen benutzte.»Sie müssen den Kurs ändern, oder wir werden um-kommen.«

»Den Kurs ändern wohin?« fragte Gordon barsch.»Auf die Magellan'sche Subgalaxis zu? Dahin wolltenSie uns mit Ihren hypnotischen Suggestionen brin-gen.«

»Es ist notwendig für mich, dahin zurückzukeh-ren«, kam der finstere Gedanke. »Aber wir könneneinen Handel abschließen.«

»Was für einen Handel?«»Dies«, dachte der verborgene H'Harn. »Setzen Sie

Kurs auf eine unbewohnte Welt, von der ich weiß,daß sie nicht zu weit entfernt ist, und landen Sie dort.Sie können dann das Schiff verlassen.«

Gordon sah die anderen an, Hulls kupferfarbenesGesicht schwitzend und abgehärmt, Shorr Kans Ge-sicht eine Maske grimmigen Zweifels.

»Ich habe den Gedanken empfangen.« Shorr Kannickte. »Sie auch, Hull? Auf jeden Fall – ich halte

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nicht viel von einem Handel. Dieses Ding wird versu-chen, uns irgendwie zu betrügen.«

»Nein!« kam der scharfe Gedanke.Gordon zögerte unentschlossen. Er sah kein ande-

res Arrangement, das vielleicht noch funktionierenkönnte. Die Situation war phantastisch. Sie drei indem rasenden Schiff, jeder von ihnen ungeschützt derkolossalen mentalen Macht des Wesens da hintenausgeliefert, aber nur immer einer auf einmal.

Ein Gedanke durchkreuzte sein Hirn, aber er un-terdrückte ihn im selben Augenblick. Es war nichts,was er denken wollte, noch nicht einmal für einenMoment. Er sah die anderen beiden an und sagte:»Ich denke, wir müssen es riskieren.«

»Sehr gut«, kam der schnelle, begierige Gedankedes H'Harn. Ein wenig zu schnell, ein wenig zu be-gierig. »Ich werde Ihren Gefährten dirigieren, wie dasSchiff zu jener Welt zu fliegen ist.«

»Wie Sie es vorher getan haben?« höhnte Gordon.»O nein. Sie werden Hull nicht wieder übernehmenund ihn dann auf irgendeine heimtückische Weisegebrauchen.«

»Aber wie soll dann ...?«»Sie werden Hull über direkte telepathische Erklä-

rungen die Kontrollen des Schiffs erläutern«, be-stimmte Gordon. »Er wird uns jede Ihrer Erläuterun-gen laut wiederholen. Falls zu irgendeinem ZeitpunktHull nur das leiseste Anzeichen zeigt, unter Ihrermentalen Herrschaft zu sein, werden wir wieder aufdie Kontrollen einschlagen und werden so lange aufsie einschlagen, bis wir zerschellen.«

Es gab eine lange Pause, bevor eine Antwort kam.Hull schaute gequält auf den Schirm, und Gordon sah

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auf ihm, daß jener Staubnebel erschreckend nahe war:er wand sich quer durch den Raum wie eine giganti-sche gezackte Schlange. Die Schlange war besetzt mitLichtpunkten, die entstanden und vergingen: größereDriftfragmente, die das Licht ferner Sonnen auffingenund es dann wieder verloren.

Er dachte grimmig, daß, falls der H'Harn sich nichtbald entschloß, es kein Entkommen für irgendeinenvon ihnen mehr geben würde.

Dieser Gedanke zwang den H'Harn zu einer hasti-gen Entscheidung, wie Gordon gehofft hatte.

»Sehr gut, ich stimme zu. Aber Ihr Gefährte mußdie Kontrollen sofort übernehmen.«

Hull Burrel nahm an den Kontrollen Platz. Gordonund Shorr Kan lehnten rechts und links von ihm undbeobachteten sein Gesicht auf irgendein Zeichen derVeränderung hin, beobachteten die Kontrollen undbeobachteten sich gegenseitig.

»Es sagt, das ist der Haupthebel für den Seiten-schub«, sagte Hull und legte seine Hand auf einenkleinen, polierten Hebel. »Fünfzig Grad Ost ... siebendieser kleinen Feinstriche nach links.«

Die gigantische Nebelschlange glitt aus der Sichtdes Schirms.

»Zenit- und Nadir-Schubkontrolle«, murmelte Hullund berührte noch einen anderen dieser kleinen He-bel.

Die Sternenfelder veränderten sich auf demSchirm. Das Schiff, das weiterhin mit einer Ge-schwindigkeit flog, die höher als die irgendeinesSchiffes war, das sie je in der Galaxis gesehen hatten,bewegte sich anscheinend wieder normal durch die-sen Sternendschungel. Es war auf einem Kurs parallel

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zum Rand der Galaxis und flog wie ein Pfeil RichtungZenit in diesem Sternenschwarm.

Gordon fühlte eine Spannung, die jetzt unerträglichwar. Er wußte, daß der H'Harn nicht vorhatte, sieentkommen zu lassen, daß das Ding etwas im Schildeführte, eine Falle, die in dem Augenblick zuschnap-pen würde, sobald sie landeten ...

Denk nicht daran, ermahnte er sich selbst. Laß deineGedanken bei Hull und was er über die Kontrollensagt.

Nach einer scheinbar endlosen Zeit lag eine gelbeSonne, die sehr wie Sol aussah, vor ihnen, und ihreScheibe wuchs, als das Schiff weiterflog. Bald konn-ten sie den Planeten sehen, der sich um sie drehte.

»Ist das die Welt?« fragte Gordon.»Ja«, kam die Gedankenantwort des H'Harn.Das Wesen gab dann Hull weitere telepathische In-

struktionen, und Hull sagte: »Bremskontrolle ... zweiTeilstriche«, und berührte einen anderen Hebel.

Gordon beobachtete Hull genau. Wenn der H'Harnvorhatte, plötzlich ihren Piloten zu ergreifen, würdees ziemlich bald sein. So weit blieb Hulls Gesicht je-doch normal. Aber Gordon wußte, wie schnell dieseVerwandlung in jene unmenschliche Starre kommenkonnte. Und wenn das geschah ... Nicht daran denken!Nicht denken!

Der Planet jagte auf sie zu: ein grüngrauer Globus,seine Oberfläche war hier und da von Wolkengürtelnverborgen. Gordon bekam das Schimmern eines Mee-res zu sehen, das fern um den Horizont lag.

»Bremsen: zwei weitere Teilstriche, um in einenstationären Orbit zu gelangen«, wiederholte Hull und

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sprach damit die Instruktionen des H'Harn aus.Und nach ein paar Minuten: »Die Nadel auf der

Mittellinie der dritten Skala: stationärer Orbit. DerTrimmhebel, vier Teilstriche ...«

Er berührte den Trimmhebel, und das Schiff ro-tierte, dann begann es mit dem Schwanz zuerst aufdie Oberfläche des Planeten zuzusinken. Hull Burrelsagte: »Sinkkontrolle: drei Striche.« Sie gingen niederdurch wirbelnde Wolken, und eine kleine, gedämpfteGlocke klang irgendwo.

»Reibungsalarm«, sagte Hull. »Sinkgeschwindig-keit um zwei Strich reduzieren.« Er bewegte den He-bel unter seiner Hand.

Sie schauten nach unten durch den Heckbildschirmund sahen den Planeten auf sich zu wachsen. Dort lageine grüne Landschaft mit Wäldern und Ebenen unddem silbernen Band eines Flusses. Gordon hörte dasschnelle Atmen Shorr Kans und dachte: Er ist ebensoangespannt wie ich ... denk an Shorr Kan ... denk daran, obdu ihm trauen kannst ...

»Einen halben Teilstrich weniger«, sagte Hull undbewegte den Hebel wieder.

Sie waren dreihundert Meter über dem Wald, alsGordon zuschlug. Er tat es mit der urplötzlichenWildheit eines Mannes, der keine zweite Chance be-kommen wird und das weiß. Hull Burrels Hand hieltnoch den Hebel. Gordon stieß gegen ihn undschmetterte ihn nach unten. Der Hebel öffnete sichweit, und ein kreischendes Brüllen war in der Luft.

Hull rief etwas, und im nächsten Augenblickschlug der Schwanz des Schiffes auf dem Planeten-grund auf. Gordon flog noch weiter und hatte dabeidas Geräusch des zusammenbrechenden Gefüges des

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Schiffs laut in den Ohren. Er prallte gegen die Kon-trollhebel, und der Atem ging ihm aus. Eine lange,fallende Kadenz: Schleifen und Krachen und Metall-schreien war zu hören. Allmählich kamen sie zur Ru-he. Unterdessen bekam Gordon seinen Kopf wiederklar und seinen Atem zurück. Das Schiff war völligbewegungslos und lag wie betrunken auf eine Seiteumgekippt.

Shorr Kan kam wieder hoch, das Blut floß ihm auseinem Schnitt auf der Stirn. Hull Burrel lag auf demDeck schlaff und bewegungslos. Voller Panik beta-stete Gordon ihn, rollte ihn herum und fühlte an sei-nem Hals nach dem Puls.

»Tot?« fragte Shorr Kan. Er hatte seinen Uniform-rock geöffnet und riß einen Streifen Stoff aus seinemUntergewand.

Immer noch nach Luft schnappend, zog Gordoneines von Hulls Augenlidern hoch und schüttelte denKopf. »Bewußtlos. Ich glaube nicht, daß er schlimmverletzt ist.«

Shorr Kan preßte den Stoffetzen über die Platz-wunde an seinem Kopf. Der Fetzen färbte sich schnellrot. »Was für ein Glück«, sagte er. »Wir könnten alletot sein.« Er sah Gordon an. »Warum, in aller TeufelNamen, hast du uns abstürzen lassen ...?«

Er wurde plötzlich still. Shorr Kan hatte einen derschnellsten Verstande, die Gordon je erlebt hatte. Ersah jetzt zum hinteren Teil des fremden Schiffs.

Die Schotte da hinten waren wie Blech zerknüllt.Das Heck des herabfallenden Schiffs hatte die ge-samte Wucht des Aufschlags aufgefangen. Shorr Kanwandte sich mit einem arktischen Leuchten in seinenschwarzen Augen wieder Gordon zu.

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Er flüsterte: »Empfängst du jetzt irgend etwas?«Gordon hatte ebenfalls gelauscht und dabei nicht

nur seine Ohren angestrengt sondern auch seinenGeist.

»Nichts«, sagte er. »Nicht das leiseste Flackern. Ichdenke, der H'Harn muß bei der Landung gestorbensein.«

»Der muß ziemlich sicher tot sein, so wie das Schiffda hinten zu Bruch gegangen ist«, meinte Shorr Kan.»Natürlich. Das ist es, was du zu tun beabsichtigthast: den H'Harn bei der Landung zu töten.«

Gordon nickte. Er fühlte sich schrecklich zittrig, ei-ne Reaktion auf die schwere Qual dieses mentalenKampfes.

»Er hätte uns niemals frei davongehen lassen«,sagte er. »Das war sicher. Ich nahm die Chance wahr,ihn zuerst zu erwischen.«

Shorr Kan faltete das durchgeweichte Tuch wiederzusammen. Er nickte, und diese Bewegung ließ ihnzusammenzucken. »Ich werde dir etwas sagen, Gor-don: du gewinnst deinen Mut aus deinen Überzeu-gungen. Aber ich denke, du hast recht. Ich glaube,daß er unsere Gehirne ausgebrannt hätte ... oder we-nigstens zwei unserer Gehirne ... bevor er auch nureinen von uns frei hätte gehen lassen. Denn, mit ei-nem Satz: wir wissen zu viel.«

»Ja«, sagte Gordon. »Und ich wünschte nur, wirwüßten mehr.«

Hull Burrel blieb so lange bewußtlos, daß Gordonanfing, sich Sorgen zu machen. Schließlich kam er zusich und brummte, daß jeder Knochen in seinemKörper gebrochen wäre, fügte dann aber hinzu, daßes die Sache wert wäre, von dem H'Harn befreit zu

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sein. Er musterte Gordon mit verengten Augen.»Ich bin nicht sicher, ob ich den Nerv gehabt hätte,

das zu riskieren«, meinte er.»Sie sind ein Raumfahrer«, sagte Gordon. »Sie wis-

sen zu genau, was hätte passieren können.« Er nicktezu den zerquetschten Rumpfplatten hin. »SchleppenSie Ihre Knochenbrüche hier herüber und fassen Siemit uns an.«

Hull lachte, schüttelte den Kopf und kam. Es nahmeine geraume Zeit in Anspruch, die Platten weit ge-nug aufzuhebeln, daß sie sich durchschieben konn-ten, aber es gab keinen anderen Weg hinaus – dieSchleuse war hoffnungslos verklemmt –, und derAufprall hatte schon die meiste Arbeit für sie getan.Sie kletterten schließlich hinaus in den warmen, gel-ben Sonnenschein und ließen sich auf den mit grü-nem Gras bedeckten Boden fallen.

Gordon schaute sich verwundert um. Diese Weltoder zumindest dieser Teil davon besaß eine verblüf-fende Ähnlichkeit mit der Erde. Die Männer standenam Rand eines grünen Waldes, und nicht weit vonihnen lichtete sich der Wald, und sie gewannen denflüchtigen Ausblick auf eine wellige Ebene. DerHimmel war blau, der Sonnenschein golden, die Luftsüß und voll trockenem Duft von Blättern und Grä-sern. Sicher waren die einzelnen Büsche, Bäume undPflanzen, die er sah, in ihren Einzelheiten den irdi-schen reichlich unähnlich, aber die überall vorhande-ne Ähnlichkeit mit einer Szenerie in der gemäßigtenZone der Erde war doch groß.

Hull Burrel hatte andere Gedanken. Er blickte fin-ster das Wrack des Schiffes an, das sie so weit durchden Raum gebracht hatte.

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»Das wird nie wieder fliegen«, sagte er.»Selbst wenn es unbeschädigt wäre, könnten Sie es

nicht bedienen«, meinte Gordon. »Nur durch denH'Harn haben Sie es geschafft.«

Hull nickte. »Hier sind wir also: ohne Schiff auf ei-nem unbewohnten Planeten.«

Gordon wußte, was er meinte. Gestrandet.»Aber ist er unbewohnt?« fragte Shorr Kan. Die

Schnittwunde hatte jetzt zu bluten aufgehört. »Ichweiß, daß der H'Harn gesagt hat, daß er unbewohntwäre, aber diese Wesen sind die Väter der Lüge. Kurzbevor wir Bruch gemacht haben, meinte ich, ein ent-ferntes Etwas gesehen zu haben, das eine Stadt seinkönnte.«

»Hm«, sagte Gordon unsicher. »Wenn diese Weltbewohnt ist und der H'Harn Kurs darauf genommenhat, ist sie sehr wahrscheinlich eine der nichtmensch-lichen Welten in diesem Teil der Mark, die im Gefol-ge Narath Teyns sind ... und in dem der Grafen.«

Shorr Kan meinte: »Ich habe das in Erwägung ge-zogen. Ich denke, wir sollten das besser auskund-schaften, und ich denke, wir wären besser verdammtvorsichtig, wie wir uns zeigen.« Er wies dahin. »DieStadt war irgendwo dort.«

Sie gingen am Rand des Waldes entlang los undhielten sich dabei ein wenig zwischen den Bäumenzurück in Deckung. Die grüne Ebene draußen vor ih-nen blieb leer, sie wellte sich fort bis zum Horizont.Es gab einige vereinzelte Vögel und kleine Tiere imWald, die leise Laute von sich gaben, und der Windraschelte in den Bäumen auf eine vertraute Weise.Aber da war auch eine Stille um sie, die Gordon nichtgefiel. Er gab den Ladungsblock Hull wieder zurück.

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»Stecken Sie ihn in den Strahler«, sagte er. »Es istnicht viel, aber es ist etwas.«

»Was ich nicht verstehe«, meinte Hull, während erdas tat, »ist das Warum dabei. Warum hat der H'Harnuns in dieses Schiff durch seinen mentalen Einfluß di-rigiert und dann uns mit zurück zu den Magel-lan'schen Wolken nehmen wollen? Von was für einerVerwendung hätten wir für ihn sein können?«

»Sie und ich würden kaum eine Verwendung fin-den«, sagte Shorr Kan. »Es dämmert mir jetzt, daßdas Ding nicht gerade einen Kopiloten wollte. Ichdenke, es wollte Gordon.«

»Guter Gott!« rief Gordon aus und starrte ihn an. Inder momentanen Anspannung hatte er nicht so weitgedacht, aber er wußte, worauf Shorr Kan zusteuerte.Ihm brach kalter Schweiß aus. »Aber wie konnte es ...natürlich, seine Aufmerksamkeit wurde erregt, alswir den anderen H'Harn töteten und zu fliehen be-gannen. Es hatte da unzweifelhaft unsere Gehirnesondiert, auch wenn wir dessen nicht bewußt wur-den. Deswegen ist es in dem Schiff versteckt gewe-sen.«

»Also ... es hat unsere Gehirne sondiert«, sagteHull. »Was ist denn nun mit Ihnen, das es veranlaßte,Sie so dringend zu wollen?«

Shorr Kan lächelte ironisch: »Erzähl's ihm, Gor-don.«

»Schauen Sie, Hull«, erläuterte Gordon. »Sie habenalles auf Throon über mich erst so kürzlich erfahren,daß Sie noch nicht die Folgerungen dessen realisierthaben, was Sie erfahren haben. Der Kaiser selbst hatIhnen erzählt, wie ich – genauer gesagt: mein Geist –in dem Körper von Prinz Zarth Arn zu der Zeit des

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größten Krieges der Sternenkönige gegen die Liga ge-sessen habe.«

Hull meinte gereizt: »Ich werde das kaum je ver-gessen. Daß in Wirklichkeit Sie es gewesen sind, derdie Reichsflotte anführte und auch den ...«

Er hielt plötzlich inne. Sein Mund war noch offen,er vergaß, ihn zu schließen.

»Exakt«, sagte Gordon. »Ich war es und nicht ZarthArn, der die geheime Waffe des Reichs anwendete:den Disruptor.«

»Den Disruptor«, meinte Shorr Kan und spitztediesen Punkt noch zu, »der vom Reich Tausende vonJahren vorher angewendet wurde, um die H'Harn zu-rückzutreiben, als sie zum ersten Mal versuchten, indiese Galaxis einzudringen.«

Hull schloß den Mund, riß die Augen weit auf undsah Gordon an: »Natürlich! Falls die H'Harn jeman-den in ihre Hände – oder was immer sie statt dessenbenutzen – bekommen könnten, der das Geheimnisdes Disruptors kennt, das offensichtlich nur die kö-nigliche Familie des Reichs kennt, dann würden siekolossal glücklich sein. Ja, ich verstehe. Aber ...«

»Ich schlage vor«, sagte Shorr Kan, »daß ihr eineweitere Diskussion zurückstellt und einmal hier hin-aus blickt.«

Die Schärfe seiner Stimme ließ sie verstummen. Sieäugten zwischen den Bäumen auf die große Ebenehinaus.

Kilometerweit draußen vom Wald entfernt undweit weg zu ihrer Linken bewegte sich eine Gruppevon Punkten über die Ebene dahin. Zuerst dachteGordon, daß dort Wildtiere rannten. Aber dafürstimmte irgend etwas nicht mit ihrem Gang und ih-

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rem Schritt und der Art, wie sie sich ein wenig überden Boden erhoben und wieder hinabfielen.

Die Gruppe fegte vorbei, kam dabei dem Waldnicht näher, sondern zielte in gerader Linie in dieRichtung, die Gordon als Norden ansah. Als sie vor-beikamen, konnte er sie deutlicher sehen. Und ihmgefiel das gar nicht, was er sah.

Die Wesen liefen nicht und flogen nicht, sondernmachten von beidem ein wenig. Sie waren stummel-flügelige, fliegende Zweifüßer, viel größer als Kork-hanns Volk, und entbehrten der zivilisierten Anmutvon Federn. Sie waren näher bei den Reptilien geblie-ben, Äquivalente etwa der Pterodaktyle. Flügel undKörper waren lederartig glatt, in der Farbe ein Grauoder Braun, und ihre Köpfe waren scheußlich quasi-menschlich mit schwellenden Schädeln über langen,grausamen Schnäbeln, die Zähne zu besitzen schie-nen. Wie bei Korkhanns Volk dienten die Flügelebenso als Arme und besaßen mächtige Klauenhän-de.

Gordon gewann den Eindruck, daß diese HändeWaffen trugen.

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Der gelbe Sonnenschein ergoß sich hernieder, und ei-ne leichte Brise kräuselte das grüne Blätterdach derBäume um sie, und es war alles so sehr wie ein Juni-tag auf der Erde, daß Gordon kaum glauben konnte,daß er auf dem Planeten eines fernen Sterns stand.

Das war es, was die geflügelten Zweifüßer dadraußen so erschreckend machte. Es war, wie wenner diesen grotesken Gestalten in der Heimat begeg-nete.

»Das sind Qhallas«, sagte Shorr Kan. »Als NarathTeyn nach Aar kam, um sich mit Cyn Cryver zu be-sprechen, brachte er eine buntgewürfelte Schar seinerNichtmenschlichen mit ... und da waren zwei dieserScheusale darunter.«

Die Männer duckten sich und beobachteten. Diealptraumhafte Gruppe lief weiter, weder rechts nochlinks schauend, direkt nach Norden. Sie wurden fernePunkte und verschwanden.

Shorr Kan beschattete seine Augen kurz. »Da – inder Ferne!« wies er.

Sie konnten gerade eine andere Gruppe von flie-genden, dahinrasenden Flecken sehen. Sie bewegtensich ebenfalls nach Norden. Die gleiche Richtungnahmen die Männer. Keine ermutigende Aussicht,dachte Gordon.

»Auf jeden Fall«, meinte Shorr Kan, »bestätigt dasmeine Vermutung, daß ich eine Art Stadt gesehenhabe. Möglicherweise auch genausogut ein Lande-feld.« Er runzelte die Stirn, seine Augen waren gei-stesabwesend, aber trotzdem sehr scharf. »Ich glaube,

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es werden bald einige Schiffe der Grafen hier an-kommen, und die Qhallas treffen sich mit ihnen. Ichglaube, daß das ein Teil des Sammelns von Narathsnichtmenschlichen Klans ist.«

Etwas verfestigte sich schmerzvoll in Gordons Ma-gen. »Sammeln ... wofür?«

»Für den langgeplanten Angriff auf Fomalhaut«,sagte Shorr Kan ruhig, »durch die Markgrafen undNaraths Horden.«

Gordon sprang auf. Er griff mit seiner Hand ShorrKans Hals. Er schüttelte ihn, und seine Augen warenwild.

»Angriff auf Fomalhaut? Du wußtest das, und duhast es mir nicht gesagt?«

Shorr Kans Gesicht blieb ruhig. Ebenso seineStimme, obwohl es schwierig genug war, sie zwi-schen Gordons abdrosselnden Händen herauszube-kommen.

»Hat es denn nur eine Minute gegeben, seitdem icheuch geholfen habe, von Aar zu entkommen, in derwir nicht allen Ärger hatten, mit dem wir fertigwer-den mußten, ohne uns noch mehr aufzuladen?«

Sein Blick hielt Gordons Blick stand, und Gordonließ ihn los. Aber er blieb angespannt und vonschrecklicher Angst ergriffen. Und mit der Angst kamein überwältigendes Gefühl der Schuld. Er hätte nieFomalhaut und Prinzessin Lianna verlassen dürfen.

Er hatte seit der Zeit, als Narath sie auf Teyn in dieFalle gelockt hatte, gewußt, daß dieser Angriff un-ausweichlich war. Er hätte bei ihr bleiben sollen undhätte tun sollen, was er vermochte. Sie hatte ihm ein-mal vorgeworfen, daß er Abenteuer mehr liebte alssie, und er war ärgerlich über sie geworden. Aber

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vielleicht hatte sie die Wahrheit gesagt.»Wie bald?« fragte er. Seine Stimme war kaum

merklich unsicher. Er bemerkte, daß Hull ebenfallssprach und daß er erregt aussah, aber er konnte keineAufmerksamkeit für irgend etwas erübrigen außerfür Shorr Kans Antwort.

Und Shorr Kan zuckte die Achseln. »Sobald dievereinten Streitkräfte bereit sind ... wann immer dassein mag. Cyn Cryver hat mir nicht all seine Pläne er-zählt. Aber die Schiffe der Grafen werden eine kämp-fende Eskorte für die Transporter bilden, die dieHorden von Narath Teyn bringen.«

»Ich verstehe«, sagte Gordon und preßte seineHände hart zusammen und zwang sich zum Nach-denken. Panik war jetzt keine Hilfe – weder für Lian-na noch für ihn selbst. »Welche Rolle werden dieH'Harn in dieser Sache spielen?«

Shorr Kan schüttelte den Kopf. »Das kann ich nichtsagen. Cyn Cryver war sehr verschwiegen in seinerBeziehung zu den H'Harn.« Er unterbrach sich undmeinte dann nüchtern: »Meinem Gefühl nach benut-zen die H'Harn Cyn Cryver und alle anderen gewis-sermaßen nur als Werkzeuge. Wie ich es natürlichauch für mich geplant hatte.«

»Haben Sie jemals in Ihrem ganzen Leben mit ir-gend jemandem ehrlich gespielt?« fragte Hull Burrel.

Shorr Kan nickte. »O ja, oft. Tatsächlich habe ichnie zum Betrug gegriffen, wenn nicht etwas damit zugewinnen war.«

Hull gab einen Laut des Abscheus von sich. Gor-don hörte die beiden kaum. Er ging hin und her, inseinem Kopf wirbelte es. Seine Augen waren weit of-fen, aber sie sahen nichts.

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»Wir müssen unbedingt zurück nach Fomalhaut«,sagte er mit einer rauhen und abgehackten Stimme.Und ohne zu zaudern.

»Das«, meinte Shorr Kan, »wird nicht leicht sein.Das Volk dieser Welt besitzt keine Raumfahrt. Duhast sie gesehen. Sie sind eine reichlich armseligeArt.«

Gordons Gesicht erstarrte und verhärtete sich wei-ter. »Du hast gesagt, daß einige der Schiffe der Grafenwahrscheinlich bald hier landen werden, um dieseQhallas für den Feldzug aufzunehmen?«

»Ah«, machte Shorr Kan. »Ich denke, ich verstehe,was in deinem Gehirn vor sich geht. Wir stehlen einesvon diesen Schiffen, wenn sie kommen, und hauenab, um Fomalhaut zu warnen. Guter Gott, Mann! Seivernünftig!«

»Er ist ein Schuft mit einer schwarzen Seele«, sagteHull, »aber er hat recht, John Gordon. Diese geflü-gelten Teufel werden da, wo die Schiffe landen, nurso herumschwärmen.«

»In Ordnung«, meinte Gordon, »in Ordnung. Aberdie Tatsache bleibt: wir brauchen ein Schiff. Sagt mir,wie wir es bekommen.«

Hulls großes, kupferfarbenes Gesicht spiegeltenichts als Verblüffung, Ärger und Ausweglosigkeit.Shorr Kan sagte jedoch nach einer Minute: »Es gibteinen Weg, wie es angestellt werden könnte.«

Gordon und Hull blieben beide still, sie hattenAngst, den dünnen Faden der Hoffnung zu zerreißen.Shorr Kan stand da, biß sich in die Lippe und dachtenach. Sie warteten. Plötzlich sagte Shorr Kan zu Gor-don: »Angenommen, wir schaukeln das. Angenom-men, wir gelangen nach Fomalhaut. Wie ich Prinzes-

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sin Lianna kenne, wird sie mich im frühest möglichenAugenblick hängen lassen wollen.«

Gordon antwortete: »Ich werde mich darum küm-mern, daß sie es nicht tut.«

Das war ein weitmaschiges Versprechen. Shorr Kanlächelte mit einem unerfreulichen Humor.

»Kannst du das garantieren?« verlangte er. »Kannstdu garantieren, daß, wenn sie es nicht tut, nicht je-mand anderer – etwa der Kaiser – es für sie tunwird?«

Es war nicht gut, jetzt zu lügen – Gordon wußtedas, mehr als er wollte. »Nein, ich kann es nicht ga-rantieren. Aber ich bin fast sicher, daß, wenn du esverdient hast, ich genug Einfluß besitze, um deinenHals zu retten.«

»Fast ist nur ein schwacher Trost«, meinte ShorrKan. »Jedoch ...« Er studierte Gordon einen Augen-blick, und Gordon wußte, daß er im Geist alle Alter-nativen durchging und sie schnell noch einmal ab-prüfte, bevor er sich selbst der Situation auslieferte.Schließlich zuckte er die Achseln und sagte: »Es gehtnicht anders. Gibst du mir dein Ehrenwort, daß dualles in deiner Macht Stehende tun wirst, um michvor Exekution oder Bestrafung zu retten?«

»Ja«, bestätigte Gordon. »Wenn du uns nach Fo-malhaut bringst, werde ich das tun.«

Shorr Kan überlegte. »Ich werde das akzeptieren.Wenn ich nicht aus der Vergangenheit wüßte, daß duein wenig einfältig damit bist, immer dein Wort zuhalten, würde ich dir nicht trauen. So wie es ist, tueich es.«

Hull Burrel gab ein Grunzen von sich. Gordonignorierte ihn und fragte schnell: »Nun ... wie kom-

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men wir von hier weg?«Shorr Kans schwarze Augen funkelten. »Es gibt nur

einen möglichen Weg, und das sind die Schiffe derGrafen, die hierherkommen werden, um die Qhalla-Krieger aufzunehmen.«

»Aber du hast selbst gesagt, wir könnten nie einSchiff kapern ...«

Shorr Kan grinste. »Das ist richtig. Aber ich habeein gewisses Talent für diese Dinge, und ich habe mireinen Weg überlegt.«

Er sprach schnell. »Hört zu! Ich habe euch gehol-fen, von Aar zu entkommen, und zusammen habenwir dort den H'Harn Susurr getötet. Aber niemandauf Aar, keiner der Grafen, weiß wirklich, was ge-schehen ist. Alles, was sie wissen, ist, daß ein H'Harntot aufgefunden wurde, die beiden Gefangenen – duund Hull Burrel – vermißt werden und daß ich eben-falls vermißt werde.«

»Worauf wollen Sie hinaus?« fragte Hull.»Darauf«, antwortete Shorr Kan. »Nehmt an, ich

tauche hier auf dieser Qhalla-Welt wieder auf. Nehmtan, ich erzähle den Grafen, wenn sie kommen, daß ihrzwei es gewesen seid, die den H'Harn getötet haben,und daß, als ihr geflohen seid, ihr mich als Gefange-nen mitgenommen habt?«

»Würden sie das glauben?« fragte Gordon. »Wür-den sie nicht wissen wollen, wo wir sind und wie duvon uns abgehauen bist?«

»Ah, aber das ist doch gerade das Prachtvolle anmeiner Idee«, sagte Shorr Kan. »Ich werde euch beidedoch direkt bei mir haben, versteht ihr ... eure Hand-gelenke gebunden und ihr von mir mit dem Strahlerin Schach gehalten. Ich würde ihnen erzählen, daß,

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als ihr mit dem Schiff eine Bruchlandung auf dieserWelt gemacht habt, ich den Spieß umgedreht habeund euch überwältigt habe, und wie könnten sie dasanzweifeln mit dem Beweis direkt unter ihren Au-gen? Ist das nicht genial?«

Hull Burrel gab ein Geräusch von sich, das wie einBrüllen war. Er sprang Shorr Kan an, bekam ihn zwi-schen die Hände und fing an zu versuchen, ihn inzwei Teile zu zerbrechen.

»Hull, hören Sie auf!« schrie Gordon.Der Antarier wandte ihm ein flammendes, zorniges

Gesicht zu. »Aufhören? Sie haben doch den Bastardgehört, nicht? Er ist derselbe Shorr Kan wie eh!«

Shorr Kan war ein starker Mann, doch der großeAntarier schüttelte ihn, wie ein Terrier eine Ratteschüttelt. »Ihm ist eine wundervolle Idee gekommen,sicher. Er wird uns als Gefangene hinführen, undweil seine Flucht nicht geklappt hat, wird er behaup-ten, daß er sie nie versucht hat, und er wird uns denWölfen zum Fraß vorwerfen!«

»Warten Sie eine Minute«, sagte Gordon und zogan Burrels Arm. »Lassen Sie ihn los! Zu viel hängtdavon ab, Hull! Laßt uns darüber reden.« Aber dieSaat des Argwohns ging auch in Gordons Hirn auf,und er sah Shorr Kan sehr kalt an, als der schnell zu-rückwich, weg von Hulls zögernd sich öffnendenHänden.

»Es klingt tatsächlich so«, meinte Gordon, »wie dieArt cleverer Betrügerei, in der du schon immer gutgewesen bist.«

»So klingt es zwar«, sagte Shorr Kan und lächelte.»Und ich muß zugeben, daß ich in Erwägung gezo-gen habe, es genau auf diese Weise zu tun.«

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Gordon sah ihn mit verengten Augen an: »Aber duhast deine Absicht geändert?«

»Ja, Gordon, das habe ich.« Ein seltsamer Ausdruckvon Ruhe war jetzt in seiner Stimme, wie wenn er et-was einem sehr kleinen Kind erklärte. »Ich habe dirdas schon einmal gesagt, und ich werde es wieder-holen. Ich könnte bei den Grafen bleiben und sie aufder ganzen Linie betrügen, aber ich kann nicht dieH'Harn betrügen: ein verirrter Gedanke wäre meinEnde. Deshalb ziehe ich es vor, meine Chance aufFomalhaut wahrzunehmen. Das ist eine ganz einfa-che Rechnung.«

»Bei dir, mein Freund«, sagte Gordon sauer, »istnichts einfach. Deshalb finde ich das ja so schwer zuglauben ... weil es einfach ist.«

»Dann laß uns etwas anderes finden, woran es sichaufhängen läßt«, sagte Shorr Kan heiter. »Freund-schaft zum Beispiel. Ich habe dich immer sehr ge-mocht, Gordon. Ich habe das in der Vergangenheitauch zum Ausdruck gebracht. Zählt das nichts?«

»Oh, mein Gott«, sagte Hull Burrel sanft. »Hiersteht der größte Schurke in der Galaxis, und er bittetSie, an ihn zu glauben, weil er Sie mag Lassen Siemich ihn töten, John Gordon.«

»Versucht dazu bin ich schon«, meinte Gordon.»Aber warten Sie ein wenig.« Er schritt auf und abund versuchte sich zu zwingen, frei von den Zweifelnund der qualvollen Besorgnis, die seinen Geist an-füllten, nachzudenken. Schließlich sagte er: »Es zieltalles auf eines ab: Die einzigen Sternenschiffe, die aufdiese Welt kommen werden, sind die Schiffe der Gra-fen. Und dies ist der einzige mögliche Weg, auf demwir hoffen können, eines von diesen Schiffen in die

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Hand zu bekommen. Wir müssen es wagen, Hull.Geben Sie ihm den Strahler.«

Hull Burrel musterte ihn ungläubig.»Wenn Sie sich eine andere Möglichkeit ausdenken

können, sagen Sie es mir«, meinte Gordon.Hull stand einen Moment mit gesenktem Kopf wie

ein zorniger Büffel. Dann fluchte er und händigte dieWaffe Shorr Kan aus.

Sofort erhob Shorr Kan den Strahler gegen sie.»Jetzt seid ihr meine Gefangenen«, sagte er lä-

chelnd. »Hull hatte absolut recht, ich werde euch alsGefangene den Grafen ausliefern.«

Hulls Wut stieg über alle Maßen. Er stürzte sich imAngesicht des Strahlers brüllend nach vorne, seineHände zu seinem tödlichen Schlag erhoben.

Shorr Kan trat flink beiseite und ließ ihn vorbei-stolpern. Dann lachte er, und es war ein Lachen vollreiner und schalkhafter Wonne.

»Schau ihn dir an!« sagte er. »Ist er nicht herrlich?«Hull hatte sich umgedreht und stand unsicher da,seine großen Hände schwangen hin und her, und erstarrte ihn in sprachlosem Erstaunen an, als ShorrKan wieder lachte. »Verzeihen Sie, Hull, ich mußte estun. Sie waren so sicher. Ich hatte nicht das Herz, Siezu enttäuschen.« Er warf den Strahler in die Luft, fingihn geschickt wieder auf und schob ihn in seinenGürtel. »Kommt jetzt. Kurz bevor wir jemandem be-gegnen, Mensch oder Qhalla, muß ich euere Händebinden, aber jetzt ist das noch nicht nötig.«

Er gab Hull einen freundschaftlichen Schlag aufden Rücken. Hull verfärbte sich dunkelviolett, aberGordon konnte sich nicht enthalten, ein wenig zugrinsen.

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Sie gingen hinaus über die hügelige Ebene nachNorden: in die Richtung, in die der groteske Qhalla-Trupp geeilt war. Die Sonne sank am Himmel, unddann wurde aus einem rosigen Sonnenuntergang eindüsteres Zwielicht. Es gab ein fernes Blitzen und einrollendes Donnerkrachen, das sich dreimal in demklaren Abend wiederholte, und sie sahen drei leuch-tende Sternenschiffe herunterkommen.

Zwei Stunden später standen sie in der Dunkelheitder Nacht und beobachteten eine Szene, die direktaus der Hölle hätte entstammen können.

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Rotflackernde Fackeln erleuchteten die belebten Stra-ßen dessen, was weniger eine Stadt als ein planlosesGewirr von Hütten und Buden und baufälligen La-gerhäusern war, die wahllos neben eine Furt desFlusses hingeklatscht worden waren. Die Qhallas wa-ren nicht zivilisiert genug, um irgend etwas mehr alseinen Treffpunkt und einen Marktplatz zu benötigen,und es war noch nicht einmal ein sehr großer. Aberdieser Ort war jetzt mit Tausenden der geflügeltenZweifüßer angefüllt, die sich mit solch einem Ge-dränge an Körpern durch die staubigen Gassen scho-ben, daß die Wände der Hütten an ihren Schulternknackten. Das unruhige rote Licht hob ihre Lederflü-gel und ihre glitzernden Reptilienaugen hervor. Ihreheiseren Stimmen machten einen unaufhörlichen,kreischenden Lärm. Sie ließen Gordon an eine Hordevon Dämonen denken, und sie stanken über allesVorstellungsvermögen.

Der Brennpunkt dieser riesigen Menge waren diedrei Sternenschiffe, die auf der Ebene außerhalb derelenden Stadt ruhten. Zwei von ihnen waren Fracht-schiffe, deren schimmernde Seiten sich noch weit jen-seits des Fackellichts in der Dunkelheit abzeichneten.Das dritte Schiff war viel kleiner, ein schneller, leich-ter Kreuzer. Die Horde der Qhallas lief zwischen derStadt und den beiden größeren Schiffen hin und her.

»Transporter«, sagte Shorr Kan. »Und in diesemkleineren Kreuzer sitzt sicher einer der Grafen, derseinen Anteil an der Operation leitet.«

Hull Burrel meinte geringschätzig: »Dieser Mob

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könnte kaum viel gegen eine moderne Sternenweltausrichten.«

»Ah, aber das ist nur ein Teil davon, ein sehr klei-ner Teil«, sagte Shorr Kan. »Überall in der Mark, aufwilden Welten wie dieser, wird dasselbe Sammelnstattfinden. Alle nichtmenschlichen Völker werdenden Ruf von Narath Teyn beantworten.«

Da er sich daran erinnerte, wie die Gerrn NarathTeyn verehrten, hatte Gordon keinen Zweifel daran.

»Die Kampfschiffe der Grafen werden FomalhautsFlotte übernehmen«, fügte Shorr Kan hinzu. »Wäh-rend sie beschäftigt ist, werden die gesammeltenTransporter durchbrechen und diese Horden zu ei-nem direkten Sturm auf die Hauptstadt landen.«

Die Worte beschworen eine alptraumhafte Visionin Gordons Hirn herauf, und er fühlte wieder dieQual der Schuld, daß er Lianna verlassen hatte.

»Das Kaiserreich ist der Verbündete von Fomal-haut«, sagte Hull Burrel. »Sie werden dazu einiges zusagen haben.«

»Aber das alles wird als Überrumplung geschehen.Bis eine Flotte des Reichs dort sein kann, wird NarathTeyn bereits auf dem Thron von Fomalhaut sitzen.Und es wird nicht leicht sein, ihn dann da wiederherunter zu bekommen.«

Shorr Kan fuhr nicht fort, die unausweichliche Fol-ge auszusprechen, auch wenn sie längst in ihren Köp-fen war: daß Lianna dann nicht mehr am Leben seinkönnte, um ihren Thron zu beanspruchen, und Na-rath Teyn als den einzigen und rechtmäßigen Erbenhinterließ.

Gordon verlangte barsch: »Wollen wir hier weiterherumstehen und darüber reden?«

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Shorr Kan sah gedankenvoll von dem niedrigenHügel, wo sie versteckt waren, auf die Stadt hinunter.

»Wenn ich euch als Gefangene hineinbringe, kannich jeden, wer auch immer als Vertreter der Grafenhier verantwortlich ist, davon überzeugen, daß ichimmer noch Cyn Cryvers Verbündeter bin. Aber daist ein anderes Problem.« Er zeigte auf die herumlau-fenden, kreischenden, stinkenden Qhallas. »Die Art,wie sie aussehen, und nach dem, was ich von ihnengehört habe, werden sie uns in Stücke reißen, bevorwir überhaupt die Schiffe erreicht haben.«

»Das glaube ich Ihnen«, sagte Hull. »Sie sind jeden-falls ein wilder Haufen, und sie sind jetzt bis zumWahnsinn aufgepeitscht.«

Shorr Kan zuckte die Achseln. »Es ist Unsinn, nacheinem solchen schlimmen Ende zu verlangen. Wirmüssen halt warten, bis wir eine günstigere Chancesehen durchzukommen. Aber ich werde besser euereHände jetzt schon binden. Wenn die Chance sichbietet, müssen wir schnell machen.«

Gordon schickte sich darein, seine Hände hinterdem Rücken gebunden zu bekommen, obwohl ihmdie Aussicht, zwischen den Qhallas hilflos zu sein,kaum sehr behagte. Er tröstete sich mit der Erkennt-nis, daß ihm seine Hände sowieso von keinem Nut-zen sein würden. Aber Hull Burrel weigerte sichschwach.

»Oh, um Gottes willen«, knurrte Gordon. »Waswollen Sie denn tun, hier sitzen und sterben?«

»Ich glaube, wir werden das sowieso tun«, murrteer und sah zu den Qhallas hinab. Aber er legte dieHände hinter sich und ließ Shorr Kan sie binden.

Dann saßen sie im Gras und warteten und hofften

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auf einen Weg, der sich ihnen zu den Schiffen eröffnete.Die lodernden Sterne blickten vom Himmel her-

unter. Der Wind brachte das Geräusch von heiseremRufen von dort, wo die Fackeln flackerten. Gordonroch den scharfen Geruch des warmen Grases, aufdem sie saßen, und er war so vertraut, daß es ihn be-stürzte.

Dann erinnerte er sich. Vor langer Zeit, als er nochJohn Gordon von New York war, hatte er einmal ei-nen Freund besucht, der in Ohio auf dem Lande lebte.Sie hatten nachts in einer sommerwarmen Wiese ge-sessen, und da waren Leuchtkäfer um sie gewesen,und der Geruch des sonnenversengten Grases wargenau der gleiche gewesen.

Gordon fühlte den plötzlichen, schauderndenSchmerz eines Desorientiertseins. Wer war er, undwas tat er hier an diesem wilden, fremden Ort? Dersüße Grasgeruch marterte ihn mit einer Sehnsuchtnach Hause, nach seiner eigenen, vertrauten Welt, wodie Tiere des Feldes nicht mit den Stimmen einesAlptraums sprachen und sich auch nicht zu unge-schlachten Armeen formierten, wo es keine H'Harngab und die Sterne weit weg waren und das Lebenweder Glanz noch eine die Eingeweide zerreißende,die Seele zerstörende Angst bereithielt.

Aber dann überkam ihn eine Erinnerung. Eine Er-innerung an Lianna. Der Augenblick der Hysterieging vorbei. Er wußte, daß nur eine Sache jetzt vonBedeutung war: er mußte lang genug leben, um mitder Warnung nach Fomalhaut zu gelangen.

Shorr Kan stand plötzlich auf. »Da!« rief er und deu-tete auf die Qhalla-Stadt.

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Gordon und Hull standen ebenfalls auf. ZweiMänner – zwei Menschen – waren aus der quirlendenMenge der Qhallas aufgetaucht. Sie standen ein we-nig neben dem Gedränge, wie wenn sie freien Raumbenötigten.

»Einer von ihnen trägt die Insignie des Streitkol-bens«, sagte Shorr Kan. »Ein Gehilfe oder Vasall vonCyn Cryver. Wir werden diese Chance wahrnehmenmüssen. Geht los!«

Er gab Gordon und Hull einen harten Stoß, und siebegannen den Grashang hinabzusteigen, Shorr Kankam hinter ihnen her, den Strahler auf ihren Rückengerichtet.

»Schneller, verdammt!« knurrte Shorr Kan. »Bevorsie zurück zum Schiff gehen.«

Sie taumelten und stolperten den Abhang hinunter.Das Licht war schlecht, und ihre gebundenen Händemachten sie unbeholfen. Nun sah Gordon, daß diebeiden Männer sich umdrehten, wie wenn sie durchdie umherwimmelnden Qhallas zurück zu den Schif-fen gehen wollten.

Shorr Kan rief – ein lauter Ruf. Die zwei Männerwandten sich um. Und der Tumult der Qhallas beru-higte sich plötzlich, als diese sich ebenfalls umdreh-ten, um hinzusehen.

»Lauft!« sagte Shorr Kan.Sie liefen auf die beiden Männer zu. Aber die

Qhallas waren ebenfalls losgelaufen, ihre Federn halbausgebreitet, rannten sie auf die Fremden zu. Sieschwangen Waffen, und ihre mit Zähnen besetztenSchnäbel gaben knirschende Geräusche des Zornsvon sich.

Shorr Kan setzte den Paralysator in Tätigkeit. Die

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vordersten Qhallas fielen und wälzten sich. Die ande-ren hielten einen Augenblick zurück.

Die beiden Männer starrten sie voller Erstaunen an.Jetzt im Fackellicht konnte Gordon ihre Gesichterausmachen. Einer von ihnen, der das Emblem desStreitkolbens trug, war ein kompakter, stämmigerMann mit einem dunklen, straffen Gesicht. Der ande-re war jünger, größer und viel weniger selbstsicher.

Gordon und Hull liefen so schnell wie möglich,ungeachtet ihrer gefesselten Hände. Shorr Kanmachte sehr weite Schritte; ohne die Qhallas aus denAugen zu lassen, rief er den beiden Männern zu:»Haltet eure Tiere zurück! Ich bin ein Verbündetervon Cyn Cryver und bringe Gefangene mit.«

Mit reichlichen Zweifeln drehte sich der ältereMann um und bellte den Qhallas etwas in ihrer eige-nen Sprache zu. Sie begannen untereinander zuschnattern und waren verwirrt und von dem Strahlerein wenig aus der Fassung gebracht. Die drei gingenhinter ihnen vorbei und hielten – Gordon und Hullkeuchend – vor Cyn Cryvers Männern an.

Von dem stolzen und hochmütigen Mann, der of-fensichtlich das Kommando hatte, verlangte ShorrKan: »Wie ist Ihr Name?«

»Ich bin Graf Obd Doll«, antwortete der stämmigeMann und starrte Shorr Kan an, wie wenn er nichtglauben konnte, was er sah. »Sie ... Sie sind ShorrKan. Sie sind von Aar mit den Gefangenen des Reichsverschwunden ...«

»Mit diesen beiden hier«, sagte Shorr Kan, »undnicht aus freien Stücken, das versichere ich Ihnen. Siehaben mich als Geisel mitgenommen. Glücklicher-weise flogen sie nicht weit von hier ihr Schiff zu

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Bruch, und in dem Durcheinander konnte ich denSpieß umdrehen.«

»Warum haben Sie sie nicht getötet?« fragte ObdDoll. »Warum haben Sie sie hierhergebracht?«

»Weil Cyn Cryver sie lebend will. Insbesondere le-bend und fähig zum reden. Wo ist er?«

Zögernd antwortete Obd Doll: »Auf Teyn.«Shorr Kan nickte. »Natürlich. Der Sammelpunkt

der Horde. Bringen Sie uns sofort dorthin.«»Aber«, sagte Obd Doll, »ich bin auf Befehl hier.«

Er fuhr mit weiteren Einwänden fort, und Gordonschwitzte in quälender Ungeduld. Der Graf schiennicht allzu aufgeweckt zu sein und daher unfähig,sich auf eine Reihe von unerwarteten Umständeneinzustellen oder sie gar zu berücksichtigen.

»Außerdem«, meinte der Graf, während er seinKinn in einer Demonstration von Strenge weiter her-vorstreckte, »wie soll ich wissen ...?«

Shorr Kans Gesicht verdunkelte sich, und seineStimme sank auf eine Art Tigerbrummen hinab.

»Kleiner Mann«, sagte er, »diese zwei Gefangenenmögen den Schlüssel für die ganze Schlacht inneha-ben. Cyn Cryver wartet auf sie. Wie lange, glaubenSie, ist es klug, ihn warten zu lassen?«

Obd Doll schaute unsicher drein. »Nun«, meinte er,»nun, in diesem Fall, ja, natürlich. Darf ich vorschla-gen ... rufen Sie den Grafen Cyn Cryver von unseremKreuzer aus ...«

So weit, so gut, dachte Gordon ... aber es war schonein wenig spät. Die Qhallas hatten ihren erstenSchock überwunden, und ihre Verwirrung hatte sichgelegt. Sie wollten die Gefangenen, um mit ihnen zuspielen, und sie waren dabei, sie einzuschließen.

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Shorr Kan hatte sich angestrengt, aber für ihreGrabrede war es trotzdem nicht sehr gut gewesen.

Es schien, daß Obd Doll sich nun auch entschlossenhatte. Er brüllte die Qhallas an und befahl ihnen da-bei offensichtlich innezuhalten. Anscheinend besaßensie einige Ansätze von Disziplin, denn sie fielen einwenig zurück, und Obd Doll sagte eilig: »Wir solltenbesser sofort zum Kreuzer gehen. Diese Qhallas ...wild ... unzuverlässig ... hassen alle Menschen außerNarath Teyn ...«

Es kam Gordon so vor, als wäre der Mann um seineeigene Haut besorgt. Er mißachtete ihn dafür nicht.Narath Teyn mochte den Blutdurst der Qhallas be-sänftigt haben, aber nicht diese beiden Männer derMark. Tatsächlich lud der jüngere praktisch zum An-griff ein, indem er die Vogelwesen mit unverhohlenerAbscheu anblickte, und er roch so nach Angst, daßsogar Gordon sie riechen konnte.

Sie begannen auf den Kreuzer zuzugehen. DieQhallas drängten hinter ihnen, sie hüpften, schoben,flatterten und rückten mit jedem Schritt ein wenignäher. Sie kreischten untereinander, und ihre un-schönen Gesichter waren mit wachsendem Ärger er-füllt. Ihre Augen glänzten in hirnlosem Zorn und be-obachteten, wie ihre Beute sich immer mehr der si-cheren Zuflucht näherte. Sie hatten ein primitivesVerlangen, diese Menschwesen in kleine Stücke zureißen und an ihnen herumzupicken wie Stare anFettstreifen. Gordon vermutete, daß ihre unsichereDisziplin keine weiteren zehn Schritte halten würde.Und jetzt war der Geruch seiner eigenen Angst bei-ßend in seinen Nasenlöchern.

Der jüngere der beiden Männer überließ sich offen

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seiner Panik. Er zog ein kleines, graues Ei aus der Ta-sche und sagte mit hoher Stimme: »Ich sollte besserdas Betäubungsgas einsetzen.«

»Nein!« bestimmte Obd Doll. »Stecken Sie das Dingweg, Sie Idiot. Wir könnten damit nur ein paar betäu-ben, aber die anderen wären in einer Minute überuns. Gehen Sie nur weiter, wir sind fast da.«

Die Männer taumelten weiter, sie wurden vonStummelflügeln geschlagen und von bösartigenHänden angepackt. Obd Doll hielt ein Sperrfeuer vonBefehlen aufrecht, und Gordon vermutete, daß er siean ihre Treue gegenüber Narath Teyn erinnerte undan ihre Pflicht zu gehorchen, sich zu zerstreuen undsich selbst in die Transporter einzuladen. Was auchimmer er sagte, es hielt ihren Entscheidungsprozeß,ob sie die Gefangenen ergreifen sollten, mindestensso lange auf, bis die Männer den Kreuzer erreichthatten. Die Tür der Luftschleuse schlug vor der Hor-de draußen zu, und Obd Doll wischte sich die Stirnmit seiner sichtbar zitternden Hand ab.

»Ein schwierig zu führender Haufen«, sagte er.»Ohne Narath Teyn dabei ist es kein Job, nach demich mich umschaue.«

»Das haben Sie gut gemacht«, meinte Shorr Kan.»Rufen Sie nun sofort Teyn, und informieren Sie GrafCyn Cryver, daß ich die Gefangenen wiedereingefan-gen habe und sie sofort dorthin zu ihm bringen wer-de.«

Der Klang der Autorität in seiner Stimme war sostark, daß Obd Doll alles tat – es fehlte nur noch, daßer salutierte. »Sofort.« Dann sah er Gordon und HullBurrel an, und ihn drückten neue Bedenken. »Wastun wir mit denen? Wir haben keine Arrestzellen ...

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das ist ein Melde- und Kommando-Kreuzer ...«»Stecken Sie sie in eine der Luftschleusen«, sagte

Shorr Kan. »Nehmen Sie erst alle Raumanzüge ausder Schleuse heraus. Wenn sie dann in den Raumausbrechen wollen, ist es willkommen.«

Er lachte. Obd Doll lachte. Der jüngere Mann lach-te. Gordon lachte nicht und ebensowenig Hull Burrel.Sie sahen zu Shorr Kan, doch Shorr Kan hatte ihnenden Rücken zugewandt, und er war schon auf seinemWeg: ein Mann mit wichtigen Geschäften, denen erseine Aufmerksamkeit widmen mußte, ein Mann inEile, ohne Zeit, die er für zwei Gimpel erübrigenkonnte, die er zu seinem eigenen Vorteil betrogenhatte. Vielleicht.

Hull setzte zu fluchen an, doch erstickte es gleichwieder. Sie wurden von Obd Dolls Männern zu einerLuftschleuse auf der anderen Seite des Kreuzers vor-wärtsgestoßen. Sie mußten warten, bis die Helmeund Anzüge aus der Schleuse herausgenommen wa-ren, und dann wurden sie in die kleine, sargähnlicheKammer geworfen. Die innere Tür schloß sich her-metisch hinter ihnen – mit einem sanften, zischendenLaut, der einem spöttischen Lachen sehr ähnlich war.

Hull Burrel schaute bedrückt die unbewegliche Türan. »Nett«, meinte er. »Sie haben uns fein einge-pfercht, und jederzeit, wenn sie beschließen sollten,uns hinzurichten, ist alles, was sie zu tun haben, nurdie Fernsteuerung zu benutzen, um die äußere Türdieser Schleuse zu öffnen.« Es gab auch eine manu-elle Kontrolle, fast selbstmörderisch handlich. Sievermieden es sorgfältig, sich dagegen zu lehnen.

Gordon schüttelte den Kopf. »Das werden sie nichttun. Sie haben gehört, wie Shorr Kan ihnen gesagt

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hat, daß Cyn Cryver uns lebend will.«»Ja, ich habe ihn gehört«, sagte Hull. »Ich weiß aber

auch, daß wir die einzigen lebenden Wesen sind, diedie Wahrheit darüber berichten können, wie er vonAar weggekommen ist. Natürlich, wenn er wirklichauf unserer Seite ist, dann ist das nicht wichtig. Aberwenn er es nicht ist, dann glaube ich nicht, daß erCyn Cryver es hören lassen möchte. Weil vielleichtder H'Harn hereinkommen und ihn untersuchenkönnte. Ich glaube, er würde uns hinaus in den Raumblasen und sagen, daß wir es selbst getan hätten: zweitreue Männer des Kaiserreichs, die den Tod der Ehr-losigkeit vorgezogen haben.« Hulls Gesicht war starrund sehr hart. »Glauben Sie ehrlich, daß Shorr Kanauf Ihrer Seite ist, John Gordon?«

»Ja. Nicht aus Ehrsamkeit heraus, aber weil wirseine eigene beste Chance sind.«

Hull blieb eine Weile stehen und sah Gordon fin-ster an. Dann setzte er sich auf den Boden hinunterund lehnte sich müde gegen das Schott. »Ichwünschte«, sagte er, »ich hätte Ihren einfachen Glau-ben.«

Gordon wollte es nicht eingestehen, aber im Mo-ment besaß er auch nicht viel mehr Vertrauen alsHull.

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Der Kreuzer stampfte und brummte, als er mitHöchstgeschwindigkeit durch die Mark flog. Gordon,der mit dem Antarier in der Schleuse eingesperrt war,kam es vor, als wäre er schon unbegrenzte Zeit so ge-flogen. Mehrmals war die innere Tür geöffnet wordenund eine kärgliche Nahrungs- und Wasserration vonbewaffneten und vorsichtigen Männern zu ihnen her-eingeworfen worden. Aber sonst war nichts weitergeschehen, und sie hatten Shorr Kan nicht wiederge-sehen.

Gordon fing immer mehr an, Hull Burrels Skepsisüber die Zuverlässigkeit von Shorr Kan als Verbün-detem zu teilen. So sehr, daß jedes Mal, wenn er dasÖffnungsgeräusch einer Schleusentür hörte, er raschzur äußeren Tür blickte, um zu sehen, ob das nichtder Augenblick war, den Hull vorausgesagt hatte:wenn sie beide mit einem Schwall dekomprimierterLuft hinaus in den Raum und die ewige Ruhe ge-schleudert würden. Bis jetzt war es immer die innereTür gewesen, die sich geöffnet hatte.

Bis jetzt.Quälende Sorgen um Lianna und sein eigenes na-

gendes Schuldgefühl kamen noch zu Gordons per-sönlicher Marter hinzu.

»Gordon, ich verstehe es ja, aber würden Sie bitteden Mund halten!« brauste Hull Burrel schließlichauf. »Es gibt, verdammt noch mal, nichts, was wirjetzt tun könnten – und Sie gehen mir auf die Ner-ven.«

Gordons eigenes Temperament brauste auf, aber er

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unterließ es, die Worte auszusprechen, die ihm aufdie Zunge kamen. Statt dessen klappte er seinenMund zu, entfernte sich und saß mit dem Rücken ge-gen die Wand der Schleusenkammer – eine Stellung,die jetzt praktisch zum Dauerzustand geworden war– und dachte, als was für ein verteufelter Tat-Menscher sich entpuppt hatte.

Ein ferner, fast unmerklicher Geruch weckte ihnaus seinem Brüten. Er war stechend und fremd, under mußte in die Schleuse aus dem Luftschlitz kom-men, der mit dem Hauptversorgungssystem desSchiffs verbunden war.

Gordon sprang auf und näherte sich dem Schlitzund schnüffelte. Und das war das Letzte, an das ersich erinnerte, bevor er mit dem Gesicht auf das harteDeck fiel und noch nicht einmal das Aufschlagenspürte.

Er erwachte langsam von einem zischenden Ge-räusch und dem Gefühl, geschüttelt zu werden. Je-mand rief seinen Namen.

»Gordon! Gordon, wach auf!«Der Jemand klang dringend. Ein Kitzeln war in

Gordons Nasenlöchern. Er schüttelte den Kopf undhustete, er versuchte sich davon zu befreien, und dieAnstrengung zwang ihn, die Augen zu öffnen.

Shorr Kan war über ihn gebeugt, er hielt einenkleinen Schlauch, der zischte und kitzelte, als er Gasin Gordons Mund und Nase ließ.

»Sauerstoff«, sagte Shorr Kan. »Er sollte dieSpinnweben klären. Du mußt da herauskommen,Gordon. Ich brauche dich.«

Gordon fühlte sich noch bemerkenswert dumpf,aber sein Gehirn begann wieder zu funktionieren.

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»Gas ... aus dem Belüftungskanal«, murmelte er,»hat mich niedergehauen ...«

Shorr Kan nickte. »Ja. Betäubungsgas. Mir ist es ge-lungen, einige Kanister davon aus der Waffenkam-mer herauszuholen und es in die Haupt-Luftversor-gung des Lebenserhaltungssystems zu gießen.«

Gordon stolperte auf seine Füße und hängte sichdabei an Shorr Kan, der ihm aufhalf. »Die Offiziere ...die Mannschaft ...?«

»Sind wie Lichter ausgegangen«, meinte Shorr Kangrinsend. »Natürlich habe ich vorher wohlweislicheinen Raumanzug angezogen ... und dann gelüftetund die Luftversorgung erneuert, bevor ich ihn aus-gezogen habe. Fühlst du dich jetzt besser?«

Gordon wies den Sauerstoffschlauch zurück. »Ichbin in Ordnung.«

»Gut. Die Offiziere und die Mannschaft schlafenwie Säuglinge, aber sie werden nicht sehr lange schla-fen. Ich brauche deine Hilfe, um sie in Gewahrsam zunehmen, und ich brauche Hull, um das Schiff zu len-ken, während wir das tun. Ich habe den Kreuzer jetztauf Automatik gestellt, aber die Mark ist ein riskanterOrt dafür.« Er ging hinüber zu Hull, der noch be-wußtlos auf dem Deck ausgestreckt lag, und hielt denSauerstoffschlauch unter seine Nase. Dann sah er zuGordon hoch und zeigte lächelnd seine Zähne.

»Habe ich euch nicht gesagt, ich würde euch be-freien?«

»Das hast du gesagt.« Gordon schüttelte den Kopf,der in blendendem Schmerz brannte. »Und du hast esgetan. Ich begrüße dich auch freudig. Meine einzigeSorge ist nur, daß mein Kopf von dieser Rettung ab-fallen wird.«

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Als Hull Burrel die Augen öffnete und Shorr Kanüber sich gebeugt sah, war seine Reaktion fast ko-misch instinktiv. Er blinzelte erst und hob dann seinegroßen Hände hoch und schloß sie um Shorr KansGurgel. Aber er war noch so schwach wie ein Kätz-chen. Shorr Kan schlug seine Hände weg und standauf.

»Ein dankbares Paar seid ihr beide«, meinte er.Gordon half dem Antarier auf die Beine, sprach

dabei eindringlich und erklärte alles. Er war nicht si-cher, wieviel Hull verstand, bis er sagte: »Das Schifffliegt mit Autopilot, und Sie werden auf der Brückegebraucht.«

Vor allem anderen ein Raumfahrer, nahm Hull sichmit voller Kraft zusammen und vergaß den Rest.

»Mit Autopilot? Hier in der Mark?« Er stieß Gor-don zur Seite und ging mit ungestümer, wenn auchunsicherer Hast hinaus aus der Schleuse und die Ka-jütstreppe hinab zur Brücke.

Shorr Kan nahm eine Rolle zähen Drahts aus demLager, und dann machten sich er und Gordon ansWerk, sich der Offiziere und Männer zu versichern.

Obd Doll, der in seiner eigenen kleinen Kabine lag,war der letzte von ihnen, und als sie ihn gebundenhatten, sah Shorr Kan gedankenvoll zu ihm hinab.

»Ich denke, ich werde ihn nun mit Sauerstoff wie-der zu sich bringen«, sagte er. »Er kennt sicher denVerlaufsplan, den Cyn Cryver und Narath Teyn fürden Angriff auf Fomalhaut aufgestellt haben, und dasist etwas, was wir erfahren müssen.«

»Was«, fragte Gordon, »wenn er nicht reden will?«Shorr Kan lächelte. »Ich glaube, ich kann ihn über-

zeugen. Du gehst besser hinauf zur Brücke. Du bist

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ein hochgesinnter Typ, und du würdest mir nur da-zwischenfahren.«

Gordon zögerte. Es klang wie Folter für ihn. Aberer dachte an Lianna und was ihr geschehen konnteund verschloß sein Herz. Er wandte sich um und gingaus der Kabine hinaus.

Als er die Brücke betrat, sprach Hull Burrel, ohnesich von den Kontrollen wegzudrehen.

»Ich habe einen Kurs eingeschlagen, der so direktwie möglich nach Fomalhaut geht. Er wird uns aller-dings näher an Teyn heranführen, als uns lieb ist.«

Gordon blickte zum Sichtschirm. Der kleine Kreu-zer säumte entlang dem Rand einer gigantischenWolke glühenden Staubs, deren winzige Partikeldurch die Strahlung der Sterne, die in der Wolke er-tränkt waren, so angeregt wurden, daß sie wie einegroße Flammenmasse aussah.

Gordon kam es so vor, als würde das Schiff nurkriechen. Er versuchte seine Ungeduld im Zaum zuhalten. Er versuchte außerdem, nicht daran zu den-ken, was Shorr Kan gerade tat.

Nach einer Weile kam Shorr Kan auf die Brücke. Ersah Gordon ins Gesicht und sagte ernst: »Hast du dieSchreie bis hier herauf gehört?«

Gordon begab sich zur Tür. »Was hast du mit ihmgemacht?«

Shorr Kan ergriff ihn am Arm. »Ich würde da nichthinuntergehen, Gordon. Nicht, wenn du ...«

»Nicht, wenn ich was?«Shorr Kans Brauen hoben sich, und seine Augen

lachten Gordon aus. »Wenn du nicht schrecklich ent-täuscht werden willst. Obd Doll ist nichts Schlimme-res widerfahren als ein ernsthafter Schrecken.«

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»Du meinst«, fragte Gordon skeptisch, »daß er ge-sprochen hat, nur weil du ihm Furcht eingejagt hast?«

Shorr Kan nickte. »Jawohl. Daran siehst du denWert eines Rufes der Skrupellosigkeit. Er glaubte, ichwürde genau das tun, was ich sagte, das ich tun wür-de, und so erzählte er mir alles, was er wußte, ohnedaß ich es tun mußte. Wir würden es bald herausfin-den, falls er gelogen hätte, deshalb denke ich, daß erdie Wahrheit gesagt hat.«

»Wann verläßt die Flotte Teyn?« fragte Gordon.»Obd Doll konnte das nicht definitiv genug einen-

gen. Er sagte, daß es davon abhängen würde, wanndie letzten Kontingente von Nichtmenschlichen ein-treffen ... und sie sind von überall aus der Mark ein-getroffen, als Antwort auf Narath Teyns Rufe.«

Die Worte beschworen in Gordons Geist eineschnelle, unheilvolle Vision herauf: eine Vision jenerfremden Horden, die von Welten kamen, die über-haupt keine menschliche Tradition besaßen: die Ge-schuppten, die Geflügelten, die Behaarten, durch dieMark strömend, um sich für einen Angriff auf eingroßes Sternenkönigreich zu sammeln. Ja, sie würdenauf den Ruf von Narath Teyn hin kommen. Narathwar verrückt. Gordon war dessen gewiß. Aber es gabeine Eigenschaft in ihm, die ihn zu einem Führer derNichtmenschen gemacht hatte, wie ihn die Galaxisniemals zuvor gesehen hatte.

»Aber danach, was Obd Doll mir von den Streit-kräften erzählt hat, die sich schon gesammelt haben«,sagte Shorr Kan weiter, »würde ich die Vermutungwagen, daß die Teyn schon sehr bald in RichtungFomalhaut verlassen werden, vermutlich in dennächsten paar Tagen.«

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»Was ist mit den H'Harn?« fragte Hull Burrel. »Wokommen sie ins Spiel?«

Shorr Kan schüttelte den Kopf. »Obd Doll schwört,er wüßte nichts. Die H'Harn besitzen keine Flotte indieser Galaxis. Er sagt, daß nur Cyn Cryver und einoder zwei andere wüßten, welche Rolle, wenn über-haupt, die H'Harn spielen werden.«

Gordon, verzweifelt und angespannt, versuchtesein Gehirn von Emotionen zu befreien und ruhignachzudenken.

»Hull, reicht die Kommunikationsausrüstung die-ses Schiffes für die Entfernung nach Fomalhaut?«fragte er.

Hull Burrel ging in den kleinen Kommunikations-raum hinter der Brücke.

Nach ein paar Minuten kam er wieder heraus.»Sie wird ausreichen, aber die Energie ist so be-

grenzt, daß es nur eine Sprechverbindung sein müß-te, kein Telestereo.«

Shorr Kan sagte scharf: »Du planst, Fomalhaut überden Kommunikator zu warnen?«

»Natürlich«, antwortete Gordon. »Du mußt es dochselbst sehen: das Zeit-Element und die sehr starkeMöglichkeit, daß wir es nach Fomalhaut nicht schaf-fen könnten.«

»Bevor du dich auf die Transmissionsgeräte stürzt,denk an folgendes: Teyn und die Flotte der Grafensind zwischen uns und Fomalhaut. Sie werden mit Si-cherheit unsere Transmission auffangen. Sie werdenuns sofort schnelle Kreuzer nachschicken ...«

Gordon machte eine brüske Geste. »Wir müssen haltunser Glück versuchen. Fomalhaut muß gewarnt sein.«

»Du hast mich nicht ausreden lassen«, sagte Shorr

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Kan. »Die Grafen sind geneigt, gegen Fomalhaut los-zuschlagen, bevor starke Abwehrmaßnahmen organi-siert werden können. In ihrer Lage ist es jedenfallsdas, was ich tun würde.«

Gordon hatte nicht an diese Möglichkeit gedacht.Er wurde von Zweifeln gequält.

Hull meinte: »Ich denke wie Gordon. Sie warnenund dann auf unser Glück setzen. Die Grafen besitzengottlob weder Ihren Mut noch Ihre Galle.«

»Ich gebe mich geschlagen«, sagte Shorr Kan sanft.»Aber was wird mit uns?«

»Wir versuchen unser Glück, wie Gordon gesagthat.«

»Was für ein Glück? Sie haben uns binnen Minutenaufgerissen, nachdem sie unsere Transmission aufge-fangen haben.«

»Ich habe eine Idee dazu«, sagte Hull.Er berührte eine Kontrolle. Auf der großen Kar-

tentafel glitt eine Gebietskarte der ganzen Region derMark ins Sichtfeld.

»In Ordnung«, sagte Shorr Kan. »Seht her!«Sogar Gordon, der im Lesen von Karten ungeübt

war, konnte erkennen, als Shorr Kan ihre relative Po-sition aufzeigte, daß sie kaum hoffen konnten, dieFlotte bei Teyn zu passieren, wenn sie erst einmalalarmiert war. Nicht einmal durch ein Wunder.

Aber Hull legte den Finger auf einen mächtigenSchwarm roter Flecken – ein großes Riff, deshalb wares in der Farbe der Gefahr markiert. Das Riff laggleichfalls zwischen ihnen und Fomalhaut, eine sei-ner gekrümmten Schwingen reichte fast bis Teyn.

»Wir könnten eine Abkürzung nehmen«, sagteHull, »hierdurch.«

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Shorr Kan starrte ihn überrascht an. »Durch denSternenbruch?« Dann gab er ein kurzes Lachen vonsich. »Ich revidiere meine Meinung über Sie, Hull.«

»Was«, fragte Gordon, »ist der Sternenbruch?«Hull fragte: »Haben Sie jemals innegehalten, um

darüber nachzudenken, warum die Mark des Äuße-ren Raums solch ein Durcheinander an Trümmernist?«

»Ich habe nicht sehr viel Zeit gehabt, um über kos-mische Ursprünge nachzusinnen.«

»Die Wissenschaftler sagen uns«, begann der Anta-rier, »daß vor langer Zeit zwei ziemlich ausgedehnteSternenhaufen auf Kollisionskurs waren. Als sie sichtrafen, drangen natürlich die lockeren Teile derSchwärme einfach durcheinander mit nur einem Mi-nimum an tatsächlichen Zusammenstößen. Aber nurdiese wenigen waren schon genug, um Trümmerüber die ganze Mark zu streuen.

Jedoch gab es in jedem Sternenhaufen einen viel fe-steren, dichteren Kern an Sternen, und diese hoch-verdichteten Kerne kollidierten. Das Resultat warschrecklich. Sterne rissen sich gegenseitig in solchhäufigen Kollisionen auf, daß sie ein wirbelndesDurcheinander von Sternenhälften bildeten, Sternen-brocken, zerschmetterten Planeten, ganzen Planeten... alles, was Sie wollen.

Sie sagen, daß nur selten es jemand riskiert, in die-sen Dschungel zu fliegen, aber mindestens zwei wis-senschaftliche Vermessungschiffe haben ihn in derVergangenheit durchkreuzt. Wenn sie eine Chancehatten, haben wir sie auch.« Als eine Art nachträgli-chen Einfall fügte er hinzu: »Ich muß Ihnen nicht sa-gen, wie dünn allerdings diese Chance ist.«

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»Ergreifen Sie sie«, sagte Gordon.»Habe ich dabei auch mitzureden?« fragte Shorr

Kan.Mit einer Stimme antworteten Hull und Gordon:

»Nein.«Shorr Kan zuckte die Achseln.Gordon meinte zu dem Antarier: »Wenn Sie Ihre

Botschaft übersenden, berichten Sie Fomalhaut, waswir über die Grafen und den bevorstehenden Angriffwissen, aber erwähnen Sie Shorr Kan nicht. Sie wür-den diese Geschichte nie glauben, und sie könntendie gesamte Warnung als Fälschung auffassen.«

Hull nickte. »Weil Sie persona grata am Hof vonFomalhaut sind, werde ich alles in Ihrem Namensenden. Haben Sie irgendein Erkennungszeichen, sodaß sie sicher sein können, daß Sie es sind?«

Gordon dachte nach. »Sagen Sie, daß es von demMann kommt, der einmal Korkhann, ihren Ministerfür Nichtmenschliche Angelegenheiten, einen zu großgeratenen Beo genannt hat. Korkhann wird Bescheidwissen.«

Der kleine Meldekreuzer kroch auf der Karte wei-ter, bis er nahe jenem ominösen Riff von roten Punk-ten war. Erst jetzt sandte Hull Burrel seine Botschaftaus.

Als das geschehen war, stürzten sie sich kopfüberin den Sternenbruch.

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18

Der Ort war wie der Alptraum eines Sternenkapitäns.Dem Auge wäre der Sternenbruch nur als ein Ge-

biet erschienen, wo die Punkte des Sternenlichts al-lein etwas dichter waren und wo das Schiff hin-durchzukriechen schien.

Aber das Radar und die Sensorinstrumente sahenes anders. Sie sahen ein Gebiet, wo die Trümmer vonzerschmetterten Sonnen, langgestreckt, kalt und dun-kel, zerwirbelt waren in dünne Ovaloide, in trudeln-de, kleine Mahlströme, in Kegel und Scheiben undTrümmernester. Gesplitterte Steine und Staub, dieeinmal Planeten gewesen waren, formten sich zuDriften. Und die vielen überlebenden Sonnen der zuBruch gegangenen Sternenhaufen flammten als Hin-tergrund wild auf.

Die Computer, die die Radarimpulse aufnahmenund den Flug des Kreuzers den gewählten Kurs ent-lang dirigierten, klackerten wie die schnatterndenZähne hysterischer, alter Weiber. Hull Burrel, derüber das Bord gebeugt war, lauschte diesem Lärmund beobachtete die rasch wechselnden Symbole undstreckte nur gelegentlich seine Hand aus, um denComputern einen neuen Kurs einzugeben. Aberwenn er das tat, wurde es mit aller Schnelligkeit ge-macht, deren er fähig war.

Gordon und Shorr Kan, die hinter ihm standen,schauten auf den Sichtschirm, der nur die schwärmen-den Lichtpunkte zeigte, durch die sie sich kaum zubewegen schienen. Sie schauten dann auf den blitzen-den Radarschirm, und der flößte ihnen Ehrfurcht ein.

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»Ich war damals im Orion-Nebel, aber das war einKinderspiel, verglichen hiermit«, sagte Gordon. »Ha-ben wir überhaupt eine Chance?«

»Die haben wir«, meinte Hull, »falls wir nicht in ei-nen Abschnitt rasen, der für das Radar zu kompliziertist, um ihn rechtzeitig aufzuspüren. Aber ich werdeIhnen sagen, wie Sie unsere Chance über hundertProzent verbessern können.«

»Wie?«»Indem Sie mir aus dem Nacken gehen!« brüllte

Hull, ohne sich umzudrehen. »Hauen Sie ab und set-zen Sie sich hin! Ich kann diese verdammte, selbst-mörderische Mission besser ohne die Hilfe IhresMundes fliegen.«

»Er hat recht«, meinte Shorr Kan und nickte Gor-don zu. Sie zogen sich zurück. »Es gibt da nichts, wasdu und ich jetzt tun können ... aber warte. Doch, esgibt etwas, was wir tun können. Ich bin in einer Mi-nute zurück.«

Er ging nach hinten. Gordon setzte sich müde ineinen der Sessel an der Rückseite der Brücke, die fürdie hohen Tiere gedacht waren, um dort drin zu sit-zen und gequälte Piloten zu plagen.

Hull hatte ihnen gesagt, daß das Radar keinerleiAnzeichen einer Verfolgung zeigte. Er hatte erklärt,daß, wenn die Grafen sie in den Sternenbruch hatteneintauchen sehen, dann hatten sie sie als erledigt ab-geschrieben. Und, so hatte er hinzugefügt, sie hättenwahrscheinlich recht.

Gordon drehte sich dem Sichtschirm zu. Über demleicht gebeugten Rücken des Antariers explodiertenFeuer, Energie, Licht und Steintrümmer zu beidenSeiten des Schiffs. Das war zu viel für Gordon. Er

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hatte geglaubt, die Galaxis zu kennen, aber nunmußte er sich klarmachen, daß er noch nicht dasSchlimmste gesehen hatte. Shorr Kan kam zurückund hielt zwei Plastikflaschen, die mit einer blassen,leicht milchig aussehenden Flüssigkeit gefüllt waren.Er grinste Gordon sardonisch an.

»Ich war ziemlich sicher, daß Obd Doll etwas da-von auf die Seite gelegt hatte. Die Markgrafen sindein trinkfester Haufen. Hier, nimm eine!«

Gordon nahm die Flasche, sah aber Shorr Kan vol-ler Erstaunen an. »Trinken? Jetzt? Hierbei?« Und erwies mit dem Kopf in Richtung Radarschirm. »JedeMinute kann ein vereinzelter Brocken Drift ...«

Shorr Kan setzte sich. »Sehr richtig. Kannst du diretwa eine bessere Zeit zum Trinken vorstellen?«

Gordon zuckte die Achseln. Vielleicht hatte ShorrKan einen Sinn dafür. Alles, was Hull von ihnenwollte, war, ruhig zu bleiben und ihn sein langesSpiel um ihr Leben machen lassen. Gut denn. Erwürde still bleiben. Er hob die Flasche und trank. DieFlüssigkeit mochte ein wenig wie Milch aussehen,und sie ging sanft runter, aber es war Höllenfeuer, alses sein Inneres traf.

»Besser als irgend etwas, das wir in den Dunkel-welten besaßen«, meinte Shorr Kan.

»Ich erinnere mich«, sagte Gordon, »als Lianna undich deine Gefangenen auf Thallarna waren – wie langdas schon zurückzuliegen scheint! –, da hast du ge-sagt, du würdest uns gern einen Drink anbieten, aberdu könntest das Zeug nicht bei dir aufbewahren, weiles deine Pose als enthaltsamer, patriotischer Führerzerstören würde.«

Shorr Kan lächelte schief. »Und das hat mir natür-

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lich zum Schluß viel geholfen.« Er sah Gordon mit ei-ner Art Bewunderung an. »Ich hatte die ganze Gala-xis in meinem Griff, und da kamst du. Bei Gott, ichmußte sie dir aushändigen. Du hast tatsächlich allesverdorben.«

Gordon betrachtete den Schirm mit Ungeduld. Eindurchdringendes Geräusch, das die Zähne knirschenließ, kam auf und war deutlich zu vernehmen, wiewenn das Schiff eine sehr dichte Masse kosmischenStaubs durchdrang, die an seinem Rumpf raspeltewie eine riesige Feile.

Die Sternenfeuer waren zu unglaublicher Heftig-keit angewachsen, und die Splitter des Sternenbruchsstrahlten ein zorniges Licht über das ganze Firma-ment aus. Die dunkle und riesige Silhouette von HullBurrel verdeckte sie zum Teil wie ein symbolischesBild der Menschheit bei der Inbesitznahme des Uni-versums.

Ein neuer Ausbruch von Panik durchzuckte Gor-don, und er wandte sich rasch ab, um sein Glas einweiteres Mal zu füllen.

»Ruhig, Gordon«, sagte Shorr Kan. »Nur winzigePartikel, wahrscheinlich nicht größer als Atome.Nichts, um deswegen nervös zu werden.« Und erfügte hinzu: »Wenn ich darüber nachdenke: trotz derbemerkenswerten Dinge, die du getan hast, bist dufast immer nervös gewesen.«

Gordon sagte zwischen den Zähnen hindurch:»Das scheint eine natürliche Reaktion zu sein, wenndas eigene Leben in Gefahr ist.«

»Sieh mich an!« erwiderte Shorr Kan. »Ich bin ge-nauso in Gefahr wie du. Mehr: weil, wenn wir ausdiesem Wirrwarr herauskommen, da noch mehr Är-

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ger auf mich wartet. Ich fliehe um mein Leben ... zumzweiten Mal ... ich, der ich Herr der Dunkelweltenwar. Aber werde ich unruhig? Nicht ein bißchen.Falls Shorr Kan abzugehen hat, dann wird er mit er-hobenem Kopf gehen.«

Er hob die Flasche in einer theatralischen Geste,aber das Lächeln auf seinem dunklen Gesicht warspöttisch.

Gordon schüttelte den Kopf. Es gab Augenblicke,wo Shorr Kan ihn nur verstummen ließ.

»Also trink aus und sei guten Muts«, meinte ShorrKan. »Wir kommen durch, alles wird gut werden mitdir, und du wirst meinen Hals retten, wenn wir dort-hin kommen ... hoffe ich!«

Die Computer ratterten noch wilder, und als Gor-don nach vorne blickte, sah er, daß die Symbole in ei-nem raschen Strom über den Radarschirm blitzten. Esschien ihm, daß Hull Burrel, der über das Bord ge-krümmt war, seinen Kopf in Resignation geneigthatte, sich dem unvermeidlichen Ende beugend.Gordon wandte seinen eigenen Kopf schnell weg.

Er dachte an Lianna. Es war merkwürdig, wie,wenn alles ihm in dem langsam gefrierenden Schrek-ken des sich nähernden Todes immer unwirklicherwurde, sie ihm dagegen sehr wirklich blieb. Dochselbst wenn er überlebte – und er besaß nur eine sehrgeringe Chance –, fühlte er, daß sie für ihn verlorenwar. Aber er dachte an sie, und er war glücklich.

Sterne in Brand, Lichter, eine ungezügelte Ge-schwindigkeit ... diese infernalische Vision besaß fürihn eine hypnotische Anziehung trotz seiner Angst.

»Du weißt, ich hatte lange Zeit die Vorstellung«, sosagte Shorr Kan, »daß du eine Art Sandkorn im Ge-

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triebe bist, Gordon. Ich meine, man nimmt jemandenaus seinem eigenen Kontext heraus, seiner eigenenZeit, und schleudert ihn in die Zukunft, wo er über-haupt nichts zu suchen hat, und man bringt alles ausdem Lot. Schau doch nur, was dein Kommen von An-fang an die Dinge quer durch die ganze Galaxis aufden Kopf gestellt hat.«

Gordon sagte trocken: »Was du meinst, ist, daß ichdie privaten Pläne eines Shorr Kan auf den Kopf ge-stellt habe, das ist alles.«

»Vielleicht«, meinte Shorr Kan mit einem artigenSchwenken seiner Hand. »Aber erzähl mir, wie zumTeufel sie war, jene vergangene Zeit, aus der du ge-kommen bist? Ich habe dich das schon damals ge-fragt, aber danach hast du mich angelogen, und ichkonnte kein Wort davon glauben.«

»Um dir die Wahrheit zu sagen«, klagte Gordon,»es wird auch in meinem Kopf ein wenig undeut-lich.« Er trank und dachte nach. »Es gab da einenMann namens Keogh, der mir sagte, daß diese Zu-kunft, in der ich damals gewesen war, nur ein Traumgewesen wäre. Ich würde nur die Erde hassen, wie siewar, sagte er, deshalb würde ich mir Fantasievorstel-lungen über Sternenkönigreiche und große Kriege jen-seits der Sonnen machen. Natürlich besaßen wir zujener Zeit nichts, was dem Sternenflug nahekam, des-halb mußte ihm alles reichlich wild erschienen sein.«

»Wir haben einen Namen für Menschen wie diese«,erklärte Shorr Kan. »Planetenhocker. Sie hängen festan den Schürzenbändeln ihrer Mutterwelt, weil,wenn sie sie verlassen würden, sie vielleicht etwasschrecklich Garstiges und Verwirrendes findenkönnten.«

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Gordon blickte wieder nach vorn. »Gerade in die-sem Augenblick«, sagte Gordon, »bin ich gar nicht si-cher, ob Menschen, die diesen Standpunkt einneh-men, wirklich so furchtbar falsch liegen.«

Hinter der dunklen, gebeugten Silhouette von HullBurrel hatte sich die Szene auf dem Sichtschirm lang-sam gewandelt.

Die Feuerpunkte, die Sonnen waren, schienen näherbeieinander zu sein. Es war, wie wenn das Schiff sichauf einen Wall von Sternen zubewegte, und sicherlichwürden sie nicht versuchen wollen, diesen Weg zufliegen. Hull würde sicher den Kurs bald ändern.

Aber die Zeit verging, und er tat es nicht. Gordontrank wieder. Der mächtige, flammende Wall vonSonnen schien näher, und weiterhin änderte Hullnicht den Kurs. Gordon fühlte einen wachsenden Im-puls, hinzugehen und auf Hulls Arm zu hämmern,damit er abdrehte, aber er kämpfte den Impuls nie-der. Er wußte nicht das geringste bißchen über dasSteuern eines Sternenschiffes, und sie hatten dasSchiff und sich selbst in Hulls Hände gegeben, und esgab nichts zu tun außer warten.

Shorr Kan schien zu verstehen, wie er sich fühlte.Er meinte: »Weniger Drift zwischen den Sonnen. IhreAnziehung neigt dazu, eine ziemliche Menge Schuttaufzusammeln. Deshalb fliegt er diesen Weg.«

»Danke, daß du den nervösen Anfänger wieder be-ruhigt hast«, sagte Gordon. »Das ist nett von dir.«

Shorr Kan lächelte. »Ich bin eine schrecklich sym-pathische Person. Find mal eine andere!«

Sie saßen da und tranken, und Gordon versuchte,nicht wieder auf den Sichtschirm zu schauen oderdem Computerklackern zu lauschen.

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Die Zeit schien für immer weiterzulaufen, und derWechsel kam ihm fast wie ein schmerzhafter Schockvor, als der Sichtschirm aufzeigte, daß sie aus demSternenschwarm herauswaren und sich wieder in dendunklen, klaren Tiefen des offenen Raums befanden.

Hull Burrels große Pranke knallte auf die Kontrolledes Autopiloten nieder. Der Antarier drehte sich zuihnen um, und zum ersten Mal bei diesem Flug sahensie sein Gesicht.

Es war wild, verzückt, und seine Stimme kam ihnenwie eine Art heiserer, triumphierender Schrei vor.

»Bei Gott, ich hab's geschafft! Ich habe den Ster-nenbruch durchflogen!«

Und dann, als er sie ansah, wie sie mit den fast ge-leerten Flaschen in der Hand dasaßen, verließ ihn dieWildheit und Erregung. Er kam nach hinten zu ihnenund stand aufragend über ihnen.

»Ich will für alle Zeiten verdammt sein!« entfuhr esihm. »Während ich das alles getan habe, habt ihr bei-de hier gesessen und euch die Seele aus dem Leib ge-soffen!«

Shorr Kan entgegnete ruhig: »Sie haben uns gebe-ten, Sie nicht zu plagen. Na, haben wir das nicht?«

Hulls unebenes Gesicht lief scharlachrot an. SeinBrustkasten schwoll an, und dann brüllte er vor La-chen.

»Jetzt«, sagte er, »jetzt ist mir alles klar. Gebt mireine dieser Flaschen! Ich denke, ich möchte selbst einwenig betrunken werden.«

Sie waren aus der Mark heraus, und das reine,weiße Feuer von Fomalhaut brannte wie eine Bakevor ihnen.

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Es brauchte einige Stunden, bis Hull Burrel wiederauf die Brücke kam, er streckte sich und gähnte. Erfing auch wieder an zu lachen, als er Gordon undShorr Kan ansah.

»Durch den Sternenbruch mit zwei Zechern«, sagteer und schüttelte den Kopf. »Niemand wird das jeglauben.«

Einige Stunden später erreichte sie eine Botschaftvon Hathyr, der königlichen Welt von Formalhaut.Hull übergab sie ihnen: »Die gesamte Flotte von Fo-malhaut ist in Alarmbereitschaft. Wir sollen auf demköniglichen Hafen von Hathyr landen.«

»Irgendeine Nachricht für mich?« fragte Gordon.Der Antarier schüttelte den Kopf.So also, dachte Gordon, ist das.Der Radarschirm zeigte Schiffe, die weit außerhalb

Fomalhauts in Warteformation kreuzten.»Es ist eine gute Flotte«, murmelte Hull. »Es ist ei-

ne sehr gute Flotte, und sie hat es in der Schlacht vorDeneb bewiesen. Aber sie ist nicht sehr groß, und dieGrafen werden sie verspeisen.«

Die Diamantensonne stürmte auf sie zu und dann dieanwachsende Kugel ihres größten Planeten. Hull ließdas Schiff über die weitverstreuten Türme vonHathyr City hinabsinken, auf die weitläufige, he-xagonale Mächtigkeit des königlichen Palastes zu. Sielandeten auf dem kleinen Hafen dahinter.

Es erschien Gordon sehr merkwürdig, auszusteigenund wieder natürliche Luft zu atmen und zu einerSonne ohne ein Filterfenster dazwischen aufzuschau-en.

Eine Abteilung Offiziere erwartete sie. Sie verneig-

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ten sich und eskortierten sie zu dem hohen Hauptteildes Palastes. Andere gingen an Bord des Kreuzers,um Obd Doll und seine Mannschaft in Gewahrsamzu nehmen.

Die alten Könige von Fomalhaut schauten wiedereinmal kalt auf Gordon herab, und dieses Mal fühlteer sich, als müßte er sie anschnarren.

Ich kenne jetzt meinen Platz, wollte er ihnen sagen.Deshalb geht zur Hölle!

Shorr Kan dagegen schritt mit einem anerkennen-den Lächeln auf seinem dunklen Gesicht dahin, wiewenn er eine königliche Persönlichkeit auf Besuchwäre, die den Palast zwar klein, aber doch sehr nettfand.

Trotz seiner Verzweiflung hatte Gordon an einerkleinen Hoffnung festgehalten. Er wußte nicht, daß erdaran festgehalten hatte, bis sie plötzlich dahin-schwand – und das geschah, als sie drei in einen klei-nen Raum hineinkamen, wo Lianna und Korkhannauf sie warteten.

Sie war so schön wie eh und je, und ihr Gesicht warkalt und hart wie Marmor, als sie ihn ansah.

Sie setzte an, etwas zu sagen, aber bevor sie spre-chen konnte, hatte Lianna hinter ihn gesehen, und ih-re Augen wurden weit vor Schock.

»Shorr Kan!«Shorr Kan verneigte sich großartig vor ihr. »Ho-

heit«, sagte er, »es erfreut mich, Sie wiederzusehen.Tatsächlich haben Sie und ich ein paar kleine Schere-reien und Aufregungen gehabt, aber das liegt alles inder Vergangenheit, und ich kann sagen, daß es jetztvergessen ist.«

Lianna starrte ihn völlig erstarrt an. Gordon fühlte

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in diesem Augenblick eine unwillige, aber ungeheue-re Bewunderung für Shorr Kan. Da erhebt er die Ar-madas der Liga der Dunkelwelten, trifft das Reichund seine Verbündeten schwer, bringt fast ein Arma-geddon über die ganze Galaxis und tut das allesleichthin als ein paar kleine Scherereien und Aufregungenab!

»Ich muß dazu festhalten«, sagte Gordon, »daßShorr Kan – der, wie du sehen kannst, nicht aufThallarna gestorben ist, sondern in die Mark entkam– derjenige gewesen ist, der uns gerettet hat und esuns ermöglicht hat, vor dem anstehenden Angriff derGrafen zu warnen.«

Er fügte eindringlich hinzu: »Ich habe Shorr Kanversprochen, da wir ihm unser Leben schulden, daßer hier sicher ist.«

Sie sah ihn völlig ohne Ausdruck an. Dann sagte sietonlos: »Wenn das so ist, sind Sie, Shorr Kan, als un-ser Gast willkommen.«

»Ah, eine Wiederkehr der Gastfreundschaft«,meinte Shorr Kan. »Es liegt noch nicht so lange zu-rück, daß Sie mein Gast auf Thallarna gewesen sind,Hoheit.«

Dieser erhaben gesprochene Bezug auf jene Zeit,als Gordon und Lianna Shorr Kans Gefangene gewe-sen waren, löste ein Husten von Hull Burrel aus, dasklang, wie wenn er an einem unterdrückten Lachenerstickte.

Lianna wandte sich ihm zu. »Kapitän Burrel, wirhaben Verbindung mit Throon aufgenommen. JhalArn hat mir gesagt, daß Teile der Reichsflotte bereitsauf dem Weg hierher sind.«

Hull schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, das ist nicht

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gut, Hoheit. Die Grafen und Narath Teyn werdenwissen, daß sie sofort zuschlagen müssen.«

Die ganze Zeit über hatte Korkhann nichts gesagt,hatte Gordon nur mit jenen weisen, gelben Augenangesehen, die direkt bis zu seinem Gehirn hindurchzu dringen schienen. Nun schritt er nach vorne, seineFedern raschelten, als seine Flügel sich aufstellten,und die feine Klauenhand ergriff mit den Fingerspit-zen Gordons Arm.

»Aber die Magellanier?« rief er.»Die H'Harn?« fragte Gordon überrascht.»Nennen sie sich so?« Korkhann besaß ein solch

intensives Interesse an ihm, das Gordon noch nie zu-vor gesehen hatte. »Hören Sie zu, John Gordon. Bevorich Throon verließ, ließen mich der Kaiser und seinBruder Zarth Arn die alten Aufzeichnungen ausBrenn Birs Zeit lesen, als die Magellanier damals indie Galaxis gekommen waren. Sie dürfen nicht wieder-kommen. Was ich da gelesen habe ...«

Er hielt inne, seine Stimme verstummte zitternd.Als er wieder sprach, geschah es in einem leisen,sorgfältig kontrollierten Ton.

»Sie wissen, daß ich Telepath bin. Keiner der Stärk-sten, aber ... ich habe einen Schatten über der Galaxisgesehen ... einen Schatten, der sich mit jeder Stundevertieft, dunkel wird, kalt ...«

Gordon schüttelte den Kopf. »Wir sind nur zweider H'Harn begegnet. Einen haben wir nie zu Gesichtbekommen. Shorr Kan hat den anderen getötet, umuns zu befreien ... wir waren in Lebensgefahr ...« Undich hoffe, das garantiert deinen Hals, Shorr Kan, dachteer. »Aber augenscheinlich sind nur ein paar von ih-nen in der Galaxis.«

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»Sie werden kommen«, flüsterte Korkhann. »Siewerden kommen.«

Lianna sprach: »Nur eines auf einmal. Narath undseine Wesen und die Grafen sind genug, mit dem wiruns befassen müssen. Korkhann, wollen Sie dafürsorgen, daß unsere Gäste es bequem haben ...«

Sie betonte das Wort ›Gäste‹, aber Shorr Kan zucktemit keiner Faser. Er machte eine weitere artige Ver-beugung und sagte zu ihr: »Danke Ihnen, Hoheit, fürIhr Willkommen. Ich wollte immer schon Fomalhautbesuchen, denn mir war berichtet worden, daß es ei-nes der schönsten der kleineren Königreiche ist. Bisspäter!«

Und mit jenem wahrhaft königlichen Augenwi-schen drehte er sich um und ging mit Hull Burrel undKorkhann hinaus.

Gordon sah Lianna sich ihm zuwenden. Ihr Gesichtwar immer noch steinweiß, und kein Ausdruck warin ihren Augen.

Sie kam näher auf ihn zu, und ihre kleine Handhuschte vor und gab ihm einen scharfen Klaps überden Mund.

Dann wandelte sich ihr Gesicht. Es veränderte sichin das eines garstigen, kleinen Mädchens, das einenRappel bekam. Sie legte ihm ihre Hand auf dieSchulter, und sie sagte:

»Verlaß mich niemals wieder, John Gordon. Wenndu das tust ...«

Er fühlte die Nässe von Tränen auf seiner Backe.Unfaßbar, wie durch ein Wunder, hielt Gordon sie

in den Armen. Nicht Zarth Arn, dachte er. John Gordon!Jene lange Reise quer durch die Zeitalter war es

nach allem doch wert gewesen.

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IV

Der Schrecken aus derMagellan'schen Wolke

19

Die Straße war vertraut. Gordon kannte jede einzelneder braunen Steinmauern. Er ging auf dem sandigenGehweg auf das Bürogebäude zu, in dem er seine Ta-ge verbrachte. Im Eingang traf er Keogh, der ihnauslachte und meinte: »Ich habe Ihnen doch gesagt,daß alles ein Traum war: jener Unsinn über Sternen-könige und wunderschöne Prinzessinnen. Alles einTraum, und jetzt sind Sie aufgewacht, Sie sind zurückin der wirklichen Welt. Der wirklichen Welt ...«

Voller Panik rief Gordon: »Nein, nein, ich will nichtzurückkommen!« Und dann schrie er auf: »Lianna!«

Der Schrei schien als Echo endlose Korridore hin-abzulaufen, aber er zeigte eine Wirkung. Alles glittund kippte und floß davon und ließ ihn verwirrt undschwindlig in einem ungestümen Nichts zurück. Erquälte sich mühsam und wild wie ein ertrinkenderSchwimmer ab und rief wieder Liannas Namen, undplötzlich sah er voller Bestürzung um sich ein unver-trautes Zimmer.

Durch ein offenes Fenster konnte er den gewaltigenBall der untergehenden Sonne sehen, und die Sonnewar Fomalhaut, nicht Sol. Sie warf einen Strahl glän-zenden Lichts in das Zimmer hinein, und in diesemLicht sah er Lianna ruhig in einem Stuhl sitzen und

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ihn beobachten.Er setzte sich auf der Liege auf, wo er eingeschlafen

war, und wischte Schweißtropfen von seiner Stirn.Der Widerhall dieses Alptraums war noch deutlich inihm, und einen Augenblick lang konnte er nicht spre-chen.

»Du hast geträumt, daß du in jener anderen Zeitwärst?« fragte sie.

Er nickte.»Ich dachte es mir. Ich habe dein Gesicht beobach-

tet. Ich bin froh, daß es mein Name war, den du geru-fen hast.« Sie fügte nach einem Augenblick hinzu:»Ich habe mit Kapitän Burrel gesprochen. Ich habeeine Vorstellung davon, was ihr beide durchgemachthabt, und so bin ich nicht überrascht, wenn du böseTräume hast.«

Sie waren immer noch, dachte Gordon, ein wenigunbeholfen miteinander. Er war jetzt sicher, daß sieihn liebte, aber das Dumme war nur, daß sie einanderimmer noch nicht gut genug kannten.

»Wenn der H'Harn einen berührt«, sagte er,»scheint das eine Art geistige Narbe zurückzulassen.Zweimal habe ich geträumt, daß derjenige, der unsda im Schiff festgehalten hat, uns tatsächlich zu derKleineren Magellan'schen Wolke gebracht hätte, undjedes Mal ...«

Plötzlich hielt Gordon inne. Sein Geist, gerade ausdem Schlaf geschüttelt, hatte jäh etwas zum erstenMal erkannt, woran er vorher nie gedacht hatte.

Er sprang auf die Füße. »Es gibt noch kein Anzei-chen von der Flotte der Grafen, daß sie gerade ausder Mark kommt?«

Sie schüttelte schwer den Kopf. Es stand der Herr-

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scherin des Königreichs Fomalhaut nicht an, Angst zuzeigen, doch er sah die Anspannung in ihren Augen.

»Noch nicht«, sagte sie. »Aber Abro glaubt, daß,wenn sie angreifen wollen, sie bald kommen werden.Er stimmt mit Kapitän Burrel überein, daß sie ihrenZeitplan ändern werden, um zuzuschlagen, bevorHilfe hierherkommen kann.«

Gordon sagte: »Ich glaube, ich habe etwas überse-hen, das schrecklich wichtig sein kann. Ich muß Hullund Shorr Kan sehen.«

Die Sanftheit verließ Liannas Augen, und kleine,stürmende Blitze sammelten sich darin.

»Shorr Kan!« rief sie aus. »Der Mann, der uns allefast vernichtet hat ... und du sprichst von ihm, alswenn er ein Freund wäre!«

Geduldig erwiderte Gordon: »Er ist kein Freund. Erist ein ehrgeiziger Opportunist, der nur an seine eige-nen Ziele denkt. Aber weil seine eigenen Vorteile mitunseren jetzt zusammenliegen, macht er bei uns mit.Er wird versuchen, uns zu gebrauchen, und wir wer-den versuchen, ihn zu gebrauchen, und die Zeit wirduns sagen, wer wen gebraucht.«

Lianna antwortete nichts, aber er sah, wie ihrschmales Kinn sich versteifte. Er beachtete es nichtund fragte: »Gibt es hier einen Ort, wo wir einige ga-laktische Berechnungen anstellen können?«

»Der königliche Kartenraum«, meinte sie. »Er istmit allen Schirmen im Verteidigungsministerium di-rekt verbunden.«

»Kannst du mich dahinbringen, Lianna? Undkannst du Hull und Shorr Kan dahinbringen lassen?«

Der Raum war tief unten im Palast. Er hatte Schir-me an jeder Wand, alle waren jetzt dunkel. Ein Offi-

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zier salutierte vor Lianna, als sie mit Gordon hintersich eintrat.

Sogleich kamen Hull Burrel und Shorr Kan herein,und der letztere machte eine tiefe Verbeugung vorLianna und wünschte ihrer Hoheit einen besondersguten Abend. Sie sah ihn mit sprühenden Augen undeinem arktischen Lächeln an.

»Lassen Sie mich gleich sagen«, erklärte sie ihm,»daß, wenn es nach mir ginge, Sie innerhalb fünf Mi-nuten, nachdem Sie hier gelandet waren, hingerichtetworden wären. Ich lebe in der Hoffnung, daß Siedoch noch etwas anstellen, um mir das zu ermögli-chen.«

Shorr Kan grinste krumm. Er sah zu Gordon undmeinte: »Frauen sind Realisten, hast du das gewußt?Wenn du eine verletzt oder ihr drohst, sie zu verlet-zen, wird sie dich für immer hassen. Nur Männerkönnen ein Spiel daraus machen.«

»Wirst du um Gottes willen aufhören, über Spielezu reden«, sagte Gordon. »Die Grafen spielen keinSpiel. Narath Teyn spielt kein Spiel, und sicherlichspielen auch die H'Harn kein Spiel. Oder wenn sie estun, dann ist es ein Spiel, das die Galaxis fast zurückin die Tage Brenn Birs wirft.«

Shorr Kan zuckte die Achseln. »Das will ich zuge-stehen, aber es gibt keinen Hinweis, daß die H'Harnbereits in einiger Stärke hier sind.«

»Bist du dessen ganz sicher?« fragte Gordon.Shorr Kans spöttischer Ausdruck fiel von ihm ab

wie ein abgelegtes Gewand. »Was meinst du damit?«Gordon wandte sich Hull Burrel zu, der verwirrt

die Stirn runzelte. »Hull, Sie haben das H'Harn-Schiffgelenkt.«

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»Sie müssen mich daran nicht erinnern«, sagte Hullreizbar. »Ich erinnere mich gut genug.«

»In Ordnung. Können Sie sich erinnern, ob Sie, be-vor wir merkten, was eigentlich los war, und das We-sen zu bekämpfen begannen, mit höchster Beschleu-nigung geflogen sind oder nicht?«

Hull runzelte wieder die Stirn. »Ich verstehe nicht,was ...«

»Sind Sie es?«»Ich weiß es nicht, verdammt noch mal! Alles, was

ich tat, ist mir von dem H'Harn in den Kopf gesetztworden, und ich ...«

»Ja?«»Hm, warten Sie eine Minute. Ich will versuchen

zu überlegen ... Ich meinte einfach zu wissen, daß icheinen bestimmten Hebel bis zur höchsten Markierungschieben mußte. Ich habe das getan, und durch dieArt, wie das Schiff antwortete, konnte es nur dieHauptschubkontrolle gewesen sein.« Hulls Gesichtklärte sich auf. Er nickte befriedigt. »Ja, wir waren aufhöchster Beschleunigung.«

»Und wie würden Sie sie einschätzen?«Hull dachte einen Augenblick nach, dann nannte er

eine Zahl. Der Mund des Offiziers sprang auf, undLianna sagte sofort: »Aber das ist nicht möglich!«

»Tut mir leid, Hoheit ... es ist möglich. Die H'Harn-Schiffe sind schneller als irgendeins der unseren.«Hull schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich hätte vieldafür gegeben, dieses Schiff mit zurück zu bringen,damit wir es hätten untersuchen können. Weil, wennwir je mit ihnen im Raum zu kämpfen haben ...«

Gordon drehte sich zu Lianna um. »Können wir ei-ne detaillierte Karte jenes Teils der Mark sehen, der

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Aar enthält?« In einer verspäteten Erinnerung ansProtokoll fügte er hinzu: »Hoheit?«

Sie sprach mit dem Offizier, der zu einem Schalt-bord ging. Sofort erwachte ein großer Schirm zu Lichtund Leben mit der verwirrenden Vielfalt von Ster-nen-, Planeten- und Driftmarkierungen, die in ver-schiedenen Farben gezeigt wurden.

Gordon zuckte mit den Schultern. »Mir sagt dasgar nichts, aber Sie können es mir erklären, Hull. Wieweit sind wir von Aar bis zu jenem Punkt geflogen,an dem wir die Anwesenheit des H'Harn bemerktenund den Kurs änderten?«

»Oh, schauen Sie, Gordon!« sagte Hull. »Wir habengenug Ärger vor uns, ohne noch einmal all den Ärgerdurchzukauen, den wir hinter uns gelassen haben.«

»Antworten Sie ihm«, sagte Shorr Kan – es war dieharte, kalte Stimme des einstmaligen Herrschers derDunkelwelten, die sprach. Sein Gesicht war grimmigund voll böser Ahnung, und Gordon dachte wieder,daß er nie jemanden getroffen hatte mit der Fähigkeitdieses Mannes, so blitzartig zu begreifen und zu ver-stehen. Shorr Kan hatte bereits erraten, worauf Gor-dons Fragen abzielten.

Hull schwitzte über der Karte wie ein bockigerSchuljunge und grummelte dabei. Schließlich nannteer eine Entfernung. »Das ist nur eine ungefähre Zahl...«, begann er, aber Gordon schnitt ihm das Wort ab.

»Wenn wir das einmal als Durchschnittswert neh-men und dazu jene angenäherte Geschwindigkeit:wie lange hätte es für uns gedauert, die Kleinere Ma-gellan'sche Wolke zu erreichen?«

Hull schaute ein wenig verdutzt. »So ist das. War-um haben Sie mir das nicht gleich gesagt?« Er ging

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hinüber zum Computer und begann auf einige Knöp-fe zu drücken. Gleich kam er mit der Antwort zurück.

»Zwischen vier und fünf Monate«, sagte er. »Ingalaktischem Standard natürlich.«

Gordon und Shorr Kan blickten einander an, undLianna meinte mit königlicher Ungeduld: »Könnteman uns vielleicht den Gegenstand dieser Diskussionnennen?«

»Vier oder fünf Monate, um die Magellan'schenWolken zu erreichen, und so viel auch wieder zu-rück«, begann Gordon langsam. »Acht bis zehn Mo-nate, bis die Flotte der H'Harn diese Galaxis erreichenkönnte und die Informationen, die sie von uns zu er-halten hofften, verwerten könnte ... Das ist zu lang.Wir wissen, die H'Harn stecken hinter den Grafen indieser Sache gegen Fomalhaut ... sie müssen auchdaran mitgewirkt haben, sie zeitlich abzustimmen.Was auch immer ihre Pläne für ihren eigenen Schlaggegen die Galaxis sind, ich glaube nicht, daß sie soviel Verzögerung beinhalten. Besonders ...«

»Besonders«, fuhr Shorr Kan grob fort, »wenn dielogische Zeit zum Zuschlagen genau der Augenblickwäre, wenn die Galaxis bereits in einen massivenBürgerkrieg verwickelt ist.« Er sah sich in dem Kreisder Gesichter um. »Die H'Harn sind eine Menge Un-annehmlichkeiten eingegangen, um diesen Krieg zuschüren. Ich bezweifle, daß sie vorhaben, die Früchtedavon wegzuwerfen.«

Eine tödliche Stille entstand. Als Gordon wiedersprach, konnte er seine Worte in sie fallen hören, wieSteine in einen kalten, ruhigen See fallen.

»Ich glaube nicht, daß der H'Harn uns überhauptzu den Magellan'schen Wolken bringen wollte. Ich

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denke, er wollte uns zu irgendeinem Ort bringen, derein ganzes Stück näher liegt. Ich denke, er wollte unszu der H'Harn-Flotte bringen, die nahe außerhalb un-serer Galaxis liegt.«

Die Stille wurde noch tiefer, wie wenn sogar At-men und Herzschlag eingestellt worden wären.

Dann sagte Hull fast zornig: »Wie könnten sie dadraußen sein, ohne daß die Radarkreisel des Warnsy-stems des Reiches sie entdecken? Ist Ihnen nicht klar,wie sorgfältig wir den äußeren Raum seit der Zeitvon Brenn Bir überwachen?«

»Ja«, entgegnete Gordon, »aber ...«Shorr Kan beendete den Satz für ihn. »Sie sind den

H'Harn begegnet, Sie haben auch eine Vorstellungvon ihren Kräften. Und Sie wissen, daß ihnen klar seinmuß, wie sorgfältig der äußere Raum überwachtwird. Deshalb würde doch die erste Voraussetzungfür einen großangelegten Invasionsplan sein, einigeMöglichkeiten zum Umgehen der Radarbeobachtungzu finden.«

Hull Burrel dachte darüber nach, und er sah immerbeunruhigter aus.

»Ja, ich verstehe. Aber ... falls sie das Radar umge-hen können, dann könnte die H'Harn-Flotte jetzt imAugenblick da draußen vor der Galaxis liegen undwarten ...«

»... warten auf die Markgrafen, um ihren Angriff zustarten«, vollendete Gordon.

»Guter Gott«, sagte Hull und wandte sich wilddem Kommunikationsoffizier zu. »Rufen Sie Throon.Das Reich muß gewarnt werden.«

Der Offizier sah zu Lianna, die ruhig sagte: »TunSie, worum er verlangt.«

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»Verzeihen Sie, Hoheit«, sagte Hull, und das starreAntlitz des Schreckens in seinem Gesicht war Recht-fertigung genug. »Aber wenn ich daran denke ...«

»Ja«, bestätigte Lianna. »Denken Sie daran, ich ha-be selbst mit ihnen Erfahrungen gemacht.« Sie winkteHull dort hinüber, wo der Kommunikationsoffizieran einem der Schirme beschäftigt war.

Sogleich erwachte der Schirm zum Leben, und einOffizier in Reichsuniform sprach zu Hull Burrel.

Sein Name, sein Rang und sein Ansehen bewirkten,daß er in Rekordzeit zum Palast durchgeschaltetwurde. Das adlerartige Gesicht von Zarth Arn, demBruder des Kaisers, sah sie aus dem Schirm herausan.

»Kapitän Burrel ... Gordon ... dann seid ihr sicherangekommen. Wir waren besorgt ...«

Er brach scharf ab, als er hinter Gordon blickte: mitAugen, die plötzlich Feuerpunkte geworden waren.Er sah Shorr Kan an.

»Was für eine Maskerade ist das?«»Keine Maskerade«, sagte Shorr Kan. »Glückli-

cherweise – für mich – waren die Berichte von mei-nem Tod reiner Betrug.« Er begegnete Zarth Arnsverbittertem Blick mit ruhiger Belustigung. »Plötzlichist dieser falsche Fuffziger wieder aufgetaucht, nurbin ich dieses Mal auf Ihrer Seite. Freut Sie dasnicht?«

Zarth Arn schien zu erstarrt zu sein, um in diesemAugenblick zu sprechen. Gordon ergriff die Gelegen-heit, eine rasche Erklärung abzugeben.

»Unser Leben und sehr wahrscheinlich das Lebender gesamten Galaxis wird vielleicht nur deswegengerettet werden, weil Shorr Kan uns befreit hat, um

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die Warnung zu überbringen«, sagte er. »Versuchedas zu bedenken, Hoheit.«

Zarth Arns Gesicht war völlig weiß, sein Mund zu-sammengepreßt wie ein Schraubstock. Er schloß dieAugen und holte in einem tiefen Atemzug Luft, umsich zu beherrschen. Dann sah er Lianna an undmeinte: »Hoheit, mein Rat ist, diesen Mann sofort zuhängen.«

»Ah, aber Sie müssen Gordon zuerst hängen«,sagte Shorr Kan glatt. »Er gab sein Wort, mich zuschützen.«

Hull schritt auf den Schirm zu. »Hoheit, mit allemschuldigen Respekt, zur Hölle mit Shorr Kan und wasmit ihm geschehen soll! Die H'Harn ... die Magella-nier ... können bereits der Galaxis an der Kehle sit-zen!«

Zarth Arns Zorn verwandelte sich in etwas ande-res. »Sie haben etwas in der Mark erfahren?«

Hull berichtete ihm. Gordon beobachtete ZarthArns Gesicht, sah den aufkommenden Schatten dortwachsen und sich vertiefen, und als Hull fertig war,schien es Gordon, als wäre Zarth Arn in diesen weni-gen Augenblicken um zehn Jahre gealtert.

»Theorie«, sagte er, »nur Theorie, und doch ... DieH'Harn. Seltsam, daß wir bislang nie einen Namenfür sie hatten.« Er sah Gordon an. »Das ist deinewohlbedachte Meinung?«

»Ja«, antwortete Gordon.Und Shorr Kan sprach ungebeten: »Meine auch.

Und was immer ich auch sonst noch sein mag, ZarthArn, Sie wissen, daß ich weder ein Narr noch einFeigling bin. Ich glaube, daß dieser Schlag gegen Fo-malhaut nichts weniger als die Speerspitze eines An-

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griffs der H'Harn auf die gesamte Galaxis ist.«Nach einem Augenblick sagte Zarth Arn: »Das

muß sofort zu meinem Bruder gelangen, zu seinerEntscheidung. Und weil das eine Sache ist, bei derwir nichts riskieren dürfen, denke ich, daß es nur eineAntwort geben kann. Die Reichsflotte muß aus derGalaxis heraus fliegen und alle nur möglichen Mittelgebrauchen, entweder die H'Harn-Flotte zu lokalisie-ren oder absolut sicher zu stellen, daß sie nicht da ist.Und ich muß mit hinaus. Denn falls wir wirklich dieH'Harn finden ...«

Eine Kälte überzog Gordons Rücken. »Du wirstden Disruptor mitnehmen?« Gordon besann sich dar-auf, wie er selbst einst die furchtbare Macht dieserWaffe ausgelöst hatte. Er erinnerte sich, wie derRaum gebebt hatte und wie die Sterne in ihren Bah-nen gezittert hatten, wie das gesamte Gewebe desUniversums gewirkt hatte, als würde es sich verzie-hen und aufreißen.

Zarth Arn sagte:»Ich muß.« Er wandte seinen düsteren Blick Lianna

zu. »Du weißt natürlich, was das für euch bedeutet?«Sie nickte ruhig. »Ihr werdet jedes Schiff brauchen,

um die Randlande abzufliegen – einschließlich derer,die du gerade hierher in Marsch gesetzt hast. Ich ver-stehe das. Sicher sind die H'Harn der größte Feind.Wir kämpfen unsere Schlacht hier alleine.« Sie lä-chelte sogar. »Es ist sowieso egal. Kapitän Burrel ver-sichert mir, daß eure Schiffe auf keinen Fall kommenkönnten, bis nicht unser Schicksal sich bereits gründ-lich entschieden hat.«

Der Schirm wurde leer. Sie wandten sich um, denRaum zu verlassen, Lianna still und in sich vertieft,

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als ein anderer Schirm zum Leben erwachte. In ihmerschien ein untersetzter Mann mit kräftiger Stirnund narbigen Händen, dem Gordon schon früher be-gegnet war: Abro, Verteidigungsminister von Fomal-haut.

Abro verschwendete keine Zeit aufs Protokoll.»Hoheit, sie ist aus der Mark herausgekommen. DieFlotte der Grafen. Sie ist mehr als zweimal so stark,wie wir angenommen haben ... und sie kommt mitvoller Geschwindigkeit auf Fomalhaut zu!«

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Gordon fühlte einen eisigen Schrecken. Die Markgra-fen warfen alles, was sie besaßen, in die Schlacht.Und ob nun ihr Wagnis gelang oder nicht, im dunk-len Hintergrund reiften immer noch der unerforschli-che Plan und die Drohung der H'Harn.

»Sie sind unserer Flotte nach Gewichtsklassen imVerhältnis drei zu zwei überlegen«, sagte Abro.»Kommandeur Engl hat den Plan aufgestellt, unsereFlotte zurückzuziehen, um Fomalhaut zu decken undfür die Ankunft der Reichsgeschwader Zeit zu ge-winnen.«

Lianna erwiderte ruhig: »Der Plan ist gut. Aber sa-gen Sie ihm, daß er nicht auf Hilfe von Throon rech-nen soll. Es wird keine Schwadron geben.«

Abro blickte sie erstarrt an. »Aber, Hoheit, ichselbst war anwesend, als ...«

»Ich will das nicht per Kommunikator diskutie-ren«, entschied Lianna. »Ich rufe den Rat zusammen.Kommen Sie in den Sitzungsraum, so schnell Siekönnen, Abro!«

Der Schirm wurde dunkel. Lianna drehte sich um,ihr Gesicht war eisig und gelassen. Aber ihre Augenwaren gequält, und Gordon wollte ihr den Arm umdie Schultern legen. Er tat es nicht. Er bezweifelte,daß sie eine solche Art von Ermutigung in derÖffentlichkeit wollte.

Sie lächelte ihn ein wenig blaß an und meinte: »Ichmuß gehen, John Gordon. Später.«

Als sie gegangen war, schritt Hull Burrel zu denSchirmen und aktivierte diejenigen, die die Mark

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zeigten und jenen ganzen Raumabschnitt, und stu-dierte sie fiebernd.

Shorr Kan zuckte die Achseln. »Es schaut nicht gutaus, Gordon. Andere Sternenkönige werden sich zu-rückhalten, wenn sie hören, daß Throon keine Hilfeschickt. Ich bin besorgt.«

»Nett von dir, daß du dir Sorgen machst«, sagteGordon ätzend. »Über uns, meine ich.«

Shorr Kan schaute verdutzt. »Über euch? Zur Höl-le, ich sorge mich um mich selbst! Als ich euch halfund jenen Meldekreuzer Obd Doll abnahm, habe ichmich festgelegt. Keine Erklärung wird je Cyn Cryverüberzeugen, daß ich ihn nicht betrogen habe. Falls ergewinnt und mich in die Hand bekommt ...«

Er zog seine Finger ausdrucksvoll quer über seineKehle.

Gordon gab ihm zu, daß das eine Sache zu seinschien, aus der Shorr Kan sich nicht herausredenkonnte.

»Das ist verflucht richtig«, sagte Shorr Kan undfügte gedankenvoll hinzu: »Die Transporter werdenmit Naraths Armee der Flotte der Grafen folgen. Siesind die wirkliche Gefahr. Wenn der Kommandeurvon Fomalhaut – wie heißt er noch mal: Engl? – wennEngl Verstand genug besitzt, einige der schwerenEinheiten aus der Schlacht herauszuhalten, könntensie eingesetzt werden, die Transporter zu schlagenund sie abzuschneiden, sobald sie versuchen zu lan-den.«

Gordon meinte, daß das vernünftig klang, undsagte es auch. Shorr Kan grunzte. »Versuch du esvorzuschlagen, Gordon. Sie würden nie einen Vor-schlag von mir annehmen, selbst wenn es ein guter

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wäre und selbst obwohl ich mehr von Strategie ver-stehe als irgendeiner von denen – wie ich ja einst be-wiesen habe. Aber sie könnten es von dir annehmen.«

»Ich bezweifle es«, meinte Gordon. »Aber ich wer-de es versuchen.«

Stunden später in dieser Nacht, als er eine langeZeit in einem Vorraum zum Ratszimmer gesessenhatte, brach der Rat seine Sitzung ab. Als Lianna ander Spitze des besorgt dreinschauenden Männer-knäuels herauskam, sah sie ihn und kam auf ihn zu.

»Es war doch nicht nötig, daß du die ganze Zeitgewartet hast«, sagte sie, aber er wußte, daß sie frohwar, daß er es getan hatte.

»Ich wollte nur wissen, was geschehen wird. Na-türlich nur, falls du es mir sagen kannst.«

Abro runzelte die Stirn über sein hartes Gesicht,aber Lianna ignorierte ihn. »Du hast die Warnungüberbracht, und du hast das Recht, es zu erfahren.Die Hauptflotte des Kaiserreichs hat bereits Throonauf ihrem Weg hinaus aus der Galaxis verlassen. Mit-genommen wird jede nur denkbare Spüreinrichtung,die es ihr ermöglichen könnte, eine H'Harn-Flotte zulokalisieren; auch die besten Telepathen des Reichssind dabei.«

Gordon dachte nicht allzu hoffnungsvoll über dieChancen, die H'Harn mittels Telepathie aufzuspüren.Die H'Harn waren Supertelepathen und imstande, ih-ren Geist vor jedem Aufspüren abzuschirmen.

Lianna fuhr fort: »Wir haben die kleineren Sternen-königreiche um Hilfe ersucht, aber sie sind zu weitvon hier, die meisten jedenfalls, um rechtzeitig kom-men zu können. Wir haben eine Antwort von den Ba-ronen des Herkules-Sternhaufens erhalten ... sie be-

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raten die Angelegenheit.«Brüsk sagte Abro: »Nicht, weil sie uns mögen. Die

großen Barone fürchten, daß die Markgrafen zumächtig werden. Falls sie uns helfen, wird es nur ausdiesem Grund sein. Und sie neigen dazu, auf jedenFall zu spät zu kommen.«

Gordon sagte zögernd: »Eine Möglichkeit ist mir daeingefallen, aber es wird mir wohl nicht zustehen,etwas vorzuschlagen.«

Lianna schien nicht glücklich darüber zu sein, dochsie sagte bestimmt: »Du hast dein Leben riskiert, unszu helfen, du hast das Recht zu sprechen.«

Gordon legte Shorr Kans strategische Gedankendar, einen Teil der Flotte zurückzuhalten, um dieTransporter zu schlagen, wenn sie kamen. Zu seinerÜberraschung nickte Abro, der ihm doch mit intensi-ver Abneigung begegnete, in nachdenklicher Billi-gung. »Eine exzellente Maßnahme – falls wir es fer-tigbringen können, überhaupt Kräfte zurückzuhalten,wenn wir den Grafen begegnen. Ich werde es Englübermitteln.«

Als die anderen gegangen waren, sah Lianna Gor-don mit einem matten Lächeln an. »Das war ShorrKans Vorschlag, nicht wahr?«

»Ich dachte mir gleich, daß du es erraten würdest«,antwortete er.

Stunden später saß er mit ihr auf einer Terrasse hochauf den weiten Mauern des Palastes. Sanfte Dunkel-heit war um sie und der schwere Duft von Blumen.Aber es war keine Stille in der großen Stadt, die unterihnen in der Nacht lag.

Die Stadt erstrahlte in ihren Lichtern. Bewaffnete

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Truppen bewegten sich in geschwinder Präzision hinund her. Geschützbatterien wurden auf dem Pa-lastgrundstück aufgerichtet. In der Ferne, wo derRaumhafen lag, erhoben sich riesige, tonnenartigePanzerschiffe, die hinaus in die Dunkelheit röhrten,um ihren Platz in dem Verteidigungsnetz um die Re-gierungswelt von Fomalhaut einzunehmen.

Gordon schaute hinauf in den Sternenhimmel. Dortdraußen zogen zwei große Sternenflotten schicksal-haft aufeinander zu – und was geschah, sobald siesich begegneten, das würde wahrscheinlich dasSchicksal dieses ganzen Sternenkönigreichs besiegeln,und vielleicht vieles mehr auch noch. Es hatte keinweiteres Wort vom Herkules gegeben, und falls dieBarone ihnen zu Hilfe kamen, dann hielten sie es vorallen geheim.

Sein Geist wanderte weiter über den Rand der Ga-laxis hinaus, wo die mächtige Reichsflotte nach derStreitmacht der H'Harn suchte, die dort versteckt seinmochte oder nicht. Falls sie sie finden konnten, würdeder Disruptor seine kosmische Macht erneut auslö-sen, und die Bedrohung aus Magellan würde ver-schwinden. Aber würden sie sie finden? Gordon ver-spürte eine tiefe Hoffnungslosigkeit, eine fast pro-phetische Gewißheit, daß sie sie nicht finden würden.Die H'Harn wären nicht zurückgekehrt ohne diestärkste Art von offensiver wie defensiver Bewaff-nung.

Sie hatten kaum vergessen, wie sie damals demDisruptor ausgesetzt waren.

Es schien, daß Lianna ebenfalls an die H'Harndachte. Sie war lange Zeit still gewesen, aber als siesprach, da war es über sie.

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»Wenn Narath Teyn seine Invasion durchführt,werden da welche von diesen Kreaturen bei ihmsein?«

»Ich bin sicher.«»Wie kannst du so sicher sein?«Bedrückt erklärte Gordon: »Die H'Harn wissen,

daß ich einmal den Disruptor bedient habe ... in jenerZeit, als mein Geist in Zarth Arns Körper war. Siedenken, daß ich ihnen alles darüber sagen könnte. Ichkann es natürlich nicht. Ich habe das Ding nur durchmechanisches Befolgen von Jhal Arns Anweisungenbedient. Aber sie denken, daß ich es kann, und des-halb wollen sie mich.«

Er fühlte, wie Lianna schauderte, und er wußte,daß sie sich an jenen betäubenden mentalen Angriffdes H'Harn erinnerte, der sie auf Teyn fast vernichtethatte.

Gordon sagte düster: »Eine Menge von all dem,was in der Galaxis geschehen ist, scheint von jener ei-nen außergewöhnlichen, abnormen Tatsache herzu-rühren: daß ich zufälligerweise meinen Geist mitZarth Arn getauscht habe, mit einem der drei Män-ner, die das Geheimnis des Disruptors kannten. Des-halb hat die Liga der Dunkelwelten mich gekidnappt,und als das fehlschlug, mich – und dich auch – nachThallarna gebracht.«

Er fuhr fort, während er hinaus in die lärmendeStadt sah. »Und dieser fatale Austausch war es gewe-sen, der die Liga dazu geführt hatte, das Reich anzu-greifen ... sie wußten da schon, daß ich nicht wirklichZarth Arn war, und dachten, ich könnte den Dis-ruptor nicht einsetzen. Und nun denken die allertöd-lichsten Feinde, die H'Harn, daß ich ihnen sagen

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kann, was sie über die einzige Waffe wissen wollen,die ihnen die Galaxis versperrt. Sie werden sichdurch nichts aufhalten lassen, mich in ihre Hände zubekommen.«

Er schüttelte den Kopf. »Durch jenes schicksalhafteZusammentreffen bin ich ein Fluch für diese ganzeZukunft geworden ... wie Shorr Kan sagte: ein Sand-korn im Getriebe.«

»Nein«, erwiderte Lianna. Sie nahm seine Hände.»Und selbst wenn es so wäre, ist das nicht dein Feh-ler, sondern der von Zarth Arn.« Sie war einen Au-genblick still. Dann sagte sie sanft: »Ich bin froh, daßdu hierhergekommen bist, John Gordon. Sehr froh.«

Nach einer Weile entzog sie sich ihm wieder undmeinte: »Ich muß jetzt gehen und mich denen zeigen,die unsere Welt verteidigen. Nein, komm nicht mitmir. Ich muß das alleine tun.«

Nachdem sie gegangen war, saß Gordon lange Zeitda und sah – vorbei an den bewegten Lichtern unddem Aufruhr und der lärmenden Unruhe der großenStadt – hinauf zum Sternenhimmel. Ein Sternenkö-nigreich konnte fallen, Narath konnte seinen Ehrgeizverwirklichen und sich auf den Thron von Fomalhautsetzen, und er, John Gordon, und Lianna konnten inden Tod geschickt werden. Und das würde sowohleine Planetentragödie wie auch eine persönliche Tra-gödie sein.

Aber falls die H'Harn Erfolg hatten, würde das eineTragödie für die gesamte Galaxis sein, eine Katastro-phe von kosmischen Dimensionen. Vor Tausendenvon Jahren waren die H'Harn von draußen aus demleeren Raum gekommen, auf Eroberung versessen –und nur die Macht des Disruptors, ausgelöst von

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Brenn Bir, hatte sie zurückgetrieben. Dort draußen inder Magellan'schen Wolke hatten sie die ganze Zeitgebrütet, hatten nie ihre Absicht aufgegeben, warenallmählich im geheimen wieder eingesickert, hattensich mit den Grafen verschworen und mit NarathTeyn und hatten einen fürchterlichen Schlag vorbe-reitet.

Der Jüngste Tag war wiedergekommen, nach alldiesen Tausenden von Jahren.

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Die Sternenschiffe kämpften draußen zwischen dengroßen Sonnen des Austrinus-Systems und der Markdes Äußeren Raums. Zwei Flotten schwerer Kreuzerwarfen sich Seite an Seite, und ihre Geschützbreitsei-ten schienen diesen ganzen Teil der Galaxis mit ihrenberstenden Flammen zu erleuchten. In den Außenbe-reichen dieser ablaufenden mächtigen Schlacht hin-gen die Phantomkreuzer wie feindselige Schakale denTigern an den Fersen, tauchten aus der Unsichtbar-keit der Verdunklung auf, um ihre schnellen Salvenloszuwerden, und zogen sich dann wieder in die Un-sichtbarkeit zurück.

Auf dem Schirm, den Gordon tief unten im Vertei-digungsraum des königlichen Palastes von Fomal-haut beobachtete, schien der ganze blitzende Kampffast unbegreiflich: reduziert auf ein Schwärmen vonelektronischen Leuchtkäfern: ineinanderfließend,wirbelnd, ständig sich verändernd. Aber nach einigerZeit wurde es offensichtlich, daß die schwere Flotten-kolonne der Grafen die Schiffe von Fomalhaut hartbedrängte und sie langsam nach Westen abdrängte:weg von dem Stern und dem Planeten, die sie zudecken versucht hatte.

Abros Gesicht glitzerte vor Schweiß, und er murmel-te Flüche und Beschwörungen, während er beobachtete.

»Engl ist ein guter Mann, aber seine Flotte besitztnicht genügend Einheiten«, grollte er. »Drei zu zwei... und ihr Verhältnis wächst noch. Sie stoßen unsereFlotte von Fomalhaut weg, um freien Weg dafür zuschaffen!«

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Und sein dicker Finger stach nach der unterenrechten Ecke des Schirms, wo ein neuer Schwarm vonRadarpunkten erschienen war und stetig auf Fomal-haut zukroch.

Die Transporter. Und irgendwo in ihnen würdeNarath Teyn sein, sein verrücktes, schönes Gesichterleuchtet vom kommenden Triumph, und mit ihmwürden die nichtmenschlichen Horden sein, die ervon Dutzenden von Welten aufgesammelt hatte.

Das gab Gordon ein Gefühl von quälender Macht-losigkeit: gezwungen zu sein, hier zu warten und zusehen, wie der Angriff auf ihn zukam. Aber wennLianna das ebenfalls fühlte – und er zweifelte nichtdaran –, dann ließ sie nicht zu, daß eine Spur davonsich in ihrem weißen Gesicht zeigte.

»Immer noch kein Wort von den Baronen?« fragtesie, und Korkhann antwortete: »Nein«, und bewegteseine Flügel in einem seufzenden Laut. »Kein Wortvon ihnen, und kein Anzeichen von ihnen, Hoheit. Esscheint, wir müssen diesem Angriff alleine begegnen.«

Abro meinte bitter: »Wenn es Engl doch nur mög-lich gewesen wäre, genug schwere Kreuzer abzu-zweigen, dann hätten wir eine Chance gehabt, dieAngreifer abzuwehren. Aber ich glaube nicht, daßwir jetzt eine Landung verhindern können.«

Gordon dachte, daß Shorr Kan schon die richtigeStrategie gefunden hatte und es schade war, daß Englsie entweder nicht verfolgen konnte oder wollte.

»Das liegt jetzt außerhalb unserer Einwirkungs-möglichkeiten«, sagte Lianna und deutete dabei aufdie schreckliche Schlacht auf dem Schirm. »Wir müs-sen uns bereithalten, unsere Welt zu verteidigen.Kommen Sie!«

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Sie sprach wie eine Königin, und sie ging wie eine,als sie den Weg hinauf durch den Palast anführte.Auf dem Weg trat Shorr Kan neben Gordon. Er hattewährend dieser Krise nicht versucht, den Verteidi-gungsraum zu betreten, er wußte, daß es ihm nichterlaubt worden wäre. Hull Burrel blickte ihn an undging weiter, aber Gordon blieb stehen.

»Es ist alles deutlich genug auf euren Gesichtern zusehen«, sagte Shorr Kan. »Die Fomalhaut-Flotte ver-liert da draußen, nicht wahr?«

»Ja«, bestätigte Gordon, »und sie wird nach Westengetrieben und schon bald wird dieser Ort hier die ab-solute Hölle sein wenn Naraths Transporter landen.«

Shorr Kan nickte düster. »Kein Zweifel. Schlimm,schlimm. Ich habe mir den Kopf zerbrochen, um zuversuchen, einen Weg herauszufinden, um mich ausder Falle herauszuwinden ...«

Gordon sagte in spöttischer Verblüffung: »Was? Ichdachte daß, nachdem wir alle am Ende angelangtsind, du es vorziehen würdest, ehrenvoll zu sterbenund bis zuletzt zu kämpfen.«

Shorr Kan zuckte die Achseln und meinte: »Ich ha-be schon etwa entschieden, daß ich genausogut alsHeld sterben kann. Weil, um dir die Wahrheit zu sa-gen, ich keinen einzigen verdammten Weg aus dieserSache sehe. Also, was habe ich zu verlieren?«

Die Stunden wirbelten vorbei, und Gordon fühltesich in einem Netz von Aktivitäten eingefangen, vondenen er nichts verstand. Beamte und Offiziereströmten im Palast ein und aus. Lianna hatte keineZeit für ihn. Es gab nichts, wohin er gehen konnte,und nichts für ihn zu tun. Er war ein völlig nutzloserStatist geworden.

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»Aber ich denke«, meinte eine vertraute Stimmehinter ihm, »daß Sie die Schlüsselperson hier sind,John Gordon.«

Gordon drehte sich um und sah Korkhann ihn miteinem besorgten Blick mustern.

»Lianna hat mir erzählt, was Sie ihr gesagt haben.Sind Sie sicher, daß es keine Informationen über denDisruptor gibt, die die H'Harn aus Ihnen herausholenkönnten?«

»Schauen Sie«, sagte Gordon, »ich dachte, ich hattees klargemacht. Ich weiß, wie die Kraftkegel des Dis-ruptors aussehen und wie sie auf ein Schiff montiertwerden und wie man sechs Nadeln ausgleicht, bevorman die Kraft entfesselt – das ist alles, was ich weiß.Warum bringen Sie das denn jetzt noch einmal auf?«

»Weil«, sagte Korkhann freudlos, »so sehr ich Sieauch mag, es meine Pflicht wäre, Sie zu töten, falls Sieim Begriff wären, von den H'Harn übernommen zuwerden.«

Gordon war still. Dann sagte er: »Ich verstehe.Aber da ist nichts.«

Und er dachte: Verdammtes Ding, wird es mich dennbis zu meinem Tod verfolgen?

»Kommen Sie mit mir!« sagte Korkhann. »Es gibtfür Sie hier nichts zu tun, und Sie sollten ebenso wis-sen, wie wir stehen.«

Die Nacht war hereingebrochen, und die beidengingen aus dem Palast hinaus und sahen die kreisen-den Monde am Himmel aufsteigen und ihr sich wan-delndes Licht hinabwerfen. Das Palastgrundstückwar wie die Stadt dahinter ein Bienenschwarm anBetriebsamkeit. Menschen und Fahrzeuge bewegtensich entlang der großen Allee, wo die alten Könige

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von Fomalhaut sich auf ihren Piedestalen abzeichne-ten. Geschützbatterien waren böse, ungefüge Formenin den anmutigen Gärten.

Shorr Kan kam auf sie zu, und Gordon fragte: »Woist Hull?«

»Er spricht am Telestereo mit Throon. Du hast ihmgewiß eine göttliche Furcht eingejagt mit deiner Vor-stellung einer H'Harn-Flotte, die zum Zuschlagen be-reit ist.«

Gordon meinte: »Die göttliche Furcht ist in uns al-len, wenn wir daran denken.«

»Nicht in diesem Mann«, sagte Korkhann, der dieganze Zeit neugierig Shorr Kan angesehen hatte.»Nicht wirklich. Er fürchtet weder Gott noch Menschnoch Teufel.« Und er fügte hinzu: »Verzeihen Sie, daßich Sie ein wenig sondiert habe.«

Shorr Kan wischte das beiseite. Er meinte zu Gor-don: »Mit meinen beträchtlichen militärischen Fähig-keiten – du wirst zugeben, daß ich verdammt haar-scharf die Galaxis erobert hätte – dachte ich, meineDienste würden in diesem Kampf willkommen sein.Aber Abro wird mir kaum zuhören, deshalb bleibeich bei dir. Du kannst dich auf mich verlassen, daßich in der Not hinter dir stehen werde.«

»Ich hätte es lieber«, sagte Gordon vorsichtig,»wenn du irgendwo anders stehen würdest als gera-de hinter mir. Ich bin allergisch gegen Messer.«

Shorr Kan grinste. »Du magst deinen kleinenScherz haben. Du bist der einzige, auf den ich michverlasse, daß er meinen Hals aus einer Schlinge hält,deshalb glaube nicht ...«

Zrrrischsch-brööönn! Dieser vorbeizischende, dröh-nende Laut schnitt scharf durch die Nacht und

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löschte Shorr Kans Stimme aus. Er vervielfachte sichmit unglaublicher Heftigkeit, und Objekte, die nur alsLichtstreifen zu sehen waren, rasten von drei ver-schiedenen Punkten jenseits der Stadt aus himmel-wärts.

»Raketengeschosse«, sagte Shorr Kan kühl, sobalder sich verständlich machen konnte. »Wenn die In-vasoren schon in Schußweite sind, dann wird die Sa-che sehr schnell heiß werden.«

Jetzt kamen die Geschosse auch von anderenPunkten aus und begannen in schnellen und anhal-tenden Salven aufzusteigen. Die Lichtstreifen über-kreuzten sich am ganzen Himmel. Über dem Ge-tümmel stiegen die Monde höher und höher, stetigund unberührt.

Aus der gesamten Stadt kam ein Schrei. Korkhanndeutete mit seinem Flügelarm dorthin: hoch oben,aber in einer langen, geneigten Kurve hinabfegend,kam ein glühendes Objekt.

Es war ein Sternenschiff – oder war eines gewesen.Jetzt brach seine gewaltige, erst nur rotglühendeMasse in wirkliche Flammen aus. Sie schoß hinab aufHathyr wie ein eintauchender Komet.

Mit einem schrecklichen Krachen schlug das bren-nende Sternenschiffwrack auf dem Planeten weithinter der Stadt auf. Es gab eine Schockwelle und ei-nen Schwall sengenden Winds, die sie taumeln lie-ßen.

»Das war nahe genug«, meinte Shorr Kan. »Ichwünschte, die Jungens wären ein wenig sorgfältiger,wo sie ihre Vögel herunterfallen lassen.«

»Da!« rief Gordon. »Wie ist denn das?«Weiter entfernt kam ein zweiter Komet brennend

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aus dem mondhellen Himmel herab. Der Aufprallwar kaum zu spüren. Shorr Kan nickte.

»Viel besser. Und hoffentlich bleiben sie dabei. Eindirekter Aufprall in der Stadt ...«

Er beendete den Satz nicht. Es war nicht nötig.Gordon hatte dasselbe gedacht.

Jetzt gab es ganz plötzlich ein neues Geräusch, einStimmengeschrei aus der Stadt. Gordon rief alarmiert:»Was ist das?«

»Hören Sie?« sagte Korkhann. »Sie jubeln.«Das Geräusch kam näher. Dann konnten sie eine

große Menschenmenge sehen, die auf sie zu brandete– durch die Allee der Könige, wo die stolzen, von derZeit gezeichneten Statuen fast zum Leben erwacht zusein schienen, als das stroboskopische Blitzen der Ra-keten ihnen einen Anschein von Bewegung gab. Inder Mitte der Menge in einem offenen Schwebewagenbewegte sich Lianna langsam auf den Palast zu. DasVolk lief neben ihr, jubelte ihr zu, und sie hob dieHand und nickte ihnen so ruhig zu, wie wenn das ir-gendeine gewöhnliche, friedvolle Prozession wäre.

In der Vergangenheit hatte Gordon sich oft über ih-ren königlichen Status und das Protokoll, das sie um-gab, geärgert. Jetzt sah er die andere Seite davon, undsein Herz schwoll vor Stolz, als sie aufrecht und wür-devoll die Stufen heraufkam, sich umwandte und derrufenden Menge zuwinkte. Ob wir leben oder sterbenwerden, so schien sie zu sagen, ihr und ich werdenden Weg zusammen gehen, denn wir sind Fomal-haut.

Sie verließ sie, dabei deutete sie Gordon an, ihrnach innen zu folgen.

Die Geschoßsalven waren jetzt unaufhörlich ge-

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worden, und der ganze Palast erzitterte von ihren Er-schütterungen. Gordon und Korkhann folgten Liannahinunter in den Verteidigungsraum. Dieses Malfolgte Shorr Kan ihnen kühl auf den Fersen, undGordon vermerkte, daß die Wachen außerhalb desRaums nicht daran dachten, ihn anzurufen. In dieserStunde, wo das Königreich Fomalhaut am Rande derKatastrophe wankte, waren die Dinge ein wenig ausdem Lot geglitten.

Abro kam durch den Knäuel von aufgeregten,schwitzenden Offizieren, die sich an den Schirmendrängten. Er sprach schnell mit Lianna.

»Jetzt ist kein Zweifel darüber mehr möglich, Ho-heit. Die Flotte der Barone fliegt mit voller Ge-schwindigkeit in unsere Richtung.«

Gordon spürte eine Welle plötzlicher Hoffnung.Die mächtigen Herkules-Barone waren ein schwererGegner für fast jedes Sternenkönigreich.

Abro mußte eine ähnliche Hoffnung in Liannas Ge-sicht gesehen haben, denn er sagte grimmig: »Ich be-daure, hinzufügen zu müssen, Hoheit, daß ihr Kursnicht auf Hathyr zugeht, sondern auf die Austrinus-Gebiete, wo das, was von Engls Streitmacht übrigge-blieben ist, immer noch die Grafen bekämpft.«

Mit sinkendem Mut erkannte Gordon, daß das, voneinem objektiven Betrachtungspunkt aus gesehen, derweise und tatsächlich der einzige Kurs war. Als Vete-ranen vieler Schlachten wollten die Barone nicht zuHilfe eilen, während eine feindliche Flotte noch imRaum verblieb und sie leicht abfangen konnte.

»Ich habe außerdem Meldungen vorliegen«, fuhrAbro fort, »von mindestens vierundzwanzig separa-ten Landungen von Naraths Transportern in diesem

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Quadranten um Hathyr. Wir haben viele von ihrenSchiffen zerstört, aber wir konnten sie nicht alle erle-digen, und jetzt kommen sie in wachsender Zahl,während unsere Geschützstellungen außer Funktiongesetzt werden.«

»Wir werden die Stadt verteidigen«, sagte Lianna.»Wir können sie halten, bis die Barone frei sind, unszu helfen.«

Gordon hoffte, daß sie recht behielt. Er dachte, daß,wenn nicht, er einen langen Weg zum Sterben ge-nommen hatte.

Und während er ihr in die Augen sah, dachte er,daß, falls es dazu käme, es die Sache wert gewesenwar.

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Eine Walpurgisnacht des Schreckens hielt HathyrCity in ihren Händen, als eine ihrer Verteidigungsli-nien nach der anderen fiel.

Eine Nacht und einen Tag und einen Teil einerweiteren Nacht lang waren die Sternenschiff-Transporter fortgesetzt auf Hathyr gelandet. Einegroße Zahl von ihnen landete als schmelzende, flam-mende Wracks. Aber als die vorrückenden Streit-kräfte sich auffächerten und mehr und mehr der Ge-schoßbatterien zerschlugen, kam eine wachsendeZahl intakt herunter, und aus diesen Schiffen ergos-sen sich schier endlose Horden.

Von einem Hundert wilder Welten in der Mark desÄußeren Raums kamen sie, die Nichtmenschen, diemit fanatischer Hingabe dem karmesinroten BannerNarath Teyns folgten. Die Gerrn von Teyn selbst, dieriesigen, vierfüßigen Katzen mit ihren zentaurglei-chen, völlig menschlichen Oberkörpern, die mit glü-henden Schlitzpupillenaugen und mit behenderFreude in die Schlacht sprangen. Die Qhallas, ein ja-gender, geflügelter Strom der Fremdartigkeit, mit ih-ren heiseren Schlachtrufen, die sich in kreischendemZorn erhoben. Die Torr von weit jenseits der Mark,pelzig, turmhoch, mit vier Armen. Die Andaxi, wiegroße Hunde, die Mensch zu sein versuchten, mitZähnen und Augen die aufglühten, als sie sich demTöten zuwandten. Und andere, unzählbare und un-beschreibbare andere – hüpfend, gleitend, springend– eine Fantasmagorie von alptraumhaften Gestalten.

Sie besaßen gute, moderne Waffen, sie waren von

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den Grafen ausgerüstet worden. Atomgeschosse ex-plodierten wie eine berstende Welle weißen Feuersüber ihnen und brannten durch die Straßen vonHathyr City. Die Waffen der Männer Fomalhautsantworteten ihnen. Nichtmenschliche Gestalten wur-den niedergemäht, verkohlt, hinweggefegt, in Fetzenwurden sie zu Haufen aufgeworfen, um die Kreu-zungen zu blockieren. Aber von ihnen kamen immermehr, und sie drängten sich immer weiter vorwärts.Im Kampfeszorn warfen viele von ihnen ihre Waffenweg und kehrten zum primitiven, befriedigendenGebrauch von Klauen und Fängen zurück. Sie kamenvon allen Seiten, ein Ring, eine Schlinge, die sichlangsam um das Herz der Hauptstadt schloß. Undschließlich waren es zu viele von ihnen.

Feuer brannten rot an Dutzenden von Stellen in derganzen Stadt, wie wenn ein Scheiterhaufen für dasKönigreich Formalhaut gelegt worden wäre und ma-jestätisch und langsam wuchs. Die erhabenen Mondeschauten hinab auf eine Stadt, die von den Flammenihrer eigenen Zerstörung illuminiert wurde, und dievorwärtsdrängenden Horden bildeten eine makabreSilhouette gegen den Feuerschein.

Gordon stand mit Lianna und Korkhann und ShorrKan auf dem großen Balkon hoch oben am Palast, dergeradewegs auf die Allee der steinernen Könige hin-absah. Die Feuer und die Raserei und der Schlach-tenlärm näherten sich immer mehr dem Palast. ImLichtschein der Feuer konnten sie die Schwebewagendes Fomalhaut-Heeres sehen, wie sie in verzweifeltenund anhaltenden Angriffen herabstießen.

»Es sind zu viele von ihnen«, murmelte Lianna.»Narath hat jahrelang daraufhin gewirkt, die Treue

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der Nichtmenschlichen zu gewinnen, und jetzt sehenwir die Früchte seiner Arbeit.«

»Wie kann ein Mensch wie Narath sie nur so starkbeeinflussen?« Gordon deutete auf die raucherfülltenund gemarterten Straßen. »Sie sterben – Gott weißallein, wie viele Tausende von ihnen – aber dennochhalten sie nicht inne. Es scheint sie glücklich zu ma-chen, für Narath zu sterben. Warum nur?«

»Ich kann das beantworten«, meinte Korkhann.»Narath ist nur körperlich menschlich. Ich habe dieUmrisse seines Geistes sondiert und sage Ihnen, daßer ein Atavismus ist, eine geistige Zurückentwicklungin eine Zeit, bevor die Wege der Evolution sich ge-trennt haben. Bevor, kurz gesagt, es einen Unter-schied zwischen Menschen und Nichtmenschen gab.Deshalb lieben und verstehen diese Wesen ihn ... weiler denkt und fühlt wie einer von ihnen, wie es keinnormaler Mensch je könnte.«

Gordon blickte hinaus auf das Panorama der Zer-störung. »Atavismus«, sagte er. »Dann können wirdie Schuld für all das auf ein unendlich kleines Genschieben?«

»Tu mir einen Gefallen«, bat Shorr Kan sauer,»bitte. Erspare mir die philosophischen Vorlesun-gen.«

Ein junger Offizier eilte ein wenig verstört auf denBalkon und bezeugte Lianna einen hastigen Gruß.»Hoheit, Minister Abro bittet Sie, diesen Ort mit demSchwebewagen zu verlassen, bevor die Schlacht nä-herkommt.«

Lianna schüttelte den Kopf. »Danken Sie dem Mi-nister, und informieren Sie ihn, daß ich meinen Platzhier nicht verlassen werde, solange Menschen für

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mich kämpfen und sterben.«Gordon setzte zu protestieren an. Dann sah er ihr

Gesicht und wußte, daß es nutzlos wäre. Er hielt sei-ne Zunge im Zaum.

Shorr Kan besaß solche Hemmungen nicht. »Wenndie Schlacht hier endet, können Sie vielleicht nichtmehr weg. Am besten gehen Sie jetzt, Hoheit.«

Lianna sagte kalt: »Das ist der Rat, den ich von demFührer erwarte, der von Thallarna davonlief, als dieSchlacht sich gegen ihn kehrte.«

Shorr Kan zuckte die Achseln. »Ich lebe noch.« Erfügte in einem reuevollen Ton hinzu: »Obwohl dasvielleicht nicht mehr für lang sein wird.« Er besaß ei-ne Waffe – Gordon ebenfalls –, die an seine Taille ge-schnallt war, und er sah widerwärtig darauf undsagte: »Je näher ich dieser Angelegenheit mit dem he-roischen Sterben komme, desto trüber erscheint mirdie Aussicht darauf.«

Lianna beachtete ihn gar nicht, ihre glänzendenAugen blickten suchend durch Rauch und Flammenund Aufruhr der Stadt. Gordon wußte, wie sie sichfühlen mußte, während sie diese mächtige Allee hin-abschaute, wo die Statuen ihrer Vorfahren standen,die verkörperte Historie dieses Sternenkönigreiches,und wenn sie ihr Volk gegen den Strom der nicht-menschlichen Invasion kämpfen sah.

Sie drehte sich abrupt zu Korkhann um. »Sagen SieAbro, daß er eine Botschaft an die Barone schickensoll. Des Inhalts, daß, wenn sie nicht sofort Kriegs-schiffe uns zu Hilfe schicken, Fomalhaut verloren seinwird.«

Der geflügelte Minister verneigte sich und verließsie rasch. Als Lianna sich wieder zur Stadt umdrehte,

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fegte ein großer Schwebewagen mit den Insignienvon Fomalhaut durch den vorbeiziehenden Rauchund landete sanft auf dem großen Balkon. Die Heck-türen öffneten sich.

»Nein!« rief Lianna ärgerlich aus. »Ich will diesenPlatz hier nicht verlassen. Schickt sie weg ...«

»Schauen Sie doch!« gellte Shorr Kan. »Das sindnicht Ihre Männer!«

Gordon sah, daß die Männer, die sich aus dem of-fenen Heck heraus ergossen, nicht die Insignien vonFomalhaut trugen, sondern das sich aufreckendeSymbol des Streitkolbens. Sie liefen über den Balkonauf die kleine Gruppe zu.

Sie hatten ihre Waffen nicht gezogen, offensichtlichverließen sie sich auf ihre rein körperliche Anzahl,um die drei zu überwältigen. Aber Shorr Kan, der ineine Art Hockstellung eines Revolverschützen fiel,zog und feuerte und mähte die vorderste Reihe derAngreifer mit explodierenden Atomkugeln nieder.

Gordon zog seine eigene Waffe heraus und ver-fluchte dann die Unvertrautheit dieses Dings, als ermit dem Daumen entsichern wollte. Die Waffe gingin seiner Hand los. Er sah, daß er zu hoch gefeuerthatte, und er betätigte den Abzug wieder und dies-mal sorgfältiger und sah, daß die Kugeln zwischenden Männern des Streitkolbens explodierten.

Diejenigen, die überlebten, rückten unbeirrt weitervor. Sie schossen immer noch nicht, und es dämmerteGordon, daß Lianna ihr Ziel war und daß sie es nichtriskieren wollten, sie zu töten.

Sie kamen schnell und wurden durch immer mehrMänner aus dem Schwebewagen verstärkt. Sie fä-cherten in einem unregelmäßigen Halbmond aus, der

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sich schnell zu einem Kreis schloß, und sie warenjetzt so nahe, daß weder Gordon noch Shorr Kan eswagten zu schießen, weil das Rückfeuer der Kugelnsie und Lianna erfassen würde. Gordon griff seineWaffe kürzer und gebrauchte sie als Keule, er warfsich auf die Männer und schlug wild um sich, dabeirief er die ganze Zeit Lianna zu, zurück in den Palastzu laufen. Er hörte Shorr Kan brüllen: »Wachen! Wa-chen!« Aber Shorr Kan wurde unter dem Ansturmder Körper erdrückt, roh gebeutelt, auf den Bodenniedergerungen, und Gordon mußte das gleiche mitsich ergehen lassen. Es waren zu viele Hände, zuviele Stiefel und harte Knie. Er konnte nicht sehen, obLianna geflohen war, aber er sah, daß vom großenSaal, drinnen hinter dem Balkon, eine Reihe vonLiannas Wachen verzweifelt auf sie zu rannte.

Die Männer, die in dem Schwebewagen zurückge-blieben waren, hatten keinerlei Bedenken, die Wa-chen niederzuschießen, weil das Lianna nicht in Ge-fahr brachte. Sie beschossen sie mit niederschmet-ternder Wirksamkeit, wobei sie schwerkalibrige,aufmontierte Kanonen benutzten, die drehbar warenund krachendes Feuer ausgossen und die Männer zurUnkenntlichkeit verbrannten, so daß nichts übrigblieb als verfliegender Staub und pulverisiertes Glas.Es wurde wieder still, und dann drehte sich die ganzeSzene langsam um Gordon und zerfloß in Dunkel-heit, begleitet von dem Klingen seines Schädels, alsetwas ihn wie ein Hammer schlug.

Er erwachte und fand sich auf dem Balkon liegen.Sein Kopf klang nicht mehr, sondern schmerzte ein-fach nur. Neben sich sah er Shorr Kan stehen, das Ge-

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sicht blutig. Die Männer, die das Zeichen des Streit-kolbens trugen, standen grimmig und angespannt umsie.

»Lianna«, murmelte Gordon und versuchte aufzu-stehen.

Shorr Kan deutete mit dem Kopf kurz auf den in-neren Saal zu, hinter die gefallenen Körper der Wa-chen. »Dort. Unverletzt. Aber der Palast gehört ihnen.Dieser Wagen war nur der erste einer Flotte, die unsmit dem Wappen von Fomalhaut hereingelegt hat.«Einer der Männer schlug Shorr Kan über das Gesicht,so daß noch mehr Blut floß. Shorr Kan zuckte nichtzusammen, aber er hörte auf zu reden.

Gordon bemerkte nun, wo seine Sinne sich klärten,ein undeutliches, unartikuliertes Brüllen wie dasSchlagen der See gegen felsige Klippen. Dann, als erauf seine Füße gezerrt wurde, blickte er hinaus überdas niedrige Geländer des Balkons und sah dieQuelle des Geräuschs.

Die Stadt war gefallen. Feuer erhoben sich immernoch rotleuchtend von vielen Punkten, aber es gabkeine Schüsse und keine Schlachtengeräusche mehr.Die gesamte Fläche um den Palast herum schien mitden nichtmenschlichen Horden angefüllt zu sein ...den Gerrn, den Qhallas, den Andaxi, all diesem gro-tesken, alptraumhaften Mob, der in Triumphtänzendie Gärten vernichtete, heulte, brüllte und sich ge-bärdete.

Aber das lauteste Brüllen kam von einer dichtenund schrecklichen Masse von Kreaturen, die die Alleeder Könige hinaufliefen. Sie artikulierten ihre wahn-sinnige Freude mit zischenden, schnurrenden, qua-kenden Stimmen. Und sie sahen fortwährend einen

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Mann an, der vor ihnen auf dem schwarzpelzigenRücken eines riesigen Gerrn ritt – Narath Teyn, sei-nen stattlichen Kopf hochgehalten, als er so anritt, umseine Königswürde zu beanspruchen.

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Der große Saal, der sich zum Balkon hin öffnete, warstill. Gordon stand da, die Wachen hinter sich, undShorr Kan stand neben ihm. Die Männer, die das Zei-chen des Streitkolbens trugen, standen ebenfalls undhatten ihre Waffen deutlich aufgestellt.

Aber Narath saß, wie es einem König geziemte.Er saß sehr gerade, und es war ein träumerisches

Lächeln auf seinem Gesicht. Sein braunes Haar fielihm auf die Schultern und er trug ein glitzerndes, engangepaßtes Gewand. Er sah königlich aus, und er sahirrsinnig aus.

Lianna saß ein wenig abseits von ihm. Es lag über-haupt kein Ausdruck auf ihrem Gesicht, außer wennsie Gordon ansah.

»Bald«, meinte Narath freundlich. »Wir werdennicht mehr viel länger auf den Grafen Cyn Cryverund die anderen warten müssen, Cousine.«

Und Gordon wußte, wer ›die anderen‹ sein wür-den, und die Haut kribbelte ihm zwischen denSchultern.

Durch die offenen Türen, die auf den großen Bal-kon führten, trieben Fäden beißenden Rauchs in denRaum hinein. Außerdem kam von draußen ein fernes,verwirrtes Stimmengeräusch, aber nicht der brüllen-de Aufruhr von vorher. Die Körper von Liannas undvon Naraths Männern waren weggeräumt worden.Und jetzt hörte Gordon das sanfte Summen eineshinabsinkenden Schwebewagens.

Dann kam Cyn Cryver.Sein kühnes, arrogantes Gesicht leuchtete voller

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Triumph, als er sie ansah. Am längsten sah er ShorrKan an.

»Gut«, sagte er. »Ich hatte schon Angst, sie hättendich getötet. Und wir wollen doch nicht, daß du zubald stirbst.«

Shorr Kan gab einen spöttischen Ton von sich.»Mußt du so verdammt theatralisch sein? Das wardas Lästigste während meines Aufenthalts bei dir: dieganze Zeit deinen gehaltvollen und einschlagendenDarlegungen zuzuhören.«

Cyn Cryvers Lächeln wurde tödlich, aber er ant-wortete nicht. Narath war aufgestanden und sprachmit seiner freundlichen Stimme: »Du bist willkom-men, mein Bruder der Mark. Sehr willkommen. Undwo sind unsere Freunde?«

»Sie sind hier«, sagte Cyn Cryver. »Sie kommennoch.« Er sah zu Lianna, und sein Lächeln wurde tie-fer. »Sie sehen gut aus, Hoheit. Bemerkenswert gut,wenn man bedenkt, daß Ihre Welt in unserer Faust istund Ihre Flotte bei den Austrinus-Gebieten in Stückegehauen worden ist.«

Er schien noch nichts von den Herkules-Baronenzu wissen, dachte Gordon. Nicht, daß das Kommender Barone für sie noch einen Unterschied ausmachenwürde ...

Drei in Roben verhüllte Gestalten glitten lautlos inden Saal. Die H'Harn waren gekommen.

Merkwürdig waren die verschiedenen Reaktionenauf sie, dachte Gordon. Shorr Kan sah sie mit freiem,offenem Abscheu an. Lianna erbleichte ein wenig,und Gordon war ziemlich sicher, daß er selbst dassel-be tat. Sogar Cyn Cryver schien es ein wenig unbe-haglich.

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Narath Teyn dagegen verbeugte sich vor den ver-hüllten Gestalten mit dem gleichen träumerischenLächeln und sagte: »Ihr kommt zur rechten Zeit, Brü-der. Ich soll gekrönt werden.«

Jetzt erst erkannte Gordon die Tiefe von NarathsGeistesgestörtheit. Er, den die Nichtmenschen ver-ehrten, der die Magellanier als Brüder begrüßte, warviel weniger menschlich als irgend jemand hier.

Der Vorderste der H'Harn sprach in einem zi-schenden Wispern. »Noch nicht, Narath. Es gibt et-was, was zuerst getan werden muß, und es ist drin-gender.«

Der H'Harn kam in seinem merkwürdig geschmei-digen, schnappenden Gang näher und stellte sich vorGordon. Aus der Dunkelheit seiner Kutte blickte erhinauf zu ihm.

»Dieser Mann«, sagte er, »besitzt ein Wissen, daswir sofort haben müssen.«

»Aber mein Volk wartet«, entgegnete Narath. »Siemüssen hören, daß meine Cousine Lianna den Thronan mich abtritt, so daß sie mich zum König ausrufenkönnen.« Er lächelte Lianna zu. »Du wirst das natür-lich tun, Cousine. Alles muß richtig und angemessensein.«

Cyn Cryver schüttelte den Kopf. »Nein, Narath,das muß noch ein wenig warten. V'ril hat recht. DieH'Harn haben uns doch so sehr geholfen, nicht? Nunmüssen wir ihnen helfen.«

Ein wenig verdrießlich setzte sich Narath wiederhin. Der H'Harn, der V'ril genannt wurde, schauteweiterhin zu Gordon hoch, aber Gordon konntenichts von dem Gesicht sehen, das von der Kutte ver-deckt war, und wollte es auch gar nicht sehen. Alles,

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was er wollte, war, fortlaufen zu können. Mit großerAnstrengung unterdrückte er einen hysterischen Ver-such, das zu tun.

»Es ist schon eine Weile her«, sagte der H'Harn,»da flog ich heimlich nach Throon im Schiff von JonOllen, einem unserer Verbündeten. Während ich dortwar, sondierte ich den Geist eines Wesens namensKorkhann.«

Das war nichts Neues für Gordon, aber es ließ ihnzum ersten Mal, seit er das Bewußtsein wiedererlangthatte, an Korkhann denken.

Was war aus ihm geworden? Tot? Wahrscheinlich... und wahrscheinlich auch Hull Burrel, denn sie wa-ren nicht hier.

»Ich erfuhr«, sagte die wispernde Stimme, »daßdieser Mann, der John Gordon genannt wird, in derVergangenheit sich einem Geistesaustausch mit ZarthArn unterzogen hat, so daß eine Zeitlang er in ZarthArns Körper wohnte. Und während dieser Zeit be-diente er den Disruptor.«

Hier kommt es wieder, dachte Gordon. Der ver-dammte Disruptor und das Geheimnis darin, vondem jeder glaubte, Gordon kenne es ... der Fluch, dersich ihm durch seine beiden Besuche in dieser zu-künftigen Zeit an die Fersen geheftet hatte und derjetzt dabei war, ihn in den Tod zu schleifen.

Oder zu Schlimmerem. Der H'Harn kam näher aufihn zu, wie ein Wehen von grauem Tuch.

»Ich will jetzt«, wisperte er, »diesen Mann nachdem Geheimnis des Disruptors sondieren. Seien Siestill, alle!«

Gordon, bereits von äußerster Panik ergriffen, ver-suchte noch, den Kopf zu drehen und Lianna einen

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Blick der Beruhigung zu geben, um ihr zu sagen, daßer nichts von sich geben konnte, was er nicht besaß.Er beendete nie die Bewegung.

Ein Blitzstrahl mentaler Kraft traf ihn. Verglichenmit dem mentalen Angriff des H'Harn in dem Schiff,war das der Blitz eines Unwetters verglichen mit ei-nem elektrischen Funken. Zwischen zwei Herzschlä-gen glitt Gordon hinüber in die Dunkelheit.

Als er wieder erwachte, lag er auf dem Fußboden.Er blickte benommen auf und sah Liannas entsetztesGesicht. Narath, der neben ihr saß, schaute bloß ge-langweilt und ungeduldig. Aber Cyn Cryver und derH'Harn, der V'ril genannt wurde, schienen sich zustreiten.

Die Stimme des H'Harn war zu einem hohen, pfei-fenden Ton angewachsen. Nie zuvor in seinen kurzenKontakten mit diesen Kreaturen hatte Gordon einengesehen, der solch eine Leidenschaft an den Tag legte.

»Aber«, sagte Cyn Cryver gerade, »es kann dochsein, daß er nichts weiter weiß.«

»Er muß noch mehr wissen«, tobte V'ril. »Er muß,sonst hätte er nicht die mächtigste Waffe im Univer-sum bedienen können. Und ich will Ihnen sagen, wasich aus seinem Gehirn erfahren habe. Die Hauptflottedes Reichs ist außerhalb der Galaxis und sucht unsereFlotte. Prinz Zarth Arn ist mit ihr – und der Dis-ruptor.«

Das schien Cyn Cryver ein wenig unsicher zu ma-chen. Sogleich sagte er: »Aber Sie haben mir berichtet,daß sie niemals Ihre Flotte ausmachen könnten ...«

»Sie können es auch nicht«, erwiderte der H'Harn.»Aber jetzt sind sie vorgewarnt, und wenn wirThroon und die Schlüsselwelten angreifen, dann

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werden sie wissen, wo wir sind. Und sie können denDisruptor einsetzen, auch wenn sie dabei einige ihrerLeute opfern. Deshalb ist es jetzt wichtiger denn je,daß wir die Reichweite und die Grundprinzipien die-ser Waffe kennen, bevor wir uns in Bewegung set-zen!«

Narath stand auf und sagte fest: »Ich habe jetzt ge-nug davon. Macht diese Sache später ab. Mein Volkwartet da draußen, um mich zum König auszurufen...«

V'rils verhüllter Kopf drehte sich zu Narath um.Narath wurde grau und setzte sich plötzlich wiederhin und war still.

»Ein geschickter Telepath könnte die entscheiden-den Kenntnisse tief in dem Gehirn dieses Mannesverborgen haben«, meinte V'ril und sah Gordon an.»So tief, so fein, daß er dieser Kenntnisse selbst dannnicht bewußt wäre, wenn er sie anwendet ... so tief,daß selbst eine starke mentale Sondierung sie nichtzutage führt. Aber es gibt einen Weg, es herauszufin-den.«

Gordon, der kein Wort verstand, sah erstmals wäh-rend dieser Sätze die anderen zwei H'Harn sich be-wegen und ein wenig schwanken und wie in plötzli-cher Freude kichern. Irgendwie ließ ihn diese Freu-digkeit mit einem Schrecken, der tiefer als alles vor-her war, erstarren.

»Die Fusion«, wisperte V'ril. »Das Verschmelzenvon zwei Hirnen, so daß nichts in jedem Hirn vordem anderen verborgen werden kann, wenn sie wieZwillinge vereint sind. Kein mentaler Schwindelkann ein Geheimnis davor verstecken.«

Die Kreatur zischte den Wachen ein Kommando

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zu: »Zwingt ihn auf die Knie!«Die Männer packten Gordons Arme von hinten

und zwangen ihn hinunter. Aus ihrem schnellenAtem wußte Gordon, daß, obwohl sie Männer desStreitkolbens waren und Verbündete der H'Harn, ih-nen das nicht gefiel.

Die verhüllte Kreatur hatte nun den Kopf ein we-nig höher als Gordon.

Dann begann V'ril seine Gewänder loszuwickeln,sie fielen ab, und ebenso legte er die Kutte ab, die einTeil davon war, und der H'Harn stand nackt da.

Er glänzte und sah feucht aus, wie ein kleiner, ge-häuteter Mann mit graugrünem Fleisch und einemknochenlosen Fließen in Armen und Beinen. Dasdunstende, knorpelige Fleisch schien sich zu windenund aus eigenem Antrieb zu fließen. Und das Gesicht...

Gordon wollte die Augen schließen, konnte es abernicht. Der Kopf war klein und kugelförmig, und dasGesicht war leer: am meisten erschreckte es noch inseiner Leere. Ein winziger, ekelerregender Mund,zwei Löcher zum Atmen und große Augen, die mitHaut überzogen waren: stumpfsinnig und dunkelopalisierend.

Das leere Gesicht näherte sich Gordon und beugtesich leicht gegen ihn. Es war, wie wenn der H'Harnihn küssen wollte, und das vervollständigte dieschreckenerregende Abnormalität der Situation. Gor-don kämpfte und versteifte sich dabei, aber er wurdefestgehalten. Er hörte Lianna aufschreien.

Die Augen waren seinen nun ganz nahe, die kühleStirn berührte seine Stirn.

Dann schienen die Augen, die sein gesamtes sicht-

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bares Universum geworden waren, sich zu verän-dern, das stumpfsinnige Opalisieren in ihnen vertieftesich in ein Glühen. Heller und heller wurde das Glü-hen, bis es so war, wie wenn er in einen feurigen Ne-bel schauen würde.

Gordon fühlte sich selbst hindurchfallen.

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Er war John Gordon der alten Erde.Er war ebenso V'ril von Amamabarane.Er erinnerte sich an alle Einzelheiten in Gordons

Leben auf der Erde und danach in diesem Universumder Zukunft.

Aber er erinnerte sich ebenso an jede Einzelheitseines Lebens als einer der Leute von Amamabarane,des großen Sternenschwarms, den die Menschen dieKleine Magellan'sche Wolke nennen.

Völlig verwirrend war dieser doppelte Satz vonErinnerungen für den Teil von ihm, der Gordon war.Aber der Teil von ihm, der V'ril war, war damit ver-traut.

Die Erinnerungen kamen leicht. Erinnerungen anseine Heimatwelt tief in der Sternenwolke Amamaba-rane. An jenen geliebten Planeten, wo die mächtigenund alleserobernden H'Harn sich zuerst entwickelthatten.

Aber sie waren nicht immer mächtig gewesen. Eshatte eine Zeit gegeben, in der die H'Harn nur einevon vielen Spezies gewesen waren und in keinerWeise die klügste oder stärkste. Es hatte andere Ras-sen gegeben, die sie geringschätzig behandelt hatten,sie dumm und schwach genannt hatten.

Aber wo waren diese Rassen jetzt? Verschwunden, tot,getilgt von den kleinen H'Harn ... in einer großen und be-friedigenden Vergeltung.

Denn die H'Harn hatten entdeckt, daß sie tief in ih-ren Hirnen die Saat einer Macht besaßen. Die Gewalteiner telepathischen Macht: der mentalen Unterdrük-

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kung. Sie hatten sie zuerst nicht verstanden und siezunächst nur in geringfügiger Weise gebraucht, umandere, die stärker und schneller als sie selbst waren,zu beeinflussen, um sich vor räuberischen Rassen zuschützen.

Aber mit der Zeit erkannten sie, daß die Macht vielmehr bewirken konnte, wenn es ihnen gelang, sie zuverstärken. Sie suchten nun in geheimer und eifrigerAnstrengung dieses Ziel zu erreichen. Diejenigen vonihnen, die mehr von dieser Macht besaßen, durftensich nur mit solchen von gleicher Stärke paaren. DieZeit verging, und ihre Macht wuchs und wuchs, abersie hielten sie immer noch vor anderen geheim.

Bis sie sicher waren.Und dann kam der große Tag. Der Tag, als die ver-

achteten H'Harn ihre Beherrschung der mentalenUnterdrückung enthüllten und sie gegen jene an-wandten, die sie haßten. Sie zerbrachen sie, bezwan-gen sie, trieben sie in den Irrsinn, verletzten sie im-mer wieder, bis sie starben.

Der Triumph der H'Harn, die goldene Legende unsererRasse! Wie gut es war, sie leiden und schreien und sterbenzu sehen!

Nicht alle. Einige wurden ausgespart, um die Die-ner der H'Harn zu werden. Und unter diesen warendie intelligenten Rassen, die Städte und Sternenschif-fe gebaut hatten.

Sie wurden jetzt gebraucht, diese Intelligenten undihre Sternenschiffe, um die H'Harn zu anderen Wel-ten zu bringen. Und so begann die ruhmreiche Sagader Eroberungszüge der H'Harn die nicht aufhörten,bis alle wünschenswerten Welten von Amamabaraneunter dem Joch der H'Harn waren.

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Aber es gab immer noch andere Welten: weit ent-fernt in der großen Galaxis, die wie ein Sternenkonti-nent war, demgegenüber Amamabarane nur als eineküstennahe Insel wirkte. Es gab unzählige Weltendort, auf denen unzählige Völker lebten, die denH'Harn nicht dienten. Das konnte natürlich unmög-lich hingenommen werden, so ungeheuer war derHunger der H'Harn nach Macht geworden. So hatteman die Vorbereitungen zur Eroberung begonnen.

Die unterworfenen Völker von Amamabaranewurden von den H'Harn gezwungen, zu arbeiten, bissie starben, und dabei eine Armada von Schiffen aus-zurüsten. Und nach einiger Zeit flog diese Armadaaus, um viele der H'Harn zur Galaxis zu bringen, diegelehrt werden sollten, ihre Herren zu akzeptieren.

Aber da kam die eine große Katastrophe, derdunkle und häßliche Schandfleck, der den Ruhm derGeschichte der H'Harn beeinträchtigte. Die Völker je-ner Galaxis widerstanden mit unglaublicher Unver-schämtheit der H'Harn. Und mit einer Waffe, die dasRaum-Zeit-Kontinuum selbst zerstörte, vernichtetensie die Armada der H'Harn.

Das war lange her gewesen, doch kein H'Harnhatte es je vergessen. Die Bösartigkeit der Menschen,die es wagten, sich den H'Harn zu widersetzen, die essogar wagten, sie zu vernichten, mußte bestraft wer-den. Das schwarze Brandmal der Niederlage mußtemit ihrem Blut geheilt werden.

Durch Tausende und Tausende von Jahren wurdendie Untertanen und Diener der H'Harn in ganzAmamabarane angetrieben, an diesem Projekt zu ar-beiten. Ihre klügsten Gehirne wurden darangesetzt,neue Waffen zu ersinnen und neue Schiffe von einer

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Schnelligkeit, die bislang unbekannt gewesen war.Aber das Projekt verzögerte sich. Die Dienervölkerzogen es oft vor, eher zu sterben, als den H'Harn län-ger zu dienen. Sie erkannten nicht, daß sie bloßeWerkzeuge waren, die die Herren gebrauchten, unddaß es kaum etwas ausmachte, wenn das Werkzeugeinmal entzwei ging.

Aber als Tausende von Jahren vorbei waren, wardie Zeit gekommen, da die H'Harn wieder bereit wa-ren. Ihre mächtige Invasionsflotte besaß Waffen undGeschwindigkeiten und Einrichtungen, von denenman bislang nicht einmal geträumt hatte – einge-schlossen einen Schild einer ausgeklügelten Kraft, derdie Schiffe verbarg und den keine Detektorgerätedurchdringen konnten. Verborgen und ungesehennäherte sich die Flotte der Galaxis.

Und verborgen und unvermutet wartete sie jetztaußerhalb der Galaxis, hinter dem Zipfel, den dieMenschen den Vela-Sporn nannten. Denn der Au-genblick war noch nicht gekommen.

Agenten waren von Amamabarane vorausgezogen,um Krieg und Unruhe in der Galaxis zu schüren.Krieg würde die Hauptstreitkräfte des Kaiserreichsund der Sternenkönigreiche weit von ihrenHauptwelten wegbringen.

Und wenn das geschah, wollten die H'Harn zu-schlagen. Verborgen, ungesehen, unvermutet würdenihre Schiffe auf den größten Welten der Sternenköni-ge landen – und auch auf Throon, wo der Disruptorimmer noch für den Tag eines Verhängnisses bereit-gehalten wurde. Wenn die Zentralwelt genommenwurde, ohne daß es das recht merkte und mehr oderweniger schutzlos war, würde das Volk von Throon

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eine leichte Beute sein, und der Disruptor würde inden Händen der H'Harn sein. Der Kaiser konnte ihnkaum zu seiner eigenen Verteidigung einsetzen, dadas die Zerstörung von Throon selbst mit seinenSchwesterplaneten und seiner Sonne bedeuten wür-de.

Nur hatte sich jetzt das Bild gewandelt. Dieser ver-achtenswerte Mensch hatte eine Warnung übermit-telt, und der Disruptor war im Raum, wieder einmalals Drohung zur Vernichtung der H'Harn. Es war le-benswichtig, die Reichweite und die Beschaffenheitder Kraft des Disruptors zu kennen, so daß Mittel ge-funden werden konnten, sie zu neutralisieren oder zubekämpfen.

Jedoch ...Jedoch ...Erstaunen und Ärger und ein plötzliches Abreißen

der mentalen Fusion – und John Gordon, wieder ganzmit sich allein, blickte verwirrt in die wütenden Au-gen des H'Harn.

»Es ist wahr«, zischte V'ril. »Dieser Mann ge-brauchte den Disruptor, ohne irgend etwas von seinerBeschaffenheit zu kennen. Es ist unglaublich ...«

In Gordons wirbelndem Gehirn entstand die Erin-nerung an einen Augenblick, als Shorr Kan gering-schätzig gesagt hatte, daß die H'Harn trotz all ihrerKräfte dumm wären.

Er wußte jetzt, da er den Geist eines H'Harn geteilthatte, daß es wahr war. Die Rasse, die danach trach-tete, Galaxien zu erobern, war eine niedrigstehende,dumme, abscheuliche Spezies, die in dem normalenLauf der Ereignisse zu nichts gekommen wäre. Aberder Besitz der einen Schlüsselmacht, der telepathi-

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schen Macht der mentalen Sondierung und der men-talen Unterdrückung, hatte diesen Kreaturen dieDominanz über Rassen gegeben, die weit über ihnenstanden.

Gordon hatte immer die H'Harn gefürchtet. Er be-gann sie nun mit einem bitteren Haß zu verabscheu-en. Sie waren wie Blutegel, schmutzig und unerträg-lich. Er wußte nun, warum vor langer Zeit jenerBrenn Bir des Kaiserreichs die Gelegenheit ergriffenhatte, indem er den Raum selbst spaltete, dieseKreaturen zu vernichten.

Als sein Geist sich klärte, bemerkte Gordon, daßdie Wachen ihn wieder auf seine Füße hochgezogenhatten. V'ril hatte die Robe und die Kutte wieder an-gezogen, und Gordon dankte Gott dafür. Er wollteden grausigen Körper nicht sehen. Durch die Erinne-rungen dieser Kreatur und weil er mit ihr den Geistgeteilt hatte, fühlte er sich in der Seele beschmutzt.

V'ril erhob einen verhüllten Arm und deutete aufGordon. »Dieser Mann muß sofort sterben«, sagte er.»Durch die Fusion weiß er jetzt, wo unsere Flotteverborgen ist. Tötet ihn!«

Cyn Cryver nickte, und die Wachen traten zurückund hoben ihre Waffen. Immer noch kaum fähig, daszu erfassen, warf Gordon Lianna einen letzten Blickzu.

Lianna war aufgesprungen. »Nein!« rief sie. Siewirbelte zu Narath herum. »Wenn dieser Mann ge-tötet wird, werde ich den Thron nicht an dich abtre-ten, Narath Teyn!«

Cyn Cryver lachte nur. »Das wird schon einen Un-terschied machen! Narath wird auf jeden Fall Königsein.«

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Jedoch das träumende Lächeln verließ Naraths Ge-sicht, und es wurde verstört. Er hob eine Hand zuden Wachen, die mit ihren Waffen auf Gordon ziel-ten, und sagte: »Wartet!« Er sprach dann zu CynCryver: »Meine Cousine muß mir den Thron formellvor dem Volk abtreten, oder alles wird nicht dem Ge-setz nach sein. Ich muß diese Unterwerfung von ihrhaben. Ich habe so lange darauf gewartet. Ich muß!«

Sein schönes Gesicht zitterte jetzt, und Sturmwol-ken sammelten sich in seinen Augen. Cyn Cryver sahihn knapp an und sagte dann zu V'ril: »Die Zeremo-nie ist wichtig für unseren Bruder Narath. Wir wer-den besser diesen Mann leben lassen.«

Da er Cyn Cryvers harten Ausdruck sah, als derV'ril fest anblickte, war Gordon absolut sicher, daß erin Gedanken hinzufügte: Bis die Zeremonie vorüber ist.Dann werden wir ihn sofort töten.

Denn V'ril erhob keinen Einwand. Er wisperte:»Gut. Aber es gibt Nachrichten, die unseren Brüdernin der Flotte geschickt werden müssen.«

V'ril sah zu den anderen beiden H'Harn. Gordonglaubte, daß er erraten konnte, welches die Nachrichtsein würde. Warnt die Flotte, daß die Armada des Reichsnach ihr sucht. Sagt ihnen, daß sie jetzt gegen Throon los-schlagen sollen. Die zwei H'Harn glitten in einer ruck-weisen Bewegung aus dem Saal hinaus.

Narath nahm Lianna in solch galanter Art bei derHand, als ob er sie zu einem Ball geleiten würde.

»Komm, Cousine! Mein Volk wartet.«Liannas Gesicht war steinern und ausdruckslos. Sie

ging mit Narath hinaus auf den großen Balkon.Die anderen folgten, dabei hielten die vier Wachen

ihre Waffen auf Gordon und Shorr Kan gerichtet.

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Aber als sie draußen auf dem Balkon waren, wandtesich Narath um und sprach mit scharfem Ärger:

»Nicht neben mir, Cyn Cryver ... das ist mein Tri-umph. Bleibt zurück!«

Ein schiefes Lächeln überzog Cyn Cryvers Gesicht,aber er lächelte. Er und V'ril und die Wachen bliebenim hinteren Teil des Balkons.

Shorr Kan tat, wie wenn er sich ihnen anschließenwollte, aber Cyn Cryver schüttelte den Kopf. »Onein«, sagte er. »Behalte deinen Abstand, so daß wirdich ohne Gefahr für uns niederschießen können.«

Shorr Kan zuckte die Achseln und fiel zurück.Und nun hatte Narath Lianna bis zur Vorderseite

des Balkons geführt, und die weiße Sonne Fomalhautbrannte auf seine glitzernde Gestalt. Er hob die Hand.

Ein ungeheueres Gebrüll hob an. Von seinem Platzhinten auf dem Balkon konnte Gordon sehen, daß dasPalastgrundstück mit den grotesken Horden derNichtmenschen vollgestopft war: einer bebenden Seevon ihnen, die gegen die Mauern platschte und umdie Säulen der steinernen Könige herumwirbelte, aufdenen ledergeflügelte Kreaturen hockten undkreischten. Vermengt mit ihnen waren die wenigerzahlreichen Menschen, die die Uniformen der Mark-grafen trugen.

Er fragte sich, was Lianna denken mochte, als siehinaus auf diese brüllende Menge schaute. Niemandvon ihren eigenen Leuten war dort, die Menschenvon Hathyr City waren versprengt, hatten sich ver-steckt oder waren erschlagen worden. Und diemenschlichen und nichtmenschlichen Erobererschrien und jubelten, und die alten Könige von Fo-malhaut sahen mit unbeweglichen Gesichtern auf das

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Ende von all dem hinab, was sie erschaffen hatten.Wieder erhob Narath die Hand, und der brüllende

Jubel schwoll zu einem noch größeren Schreien alsvorher an. Er hatte den Gipfel seines Lebens erreicht,und die Nichtmenschen, deren fanatische Verehrunger gewonnen hatte, bewillkommneten ihn, und seineganze Haltung drückte seine Freude und seinen Stolzaus und seine große Liebe für dieses sein Volk.

Die Geräuschwelle erstarb, und Narath sagte:»Jetzt, Cousine.«

Lianna, die unbeugsam aufgerichtet dastand,sprach mit einer klaren, kalten Stimme, die Gordonkaum wiedererkannte: »Ich, Lianna, regierende Prin-zessin von Fomalhaut, trete jetzt meine Souveränitätab und erkenne und bestätige, daß die Souveränitätübergehen soll von mir auf ...«

Das feine Pfeifen kleiner Geschosse unterbrach sie,und da sah Gordon Cyn Cryver und seine Wachentaumeln und fallen, als winzige Atomkugeln in ihreKörper hineindrangen und dort aufflammten undFleisch und Kleidung schwärzten.

Gordon wirbelte herum. In dem ansonsten leerenSaal hinter dem Balkon standen Hull Burrel undKorkhann, und sie hielten die Waffen, die gerade ab-gefeuert worden waren und alle bis auf den H'Harnniedergemacht hatten. V'ril, der im letzten Augen-blick durch ein telepathisches Aufblitzen gewarntworden war, hatte sich rechtzeitig zur Seite geworfen,um auszuweichen.

Narath wandte sich ärgerlich um: »Was ...?«Korkhann feuerte, seine gelben Vogelaugen waren

scharf und erbarmungslos. Das winzige Geschoß fuhrtief in Naraths Seite ein.

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Narath schwankte, fiel aber nicht. Es schien, daß ersich weigerte zu fallen, sich weigerte, Tod und Nie-derlage zuzugeben. Er drehte sich mit einer fremdar-tigen königlichen Bewegung um, um die Menge un-ten anzusehen ... eine Menge, die nicht erkennenkonnte, was über ihr geschah. Er versuchte, den Armzu heben, und fiel dann vorwärts über die Balkon-brüstung und blieb dort hängen. Eine Stille begannsich über die Gärten und die Allee der Könige auszu-breiten.

Hull Burrel schrie plötzlich: »Nein!«Korkhann, dessen Augen jetzt glänzend und

fremdartig waren, schwang seine Waffe herum, sodaß sie auf den Antarier zeigte.

Gordon sah V'ril und wußte sofort, was geschah. Ersprang über die rauchenden Körper der Männer desStreitkolbens nach vorne. Er packte den verhülltenH'Harn zwischen seine Arme – und rannte vor undschleuderte ihn über die Brüstung, so rasch, bevor derdaran denken konnte, ihn zu stoppen. In den kurzenSekunden seines Falls verspürte Gordon eine mentaleKraft, die diesmal nicht gerichtet war, sondern nurwie ein instinktiver Reflex projiziert wurde. Sie wur-de mit schlagender Endgültigkeit hart abgeschnitten,und Gordon lächelte. Die H'Harn, so schien es,fürchteten wohl am meisten zu sterben.

Korkhann senkte seine Waffe, ohne geschossen zuhaben.

Unten war die Stille vollständig geworden, wiewenn jede Kehle den Atem anhielt, und die Mengestarrte hinauf zur glitzernden Gestalt Narath Teyns,die über die niedrige Brüstung gekrümmt war, seinbraunes Haar floß hinab, seine Arme waren ausge-

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streckt, als ob sie sich nach ihnen in einer Bitte umHilfe ausstreckten.

In diesem gefrorenen Augenblick handelte ShorrKan mit einer Schnelligkeit, die Gordon nie vergessensollte.

Shorr Kan eilte zur Balkonfront. Er warf seine Ar-me in einer wilden Geste gen Himmel, und er riefdieser betäubten Menge in der Lingua franca derNichtmenschen der Mark zu: »Die Grafen haben Na-rath Teyn getötet! Vergeltung!«

Gerrn und Andaxi und Qhallas und all die na-menlosen anderen, die nichtmenschlichen Gesichter,sahen hoch zu ihm. Und dann drang das Begreifen insie ein.

Narath war tot. Narath von Teyn, der, dem siedienten, dessen Banner sie gefolgt waren, war getötetworden. Ein Schrei des Zorns und der Trauer, der einHerz zum Stillstand bringen konnte, erhob sich vonihnen, ein vereinter Schrei aus all diesen Tausendenvon nichtmenschlichen Kehlen, die knurrten, zischtenund kreischten.

»Vergeltung für Narath! Tötet die Grafen!«Die Menge explodierte in Gewalttätigkeit. Die

Nichtmenschen fielen mit Fängen und Krallen, mitSchnäbeln und Klauen über die Männer der Markher, die einen Augenblick zuvor noch als Verbündeteneben ihnen gestanden waren.

Der Schrei der Trauer und der Vergeltung zog ausdem Palast hinaus und breitete sich aus, bis es schien,daß aus der ganzen Stadt Hathyr ein großes nicht-menschliches Brüllen kam.

Hull Burrel war nach vorne gelaufen, währendKorkhann immer noch ein wenig verstört von dem

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Angriff des H'Harn dastand, der ihn fast dazu ge-bracht hätte, seinen Kameraden zu töten.

»Hier entlang!« rief Hull. »Schnell! Sie werden nurin Minuten hier oben sein. Korkhann kennt alle ge-heimen Gänge im Palast, und deshalb haben wir unsretten können, als der Palast fiel. Beeilen Sie sich!«

Gordon nahm Lianna bei der Hand und lief mit ihrlos. Shorr Kan hielt sich noch lange genug auf, umWaffen von den toten Wachen aufzunehmen. Einedavon warf er Gordon zu. Er lachte in sich hinein.

»Das hat sie in Bewegung gesetzt, nicht? Sie sindnicht sehr helle, diese Nichtmenschlichen – verzeihenSie, Korkhann –, und sie haben herrlich reagiert.«

Ein scheinbar solider Teil der Wand an einer Seitedes großen Saals war aufgeschwungen worden undoffenbarte einen Gang. Sie drängten sich hindurch,und Shorr Kan schlug die Wandtäfelung hinter ihnenwieder zu.

Lianna schluchzte, doch Gordon achtete nicht aufsie. Er rief Korkhann zu: »Können Sie uns zumKommunikationszentrum bringen! Ich muß eineNachricht übermitteln ...«

Korkhann, der es nicht gewohnt war, gewalttätigzu sein, schien immer noch ein wenig verstört. »EineNachricht an die ... die Barone ...?«

»Eine Nachricht an Zarth Arn und die Reichsflot-te!« fiel ihm Gordon ins Wort. »Ich weiß, wo die Ar-mada der H'Harn ist, und ich muß diese Meldungdurchbringen!«

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Korkhann führte sie hinab auf engen, gewundenenWegen, die zwischen den Mauern des Palastes ver-borgen waren und nur durch gelegentliche Glühbir-nen mit dämmerigem Licht erhellt wurden. Erbrachte sie schließlich durch eine andere Geheimtürin einen langen Korridor.

»Das Kommunikationszentrum des Palastes«, sagteKorkhann, »die vierte Tür vorne.«

Niemand war in diesem Flur, und sie gingen ihnschnell entlang, Gordon und Shorr Kan an der Spitze.Nun konnten sie sogar durch die massiven Wändedes Palastes das wachsende Brüllen über ihnen hören.

»Die Horde ist im Palast«, sagte Korkhann. »Siewerden alle Männer der Grafen töten ...«

»Und uns auch, wenn sie uns finden«, meinte HullBurrel.

Sie rissen die vierte Tür auf. Dahinter war der gro-ße Raum, der mit den Geräten der galaxisweitenKommunikation angefüllt war. Sie eilten schnell hin-ein. Ein Mann, der die Uniform des Streitkolbenstrug, saß an der Kontrollbank, die er mit einer merk-würdigen Unsicherheit berührte. Hinter ihm standenzwei verhüllte H'Harn, diejenigen, die V'ril mit derBotschaft für die Flotte der H'Harn hierhergeschickthatte. Der Mann gefror mit den Händen mitten in derLuft. Die H'Harn drehten sich schnell um und star-ben, ohne die Bewegung vollendet zu haben.

Gordon richtete seine Waffe auf den in Schreckenversetzten Operateur. »Haben Sie die Botschaft an dieH'Harn bereits abgesandt?«

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Das Gesicht des Mannes war schweißverschmiert.Er sah hinunter auf die kleinen, grauen, zusammen-geschmolzenen Haufen und schauderte. »Ich habe esversucht. Aber sie benutzen andere Frequenzen ...Modulationen ... alle verschieden von unseren, unddas braucht Zeit. Sie haben mir gesagt, daß sie michübernehmen würden und mein Gehirn lädieren wür-den, wenn ich mich nicht beeilte, aber ich konntenicht ...«

Die dummen H'Harn machten ihrem Ruf mal wie-der alle Ehre, dachte Gordon. Gebrauchen alle ande-ren Wesen einfach als Werkzeuge und zerbrechen sie,wenn sie nicht sofort gehorchen.

Er wandte sich Hull Burrel zu. »Sie hatten Kontaktmit Zarth Arns Flotte, bis der Angriff kam. VersuchenSie, sie jetzt zu erreichen.«

Hull warf den Operateur aus dem Sessel und fingan, auf Knöpfe zu drücken und Feinkontrollen zudrehen.

Der Aufruhr im Palast über ihnen drang immerlauter zu ihrer Ebene durch. Shorr Kan schloß die Türdes Kommunikationszentrums und verriegelte sie.

»Sie werden möglicherweise hier herunterkom-men«, sagte er. »Aber das wird sie für eine Weile auf-halten.«

Gordon beobachtete schwitzend die Tür, bis Hullden Kontakt mit der Flotte hergestellt hatte. Teleste-reo war auf solche Distanzen nicht möglich, aberGordon konnte die Stimmen der Kommunikationsof-fiziere der Flotte hören, als sie bestätigten und Kanälebis zur Spitze freibahnten, und dann sprach dieStimme von Zarth Arn zu ihm.

»Gleich hinter dem Ende des Vela-Sporns«, sagte

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Gordon. »Dort liegt die Flotte der H'Harn. Sie habeneine neue Art von Radarschutz.« Er fuhr fort, jedenBrocken seiner Erinnerung aus dem kurzen Zeitab-schnitt zurückzurufen, als sein Geist mit dem V'rilsvereint war. »Ich weiß nicht«, schloß er, »ob selbstdas dir helfen wird, sie zu fassen, aber wenigstens istes etwas.«

»Ich sag dir, Gordon«, meinte Zarth Arn, »wirwerden es verdammt versuchen!«

Der Kontakt wurde im gleichen Augenblick unter-brochen.

Das war nun getan. Alles war getan, was sie tunkonnten. Sie sahen einander an und sagten nichts,und Gordon ging hinüber und nahm Lianna in seineArme.

Der Aufruhr im Palast war lauter und näher. Siekonnten hören, wie Türen eingeschlagen wurden. Dawaren kreischende und jaulende und bellende Stim-men, das Flattern von Flügeln und das Klappern vonrennenden Hufen, und alles kam immer näher.

»Es sieht mir so aus«, sagte Shorr Kan, »wie wennwir uns diesem heroischen Sterben nähern würden,auf dem du in solch morbider Art bestanden hast.« Erzuckte die Achseln. »Na gut. Wenigstens hat CynCryver seinen Teil bekommen. Ich hätte dem Mannseine Gaunereien vergeben können, aber – o Gott –was war er für ein Langweiler!«

Plötzlich drang ein neuer Ton durch den Palast. Eswar weniger ein Ton als ein tiefes Baß-Vibrieren, dasschnell stärker wurde und das ganze Gefüge des gro-ßen Gebäudes erzittern ließ, dann über ihren Köpfenvorbeizog und weg war.

Shorr Kans Augen blitzten. »Das war ein schwerer

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Schlachtkreuzer. Jetzt frage ich mich nur ...«Ein zweites mächtiges Schiff flog über den Palast,

erschütterte ihn, bis er zitterte, und dann kam eindrittes.

Da erschien auf dem Telestereo-Schirm das Bild ei-nes Mannes ... eines älteren Mannes mit hartem Ge-sicht und kalten Augen, der auf seinem Umhang dasflammende Emblem des Herkules-Sternhaufens trug.

»Baron Zu Rizal spricht«, begann er, sah dannLianna und sagte: »Hoheit, ich bin erfreut, daß Sieunversehrt sind!«

Shorr Kan hatte im selben Augenblick dem Teleste-reo den Rücken zugekehrt, eine Handlung, die Gor-don nicht im mindesten überraschte.

»Wir haben die Flotte der Grafen im Austrinus-Gebiet zerschmettert«, sagte Zu Rizal, »und wir sindnun über Hathyr mit unseren gesamten Streitkräftenund dem, was von der Fomalhaut-Flotte übrig ist. Ih-re Stadt ist offensichtlich von Naraths Horden besetzt... sollen wir sie vernichten?«

»Nein, warten Sie«, entgegnete Lianna. »NarathTeyn und Cyn Cryver sind tot, und ich denke ...«

Korkhann trat einen Schritt vor und sprach mit ihrmit leiser Stimme. Sie nickte und sprach dann wiederzu Zu Rizal: »Jetzt, wo Narath tot ist, denke ich, wirddie Horde auf ihre eigenen Welten zurückkehren,wenn sie wissen, daß nur Zerstörung ihre Alternativeist. Korkhann hat gesagt, daß er ihnen die Bedingun-gen darlegen will.«

»Sehr gut«, meinte Zu Rizal. »Wir werden in Be-reitschaft kreuzen, bis wir von Ihnen wieder hören.«

Das Bild verschwand, und erst jetzt drehte sichShorr Kan wieder um.

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Eine plötzliche Stille war über den Palast gefallen.Die großen Kriegsschiffe donnerten weiterhin überihnen, aber das Kreischen und Jaulen und Schreiender Horde war verklungen. Es schien, daß das Kom-men der Schiffe sie nach draußen hatte hasten lassen,wie wenn sie fühlten, daß der Palast eine möglicheFalle geworden war. Sie suchten freien Raum.

»Ich denke«, sagte Korkhann, »daß sie mir zuhörenwerden, weil ich auch nichtmenschlich bin.« Er deu-tete auf die Kommunikationstafel. »Geben Sie Befehlan die Offiziere der Transporter der Grafen, daß siesich bereitmachen sollen, diese Wesen aufzunehmenund sie zurück in die Mark zu bringen.«

Er setzte zum Gehen an, blieb dann noch für einenAugenblick stehen und sagte: »Noch eins, Hoheit. Ichbedaure es, mitteilen zu müssen, daß Abro beim An-griff auf den Palast getötet wurde.«

Gordon verspürte ein Gefühl des Verlusts. Abrohatte ihn zwar durchaus nicht gemocht, aber er hatteden Mann trotzdem geachtet.

Hull Burrel blieb mit seinem Ohr an dem Gerät, aufdessen Wellenlänge er mit der fernen Reichsflottekommuniziert hatte. Sein Gesicht war grau und vorAnspannung zerfurcht.

»Noch nichts«, sagte er. »Möglicherweise wird ei-nige Zeit nichts kommen.«

Falls überhaupt, dachte Gordon. Die H'Harn warenstark. Wenn sie zuerst zuschlagen sollten, aus ihremSchutz der Unsichtbarkeit heraus, und das Schiff zer-störten, das Zarth Arn und den Disruptor trug ...

Er zwang sich, nicht daran zu denken. Die Stundenvergingen, und die großen Schiffe donnerten über ih-nen, und Gordon und Lianna und Hull Burrel warte-

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ten. Irgendwann einmal bemerkte Gordon, daß ShorrKan still verschwunden war.

Viel später sollte Gordon die Geschichte davon erfah-ren, was jenseits des Randes der Galaxis geschah. Vonder Reichsflotte mit Zarth Arns Flaggschiff in ihrerVorhut, die auf den Vela-Sporn zuraste. Und davon,wie Zarth Arn die schreckliche Kraft des Disruptorsentfesselt hatte und nach und nach mit kalter Präzisi-on ein Raumgebiet eingeklammert hatte, wo nichts zusehen war – bis das Kontinuum selbst gekrümmt,verwunden und zerrissen wurde und alle Sterne ent-lang dem Rand in ihren Bahnen bebten und die Kraft,die die H'Harn-Flotte verborgen hatte, zerschlagenwar. Und immer noch führte der Disruptor seinenungeheueren, unsichtbaren Schlag, der jetzt unbeirr-bar auf die fliehenden Schiffe gerichtet war, bis dieFlotte der H'Harn für immer aus dem Universumverschwunden war.

Alles, was Gordon jetzt wußte, war, daß das dielängsten Stunden seines Lebens waren, bis die er-schütterte Stimme Zarth Arns durchkam.

»Es ist getan. Die H'Harn sind zerschmettert, undwas von ihnen übrig ist, das ist auf der Flucht zurückzur Kleinen Magellan'schen Wolke.«

Einen Augenblick lang konnte keiner von ihnensprechen. Dann murmelte Gordon, während er an dieWiderwärtigkeit jenes Wesens dachte, mit dem erkurz verschmolzen gewesen war, ein tiefempfunde-nes »Gott sei Dank!«

»Sie werden nicht wiederkommen!« Zarth ArnsStimme, die wegen der Ferne fadendünn klang, ent-hielt eine eiserne Entschlossenheit. »Wir werden eine

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Streitmacht aus allen Sternenkönigreichen zusam-menschließen, um hinter ihnen herzufliegen und sieauf jeder Welt zu zerschmettern, wo sie herrschen.«

Er fügte hinzu: »Gordon?«»Ja?«»Ich weiß jetzt, was du gemeint hast, als du mir ge-

sagt hast, wie der Gebrauch des Disruptors dich er-schüttert hat. Ich habe mein ganzes Leben alles überdieses Ding gewußt, aber ich habe es bis heute nieeingesetzt. Ich hoffe, ich muß es nie wieder.«

Als der Kontakt abgebrochen war, sahen sie einan-der an und waren dabei zu erschöpft, zu leer an Ge-fühlen, um noch viel zu empfinden. Die Erleichte-rung, die Freude, der Triumph ... all das würde späterkommen. In der Zwischenzeit war es schon genug,am Leben zu sein und zu wissen, daß die Hoffnungebenfalls lebte.

Lianna führte sie hinaus aus dem Raum, hinaufdurch die Gänge des Palastes, die jetzt alle leer waren.

Sie kamen hinaus auf den großen Balkon, und inihren Gesichtern war der diamantene Schein der Son-ne Fomalhaut, die sich zum Horizont hin senkte.Über die verwüstete Stadt warf sie ihre leuchtendenStrahlen hinab in die Straßen und überallhin, wo dieHorden auszogen, hinaus über die Ebene, wo dieTransporter warteten.

Die große Allee der Könige ging ein kleiner Truppvon Gerrn hinab, er entfernte sich vom Palast und liefnicht, sondern schritt langsam. Sie gingen abseits deranderen als eine Ehrenwache, und über dem Rückenihres riesigen Anführers lag der Körper eines Mannesin glitzernden Gewändern. Narath von Teyn kehrteheim.

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Vom Himmel rollte der gewaltige Donner herab,als die Barone ihre grimmige Patrouille fortsetzten.Und als sie hinaus über die vernarbte Stadt mit denverlorenen Rauchfahnen, die sich immer noch überihr erhoben, blickte, klammerten sich Liannas Fingerfester um die Gordons.

»Sie wird wieder leben«, sagte sie. »Die Menschenwerden zurückkommen, und du und ich werden ih-nen beim Aufbau helfen. Und – es ist nur ein geringerPreis, der für den Sieg über die H'Harn gezahlt wer-den mußte.«

Ein diskretes Husten war hinter ihnen. Sie wandtensich um und fanden Shorr Kan dort stehen und HullBurrels Stirnrunzeln ignorieren.

»Hoheit, ich bin froh, daß alles gut ausgegangenist«, sagte Shorr Kan sanft. »Sie werden zugeben, daßich von einiger Hilfe war.«

»Ich gebe zu, daß Ihr schnelles Schalten bei NarathsTod uns gerettet hat, ja«, meinte Lianna, wie wenndie Worte unwilligen Lippen entwunden wurden.

»Gut. Nun habe ich einen kleinen Gefallen, um denich bitten möchte.« Shorr Kan kam näher und sprachin einer vertraulichen Stimme. »Es sind die ver-dammten Barone, an die ich denken muß. Sie sind einunnachgiebiger Haufen, nicht so wie Sie und Gordon.Sie besitzen überhaupt kein Gefühl für Humor. Fallssie mich bekommen, werden sie mich binnen einerMinute aufhängen.«

Und er fügte hinzu: »Außerdem ist da noch JhalArn, der etwa genauso denkt. Er muß immer nochglauben, daß ich in die Ermordung seines Vatersverwickelt war, obwohl ich es nicht war – das waralles Corbulos Idee und dumm, wie Corbulos Ideen

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immer waren. Aber ich sollte jedenfalls darauf ach-ten, nicht in seine Hände zu fallen.«

Lianna sah ihn kalt an. »Ich verstehe Ihre Lage.Nun, was ist Ihr Gefallen?«

»Nun«, sagte Shorr Kan. »Sie werden sich erinnern,daß ich Obd Doll und den Rest der Mannschaft dieseskleinen Kreuzers überwältigt habe und wir sie hier-her gebracht haben? Ja. Obd Doll und seine Männersind tief in den Palastverliesen ... ein Glück für sie, dadie Horde nicht bis zu ihnen gelangen konnte. DerKreuzer ist immer noch im königlichen Raumhafen,und ich habe mich vergewissert, daß er unbeschädigtist.«

»Fahren Sie fort.«»Ich habe mit Obd Doll und seinen Männern ge-

sprochen. Sie sind ziemlich angewidert von demSchlamassel, in den Cyn Cryver sie mit seiner Ver-schwörung geführt hat. Sie würden gerne heimkeh-ren und auf ihrer Welt neu beginnen, unter neuerFührung ... gesunder, konservativer Führung.«

»Mit anderen Worten«, sagte Gordon ironisch,»unter Shorr Kans Führung.«

Er nickte. »Es hat sich tatsächlich so ergeben, daßsie nicht nur mir nicht mehr vorhalten, daß ich sie ge-fangengesetzt habe, sondern sie denken auch, daß ichgenau der Mann wäre, der die Dinge auf ihrer Welt inOrdnung bringen kann. Sie denken, daß ich ihr Volküberzeugen kann.«

»Fahren Sie fort«, sagte Lianna.»Der Gefallen, um den ich bitte, Hoheit, ist nur,

daß Sie mich Obd Doll und seine Männer in diesemKreuzer mitnehmen lassen und eine Anweisung andie Barone schicken – ohne mich natürlich zu erwäh-

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nen –, das Schiff durchzulassen.«»Damit Sie neue Unruhe in der Mark in Gang set-

zen können?« schrie Lianna. »Sie ...!«»Bitte, Hoheit!« sagte Shorr Kan und sah gequält

drein. »Ich habe all das jetzt hinter mir und bin einälterer und weiserer Mann geworden. Alles, was ichwill, ist ein kleiner Planet; auf dem ich in Frieden le-ben kann – nichts mehr.«

»O Herr!« rief Gordon aus. »Du solltest darausvielleicht eine Hymne machen!«

»Ich glaube«, sagte Lianna, »daß Sie auch in Zu-kunft ziemliche Unruhe anrichten werden, querdurch die ganze Mark, und ich werde es erleben, daßich diesen Tag bedauere. Aber ich bin eine Königin,und eine Schuld ist eine Schuld. Nehmen Sie IhreLeute und gehen Sie!«

Shorr Kan küßte ihr galant die Hand. Er schüttelteGordons Hand und wandte sich ab. Er hielt inne, alser sah, daß Hull Burrel ihn anstarrte. Er ging auf denAntarier zu und nahm ihn bei der Hand.

»Es ist hart, auf diese Weise zu scheiden, alterFreund«, sagte er. »Wir haben eine Menge zusammendurchgestanden, und ich weiß, wie Sie sich fühlenmüssen, wenn Sie mich gehen sehen.«

Hulls kupferfarbenes Gesicht lief violett an, und erfing an, unartikulierte, knurrende Töne von sich zugeben. Aber Shorr Kan knetete seine unwilligen Hän-de und meinte: »Versuchen Sie nicht, Ihre Trauerüber meinen Abschied auszudrücken, Hull. KeineTränen, alter Freund, keine Schwäche! Leben Siewohl!«

Er ging davon mit forschem Schritt, die Absätzeklickten auf dem Marmorfußboden. Gordon war, als

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er sich zu Lianna umwandte, erstaunt, ein halbes Lä-cheln auf ihrem Gesicht zu sehen.

»Zuletzt habe ich nun doch noch gesehen, was andiesem Teufel ist, das dich so anzieht«, meinte sie.»Man begegnet kaum jemals einem Menschen, derperfekt in allem ist ... aber Shorr Kan ist der perfekteGauner.«

Nach einer kurzen Weile flog ein kleiner Melde-kreuzer vom königlichen Raumhafen gen Himmel,und sie sahen ihn durch den flammenden Himmeldavonjagen.

Und die weiße Sonne ging unter.

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Zur Edition

Science Fiction wurde in ihrer Blütezeit in den USA –anders als bei uns – hauptsächlich in Magazinen ver-öffentlicht, erst später und bei einem größeren Erfolgwurde der Titel dann auch als Buch publiziert. So er-schien auch Edmond Hamiltons Roman The StarKings zunächst in »Amazing Stories« (September 1947)und wurde erst zwei Jahre später bei Frederick Fell,New York, in Buchform herausgegeben. Die erstedeutsche Ausgabe kam 1952 im Verlag GebrüderWeiss, Berlin, unter dem Titel Herrscher im Welten-raum heraus (übersetzt von Margarete Auer). Nach-dem der Roman anschließend noch 1965 bei Moewigin Heftform und 1973 bei Pabel als Taschenbuch instark gekürzter Fassung herauskam, liegt seit De-zember 1980 als Heyne-Taschenbuch 3774 erstmalsdie vollständige und nach heutigem Sprachverständ-nis vorgenommene Übersetzung unter dem Titel DieSternenkönige vor.

Da seit dem Erscheinen dieses Romans in den USAden Autor zahlreiche Nachfragen der Leser erreich-ten, wie die Handlung eine Fortsetzung findenkönnte, setzte sich Edmond Hamilton über andert-halb Jahrzehnte später wieder an diesen Stoff. In ein-zelnen Folgen erschienen in »Amazing Stories« die Se-quenzen Kingdom of the Stars (September 1964) undThe Shores of Infinity (April 1965), die auch gesammeltunter dem Titel An den Ufern der Unendlichkeit bei uns1968 als Utopia-Heft herauskamen (übersetzt vonHubert Straßl). Die beiden weiteren Viertel des vor-liegenden Romans wurden aber zunächst nicht in den

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USA veröffentlicht, sondern fanden erst Eingang ineine Gesamtausgabe beider Bände in Frankreich 1967unter dem Titel Les rois des étoiles & Retour aux étoilesbei Edition Opta, Paris (übersetzt von Frank Stra-schitz). Erst im Dezember 1968 erschien der dritte Teildes zweiten Bandes in »Fantastic SF« und im Mai 1969schließlich die letzte Folge wieder in »Amazing Sto-ries«. 1970 kam dann eine komplette Ausgabe der vierTeile des zweiten Bandes heraus: Return to the Starsbei Lancer Books, New York. Diese Ausgabe, dieschon etwas bearbeitet war, um die harten Übergängezwischen den Magazinfolgen abzumildern, aber auchgegenüber dem Originaltext zusätzlich leicht gekürztwar, wurde 1976 auch ins Deutsche von Lore Straßlübersetzt und erschien bei Pabel unter dem Titel IhreHeimat sind die Sterne, wobei diese Übersetzung imUmfang allerdings so stark beschnitten wurde, daßsie eher eine Nacherzählung der Handlung ist. Dievorliegende Neuübersetzung Rückkehr zu den Sternenist somit eine erstmals ungekürzte deutsche Fassung,die sich auf den amerikanischen Text der Lancer-Buchausgabe stützt, soweit Wiederholungen undBrüche der Magazinfolgen ausgeglichen und teilwei-se durch neugeschriebene Absätze ersetzt wurden(vermutlich vom Autor selbst), wohingegen bei vor-gefundenen Kürzungen die ursprünglichen Textpas-sagen, die nur in der französischen Ausgabe zu fin-den sind, vom Übersetzer berücksichtigt und wiedereingefügt worden sind.

Thomas Le Blanc