Institut für Traumapädagogik Berlin Zertifizierte Weiterbildung | Supervision
Trauma und Migration in pädagogischen Handlungsfeldern
Prof. Dr. David Zimmermann Humboldt-Universität zu Berlin
forum:a des BVkE, 22.02.2017
Fallskizze: Leyla, 5
Biografischer Hintergrund
Situation im Kindergarten
Emotionale Beteiligung
• syrischer Herkunft
• vor 6 Monaten nach Deutschland geflohen
• Schwester wurde vor ihren Augen erschossen
• Eltern sagen ihr, dass die Schwester noch lebe
• Mädchen wird hochgradig angespannt
• läuft ausdauernd in der Einrichtung umher
• kaum in den Gruppenalltag zu integrieren
• deutliche Unsicherheit
• Hilflosigkeit
• Nicht-Verstehen
Erfahrungswelten minderjähriger Flüchtlinge
• Heimat unfreiwillig verlassen
• Krieg & Verfolgung
• Armut
• Geschlechtsspezifik
• Ausgrenzung & Marginalisierung
• Familiäre Gründe
• Verlusterfahrungen
Erfahrungswelten minderjähriger Flüchtlinge
• Meist hoch unsichere Migration im engeren Sinn
• Extremste Formen der Abhängigkeiten
• Ausbeutung
• Kaum Überblick über die Abläufe
• Fast immer unsichere Aufenthaltssituation im Aufnahmeland
• Asylverfahren
• Duldung
• Ausgrenzung / Marginalisierung
Ressourcen und Belastungen
Organisation der Familie
Leistungsorientierung
Emotionale Verantwortungs-
übernahme
Emotionale Reife
Bürokratie
Schwierigkeiten der Trennung
Trauma
Wenn Belastungen kumulieren oder Extremerfahrungen dominieren…
Bewältigungs-möglichkeiten
Trauma
Wenn Belastungen kumulieren oder Extremerfahrungen dominieren…
Hilflosigkeit & Ohnmacht
Definition Trauma
• In den letzten 20 Jahren fast inflationärer Gebrauch
• Keine fachübergreifenden Definitionen
• Wichtigste Zugänge:
‣ psychiatrisch (ICD-10 / DSM-5 / Traumaentwicklungsstörung)
‣ psychoanalytisch
‣ neurowissenschaftlich
‣ pädagogisch
Psychiatrischer Zugang
Post-traumatische Belastungsstörung (PTBS / PTSD)
Traumaentwicklungsstörung
breite Symptomatik u.a. Aufmerksamkeit und Verhalten Beziehung zu sich selbst und anderen
Psychoanalytischer Zugang
Verlust von realen
Personen und
inneren Objekten
Psychoanalytischer Zugang
Verlust von realen
Personen und
inneren Objekten
Psychisch
überflutende
Erfahrung
Psychoanalytischer Zugang
Verlust von realen
Personen und
inneren Objekten
Psychisch
überflutende
Erfahrung
Abspaltung, Speicherung
im Unbewussten
Psychoanalytischer Zugang
Verlust von realen
Personen und
inneren Objekten
Psychisch
überflutende
Erfahrung
Abspaltung, Speicherung
im Unbewussten
Reinszenierung in neuen
Beziehungen
Pädagogik: Trauma als Beziehungsstörung
Traumatische Erfahrungen: singulär, kumulativ oder sequentiell
Kern des Traumas ist immer eine gestörte Beziehung (zu Erwachsenen).
Da sie nicht kognitiv verarbeitet werden kann, wird sie unbewusst in neuen Beziehungen (zu Erwachsenen) ausagiert.
Sequenz I: Vom Beginn der Verfolgung bis zur Flucht
Sequentielle Traumatisierung bei Geflüchteten
Sequenz I: Vom Beginn der Verfolgung bis zur Flucht
Sequenz II: Auf der Flucht
Sequentielle Traumatisierung bei Geflüchteten
Sequenz I: Vom Beginn der Verfolgung bis zur Flucht
Sequenz II: Auf der Flucht
Sequenz III: Übergang 1 – die Anfangszeit am Ankunftsort
Sequentielle Traumatisierung bei Geflüchteten
Sequenz I: Vom Beginn der Verfolgung bis zur Flucht
Sequenz II: Auf der Flucht
Sequenz III: Übergang 1 – die Anfangszeit am Ankunftsort
Sequenz IV: Chronifizierung der Vorläufigkeit
Sequentielle Traumatisierung bei Geflüchteten
Sequenz I: Vom Beginn der Verfolgung bis zur Flucht
Sequenz II: Auf der Flucht
Sequenz III: Übergang 1 – die Anfangszeit am Ankunftsort
Sequenz IV: Chronifizierung der Vorläufigkeit
Sequenz V: Übergang 2 – die Rückkehr
Sequentielle Traumatisierung bei Geflüchteten
Sequenz I: Vom Beginn der Verfolgung bis zur Flucht
Sequenz II: Auf der Flucht
Sequenz VI: Aus Flüchtlingen werden (Re-) Migrant_innen
Sequenz III: Übergang 1 – die Anfangszeit am Ankunftsort
Sequenz IV: Chronifizierung der Vorläufigkeit
Sequenz V: Übergang 2 – die Rückkehr
Sequentielle Traumatisierung bei Geflüchteten
Mögliche Erlebens- und Verhaltensweisen
Aggressive Reinszenierungen
Stark depressive Verhaltensweisen
hoch angepasst, „unterwürfig“
„Schwer zu erklärende“ Stimmungswechsel und Durchbrüche
Mögliche Erlebens- und Verhaltensweisen
Aggressive Reinszenierungen
Stark depressive Verhaltensweisen
hoch angepasst, „unterwürfig“
„Schwer zu erklärende“ Stimmungswechsel und Durchbrüche
Hohes Maß an emotionaler Belastung für alle Beteiligten
Mögliche Erlebens- und Verhaltensweisen
Aggressive Reinszenierungen
Stark depressive Verhaltensweisen
hoch angepasst, „unterwürfig“
„Schwer zu erklärende“ Stimmungswechsel und Durchbrüche
Hohes Maß an emotionaler Belastung für alle Beteiligten
Bedeutung des Verhaltens
Im Verhalten der Kinder und Jugendlichen zeigen
sich:
Die seelischen Verletzungen
der Vergangenheit
Die aktuellen Belastungen aus Familie, Peer-Group und Schule und sozialer
Situation
Die Wünsche an die
pädagogische Beziehung
Professionelle Beziehungsarbeit
Was ist der pädagogische Auftrag in der Arbeit mit
jungen Geflüchteten?
Professionelle Beziehungsarbeit
Was ist der pädagogische Auftrag in der Arbeit mit
jungen Geflüchteten?
Korrigierende
Beziehungserfahrung, die zu
neuen Verhaltensoptionen
und Lernmöglichkeiten
beiträgt
… was tun mit Leyla?
• Leyla ist noch auf der Flucht.
• Was sie tut, ist normal.
Haltung
• Bestärken, dass das Kind die Wahrheit erträgt.
• Interdisziplinäre Zusammenarbeit.
Elternarbeit • Was du siehst, ist
richtig.
• Du bist hier richtig.
Alltag
Wenn Sie mögen, tauschen Sie sich
gern mit Ihren Nachbar*innen aus.
Welche Erfahrungen mit
geflüchteten Kindern und
Jugendlichen bringen Sie mit?
Murmelrunde
Grundprinzipien traumapädagogischer
Arbeit
Reflexion Haltung Handeln
Pädagogische Reflexion von
Traumatisierung
Pädagogische Reflexion von
Traumatisierung
•Analyse des Zusammenhangs von:
Pädagogische Reflexion von
Traumatisierung
•Analyse des Zusammenhangs von:
Biografischer
und aktueller
Erfahrung &
Verhalten
Pädagogische Reflexion von
Traumatisierung
•Analyse des Zusammenhangs von:
Biografischer
und aktueller
Erfahrung &
Verhalten
Inneren
Erlebnismodi
inklusive
Perspektiv-
übernahme
Eigenen
Emotionen
Pädagogische Reflexion von
Traumatisierung
•Analyse des Zusammenhangs von:
Biografischer
und aktueller
Erfahrung &
Verhalten
Inneren
Erlebnismodi
inklusive
Perspektiv-
übernahme
Eigenen
Emotionen
Pädagogische Reflexion von
Traumatisierung
•Analyse des Zusammenhangs von:
Biografischer
und aktueller
Erfahrung &
Verhalten
Inneren
Erlebnismodi
inklusive
Perspektiv-
übernahme
Ableitung geeigneter Handlungmöglichkeiten
Pädagogische Haltung bei
Fachkräften
Die Kinder und Jugendlichen sind nicht
gestört, sondern sie reagieren normal
auf hoch gestörte lebensgeschichtliche
Erfahrungen.
Sichere Orte in der pädagogischen Arbeit
Beziehung vor
Methode.
Haltung vor
Handlung.
Verstehen vor
Agieren.
Unsicherheit
aushalten.
Methodenbereich I: Sicherheit
Raum: Übersichtlichkeit, Rückzugsmöglichkeit, Sprachfreiheit
(Wieder-) Wahrnehmung von Körperempfindungen
Selbstberuhigung: Sichere pädagogische Beziehungen
Verlässliche Strukturen Transparente Anwesenheiten Visualisierung von Abläufen Beziehung: Ausreichend gute Beziehungen,
planbare Trennungen
Methodenbereich II: Stabilität
Übergänge gestalten
• Bedeutung von Beziehung erkennen und anerkennen
• Trennungen sind unvermeidlich, Abbrüche sind
vermeidlich
• Vorbereitung von Trennung
• Übergänge betreffen gesamte Institution(en), nicht nur
unmittelbar verantwortliche Fachkräfte
Der emotionale Aspekt von
Übergängen
• Übergänge sind immer mit hoher emotionaler Beteiligung
verbunden
• sind diese Emotionen verbalisierbar zwischen den
Fachkräften sowie mit den jungen Geflüchteten, können sie
integriert werden
• werden sie tabuisiert, bleiben sie zutiefst bedrohlich
Mitwirkung bei der Gestaltung Mitwirkung bei Essensplanung und –zubereitung
neue Zugriffe auf das eigene Leben
und die Fähigkeiten mittelfristig: Psychoedukation
Methodenbereich III: Selbstwirksamkeit
Bedarfe von Fachkräften
Integration in das Team
Anerkennung der Leistungen
Flexibilität im Umgang mit Regeln
Besondere Notwendigkeit in der Arbeit mit potentiell traumatisierten Kindern und Jugendlichen
Spezifisch: Umgang mit Idealisierung und
“Goldenen Fantasien”
Supervision ist ein Teil von Professionalisierung, kein “Luxusgut”!
Supervision und kollegiale Fallberatung
Strukturelle
Verantwortungslosigkeit
Strukturelle
Verantwortungslosigkeit
Mängel in der Ausstattung, Personalschlüssel
Strukturell widersprüchliche Aufträge
Fehlende Entlastung für Fachkräfte
Strukturelle
Verantwortungslosigkeit
Mängel in der Ausstattung, Personalschlüssel
Strukturell widersprüchliche Aufträge
Fehlende Entlastung für Fachkräfte
Kein
Lösungsmodell
– Anerkennung,
keine
permanente
Überforderung
Was Fachkräfte noch brauchen…
Gutes
Essen…
Was Fachkräfte noch brauchen…
Gutes
Essen…
Schöne
Freizeitbe-
schäftigungen
Was Fachkräfte noch brauchen…
Gutes
Essen…
Schöne
Freizeitbe-
schäftigungen
Gute Freunde
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Fragen Anre-gungen Kritik