Download - politikorange Nah & fern
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november 2014 unabhängiges magazin zu den jugendmedientagen 2014herausgegeben von der jugendpresse deutschland e.v.
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Foto, Titelfoto: Kai Peters
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Liebe Leserinnen und Leser,wenn ihr dieses Heft aufschlagt, seid ihr schon wieder quer durch Deutschland ge-reist. Die kurzen Nächte auf den Turnhal-lenböden sind längst vorbei, das Schlaf-defizit ist wieder aufgeholt und vielleicht schon das nächste Praktikum in Sicht. Ihr habt leidenschaftlich Medien gemacht – die Jugendmedientage 2014 sind vorbei. Zwischen den Welten aus Multimedialität und Hyperlokalität hat die politikorange euch vier Tage begleitet, recherchiert, ge-filmt, gebloggt und getwittert, um euch mit Erinnerungen und Informationen zu versorgen. Währenddessen habt ihr den Medienkosmos mit eurer heimatlichen Welt vernetzt – Videos geteilt, Fotos ge-postet, Medienprofis getroffen und aus nächster Nähe in die Ferne geschaut: Wie verändert sich Journalismus in vernetzten ZwischenWelten?politikorange hat den Sprung aus dem mono- in den trimedialen Journa-lismus gewagt: In unserer Blog-, Vi-deo- und Printredaktion haben wir Tag und Nacht produziert. Schon während der Veranstaltung konntet ihr unter blog.politikorange.de Interviews lesen und Videos entdecken. In dieser gedruck-ten Ausgabe haben wir hinter QR-Codes zusätzliche Links versteckt.
Viel Spaß beim Lesen!Inka Philipp & Nil Idil Cakmak
In dieser Ausgabe verwenden wir nach Möglichkeit geschlechtersensible Sprache. In Interviews und direkten Zitaten wird der Wortlaut der zitierten Personen wie-dergegeben. Daher wird hier unter Um-ständen darauf verzichtet.
editorialGeGensätze zwischen welten wir leben in einer welt zwischen lokalen nach-richten, Globalen Prozessen und kulturellen GeGensätzen. welche scheinbaren realitäten dadurch entstehen, hat sich eleonora barTel GefraGt.
inhalt
»verlinkt« Weitere Beiträge findet ihrauf unserem Blog: blog.politikorange.de
»vermarktet« Warum sich JournalistInnen immer besser präsentieren müssen. Seite 13
»verwundert« Ein Gespräch mit Maija-Le-ne Rettig über die Sendung Karambolage. Seite 04
Eleonora Bartel23 Jahre, Dortmund
hat gelernt, dass unsere Medienwelten sich über-lagern und mit gewollten Wahrheiten überbieten.
Zwischen Migrationsgeschichte und Na-tionalkultur, Klischee und Erwartungs-
haltung, Fremdheit und Gemeinsamkeit, globalem und lokalem Journalismus, Verant-wortung und Political-Correctness-Scheren im Kopf, Abgrenzung und Ausgrenzung, Vielfalt und Rassismus: Menschen aus ver-schiedensten Ländern, mit den unterschied-lichsten Kulturen, Traditionen, Werten und politischen Systemen sollten wir mit Neugier und Verständnis begegnen – soweit die The-orie. Doch was passiert im Alltag? In unserer Welt finden Kriege statt und werden von den Medien nicht thematisiert. PolitikerInnen diskutieren über die politische Korrektheit des Begriffs „Sinti und Roma“, was deren soziale Situation nicht verbessert, sondern diese Menschen vergegenständlicht.
brücken Für Weltbilder
Sind Medien Lückenfüller dieser Zwischen-welten? Oder bauen sie Brücken und eröff-nen Welten? Medien können kultursensible Vermittler von Weltbildern sein, die inten-dierte Wahrheiten anderer Welten einbin-den und transportieren. Beim Aufeinander-prallen von Welten können neue Horizonte entdeckt werden. Medienschaffende können als Grenzgänger jedes Missverständnis dazu nutzen, um Aufklärungsarbeit für einen of-feneren Umgang im kulturellen Miteinander zu leisten, das die Welten verbindet. „Zwi-schenwelten heißt für mich, sich aufge-schlossen und neugierig zwischen Kulturen zu bewegen. Ich bewege mich zwischen vielen Welten: Als Berufspendler zwischen Zuhause und Arbeitsort. Aus Liebe zu Irland
regelmäßig zwischen Deutschland und der grünen Insel. Wegen meiner Herkunft zwi-schen Großstadt und Provinz“, thematisiert Christiane Scholz von der Jugendpresse Deutschland die Mobilität unserer Generati-on.
medien geben vielFalt daS Wort
Die Vielfalt an technischen Möglichkeiten in der Medienlandschaft zeigt die Zukunft unserer multikulturellen Gesellschaft an. Welche Regeln der Zwischenweltlichkeit in sozialen, politischen oder virtuellen Welten müssen wir in unserem Miteinander beach-ten? Was wird in der Vermittlung der ver-schiedenen Weltbilder verkauft? Der Schritt von Wahrheiten zu Klischees ist kein großer. Wenn Leben und Erfahrungen der Menschen zunehmend von der Medialisierung geprägt sind, wird Pressefreiheit dann auf der ganzen Welt praktiziert? Das sind Fragen, die wir uns in der heutigen, vernetzten Welt stellen sollten.
kulturmittler brücke: sie eröffnet Welten der vielfalt und chancen. Foto: Kai Peters
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Foto: Kai Peters, Montage: Paul ramisch
Maija-Lene Rettig, geboren 1962 im fin-nischen Tampere, studierte Kunst, Ang-listik und Erziehungswissenschaften in Bielefeld. Nach Stationen an verschie-denen Filmschulen arbeitet sie heute in Paris als Redakteurin für das deutsch-französische arte-Magazin Karambolage.
zur perSon
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der GeGenstand. die fraGe. das ritual. die themen bei karambolaGe sind so bunt wie ihre animationen – die auf niveauvolle art deutschland und frankreich Gerne mal auf den arm nehmen. Yvonne Hein & adrian arab sPrachen mit redakteurin maija-lene rettiG.
»unSer anliegen iSt eS, intelligenteS FernSehen zu machen.«
Frau rettig, Wie kamen Sie zu karambolage?
1996, als ich Claire Doutriaux kennenlernte, drehte sie zusammen mit Paul Ouazan ein Dokumentarmagazin, bei dem ich als Pro-duktionsassistentin arbeitete. Vornehmlich war meine Aufgabe die Bildrecherche. Auch danach arbeitete ich gemeinsam mit Claire immer wieder an verschiedenen Sendungen für arte, jedoch auch an eigenen Filmen. Der letzte Film, der auch bei arte lief, hieß „Mein Zimmer unterm Dach". Direkt danach fing ich dann an, für Karambolage zu arbeiten.
zunächSt haben Sie angliStik Studiert. Wie kamen Sie letzt-lich zu einem deutSch-Fran-zöSiSchen Sender?
Ursprünglich wollte ich Französisch studie-ren. Das ging in dieser Kombination in Biele-feld aber nicht, da ich den Studienplatz über ein Losverfahren bekam. Naiverweise dach-te ich mir, ich könnte nur Kunst studieren und musste mich dementsprechend schnell entscheiden. Ich überlegte mir, Englisch ist auch eine schöne Sprache und so kam es dann letztendlich zu meinem Studium. Nach Frankreich kam ich dann, als ich erfuhr, dass das Deutsch-Französische Jugendwerk auch Stipendien für Filmemacher und Filmema-cherinnen vergibt. Mit meinem Filmprojekt „Herbstblumen" habe mich dann für das sechsmonatige Stipendium in Paris bewor-ben, welches ich auch bekam. Meine Zeit in Paris waren aber ziemlich harte Jahre mit vielen Jobs, die finanziell gerade zum Über-leben reichten.
Welche idee verFolgt karam-bolage?
Die Hauptidee kam von Claire, die selbst 16 Jahre in Deutschland gelebt hat. In dieser
Zeit sind ihr als Französin viele amüsante und komische Dinge aufgefallen. Ihr langer Wunsch war, dazu irgendwann einen Film zu machen. Um das Jahr 2000 herum kam ihr dann die Idee, wie man ein solches Projekt umsetzen könnte, ohne Gefahr zu laufen, in Stereotype und Klischees abzurutschen. Das Geheimnis von Karambolage ist, dass man immer von einem ganz konkreten Detail des Alltags ausgeht. Ein Anliegen von Claire ist, den Franzosen Deutschland auf eine Art und Weise näherzubringen, die nicht dem ty-pischen Bild des Deutschen entspricht. Für viele Franzosen ist Deutschland immer noch dunkel und humorlos, wird oft mit der Farbe braun assoziiert. Dort möchte Karambolage gegenhalten. Auch wenn es vielleicht darauf hinausläuft, ist das Ziel von Karambolage aber nicht zwingend, Vorurteile abzubauen, sondern viel mehr den Dingen auf den Grund zu gehen, die uns im jeweils anderen Land verwundern. Daraus schöpfen wir unsere Ideen und Themen. Die besten Stücke sind einfach die, die auf eigene Erfahrungen und Erlebnisse zurückgehen.
daS thema der Jugendme-dientage iSt „zWiSchen-Welten“. auch karambolage beSchäFtigt Sich mit zWei Welten – der deutSchen und der FranzöSiSchen. Welche Funktion erFüllt die Sendung in hinblick auF die deutSch-FranzöSiSche FreundSchaFt?
Eine sehr wichtige. Jedoch nicht, weil wir es als unsere Aufgabe sehen, Franzosen und Deutsche miteinander zu versöhnen, sondern weil wir mit dem Finger auf die Unterschiede zeigen wollen: Was uns unter-scheidet, was Missverständnisse hervorruft, Reibungen oder eben auch „Karambolagen“. Der Ansatz ist also kein völkerverbindender.
Unser Anliegen ist es, intelligentes Fernsehen zu machen, das auch Humor und Spott er-laubt.
hat daS FranzöSiSche publi-kum andere anSprüche an intelligenteS FernSehen alS daS deutSche?
Mittlerweile nicht mehr, nein. Heutzutage gibt es keinen Unterschied mehr, nein.
in den medien gibt eS einen Ständigen Wandel zum bei-Spiel bei den trendS der darStellung. kann karambo-lage den Wandel mitmachen, ohne die grundidee oder die zuSchauer zu verlieren?
Ich denke, Karambolage kann nur über-leben, wenn wir weiterhin unseren an-spruchsvollen Stil halten. Aber mittlerweile ist es ja nicht mehr nur das Fernsehen. Un-sere Webseite hat eine immer größer wer-dende Bedeutung, gerade für junge Leute, die sich die Sendung eher online anschauen als Sonntagabend um 19:30 Uhr vor dem Fernseher.
Yvonne Hein24 Jahre, Marburg Adrian Arab17 Jahre, Bonn
wissen jetzt, was ohne Internet alles schiefgehen kann.
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auf auGenhöhe in den letzten jahren sind im rahmen der diGitalen revolution Ganz neue informationsquellen entstanden. welche auswirkunGen hat diese neue öffentlichkeit auf traditionelle massenmedien? JoHannes Kolb über eine neue, fünfte Gewalt.
K ommunizieren in eine Richtung? Nee!“ Diese Zeile rappt Michi Beck von den
Fantastischen Vier im Song „Lass sehen" auf dem Jubiläumsalbum „Rekord" – und trifft damit den Zeitgeist. Im Netz wird jeder Bei-trag direkt geteilt, geliked, kommentiert, ge-hated. Früher hatten JournalistInnen eine Art Monopol in der Meinungsbildung: Wer seine Sicht der Dinge einbringen wollte, musste einen Leserbrief verfassen, zur Post bringen und auf eine Veröffentlichung hoffen. Viel Arbeit. Heute erfolgt Rückmeldung beinah in Echtzeit, das hat den Journalismus massiv verändert. Medien sind zwar nach wie vor die vierte Gewalt und als solche Prüf- und Infor-mationsorgan für Legislative, Judikative und Exekutive. Sie werden heute aber wiederum von mündigeren LeserInnen, ZuhörerInnen und ZuschauerInnen kontrolliert. Nicht sel-ten sind die KommentarschreiberInnen sehr gut in einem Themengebiet informiert und können wertvolle Zusatzinformationen zu Beiträgen liefern.
blogger und JournaliSten, ein gegenSatz?
JournalistInnen sind sich bewusst, dass zu ihren Rechercheergebnissen fast unmittelbar nach Veröffentlichung Feedback kommt - das motiviert im Idealfall zu noch hartnäckigerer Recherche. Und sorgt so für besseren Journa-lismus. Niemand möchte einen Shitstorm im Internet erleben, nur weil schlampig recher-chiert wurde.MediennutzerInnen sind durch das Inter-net zu einer Art fünften Gewalt geworden
- nicht nur durch die Kommentarfunktion. Jeder kann einen Blog gründen und seine Mitmenschen informieren, ohne dabei auf einschränkende journalistische Kriterien wie allgemeines Interesse oder Aktualität Rück-sicht nehmen zu müssen. BloggerInnen sind freier als JournalistInnen. Die Möglichkeiten des Internets greifen auch PolitikerInnen dankend auf: Es ist viel einfacher, die Öffent-lichkeit selbst mit Neuigkeiten aus der Ge-setzgebung zu füttern, als den Umweg über Medienvertreter zu nehmen. Dazu kann man seine eigene Meinung ungefiltert verbreiten. Der damalige Bundesumweltminister Peter Altmaier twitterte noch während der Debatte über den neuen Bundespräsidenten: „Gauck ist der Beweis, dass es uns ernst war mit ge-meinsamem Kandidat." Kein Journalist kann mit diesem Tempo mithalten. Trotzdem sind Qualitätsmedien nach wie vor wichtig, denn Hintergründe und Einordnung von Themen spielen nach wie vor eine große Rolle. Fiona Weber-Steinhaus vom Magazin Neon bestä-tigt das: „Auch wenn einige Blogger sehr gut arbeiten, glaube ich eher Qualitätsmedien wie zum Beispiel dem Spiegel, weil die viele Prüfinstanzen haben. Das Zwei-Quellen-Prinzip und Einholen einer Gegenmeinung sind mir ganz wichtig, denn jedes Thema hat zwei Seiten.“
Die Macht der traditionellen Massen-medien hat sich verändert, sagt Rudolf Por-sch von der Axel Springer Akademie: „Die Frage ist allerdings, ob sie sich qualitativ ver-ändert hat. Sie hat sich auf jeden Fall stärker ausdifferenziert und ist in eine andere Form gegangen.“
auS konFrontation Wurde ein interaktiver dialog
Mit Ausnahme des „Tatorts“ gibt es kaum noch Formate, die über Generationen- und soziale Grenzen hinweg konsumiert werden. Das hat zur Folge, dass große Medienhäuser nicht mehr so stark entscheiden, über wel-che Themen gesprochen wird. „Früher kon-frontierten Medien ihre Nutzer mit Themen und Meinungen, heute findet ein interaktiver Dialog statt", so Porsch. Diese Entwicklung ist nicht nur eine Bereicherung für Medien-nutzerInnen, sondern auch für den Journa-lismus selbst. „Der Leserkontakt ist direkter und öffentlicher geworden“, so Fiona Weber-Steinhaus. Unzählige kreative und dyna-mische Entwicklungen im Internet haben die etablierten Massenmedien dazu gezwungen, sich neu zu orientieren und diese Entwick-lung gefördert. Letztlich tut uns das allen gut: Die Kommunikation läuft nicht mehr ausschließlich in eine Richtung!
Johannes Kolb19 Jahre, Tübingen
hat gelernt, nicht auf das andauernde Krisengejammer zu hören: Man kann es tat-sächlich in den Journalismus schaffen.
Foto: Kai PetersSchau mir in die augen: medien dürfen die öffentliche meinung nicht aus dem blick verlieren.
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eine GratwanderunG kaum ein bereich in den medien ist so berüchtiGt wie der enthüllunGsjournalismus. adrian arab beschäftiGte sich mit der fraGe, wann das modell der informationsfreiheit an seine Grenzen stösst.
Geschichten von den jmt knaPP 300 teilneh-mer, vier taGe zeit, sPannende erleb-nisse: ideal für die investiGative recherche. vanes-sa reiber hat einiGe hiGhliGhts notiert.
E dward Snowden ist ein bekanntes Beispiel, Julian Assange ein weiteres: In immer kür-
zeren Abständen veröffentlichen sogenannte Whistleblower Informationen, die von ihren jeweiligen Regierungen als geheim eingestuft sind. Dabei sind die InformantInnen in vielen Fällen selbst in die Fälle verstrickt, die sie auf-decken. Denn es sind ihre Arbeitsplätze, etwa bei Geheimdiensten oder Regierungsbehörden, die ihnen den Zugang zu den Informationen erst ermöglichen. Nach den Enthüllungen flüchten die Whistleblower oftmals in andere Länder, denn sie befürchten rechtliche Verfolgung in ihrer Heimat. Die Verbreitung der Enthüllungen machen dann oftmals erst die Medien möglich - so berichtete etwa die Washington Post als eine der ersten Zeitungen überhaupt von den Ent-hüllungen des US-Amerikaners Snowden und machte die unangenehmen Bekenntnisse einem Millionenpublikum zugänglich.
enthüllungen Sorgen Für beWunderung und unmut
In Deutschland sorgen solche Enthüllungen im-mer wieder für Bewunderung. So forderte etwa die Sprecherin für internationale Beziehungen der Linken, Sevim Dagdelen, „die Nominie-rungen für mutige Whistleblower für den Frie-densnobelpreis“. In den USA hingegen hinter-fragte selbst die Bevölkerung die Enthüllungen des WikiLeaks-Gründers Julian Assange kri-tisch. Dies ging so weit, dass einzelne Todesdro-hungen ausgerufen wurden und Assange von Bob Beckel, Moderator des US-Senders FOX, als „Verräter“ bezeichnet wurde.
Auch die Enthüllungen rund um den NSA-Skandal werfen die Frage auf, ob einzelne Ak-tivistInnen nicht primär kommerzielle Ziele verfolgen. Die Position der amerikanischen Re-gierung zu den Enthüllungen ist eindeutig. Als „Geldmacherei“ bezeichnet US-Generalkonsul Kevin C. Milas das Verhalten von Snowden. Da-bei befänden sich Medien und Whistleblower in einer Art Symbiose, in der beide voneinander profitieren.
Hier wird auch die Macht der Medien deutlich. Nicht umsonst werden diese mitunter als die vierte Gewalt im Staat bezeichnet. Das Problem für Milas ergibt sich bei diesem Mo-dell aus der fehlenden Legitimation: Die Me-dien seien niemand gegenüber verantwortlich, erklärt Mila. Damit wirft er die Frage auf, ob die Medien überhaupt eine Analogie zu den ver-bleibenden drei Staatsgewalten bilden können. Für Matthias Bannert, Redakteur der Bild, ist die Antwort auf diese Frage eindeutig: „Ich finde es wichtig, dass es ein weiteres Kollektiv gibt, das nicht durch Wahlen legitimiert ist." Denn für
Bannert entwickeln sich die Medien aus der Ge-sellschaft heraus, sie müssen also kontinuierlich zuverlässig arbeiten, um gekauft und gelesen zu werden.
berichterStattung kennt grenzen
Sowohl Milas als auch Bannert sind sich in dem Punkt einig, dass Medien über ein enormes Machtpotenzial verfügen. Für umso wichtiger halten sie es, diese Stärke dosiert einzusetzen. Hier müssen sich JournalistInnen mitunter Ge-wissensfragen stellen, besonders wenn es um den Schutz bestimmter Personengruppen geht. Bannert empfiehlt hier folgendes Faktum im Hinterkopf zu behalten: InformantInnen in ih-rer Heimat können selbst dann negative Konse-quenzen davontragen, wenn der/die berichten-de JournalistIn den Ort des Geschehens schon lange verlassen hat. Hier gilt es Sorge zu tragen, dass JournalistInnen ihre Quellen so auswählen und nutzen, dass die InformantInnen keinen Schaden nehmen sollten.
Aus diesem Grund ist für Milas Medien-zensur dann berechtigt, wenn Dritte, beispiels-weise SoldatInnen, in Gefahr geraten könnten. Hierbei ist ein prominentes Beispiel die US-Bürgerin Chelsea Manning, die vor ihrer Ge-schlechtsumwandlung als Bradley Manning den US-Streitkräften diente: Sie nutzte ihre Position als IT-Expertin dazu, geheime Informationen über die Plattform WikiLeaks zu verbreiten. Auch wenn die Veröffentlichung letztlich erfolg-reich war, musste sich Manning einem Prozess stellen. Nicht nur weil sie Geheimhaltungsver-träge gebrochen, sondern in den Augen der US-Regierung auch Menschenleben in Gefahr gebracht hatte.
Marina im Telefonat mit ihrer Mutter: „Boah, dieses Rind-
fleisch! Es ist so zart, es ist so fein. Du hast es auf der Zunge und es zergeht. Das kannst du dir gar nicht vorstellen. Das könnte auch die Oma mit ihrem Gebiss essen.“ Neben ihr entdeckt Jasper das Buffet: „Bur-ger hätten es auch getan.“ Nathalie dazu: „Also mein Highlight ist bis-her das Buffet.“
Henry: „Ich frage mich, wann die Leute anfangen zu stinken. Viele sehen, dass es Gruppenduschen gibt und tun so, als wollten sie mit ihrem Handtuch und Duschbad un-term Arm nur zum Händewaschen.“ Veronika: „Hast du denn ge-duscht?“
Johanna: „Also in den Mädchendu-schen wird mehr als nur geduscht. Da es nur zwei Abflüsse gibt, stand alles unter Wasser und es gab eine Riesenwasserschlacht in der Du-sche.“
Aliena: „In der Turnhalle gab es keinen Mülleimer. Da haben wir einen aus einem Basketballkorb gebastelt.“ Lisa: „Könnt ihr auch Steckdosen basteln? Die sind in der Turnhalle auch Mangelware!“ Tom: „Dazu kann ich nur sagen: wer ex-terne Handyakkus dabei hat, ist klar im Vorteil.“
Eigentlich wollten sie zur Frankfur-ter Rundschau, doch eine Gruppe landete zunächst in der Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zei-tung, wo sie freundlich begrüßt wurde und es sich erstmal gemüt-lich machte. Beim zweiten Versuch landete sie bei der Frankfurter Neuen Presse. Mit einer knappen Stunde Verspätung schaffte sie es dann endlich in die richtige Re-daktion. Ein Teilnehmer dazu: „Ich will wieder zur FAZ, da gab es Saft.“
Adrian Arab17 Jahre, Bonn
hat enthüllt, dass es bei den Jugendmedientagen Kaffee in rauen Mengen gibt.
videobericht über kevin c. milaS
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schreckGesPenst lokaljournalismus schlechter mitmachjournalismus oder ernstzunehmende arbeit? mit der fraGe, wie es um den lokaljournalismus steht und wie sein imaGe aufzuwerten ist, setzten sich nil idil caKMaK & vanessa reiber auseinander.
T aubenzüchtervereine, Landfrauen, die Kuchen backen und Schützenfeste sind
Stichworte, die man bei der Frage nach dem Lokaljournalismus sofort im Kopf hat. Pensionierte Oberstudienräte, frustrierte Hausfrauen und der Vereinsvorsitzende des Sportvereins – jeder darf das Käseblatt mit-gestalten. Wichtige Ankündigungen wie der wöchentliche Bingonachmittag im Gemein-dehaus und die nächste Kräuterwanderung dürfen neben gestellten Bildern oder Sym-bolfotos nicht fehlen. Den schlecht bezahl-ten JournalistInnen fehlt es an Zeit und Motivation, Redaktionsräume werden nur ungern verlassen. Die Meinungen der drei ortsansässigen PolitikerInnen bekommt man schließlich auch bequem per Telefon. Da-nach werden noch ein paar Wortungetüme wie „B-Plan“, „Giebelhöhe“ oder „Außen-ordnungssatzung“ in den Artikel eingebaut, damit LeserInnen auch bloß nicht zu Ende lesen.
mehr alS terminankündigungen
Oberflächlich betrachtet mögen diese Vorur-teile stimmen. Allerdings ist der Lokaljourna-lismus gerade deshalb wichtig, weil er die di-rekte Umwelt abbildet und von Geschichten erzählt, die die BürgerInnen berühren. Gera-de Geschichten über den Baum des Jahres 2014 oder Kaninchenzüchtervereine findet Jessica Schober von Wortwalz bedeutend. Sie ist davon überzeugt, dass gerade solche
Geschichten spannend seien. Schober plä-diert für den Lokaljournalismus, der uns an die Menschen heranführt und vielfältig ist. „Du kannst den Menschen am Frühstück-stisch Geschichten erzählen, die vor ihrer Haustür passieren“, berichtet sie begeistert.
Trotzdem hält sich das Klischee, dass in Lokalredaktionen nur langweilige Texte nach Schema F produziert werden, hartnäckig. Dabei kann Lokaljournalismus viel mehr als das: „Über guten Lokaljournalismus muss eine Stadt reden. Lokale Medien haben die große Chance, dass eine Stadt, ein Dorf, eine Region ins Gespräch kommt“, sagt Oliver Hollenstein, Hamburger Lokalredakteur bei der Zeit. Dadurch erfüllt Lokaljournalismus eine wichtige Funktion: Als meinungsbilden-des Medium können durch ihn öffentliche Debatten moderiert und kultiviert werden.
lokalJournaliSmuS 2.0
Taucht man weiter in die Tiefen des Lokal-journalismus ein, verlieren die populären Kli-schees noch mehr an Berechtigung. Hyper-lokale Onlineprojekte wie Zoom Berlin oder Hamburg Mittendrin, die über Ereignisse in bestimmten Bezirken berichten, sind gefragt wie nie. Matthias Bannert von Zoom Berlin fragte sich im Juni 2012, als das Projekt noch in den Kinderschuhen steckte: „Wie kann man den Lokaljournalismus neu erfinden?“ Das hyperlokale Projekt stieß auf positive Resonanz: Die Geschichten seien zeitlos und das Feedback komme direkt von der Straße.
Berichtet wird von werdenden Müttern, Ate-liers und steigenden Mieten - eben über alles, was die Menschen in der Oranienstraße inte-ressiert und bewegt.
Neben innovativen Ideen brauchen Lo-kaljournalistInnen Mut, um weiter zu beste-hen, denn sie müssen ehrlich und kritisch berichten. Besonders in kleinen Orten sind sie stark abhängig von ihren Informations-quellen und somit auch schnell der Gefahr ausgesetzt, diese bei unangemessener Be-richterstattung zu verlieren. Ein Bürgermei-ster beispielsweise, der am Vortag scharf kritisiert wurde, kann für die nächsten Ar-tikel die Antworten verweigern, da negative Presse seinem politischen Ruf schadet. Somit sind die LokalredakteurInnen dem täglichen Balanceakt zwischen kritischer Berichterstat-tung und der Nähe zu Themen, die sie um-geben, ausgesetzt.
Nil Idil Cakmak25 Jahre, LyonVanessa Reiber20 Jahre, Bremen
wissen jetzt, dass man Ver-längerungssteckdosen nicht überstrapazieren darf.
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Nil Idil Cakmak25 Jahre, LyonInka Philipp25 Jahre, Karlsruhe
haben #Twitter zu schätzen gelernt.
mehr farbe durch hyPerlokalität lokaler als lokal zu sein bezeichnet trendforscher max cel-ko als neuschaffunG der wirklichkeit. welche wirklichkeiten medienmacher in deutschland Geschaffen haben, fanden nil idil caKMaK & inKa PHiliPP für euch heraus.
E in Beispiel eines hyperlokalen Journalis-musprojektes ist Zoom Berlin, das 2012
von SchülerInnen der Axel Springer Akademie konzipiert und verwirklicht wurde. Matthias Bannert, Bild-Redakteur in Los Angeles, war selbst daran beteiligt und geht sogar noch ei-nen Schritt weiter: Er bezeichnet das Projekt als „hyperhyperlokal“, da es sich allein auf die Oranienstraße in Berlin bezieht. Herausforde-rungen stellten für das Team vor allem die zwi-schenmenschlichen Beziehungen im Projekt, wie neue Hierarchien und Erfolgsdruck, dar. Dass ein offenes Miteinander und eine gute Crew wichtig sind, weiß auch Henry Lührs, der für das Hamburger Magazin Mittendrin als frei-er Redakteur tätig ist. Dem Bezirk Hamburg-Mitte hatte es bislang an einem Stadtteilma-gazin gefehlt, das zeigt besonders der positive Widerhall aus der Bevölkerung: Bis zu 3.000 LeserInnen erreiche Mittendrin laut Lührs pro Tag. Mit der App „Call-a-Journalist“ beweist es zudem einen innovativen Geist – per Click kön-nen RedakteurInnen an Orte des Geschehens gerufen und so auf berichtenswerte Ereignisse aufmerksam gemacht werden.
„Hyperlokale Projekte sind sehr wichtig, weil sie eine andere Farbe in die Medienwelt einbringen“, erklärt Bannert. Damit auch ihr in eurem Heimatort eine solche Plattform schaf-fen könnt, haben wir bei den Profis fünf Tipps für euch gesammelt:
1ort: Die Nebenstraße mit fünf Häusern ist ungeeignet. Suche dir einen Ort, an dem du dich auskennst und der
Geschichten erzählt.
2team: Ohne MitstreiterInnen läuft gar nichts. Denn ein starker Zusammen-halt und eine gute Kommunikation
sind das A und O.
3auFgaben: Keiner von uns kann alles alleine stemmen, darum lotet eure Talente aus und werdet zu ExpertInnen auf
diesem Gebiet.
4themen: Niemand interessiert sich für die ver-kommene Banane in eurer Tasche. Außer der Affe, der aus dem Zoo
ausgebrochen ist, hat sie euch vorbeigebracht.
5Support: Wenn das Taschengeld oder der Rest des BAföG nicht reichen, sucht nach Menschen, die hinter euch stehen
und ein bisschen mehr auf dem Konto haben.
FruchtFleiSch zwischen welchen Welten stehst du?
philip oppenlaender, 17 Jahre herne
zWischen meiner heimat in NoRDRHEIN-WESTFALEN UND
fernWeh.
»nrW & FernWeh«
anne pammler, 20 JahremittWeida
ZWISCHEN DEN RADIo-, VERANSTALTUNGSTECHNIK-
und traumWelten.
»arbeit & traum«
robert borgS, 22 Jahre mannheim
zWischen herz und kopf. ich FILME UNGLAUBLICH GERNE,
muss damit aber auch lang-sam mal geld verdienen.
»herz & kopF«
Foto
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vorsicht vor schwarz-weiss-malerei rassismus in den medien hat viele Gesichter: einiGe journalisten berichten über ihn, andere erfahren ihn am eiGe-nen leib. eleonora barTel & Yvonne Hein haben diese komPlexe thematik näher betrachtet.
E inem Journalisten passiert es recht schnell, dass er Probleme mit einem
politischen Lager bekommt“, erklärt René Wappler, Redakteur der Lausitzer Rund-schau. „Lügenpresse" lautet der Vorwurf, wenn er kritisch und nicht im Sinne der ExtremistInnen berichtet. Anlass dazu war ein Artikel über Rechtsextremismus in sei-ner Stadt, Spremberg. Eine Reaktion aus der
Szene kam sofort: Am nächsten Tag war das Redaktionsgebäude mit rechten Parolen, In-nereien und Blut von Tieren beschmiert. Für Wappler hat es Folgen, wenn er über Rechts-extremismus berichtet. Die AktivistInnen kamen bis in die Redaktion, wollten Einfluss auf die Berichterstattung ausüben, beleidi-gten die JournalistInnen und bedrohten sie sogar. Regelmäßig kommt es zu Wiederse-hen vor Gericht, doch die rechtsextreme Sze-ne gibt nicht auf.
berichterStattung über die rechte Szene
Viele Zeitungen berichten gar nicht über rechtsextreme Vorfälle und wenn, nur kurz und knapp. Mehr eine Faktensammlung, bloß keine Wertung, bloß keine Kritik. Es sei oft die Angst, die RedakteurInnen hindere, ins Detail zu gehen und die Auffassung, dass eine fundierte Berichterstattung rech-te Aktivitäten verstärken könne. Letzteres sei besonders zu Beginn der 90er Jahre der Hauptgrund gewesen, rechtsextreme The-
men außen vor zu lassen, berichtet Wappler. „Doch das hat sich als Trugschluss heraus-gestellt, denn obwohl viele Medien damals diese Strategie verfolgten, wurde die rechte Szene aggressiver“, erklärt er weiter. Aber der Grat zwischen innerer Überzeugung und objektiver Berichterstattung ist genauso schmal wie die der Kluft zwischen Konser-vatismus und Rechtspopulismus.
Das Verwischen der Grenzen ist auch auf an-deren Wegen im Journalismus erfahrbar. „Wir lesen fast täglich Rechtspopulistisches in der Zeitung und nehme es kaum wahr“, erläutert Enes Elma. „‚Der 43-jährige Täter erstach sei-ne Freundin‘ oder ‚Der Mann türkischer Her-kunft erstach seine Freundin‘. Sehen Sie den Unterschied?“, fragt sie. Negatives über Mi-grantInnen würde auch länger von der Pres-se behandelt werden als Positives, behauptet Elma und bringt das Thema „Ehrenmord" als Beispiel an. Besonders Rassismus sei stark verbreitet, dazu zähle auch die Reproduktion von Klischees. Passend hierzu ist die Studie des Sachverstän-digenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration von 2013. Das Bild von Mus-li-mInnen sei „eher negativ“ oder „viel zu nega-tiv“ behaftet, gaben 70 % der 9.200 befragten Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte an. Diese Umfrage stützt ein Bericht der Or-ganisation für wirtschaftliche Zusammenar-beit und Entwicklung (OECD), nach dem die Integrationspolitik im Einwanderungsland Deutschland als einengend bezeichnet wurde.
der umgang mit kliScheeS
„Klassifizieren und Kategorisieren sind jour-nalistische Tätigkeiten. Dank dieser können LeserInnen und ZuhörerInnen unsere Beiträge verstehen. Wir sind besonders in der Gefahr Rassismus zu befördern, ohne es zu wollen“, erklärt Rudolf Porsch, stellvertretender Direk-tor der Axel Springer Akademie. Klischees seien Erwartungshaltungen und böten Sicher-heit. Sie seien vergleichbar mit dem Bild der Begegnung mit einem Löwen, bei dem man sich des Klischees der möglichen Gefahr be-dienen würde. Die Reproduktion von nega-tiven Bildern über MuslimInnen sei allerdings eine klare Diskriminierung. Es werden Welt-bilder produziert, die einer Aufteilung in west-liche, christliche, östliche sowie orientalische Welten folgen. Diese Bilder können sich zu Stereotypen gegen verschiedene Volksgrup-pen entwickeln und somit zu gefestigten Kli-schees werden. Als JournalistIn zu lernen mit diesen Klischees umzugehen und trotzdem der Aufgabe der Trennung wichtiger und unwichtiger Infor-mation gerecht zu werden, ist schwierig. Die freie Journalistin Kübra Gümüsay bemängelt: „Über verfestigte Darstellungen von margina-lisierten Gruppen hat es bisher keine ausrei-chende Reflektion von Journalisten gegeben, die ihre Meinung als die Norm empfanden“. Mehr Menschen mit Migrationsgeschichte in der Branche würden bestimmte Inhalte verän-dern, weil sie andere Lebensrealitäten in per-sona mitbrächten, vermutet Hadija Haruna, Redakteurin bei YouFM. Und die Zeit-Politik-redakteurin Özlem Topçu stellt fest: „Journa-listen sind keine Gleichstellungsbeauftragten. Uns hat dieser Migrationshintergrund geprägt, politisiert und vielleicht zum Journalismus gebracht. Wir wollten selbst über uns schrei-ben, anstatt über uns schreiben zu lassen.“
Eleonora Bartel23 Jahre, DortmundYvonne Hein24 Jahre, Marburg
haben gelernt, wie wichtig Kultursensibilität sein kann.
Foto: moemoe, jugendfotos.de, cc-lizenzraSSiSmuS: NUR STEREoTyPE, DIE MAN üBERSTREICHEN KANN?
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der journalist als marke viele medienmenschen sind vollProfis darin, sich selbst zu Präsentieren - besonders im internet. JoHannes Kolb findet das Gut.
M ein Haus, mein Auto, mein Boot, mein Workload." Das ist das Schema, nach
dem ManagerInnen klischeehaft ihr Tur-boleben beschreiben wollen. Das Pendant für JournalistInnen ist: „Mein Schreibstil, meine Kreativität, meine Unverwechselbar-keit, mein Kaffeekonsum.“ Das ist in unserer Branche auch bitter nötig, denn ohne ein ge-wisses Maß an narzisstischer Selbstdarstel-lung hinterlässt man im Journalismus, gera-de online, keine Spuren. Auf die Gefahr hin, dass erfahrene KollegenInnen mich müde lächelnd berichtigen: Der Beruf des Journa-listen ist von einer schillernden und stellen-weise glamourösen Aura umgeben. Ist das nicht der Grund, warum wir alle unbedingt in die Medien wollen?
Harald Martenstein, der berühmte und omnipräsente Kolumnist der Zeit, hat es ge-schafft, sich seit Jahren ein unverwechsel-bares Image aufzubauen, die „Marke“ Mar-tenstein ist vom Zeit-Magazin nicht mehr
wegzudenken. Gemeinsam mit seinem Kol-legen Axel Hacke beim SZ-Magazin ist er in Deutschland die Instanz in puncto Kolumne. So einen Status kann man nicht ohne beharr-liche Arbeit am eigenen Profil erreichen.
digitale identität
Durch die digitale Revolution sind zahlreiche Möglichkeiten zur Interaktion zwischen RedakteurInnen und Usern möglich gewor-den. Dazu braucht es ein gewisses Maß an Selbstvermarktung: Blogs, Facebook, Goo-gle+ oder Twitter bringen JournalistInnen näher an ihre Zielgruppe. Dort gibt es Zu-satzinfos zu der Person hinter dem Beitrag, AutorInnenen können sich im Internet ein unverwechselbares Profil schaffen. Das ist unabdingbar geworden, wie Rudolf Porsch, stellvertretender Direktor der Axel Springer Akademie, erklärt: „Zum Berufsstand des Journalismus gehört ein sehr ausgewach-
senes Maß an Narzissmus, Eitelkeit und Willen zur Selbstdarstellung. Die Bedeutung eines Artikels steigt mit dem Markenwert des Journalisten, von daher ist es ein dringendes Gebot, dass man sich in unserer Branche ein klares und konstantes Profil zulegt.“
„Ich wollte einen Weg finden, die Fragen zu stellen, die man sich sonst nicht traut zu stellen oder auf die keiner kommt“, sagt Tilo Jung, Krautreporter und Modera-tor des YouTube-Formats Jung & Naiv. Wenn ihm eine Antwort zu unkonkret ist, bohrt er nach. „Wa-rum?“ ist wohl seine am häufigsten gestellte Frage. Tilo lässt sich nicht verbiegen, er duzt alle seine Gäste und führt seine Gespräche ohne Notizen. Wie das ankommt, ist ihm egal. Er macht, was ihm Spaß macht und probiert sich aus. Meistens macht er irgendwas mit Medi-en, so war er schon als Schüler als freier Lokalreporter in seiner Heimat in Mecklenburg-Vorpommern unterwegs. Dabei hat er stets nur über Dinge geschrieben, die ihn interessiert haben. Was nach Jung & Naiv kommt, weiß er noch nicht. „Ich höre irgend-wann auf, wenn ich keine Lust mehr habe“, meint Tilo. Vanessa Reiber
Ein schwarzer Hut, eine blauka-rierte Bluse, ein Rucksack und ein offenes Lächeln zeigen, dass Jour-nalismus nicht viel braucht – au-ßer Mut und Ideen. Inspiriert von einer Bäckergesellin auf der Walz tippelt Jessica Schober seit August 2014 durch die deutsche Redakti-onslandschaft, um mehr über das Geschichtenerzählen zu lernen. Die Journalistenschule München legte für sie den Grundstein der Ausbildung zur Journalistin. Nun möchte sie in „verschiedenen Meisterbetrie-ben“ ihr Profil vervollständigen. In ihrem einmaligen Projekt, der Wortwalz, begibt sie sich dabei auf eine mediale Entwicklungsreise: Ihr Steckenpferd ist der Lokaljourna-lismus. Dort kann sie ganz nah an den Menschen gehen und sich auch journalistisch ausprobieren, denn für Jessica dient der Jour-nalismus als Alibi für die eigene Neugier.Nil Idil Cakmak
Johannes Kolb19 Jahre, Tübingen
hat gelernt, dass es in der Neon tatsächlich eine Vorga-be für nackte Frauen gibt.
tilo Jung JeSSica Schober
DER BÜCHNERDER BÜCHNERHitler:Streng Geheim
ZWEIMAL WÄHLENFÜR MEHR DEMOKRATIE
WOCHENZEITUNG FÜR POLITIK WIRTSCHAFT WISSEN UND KULTUR
Kai WIR SIND
MÄNNER BRAUCHEN BÄRTE
HIPSTERFUSSI: 1:1
TOLLEWERBUNG
Foto: Kai P
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Foto: Kai P
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rudolF porSch über SelbStvermarktung
illustrationen: Paul ramisch
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S lammerin und „Muslimerin“ Betül Demir [1] sitzt nach eigenen Angaben hauptbe-
ruflich an ihrem BAföG-Antrag und hat Zu-kunftsperspektiven als Hasspredigerin.
"mit kopFtuch&ShoulderS Schäumt eS am beSten!"
„Ich hasse es allgemein glücklich wirken zu müssen, um nicht unterdrückt zu wirken. Ich hasse es, wenn mich Menschen fragen, ob ich mit Kopftuch bade und es auch noch glauben, wenn ich antworte: ‘Äh, ja! Mit Kopftuch&Shoulders schäumt es am besten!‘ Und es gibt ein Wort, das ich am meisten hasse: Integration. Man wird gefragt: ‘Fühlst du dich eher deutsch oder türkisch?‘ Viele würden antworten: ‘Wie fühlt man sich als Ganz-Deutscher oder Bio-Deutscher?‘ Wir sollten einsehen, dass wir beides reden, beides verstehen und – viel wichtiger – beides fühlen.“
Farnaz Nasiriamini [3] slammt über „Das Lächeln“ und die Menschenwürde.
„Gib mir dein Lächeln, denke ich. Ja, Mona-Lisa ist einzigartig! Sollte nicht jeder von uns genau so wertvoll behandelt wer-den? Müsste nicht jeder von uns auch einen
Tresor um sein Herz tragen? Einen Tresor, der uns vor allen Übeln der Welt schützt und un-antastbar erscheinen lässt, der uns wie ein unsichtbares Medaillon Würde verleiht. Ein Gemälde, das nicht umarmen kann, ist wert-voller als ein Flüchtling. Man sagt, Kapitalis-mus ist Egoismus zum Systemabo. Einzigar-tig? Wertvoll? Nachdenklich stand das junge Mädchen vor der Mona-Lisa. Diese Frau ist mehr wert.“
Hager Ali [4] streikt im „Reality Check“ mit der Bahn mit: „Meistens sind es Dialoge wie: ‚Worauf spezialisierst du dich so in dei-nem Studium?‘– ‚Also mich interessieren Me-dien, politische Partizipation, …‘ – ‚Das ist ja so mutig von dir, dass du so gegen die Un-terdrückung deiner Familie einsetzt!‘ – ‚Äh, ja.. sie zahlen das Studium... also...‘ Das Pro-blem ist eher bei denen zu verorten, die den Fortschritt nicht mitbekommen haben oder diesen nicht wahrhaben wollen: ‚Ja, genau! Ich denke …!‘ – ‚Oh, Gott! Sie denkt! Ketze-rei!‘ – ‚Sie sind doch nicht von hier, oder?‘ – ‚Äh, doch.‘ – ‚Nein, nein! Woher kommen Sie?‘ – ‚Aus Frankfurt!‘ – ‚Nein, nein, nein! Woher kommen Sie?‘ – ‚AUS FRANK-FURT!‘ – ‚Sie müssen doch nicht gleich so unfreund-lich werden. Ich meine, wenn’s Ihnen nicht
passt, können Sie wieder dahin zurückge-hen, wo Sie herkamen.‘– ‚Würd ich gerne! Leider fahren die Bahnen nicht.‘“
Systemkritiker „Rapper Vincent“ [5] strebt nach Erkenntnis: „Sie suchen die Schuld beim System, obwohl schuldig nur der Mensch ist. Was uns zeigt, dass jeder auf der Suche nach sich selbst ist. Ich hab eigentlich eh die Scheiße satt, doch bin durstig nach Erkenntnis. Ja, ich weiß, und wahrscheinlich wird man älter und wahr-scheinlich übernimmt man dann die Mei-nung seiner Eltern. Oder findet sich selber und hört auf mit diesen Fragen. Hört auf, auf eine Antwort, die man glauben kann zu war-ten. Denn zu viel Tugend und Moral ist mir vor Ort vorbestimmt, ich bin zu Höherem bestimmt – flüstert so ‘ne Stimme in mir, die etwas nach Größenwahn klingt.“
reaktionen deS publikumS
Hannah Fleckenstein [2]: „Bio-Deutsche!“Pascal Ertl [6]: „Mitten in die Fresse!“Jil Blume [7]: „Politische Meinungen poe-tisch äußern – das verdient Respekt.“
wir bedanken uns bei unseren druckPartnern:
von „bio-deutschen“, würde und Grössenwahn während die lokführer die juGendmedientaGe bestreikten, bestritten slammer die bühne des Poetry slams zum thema toleranz. ausGewählte eindrücke, Protokolliert von eleonora barTel
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Fotos: Kai P
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videobeitrag zum poetry Slam
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Diese Ausgabe von politikorange entstand während der Jugendme-dientage 2014, die vom 6. bis 9. November 2014 am Frankfurt am Main stattfanden.
herausgeber:politikorange Jugendpresse Deutschland e.V.Alt-Moabit 89, 10559 Berlinwww.politikorange.de
chefredaktion (v.i.S.d.p.):Inka Philipp ([email protected]), Nil Idil Cakmak ([email protected])
redaktion:Adrian Arab, Eleonora Bartel, Johannes Kolb, Paul Ramisch, Vanessa Reiber, yvonne Hein
bildredaktion:Kai Peters ([email protected])
layout:Paul Ramisch ([email protected])
videoredaktion:Cagdas yüksel, Niklas Faralisch
projektleitung:Viktoria Hahn ([email protected])Tino Höfert ([email protected])
druck:Strube Druck & Medien oHGIm oberen Weidig 6, 98631 Queienfeld
Auflage: 1.000 Exemplare
P rintmagazine, Blog und Vi-deos: politikorange erreicht
sein Publikum über viele Ka-näle und steht neuen Wegen offen gegenüber. Junge, krea-tive Köpfe berichten in wech-selnden Redaktionsteams aus einer frischen Perspektive. Ob aktuelle Themen aus Politik und Gesellschaft oder die kri-tische Begleitung von Veran-staltungen – politikorange ist mittendrin.
politikorange – daS multimedium
politikorange wurde 2002 als Veranstaltungszeitung ins Leben gerufen. Rund 130 Ausgaben wurden seither produziert. Seit Anfang an gehören Kongresse, Festivals, Parteitage und Events zum Programm. 2004 kamen Themenhefte hinzu, die aktu-elle Fragen aus einer jugend-lichen Sichtweise betrachten. 2009 nahm politikorange Video und Blog ins Portfolio auf und präsentiert spannende Beiträge unter den Labels politikorange TV und blog.politikorange.de.
Wo kann ich politikorange leSen?
Gedruckte Ausgaben werden direkt auf Veranstaltungen und über die Landesverbände der Jugendpresse Deutschland e.V. verteilt. Im Online-Archiv auf politikorange.de können digi-talisierte Magazine durchge-blättert und Videos aufgerufen werden. Printausgaben können kostenlos nachbestellt werden – natürlich nur, solange der Vor-rat reicht. Für das Stöbern auf dem Blog genügt der Aufruf von blog.politikorange.de.
Warum eigentlich politikorange?
Welchen Blick haben Jugendli-che auf Politik und gesellschaft-liche Veränderungen? politiko-range bietet jungen Menschen zwischen 16 und 26 Jahren eine Plattform für Meinungs-austausch und den Ausbau ei-gener Fähigkeiten. Engagement und Begeisterung sind die Grundpfeiler für journalistisch anspruchsvolle Ergebnisse aus
jugendlicher Perspektive. Frei nach dem Motto: frisch, fruch-tig, selbstgepresst.
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JUGENDMEDIENTAGE 14selfie + gruppenbild + photoshop = po-redaktion Foto: Zeno F. Pensky, Montage: Kai Peters