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Die Oxidation des wenig reaktivenMethans (Abbildung 1), so dachteman früher, erfordert molekularenSauerstoff. Seit langem sind Bakte-rien bekannt, die Methan unterVerwendung von Sauerstoff alsentsprechend starkem Oxidations-mittel über die ZwischenstufenMethanol, Formaldehyd und Amei-sensäure zu CO2 oxidieren. Ob-wohl sich bereits aus theoreti-schen Überlegungen ergebenhatte, dass außer Sauerstoff auchandere Substanzen als Oxidations-mittel in Frage kommen könnten,wurden erst spät Organismen ge-funden, die Methan auf anaerobemWege, d.h. in Abwesenheit vonSauerstoff, oxidieren. Dies gelingtunter anderem Organismenge-meinschaften, so genannten Kon-sortien, aus Methanosarcinales (Ar-

chaeen) und sulfatreduzierendenBakterien: Die Sulfatreduzierer oxi-dieren molekularen Wasserstoffmit Sulfat als Elektronenakzeptorund halten dadurch die Wasser-stoffkonzentration so niedrig, dasssich die anaerobe Methanoxida-tion (CH4 + 2 H2O → 4 H2 + CO2)energetisch lohnt. Lebensgemein-schaften dieser Art könnten reprä-sentativ für frühe Ökosysteme aufder Erde sein und verdienen daherein besonderes Interesse.

Jetzt wurde ein weiterer Stoff-wechselweg gefunden, der dieanaerobe Oxidation von Methanan die Oxidation von Nitrit zu N2

koppelt [1]. Zunächst wurden An-reicherungskulturen aus verschie-denen Süßgewässern gewonnen,bei denen die Methanoxidation aneinen Denitrifikationsprozess ge-koppelt war. Dass es eine solcheKopplung gibt, war bereits be-kannt und im Gegensatz zu denoben beschriebenen Konsortienkonnte bereits gezeigt werden,dass in diesem Fall der Prozess nurvon den Bakterien ohne Hilfe vonArchaeen durchgeführt wird [2].Es bestand auch kein Zweifel, dassein solcher Prozess grundsätzlichthermodynamisch möglich ist,aber es blieb unklar, wie in diesemFall die Aktivierung des Methanserfolgt.

Von den Anreicherungskultu-ren wurden zwei als „Twente“ und„Ooji“ bezeichnete Kulturen ge-nauer untersucht. Beide Kulturenwurden zu 70–80 % von derselbenBakterienart (identifiziert anhandder 16S-rRNA-Sequenz) dominiert,für die der Name „Candidatus Me-

thylomirabilis oxyfera“ vorgeschla-gen wurde. Mit Hilfe neuer Hoch-durchsatz-Sequenziertechnikenkonnte das Metagenom, d.h. dieGesamtheit aller in den Kulturenvorhandenen Sequenzen, ermitteltwerden. Aus diesem Metagenomgelang es, das zirkuläre Genomvon „M.oxyfera“ zu rekonstruie-ren. Dabei zeigte sich, dass demBakterium offensichtlich die Genefür den letzten Schritt des Denitri-fizierungsprozesses (Nitrat → Ni-trit → NO → N2O → N2, Abbil-dung 2 a), d.h. die Bildung vonmolekularem Stickstoff aus N2Ofehlen. Eine weitere Überraschungwar, dass das Genom der auf ihreFähigkeit zur anaeroben Methano-xiadation hin isolierten Bakterienalle Enzyme für die aerobe Me-thanoxidation (Abbildung 2b) co-dierte. Es konnte sogar gezeigtwerden, dass diese Gene unteranaeroben Bedingen exprimiertwerden!

Mit Hilfe von radioaktiv mar-kierten Isotopen gelang es, Ein-blick in diesen auf den ersten Blickverwickelten Stoffwechselweg zugewinnen (siehe Abbildung 2c):Nitrit wird wahrscheinlich zuStickstoffmonoxid (NO) abgebaut,anschließend werden zwei Mole-küle NO durch eine noch nichtidentifizierte NO-Dismutase zu N2

und O2 umgewandelt („intra-aero-be Denitrifikation“). Der gebildeteSauerstoff wird dann sofort zurMethanoxidation verbraucht, diewahrscheinlich nach dem klassi-schen Schema für die aerobeMethanoxidation abläuft. Die lautGenomsequenz vorhandene undauch exprimierte NO-Reduktase(sonst verantwortlich für die Um-wandlung von NO zu N2O) spieltanders als bei anderen denitrifizie-renden Organismen wahrschein-lich keine Rolle für diesen Prozessund könnte eine Entgiftungsreak-tion übernehmen. Weshalb „M.oxyfera“ kein Nitrat verwertenkann, obwohl er zumindest alleGene für die membrangebundeneNitratreduktase (narGHJI), die für

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Der vierte Weg der Methanoxidation Wie entsteht auf biologischem Weg Sauerstoff? Doch wohl durch die(oxygene) Photosynthese – aber nicht nur! Weitere Prozesse, die zurSauerstoffbildung führen, sind die Chloratatmung sowie die Entgif-tung reaktiver Sauerstoffspezies. Jetzt wurde noch ein vierter Prozessgefunden, der eine große Bedeutung für die Geochemie und die Evolu-tion haben könnte.

A B B . 1 Das geruchslose Gas Me-than – hier als 3D-Modell – kommtvielfältig vor und wird auf der Erdeständig neu gebildet, so beispiels-weise bei biologischen und geologi-schen Prozessen. Auf der Erde wer-den schätzungsweise jährlich 600Millionen Tonnen Methan emittiert.

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die Umwandlung von Nitrat zu Ni-trit verantwortlich ist, besitzt,bleibt unklar.

Durch die düngungsintensiveLandwirtschaft und die dadurch er-folgende Eutrophierung vieler Ge-wässer spielen Nitrit und Nitratheute eine große Rolle als Elektro-nenakzeptoren in Süßgewässern.Welche Wechselwirkungen sichdaraus in Verbindung mit einer Eu-trophierung der Atmosphäre mitMethan ergeben, ist bislang kaumverstanden. Die Entdeckung einesnitritabhängigen Methanoxidiererskann daher wesentlich zum Ver-ständnis dieser Prozesse beitragen.Da es Stickoxide darüber hinausbereits auf der frühen Erde gab,

könnte auf diese Weise be-reits Sauerstoff entstandensein, bevor sich die oxygenePhotosynthese entwickelt hat.Schließlich muss diese intra-aerobe Denitrifikation nichtzwingend mit der Methanoxi-dation gekoppelt sein. Auchheute noch könnte sie daherein wichtiger Faktor im Stick-stoffkreislauf sein.

[1] K. F. Ettwig et al., Nature 2010,464, 543–548.

[2] K. F. Ettwig et al., Environ. Micro-biol. 2008, 10, 3164–3173.

Johannes Sander, Halver

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NO3- NO2

- NO N2O

CH4

O2

CH3OH CH2O HCOOH CO2

NO2- NO

O2

N2

CH4

CH3 2

a)

b)

c)

N2

COOH

ABB. 2 Stoffwechselwege: a) Schritte der Denitrifizierung. Bei derDenitrifikation werden die beim Katabolismus anfallenden Elek-tronen nicht wie bei der Atmung auf Sauerstoff, sondern auf Nitratübertragen. Daher wird hierbei auch von „anaerober Atmung“ ge-sprochen. b) Schritte der aeroben Methanoxidation, c) vermutli-cher Stoffwechselweg von „M. oxyfera“. Die genaue Stöchiometriewurde nicht beachtet. Abbildung verändert nach [1].

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Biologie auf der BühneDarstellende Methoden werden in der Biologiedidaktik seit langemeingesetzt. Insbesondere Rollen- und Planspiele erfreuen sich großerBeliebtheit, wenn es um die Erarbeitung und Verdeutlichung von Kon-fliktsituationen geht.

Der Vorteil dieser Form der metho-dischen Aufarbeitung von Unter-richtsinhalten ist, dass hierbei ne-ben dem biologischen Fachwissenauch Kompetenzbereiche wie Be-wertung, Kommunikation und Er-kenntnisgewinnung im wahrstenSinne des Wortes ins Spiel kom-men. Allerdings stehen bei solchenMethoden ästhetische Aspekte imHintergrund: Der schauspieleri-sche Aspekt (Choreographie, Kon-text u. a.) ist schon aus zeitlichenGründen dem fachlichen Aspektuntergeordnet.

In der Biologiedidaktik an derUniversität Kassel soll jetzt ein Pro-jekt entwickelt werden, das Thea-terspielen und Biologiedidaktikmiteinander verbindet. Entstandenist diese Idee aus unserer Erfah-rung mit einer Kinderuni-Vorle-sung zum Thema „Evolution des

Menschen“, die von einem Teamvon Lehramtsstudierenden mitHilfe von selbsterstellten Masken,Kulissen und Lichttechnik für Kin-der zwischen 8 und 12 Jahren dar-gestellt wurde (siehe Abbildung).Der große Erfolg dieser Veranstal-tung – sie wurde auch außerhalbdes universitären Rahmens vonverschiedenen Gemeinden der Re-gion Kassel gebucht – ermutigteuns, hier methodisch weiterzuar-beiten. Geplant ist ein Gemein-schaftsprojekt zwischen der Biolo-giedidaktik, der Sportwissenschaftund der Theaterpädagogik desKasseler Staatstheaters mit demZiel, mit Lehramtsstudierendenund Schülern ein biologischesTheaterprojekt auf die Beine zustellen. Ein mögliches Thema wäredie Proteinbiosynthese, aber auchdiverse Aspekte zur Evolution las-

sen sich verwirklichen. In den re-gelmäßig stattfindenden Semina-ren zur Evolutionsbiologie wurdenverschiedene Themen (beispiels-weise Endosymbiose) für kleineTheaterprojekte benutzt.

Claudia Wulff, Universität Kassel

A B B . Der Schimpanse Schippo diente bei den KasselerAufführungen als Gesprächspartner und Identifikations-figur.


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