(Aus dem Allgemeinen Pa~hologisehen Institut der kSnigl.-ungar. PAzms P~ter-Universit~t Budapest.)

Die Wirkung der Blutdruckzfigler auf die Zuekerresorption aus dem Darm.

Von G. V. Lt~d~ny.

Mit 2 Textabbildungen.

(Eingegangen am 14. Junl 19.40.)

Die Untersuchungen yon Luddny mit Jourdan 1 zeigten, dab bei der l~gelung der Darmzottenbewegung neben den lokalen und hormonalen Effekten gut definierbare Wirkungen seitens des vegetativen Nerven- systems bestehen. Aus den Versuehsresultaten ging hervor, dab der Vagus und Splanchnicus auf die Zottenmuskulatur in entgegengesetzter l~iehtung wirken, wie auf die Museularisschicht des Dfinndarmes. Sehw/~chere Vagusreize erregen die Automatie der ZottenkSrper; st~rkere wirken auf die Zottent~tigkeit hemmend, indem sie die Zotten erschlaffen; dabei bleiben die Zotteneapillaren gefiillt. Wenn dagegen der Splaneh- nieus gereizt wh'd, so verkiirzen sich die ZottenkSrper; ihr Automatis~ mus wird gehemmt; zugleieh ist die Schleimhaut stark an~misch, indem die Zottencapillaren und auch die tiefer liegenden Gef~l~e enger werden. Durch den Sympathicus wird also die Darmsehleimhautoberfl~ehe ver- mindert, durch den Vagus dagegen vergrSBert. Weitere Untersue:hungen yon Kokas und Luddny 2 haben bewiesen, dab die ehemische Uber- tragung der Erregung yon den Vagusendigungen in dem ZottenkSrper cholinergischer, die des Splanehnicus adrenergiseher Natur ist. Naeh den weiteren ]3ofunden yon Luddny und Jourdan ~ bewirkt eine all- gemeine Asphyxie oder dutch Ent las tung des Sinus carotieus bzw. peripheren Schmerzreiz hervorgerufene sympathisehe Erregung an den Darmzotten (bzw~ Darmsehleimhaut) s Erseheinungen wie eine direkte Splanchnieusreizung.

Da nun zwischen Zottenbewegung und Darmresorption ein Parallelis- mus besteht - - wie das yon Kolcas und Luddny 4 5fter nachgewiesen w u r d e n - schien es nieht ohne Interesse, die Beziehungen der Blut- druekzfigler zur DarmTesorption einer genauerne Analyse zu unterwerfen. Demgem/~B wurde in einer Versuchsreihe die Wirkung des Carotissinus und der Depressornerven auf die Glucoseresorption aus dem Darm untersueht.

Als Versuehstiere dienten Hunde in Chloralose-l~arkose. Um die Tiere yon Abkfihlung zu Schfitzen, wurden sie au~ ein elektrisehes Heizkissen gelegt. Nach Er6ffnen der Bauchh6hle in der Linea alba wurde das Duodenum unter dem Pylorus abgebunden, um das eventuelle Eintreten yon sauerem Mageninhal~ in den Zw61f-

774 G.v. Ludany:

fingerdarm zu verhindern. Unterhalb der Flexura duodeno-jejunalis isolierten wir eine Darmschlinge von etwa 25 cm L~nge, in deren beiden Enden Glaskanfilen eingebunden wurden. In diese isolierte Darmschlinge, deren GefitBe und Nerven- ~asern unversehr~ blieben, kam dann eine bestimmte ~r yon 5 %iger Glucose- 15sung; naeh 20 bzw. 25 Min. wurde sie zur Feststellungder resorbierten Zueker- menge griindlich mit warmer physiologischer KoehsalzlSsung ausgespiilt und die Zuckerkonzentration in der Waschflfissigkeit nach Benedict titrimetriseh bestimmt. In der Mehrzahl der Versuche wurde die Zo~ten- bzw. Schleimhau~wirkung aueh mittels des Binokularmikroskopes beobaehtet. Eine tiefer ]iegende Jejunum- schlinge wurde in gewohn~er Weise fiir die Beobaehtung der Zottenbewegung aus- pr~ipariert (s. Abb. 1). Das Darmstiick haben wit gegeniiber dem Ansatz des

Abb. 1. Versuehsverfahren: 21~ Magen, P Pylorus, Fdj. Flexura duodeno-jejunalis, Seh JejunumsohHnge, K~, K~ Kanttlen, Schl auspr~parierte I)armsehleimhaut

zur Binokular.Beobaehtu~g.

Mesenteriums aufgeschnit~en, die Schleimhaut ausgebreitet und die l~ucosaober- fliiche w~hrend des Versuches beobachtet. Es wurde die Zahl der kon~rahierenden Zotten wahrend 1 Min. in einem bestimmten Gesichtsfelde gez&hl~. Um den thermi- sehen Faktor kons~an~ zu halten, wurde der yon Kokas und Luddny s konstruierte doploelwandige l~etallkasten beniitz~. Der Blutdruck wurde in jedem Falle in der Arteria femoralis registrier~.

I n einer Versuchsreihe yon 4 H u n d e n wurden die Depressor~iste beid- seitig oben am Halse auspr~pariert . Dann. wurde die Darmresorpt ion Vor u n d nach Durchschneidung dieser l~erven bes t immt. Nach Durch-

schneidung der Depres- Tabe l le 1.

sV:l~s . Iti~neS~rP~er Nr. I in 1VIin.

I

1 2 3 4

Ein- gef~hrte Glucose~

m e n g e in mg

Resorbierte Glucosemenge

I naeh Sektion

nor- der real Depres-

s o r e n in mg in nag

1217 1192 1183 1147 1003 977 1117 1073

Diff. in %

--2,3 --3,2 --2,5 --3,9

soren konnte nur eine leichte Blutdruckstei- gerung festgestellt wer- den, die nach einigen Minuten verschwand. W~hrend dieser leich- ten Hyper tonieper iode konnte mittels Binoku- larmikroskopes an der Darmschleimhaut keine Anderung festgestellt

werden. Die Resorptionswerte - - d i e in Tabelle 1 ersichtHch sind - - zeigten vor und nach Durchschneidung der Depressoren keinen in Betracht kommenden Unterschied. Demnach besitzt die alleinige Aus- schaltung der Depressoren auf die Darmresorption keine Wirkung.

Anders sind die Verh~ltnisse mit dem Sinuscarotici. Bei 9 Hunden wurde die Zuckerresorption aus dem Darm vor und nach Entlastung der Sinus carotici bestimmt.: Um ausgepr~gtere Ef~ekte zu erzielen, wurden

Die Wirkung der Bhtdruckziigler auf die Zuckerresorption aus dem Darm. 775

bei den Versuehstieren die Depressoren beidseitig vorher durchschnitten. Die Entlastung der Sinus carotiei gesehah durch einfaches Abklemmen der beiden Carotis communis; die Entlastung blieb wi~hrend, der ganzen Versuchsdauer bestehen, nur zwischendurch wurde ein- bzw. zweimal die Zirkulation in den beiden Carotiden auf 30--60 Sek. Dauer her- gestellt. Wie aus der Abb. 2 hervorgeht, verursacht die beidseitige Entlastung der Sinus carotiei eine starke Steigerung des Blutdruekes. W~hrend der entstandenen Hypertonie vermindert sieh die Intensitiit der Darmzottenbewegung; der Zottenautomatismus erreieht nur etwa

Abb. 2. Die Wi rkung der E n t l a s t u n g der beiden Sinus carot ic i auf die D a r m z o t t e n t ~ t i g k e i t l ind B lu td ruck be im ]~[unde. Depressor~ste v o r h e r durchschni t ten . A Okklusion,

B Desokklusion der beiden Caro t iden u n t e r dem Sinus.

ein Drittel des Normalwertes. Die ZottenkSrper verkfirzen sich, dadurch wird die aktive Resorptionsoberfli~che der Darmsehleimhaut stark ver- mindert; die Zottencapillaren werden gleichzeitig enger. Wenn die normalen Druckverhs in den beiden Sinusgebieten herges te l l t werden, so sinkt der Blutdruek auf seinen urspriinglichen Wert und es fallen die Zotten- bzw. Schleimhauteffekte fort. Wenn die Entlastung der Sinus wiederholt stattfindet, so kommen die oben geschilderten Erscheinungen erneut zum Vorschein. Die Resorptionsintensits fiel in 9 Versuchen - - wie aus Tabelle 2 ersiehtlich - - you 10,9--22,0% durehschnittlieh auf 16,7%.

Um die M5giichkeit auszusehalten, dab die Resorptionsabnahme nieht durch eine durch das Abklemmen der beiden Carotiden verursaehte Iseh~mie der hSheren Zentren zustande kommt, wurde eine weitere Versuchsreihe ausgefiihrt. Bei 4 t tunden haben wi r die Depressorens sowie die Sinus carotici sorgfs freigelegt. Danaeh wurde die Zucker-

776 O.v. Ludany:

resorption aus dem Darm - - wie oben beschrieben - - bestimmt. In der zweiten Periode des Versuehes wurden die Aste der Depressoren durch- sehnitten und die Sinus carotici denerviert. Der .Bludtruck stieg steil an. In diesem Hypertoniestadium wurde dann die Glyeoseresorption

nochmals bestimmt.Wie

sVe~s _ ]tioRnesS2ruPer Nr. [ in IViin.

1 20 2 20 3 20 4 20 5 20 6 2O 7 2O 8 25 9 20

Tabel le 2. Resorbierte [

Ein- Glucosemenge 1 geftthrte nach Ent- | Glucose- nor- I lastung I menge mal der I in mg in mg ! Sinus car. I

2500 2500 3000 2500 2500 2500 2500 3000 2500

1276, ll00 1373 1206 1680 1410 1216 1000 I150 920 1316 1172 1i77 940 1443 1126 1295 902

aus Tabelle 3 hervor- geht, sinkt die Intensi- t/it der Darmresorption

Diff. in % auch in diesem l?alie yon 14,7--18,7% auf durchschnittlich 16,9 %. Es ist somit bei der

--13,8 - - 12,2 Sinusentlastung keines- --16,1 falls die zentrale Isch- --17,8 /s fiir die I~esorp- --20,0 - - 10,9 tionsabnahme verant- --20,1 wortlich. --22,0 --17,7 Aus diesen Unter-

suehungen geht dem- nach eindeutig hervor, dab die durch die Entlastung der Sinus carotici bzw. Durehschneidung der Blutdruckziigler reflektorisch entstehende sympathische Erregung die Darmresorption deutlich hemmt. Die Ab- nahme der gesorptionsintensit/it entspricht den an der Darmschleimhaut

zustande kommenden Tabelle 3.

t:l,o-

V e r - sorp- SUl~S" } tions-

dauer �9 i n

/Kin.

1 20 2 25 3 20 4 25

Ein- gefflhrt Glucose

lxlenge inmg

2500 2500 2500 3000

Resorbierte I

n~ch [ nor Entnervun~ I

a J der Sinus ear. I i~l} I und Sektion 4er~

mg Depressoren [ ill mg |

987 802 1219 1011 1174 1002 1398 1154

nahme einher. Mit dem Befunde, carotici eine Capillar~cerengerung

Xnderungen. Tonuszu- nahme der Zottenmus- kulatur, welehe eine

Diff. Einschrgnkung der ak- Pa % riven Resorptionsober- fl/iet~e verursaeht, ver- mindprte Capillardureh-

---18,7 blutung und weiter Ab- --17,0 nahme des Zottenauto- - - 14,7 --15,7 matismus gehen mit

einer gesorptionsab- dab naeh Entlastung der Sinus

an der Darmsehleimhaut statt- finder, stehen /iltere Untersuchungen yon Haymans, Bouckaert und Dautrebande 6 i1~ EinMang; es konnte n/imlich onkometrisch festge- stellt werden, dab nach Entlastung der beiden Sinus des Darmvolumen wegen Gef/iBkontraktion stark abnimmt. Neben diesen l%ktoren kann auch der Permeabilit/its/inderung eine I~olle zugeschrieben werden; die Befunde yon Gellhorn und Nor~hup 7 geben AnlaB dazu. Die ge- namlten Autoren kolmten feststellen, dab die Zuekerresorption aus dem

Die Wirkung der Blutdruckziigler auf die Zuckerresorption aus dem Darm. 777

kiinstlich, kons tant durchstrSmten Darme des Frosches nach Vagus- reizung eine Zunahme und nach Splanch.nicusreizung eine Abnahme aufwies; diese Feststellungen stehen mit ihren frfiheren Angaben im Einklang, wonach Acetylcholin in geringerer Konzent ra t ion die Darm- permeabiliti~t steigert, w~hrend Adrenalin einen entgegengesetzten Effekt hervorruft .

Zusammenfassung. 1. Es wurde die Wirknng der Blutdruckzfigler auf die Glucose-

resorption aus dem D a r m bei t t undcn untersucht. 2. Durchschneidung der I)epressori~ste ha t keinen Einflul] auf die

Glucoseresorption. 3. Die Ent las tung der beiden Sinus carotici durch Abklemmen der

beiden Carotiden (nach voI"heriger Depressordurchschneidung) ver- minder t die Zuckerresorption.

4. Nach beidseitiger Sinuscntnervung und Depressordurchschnei. dung sinkt die Intensiti i t der Resorpt ion gleichfalls.

5. Die Erscheinung wird reflektorisch entstehender sympathischer Erregung zugeschrieben, welche sich in Tonuszunahme der Zotten- kSrper (Verringerung der resorbierenden Schleimhautoberfli~che), Ver- minderung der Capillardurchblutung und Zot tenautomat ie sowie Per- meabil i t~tsabnahme i~ul]ert.

Literatur. i Luddny et Jourdan: C. r. Soc. Diol. Paris 119, 1189 (1935). - - 2 Ko]cas u.

Luddny: t)flfigers Arch. 241, 268 (1938). _ a Luddny et. Jourdan: Arch. int. Pharm. et ThOr. 53, 281 (1936). - - 4 Ko/ca8 u. Luddny: Arch. f. exper. Path. 169, 140 (1933). Quart. J. exper. Physiol. 28, 15 (1938) usw. - - ~ Koka8 u. Luddny: Pflfigers Arch. 231, 20 (1932). - - 6 Heymans, Bouckaert et Dautrebande: C. r. Soc. Biol. Paris 105, 217 (1930). - - S. welter: Le sinus carotidien etc. Paris 1932. - - ~ Gellhorn and Northup: Amer. J. Physiol. ~[0~, 684 (1933); 106, 283 (1933).