die chancen der digitalisierung im taximarkt nutzen ......disruptive change in the taxi business:...

23
Seite 1 Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen: Liberalisieren und Verbraucherschutz stärken Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur Prof. Dr. Alexander Eisenkopf, Friedrichshafen Prof. Dr.-Ing. Hartmut Fricke, Dresden Prof. Dr.-Ing. Markus Friedrich, Stuttgart Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike, Dresden Prof. Dr. Hans-Dietrich Haasis, Bremen Prof. Dr. Günter Knieps (Vorsitzender), Freiburg Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Knorr, Speyer Prof. Dr. Kay Mitusch, Karlsruhe Prof. Dr. Stefan Oeter, Hamburg Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Josef Radermacher, Ulm Prof. Dr. Gernot Sieg, Münster Prof. Dr.-Ing. Jürgen Siegmann, Berlin Prof. Dr. Wolfgang Stölzle, St. Gallen Prof. Dr.-Ing. Dirk Vallée, Aachen Prof. Dr.-Ing. Peter Vortisch, Karlsruhe Prof. Dr. rer. nat. Hermann Winner, Darmstadt Im Februar 2017

Upload: others

Post on 07-Jun-2020

0 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

Seite1

Die Chancen der Digitalisierung imTaximarktnutzen:LiberalisierenundVerbraucherschutzstärken

WissenschaftlicherBeiratbeimBundesministerfürVerkehrunddigitaleInfrastrukturProf.Dr.AlexanderEisenkopf,Friedrichshafen

Prof.Dr.-Ing.HartmutFricke,Dresden

Prof.Dr.-Ing.MarkusFriedrich,Stuttgart

Prof.Dr.-Ing.RegineGerike,Dresden

Prof.Dr.Hans-DietrichHaasis,Bremen

Prof.Dr.GünterKnieps(Vorsitzender),Freiburg

Prof.Dr.Dr.h.c.AndreasKnorr,Speyer

Prof.Dr.KayMitusch,Karlsruhe

Prof.Dr.StefanOeter,Hamburg

Prof.Dr.Dr.h.c.FranzJosefRadermacher,Ulm

Prof.Dr.GernotSieg,Münster

Prof.Dr.-Ing.JürgenSiegmann,Berlin

Prof.Dr.WolfgangStölzle,St.Gallen

Prof.Dr.-Ing.DirkVallée,Aachen

Prof.Dr.-Ing.PeterVortisch,Karlsruhe

Prof.Dr.rer.nat.HermannWinner,Darmstadt

ImFebruar2017

erscheint in: List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik, Springer Verlag
Page 2: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

GUTACHTENDESWISSENSCHAFTLICHENBEIRATSBEIMBUNDESMINISTERFÜRVERKEHRUNDDIGITALEINFRASTRUKTUR

Seite2

DieChancenderDigitalisierungim

Taximarktnutzen:LiberalisierenundVerbraucherschutzstärken

GutachtendesWissenschaftlichenBeirats

beimBundesministerfürVerkehrunddigitaleInfrastruktur

Page 3: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

Seite3

ManagementSummary

Die Digitalisierung und das Entstehenvon App-Anbietern wie Uber, taxi.eu,taxi.de,myTaxiundblablacar führenzufundamentalenVeränderungen auf demMarkt für Personenbeförderung mitPkw.ZurZeitlässtsichderMarkteintrittneuer internetbasierter DienstleisterentwedernureingeschränktimEinklangmit inadäquat gewordenenRegeln oderunterUnterlaufungsolcherRegelnreali-sieren.

Die technische Entwicklung der letztenJahrzehnte ermöglicht eine Deregulie-rung der Taximärkte. EhemaligeMarkteintrittsbarrieren aufgrund hoherKapitalinvestitionen (Fahrzeuge, Funk-zentralen) und Humankapitalinvestitio-nen (Ortskunde) sind verschwunden.Die Digitalisierung erleichtert die Ver-mittlung von Taxis, vermindert Leer-fahrtenunderhöhtsodieProduktivität.Flexible Preise können das Angebot andieNachfrage anpassenunddieAlloka-tion von Taxis und Kunden verbessern.DieNachvollziehbarkeitvonErlösenundArbeitszeiten fürdieAufsichtsbehördenwird vereinfacht, so dass zum BeispieldasAusnutzenmangelnderOrtskenntnisderKundenunterbundenwerdenkann.Differenzierte Angebote nach Qualität(preiswerte Kleinwagen versus teurere

Limousinen)oderUmweltfreundlichkeit(Elektrobetrieb) werden möglich. App-Anwendungen ermöglichen wesentlichbessere und billigere Überwachungendurch Kunden und Behörden. Um dieFrüchte dieser Innovationen zu ernten,müssen Beschränkungen des unterneh-merischenSpielraumsabgebautwerden,ohne dabei Kompromisse in Bezug aufdie Sicherheit der Fahrgäste und dieEinhaltung der Regeln einzugehen. Da-her formuliert der WissenschaftlicheBeirat nachfolgende Empfehlungen zurReform des Regulierungsrahmens desTaximarktes:

a) Quantitative Konzessionsbeschrän-kungen werden abgeschafft, es bleibtaber bei der Konzessionsvergabe fürTaxiunternehmen abhängig von Fach-kunde und Regelkonformität, die regel-mäßigüberprüftwerden.

b) Die Unterscheidung zwischen Taxiund Mietwagen mit Fahrer und Rück-kehrpflicht (Minicars)wirdaufgehoben.Mitfahrgelegenheiten (unentgeltlich o-der nicht-gewerblichmit einem die Be-triebskosten der Fahrt nicht überstei-genden Gesamtentgelt) bleiben ungere-gelt.

c)DerBeiratbegrüßtdiePflicht,lücken-los alle Fahrten einzeln aufzuzeichnen

Page 4: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

GUTACHTENDESWISSENSCHAFTLICHENBEIRATSBEIMBUNDESMINISTERFÜRVERKEHRUNDDIGITALEINFRASTRUKTUR

Seite4

unddiese indigitalerFormzurPrüfungdenzuständigenBehördenbereitzustel-len.AuchUnternehmen,dieTaxifahrtenvermitteln, sollten dieser Pflicht unter-liegen.

d) Die Tarife für Taxifahrten müssennichtweiterstaatlichbestimmtwerden.Um eine faire Preisbildung zu gewähr-leisten,solltendieInformationspflichtenan Taxiständen und bei Ruftaxis ausge-weitetundreguliertwerden.

e) Taxizentralen undwebbasierte Taxi-vermittlerwerdennachderPreisfreiga-be eine neue Rolle übernehmen: Siewerden die Preise festlegen, die dieKunden bezahlenmüssen. Deshalb soll-tensiealsneueKategorieinsPBefGauf-

genommen werden. Sie sollten Datenjeder Fahrt bereitstellen, um eineMarktmachtmissbrauchskontrolle wieauch die allgemeine Regelkontrolle zuunterstützen.

NacheinersolchenReformderRegulie-rungistdamitzurechnen,dassdieKun-den von einem breiteren Angebot undgeringeren Wartezeiten profitierenwerden. Die bessere Vermittlung unddie Vermeidung von Leerfahrten redu-zieren die Umweltbelastung und dieKostenderTaxifahrten.AuchwirdeszuQualitätsdifferenzierungenkommenundes werden über die technischen Min-destanforderungen hinausgehendeFahrzeugqualitäten wie Elektro-TaxisamMarktauftreten.

ImFebruar2017 DerWissenschaftlicheBeirat

beim Bundesminister für VerkehrunddigitaleInfrastruktur

Page 5: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

TAXIMARKTNUTZEN:LIBERALISIERENUNDVERBRAUCHERSCHUTZSTÄRKEN

Seite5

Inhaltsverzeichnis

1 Ausgangslage 6

2 DerMarkt 8

3 DieProblemetrotzvorherrschenderRegulierung 10

4 HerleitungderEmpfehlungen 12

4.1 Sicherheits-undSozialvorschriften,Vertragstreueundihre DurchsetzungmitHilfederneuenTechnologien 12

4.2 AbbauökonomischerRegulierung 14

4.2.1 Funktaxis 14

4.2.2 Ruftaxis 15

4.2.3 Taxistände 16

4.2.4 Taxivermittler 17

5 AnmerkungenzumVerhältnisTaxis–übrigerÖPNV 20

6 Empfehlungen 21

MitgliederdesWissenschaftlichenBeirats 23

Page 6: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

GUTACHTENDESWISSENSCHAFTLICHENBEIRATSBEIMBUNDESMINISTERFÜRVERKEHRUNDDIGITALEINFRASTRUKTUR

Seite6

1 Ausgangslage

DieDigitalisierungunddas EntstehenvonApp-AnbieternwieUber, taxi.eu,taxi.de, myTaxi und blablacar führen

zufundamentalenVeränderungenaufdemMarkt für Personenbeförderungmit Pkw.1 Die Digitalisierung erleich-

tert die Vermittlung von Taxis, ver-mindert Leerfahrten und erhöht sodie Produktivität. Flexible Preise kön-

nen das Angebot an die NachfrageanpassenunddieAllokationvonTaxisund Kunden verbessern.2 Die Nach-

vollziehbarkeit von Erlösen und Ar-beitszeiten für die Aufsichtsbehördenwirdvereinfacht,sodasszumBeispiel

das Ausnutzen mangelnder Orts-kenntnis der Kunden3 unterbunden

1 Vgl.JuddCramerundAlanB.Krueger2016,Disruptive change in the taxi business: Thecase of uber. American Economic Review:PapersandProceedings106(5),177–182.2 Vgl. Peter Cohen, Robert Hahn, JonathanHall,StevenLevittandRobertMetcalfe2016,Usingbigdatatoestimateconsumersurplus:Thecaseofuber,NBERWorkingPaperSeriesNo.22627.3 Vgl. LoukasBalafoutas,AdrianBeck, RudolfKerschbamerundMatthiasSutter2013,WhatDrives Taxi Drivers? A Field Experiment onFraud in a Market for Credence Goods, Re-viewofEconomicStudies80,876-891.

werdenkann.DifferenzierteAngebotenachQualität (preiswerteKleinwagen

versus teurere Limousinen)oderUm-weltfreundlichkeit (Elektrobetrieb)werdenmöglich.

Doch der derzeitige Regulierungsrah-men ist noch nicht in einer Realitätangekommen, in der eine Qualitäts-kontrolle auch über Nutzerkommen-

tare in Apps stattfindet, in der Orts-kenntnisse durch Navigationsappsbereitgestelltwerden und die Bestel-

lung und Bezahlung über das Smart-phone erfolgen kann. Zur Zeit lässtsichderMarkteintritt neuer internet-

basierter Dienstleister wie Uber ent-weder nur eingeschränkt im Einklangmit inadäquat gewordenen Regeln

oder unter Unterlaufung solcher Re-geln realisieren. Darüber hinaus zeigtdienationale (Hamburg)und interna-

tionale (Schweden) Erfahrung, dassdie Funktionsfähigkeit von Taximärk-ten nicht durch den Eintritt weiterer

Taxiangebote gefährdet ist und des-halb eine Bedarfsmarktprüfung und

die daraus resultierende Verweige-

Page 7: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

TAXIMARKTNUTZEN:LIBERALISIERENUNDVERBRAUCHERSCHUTZSTÄRKEN

Seite7

rung von Genehmigungen nach § 13

(4) Personenbeförderungsgesetz(PBefG)obsoletgewordensind.

Personenbeförderung sollte jedochaus Gründen der Verkehrssicherheitund des Verbraucherschutzes regu-liertwerden.WelcheGründediessindund welche Regulierung sinnvoll ist,umdieChancenderDigitalisierungzunutzen, ohne die FunktionsfähigkeitdesMarktes zu gefährden,behandeltdieseStellungnahme.

Page 8: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

GUTACHTENDESWISSENSCHAFTLICHENBEIRATSBEIMBUNDESMINISTERFÜRVERKEHRUNDDIGITALEINFRASTRUKTUR

Seite8

2 DerMarkt

Die rechtlichen Regelungen sehenderzeit drei verschiedene Angebots-formen auf dem Markt für Gelegen-heitsverkehrmitKraftfahrzeugenvor:

• Taxis

• Mietwagen: In der Diktion desPersonenbeförderungsgesetzes(PBefG) sind dies Mietwagen mitFahrer, die für einzelne Touren

gemietetwerden;manchmalauchMinicarsgenannt

• Mitfahrgelegenheiten: nicht-

gewerblich und deshalbunentgeltlich oder mit einem dieBetriebskosten der Fahrt nicht

übersteigendenGesamtentgelt.

Taxis und Mietwagen unterscheidensich zur Zeit dadurch, dass Taxis eineBeförderungspflicht haben, aber im

Preis reguliert sind. Mietwagen kön-nenohneBeförderungspflichtagierenundsohöhere (oderniedrigere)Prei-

se verlangen, müssen jedoch nachjeder Fahrt zum Betriebssitz zurück-kehren (Rückkehrpflicht) und können

erst von dort aus den nächsten Auf-trag erledigen. Ein weiterer preisbe-zogenerUnterschiedistder,dassTaxi-

fahrten nur dem reduzierten Mehr-wertsteuersatzunterliegen.

BeidenTaxisunterscheidetmannachunterschiedlichen Formen der „Ge-schäftsanbahnung“:

• Funktaxis: bestellt per Telefon,Internet,Smartphoneetc.

• Ruftaxis: auf der StraßeherangewunkeneTaxis

• Taxistand

DabeistelltderFunktaximarktdasmitAbstand größte Marktsegment dar;ungefähr drei Viertel der Taxifahrten

werdenaufdieseArtangebahnt.Auf-träge für Mietwagen und Vereinba-rungen über Mitfahrgelegenheiten

kommen ausschließlich über Telefon,Internet, Smartphone etc. zustande,analogzumFunktaxi.

Üblicherweise werden folgende kon-krete Sachverhalte auf kommunalerEbenereguliert:4

• Anzahl der

4 Personenbeförderungsgesetz (PBefG), Ver-ordnung über den Betrieb von Kraftfahrtun-ternehmen im Personenverkehr (BOKraft),Verordnung über die Befreiung bestimmterBeförderungsfälle von den Vorschriften desPBefG (Freistellungsverordnung), Berufszu-gangsverordnung für den Straßenpersonen-verkehr(PBZugV)und800Taxi-undTariford-nungeninDeutschland.

Page 9: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

TAXIMARKTNUTZEN:LIBERALISIERENUNDVERBRAUCHERSCHUTZSTÄRKEN

Seite9

Fahrzeuge/Konzessionen in einer

Kommune

• Qualität (Fahrzeuge, Fahrer,Beförderungspflichten)

• HöheundStrukturderPreise(nurfürTaxis,nichtfürMietwagen)

Die Regulierung der Taximärkte sollruinösenWettbewerbundeinenQua-litätswettlauf nach unten verhindern.

RuinöserWettbewerbentsteht,wenntrotz nicht auskömmlicher Ertragsbe-dingungen zu viele Taxiunternehmen

auf dem Markt bleiben. Weil früherderErwerbeiner„Kraftdroschke“unddie Ausbildung als Taxifahrer (Orts-

kenntnisse) mit hohen Investitionenverbundenwar,diebeieinemMarkt-austritt teilweise verloren waren,

fürchteteman, dass ein freierMarkt-eintrittzuruinösemWettbewerbfüh-ren könnte.5 Ein Qualitätswettlauf

nach unten kann sich ergeben, weilderKundedieQualitäteinesFahrzeu-ges (und die des Taxifahrers) vor der

Fahrt nur wenig und nach der Fahrtauch nur teilweise beurteilen kann.Dann erhalten Fahrer mit älteren,

weniger komfortablen und weniger

5 Es mag historisch auch eine Rolle gespielthaben, dass man Taxifahrern und –unternehmernalsgewissermaßen„Angestell-ten / Dienstleistern im öffentlichen Auf-trag“Einkommenssicherheit garantierenwoll-te.Doch ist zumeinennichtnachvollziehbar,weshalbman diese Beschäftigten gegenüberbeispielsweise Handwerkern bevorzugensollte, und zum anderen gibt es nun das all-gemeinere Instrument des Mindestlohns zurEinkommensabsicherungvonAngestellten.

gewartetenFahrzeugeneinenKosten-

vorteil. Im freien Preiswettbewerbkönnten sich dann die höheren Fahr-zeugqualitäten nur schwer behaup-

ten.

Page 10: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

GUTACHTENDESWISSENSCHAFTLICHENBEIRATSBEIMBUNDESMINISTERFÜRVERKEHRUNDDIGITALEINFRASTRUKTUR

Seite10

3 Die ProblemetrotzvorherrschenderRegulierung

DiederzeitigeOrganisationderMärk-teführtjedochkeineswegsimmerzur

ErreichungderRegulierungsziele:

• Qualitätsdefizite bleibenbestehen: Gelegentliche

Verletzungen derBeförderungspflicht, indemKurzstreckenfahrten abgelehnt

werden; Taxiengpässe zu Peak-Zeiten wie Sylvester; keineökonomischen Anreize für

QualitätsverbesserungenüberdenDurchschnitt hinaus oder fürQualitätsdifferenzierungen (z.B.

Einsatz von Elektrofahrzeugen fürKunden,diedieswertschätzen).

• Teils eklatante Missstände derNichteinhaltung regulativer

Vorgaben: Einigebetriebswirtschaftlich nichtrentable Unternehmen treten

nichtausdemMarktaus,sondernumgehen den Mindestlohn,hinterziehen teilweise Steuern,6

6VergleichediePresseerklärungderBundes-finanzdirektion West „Bundesweite Schwer-

und sind nicht in der Lage,angemessene Altersvorsorge für

ihreMitarbeiter zubetreiben.DieBeförderungspflicht wird nichtimmer eingehalten7 und einige

Mietwagen-Unternehmenverletzen systematisch dieRückkehrpflicht.

Darüber hinaus bestehen weitereProbleme. So liegen ineinigenRegio-nen marktbeherrschende Stellungenvon Taxizentralen (u. a. Stuttgart,

Dortmund, Dresden und Nürnberg)vor und es gibt Taxivermittler mitAusschließlichkeitsklauseln (Doppel-

funkverbot). MarktbeherrschendeStellungen von Taxivermittlern er-

scheinen allerdings nicht so proble-matisch, so lange die Fahrpreise unddieAnzahlderLizenzenreguliertwer-

den. Im Rahmen der Bedarfsmarkt-prüfung lassen Behörden regelmäßig(teure) Taximarktgutachten erstellen,

punktprüfung im Taxigewerbe“ vom7.12.2015http://www.zoll.de/SharedDocs/Pressemitteilun-gen/DE/Schwarzarbeitsbekaempfung/2015/y90_taxigewerbe_schwerpunktpruefung.html ,abgerufenam25.10.20167Vgl.diePresseerklärungderBundesfinanzdi-rektionWest „BundesweiteSchwerpunktprü-fung imTaxigewerbe“vom7.12.2015,a.a.O.und, Linne und Krause 2016, UntersuchungzurWirtschaftlichkeitdesTaxigewerbesinderBundeshauptstadt Berlin,.(http://www.stadtentwicklung.berlin.de/verkehr/politik/taxi/download/untersuchung_wirtschaftlichkeit_taxi_berlin.pdf)

Page 11: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

TAXIMARKTNUTZEN:LIBERALISIERENUNDVERBRAUCHERSCHUTZSTÄRKEN

Seite11

um insbesondere die Anzahl der Li-

zenzen bestimmen zu können. DieseGutachten wären bei einer wettbe-werblichen Organisation des Taxi-

marktesobsolet.

DasHauptproblemdesalthergebrach-tenOrdnungsrahmensistjedoch,dassdiePotenzialederDigitalisierungnichtgenutzt werden können. Der Markt-eintrittfürneuartige,internetbasierteDienstleistungsangebote erfolgt nichtkonform8 zuden inadäquatgeworde-nenRegelnoderunterbleibtaufgrunddieser Regeln und ist deshalb subop-timal.

8Vgl. Adolf Rebler 2014, Unmoderne Rege-lungswut oder berechtigte Kontrolle: Geneh-migungennachPBefGinZeitenvonUberundWunderCar,ifoSchnelldienst21/2014,8.

Page 12: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

GUTACHTENDESWISSENSCHAFTLICHENBEIRATSBEIMBUNDESMINISTERFÜRVERKEHRUNDDIGITALEINFRASTRUKTUR

Seite12

4 Herleitung derEmpfehlungen

Der Wissenschaftliche Beirat ist derÜberzeugung, dass die Abschaffungder sogenannten objektiven Zulas-sungskriteriennach§13Abs.4PBefG

keinen ruinösenWettbewerb zur Fol-gehätte:DieSpezifitätder Investitio-nen von Taxiunternehmen ist inzwi-

schensogering,dassbeimangelnderKostendeckung ein Marktaustritt oh-ne wesentliche Verluste möglich ist.

Problematisch ist zur Zeit eher, dassdie quantitative Beschränkung derKonzessionen diese zum einen wert-

vollmachtundsoeinenMarktaustrittverzögert.ZumanderensuggeriertdieaufGutachtenberuhendeAnzahl von

Konzessionen den Taxiunternehmen,dass Betriebe grundsätzlich wirt-schaftlich zu führen seien.Vondaher

verhindern die quantitativen Konzes-sionsbeschränkungen nicht etwa die

ruinöse Konkurrenz, sondern fördernsieeher.AuchzeigtdasBeispielHam-burg,dass Taximärkteohnequantita-

tive Begrenzung der Konzessionenfunktionierenkönnen.

Daher plädiert der WissenschaftlicheBeiratfürdieAbschaffungvonquanti-

tativenKonzessionsbeschränkungen.

Damit einher gehen sollte auch eineumfassende Preisfreigabe und derAbbau weiterer Regulierungen, aber

aucheine intensivedigitalisierteKon-trolle der Regeleinhaltung. In diesemKapitel wird im Detail argumentiert,

wie der Gesetzgeber die Regulierungreformieren sollte, welche Problemedabei möglicherweise auftreten kön-

nenundwiediesenwiederumbegeg-net werden könnte. Eine Zusammen-fassung der Empfehlungen folgt in

Kapitel 6. Dabei wird davon ausge-gangen, dass Taxis in absehbarer Zu-

kunftwie bisher noch vonMenschenbedient werden, also nicht autonomfahren.

4.1 Sicherheits- und Sozi-alvorschriften, Ver-tragstreue und ihreDurchsetzungmitHil-fe der neuen Techno-logien

Sicherheits- und Sozialstandards imöffentlichenPersonennahverkehrsindunerlässlich. Hierzu zählen im Taxi-

markt:

Page 13: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

TAXIMARKTNUTZEN:LIBERALISIERENUNDVERBRAUCHERSCHUTZSTÄRKEN

Seite13

- Subjektive Berufszugangsvo-

raussetzungenwiepersönliche

Zuverlässigkeit und fachliche

Eignung (Personenbeförde-

rungsschein).9

- Lenk-undRuhezeitenderFah-

rerunddieKontrolleihrerEin-

haltung,

- Mindestlohn,

- sowie die technischen Zulas-

sungsnormen für die Fahrzeuge und

derenÜberwachung.

Die bestehenden Regelungen habensich bewährt und sollten auch in Zu-kunft durch gesetzliche Vorschriften

gewährleistetbleiben.10

Die Möglichkeiten der Digitalisierungsollten genutzt werden, um wichtigeVorschriften wie Sicherheit, Ruhezei-

ten,Mindestlohnumfassendzuüber-wachen. Das setzt voraus, dass dieDatensicherheit gegenüber Fälschun-

gen („Schummelsoftware oder -hardware“), gegenüber Datenmiss-

brauch(mangelnderDatenschutz)undgegenüberDatenangriffen von außen(„Hacker“) in einer für praktische

Zwecke ausreichenden Weise gesi-chert werden kann. Im Folgenden9Nicht jedoch die Ortskundeprüfung, die im Zeitalter der Navigationssysteme über-flüssig ist.10 Die BOKraft, insbesondere §§25-31 und§§37-40müssenjedochangepasstwerden.

wird davon ausgegangen, dass diese

Herausforderungen in technischer,rechtlicherundorganisatorischerHin-sichtgemeistertwerden.

Werden die quantitativen Konzessi-onsbeschränkungen, wie empfohlen,abgeschafft, dann muss die Sanktio-

nierung von Regelverstößen auf eineneue Basis gestellt werden. Die der-zeitige Drohung, bei Regelverstößen

eine Konzession zu verlieren, fördertdas Einhalten von Regeln nur dann,wenn man nicht nach Entzug einer

Konzession leicht eine neue bekom-men kann.11 Der WissenschaftlicheBeirat empfiehlt daher, die direkte

Regelkontrolle mit Hilfe der neuendigitalenMöglichkeiten zu intensivie-ren und Regelverletzungen wirksam

zusanktionieren.

Eine Preisfreigabe stellt im TaximarkthöhereAnforderungenandieVerläss-lichkeit der Preisfestsetzung als in

anderen Wirtschaftsbereichen. ImZeitraum vom Beginn einer Beförde-rung bis zur Festsetzung und Bezah-

lungdes Endpreises ist der Kunde al-lein mit dem Fahrer und diesem ingewisserWeiseausgeliefert.DerFah-

rer kennt im Gegensatz zum KundenWege und Fahrzeug, Taxameter undBesonderheiten des Tarifs genau. In

11Drehtürstrategien,d.h.bewussteRegelver-letzungenmitfrühzeitigemMarktaustrittundsofortigem Wiedereintritt ohne Regelverlet-zungshistorie, müssen wirksam unterbundenwerden.

Page 14: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

GUTACHTENDESWISSENSCHAFTLICHENBEIRATSBEIMBUNDESMINISTERFÜRVERKEHRUNDDIGITALEINFRASTRUKTUR

Seite14

dieser Zeit muss sich der Kunde –auch der auswärtige Kunde – auf die

RegelkonformitätdesTaxifahrersver-lassenkönnen.

Dazu sind entsprechende technisch-regulative Voraussetzungen zu schaf-

fen.SosolltederKundestetsalleAn-gaben zu dem für ihn verwendetenTarif,demGesamtpreis,Anfangs-und

EndpunktderFahrtunddengefahre-nen Kilometern als Kassenbon oderals elektronischeMitteilung erhalten.

Im Idealfall findetman eine einfacheMöglichkeit, wie der Kunde dem fürihn geltenden Tarif (oder Gesamt-

preis) vor der Fahrt explizit elektro-nisch zustimmen kann. Hier könnten

auch Kommunen die Chancen derDigitalisierung nutzen, indem sie ein-fache Nachprüfungs- und Reklamati-

onsmöglichkeiten per Internet oderSmartphone-Appschaffen.

4.2 Abbau ökonomischerRegulierung

4.2.1 Funktaxis

Auf einigen Taxi-Teilmärkten kannaufgrund von Informationsasymmet-

rien die Preisfindung schwierig sein.Dazugehört jedochnichtderFunkta-

ximarkt. Taxi-Apps können es ermög-lichen,diePreisevorderFahrt zuer-

mitteln und zu vergleichen. Anzeigenin den Fahrzeugen, Taxi-Apps oder

Navigations-Apps können auch ver-hindern,dasseinFahrerzurvorsätzli-chen Erhöhungder Fahrentgelte sub-

optimaleRoutenwählt.Diesreduziertdie Informationsasymmetrien bereitsbeträchtlich. Werden darüber hinaus

Kundenbewertungsmöglichkeitengeschaffen und transparent (am/imFahrzeug oder über Apps) kommuni-

ziert, können diese durch Wiederho-lungskäufeunddieBildungvonRepu-tation der Anbieter weiter abgebaut

werden. Eine Preisregulierung in die-semSegment istdahernichtnotwen-dig.

HingegenführteineeinheitlichePreis-regulierung,wie siederzeitüblich ist,dazu, dass einige Fahrten besonders

lukrativ werden, während andereFahrten nicht mehr wirtschaftlichsind. Um zu verhindern, dass Taxiun-

ternehmen die nicht wirtschaftlichenFahrten nicht ablehnen, besteht eineBeförderungspflicht. Verzichtet man

auf die Preisfestlegung, so ist die Be-förderungspflicht auswirtschaftlichenGründenobsolet.12

12 Natürlich bleiben die Vorschriften des All-gemeinen Gleichbehandlungsgesetzes beste-hen,undandenPersonenbeförderungsscheinkönnenweitergehendePflichtenzurNichtdis-kriminierunggebundenwerden.

Page 15: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

TAXIMARKTNUTZEN:LIBERALISIERENUNDVERBRAUCHERSCHUTZSTÄRKEN

Seite15

Werden, wie vorgeschlagen, sowohldie quantitativen Konzessionsbe-schränkungen abgeschafft, als auchdieTarifefreigegeben,isteinerechtli-

che Unterscheidung von Taxis undMietwagen (mit Fahrern) überflüssig.VondahersolltendieRückkehrpflicht

von Mietwagen sowie die Vorschrift,Beförderungsaufträge nur am Be-

triebssitz annehmen zudürfen, abge-schafft werden. Dadurch würdenLeerfahrtenundsomitKosten,Schad-

stoffemissionen und Wohlfahrtsver-luste reduziert. Gleichzeitig müsstendieUmsatzsteuersätzeaufdenregulä-

renSatzangeglichenwerden.DerBe-griff„Mietwagen“sollteganzausdemPersonenbeförderungsgesetz entfernt

werden.

Die Nachfrage nach Taxifahrtenschwankt sowohl leicht vorhersehbar(Silvester,tagsüberversusnachts)wie

auch schwierig vorhersehbar (Regen-fälle). Ein flexibler Preismechanismuskann auf Angebot- und Nachfrage-

schwankungen reagieren und diePreise zeitnah anpassen. In Phasenstarker Nachfrage können durch die

hohen Preise Fahrer motiviert wer-den, weitere Taxifahrten durchzufüh-ren. Gleichzeitig reduzieren höhere

Preise die Nachfrage nach Fahrten,weil einige Kunden Fahrten verschie-benoderdurchandereVerkehrsmittel

substituieren. Diese ökonomischeRationalität wird von den Kunden

oftmals nicht als fair empfunden.13

Während teurere Silvesterfahrteneher akzeptiert werden, da der Taxi-fahrer zu Silvester mehr verdienen

dürfe, wird eine Preiserhöhung, nurweil es regnetunddieNachfrage an-steigt, insbesondere vor dem Hinter-

grund, dass die Alternativen wie derübrigeÖPNVihrePreisekonstanthal-

ten,alsunfairangesehen.Obundwiedie Firmenunddie Kunden auf dieseempfundene Unfairness reagieren,

kann und sollte jedoch dem Marktüberlassenwerden.14

4.2.2 Ruftaxis

SchwierigsindPreisverhandlungenimRuftaximarkt. DemVorteil von Rufta-

xis, sofortdieFahrtbeginnenzukön-nen,stehtderNachteilentgegen,dassder Taxifahrer einen erhöhten Preis

verlangen kann, da der Kunde nichtweiß, wann das nächste freie RuftaxizurVerfügungstehenwird.Außerdem

verursachen PreisverhandlungenTransaktionskosten. Das Potential,nicht informierte Kunden auszunut-

13Vgl.Kahneman,Daniel,JackL.KnetschundRichard H. Thaler 1986, Fairness as a Con-straint on Profit Seeking: Entitlements in theMarket, The American Economic Review,76(4),728-741.14SollteeinkommunalesVersorgungsinteres-seangutverfügbarenundpreislichgünstigenTaxidiensten in bestimmten Regionen oderZeitfenstern bestehen, so ist das Verhältnisvon Taximarkt und übrigemÖPNV angespro-chen,das inAbschnitt5ausführlich themati-siertwird.

Page 16: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

GUTACHTENDESWISSENSCHAFTLICHENBEIRATSBEIMBUNDESMINISTERFÜRVERKEHRUNDDIGITALEINFRASTRUKTUR

Seite16

zen,istamRuftaxi-Marktamgrößten.Andererseits ist der Ruftaximarkt in

Deutschland mit einem Marktanteilvon10Prozentrelativgering.Darüberhinaus besteht für nicht informierte

Kunden die Möglichkeit, auf demFunktaximarktbeiggf.etwaslängererWartezeit ein transparenteres Ange-

botzuerhalten.Taxikundenverlassensich ohnehin nur an Orten mit einerhohen Taxidichte darauf, ein Ruftaxi

in kurzer Zeit zu finden. Hohe Taxi-dichte impliziert aber in der Regelauch eine gute Verfügbarkeit von

Funktaxis, so dass diese Alternativeverfügbar sein wird. Es ist zu erwar-ten,dassinderApp-Economyderauf

physischem Winken basierendeRuftaxi-MarktzunehmenddurchHan-

dy-basiertes Signalisieren („virtuellesWinken“)verdrängtwird.

4.2.3 Taxistände

Taxiständeerfüllen zur Zeit zweiAuf-gaben:

ZumeinendienensiealsWarteplätzefür sich im Betrieb befindende, abernicht von Kunden besetzte Taxis. EinAngebotanParkständenfürTaxis,die

auf Kunden warten, kann der Marktggf. entgeltpflichtig bereitstellen.Wenn ein besonderes öffentliches

Interesse vorliegt, können reservierteWartestände für Taxiunternehmen

geschaffen werden, die diskriminie-rungsfrei zugänglich seinmüssenundbepreistwerdensollten.

ZumanderengibtesinsbesondereanBahnhöfenundFlughäfenTaxistände,an denen Taxis auf Kunden warten,die unmittelbar am Taxistand ihre

Fahrt beginnen. An solchen Taxistän-den mit Vermittlungsfunktion kanneinevöllig freiePreisbildung zuProb-

lemen führen. Die Erfahrung zeigteinerseits, dass sich wartende Taxisunterbietenkönnen: Infolgekannder

Wettbewerb ruinös werden, da dieGrenzkosten einer Fahrt eher gering

sind.Andererseitskommtesauchvor,dass Taxifahrer oder -unternehmendurch Absprachen höhere Preise

durchsetzen.

An solchenOrtenmit hoherNachfra-genachTaxismüssenFahrgästemög-lichst einfach und schnell einem Taxi

zugeordnet werden. Das spricht andiesen Orten für das heute üblicheKonzepteinerWarteschlange.Dahier

eine individuelle Preisfindung nichtmöglich ist, solltederBetreibereinesTaxistands das Recht haben, Tarife,

Qualitäten und Pflichtfahrgebiete15

15FallsderPreisvomTaxistandbetreibervor-gegeben ist, kann es wieder lukrative und

Page 17: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

TAXIMARKTNUTZEN:LIBERALISIERENUNDVERBRAUCHERSCHUTZSTÄRKEN

Seite17

für die von diesem Stand ausgehen-

den Fahrten vorzugeben. Dies läuftauf eine Taxistand-spezifische Ta-rifbindunghinaus.DerZugangzuTaxi-

ständen mit Vermittlungsfunktionwird schon heute teilweise von denEigentümernderTaxiständebegrenzt.

Es sollte daraufhin gewirkt werden,dass an wichtigen Verkehrsknoten-punkten neben den Taxiständen mit

Betreiber-VorgabenauchWettbewer-ber wie Funktaxivermittler von eige-nen (kurz oder langfristig angemiete-

ten)ParkständenausFahrtenzuihreneigenen Bedingungen anbieten kön-nen. Funktaxen ohne Tarifbindung,

die in Konkurrenz zu den Taxis amWartestandstehen,solltenansolchenVerkehrsknoten Fahrgäste nur in fest

definierten Bereichen (zweiter Taxi-stand, Parkhaus) aufnehmen dürfen.DasSonderparkrechtfürTaxis„Halten

undParkeninzweiterReihe“sollteindem die Warteplätze umgebendenöffentlichen Straßenraum nicht ge-

währt werden, da es dort die Ver-kehrslageregelmäßignichtzulässt.

Es könnte die Gefahr bestehen, dassbei mangelnder Vermittlungskonkur-

renz die Betreiber der TaxiständeMarktmacht aufbauen undmissbrau-chen. Die Entwicklung eines Regulie-

weniger lukrative Fahrten (Kurzstrecken,Gebiete, wo man keine Rückfahrt bekommtoderdiegefährlichsind)geben.Gibtesdannkein Pflichtfahrgebiet, könnte der Taxifahrersichweigern,denKundenzubedienen.

rungsrahmens für die Betreiber von

Taxiständenbraucht jedochdenLibe-ralisierungsprozess des Taximarktesnicht zu verzögern. Es kanndurchaus

damit begonnen werden, den Hand-lungsspielraumfürTaxistandbetreiber(derenmeistejaohnehindieKommu-

nen sind) zunächst völlig freizugebenund abzuwarten, wie sich die Dinge

entwickeln.

4.2.4 Taxivermittler

Bei Taxizentralen und webbasiertenVermittlern besteht aufgrund vonpositivenindirektenNetzwerkeffekten

und Größenvorteilen eine TendenzzurMarktkonzentration. Zur Zeit gibtes u.a. in Stuttgart, Dortmund, Dres-

den undNürnberg nur eine Taxizent-rale, also ein Vermittlungsmonopol.Selbst wenn der Markteintritt eines

webbasierten Vermittlers dieses Mo-nopol aufbrechen kann, ist zu be-fürchten, dass die Vermittler markt-

beherrschendeStellungenhaltenoderaufbauen können. Zur Zeit könnenTaxizentralen die Preise nicht selbst

bestimmen und damit eine marktbe-herrschende Stellung nicht für über-

höhte Preise missbrauchen. In Folgeeiner Preisfreigabe würde jedoch ge-naudiesesdrohen.Es istnämlichda-

vonauszugehen,dassalleTaxiseinerTaxizentrale zum selben Tarif fahrenwerden, den die Taxizentrale be-

stimmt.Bisherwerden zwar Fahrzeu-

Page 18: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

GUTACHTENDESWISSENSCHAFTLICHENBEIRATSBEIMBUNDESMINISTERFÜRVERKEHRUNDDIGITALEINFRASTRUKTUR

Seite18

ge und Fahrer reguliert, ein Regulie-rungsrahmen für Vermittler existiert

jedoch nicht. Der WissenschaftlicheBeirat plädiert dafür, einen solchenRahmen, zumindest die Aufnahme

vonVermittlern indasPBefGverbun-denmiteinerRegistrierungs-undDo-kumentationspflicht zu schaffen, be-

vordiePreisefreigegebenwerden.

Auch das Geschäftsmodell von Uberist nicht das einer reinen Plattform,dennUberbestimmtsowohldenPreis

der Fahrtwie auch indirekt über denfür die Vermittlung beanspruchtenAnteilderErlösedieAnzahlderTaxis,

die für Uber fahren. Bei der webba-sierten Vermittlung von Taxifahrten

istauchnichtdamit zu rechnen,dassreine Plattformen erfolgreich seinkönnen,dennbilateralePreisverhand-

lungen (oder Auktionen) verursachenhohe Transaktionskosten allein durchihreDauer,diegrößerseinwerdenals

die Kundenvorteile aus geringerenPreisen. Von daher werden webba-sierte Vermittler im Taximarkt einen

Preissetzungsspielraum besitzen, derim Falle einer Marktbeherrschungmissbraucht werden kann. Da ein

wichtiger Kundennutzen durch einegeringeWartezeitgeneriertwird,undVermittlermit einer größeren Anzahl

vonTaxis inderRegelgeringereWar-tezeitenanbietenwerden, istmitho-

henSkalenerträgeninderVermittlungzu rechnen. Sollte der potentielle

Wettbewerb nicht ausreichen umMissbrauch zu verhindern und sollteauch das Bundeskartellamt diesen

Missbrauchnichtbeenden,kanneinespezifische Regulierung notwendigwerden.

Allerdings sollen auch die Potenzialedes Plattform-Wettbewerbs nicht un-terschätzt werden. In der Regel kön-nen sowohlVerbraucher als auch Ta-

xiunternehmen auf mehreren Platt-formen (Apps und Funkzentralen)gleichzeitig agieren. DerWettbewerb

zwischen Taxivermittlern wird geför-dert, wenn Taxis ihre Leistungen auf

mehrerenMärktensimultananbieten.Dagegen wäre das Verbot eines sol-chen sogenannten Multihomings der

Taxiunternehmen wettbewerbsfeind-lich und sollte nicht gestattet sein.DennochkönntediemangelndeÜber-

tragbarkeitvonQualitätsbewertungenderTaxiunternehmenoderTaxifahrersowie die Entwicklung von Bonus-

Preis-SystemendenWettbewerb zwi-schen den Plattformen einschränken.Eine gesetzliche Vorgabe zur Daten-

portabilität, die auch solche Bewer-tungen umfasst und daher über dieEU-Datenschutz-Grundverordnung

Page 19: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

TAXIMARKTNUTZEN:LIBERALISIERENUNDVERBRAUCHERSCHUTZSTÄRKEN

Seite19

(EU-DSGVO)16 hinausgehen muss,

kanndenWettbewerb fördern.BeideSeiten der Nutzer der Vermittlungs-plattformen sollten ihre Daten als

Kopie in einem gängigen elektroni-schen Format verlangen können, umdiesekostenlos inandereSystemezu

überführen.

16VERORDNUNG(EU)2016/679vom27.April2016

Page 20: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

GUTACHTENDESWISSENSCHAFTLICHENBEIRATSBEIMBUNDESMINISTERFÜRVERKEHRUNDDIGITALEINFRASTRUKTUR

Seite20

5 Anmerkungenzum Verhältnis Taxis–übrigerÖPNV

Der Wissenschaftliche Beirat gehtdavon aus, dass der Taximarkt undder übrige ÖPNV (Busse, Rufbusse,Straßen-,U-undS-Bahnen,Schienen-

personennahverkehr) wie bisher üb-lich in derWeise koexistieren, indemderübrigeÖPNVu.a. dieDaseinsvor-

sorge sicherstellt und dafür von öf-fentlichenStellenauchVorgabenundSubventionen erhält, während die

Taxis ein höherwertiges Segment desÖPNV darstellen, welches eigenwirt-schaftlich aufgestellt ist und an das

auch keine konkreten Daseinsvorsor-geansprüche von öffentlicher Seitegestellt werden. Allerdings ist zu be-

obachten,dassüberdiebisherbereitsbestehenden alternativen Bedie-

nungsformen hinaus (u.a. Anrufsam-meltaxi und Rufbus) neue SystemewieShuttlesfürAllein-oderGruppen-

fahrteneintreten,sowiezuerwarten,dass weitere Dienstleistungen in denMarkteintretenwerden.

Unter dieser Prämisse plädiert derWissenschaftlicheBeirat für dieweit-

gehendeundzukunftsorientierteWei-terentwicklung des Personenbeförde-

rungsgesetzes (PBefG), welche neueGeschäftsmodelle und Angebote er-möglichtundgleichzeitigeineDeregu-

lierungdesTaximarktesvornimmt.

Allerdings steht nicht nur der Taxi-markt,sondernauchderübrigeÖPNVaufgrund der Digitalisierung vor star-

ken Änderungen. So ist es gut mög-lich, dass Busse kleiner und flexiblerwerden wie bei „Rufbussen“ oder

digital vermittelten „Sammeltaxis“(ShuttleServices)bereitszubeobach-ten.WiebisherbleibenTaxisTeildes

ÖPNV. SomitwirdauchweiterhindieMöglichkeit bestehen, dass Kommu-

nen, die den Grundversorgungsauf-trag des ÖPNV mit neuen Formenoder sogar mit Taxis erfüllen wollen,

diese Form der Verkehrsdienstleis-tung auch (subventioniert) bestellenkönnen,soweitkeineigenwirtschaftli-

cher Betreiber bereitsteht. Die Ge-währung von ausschließenden Rech-ten für nicht linien- oder fahrplange-

bundenen Verkehr im öffentlichenDienstleistungsauftragistjedochnichtratsam.

Page 21: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

TAXIMARKTNUTZEN:LIBERALISIERENUNDVERBRAUCHERSCHUTZSTÄRKEN

Seite21

6 Empfehlungen

Die technische Entwicklung der letz-ten Jahrzehnte ermöglicht eineDere-gulierung der Taximärkte. Ehemalige

Markteintrittsbarrieren aufgrund ho-her Kapitalinvestitionen (Fahrzeuge,Funkzentralen) und Humankapitalin-

vestitionen (Ortskunde) sind ver-schwunden. App-basierte Bestellun-gen ermöglichen Qualitätsinnovatio-

nen und Produktivitätsfortschritte.App-AnwendungenundspezielleSoft-

und Hardwareprodukte ermöglichenwesentlich bessere und billigereÜberwachungen durch Kunden und

Behörden. Um die Früchte dieser In-novationen zu ernten, müssen Be-schränkungendesunternehmerischen

Spielraums abgebaut werden, ohnedabei Kompromisse in Bezug auf dieSicherheit der Fahrgäste und die Ein-

haltungderRegelneinzugehen.Daherformuliert der Wissenschaftliche Bei-rat nachfolgende Empfehlungen zur

ReformdesRegulierungsrahmensdesTaximarktes:

a) Quantitative Konzessionsbeschrän-kungenwerdenabgeschafft,esbleibt

aber bei der Konzessionsvergabe fürTaxiunternehmenabhängigvonFach-kunde und Regelkonformität, die re-

gelmäßigüberprüftwerden (Hambur-

ger Modell). Die örtlichen Genehmi-

gungsbehörden könnten schon jetztdamit beginnen, weitere Konzessio-nen auszugeben und auf weitere Ta-

ximarktgutachtenzuverzichten.

b) Die Unterscheidung zwischen TaxiundMietwagenmitFahrerundRück-

kehrpflicht (Minicars) wird, auch hin-sichtlich der Umsatzsteuerhöhe, auf-gehoben. Die Umsatzsteuer wird auf

den regulären Satz vereinheitlicht.Mitfahrgelegenheiten (unentgeltlichoder nicht-gewerblich mit einem die

Betriebskosten der Fahrt nicht über-steigenden Gesamtentgelt) bleibenungeregelt. Die Kategorie des „Miet-

wagens“ sollte ganz aus dem Gesetzgestrichen werden (betrifft PBefG§49).

c) Der Beirat begrüßt die Pflicht, lü-ckenlos alle Fahrten einzeln aufzu-zeichnen und diese in digitaler Form

zur Prüfung den zuständigen Behör-denbereitzustellen.Dienacheuropäi-scher Messgeräteverordnung zulässi-

ge unbefristete Weiternutzung vonAltgeräten,dievordem01.11.2016inTaxen in Betrieb gebracht sind, ist in

einermöglichstkurzenÜbergangsfristzu beenden, um eine Verzerrung derWettbewerbsbedingungen zu unter-

binden.AuchUnternehmen,dieTaxi-fahrten vermitteln, sollten dieserPflichtunterliegen.

d) Die Tarife für Taxifahrten müssennicht weiter staatlich bestimmt wer-

Page 22: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

GUTACHTENDESWISSENSCHAFTLICHENBEIRATSBEIMBUNDESMINISTERFÜRVERKEHRUNDDIGITALEINFRASTRUKTUR

Seite22

den; § 51 Abs. 5 PBefG sollte dahergestrichen werden. Um eine fairePreisbildungzugewährleisten, solltendie Informationspflichten an Taxi-ständenundbeiRuftaxisausgeweitetundreguliertwerden.

Bei Funk- und Ruftaxis entscheidetdasUnternehmenüberdenTarif.DerKundemussvorFahrtantrittüberdenFahrpreis bzw. dessen Komponenteninformiert werden. Taxistände, dieeine Vermittlungsfunktion überneh-men,könnenTarifevorgeben.Essoll-tedaraufhingewirktwerden,dassansolchen Verkehrsknotenpunkten zu-sätzlich zu den Taxiständen mit Be-treiber-VorgabenauchWettbewerberFahrtenanbietenkönnen.

e) Taxizentralen undwebbasierte Ta-xivermittler werden nach der Preis-

freigabeeineneueRolleübernehmen:Sie werden die Preise festlegen, diedieKundenbezahlenmüssen.Deshalb

sollten sie als neue Kategorie insPBefG aufgenommen werden. Siesollten Daten jeder Fahrt bereitstel-

len, um eine Marktmachtmiss-brauchskontrolle wie auch die allge-meineRegelkontrollezuunterstützen.

NacheinersolchenReformderRegu-lierung istdamitzurechnen,dassdieKundenvoneinembreiterenAngebotund geringeren Wartezeiten profitie-

ren werden. Die bessere Vermittlungund die Vermeidung von Leerfahrten

reduzieren die Umweltbelastung unddieKostenderTaxifahrten.Auchwird

es zu Qualitätsdifferenzierungenkommen und es werden über dietechnischen Mindestanforderungen

hinausgehende Fahrzeugqualitäten(Kleinwagen, Limousine, Freundlich-keit,Umweltfreundlichkeit)amMarkt

auftreten.

In späteren Jahren ist damit zu rech-nen, dass Taxidienstleistungen durchautonomeFahrzeugeunddamitauch

ohne Fahrer angeboten werden kön-nen. Da der Lohn für die Fahrer zurZeitwesentlich zudenGesamtkosten

einerTaxifahrtbeiträgtundautonomeTaxis sich im Fahrstil den Wünschen

derKundenanpassenkönnen,gibtesstarkeAnreize, fahrerlose Taxis anzu-bieten und nachzufragen. Diese Zu-

kunftwirdeinenneuenRegulierungs-rahmenbenötigen.

Page 23: Die Chancen der Digitalisierung im Taximarkt nutzen ......Disruptive change in the taxi business: The case of uber. American Economic Review: Papers and Proceedings 106(5), 177–182

Seite23

MitgliederdesWissenschaftlichenBeiratsbeimBundesministeriumfürVerkehrunddigitaleInfrastruktur

Prof.Dr.AlexanderEisenkopf Friedrichshafen

Prof.Dr.-Ing.HartmutFricke Dresden

Prof.Dr.-Ing.MarkusFriedrich

Prof.Dr.-Ing.RegineGerike

Prof.Dr.Hans-DietrichHaasis

Prof.Dr.GünterKnieps(Vorsitzender)

Stuttgart

Dresden

Bremen

Freiburg

Prof.Dr.Dr.h.c.AndreasKnorr Speyer

Prof.Dr.KayMitusch Karlsruhe

Prof.Dr.StefanOeter Hamburg

Prof.Dr.Dr.h.c.FranzJosefRadermacher Ulm

Prof.Dr.GernotSieg Münster

Prof.Dr.-Ing.JürgenSiegmann Berlin

Prof.Dr.WolfgangStölzle St.Gallen

Prof.Dr.-Ing.DirkVallée Aachen

Prof.Dr.-Ing.PeterVortisch Karlsruhe

Prof.Dr.rer.nat.HermannWinner Darmstadt