die arztpraxis in der wolke

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Cloud-Computing Die Arztpraxis in der Wolke Alle Welt spricht derzeit vom „Cloud-Computing“. Ein ganz entscheidender Vorteil dieser Technik ist die Möglichkeit der Vernetzung ohne große Investitionen in eigene Hard- und Software. Doch für Arztpraxen ist die Nutzung der Clouds nicht ganz unproblematisch. Praxis konkret C loud-Services sprießen derzeit wie Pilze aus dem Boden. Egal ob es um Soſtware-Dienste, Mail-Syste- me oder das Speichern von Daten geht – alles lässt sich per Cloud und mit wenig eigener Technik nutzen. Und auch die Vernetzung mit anderen Nutzern ist plötzlich kein Problem mehr. Dazu braucht es nur die richtigen Zugangsda- ten und einen Internetanschluss. Doch eignen sich die Clouds auch für Arztpra- xen und ihre sensiblen Patientendaten? „Das kommt ganz darauf an, welche Da- ten die Praxis in die Cloud stellen will“, sagt Maximilian Beckenbach, Senior Consultant Security bei der curaIT GmbH, die sich auf die Betreuung von IT-Systemen spezialisiert hat. Ihr E- Mail-System könnten Ärzte problemlos in die Cloud stellen, solange darüber kei- ne sensiblen Patientendaten ausge- tauscht werden. Und auch ein gemein- sam geführter Terminkalender oder die Netzwerküberwachung samt Viren- schutz könne über die Cloud geregelt werden. Letzteres bietet sogar den Vor- teil, dass die Praxis sich nicht ständig selbst um die Aktualisierung des Viren- schutzprogramms kümmern muss. „Kritisch wird es, wenn Praxen auch ihre Praxisverwaltungssoſtware in die Cloud werfen“, so Beckenbach. Nur die Anbieter wissen, wo ihre Server stehen Die Risiken des Cloud-Computing erklä- ren sich aus der Funktionsweise der Da- tenwolken, denn sie und ihre Anbieter machen nichts anderes, als der Praxis IT- Ressourcen via Netzwerk zur Verfügung zu stellen. Programme, Rechenleistung, aber auch ganze Betriebssysteme ebenso wie Speicherplatz werden über solche Online-Netzwerke bereitgestellt. Dabei liegen die Daten auf Zentralservern, auf die per Web zugegriffen wird. Der Rech- ner in der Praxis oder zu Hause wird im Prinzip nur für zwei Dinge benötigt: als Internetanbindung und als Hilfsmittel, damit die Nutzer mit den Programmen aus der Cloud auch arbeiten können. Das Problem dabei ist, dass nur der Anbieter weiß, wo genau die Server ste- hen, auf denen die Daten abgelegt wer- den. Und auch nur er weiß, ob die Daten auf einem Server liegen oder auf mehre- re verteilt sind, die vielleicht auch noch in unterschiedlichen Ländern stehen. Ähnlich sieht es mit der Technik zur Da- tensicherung aus: „Die technische Orga- nisation der Datenhaltung wird wie ein Staatsgeheimnis gehütet“, schreiben Christian Metzger, orsten Reitz und Juan Villar in ihrem im Hanser Verlag erschienenen Ratgeber „Cloud Compu- ting – Chancen und Risiken aus techni- scher und unternehmerischer Sicht“. Der Arzt haftet für die Daten Hier stellen sich für Ärzte die wichtige Frage: Welchem Anbieter kann ich ver- trauen? Letztlich müsse der Arzt dafür sorgen, dass Patientendaten nicht in die Hände Dritter geraten, so Beckenbach. „Bei den großen Unternehmen wie Mi- crosoſt oder Cisco kann man sicher sein, dass sie alle nötigen Sicherheits- und DIN-ISO-Zertifikate haben.“ Wichtig sei aber, dass die Server für Europa auch tat- sächlich nur in Europa stehen, so Becken- bach weiter. „Microsoſt garantiert, dass die Server für europäische Cloud-Dienste in Irland oder Amsterdam stehen.“ Das ist deshalb so bedeutend, weil in anderen Regionen andere – mitunter laxere – Da- tenschutzregeln und Zugriffsrechte für staatliche Kontrollen der Daten als in der EU gelten. Also gilt es, sich vor dem Ver- tragsabschluss die Zertifikate der Anbie- ter genau anzusehen. „Ärzte sollten dabei unbedingt auf DIN- ISO-Zertifikate ach- ten“, rät Beckenbach. Die ISO-Prüfer sei- en unabhängig und wesentlich strenger. Alternative: Privat-Cloud Für Mediziner, die in einem Ärztenetz zusammenarbeiten wollen, besteht die © P. R. Yakin / Fotolia.com Auch eine Möglichkeit: eine private Cloud nur für ein Ärztenetz. 60 ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2012; 15 (4)

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Cloud-Computing

Die Arztpraxis in der Wolke

Alle Welt spricht derzeit vom „Cloud-Computing“. Ein ganz entscheidender Vorteil dieser Technik ist die Möglichkeit der Vernetzung ohne große Investitionen in eigene Hard- und Software. Doch für Arztpraxen ist die Nutzung der Clouds nicht ganz unproblematisch.

Praxis konkret

Cloud-Services sprießen derzeit wie Pilze aus dem Boden. Egal ob es um Software-Dienste, Mail-Syste-

me oder das Speichern von Daten geht – alles lässt sich per Cloud und mit wenig eigener Technik nutzen. Und auch die Vernetzung mit anderen Nutzern ist plötzlich kein Problem mehr. Dazu braucht es nur die richtigen Zugangsda-ten und einen Internetanschluss. Doch eignen sich die Clouds auch für Arztpra-xen und ihre sensiblen Patientendaten?

„Das kommt ganz darauf an, welche Da-ten die Praxis in die Cloud stellen will“, sagt Maximilian Beckenbach, Senior Consultant Security bei der curaIT GmbH, die sich auf die Betreuung von IT-Systemen spezialisiert hat. Ihr E-Mail-System könnten Ärzte problemlos in die Cloud stellen, solange darüber kei-ne sensiblen Patientendaten ausge-tauscht werden. Und auch ein gemein-sam geführter Terminkalender oder die Netzwerküberwachung samt Viren-schutz könne über die Cloud geregelt werden. Letzteres bietet sogar den Vor-teil, dass die Praxis sich nicht ständig selbst um die Aktualisierung des Viren-schutzprogramms kümmern muss.

„Kritisch wird es, wenn Praxen auch ihre Praxisverwaltungssoftware in die Cloud werfen“, so Beckenbach.

Nur die Anbieter wissen, wo ihre Server stehenDie Risiken des Cloud-Computing erklä-ren sich aus der Funktionsweise der Da-tenwolken, denn sie und ihre Anbieter machen nichts anderes, als der Praxis IT-Ressourcen via Netzwerk zur Verfügung zu stellen. Programme, Rechenleistung, aber auch ganze Betriebssysteme ebenso wie Speicherplatz werden über solche Online-Netzwerke bereitgestellt. Dabei liegen die Daten auf Zentralservern, auf die per Web zugegriffen wird. Der Rech-ner in der Praxis oder zu Hause wird im Prinzip nur für zwei Dinge benötigt: als Internetanbindung und als Hilfsmittel, damit die Nutzer mit den Programmen aus der Cloud auch arbeiten können.

Das Problem dabei ist, dass nur der Anbieter weiß, wo genau die Server ste-hen, auf denen die Daten abgelegt wer-den. Und auch nur er weiß, ob die Daten auf einem Server liegen oder auf mehre-re verteilt sind, die vielleicht auch noch in unterschiedlichen Ländern stehen. Ähnlich sieht es mit der Technik zur Da-tensicherung aus: „Die technische Orga-nisation der Datenhaltung wird wie ein Staatsgeheimnis gehütet“, schreiben Christian Metzger, Thorsten Reitz und Juan Villar in ihrem im Hanser Verlag erschienenen Ratgeber „Cloud Compu-

ting – Chancen und Risiken aus techni-scher und unternehmerischer Sicht“.

Der Arzt haftet für die DatenHier stellen sich für Ärzte die wichtige Frage: Welchem Anbieter kann ich ver-trauen? Letztlich müsse der Arzt dafür sorgen, dass Patientendaten nicht in die Hände Dritter geraten, so Beckenbach.

„Bei den großen Unternehmen wie Mi-crosoft oder Cisco kann man sicher sein, dass sie alle nötigen Sicherheits- und DIN-ISO-Zertifikate haben.“ Wichtig sei aber, dass die Server für Europa auch tat-sächlich nur in Europa stehen, so Becken-bach weiter. „Microsoft garantiert, dass die Server für europäische Cloud-Dienste in Irland oder Amsterdam stehen.“ Das ist deshalb so bedeutend, weil in anderen Regionen andere – mitunter laxere – Da-tenschutzregeln und Zugriffsrechte für staatliche Kontrollen der Daten als in der EU gelten. Also gilt es, sich vor dem Ver-tragsabschluss die Zertifikate der Anbie-ter genau anzusehen. „Ärzte sollten dabei unbedingt auf DIN- ISO-Zertifikate ach-ten“, rät Beckenbach. Die ISO-Prüfer sei-en unabhängig und wesentlich strenger.

Alternative: Privat-CloudFür Mediziner, die in einem Ärztenetz zusammenarbeiten wollen, besteht die

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Auch eine Möglichkeit: eine private Cloud nur für ein Ärztenetz.

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KBV ändert Vorgaben für Arzneidatenbanken

Seit Juli gelten umfangreiche neue Vorgaben der KBV an die Verordnungssoftware be-ziehungsweise Arzneimitteldatenbanken der Praxissoftware-Systeme. In der Regel werden die neuen Anforderungen von allen von der KBV zertifizierten EDV-Anbietern automatisch umgesetzt. Ärzte sollten aber darauf achten, dass Updates diese Änderun-gen auch tatsächlich beinhalten beziehungsweise dies mit ihrem Software-Anbieter klären. Das Software-Haus TurboMed hat zum Beispiel angekündigt, dass mit dem Q3-Update Ärzten eine neue Generation der ifap-Medikamentendatenbank zur Verfügung steht, die die neuen Vorgaben abdeckt. reh

Möglichkeit, sich eine eigene private Cloud aufzubauen. Dann steht der ge-meinsame Datenserver in einem abge-sicherten Raum entweder in einer der Praxen oder bei der Managementgesell-schaft des Netzes.

Denkbar ist auch, die private Cloud an einen Dienstleister auszulagern. Aber auch in einem solchen Fall sollte der Ser-ver in einem bestimmten, speziell gesi-cherten Rechenzentrum stehen. Die Pa-tientendaten bleiben trotzdem in den einzelnen Praxen. Mithilfe der Cloud kann aber übergreifend auf Fallakten oder Terminkalender zugegriffen wer-den oder der gesicherte Austausch von Daten stattfinden.

IBM bietet beispielsweise Privat-Cloud-Modelle an, mit denen auch Ge-sundheitsinformationen datenschutz-konform verarbeitet und gespeichert werden können, da die ausgelagertenDa-ten weiterhin unter ärztlicher Hoheit und damit unter Beschlagnahmeschutz stehen, wie IBM erklärt. „Solche Model-

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nioren zuhause wichtige Vitalparameter erfassen und dem Arzt über ein Zugriffs-rechtesystem via Cloud zur Verfügung stellen.

Doch es sind nicht nur die Anbieter, die eine Cloud sicher oder unsicher ma-chen. „Solange mein Ende der Leitung nicht sicher ist, ist auch die Cloud nicht sicher“, betont Beckenbach. Das heißt, der Internetzugang und der Rechner in der Praxis sollten ebenfalls vor Zugrif-fen Dritter und vor Malware geschützt werden. Hierzu benötigt man nicht nur einen stets aktualisierten Virenschutz, sondern laut Beckenbach in jedem Fall auch eine gut funktionierende Firewall. Rebbeka Höhl

le sind aber in Deutschland sehr selten, da es für sektoral organisierte Leis-tungserbringer bisher wenig Anreize gibt, Patienteninformationen auszutau-schen und eine sektorenübergreifende, integrierte Patientenversorgung effizien-ter zu koordinieren“, sagt Manuela Mül-ler-Gerndt, bei IBM Deutschland für den Bereich Healthcare verantwortlich.

Sicherheit hört nicht vor der Praxistür aufAuch Microsoft erprobt derzeit ähnliche Plattformlösungen. Ein Beispiel ist das Gesundheitsbuch von gnf Mediber, hin-ter dem die Microsoft-Cloud-Lösung HealthVault liegt. Hierüber können Se-

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