der mediation mediation wissenschaft? · 2014. 12. 14. · hans-dieter will daserhältnis v von...
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Ausgabe 44 / IV. Quartal 2011
Spektrum der Mediation
www.bmev.deDie Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation e. V.
Mediation & Wissenschaft?Berichte zum Thema
Mediation und WissenschaftKonfliktinterventionsmodellMediation erforschen
Interkulturelle Mediation
Mediation mit Fremdsprachen
Der Gastbeitrag
Die Anwendung des lösungsfokussierten Ansatzes
Berichte aus dem BM
Der neue Vorstand
Das Portrait 4 InderMediationaufReisengehenDerMediatorundFotografLarsHofmann
Berichte zum Thema 5 MediationundWissenschaftH.-D.Will
10 ZweiWeltenK.Kreuser
12 GibteseineMediationswissenschaftinDeutschland?J.v.Oertzen
17 EinmediationstauglichesKonfliktinterventionsmodellT.Robrecht
22 Mediationerforschen–oderlieberdochnicht?C.-H.Mayer&D.Busch
25 KonfliktmanagementM.Nöldeke
28 Mediation–einStiefkindderFriedens-undKonfliktforschungA.Vermeer
32 Gefühlsbegriffe,dieweiterhelfen!A.Weckert
Interkulturelle Mediation35 MediationmitFremdsprachenM.Carroll
39 EuropäischesNetzwerkJ.Walker
42 MediationineinerbinationalenEheS.AzadundT.Strobel
Qualitätssicherung & Weiterentwicklung46 MediatorIn:BerufsbildoderMenschenbild?A.Rafi
48 QualitätvonMediationT.Robrecht
Mediation & Politik 52 MediationimBundesjustizministeriumangelangt,TeilVIJ.Hohmann
54 »DieNamenserteilungistkeingleichgültigesAnliegen...«A.v.Hertel
Der Gastbeitrag 56 DieAnwendungdeslösungsfokussiertenAnsatzesB.Furman
Berichte aus dem BM 58 ZurWahldesneuenVorstands
Bücher und mehr 60 WirtschaftsmediationinderPraxis:KonfliktineinemBauprojekt,DVD
62 Mitdirzuredenistsinnlos!...Oder?I.Holler
63 SchmerzgrenzeJ.Bauer
64 WortesindSilber–wasistGold?A.Pestalozzi-Bridel
Ankündigung65 MediationgemeinsamgestaltenS.Rapp
Hinweise66 Impressum
InhaltMediation & Wissenschaft?
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
einFragezeichenaufdemTitelverdeut-
lichtdieVerunsicherung,diedasThema
dieserletztenAusgabeimJahr2011her-
vorgerufenhat.WashatWissenschaft
mitMediationzutun?GibteseineWis-
senschaft,diesichmitMediationals
Verfahrenbeschäftigt?Gibtesbereits
wissenschaftlicheErgebnisseüberMe-
diationenund/oderMediatorInnen?Die
nunvorliegendenBeiträgebietenviele
FacettenundverschiedeneVersuche,
sichdemThemazustellen.VonderBe-
standsaufnahme(S.5)bishinzurZu-
sammenarbeitvonWissenschaftlerund
Wirtschaftsunternehmen(S.25)zeigen
dieAutorInnennichtnurihrVerständ-
nisvonMediationsondernauchvonWis-
senschaftauf.DiepraktischeUmsetzung
unddieErfahrungenderMediatorInnen
sindfürdieWissenschaftlerInneneben-
sowichtigwiedietheoretischeAuseinan-
dersetzung.DieDiskussionsollgenauso
angeregtwerdenwiederfachlicheAus-
tauschunddasSpektrumderMediation
kanndafüreinePlattformbieten.
EineIdeevonErwinRuhnauwurde
indiesemHeftwiederaufgegriffen:
Künstler,indiesemFalleinFotograf,
stellenBilderihrerArbeitenkostenfrei
zurVerfügung.UnterdenMediatorInnen
gibtesvieleMultitalente,dietanzen,sin-
gen,musizieren,schauspielernundeben
auchBilderoderSkulpturenschaffen.Wir
möchtenalleLeserInnenaufrufen,sichzu
melden,wennsieunsbeiderGestaltung
einesHeftesmitBildernunterstützen
möchten.OderSiekenneneinenKünstler
odereineKünstlerin,diesichfreut,wenn
dieBildervielleichtzumerstenMalveröf-
fentlichtwerden?
DasRedaktionsteamwünschtallen
LeserinnenundLeserneinefroheWeih-
nachtszeitundeinengutenStartindas
neueJahr.UndbleibenSieunsundIhrer
Fachzeitschrifttreu.
Ihre Redaktion
Christine Oschmann
4 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
Das Portrait
habemichmitProjektenwie»Kronach
leuchtet«fürsieeingesetzt.
Du hast von Perspektivwechsel
beim Reisen gesprochen. Da klingen
MediatorInnen sofort die Ohren.
IneinerMediationgehenwiraufRei-
sen.DieseAnalogiebieteichauchger-
nemeinenMediandInnenan.Wirbe-
steigengemeinsameinenBerg.Ichbin
derBergführerundübernehmedie
VerantwortungfüreinensicherenWeg
nachobengenausowieauchwiederhi-
nab.DieMediandInnendürfenaufdem
Gipfelnichtalleingelassenwerden.
Dasheißt,diefreieSichtaufdieKon-
fliktlinienundaufdieInteressenund
BedürfnisseallerBeteiligtenhatFol-
gen,dieauchschmerzhaftseinkönnen.
AlsMediatorwillichdenProzesswie-
derabschließen,sieindieEbenefüh-
ren,wosiesichsicherauchohnemeine
Unterstützungbewegenkönnen.
DieMediationerweitertwiedieReise
denBinnenblickundhilftKompetenzen
zuerwerbenundsichzuentwickeln.
WieaufeineReisebereiteichmichauf
dieMediationvor.Ichmöchtegenau
hinschauen,genauzuhörenundoffen
seinfüralles.
Verändert sich der Blick durch
das Fotografieren?
FürmichaufalleFälle.Ichgehevielzu
FußundschauedabeiindieFerneund
achteaufDetails.WieinderMediation
hilftdabeidieTemporeduzierung.Wenn
wirgehen,fallenunsDingeauf,diewir
sonstnichtsehenwürden.DieFotoszei-
gen,wasich»gesehen«habe;aberda
istnochmehrdahinteroderdanebenzu
sehen.SieverbindensichmitGerüchen
undGeräuschen,oftmitGefühlen.Da-
rumsetzeichmeineFotosauchgerne
inderTeamentwicklungundinMedia-
tionenein:inBilderschneckenoderfür
Einstiegs-bzw.Ausstiegsrunden.
Auf welchem Kontinent bist Du noch
nicht gewesen?
DieAntarktishabeichnochnichtbe-
reist.Dochichmöchtenicht«umje-
denPreise«dorthin.Dennesgehtmir
nichtumdas»Sammeln«vonLändern
oderAbenteuern,sondernumdasErle-
benundKennenlernen.Reisenhatfür
michimmeretwasmitNaturschutzzu
tun:WievieleMenschenverkraftetei-
neLandschaft?Möchteichmichimmer
insFlugzeugsetzen,umwoandersan-
zukommen?DiesesDilemmahabeich
nochnichtauflösenkönnen.
DasGesprächführte
ChristineOschmann.
Danke, dass Du eine Auswahl Deiner
Fotos für diese Ausgabe honorarfrei zur
Verfügung gestellt hast. Wie viele Fotos
befinden sich auf Deinem Rechner?
Ichfotografiereerstseit2009digital.In
Diakästensindvielleicht20000Bilderar-
chiviertodermehr,ichhabesienichtge-
zählt.Das,wasichhierzurVerfügungge-
stellthabe,isteinekleineAuswahlaus
meinenersten7000digitalenBildern.
Welche Impressionen sehen wir
in diesem Heft?
DieBilderstammenvoneinerReise,
diemichfünfMonaterundumdieWelt
geführthat.»Unavuelta«istderTitel
derSerie,dieinLadakh(Indien),Neu-
seeland,TahitiunddenOsterinselnund
Patagonienentstandenist.Dazugibt
eseinReiseblogunterunavuelta.de.
IndenWintermonatenpräsentiereich
dieBilderinShows,dieauchmitMu-
sikundGeräuschenausdenentspre-
chendenLändernunterlegtsind.Doch
ichreisenichtnur,umzufotografieren.
Was bedeutet das Reisen für Dich?
Weite,EntdeckungandererKulturräu-
me,Veränderungmeinerselbstund
meinesBlickesaufandereMenschen
unddieHeimat,letztendlichPerspek-
tivwechsel.IchbinimZonenrandge-
bietaufgewachsen.Eswarallessehr
engimFrankenwald.ErstzumStudi-
umbinichrausindie»weiteWelt«
gekommen.SohatsichNürnberg
damalsjedenfallsangefühlt.AlsSo-
zialpädagogehabeicheinenJugend-
austauschnachBurundiorganisiert.
Daswar1993kurzvordemBürgerkrieg.
DieFeierzurfriedlichendeutsch-deut-
schenGrenzöffnungmiteinerinterna-
tionalenJugendbegegnunghatmich
ebenfallsgeprägt.Ichhabegemerkt,
dassmichReisenverändernundich
derHeimateineneueBedeutungge-
be.DieRegion,inderichaufgewachsen
bin,istmirwichtiggewordenundich
In der Mediation auf Reisen gehen Der Mediator und Fotograf Lars Hofmann im Porträt
*LarsHofmannMediatorBM®undCoachfürTeamsundGruppenimöffentlichenRaum,inderAus-undFortbildungtätig
*E-Mail:[email protected]
Kontakt
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 5
Berichte zum Thema
1.Mediation als Wissenschaft?Schwierigkeiten der Definitionen
AlsichalsVertreterderWissenschaft
undAusbildervonMediatorInnendie
Anfrageerhielt,zudemThema»Me-
diationundWissenschaft«einen
kurzenÜberblickzugeben,ahnteich
nochnicht,woraufichmichdamitein-
gelassenhatte.Ichholtemeineum-
fangreicheLiteraturausdemRegal
undmusstebaldfeststellen,dassan-
gesichtseinerVielzahlvonAnwen-
dungsfeldern,Praxisbeispielenundvon
gedanklichenwieanwendungsorien-
tiertenZugängenundAusformungen
vonMediationwenigzufindenist,was
denAnspruchaufMediationalseine
wissenschaftlicheDisziplinuntermau-
ernkönnte.GerhardFalkcharakteri-
siertenachdenbeideninternationa-
lenSymposien»WeltderMediation«
1996und1997inKlagenfurtdieSitu-
Hans-Dieter Will
DasVerhältnisvonMediationundWissenschaftsollinvierSchrittengenaueruntersuchtwerden:
MediationalsWissenschaft,MediationalswissenschaftlichfundiertePraxis,MediationalsGegen-
standvonWissenschaftundForschungundMediationalswissenschaftlicheAusbildung.DerAutor
kommtzudemSchluss,dasseseineMediationswissenschaft(noch)nichtgibt,dassdasVerhältnis
vonMediationundWissenschaftnochsehreklektischistundverbessertwerdenkann.Anstößeda-
zuerhofftersichvonderEtablierungvonMediationimRahmenderBachelor-undMasterstudien-
gängeundderdadurchangeregtenuniversitärenForschung.
ationso:»DieLandschaft–derMedia-
tion–istalsoheterogen,eineallgemei-
neTheorieliegtnichtvor.Zahlreiche
Praxisberichte,BefragungenundEva-
luationenzeigenaber,dassMediation
›funktioniert‹«.1AuchzehnJahrespäter
sindim1350-seitigen»HandbuchMe-
diation«wedereineeindeutigeDefini-
tionfürMediationnochklareHinwei-
sefürihreQualitätalsWissenschaftzu
finden,obgleichkonstatiertwird,dass
MediationinDeutschlandeinfesterBe-
standdesRepertoiresfriedlicherKon-
fliktregulierungist.2
EineoffizielleDefinitionvonMedia-
tionliefertinzwischendieMediations-
richtliniederEU.Demnachist»Me-
diationeinstrukturiertesVerfahren
unabhängigvonseinerBezeichnung,
indemzweiodermehrStreitparteien
mitHilfeeinesMediatorsauffreiwil-
ligerBasisselbstversuchen,eineVer-
einbarungüberdieBeilegungihrer
Streitigkeitenzuerzielen.«3DieDefi-
nitionbasiertaufvierPrinzipien,die
einenCodexdarstellen,dernochkei-
nenHinweisaufdiewissenschaftliche
Qualifizierungdieses»Verfahrens«be-
inhaltet.BeidemVersuchdenCharak-
tervonMediationpräziserzufassen,
stoßeichvonAutorzuAutoraufver-
schiedeneZuordnungen,diebeimir
immerneueFragenaufwerfen:IstMe-
diationeine»Interventionsformzur
LösungvonKonflikten«,eineschlichte
»MethodezurStreitbeilegung«,eine
»Kommunikationstechnik«,eine»Stra-
tegiefürdenUmgangmitKonflikten«,
eine»Verhandlungsstrategie«,oderist
Mediation und Wissenschaft
1 Falk, G.: Einleitung in: Falk/Heintel/Pelikan, S.13.
2 Haft, F./von Schlieffen, K.: S. IX.3 EU-Mediationsrichtlinie vom 21.5.2008. In: Amtsblatt der EU vom 24.5.2008, L136/6.
Berichte zum Thema
6 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
esmehreine»Haltung«undGrund-
einstellung,gareine»Philosophie«,
ohnedieMediationzumseelenlosen
manipulativenWerkzeugverkommt?
BasiertMediationgaraufeiner«Intui-
tion«,zudermanbegabtseinmuss,
einentsprechendesCharismabraucht,
umwirksamzusein?Oderistdieviel
zitierteAchtsamkeit,Empathiefähig-
keitundAuthentizitätdertätigen
MediatorIneinemwissenschaftlichen
Kompetenzerwerbebensozugänglich
wievieleandereakademischeBerufe
auch?LässtsichihreWirksamkeitin
einenrationalfassbaren,theoretisch
begründbarenErklärungszusammen-
hangeinordnen,derfüreinewissen-
schaftlichangeleiteteAusbildung
konstitutivist?
Offensichtlichist,dasssichdieZunft
derMediatorInnennichtdamitzufrie-
dengebenwill,dassMediationalsein
beliebigeinsetzbaresInstrumentzur
Konfliktbearbeitungverstandenwird.
Das»Gute«anderMediationsollaus
ihrselbstkommen,indemsieuntrenn-
barmiteinermediativenHaltungver-
bundenwird,diedasBerufsethosder
MediatorInnengleichsaminsichträgt.
»MediationisteinProzessderAufklä-
rung,EmanzipationundZivilisation«
postuliertChristineKabstimentspre-
chendenSchwerpunktheft»Haltung
inderMediation«.4IstbeidieserSelbst-
zuschreibungderMediationnurder
WunschderVaterdesGedankensoder
kannsichMediationdabeiaufeinewis-
senschaftlicheGrundlageberufen?
Handwerk, Kunst, Religion
oder Wissenschaft?
LarsKirchhoffundKirstenSchroe-
ter,diefüreinestandardisierteMe-
diationsausbildungeinLehrmodul
»Mediationswissenschaft?«zusam-
mengestellthaben,setzenhinterdie-
senBegriffeinFragezeichenundge-
benaufdieselbstgestellteFrage,ob
MediationeinHandwerk,Kunstoder
Wissenschaftsei,diediplomatische
Antwort:»ImBereichvonMediation
greifenHandwerk,KunstundWissen-
schaft–mitfließendenÜbergängen
–ineinander«5.Gleichzeitigbeharren
siedarauf,dassMediationauchei-
ne»Kunst«(HaltungoderBegabung?)
sei,diesichreinwissenschaftlich-
logischerAusbildungnichtautoma-
tischerschließt.
NocheinenSchrittweitergehtdie
GruppevonMediatorInnen,diesich
der»transformativenMediation«ver-
schriebenhaben,undfürsichund»ih-
re«Mediationpersönlichkeits-und
gesellschaftsveränderndeZiele(Wir-
kungen?)postulieren.6Dasbeinhal-
teteineganzheitlicheSichtderKon-
fliktbearbeitung,diesichunterdem
BegriffeinerdurchMediationverän-
derten»Konfliktkultur«zusammen-
fassenlässt.DasVersprechenvon
MediationliegtdabeiineinerVerbes-
serungderKonfliktkulturzumehrFair-
ness,GewaltfreiheitundKooperation.
DieSchulmediationmitihrenvielfäl-
tigenStreitschlichterprogrammenlebt
ebensovondieserHoffnungwiedie
jüngsteErklärungderUNO-Resolution
zur»StärkungderRollederMediation
zurfriedlichenBeilegungvonStreitig-
keitenundderVerhinderungundLö-
sungvonKonflikten«vomJuni2011.
DerRückgriffderMediationspraxisauf
bewusstseinsveränderndequasi-reli-
giösePraktiken,wiez.B.Meditation
undBuddhismusistdannnichtmehr
weit7.DernormativeCharaktervon
Mediationistdabeiunübersehbar.Me-
diationwirdzumProgramm,dasmit
derUmsetzungzugleichseineWirk-
samkeitverheißt!Daswirktauchauf
michsympathisch,schafftBefürwor-
ter,quasieineFan-Gemeinde,beant-
wortetabernichtdieFragenachder
Wissenschaftlichkeit.Nachalldenvie-
lenpositivenErfahrungsberichten,wie
segensreichMediationdochfürdiezu-
künftigeStreitbeilegungsbemühungen
seinwird–wennmansiedennauch
anwendet!–beschleichtmichdieban-
geFrage,obdieserdieMediationslite-
raturprägendeOptimismusauchet-
wasmitderWissenschaftsferneder
aktuellenMediationsszenezutunha-
benkann?FreinachdemMottoaus
demFaust:waskümmertmichdie
graueTheorie,wennichdesLebens
grünenBaumauchohneBeschäfti-
gungmitihrgenießenkann!
4 Kabst, C.: Berufsethos der Mediatoren. In: Spektrum der Mediation 18/2005, Schwer-punktheft »Haltung in der Mediation«, S. 32.
5 Kirchhoff, L./Schroeter, K.: Lehrmodul 4: Mediations»wissenschaft«? – zwischen Wis-senschaftstheorie und Praxis. In: ZKM 2/2006, S. 56.
6 Am 11./12. Nov.2011 fand in Lublijana/Slowenien der 1. Internationale Kongress für Transformative Mediation statt. www.rakmo.si/ktm-ang.htm
Berichte zum Thema
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 7
2.Wissenschaftliche Grundlagen der MediationIchmachemichauf,michdemThe-
maanderszunähern:BeiallerPraxis-
orientierungistnichtzuübersehen,
dasssichMediationinvielfältiger
WeiseaufQuell-undBezugswissen-
schaftenbezieht.Kirchhoff/Schröter
sprechenvonMediationals»Schnitt-
mengenwissenschaft«5.Daistein-
maldasHarvard-Modelldesguten
Verhandelns,dasausjahrzehntelan-
genForschungenüberVerhandlungs-
abläufegewonnenwurdeundgera-
deinderwirtschaftsnahenMediation
großeBedeutungerlangthat.8Diese
AusrichtungwirdstarkvonderCentra-
lefürMediationundihrerZeitschrift
fürKonfliktmanagement(ZKM)9reprä-
sentiert.ImdeutschsprachigenRaum
hatdasHandbuch»Konfliktmanage-
ment«vonFriedrichGlaslmitseinen
umfangreichenwissenschaftlichen
AusführungenzuKonfliktdiagnose,Es-
kalationsdynamikundInterventions-
strategienzueinerwissenschaftlichen
FundierungvielerMediationsausbil-
dungenbeigetragen.10Damitrücktne-
benderKommunikationswissenschaft
dieKonfliktforschunginsZentrumder
wissenschaftlichenAusrichtungvon
Mediation.DiemöglichenInterven-
tionsstrategienbeiKonflikten,wie
z.B.Mediation,werdeninAbhängig-
keitvonderKonfliktdynamikdarge-
stellt.AuchdieverschiedenenPersön-
lichkeitseigenschaften,wiemanmit
Konfliktenumgeht,obessichz.B.
umkompetitiveoderkonsensorien-
tierteStreittypenhandelt,bildengut
untersuchtewissenschaftlicheZugän-
gezurPrüfungderMediationseignung
vonverschiedenenKommunikations-
stilenund-mustern.11Diehumanis-
tischePsychologieunddieklienten-
zentrierteGesprächsführungnachCarl
Rogers12bildeneineweiterewissen-
schaftlicherforschteGrunddisziplin.
DerUmgangmitEmotionen,dasWis-
senumdieDifferenzierungundStruk-
turvonBedürfnissen,dieGruppen-
dynamik,FragenderMotivationund
vieleweitereThemenderPsycholo-
gieundVerhaltenswissenschaftenge-
hörenzumBasiswissen,aufdassich
MediatorInneninihrerPraxisbezie-
hen.MachtundHerrschaft(Politische
Wissenschaft,Demokratietheorie),Fa-
milien-undBetriebsstrukturen(Sozio-
logie),FragetechnikenundReframing
(Sprachwissenschaft),Normgeltung
undGerechtigkeit(Rechtswissenschaft
undEthik),Entscheidungsfindung
undKreativitätstechniken(Ökono-
mie,SpieltheorieundNeurowissen-
schaften)–esgibtnurwenigeWis-
senschafts-Disziplinen,diesichnicht
alsBezugsquelleneignen,umimMe-
diationsprozesskonstruktivverortet
zuwerden.Nebeneinereklektischen
UmgangsweisemitdenBasiswissen-
schaftengibtesauchsoetwaswie
»Schulen«inderMediationsszene,die
begrifflicheundmethodischeSchwer-
punktesetzen.Nebendembereitser-
wähntenHarvard-Konzeptistdiesin
DeutschlandinsbesonderedasKon-
zeptderGewaltfreienKommunikation
(GFK)nachMarshallRosenberg13.
Nichtzuübersehensindauchdieer-
kenntnistheoretischenImplikationen
vonMediation.Ganzoffensichtlichhul-
digtdieMediationeinemradikalen
Konstruktivismus.14EsgibtkeinRichtig
oderFalsch.DieUnvereinbarkeiten,die
konträrenZiele,AnsichtenundEmpfin-
dungen,diedenAusgangskonfliktun-
lösbarerscheinenlassen,werdenin
derMediationuntergegenseitigem
AustauschundRespektzueinerneu-
enKonstellationreorganisiert,dieLö-
sungenoderBefriedungermöglicht.
DamitdarausnichteineBeliebigkeitim
UmgangmitdenProblemenerwächst
oderzufälligeErgebnisseherauskom-
men,impliziertMediationaucheinbe-
stimmtes»Menschenbild«,dasheißt
siefußtaufbestimmtenanthropolo-
gischenGrundannahmen.InderGFK
sinddiesdieTrennungvonGefüh-
lenundBedürfnissenunddasPostu-
latderIntegritätbzw.Legitimitätvon
»echten«Bedürfnissen.Gewaltistfolg-
lichnureinAusdruckunerfüllterBe-
dürfnisse,jedochselbstkeinoriginäres
menschlichesBedürfnis.Ähnlichistes
mitdemHarvard-Modell:MitderTren-
nungvonPersonundSachebeider
Konfliktbehandlungwirdunterstellt,
dasseinePerson,dieWertschätzung
undRespekterhält,ambesteninder
Lageistkonstruktivundkooperativam
Sachkonfliktzuarbeiten.Dieseanthro-
pologischenGrundannahmenderMe-
diationscheinenmirmaßgeblichdafür
zusein,dassinderDiskussionumdas
WesenderMediationwederdiehand-
werklichenochdiewissenschaftliche
KompetenzimVordergrundstehen,
sonderndiederMediatorInspezifische
»Haltung«.DasDilemma,dasdarinbe-
steht,wieeineaufradikalemKonstruk-
tivismusbasierendeMediationmitklar
formuliertenethischenPrinzipienin
Einklangzubringenist,versuchtdie
KlagenfurterSchuleumPeterHeintel
mitderTheorieeiner»Prozessethik«zu
beantworten.Mirwäreeslieber,wenn
5 Vgl. Kirchhoff, L./Schroeter, K.: Lehrmodul 4: Mediations»wissenschaft«? – zwischen Wis-senschaftstheorie und Praxis. In: ZKM 2/2006, S. 56.7 Vgl. McConnell, J. A.; s. a. Hatlapa, C.: Medita-tion und Mediation. In: Spektrum der Mediati-on 18/2005, S. 9-12. Schieferstein, W.: Die Hal-tung in der Mediation, a .a. O., S. 13-15.8 Vgl. Fisher, R. u. a.: Das Harvard-Konzept.9 Siehe: www.centrale-fuer-mediation.de10 Glasl, F.: Konfliktmanagement. 11 Vgl. Haft, F.: Verhandlung und Mediation.12 Rogers, C.R.: Die klientenzentrierte Ge-sprächspsychotherapie.
13 Rosenberg, M.B.: Gewaltfreie Kommunikation. S. a. Spektrum der Mediation 28/2007.
14 Zum »Radikalen Konstruktivismus« s. kurso-risch in wikipedia.org (Zugriff vom 31.05.2011).
Berichte zum Thema
8 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
dieanthropologischenPrämissentrans-
parentgemachtundwissenschaftlich
diskutiertwürden.15
AlldieseBezügeaufwissenschaftliche
QuellenoderBezugswissenschaften
fürMediationergebeninihrerGesamt-
schaunochkeineMediationswissen-
schaft.EsfehltdiezentraleFragestel-
lung,dasParadigma,dasnebender
TheorieunddenMethodeneineWis-
senschaftkonstituierenkann.Vielmehr
zeigendieambestenwissenschaftlich
elaborierten»Modelle«ausHarvard
oderGFK,dasssiesichalsMediations-
praxisverselbständigthabenundeiner
dringendenRückbindungindenWis-
senschaftsbetriebbedürfen.
3.Mediation als Gegenstand von Wissenschaft und ForschungDeshalbmöchteichnundenBlickda-
raufrichten,inwieweitdieMediations-
praxiszumGegenstandwissenschaft-
licherBetrachtungundForschung
gewordenist.Wennsicheinneu-
erGegenstandfürdiewissenschaft-
licheBetrachtungauftut,gehtesoft
umeineBestandsaufnahme,alsoUn-
tersuchungendazu,wievieleMedia-
tionenindenjeweiligenBereichentat-
sächlichstattfinden.Dasistfürden
Täter-Opfer-Ausgleich,dieMediation
anSchulenunddieFamilienmediation
rechtgutdokumentiert16;inanderen
BereichensindesmehrSchätzungen
alsbrauchbareStatistiken.Besser
siehtesmitFall-Studienundqualita-
tivangelegtenProzess-Evaluationen
aus,wiez.B.dieFlughafenmediation
Wien-Schwechat.17Zunehmendwird
auchdasPersonalderMediationun-
terdiewissenschaftlicheLupegenom-
men.Zurzeitlaufengerademehrere
BefragungenvonMediatorInnenzuih-
rerPraxis,insbesonderewasdenUm-
fangihrerFallarbeit,aberauchihrda-
beieingesetztesKompetenzrepertoire
betrifft.Vieleder,meistvonDiplo-
mandenoderDoktorandenangefertig-
ten,wissenschaftlichenArbeitenzur
MediationstelleneineProzess-Evalua-
tiondar,dokumentierenprimärwie
Mediationpraktiziertwird;mitdem
spannendenErgebnis,dassin60-80
ProzentderstattgefundenenMedia-
tionenaucheinErgebnis,spricheine
Mediationsvereinbarungabgeschlos-
senwurde.WasfehltsindWirkungs-
analysen,dieerforschen,wasgenau
zudemErgebnisbeigetragenoder
einErgebnisverhinderthat.Welche
Elementedervielfachelaborierten
Mediationskonzeptewarenwirksam,
welchewomöglich,undunterwelchen
Rahmenbedingungen,kontraproduk-
tiv?EsfehlensystematischeStudien
zuFragenwie:WelcheBedeutungha-
benEinzelgesprächeinderMediation?
WiewichtigistdiepersönlichePrä-
senzderKonfliktparteien?WelcheZu-
sammenhängegibteszwischendem
einzelnenMediationsfallundderKon-
fliktkultureinerOrganisation?
EsgibtimdeutschsprachigenRaum
nochkeineForschungen,diedemwis-
senschaftlichenAnspruchvonVer-
gleichsstudienmitKontrollgruppen,
sogenannten»blueprints«,gerecht
werden.DieMediationspraxiserklärt
sichnochweitgehenddadurch,dass
siestattfindet.WeitereHindernissezu
mehrTransparenzstellendiedenKli-
entenzugesicherteVertraulichkeitund
derunübersichtliche»Markt«dar,auf
demMediationengehandeltoderver-
handeltwerden.AbergeradevonSei-
tenderpotenziellenKundenkönntemit
einemsichdifferenzierendemMarktder
Druckwachsen,objektivierbareWirk-
samkeitsnachweisezuerbringen,sprich
MediationstärkerzumGegenstandvon
ForschungundWissenschaftzuma-
chen.Esistalsonötig,dassdieMedia-
tionsforschungausdenKinderschuhen
derBegleitforschungundProgrammeva-
luationzurWirkungs-undGrundlagen-
forschungweiterentwickeltwird.
4.Mediation als – wissenschaft-liche – AusbildungAlsletzteDimension,umdasVerhältnis
vonMediationundWissenschaftaus-
zuleuchten,solldieMediationsausbil-
dungnäherbetrachtetwerden.Dafällt
auf,dassesweitgehendaußeruniversi-
täreEinrichtungensind,diedieQuali-
fizierungvonMediatorInnenanbieten
undetablierthaben.Daessichbislang
beiderMediatorin–esgibtunterden
MitgliedernimBMnahezudoppeltso
vieleFrauenalsMänner–umeinenicht
geschützteBerufsbezeichnunghandelt,
kannsichauchjemandMediatorInnen-
nenohnenureineAusbildungsstun-
denachweisenzumüssen.Woransol-
lensichdieKundenorientieren,dieeine
qualifizierteMediatorInsuchen?Die
Mediationsverbändeversuchendiesem
UmstanddurchAnerkennungsverfahren
undStandardsinUmfangundInhaltder
15 Als Soziologe kann ich es nicht lassen, darauf hinzuweisen, dass Pierre Bourdieu in seiner Analyse moderner Gesellschaften den »Habi-tus« als zentrale Kategorie für soziales Handeln entwickelt. Er meint damit die Schnittstelle, an der im sozialen Austausch die gesellschaftlich gewonnene Erfahrung mit der autonomen In-dividualität immer wieder austariert werden muss. MediatorInnen wären demnach die Pro-fession, die am Habitus einer Gesellschaft be-wusst arbeiten und dessen Gestaltung aus der Anonymität sozialer Instanzen ins Bewusstsein der Akteure, sprich der Konfliktparteien, heben. S.a. Markus Schwingel: Pierre Bourdieu zur Ein-führung. S. 33-75.16 Zum Täter-Opfer-Ausgleich s. toa-service-buero.de\bibliothek; zur Schulmediation die bundesweite Studie »Mediation an Schulen« von Behn, S. u. a., Wiesbaden 2006. Zur Fa-milienmediation in Österreich die Studien von Pelikan, Ch. u. a., Familienmediation. For-schungsbericht des Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie, Wien 1996. In Deutschland die Studien von Proksch, R. und Greger, R.
17 Perspektive Mediation. Beiträge zur Konflikt-kultur. Schwerpunktheft »Forschung und Me-diation« Heft 1/2009.
Berichte zum Thema
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 9
AusbildungRechnungzutragen.
SohabensichderBM,dieBAFMunddie
BMWAaufeinenUmfangvon200Zeit-
stundengeeinigt.DieAusbildungwird
als»Zusatzausbildung«verstanden,d.h.
diezukünftigeMediatorInsolltebereits
einenakademischenBeruferlerntha-
ben.AufdieseWeisewerdenfürviele
bereitseinakademischesGrundwissen
undderUmgangmitwissenschaftlichen
TextenundVerfahrenzurVorausset-
zung.VielleichtistdiesaucheinGrund,
weshalbbisherdiewissenschaftliche
SeitederAusbildungnichtbesonders
betontwurde.
SiehtmandieinhaltlichenStandards
desBMnäheran18,sowerdenvon
denobenangeführtenBezugswis-
senschaftennurdie»Konflikttheo-
rie«sowie»Grundkenntnisseaus
Psychologie,Sozial-undKommunika-
tionswissenschaften«genannt.Der
überwiegendeTeilbestehtausKon-
zeptenundMethodenderMediation,
Selbsterfahrungundebenjeneroben
auchbereitserwähntenethischab-
geleitetenmediativen»Haltung«.Der
BMerkenntnurAusbilderInnenmit
Fallpraxisan.DiesebietendieAusbil-
dungüberwiegendalsEinzelpersonen
oderimRahmenvonInstitutenan,die
nichtdemWissenschaftsbetriebzu-
zurechnensind,sondernimweitesten
SinneFortbildungbetreiben.
BeiderBAFMwerdennichtPersonen
sondernAusbildungsinstitute(inzwi-
schensindes14)zertifiziert.DieAus-
bildungsinhaltesinddenendesBM
vergleichbar,allerdingsumbereichs-
spezifischeGrundlagendesRechtsund
derPsychologieergänzt.Eswürdezu
weitführenalleInstitutionenaufzu-
führen,dieeineMediationsausbildung
anbieten.19Dasmachtdeutlichwieum-
fangreichderAusbildungsmarktinzwi-
schengewordenist.
GefordertwirdmehrPraxisnäheals
Wissenschaftlichkeit.Hochschullehre-
rInnensindunterdenAusbilderInnen
dieAusnahme.Deshalberstauntes,
dassinzwischenzunehmendHoch-
schulenMediationinihrLehrange-
*Hans-DieterWillMitinitiatordesBundesmodellprojektes»Handschlag«,mitdem1985derTäter-Opfer-AusgleichinDeutschlanderprobtundwissenschaftlichbegleitetwurde.1994-2008ProfessorfürMediationundEinzelhilfeanderFachhochschuleErfurt.ErleitetseitJahrenden2-semestrigenweiterbildendenStudienkurs»Mediati-on-CurriculumBM«derFHErfurt.
*E-Mail:[email protected]
AutorInneninfo
botaufnehmen,meistnichtalsBerufs-
qualifikation,sondernalsErgänzung
praktisch-methodischerThemen,einige
auchalsZusatzqualifikationimRahmen
deruniversitärenWeiterbildung.Beim
VergleichunterscheidensichdieCurri-
culaderHochschulenundderobenbe-
schriebenenAusbilderinstitutenicht.
SeltenersindberufsqualifizierendeMe-
diations-Grundausbildungenandeut-
schenHochschulen,bevorzugtwerden
Fernstudiengänge.Interessantscheint
dasAngebotvonMediationimRahmen
vonMasterstudiengängen,dieeineMe-
diatorInnenausbildungbereitsvoraus-
setzen.MitderMasterarbeitsinddie
Studierendengezwungen,einmedia-
tionsrelevantesThemawissenschaftlich
zubearbeiten.Dasgehtoftnichtohne
Orientierunganwissenschaftlichen
StandardsundwissenschaftlichenQuel-
len.UmdieStudiengängeandenHoch-
schulenkontinuierlichanbietenzukön-
nen,bedarfesauchentsprechender
Professurenunddiesegründenmedia-
tionsorientierteForschungsprojekte
undInstitute,wiedasInstitutfürKon-
fliktmanagement(IKM)inFrankfurt/
OderunddasContarini-Institutander
FernuniversitätHagen.Mangehtaufin-
ternationaleKongresseundtauschtFor-
schungsfragenundErgebnisseaus.So
kannmanhoffen,dasssichMediation
nichtnuralssympathischesozialeBe-
wegung,sondernauchalsernstzuneh-
mendewissenschaftlichreflektierte
Disziplinetabliert.
AlsHochschullehrerwarichfasziniert
vonderPraxisnähederMediationsaus-
bildung,dieichselbstamHeidelberger
InstitutfürMediationabsolvierte.Als
AusbildervonMediatorInnenwünsche
ichmirdennochmehrwissenschaftlich
angeleiteteTransparenzfürdenMedia-
tionsprozess.DenKundenvonMedia-
tionwünscheichmehrSicherheitund
Qualitätskontrollefürdasvonihnen
gewählteMediationsangebot.
Literatur*FalkG./Heintel/Pelikan:DieWeltderMediation.EntwicklungundAnwen-dungeinesinterdisziplinärenKonflikt-regelungsverfahrens.Klagenfurt1998.
*Fisher,R.u.a.:DasHarvard-Konzept.Campus2009.
*Glasl,F.:Konfliktmanagement.EinHandbuchfürFührungskräfte,BeraterinnenundBerater.Bern/Stuttgart1980;2011.
*Haft,F.:VerhandlungundMediation.DieAlternativezumRechtsstreit.München2000.
*Haft,F./vonSchlieffen,K.:HandbuchMediation.Verhandlungstechnik,Strategien,Einsatzgebiete.2.AuflageMünchen2009.
*McConnell,J.A.:AchtsameMediation(mindfulMediation).BuddhistischeWegederKonfliktbearbeitung.Minden2002.
*Rogers,C.R.:DieklientenzentrierteGesprächspsychotherapie.Frankfurta.M.1993.
*Rosenberg,M.B.:GewaltfreieKommunikation.Aufrichtigundein-fühlsammiteinandersprechen.NeueWegeinderMediationimUmgangmitKonflikten.Paderborn2002.
*Schwingel,Markus:PierreBourdieuzurEinführung.Kap.3»DieDispositionendesHabitusunddieDialektikvonHabitusundFeld«,Hamburg1995.
18 bmev.de, Ausbildungsstandards/Inhalte der Ausbildung.
19 Beispielhaft zu nennen sind die Centrale für Mediation, die Deutsche Gesellschaft für Me-diation, die internationale Mediationsorgani-sation EUCOM.
10 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
Berichte zum Thema
Zwei WeltenKarl Kreuser
suchederInstrumentalisierung.Erst
einindenRollengeklärterUmgang
miteinandereröffnetbeidenWelten,
MediationundWissenschaft,einenfür
beideprofitablenMöglichkeitsraum.
DieHerausforderungwirdfürdenWis-
senschaftlerbesondersdannspürbar,
wennerauchzurkochendenZunftge-
hört.FindenWissenschaftlerInnenzum
Beispielheraus,dassdiebeidenwe-
sentlichenRessourcenfürMediation
EmpathieundMachtgebrauchsind,
dannfreuensiesichandererstenEr-
kenntnisundhadernmitderzweiten,
dennderMediatorIninihristdochge-
radeangewaltfreierundMachtver-
meidenderKommunikationgelegen.
Daspasstnichtzusammen,dasind
WissenschaftlerInnenschoneinewirk-
lichguteErklärungschuldig.DieRed-
lichkeitderWissenschaftlerInnenver-
langt,beideErkenntnissegleichwertig
darzustellen.EinederKompetenzender
WissenschaftlerInisteineDarstellung
derDenkwege,QuellenundErgebnisse,
sodasssiefürMediatorInnennachvoll-
ziehbar–unddamitauchangreifbar–
werden.DieMediatorInkannselbstkri-
tischprüfen,obindenErkenntnissen
etwasfürdieArbeitNützlichessteckt.
UmbeimBeispielzubleiben:Wie
kommtdieWissenschaftlerInzueiner
MediationundWissenschaftunterscheidensichähnlichwieKochundLebensmittelchemiker.
MediationsforschungbirgtdieHerausforderunginsich,diesezweiWeltenzuverbinden.Zumindest
einedieserWeltenbrauchtdieanderenichtzwingend:Mankannauchmediieren,ohneMediation
definierenzukönnen.BeideProfessionenbearbeitenunterschiedlicheLeitdifferenzenundbrauchen
verschiedeneHandlungsmodalitätensowieKompetenzen.MediationbearbeitetdieDifferenzvonPro-
blemundLösung.InderWissenschaftgehtesumBeweisenundRechthaben.Genaudaswiderspricht
demKernanliegenvonMediation.InderTateineHerausforderung.
BeideSichtweisen,Wissenschaft
wieMediation,habenihreblin-
denFlecken.DieVerbindung
zweierDenkweltenistdannnützlich,
wennderBlickdesAnderenetwaser-
kennenlässt,dasbisherimeigenen
blindenFleckverborgenwar.Sokön-
nenbeidesichgegenseitigbeobachten
undsichdieErgebnisseundInterpreta-
tionenihrerBeobachtungenmitteilen.
Besondersdann,wennes»kochende
Laboranten«oder»analysierendeKö-
che«gibtoderwenneinerProfession
Erwartungenzugeschriebenwerden,
diediesenichterfüllenkann,istdie
VerknüpfungdieserzweiDenkwelten
anfälligfürManipulationenoderVer-
Berichte zum Thema
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 11
Erkenntnis?DieLogikderDistinktionen
isteinesystemischesoziologischeThe-
orie,mitderKonfliktundMediationer-
klärtwerdenkönnen.Nachihrwird
etwas(inunseremFallMediation)mög-
lich,wennzugleicheineAsymmetrie
undeineSymmetrieauftreten.Diefür
dieMediationerforderlicheAsymmetrie
bestehtinderUnterscheidungnachau-
ßen,waszurMediationgehörtundwas
nichtundwirddurchdasstrikteEinhal-
tenvonVertraulichkeiterkennbargesi-
chert.NachinnenschafftdieMediatorIn
AsymmetriedurchmoderierendePro-
zesssteuerungsowiedieFestlegungvon
Verhaltensregelnunddaskonsequente
Einfordern,dieseeinzuhalten.DieRes-
source,diedasermöglicht,nennenwir
Macht,essindEingriffeindieAutono-
miederKonfliktparteien.Ohnediese
Steuerungshoheit,wennjedeundjeder
machenwürde,wasgeradebeliebt,und
ohnestrikteAbgrenzungnachaußenist
Mediationnichtmöglich.
DieMachtderMediatorInistnicht
angeboren,sonderngeliehen.Die
MediandInnenverleihenderMediatorIn
auseigenerAutonomiefürdieDauer
desProzessesundjederzeitwiderruf-
bardieMachtzurSteuerungaufeinan-
gestrebtesZielhin.EsistkeineAllmacht,
dieetwaauchdieEntscheidungüber
KonsensoderLösungumfasst,
diesebleibtdenMediandInnen.Die
MediatorInmussalso,nebenderSteu-
erungdesProzesses,permanentam
HerstellenundAufrechterhaltender
eigenenVoraussetzung,derRessource
Machtarbeiten.DazuistdiezweiteRes-
sourceEmpathienotwendig.
Ineinerkonfliktären,emotionallabi-
lenSituation,inderstarkePolarisie-
rungen(Freund-Feind)wirken,mussdie
MediatorIndazuneutralerlebtwerden
(»istnichtFeind,auchwennsienicht
Verbündeteist«)unddarüberhinausall-
parteilich(»istFreund,obwohlsienicht
Verbündeteist«;imempathischenSinn
von»hatverstanden,wasmirwirk-
lichwichtigistundachtetmitderihr
vonmirdazuverliehenenMachtda-
rauf,dassdiesberücksichtigtwird«).Fer-
nerbedarfes,umaufDauerdiezurPro-
zesssteuerungerforderlicheMachtzu
bekommenundzuerhalten,derFähig-
keitendesstellvertretendenDeutens
unddesFallverstehens,wieUlrichOe-
vermannsiebeschreibt.MitsolchenFä-
higkeitengelingtes,denProzessimSinn
derMediandInnenzusteuern.Diesebei-
denKlassikerderProfessionssoziologie
kommenohneEmpathienichtaus.
GrundideevonMediationist,die
MediandInneninihreeigenenKom-
petenzenzubegleiten,sodassdiese
selbstorganisiertundselbstverantwor-
tet»ihren«Konsensfinden.Deshalb
mussdieMachtverteilungsosymme-
trisiertwerden,dasseinerseitsdie
MediatorInübergenügendRessource
fürihrerollenbedingteAufgabeverfügt
undandererseitsdieMediandInnenin
ihrerAutonomiederselbstorganisier-
tenKonsensfindung,Entscheidungund
Verantwortungbleiben.
MehralsdieseInformationkanndie
WissenschaftlerInnichtbereitstel-
len.Eswäreüberheblich,wennWis-
senschaftlerInnenbehauptenwürden,
siewüssten,wasfürdieMediatorInnen
wichtigsei.ObundwasMediation
(alsProfession,alsDienstleistung,
alsProzessbegleitungoderalsMe-
thode)beziehungsweiseauchdieIn-
teressensvertretungenundVerbän-
deoderdieMediatorInnenfürsich
persönlichdamitanfangenkönnen
oderwollen,istderenAngelegenheit.
WissenschaftlerInnenkönnenausder
ProfessionalitätherausMediatorInnen
beiderNutzenfindungunterstützen,
wennsiedazudieErlaubniserhalten.
DamitverleihendieMediatorInnenden
WissenschaftlerInnendefinierteMacht.
Dasistgenaudas,wasJürgenHaber-
masalsdeneigentümlichzwanglosen
ZwangdesbesserenArgumentsbe-
zeichnet.Nurwenndasgegenseitige
VerhältniszwischenMediationund
Wissenschaft»zwanglos«,alsofreivon
Manipulationen,VersuchenderInstru-
mentalisierungoderanderenErwar-
tungenandieGegenseiteist,kanndas
»bessereArgument«hilfreichundnütz-
lichwirken.WennJürgenHabermas
dasalseigentümlichbezeichnet,so
rechneterwohldamit,dassdiesnicht
selbstverständlicherwartbarist.Es
scheintwirklicheineHerausforderung
zusein,dermansichstellenundander
manarbeitensollte.DasführtzumAn-
fangdieseskleinengedanklichenAus-
flugszurück:EinimRollenverständnis
undingegenseitigenErwartungenge-
klärtesVerhältniszwischenMediation
undWissenschaftkannNutzenstiften.
*Dr.KarlKreuserPersonal-undOrganisationsentwicklermitSchwerpunktTalent-,Potenzial-undKompetenzmanagement
*E-Mail:[email protected]
AutorInneninfo
Literatur
*Habermas,Jürgen:TheoriedeskommunikativenHandelns,Band1und2.Frankfurt1981.
*Jokisch,Rodrigo:LogikderDis-tinktionen.Opladen1996.
*Kreuser,Karl:EntschiedenFragen–EinselbstkritischerKommentarzuSub-jektenundObjektenderMediationsfor-schung.In:Mayer,Claude-HélèneundBusch,Dominic(Hrsg.):Mediationer-forschen.Fragen–Forschungsmetho-den–Ziele.(Arbeitstitel,inDruck)2011.
*Kreuser,KarlundHeyse,VolkerundRobrecht,Thomas:Mediations-kompetenz.Münster2011.
*Oevermann,Ulrich:Hermeneu-tischeSinnrekonstruktion.In:Garz,DetlevundKraimer,Klaus(Hrsg.):BrauchenwirandereForschungs-methoden?Frankfurt1983.
12 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
Gibt es eine Mediationswissenschaft in Deutschland? Empirische oder theoretische Ansätze – welche Pyramide bauen wir?
Jürgen von Oertzen
isteigentlichMediation?DieseFragen
zudiskutierenundwomöglichzube-
antworten,kannaufgesellschaftlicher
undpolitischerEbeneinsgesamtfürdas
ErscheinungsbildderMediationeben-
solohnenswertseinwieaufindividu-
ellerEbenefürpotenzielleKlientInnen
undMediatorInnen(unddamitauch
AusbilderInnen),diereflektiertüber
diegeeigneteVorgehensweiseimkon-
kretenFallentscheidenwollen.
EinmöglicherWeg,sichsolchen
grundsätzlichenwiepraktischenFra-
gensystematischzunähern,istder
wissenschaftlicheAnsatz.Daswärein
einererstenAnnäherungdasgezielte
SammelnundAuswertenvonDaten
sowiedasBildenundPrüfenvonTheo-
rienundHypothesen.Manchesistda-
ranattraktiv:Eskönnenaufdiesem
WegvielmehrFällezusammengetra-
genwerden,alseinEinzelneranErfah-
MediationinDeutschlandlebtundwächst.ImmerneueAusbildungenentstehen,immermehr
MediatorInnenstellenihrAngebotvor,organisierensichinVerbändenundtauschensichaufKon-
gressenaus.EsfindenwohlauchimmermehrMediationenstatt,zumindestgefühlt–eineechte
Statistikdarüberistschwerzuerstellen.DieserZuwachsistzubegrüßen,dennMediationistein
sehrgutes,vielleichtdasbesteVerfahrenderKonfliktbearbeitung–odernicht?
ErnsthaftgestelltistdieseFra-
genachderGütevonMediation
schwerzubeantworten:Woran
solltedieGütevonMediationfestge-
machtwerden?Fürwen,inwelchenFäl-
len,beiwelchenBedürfnissenistMe-
diationgeeignet?Undangesichtsder
VielzahlvonVariantenundAnbietern:
WelcheMediation?Wennmanhierwei-
terdenkt,stelltsichdieimmerimHin-
tergrundlauerndeIdentitäts-Frage:Was
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Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 13
rungenmachenkann,unddamitsind
prinzipiellAussagenüberdenEinzel-
fallhinausmöglich,sodassz.B.un-
geeigneteVorgehensweisenschonim
Vorfelderkanntundvermiedenwer-
denkönnen.EskannaufTheorienaus
verschiedenenRichtungenzurückge-
griffenodereigeneTheorienentwi-
ckeltwerden.Erreichtmaneineklare
UnterscheidungverschiedenerAnsät-
ze,lassensichkonkreteFall-Konstella-
tioneneinordnenunddamitleichter
handhabbarmachen.GibtesTheo-
rien,lassensichdarausgünstigenfalls
AnleitungenableitenoderIdeenge-
winnenauchfürSituationen,dieman
selbstnochnichterlebthat.Insge-
samtwirdsoeineQualitätsverbesse-
rungmöglich,dieauchzumAnsehen
derMediationinderÖffentlichkeit
beitragenkann.Mediationswissen-
schaftkannaberauch,wiejedeWis-
senschaft,aufEinwändestoßen,die
ernstzunehmensind.
Aberwiestehtesüberhauptumdie
MediationswissenschaftinDeutsch-
land?Wastutsie,woranorientiertsie
sich?WelcherNutzenistdarausprak-
tischzuziehen,welcheBedenkensind
begründetvorzutragen?Dasistder-
zeitkaumzusagen.Ichmöchteim
Folgendeneinen»archäologischen
Schnitt«versuchen,testweiseeinbe-
stimmtesLichtaufdieMediationsfor-
schungslandschaftwerfen,undzwar
mitHilfevonJohanGaltung,derselbst
Mediatorist,hieraberalsBeobach-
terderWissenschaftzitiertsei.Scharf-
züngigunterscheideterineinemEs-
say–nebenzahlreichenanderen
Ideen–zwischendem»teutonischen«
unddem»sachsonischen«intellektu-
ellenStilvonWissenschaftskulturen
(Galtung1985,orig.1982).Siehaben
nachGaltungihrenSchwerpunktin
DeutschlandeinerseitsundGroßbri-
tannien/USAandererseits,sindaber
nichtaufdiesebeschränktunddort
auchnichtalleinvertreten.Derteu-
tonischeintellektuelleStilseiwieei-
negroßePyramide,inderjedeThe-
sededuktivabgeleitetwirdauseinem
Grundgedanken,sodasssichgroßeGe-
dankengebäude(bildhaft:Pyramiden)
ergeben,indenenalleThesenlogisch
miteinanderverknüpftseien.Derteu-
tonischeStilneigezum»großenWurf«,
zuTheoriengroßerReichweite,dieal-
leszuerklärenversuchenundderen
StärkedielogischeStruktursei,und
dieempirischeBefundeeheralsBei-
spieledennalsBeweiseheranziehen.
DersachsonischeStilhingegenwird
vonGaltungalsvielekleinePyrami-
dengezeichnet,die»aufdemsoliden
BodenderEmpirieerrichtetsind«(S.
174).InduktivwerdenaufdiesemBo-
denThesenundTheorienkleinerund
allenfallsmittlererReichweitegebildet,
dieeinenbeschränktenRaumvonem-
pirischenBefundenpassendundsinn-
vollbeschreiben.Einetypische»sach-
sonische«FrageaneineThesewäre
dann:»Wielässtsichdasbelegen?«,
währendimteutonischenStilgefragt
wird:»VonwelcherTheorielässtsich
dieseTheseableiten?«(a.a.O.).
Die empirische Erforschung von MediationIndenUSAwäreeinidealtypisches
BeispielfürMediationsforschungim
sachsonischenStildasHarvardNegot-
iationProject,ausdemauchdiedeut-
scheMediationslandschaftunterdem
Stichwort»Harvard-Konzept«vielNut-
zengezogenhat(Fisher/Ury/Patton
2004).Esseientstanden»[m]ithilfe
unseresjeweiligenwissenschaftlichen
HintergrundsininternationalemRecht
undinAnthropologieunddurchdie
umfassendeundlangjährigeZusam-
menarbeitmitPraktikern,Kollegen
undStudenten[...]«(S.13).ZehnBe-
rufsgruppenhättendazuihreunter-
schiedlichenIdeenbeigetragen.
Vielesvondem,wasbisheranMe-
diationsforschungimdeutschspra-
chigenRaumerkennbaristund
genutztwird,lässtsichdiesemsach-
sonischenStilzuordnen.Esgibtei-
neReihevonForschungsansätzen,die
meistauskonkretempraktischemBe-
darfentstandensind,indenensichdi-
rektempirischeDatenwiderspiegeln
und/oderdieAspekteausverschie-
denenanderenAnsätzenzusammen-
führen.SoschreibtFriedrichGlaslzur
EntstehungdesStufenmodellsder
Konflikteskalation:»InderAuseinan-
dersetzungmitderLiteraturzurEska-
lationsdynamikkonntenwirunsere
eigenenBeobachtungenundAnaly-
senvonEskalationsprozessen[...]in
mehralsdreihunderteigenenPraxis-
fällen[...]zueinerPhasentheoriefüh-
ren.«(Glasl2002;S.233)EineTheo-
riemitklardefinierter,beschränkter
Reichweitealso(siebeziehtsichnur
aufKonflikteundhiernuraufderen
Phasen),dieseaberempirischstark
fundiert.
AuchdiePsychologiederKommuni-
kationvonSchulzvonThun(mitdem
»QuadratderNachricht«,dem»Inne-
renTeam«undanderem)stammtaus
demVersuch,verschiedeneAnsätze
unteranderemausder(frühen)hu-
manistischenPsychologie»unterei-
nenHut«zubringen(soSchulzvon
Thun2006;S.13,orig.1981).Darauf
wiederumbautdieKlärungshilfeauf
(zuerst:Thomann/SchulzvonThun
1988).UnddieempirischeForschung
gehtweiter:literaturwissenschaft-
Abb.1:sachsonischerundteutonischerStil,freinachGaltung
Berichte zum Thema
14 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
licheUntersuchungen1,neurowissen-
schaftlicheExperimente2,Umfragen
zurTrennungs-undScheidungsme-
diation3,Forschungenzugrenzüber-
schreitendenMediationen4oderzu
KonfliktenbeiMoscheebauten5,ein
ProjektzurMediationskompetenz6,
zuKonfliktmanagementsystemenin
Unternehmen7oderdiezahlreichen
BefragungenunterschiedlicherQuali-
tät,diedieinDatenbankenerfassten
MediatorInneninihremE-Mail-Ein-
gangfindenkönnen,sindnureinige
BeispielefürdieBandbreitedieses
ForschungsstilsinDeutschland.
DieaussolchenAnsätzengewon-
nenenErkenntnisse,Modelleund
AnleitungenundkleinerenTheo-
rie-»Pyramiden«könnenfürdie
PraktikerInneneinegroßeHilfesein.
NuresfehlteineÜbersicht.Selbst
thematischengbeieinanderliegen-
deUntersuchungenwissengelegent-
lichnichtvoneinanderundschongar
nichtvonaktuellenForschungsbemü-
hungenausanderenDisziplinen.8Wie
auch–esgibtmeinesWissensimMo-
mentkeinenOrt,andemsolcheFor-
schungzusammenfließenwürde.
NachGaltungstecktdasPotenzialdes
sachsonischenAnsatzesabergeradein
derDebatten-undDiskussionskultur
überdiekleinenPyramidenhinweg
(a.a.O.,S.157)–wennerrechthat,
dannsolltesichunsereAnstrengung
daraufkonzentrieren,dieseDebatte,
woimmermöglich,zubefördern,gera-
deinden»anstrengenden«Bereichen
derdisziplin-undinstitutionenüber-
greifendenForschung.ErsteSchritte
dazuwärensicherlicheinegegensei-
tigverständlicheTerminologieundvor
allemeineÜbersichtdarüber,wases
überhauptgibt.
Die Suche nach »der« Theorie der MediationNebendemsachsonischenStilmei-
neichinderdeutschenMediations-
landschaftauchdenteutonischen
Stilzuerkennen,derdeduktivvor-
gehtundzunächsteineumfassende
Theorie(»großePyramide«)zugrun-
delegtoderdochzumindestfordert.
SonutztStephanBreidenbachinsei-
nerHabilitationdeduktiveAnsätze,
wiesiefürdiedeutscheRechtswissen-
schaftnaheliegendsind:Erklärtz.B.
sehrgrundsätzlichzunächstnorma-
tivdieZielevonMediationüberhaupt
undführtvondaausdieweitereUn-
tersuchungdurch:»DieAnalyseder
LeitzielevonMediationwirdimErgeb-
niseinedifferenzierterePerspektive
aufChancenundRisikenvonMedia-
tionvermitteln.Erstdannistesmög-
lich,fürbestimmteParteien(Macht)-
konstellationenjeweilsPotenzialund
entgegenstehendesRisikokonkreter
gegeneinanderabzuwägen,[...].«(Brei-
denbach1995,S.189)Breidenbachs
Zielgehtdarüberhinaus.Erführtden
BegriffderStreitbehandlungslehre
durchausimSinneeiner»großenPy-
ramide«ein:»DieMöglichkeitenund
GrenzendesEinsatzesvonMediation
sindhier[indieserUntersuchungins-
gesamt]thematischerAnlass,Ansätze
zueinerumfassenderenStreitbehand-
lungslehrezusuchen,dieeinweitaus
größeresSpektrumderRechtswirklich-
keiterfasst[alsnurdieStreitentschei-
dungslehre].«(Breidenbach1995,S.2,
H.i.O.).AuchandereAutorenunter-
stellenganzselbstverständlich,dass
wirdieeine,umfassendeMediations-
theoriebrauchen;alsBeispiel:»Die
AnlässeundGründefürdieinhaltliche
AusweitungvonMediation[...]füh-
renzueinergroßenDiversifikationdes
Begriffs.[...]Daswärezuakzeptieren
1 Aktuell z. B. eine narratologische Studie zum Umgang mit Arbeitskonflikten an der Universi-tät Hamburg (Evelyn Gius). 2 Vergleiche z. B. die neurowissenschaftliche Un-tersuchung zur Emotionsregulation (Seehau-sen 2011). Aktuell ist geplant, dass Versuchsper-sonen über reale Konflikte berichten und ihre Reaktion auf die Spiegelung von Emotio nen un-tersucht werden, um einen Schritt aus der La-borsituation in die reale Situation zu gehen (Seehausen, pers. Kommunikation). 3 So etwa die Untersuchung zu Mediation und Gerichtsverfahren in Sorge- und Umgangs-rechtskonflikten durch Reinhard Greger (Uni-versität Erlangen-Nürnberg) und aktuell durch Anne Christina Mess (Universität Hamburg). 4 Zum Beispiel Schubert-Panecka 2010. 5 An der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft FEST in Heidelberg (fest-heidelberg.de) gibt es dazu ein aktuelles Projekt.
6 Auf Grundlage ausführlicher Theoriearbeit (grundlegend: Erpenbeck, Jokisch, Haken und Baran) wurden in einem Projekt durch Be-fragung von MediatorInnen (N ≈ 600) Infor-mationen zur Mediationskompetenz gesam-melt; vgl. Rezension Spektrum der Mediation, 43/2011, S. 68. 7 Einige aktuelle Ergebnisse finden sich in der Studie von PricewaterhouseCoopers/ Viadrina 2011. 8 Diese Einschätzung beruht auf den Reaktio-nen, die ich beobachte, wenn es gelingt, Me-diationsforscherInnen mit ähnlichen Anliegen miteinander in Kontakt zu bringen.
Berichte zum Thema
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 15
–odervielleichtnochzuverhindern,
wenngeklärtwerdenkönnte,wasden
eigenständigenKernvonMediation
ausmacht,wasseineunverwechsel-
barenPrinzipiensind,welcheGeneral-
oderQuerschnittsthemenunverzicht-
barseinsollten.Kurz, es geht um die
Suche nach einem Weg zu einer Theorie
der Mediation.«(Glenewinkel2007,S.
92;HervorhebungdurchdenAutor)
AberdieeineTheorie–heißtdas
nicht:Einschränkung,Kanonisierung,
unddamitinderPraxisAusgrenzung,
alsodieGefahr,dass»meine«Media-
tiondanngarkeineMediationmehr
ist?Galtungschreibt,derteutonische
Stilwerde»unerträglich«(Galtung
1985:181),wennernichtpluralis-
tischsei,wennalsonichtverschie-
dene»großePyramiden«nebenein-
anderexistierendürften.
TatsächlichscheintmirdieGefahr,dass
wirzudereinengroßenMediations-
theoriekommen,derzeitgering:Esgibt
jaganzunterschiedlicheForschungs-
undTheoriebildungsansätzeausganz
unterschiedlichenDisziplinen–Rechts-
wissenschaftundPsychologie,umnur
zweiPolezunennen–mitihrenjeei-
genenKulturen.Vielleichtwürdees
dieArbeitvereinfachen,diesauchals
ZielimAugezubehalten:Alsonicht
dieumfassendeTheoriederMedia-
tionzusuchen,sondernnureineun-
termehrerendenkbarenTheoriengro-
ßerReichweiteanzustreben,dieneben
anderenbestehendarfunddieMedia-
tionslandschaftbereichernundklä-
renhelfenkann.ImMomentscheint
mirdieGefahrdes»Universalismus«
(a.a.O.,S.180)gering,dieSchwierig-
keit,sichüberhauptzuorientierenaber
umsogrößer.Mirjedenfallsgelingtes
nichtohneweiteres,dietheoretischen
Grundlagenauchnurdermirnäherbe-
kanntenMediationsausbildungenzu
bestimmenoderanzugeben,welche
bewusstenoderunbewusstenTheo-
rienvomKonflikt,vonMediation,vom
Menschenihrzugrundeliegen.Nur
diewenigstenAusbildungenmachen
dastransparent,nurdiewenigsten
MediatorInnensagenausdrücklich,
welcheFormvonMediationsiema-
chen.9Undwiesolltenwirauch?Es
gibtjakeinebekanntenEinteilungen,
denenwirunszuordnenkönnen,und
dienichtihrerseitswiederumgenauso
erklärungsbedürftigwären.
Erster Schritt: Übersicht und Verbindungen schaffenSowohldersachsonischealsauch
derteutonischeAnsatzbrauchenal-
soimMomentvorallemeines:Über-
sicht.DieÜbersichtüberErgebnisse,
übertheoretischeGrundlagenundüber
WissenschaftlerInnenundInstitutio-
nen,diedaranarbeiten.WerimFor-
schenundDenkensachsonischausge-
richtetist,wirddasnutzenkönnen,um
mehrKontaktezuanderenaufbauen
undmitihnendiskutierenzukönnen,
damitdereigeneAnsatzunddieeige-
nenErgebnisseüberprüfbarer,veror-
tetundverbessertwerdenkönnen.Wer
sicheherdemteutonischenStilnahe
sieht,wirdschondeshalbeineÜber-
sichtbrauchen,umsichüberhauptori-
entierenunddieeigenenBemühungen
umtheoriegeleiteteZusammenstel-
lungeneinordnenundabgrenzenzu
können.10Nichtzuletztkannichesmir
inderpraktischenArbeitundimMar-
ketingnützlichvorstellen,dieeigene
GrundlageundVorgehensweisetrans-
parentzumachenundabzugrenzen.
WelcheSchrittewärendenkbar,um
solcheÜbersichtenzugewinnenund
systematischeMediationswissen-
schaftzubetreiben?Manchesgibtes
schonoderistimEntstehen:EinSam-
melbandzugrundlegendenundme-
thodischenFragenderErforschung
vonMediation11undSammelbände
zueinzelnenFeldern12sowieeineei-
geneimengerenSinnegeplantewis-
senschaftlicheZeitschriftzuKonflikt-
bearbeitunginUnternehmen13sind
wichtigeSchritte,diedieDiskussion
ermöglichen.Unterandereminder
9Eine Ausnahme ist die Klärungshilfe nach Thomann/Prior, die sich aber auch nicht auf eine Mediationstheorie beruft, sondern sich transparent aus der humanistischen Psycho-logie herleitet. 10Es mag kein Zufall sein, dass ich gerade zu die-sem Ergebnis komme: Übersicht haben zu wol-len, klingt selbst schon nach dem Erklimmen großer »Pyramiden«, und so mag hier sichtbar werden, wie stark ich selbst im teutonischen Stil wissenschaftlich sozialisiert worden bin. 11Mayer/Busch 2012. 12Zum Beispiel die Reihe von Gläßer und Schroeter (Band 1: Gläßer/Schroeter 2011 zu gerichtlicher Mediation) und die Studien zur interkulturellen Mediation von Schröder/Busch/Mayer (s. o.). 13Die Zeitschrift »Konfliktdynamik: Verhan-deln, Vermitteln und Führen in Organisatio-nen« soll in 2012 erstmals herausgegeben werden.
Berichte zum Thema
16 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
ForschungsgruppeMediation14wer-
dendarüberhinauseineReihewei-
tererAnsätzeverfolgt:aneinerÜber-
sichtübervorhandeneDefinitionen
vonMediationundfaktischbestehen-
de»Schulen«derMediation(wennes
dennwelchegibt)wirdgearbeitet;eine
DatenbankfürLiteratur,füreinschlä-
gigedisziplinäreZeitschriftenundwis-
senschaftlicheAbschluss-undQualifi-
kationsarbeitensindgeplant.Darüber
hinauskönnteeininstitutionalisierter
wissenschaftlicherAustauschüberdis-
ziplinäreundandereGrenzenhinweg
wichtigsein.BereitsbestehendeJunior-
undHonorarprofessurenfürMediation
undeinigeLehrstühle,diesichfaktisch
überwiegendmitKonfliktbearbeitung
beschäftigen,sindweiterewichtigeAn-
sätze–undwerweiß:vielleichtgibtes
jaaucheinmaleineProfessuroderei-
nenLehrstuhl,dernicht»eigentlich«
zurRechtswissenschaftoderPsycho-
logiegehört,sondernzueinerganzei-
gentlichenMediationswissenschaft.
DerWeiterentwicklungderMedia-
tionundihrerQualitätwäreeszu
wünschen.
Literatur
*Breidenbach,S.:Mediation.Struktur,ChancenundRisikenvonVermittlungimKonflikt.Köln1995.
*Fisher,R.,W.Ury,etal.:DasHarvard-Konzept.DerKlassikerderVerhand-lungstechnik.Frankfurt,NewYork2004.
*Galtung,J.:Struktur,Kulturundin-tellektuellerStil.EinvergleichenderEs-sayübersachsonische,teutonsich,gal-lischeundnipponischeWissenschaft.DasFremdeunddasEigene.A.E.Wier-lacher.München1985.S.151-195.
*Glasl,F.:Konfliktmanagement.EinHandbuchfürFührungskräfte,BeraterinnenundBerater.Bern,Stuttgart,Wien2002.
*Gläßer,U.andK.Schroeter,Eds.:Ge-richtlicheMediation–Grundsatzfra-gen,EtablierungserfahrungenundZu-kunftsperspektiven.Baden-Baden2011.
*Glenewinkel,W.:Mediation-Hand-werk,KunstoderWissenschaft?Meta-ÜberlegungenzurKontroverseumVor-gesprächeinderMediation.ZeitschriftfürKonfliktmanagement,91/2007.
*Mayer,C.-H.undBusch,D.:Eds.:Media-tionerforschen?Fragen–Forschungsme-thoden–Ziele.Studienzurinterkul-turellenMediation,Bd.6.2012.
*PricewaterhouseCoopersundE.-U.Vi-adrina,Eds.:Konfliktmanagement–VondenKomponentenzumSystem.Com-mercialDisputeResolution.o.O.2011.
*Schubert-Panecka,K.:PraktischeFragengrenzüberschreitenderMediation.ZeitschriftfürEuropäischesPrivat-recht(2).2010,S.453-457.
*SchulzvonThun,F.:Miteinanderreden1:StörungenundKlärungen:AllgemeinePsychologiederKommunikation(orig.1981).ReinbekbeiHamburg2006.
*Seehausen,M.:EmotionsregulationinderMediation:Aktuelleneuro-wissenschaftlicheErkenntnisse.Zeit-schriftfürKonfliktmanagement(5):2011,S.132-136.
*Thomann,C.undSchulzvonThun,F.:Klärungshilfe:HandbuchfürTherapeuten,Gesprächshelferu.ModeratoreninschwierigenGesprächen;Theorien,Methoden,Beispiele.ReinbekbeiHamburg1988.
*Dr.Dipl-Pol.JürgenvonOertzenMediatorM.A.undMediationswissen-schaftler
*E-Mail:[email protected]
AutorInneninfo
14Die Forschungsgruppe Mediation ist ein inter-disziplinärer, institutionen-unabhäniger Zusam-menschluss von MediationsforscherInnen und wissenschaftlich interessierten MediatorInnen; s. forschungsgruppe-mediation.eu
An
zeig
e
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 17
Thomas Robrecht
Soziologen,KompetenzforscherundMediatorenbegannen2009mitderErforschungvonMedia-
tionskompetenz.Ende2010wurdeeineUmfrageunterden6.000MediatorInnenvonBAFM,BM,
BMWA,ÖBMundSDM/FSMdurchgeführt.ErsteForschungsergebnisseführtenzueinerkompetenz-
undstrukturtheoretischenDefinitionvonMediationundKonflikt,ausdeneneininnovativesKon-
fliktinterventionsmodellabgeleitetwerdenkonnte.DiesewissenschaftlichenErkenntnissebieten
PraktikerInnenfürihreMediationstätigkeitnützlicheOrientierung.
Berichte zum Thema
Ein mediationstaugliches Konfliktinterventionsmodell
Hintergrund WievieleStundenmusseineMedia-
tionsausbildungdauern?SeitJahren
beschäftigensichAusbildungsanbie-
tersowieihreVerbändeundInteres-
sensvertretermitderFrage,obfür
dasErlernenvonMediation90,150,
200odermehrAusbildungsstun-
denerforderlichsind.Hierwirdver-
sucht,QualitätmithilfevonQuanti-
tätzubeschreiben.FürdieErfüllung
unsererBM-Mission,Mediationinun-
sererGesellschaftzufördern,istdie-
seDiskussionsehrschädlich,weilsie
denEindruckeinerDisziplininKin-
derschuhenvermitteltunddiezarte
Pflanzeunserergesellschaftlichen
Anschlussfähigkeitgefährdet.Um
ernstgenommenzuwerden,müssen
wirerreichen,dassderBegriffMedia
tionderBeliebigkeitentrissenwird
undfestundstabilaufwissenschaft-
lichbelastbarenundakzeptierten
Füßensteht.
DiesemZieldientedasin2009von
SOKRATeam(Dr.KarlKreuserund
ThomasRobrecht)gestarteteFor-
schungsprojektMediationskompe-
tenz,andemsichzahlreicheWissen-
schaftlerbeteiligthaben.Auchdie
deutschsprachigenMediationsver-
bändeBAFM,BM,BMWA,ÖBMund
SDM-FSMunterstützendieEnde2010
durchgeführteUmfragedurchdie
BeteiligungsmöglichkeitihrerMit-
glieder.Sehrerfreulichwarfüruns,
dasssichnichtnurdieVerbände,son-
dernauchalleanderenBeteiligten
ehrenamtlichengagierthatten,ge-
tragenvondergemeinsamenÜber-
zeugung,unsererGesellschaftdamit
einenwertvollenDienstzuleisten.
DieKompetenzbetrachtung,welche
sichinvielenLebensbereichenbe-
reitsalserfolgreicherwiesenhat,er-
schienunsvonAnfanganalssehrge-
eignet,sieauchaufdieMediation
undMediationsausbildungenanzu-
wenden.EinwesentlicherVorteilvon
KompetenzenbestehtinihrerMess-
barkeit,dennsiezeigensichinbeo-
bachtbarenHandlungen.Kompetenz
beschreibtBereitschaften(Werteund
Berichte zum Thema
18 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
Wille)sowieFähigkeiten(Wissenund
Können),undermöglichensicheres
HandelninunsicherenSituationen.
AlsAusbilderBM®istesmireinzen-
tralesAnliegen,meineAusbildungs-
teilnehmerInnenzudieserSicher-
heitimUmgangmitderUnsicherheit
zuführen.DasversetztsieindieLa-
ge,auchdanneineMediationdurch-
zuführen,wennsichdieKonfliktpar-
teiennichtandiefünfPhasenhalten.
Kompetenzistalsoweitmehralsan-
gelesenesWissenundwirderstdurch
Handlungensichtbar.
ErgebnisseFürdieDefinitionvonMediationskom-
petenzhabenwirersteErgebnisseer-
halten,dieesnungemeinsammitden
Verbändenzudiskutierenundzuinter-
pretierengilt,umSchlussfolgerungen
fürdenAusbildungskontextabzulei-
ten.DieserSchrittwirdin2012folgen.
DieserBeitragbeschäftigtsichmitder
VoraussetzungfürdieDefinitionvon
Mediationskompetenz,nämlichderDe-
finitionihrerBasis.Hierhabenwiraus
struktur-undkompetenztheoretischer
SichtdreiFragenbeantwortet:
› Was ist ein Konflikt?
› Was ist Mediation?
› Was ist ein mediationstauglicher
Konflikt?
1. Was ist ein Konflikt?Zunächstsuchtenwirbeidenvorhan-
denenKonfliktbetrachtungsweisen.
Dabeifielunsauf,dasssieentweder
ErscheinungsformenoderArtenoder
EntstehungvonKonfliktenbeschrei-
ben,oderwiemanKonfliktemacht
undwiederwegmacht.Betrachtet
manderenBedeutungfürdieMedia-
tion,sodrängtsichderEindruckauf,
alswürdeeineMediationzuersteine
umfassendeAnalysederKonflikts,sei-
nerBeteiligtensowiedesKontextes
erfordern.DiesesVorgehenistgrund-
sätzlichgenausowenigschädlichwie
umsetzbar.Werbeispielsweiseineiner
Organisationmediierenwill,undüber
keineKontaktezuroberstenLeitungs-
ebeneverfügt,wirdunmöglicheine
umfassendeKonfliktanalysedurchfüh-
renkönnen.Deshalbmusseinemedia-
tionstauglicheKonfliktdefinitiondie-
senAspektderUnzulänglichkeiteiner
nichtvorhandenenVollständigkeitder
Analyseberücksichtigen.Dafüristes
erforderlich,mitdemzuarbeiten,was
sichinderMediationzeigtunddurch
BeobachtungundHinterfragenvon
aufBeobachtungenbasierendenInter-
pretationenfeststellbarist.
Handlungsmodus
Wiewirwissen,sindReaktionenvon
MenscheninKonfliktenunvorher-
sehbar.Wirwissenauch,dassdurch
Konflikteeineunterschiedlichstarke
emotionaleBelastungeinhergeht.Je
größerdiesewird,destogeringerwer-
dendieHandlungsmöglichkeiten.Bei
steigenderBelastungdrohtalsoauch
derVerlustderKompetenz.Konflikt-
kompetenzbeschreibtdieBereitschaft
undFähigkeitderKonfliktparteien,
mitdemKonfliktineinerangemes-
senenFormumzugehen.Dafüristes
erforderlich,dasssichdieMenschenin
einem»normalen«Handlungsmodus
(»stateofmind«)befinden,indemsie
überdenfreienZugangzuihrerKom-
petenzverfügen.Wirunterscheiden
drei»stateofmind«:
state of mind Normal Schwierig Instinktiv
Anatol Rapoport Debatte Spiel Kampf
Karl Berkel Die andere
Partei gilt als
Partner, der
überzeugt
werden soll.
Die andere
Partei gilt als
Gegner, der
besiegt
werden soll.
Die andere
Partei gilt als
Feind, der
vernichtet
werden soll.
Friedrich Glasl 1 Diskussionen
2 Zusammenstöße
3 Verhärtung
4 Koalitionen
5 Gesichtsverlust
6 Drohungen
7 Ausgrenzung
8 Zerstörungs-
schläge
9 Totale
Vernichtung
DieseUnterscheidungverdeutlichtdie
unterschiedlicheWirkung,diederKon-
flikterzeugt.FürdieMediationistes
wichtig,den»stateofmind«zuerken-
nen,umangemessenzuintervenieren.
Konfliktstruktur
WirkönnenalsoinderMediationnur
mitdemarbeiten,wasunsvorliegt.
UnddassindMenschenmit
ihrenbelastetenBe-
ziehungen.Dieses
Systemnennen
wirdieKonflikt
struktur.Siebe-
stehtausden
Elementen(Kon-
fliktparteien)und
ihrersozialenRelation
(Beziehung).DiesesinddurchdieEle-
mentebelastetundgleichzeitigauch
vonihnengestaltbar.Deshalbkonzen-
trierenwirunsaufdieRelationundlas-
sendieElementeso,wiesiesind,oh-
nedieseverändernzuwollen.Auchhier
lässtsichdieRelationdurchreineBe-
obachtungohneinhaltlicheAnalyse
feststellen.DiesewirdimmerinHand-
lungensichtbar.DazuzweiBeispiele:
1) »Gehst Du mit mir ins Kino?« –
»Nein, ich lese ein Buch.«
»Na gut, dann gehe ich alleine. Ich
wünsche Dir viel Freude mit Deinem
Buch.« – »Danke. Ich wünsche Dir
auch viel Spaß.«
2) »Gehst Du mit mir ins Kino?« –
»Nein, ich lese ein Buch.« »Letzte Wo-
che hast Du es mir aber versprochen.
Berichte zum Thema
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 19
Nie hältst Du Deine Zusagen ein.« –
»Jetzt reicht‘s mir aber. Nur weil ich
mich einmal an eine Zusage nicht
halte, kommst du gleich mit der Ver-
allgemeinerungs-Keule. Du könntest
auch ruhig mal ein Buch lesen, das ist
viel kreativer als sich so einen verblö-
denden Film reinzuziehen.«
ZweigleicheAusgangssituationen,die
unterschiedlicheHandlungsabsichten
beschreiben.ImerstenFallerzeugten
dieunterschiedlichenHandlungsab-
sichtenkeineBelastungderRelation.
ImZweitenFallwirddieBelastungder
Relationdeutlicherkennbar.Daraus
leitetsicheinestrukturtheoretische
DefinitionvonKonfliktab:
Konflikt =
Unterschiedliche Handlungsabsichten,
die als Begrenzung erlebt werden.
DaszeigtsichinderMediation.Wie
dieGeschichtemitdemHammervon
Watzlawickverdeutlicht,istesvöl-
ligunerheblich,obdieseunterschied-
lichenHandlungsabsichtenfantasiert
sindodernicht.Entscheidendfürdie
ExistenzeinesKonfliktsistdasErleben
derUnterschiedealsBegrenzung.
Konflikt und Zustand
DieExistenzeinesKonfliktesistweder
gutnochschlecht.ZwarwerdenimAll-
tagKonfliktealsetwasNegativesbe-
trachtet,aberuntergenauerBetrach-
tungistesdieArtdesUmgangsmit
demKonflikt,deralsgutoderschlecht
bewertetwird.Essindalsowieder
Handlungen,diedafürsorgen,dassdie
KonfliktstrukturinspezifischeZustän-
degelangt.DieserZustandlässtsich
überzweiFragenermitteln:
1) Gibt es einen Veränderungswunsch?
2) Wie schwer wird die Umsetzbarkeit
eingeschätzt?
WenndieFrage,obesfürdendurch
denKonflikthergestelltenZustandei-
nenVeränderungswunschgibt,bejaht
wird,stelltsichanschließenddieFra-
genachEinschätzungderUmsetzbar-
keit.Sokannessein,dassdieUmsetz-
barkeitalsleichteingeschätztwird.
DasistmeistdannderFall,wenndie
Beteiligtenwissen,dasssienurinRu-
hemiteinanderredenmüssen,umei-
nenAuswegzufinden.DiesenZustand
nennenwirLösung.Damitistnicht
etwazwingenddieLösungdesKon-
fliktsgemeint(diewiralsKonsensbe-
zeichnen),sondernvielmehreingelös
ter UmgangmitdemKonflikt.Auch
hieristdieLösungdesKonfliktsei-
nemöglicheabernichtzwingender-
forderlicheNebenerscheinung.Denn
eskanndurchaussein,dassdieun-
terschiedlichenHandlungsabsichten
weiterhinalsBegrenzungerlebtwer-
den,ohnedassdieRelationunerträg-
lichbelastetwäre.SolcheSituationen
erlebenwirtagtäglich,ohnedasssie
imumgangssprachlichenSinnalsKon-
fliktbezeichnetwerden.Merkmal
desZustandsLösungist,dassdie
Konfliktparteienüberihrevolle
Konfliktkompetenzverfügen,und
sichim»stateofmind«von»nor-
mal«befinden.Dasistauchbeiunlös-
barenKonfliktenderFall,wennsich
dieKonfliktparteienanihrenKon-
fliktgewöhnthabenundziemlichent-
spanntdamitumgehenkönnen.Im
AlltaglässtsichdiesesPhänomenbei-
spielsweisebeiderAuseinanderset-
zungzwischenArbeitnehmer-undAr-
beitgebervertreternbeobachten.Die
ArbeitgeberwollenmehrLeistung,oh-
nedafürmehrLohnzubezahlenund
dieArbeitnehmerwollenmehrLohn,
ohnedafürmehrzuleisten.Beideer-
lebenihreunterschiedlichenHand-
lungsabsichtenalswechselseitigeBe-
grenzungundbefindensichdamitin
einemunlösbarenKonflikt.Gleichzei-
tigbefindetsichdieKonfliktstruktur
imZustandderLösung,weilsieimmer
wiederWegefinden,wiesiemitihrem
Konfliktverträglichumgehenundwei-
terhinkooperieren.
EinweitererZustandistdadurchge-
kennzeichnet,dasseszwareinenVer-
änderungswunschgibt,dieserjedoch
alsschwerodergarnichtumsetzbar
eingeschätztwird.IndiesemZustand
befindensichdieKonfliktparteien
meistim»stateofmind«von»schwie-
rig«unddieKonfliktstrukturbefindet
sichdamitimZustandProblem.
DerdritteZustandliegtvor,wennes
fürdenKonfliktgarkeinenVerände-
rungswunschgibt.Aufdenersten
BlickmagdieseSichtweisebefremd-
licherscheinen.InderPraxiserleben
wirdiesenZustandsehroft.DieSän-
gerinAnetteLousianbeschreibtinih-
remLied»DieLösung«diesenZustand
inmitdemText»geh’mirwegmitdei-
nerLösung–siewär’derTodfürmein
Problem…«.DiesenZustandnennen
wirSymbiose.
Konfliktkreis: Die Konfliktstruktur und ihre Zustände
DieseSichtweiseaufdenKonfliktkreis
mitseinerKonfliktstrukturundihren
dreiZuständenverdeutlicht,dassnicht
etwaderKonflikt,sonderndieZustände
derKonfliktstrukturüber»angenehm«
oder»unangenehm«entscheiden.
2. Was ist Mediation?SoeinfachdieseFrageklingt,so
schwierigerwiessichihreBeantwor-
tung.Daszeigtesichbeispielswei-
sebeiderKonferenzderAusbilderim
Mai2011inStuttgart,beideresnie-
mandenderTeilnehmendenaufAn-
hiebgelang,einefürLaienverständ-
licheDefinitionvonMediationzu
formulieren.SomachteesvielSinn,
zunächsteinewissenschaftlichbelast-
bareDefinitionvonMediationzufin-
Berichte zum Thema
20 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
den,umdarauseinealltagstaugliche
Varianteabzuleiten.
InMediationenerlebenwirdieKon-
fliktparteienineinem»stateofmind«
von»schwierig«.Umdiedamitein-
hergehendeBegrenzungaufzulösen,
isteineemotionaleEntspannunger-
forderlich.AktivesZuhören,Empathie,
wertschätzenderUmgangsowiekla-
reFührungdurchdenProzesssindei-
nigederwirksamenElemente,umein-
geschränkteWahrnehmungs-und
Handlungsmöglichkeitenwiederzuer-
weitern.Sogehenwirdavonaus,dass
durcheineemotionaleEntspannung
aucheineEntlastungderRelationein-
hergeht.DieseEntspannungeröffnet
wiederdenZugangzurKompetenz,
welchedieEntdeckungbislangver-
borgenerAuswegeermöglicht.Damit
sindwirbeieinereinfachenAntwort
aufdieFrage,wasMediationist:
Mediation
ermöglicht Konfliktkompetenz.
GenaugenommenistMediationweder
KonfliktlösungnochKonfliktbearbei-
tung,dennbeidesistAufgabeundVer-
antwortungderMediandInnen.Struk-
tur-undKompetenztheorieergeben
folgendeDefinitionvonMediation:
Mediation
ist das auftragsbezogene Ermög
lichen von Handlungsstrukturen, in
denen MediandInnen zu selbstorga
nisierten Lösungen fähig sind.
Damitwirdauchdeutlich,dassMe-
diationskompetenznichtetwaKon-
fliktkompetenzist,sondernStruktur-
kompetenz.Diedafürerforderlichen
RessourcenderMediatorInsindEmpa-
thieundMachtgebrauch.(SieheBei-
tragvonKarlKreuser»ZweiWelten«
indieserAusgabe).
Wendenwirunsnunderdrittenspan-
nendenFragezu.
3. Was ist ein mediations-tauglicher Konflikt?MitdemKonfliktkreisvonLösung,
ProblemundSymbiosekönnenwir
nundreiZuständebeschreiben,indie
eineStrukturdurcheinenKonfliktge-
langenkann.DieseUnterscheidung
istdeshalbnützlich,weiljederZu-
standeineandereInterventionerfor-
dert.DamitwirddieWirksamkeitvon
Interventioneneinschätzbar,wiewir
imKontextvonOrganisationennach-
weisenkonnten.
ImZustandLösungbrauchenKonflikt-
parteienkeineMediation,diedurch-
ausalsübergriffigeoderüberdosier-
teEinmischungerlebtwerdenkönnte.
ImZustandSymbioseistjedeDritt-
intervention,dieEinvernehmlichkeit
undeinkonstruktivesMiteinanderan-
strebt,zumScheiternverurteilt.
NurbeimZustandProblemsindInter-
ventionenDritterwieBeratung,Pro-
zessbegleitung,Coachingoderauch
Mediationgeeignet.
DieseBetrachtungsweisehatjedoch
einenHaken:DiemeistenSymbiosen
tarnensichalsProblem.Bleibtdies
unerkannt,scheiternInterventionen.
DeshalbistesfürdieDrittinterventi-
onerfolgsentscheidend,dasssichdie
KonfliktstrukturtatsächlichimZu-
standProblembefindetundeineSym-
bioseausgeschlossenwerdenkann.In-
dikatorenfürSymbiosensind
› SuchevonGründenstattLösungen:
»Es klappt nicht, weil …«
› DerGegnerdientalsLegitimation
deseigenenVerhaltens:
»Ich würde mich ja gerne anders
verhalten, aber der andere zwingt
mich ja …«
› AusblendendereigenenAnteile:
»Ich bin ok, der andere trägt alle
Schuld«
› Komplexitätsreduktiondurch
Stigmatisierung:
»Es wäre alles ganz einfach,
wenn der andere anders wäre«
› UnerfüllbareForderungenals
BedingungenfürVeränderung:
»Erst muss sich der andere entschul-
digen, dann bin ich gesprächsbereit«
› DeutlichreduzierteBereitschaftzur
Verantwortungsübernahmeder
eigenenHandlungen
»Ich bin das Opfer und der andere
der Täter.«
Wennesnichtgelingt,dieseIndizien
durchaktivesZuhören,Wertschätzung
undEmpathiezuverändern,dannist
vonMediationabzuraten.Hierwerden
Interventionenbenötigt,diezurVerän-
derungderSymbioseführen.
Veränderung von Symbiosen
EineVeränderungvonSymbiosen
kannnurüberImpulsevonaußener-
reichtwerden,diemeistenssehrkräf-
tigseinmüssen,damitsichüberhaupt
etwasbewegt.DieseImpulsekönnen
durcheinenMenschenmitKontext-
verantwortunginitiiertwerden.Wenn
beispielsweisezweistreitendeMitar-
beiterihrenKonfliktineinerArtaus-
tragen,diedenDaseinszweckderOr-
ganisation(=Mission)gefährden,und
mehrereIndikatorenfüreineSymbio-
segegebensind,dannliegtesinder
VerantwortungderFührungskraft,die-
seSymbiosedurchMachteingriffwie
beispielsweiseAndrohungvonVerset-
zungoderAbmahnung,zubeenden.
Dasisterforderlich,damiteinVerän-
derungswunschdesZustandserreicht
wird.EntwederdieStreitendenfinden
dannselbstindenZustandderLösung
durcheinemissionsverträglicheForm
derAuseinandersetzung,odersieneh-
mendieUnterstützungDritterinAn-
spruchwieCoachingoderMediation.
Das Konfliktinterventionsmodell
DiesesModelldientdemZiel,denEr-
folgvonMediationenzusichernund
ausMediationssicht»aussichtslose«
Zuständefrühzeitigzuerkennen.Da-
mitistnichtnurdenKonfliktparteien
undihrenKontextengedient,son-
dernauchderAkzeptanzvonMedia-
tion.Ausdrücklichmöchtenwirzum
Bekenntnisermutigen,dassesauch
unlösbareKonfliktegibt,fürderenBe-
arbeitungMediationeinedurchaus
geeigneteInterventionseinkann.An-
Berichte zum Thema
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 21
*Robrecht,Thomas:Organisationist
Konflikt.(inArbeit)2012
*ThomasRobrecht2.VorsitzenderimBundesverbandMEDIATION,MediatorundAusbilderBM®,Managementberaterund-trainer
*E-Mail:[email protected]
AutorInneninfo
dererseitsistnichtjederKonfliktzu-
standmediationstauglich.PaulWatz-
lawickmeint:»WeralsWerkzeugnur
einenHammerhat,siehtinjedemPro-
blemeinenNagel.«Wirmüssendafür
Sorgetragen,dasswirnurhammer-
tauglicheProblemealsNägelbetrach-
tenoderandersausgedrücktnurme-
diationstauglicheKonfliktemediieren.
Literatur
*Kreuser,Karl;Robrecht,Thomas;
Erpenbeck,John:Konfliktkompetenz,
Heidelberg2011.
*Kreuser,Karl;Heyse,Volker;
Robrecht,Thomas:Mediations-
kompetenz.Münster2011b
An
zeig
e
22 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
Berichte zum Thema
Mediation erforschen – oder lieber doch nicht?
Claude-Hélène Mayer & Dominic Busch
DassdieseBefürchtungenmiteiner
auchgegenwärtigfortschreitenden
InstitutionalisierungvonMediation
unterPraktikernbrennenderdennje
sind,hat–fürunsAutorInnenüberra-
schend–einepublizierteDiskussion
inderZeitschriftErwägen–Wissen–
Ethik(EWE)imJahre2009gezeigt.Leo
MontadahattehiereinenHauptarti-
kelunterdemTitel»Mediation–Pfade
zumFrieden«eingereicht,indemerei-
neeigenePerspektiveauftheoretische
undmethodischeGrundlagenvonMe-
diationdargelegthatte.Daraufant-
wortetenschriftlichetwa35Disku-
tantInnenkritisierend,ergänzend
undauchbefürwortend.
Überraschendstelltenhierzahlreiche
BeiträgeAspektevonMediationund
ihrerErforschunginFrage,dieso
grundlegendvomHauptautorgarnicht
zurDiskussiongestelltwordenwaren.
Fragezeichentatensichdabeinicht
nurgegenübereinergrundsätzlicher-
wünschtenErforschungvonMediation
auf.AuchmöglicheZieleundPotenzia-
leeinerMediationsforschungwurden
mitoffenemAusgangdiskutiert.
DiesenoffensichtlichenKlärungsbe-
darfhabenwirzumAnlassgenom-
men,dieindergenanntenDiskussion
neuaufgeworfenenFragenausunter-
schiedlichenSichtweisenweiterzu
WennmanDingeerforscht,dieansichgutsind,dannkannihreErforschungsieimGrundenur
nochbessermachen.DieserAnnahmesolltemangetrostfolgenkönnen,undauchderpositiveErtrag
einerErforschungvonMediationdürftezunächstaußerFragestehen.Dochschonaufdenzweiten
BlickwirddieSachekomplizierter.
IstMediationnichtaucheine
Kunst,dieaufdempersönlichen
Geschick,denErfahrungswerten
undvorallemaufdenindividuellen
undunmittelbarenGestaltungs-
spielräumenvonMediatorInnen
beiihrerArbeitberuht?Eineanaly-
tischeundsystematisierendeErfor-
schungundErgründungdieserPro-
zessekönntedazuführen,dassgenau
diesesunbedingterforderlichePo-
tenzialzukünftigausgetrocknetsein
wird.MediationkönnteinStrukturie-
rungenerlahmen,selbstwenndiese
nichtexplizitgelehrt,aberdochvon
MediatorInnenimSeitenblickwahr-
genommenwerden.
Berichte zum Thema
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 23
vertiefenundzuergründen.ImSom-
mer2010habenwirzuBeiträgenfür
einenentsprechendenSammelband
aufgerufen,derPotenzialeeinerMe-
diationsforschungergründensollte.
NebeneinemPlädoyerfüroderge-
geneineMediationsforschungsollten
Beiträgeausunterschiedlichenwis-
senschaftlichenDisziplinenundprak-
tischenTätigkeitsbereichenklären,
wasgenauanMediationerforscht
werdenundzuwelchemZieldies
geschehensolle,undwelchewissen-
schaftlicheHerangehensweisehierzu
geeigneterschien.
Ein Beitrag zum DiskussionsstandGelungenistunsmitdemSammel-
band»Mediationerforschen.Fragen
–Forschungsmethoden–Ziele«1,der
Anfang2012erscheinenwird,einak-
tuellesAbbilddergegenwärtigenDe-
batte.Eininterdisziplinäresundviel-
schichtigesSpektrumbereitendabei
dieinsgesamtzehnBeiträgevonAlex
vonSinner,KarlKreuser,DamianoAn-
geloSguaitamattimitSaraHellmüller,
KlausSchmidtmitKatharinaKriegel-
Schmidt,DominicBusch,Claude-
HélèneMayer,HenrikHartmann,
JürgenvonOertzen,RudiBallreich
undChristaSchäfer.Dashiereröff-
neteDiskussionsforumhatnuneinen
differenzierterenundzugleichhinrei-
chendgeschütztenReflektionsraum
geschaffen,innerhalbdessenfürdie
AutorInneneinebipolarePositions-
bestimmungfürodergegeneineEr-
forschungnichtmehrnotwendiger-
schien:Nunstandendiegenannten
undalsschützenswerterkanntenBe-
sonderheiteneinermediatorischen
PraxisimFokusderDebatteunder-
fuhreneinesorgsameSucheundFin-
dungvonForschungswegen,diewahr-
scheinlichinsbesondereinihrem
Zusammenspielvielversprechende
RichtungenundOrientierungenfürei-
nezukünftigeErforschungvonMedia-
tionaufzeigenkönnen.
NurkurzabgestecktseiandieserStel-
ledasdisziplinäreSpektrumderBei-
träge:BeiträgeausdenGeschichts-
wissenschaften,derangewandten
Philosophie,derpolitischenRechts-
philosophie,derObjektivenHerme-
neutik,derDiskursanalyse,derquali-
tativenInhaltsanalyse,derGrounded
Theory,derRhetoriksowieausder
Systemtheoriezeichneneinüberaus
vielfältigesBild.Verglichenmitdem
ursprünglichenAufrufderHerausge-
berInnenzeigtdabeidieheterogene
Positionierungaufunterschiedlichen
AbstraktionsebenenundTheorie-ge-
genüberEmpirie-Orientierungen,wie
vielschichtigdieÜberlegungensind,
mitderenHilfediekomplexeFrage-
stellungnachderErforschbarkeitbe-
antwortetwerdenkann.
Die drei zentralen Baustellen der MediationsforschungInnerhalbdieserFacettenkristallisie-
rensichdreigroßeBaustellenderge-
genwärtigenMediationsforschung
heraus,aufdiesichjeweilsmehrere
AutorInnenwiederholtundkontrovers
beziehen:Dabeigehtesauchweiter-
hinumeinegrundsätzlichePositions-
bestimmungvonMediationansich.
DarüberhinauslässtdenAutorInnen
dieFragenachmethodischenVer-
wandtschaftenundSynergieeffekten
derErkenntnismethodeninMediation
undWissenschaftkeineRuhe.EinZiel
einerMediationsforschungsehenviele
AutorInnenineinerErfassungund
NachzeichnungvonVerständigungs-
prozesseninderMediation.
Mediation braucht Selbstklä-rung – auch nach innenAuchweiterhinbegleitenunsdie
grundlegendenFragen:WasistMe-
diation?WorinbestehtihrKern?Wo
kommtsieher?DieAutorInnenge-
bensowohlverschiedeneAntwor-
tenalsauchunterschiedlicheBegrün-
dungenfürdiesenForschungsbedarf.
GeradedieSelbsteinschätzungvieler
MediatorInnenalsPraktikereinesin-
novativenVerfahrensverspürensie
häufigdasBedürfnisnacheinerSuche
nachweiterzurückreichendenWur-
zelnundTraditionen,ausdenenei-
nekontinuierlicheEntwicklungdes
Mediationsgedankensundeineall-
gemeinstärkendwirkendeKontinu-
itätsichtbarwerdensollen.Offen
bleibtdabei,wonacheigentlichge-
suchtwird:GehtesumVermittlerim
Allgemeinen?IstdieEinhaltungbe-
stimmterKriterienmaßgeblich?Oder
sindVermitlungsversuchesoomni-
präsent,dasseherdieEntstehungund
VerwendungdesWortesMediation
Orientierungbietenkann?
Begründenlässtsichdieseperma-
nenteSuchenachPositionsbestim-
mungenvonMediationaufminde-
stenszweiWeisen:Einerseitskann
Mediationweiterhinalsbesonders
jungeDisziplinaufgefasstwerden,die
sichimmernochineiner(Selbst-)Fin-
dungsphasebefindet.Andererseits
kannauchdiegroße,prinzipielleVer-
fahrensoffenheitund-variabilitätso-
wiediehoheKontextorientierungdes
VerfahrensderMediationeinenGe-
genstandhervorbringen,derselbstso
sehrimFlussist,dassdenbetroffenen
praktizierendenMediatorInnenso-
wohlOrientierungspunktealsauchdie
GelegenheitzurStandortreflektion
angebotenwerdenmüssen.Mitan-
derenWorten:EinVerfahrenmitei-
nerhohenReflektionsorientierungge-
genüberKlientInnenmussauchintern
miteinemerheblichenReflektionsauf-
wandmonitoriertwerden,umnicht
selbstzuverschwimmen.
MediatorInnen und ForscherIn-nen: Beide suchen KlärungMöglicherweisewirddasVerhältnis
zwischenWissenschaftund(media-
torischer)Praxisgeradedeshalbalsso
spannungsgeladenwahrgenommen,
weilbeideBereicheeinander–entge-
genvielerPostulierungenundGrenz-
ziehungen–garnichtsounähnlich
sind:SowohlMediationalsauchFor-
schungkönnenalsklärungsorientierte
Verfahrenverstandenwerden.Inbei-
denFällenwirdversucht,durchme-
thodengeleiteteVorgehensweisenet-
waszuerkennen,zuergründenoder
1Busch, Dominic/Mayer, Claude-Hélène (Hrsg.): Mediation erforschen. Fragen – Forschungsme-thoden – Ziele. Wiesbaden 2012.
Berichte zum Thema
24 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
auseineranderenPerspektivezube-
trachten,wasvordemHintergrund
einerAlltagswahrnehmungnicht
zugänglichgewesenwäre.Einemög-
lichstprofessionelleingeübteEinhal-
tungmethodischerSchrittesolldabei
qualitätssicherndwirkenunddieEr-
kenntnisdifferenzgegenübereinerAll-
tagswahrnehmungaufrechterhalten.
NochoffensichtlicherwerdendiePa-
rallelenimFallvonMethodenausder
qualitativenSozialforschunggegen-
überHandlungsformenund-zielenin
derMediation.DiemethodischenVor-
gehensweisenzurGenerierungeines
empirischenMaterials,dasanschlie-
ßendgedeutet,interpretiertwird,ba-
siertinbeidenFällenaufeinemregel-
geleitetenkommunikationsbasierten
Handeln.Einegewisseintersubjek-
tivnachvollziehbareundzugleich
fruchtbringende,neuePerspektive
sollsowohlinder(Sozial-)Forschung
alsauchindermediatorischenPra-
xisdurchdieHerstellungeinerBeo-
bachterposition,einmaleingenom-
mendurchdenForscher,einanderes
MaleingenommendurchdenMedia-
tor,hergestelltwerden.
DieseimmenseParallelitätzwischen
ForschungundMediationinspiriert
zahlreicheAutorInnendazu,dieses
Verhältnisgenauerauszuloten:Kön-
nensichfüreineVerbesserungund
methodischeErweiterungderMedia-
tionspraxisauseinemBlickaufwis-
senschaftlicheVorgehensweisenneue
undzusätzlicheHandlungsformener-
geben?KannauchdieWissenschaft
durcheinenBlickaufmediatorische
Erkenntniserfolgeprofitieren?Und
welchezusätzlichenEinblickebietet
einewissenschaftlicheBetrachtung
vonMediationeigentlich?Könntesich
Mediationnichtquaseinereigenen
Verfahrengenausogutselbstmonito-
rieren?DieempfundeneNähebeider
VerfahrenzwingthierschnellzurPo-
sitionsbestimmungund-präzisierung:
WasunterscheidetMediationvonFor-
schungundumgekehrt?Erschwert
diemethodischeNäheamEndeeine
wirklichreflektierteErforschungvon
Mediation?
Nebenneugierigenundinspirierten
BlickenaufdieParallelitätzwischen
MediationundForschungkommenje-
dochauchkritischePlädoyerszuWort.
EinepräziseReflektionderZielstel-
lungen,aberauchdesGegenstands
vonMediationkannAspekteaufzei-
gen,indenensichdieOrientierungen
vonMediationundWissenschaftklar
voneinanderunterscheiden.EineVer-
mischungbeiderHerangehensweisen
ohnedieBerücksichtigungdieserun-
terschiedlichenZielstellungenkann
letztendlichsogarzuschwächerenEr-
gebnissenaufbeidenSeitenführen.
Verständigungsprozesse sichtbar machenEinevergleichsweisegroßeEinigkeit
bestehtunterdenAutorInneninAnt-
wortenaufdieFrage,wasdennei-
gentlichanMediationgenauerforscht
werdensolle:KlarimZentrumdesIn-
teressesstehthiereinegreifbareund
möglichstpräziseNachzeichnungvon
VerständigungsprozesseninderMe-
diation.GesuchtwirdnachWegen
undMethoden,mitdenenmöglichst
»gemessen«werdenkann,wiege-
nauundunterwelchenBedingungen
VerständigunginderMediationent-
steht.Gesuchtwirddemnachnachei-
nerErfassungdessen,waszahlreiche
MediatorInnenoffenbarhäufigerle-
ben,wasaberzugleich–zumindest
auswissenschaftlicherSicht–ver-
gleichsweiseunkontrolliertpassiert:
dieAnbahnungeinesverständigungs-
orientierteninterpersonalenVerhält-
nissesundsomitderBeginneinesVer-
ständigungsprozesses.StehtamEnde
alsodochnurderWunschnacheiner
EntzauberungvonMediation?Nein,
sodenkenwirangesichtsderBeiträge
unseresSammelbands.Zeigendiese
docheinmalmehr,dassdurchausein
konstruktivorientierter,interdiszipli-
närversierterundzugleichkritischer
AutorInnenkreiszusammengeführt
werdenkann,derumdieBesonder-
heitenvonMediationunddenerfor-
derlichenbehutsamenUmgangmitih-
nenweißundzugleichinderLageist,
einezukunftsorientierteErforschung
vonMediationanzuleiten.
*Claude-HélèneMayerProfessorinfürInterkulturelleWirt-schaftskommunikation(HAW,Hamburg),MediatiorinundAusbilderinBM®,syste-mische(Familien-)Therapeutin(SG),Hyp-nosetherapeutin(TIM)undSystemauf-stellerin(KI)
*E-Mail:[email protected]
*DominicBuschistProfessorfürInterkulturelleKom-munikationundKonfliktforschunganderUniversitätderBundeswehrMün-chen.AusbildungbeiderMediations-stelleFrankfurt(Oder).SeineDisser-tationzutheoretischenGrundlageninterkulturellerMediationwurde2004mitdemMediations-Wissenschafts-preisderCentralefürMediationKölnausgezeichnet.
*E-Mail:[email protected]
AutorInneninfo
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 25
DassWissenschaftundPraxis
einesehrdynamische,sichge-
genseitigbefruchtendeZu-
sammenarbeitinBezugaufKonfliktma-
nagementinUnternehmeneingehen
können,dieallenobengenanntenggfs.
vorhandenengegenseitigenVorurteilen
widerspricht,zeigtdieimJanuar2011
herausgegebeneStudie»Konfliktma-
nagement:vondenElementenzumSys-
tem«.InKooperationderWirtschafts-
prüfungs-undBeratungsgesellschaft
PricewaterhouseCoopers(PwC)undder
Europa-UniversitätViadrinaFrankfurt
(Oder)alswissenschaftlicherInstanz
wurdederVersuchunternommen,den
Erfahrungsschatzderim»RoundTable
MediationundKonfliktmanagementder
Marion Nöldeke
FürdiePraktikerInnenscheintsieaufdenersten–manchmalzugegebenermaßennichtganzvor-
urteilsfreien–Blick»trocken«und»weitweg«zusein:diewissenschaftlicheAuseinandersetzung
mitdemThemengebietKonfliktmanagement.Kritischfragensiesich,obesihnenbeidenHerausfor-
derungendesTagesgeschäftsunddeminvielenUnternehmenvorhandenenwirtschaftlichemDruck
etwasnützt,wenndieWissenschaftmöglicheWegezurEtablierungvonKonfliktmanagementinUn-
ternehmenaufzeigenwill.UmgekehrtkönntensichdieWissenschaftlerInnenfragen,obdieaufden
erstenBlicksehrunterschiedlichenundvielleicht»unstrukturiert«wirkendenAnsätzederPraxisim
UmgangmitKonfliktmanagementfürdietheoretischeAusformungdesThemasRelevanzhaben,
bzw.nutzbarundaufzubereitensind.
Berichte zum Thema
DeutschenWirtschaft«vertretenenUn-
ternehmenzuhebenundwissenschaft-
lichaufzubereiten.Diestrukturierte
AnalysevonEtablierungswegeninder
PraxiskombiniertmitFokusstudien
undpraxisnahenVorgehensmodellen
schaffenein»bestof«derErkenntnis-
seundAnsätzebeiderBlickwinkel.Die
Ideewar,dassderNutzerderStudie
aufpraxisnahdargestellteAnsätzeund
Handlungsempfehlungenzurückgrei-
fenundsovondeninderStudieüber-
sichtlichaufbereitetenErfolgsmodellen
derEtablierunglernenkann.
WichtigundfürdenpraktischenEinsatz
wesentlich:dieheterogenenundsehr
unterschiedlichenErfahrungenundHe-
rangehensweisenvonUnternehmen
zumThemaKonfliktmanagementwur-
denvonderWissenschaftnichteinfach
inModelle»gezwängt«,sondernalsEle-
mentegesehen,diealleihrejeeigene
BerechtigungundWichtigkeitfürdie
EtablierungvonKonfliktmanagement
inUnternehmenhaben.JederErkennt-
nisschrittindenUnternehmenwurde
alswichtigeVoraussetzungfürdenwei-
terenWeggewürdigt,derdurchdieun-
ternehmensspezifischeAdaptierung
derzusammengestelltenErfolgsmodel-
leundHandlungsempfehlungenweiter-
geführtwerdenkann.DieAufbereitung
derErgebnisseerfolgtso,dassUnter-
nehmenunabhängigvonihrerGröße
undvonderBrancheindersietätigsind
Konfliktmanagement Wie Wissenschaft und Praxis sich bereichern
Berichte zum Thema
26 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
dieStudienergebnisseschnellnutzen
undfürsichverwendenkönnen.
Dabeiistwesentlichundausmeiner
SichtebenfallshilfreichfürdiePraxis,
dassvonderWissenschaftdarüberhi-
nausderBlickaufeinGesamtsystem
gelenktwird:denAufbaueinesvoll-
ständigenKonfliktmanagement-Sys-
tems.DasinderStudievorgestellte
Viadrina-Komponenten-Modelleines
Konfliktmanagement-Systemsführt
dieElementeKonfliktanlaufstellen,
SystematikderVerfahrenswahl,Ver-
fahrensstandards,Konfliktbearbeiter,
Dokumentation,Controlling,Qualitäts-
sicherungundKommunikationverbun-
dendurcheineZentraleSteuerungund
eingebettetinUnternehmens-Normen
undUnternehmenskulturzueinem
Komponentensystemzusammen.
HierkönntesicheinskeptischerPrakti-
kerdieFragestellen:»Undwasmache
ichjetztmiteinemsolchenModell?«
bzw.»WiegeheichdieEinführungvon
KonfliktmanagementinmeinemUnter-
nehmenkonkretan?«Auchdaraufgibt
dieStudieAntworten:Zumeinenwer-
denPraxisbeispielegenannt,diesich
z.B.mitderEinführungeinesKonflikt-
management-SystemsfürKonflikteam
ArbeitsplatzodermitderEinführung
einesKonfliktmanagement-Systemsfür
externeUnternehmens-Konflikteals
EinstiegsmöglichkeitenindasGesamt-
systembeschäftigen.
ZumanderenwerdenineinerFokus-
studieinnerhalbderGesamtstudie(von
Oertzen/Nöldeke:»Konfliktmanage-
ment–EtablierungsprozesseundStra-
tegien«)aktuellinUnternehmendisku-
tierteweitereinterdisziplinäreThemen
ausdemBereichz.B.derInnovations-
wissenschaftenoderdemVerände-
rungsmanagementalsÜberlegungen
fürdieEtablierungmitherangezogen
underweiterndenBlickwinkel.
AuchindieserFokusstudiekonntenWis-
senschaftundPraxisvoneinanderpro-
fitieren:AusPraxisinterviewsu.a.zur
Frage»WaswarenbeiIhnenimUnter-
nehmendieVoraussetzungenfürdieer-
folgreicheEtablierungvonKonfliktma-
nagement?«wurdeeinPhasenmodell
füreinwirksamesundnachhaltigesEin-
führenherausgearbeitet:VomEinstiegs-
impulsgehtesübereinrealistisches
KonzeptundeineklareEntscheidung
überdieErfordernisvonbreiterUnter-
stützungbishinzurnotwendigenguten
VerankerungvonKonfliktmanagement.
DieeinzelnenPhasenkönneninunter-
schiedlicherReihenfolgeundIntensität
unternehmensspezifischdurchlaufen
werden.ZujederdieserPhasenwer-
deninderFokus-StudieErfahrungsbe-
richteausPraxisinterviewsergänztund
einemethodischeAufbereitungderda-
rinfüralleUnternehmenvorhandenen
»Erkenntnisperlen«angeboten.Wissen-
schaftlichundzugleichfürdiePraxis
sehrhilfreichistdieHinterlegungdes
VorgehensmitdemfürdieseFragestel-
lungverfügbargemachtenPromotoren-
Modell1.Promotoren,alsAkteure,auf
dieesankommt,unterstützenaufviel-
fältigeArtundWeisedenEtablierungs-
prozessvonKonfliktmanagementinUn-
ternehmen:Seiesalsderfachlichinder
KonfliktbearbeitungversierteFachpro-
motor,alsderimUnternehmengutver-
netzteunddamitfürdasKonfliktma-
nagementUnterstützungsichernde
Prozesspromotoroderalsdereinfluss-
reicheunddieGrundsatzentscheidung
fürdieEtablierungvonKonfliktmanage-
mentherbeiführendeMachtpromotor.
InderUnternehmenspraxisistdieser
BlickaufEigenschaftenundRollederje-
weiligenPromotorensehrhilfreich:in
denPrioritätendesTagesgeschäftsso-
wiedergenerellenunternehmerischen
ZielsetzungundStrategieeingebunden,
mussmansichmöglichsteffizienter
Analyse-Wegebedienen,umdieEtablie-
rungvonKonfliktmanagementvoran
zubringen.DerBlickaufdas»Promo-
toren-Gefüge«istfürdenImpulsgeber
fürdasKonfliktmanagementsehrhilf-
reich.Auchaufdieeigenedarinenthal-
teneRolleundderenZielezuschauen
verschaffteinenErkenntnisgewinn.
IndemIT-Unternehmen,indemichar-
beite,istesgängigeMethodik,sowohlin
internen,alsauchinexternenProjekten
umfangreichesKnow-howausdemBe-
reichProjektmanagementzunutzen.
Sobietetsichz.B.zuBeginneinesPro-
jektszurSondierungderAusgangssitu-
ationeinesogenannteStakeholder-
Analysean.DieStakeholdersindvom
Projekt,bzw.denAuswirkungenderPro-
jektarbeitunmittelbarodermittelbar
Betroffene,diemöglichstsoeingebun-
denwerdensollten,dasssiezuBeteilig-
tenwerden,diedasProjektergebnisam
Endemittragenbzw.bestenfallsalspo-
sitiveUnterstützerundFürsprecherhan-
deln.IneinerStakeholder-Analysewer-
dendieErwartungenundBefürchtungen
derBetroffenenermitteltunddieBedeu-
tungderProjektideefürihrenArbeits-
bereichanalysiert.NachderBewertung
dieserAnalysewerdenvomProjektlei-
terbzw.vomProjektumfeldMaßnah-
menundStrategienentwickelt,dieda-
zuführensollen,dassinsbesonderedie
kritischzumProjektstehendenStake-
holdergutundnachhaltigindasProjekt
eingebundenwerden.Hierkönnteman
dasPromotorenmodellvonvonOert-
zeninBezugaufdiepraktischeAnwen-
dungweiterführenundsichfragen:Was
müsstegeschehen,damitauseinemPro-
jekt-KritikereinpositiverUnterstützer,
BefürworterundsomitPromotorwird?
1Vgl. von Oertzen, Jürgen, Karlsruhe 2010.
Berichte zum Thema
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 27
DieseskleineBeispielzeigt,dassdiege-
genseitigeInspirationzwischenWissen-
schaftundPraxiszumBereichKonflikt-
managementanhältbzw.weitergeführt
wird.Aber:essollauchdaraufhingewie-
senwerden,dassmanerstzueinander
findenmuss,bzw.jederdie»Sprache«
desanderenverstehenlernen,bzw.sich
zunächsteingegenseitigesVerständnis
fürdieverschiedenenBlickwinkelentwi-
ckelnmuss.BeiderZusammenarbeit
mitJürgenvonOertzenzuro.g.Fokus-
studiehabenwirunstrotzgrößerer
räumlicherDistanzzuBeginnzunächst
persönlichgetroffen,umunsgegen-
seitigkennenzulernen,umdiesesge-
meinsameVerständniseinzuüben.
Daraufaufbauendarbeitetenwirtele-
fonischundperMailgemeinsamanden
Themenweiter.DurchInterviewsmit
denTeilnehmerInnendesRound
TableMediationundKonfliktmanage-
mentderDeutschenWirtschafthatte
JürgenvonOertzenbereitsvieleErfah-
rungengesammelt,diesegeclustertund
ausgewertet.Dasdarausentwickelte
ModellderEtablierungsprozesseund
Strategienspiegeltenwirdannnochmal
anmeinenPraxiserfahrungenunddis-
kutiertenausführlichdieverschiedenen
Facetten.
Erwähnenswertist,dassausdieserZu-
sammenarbeitauchnochalsZusatzpro-
duktfürdiePraxiseineEtablierungs-
matrixentstand.DieseArbeitshilfein
FormeinerstrukturiertenTabelleführt
dieempirischenAspektezurEtablierung
vonKonfliktmanagementübersicht-
lichundeinfachauswertbarzusammen.
Zielsetzung:JedesUnternehmen,das
dieMatrixnutztundunternehmens-
spezifischseineAusprägungendortein-
stellt,erhälteinenÜberblickunderste
konkreteAnsatzpunktedarüber,wasin
BezugaufdieEinführungvonKonflikt-
managementimeigenenUnternehmen
detaillierteruntersucht,bzw.bewertet
werdensollte.Beidenzubeachtenden
RahmenparameternfürdieEinführung
vonKonfliktmanagementwerdenzum
BeispieldieDimensiondesAnstoßes(=
Erstimpuls),Barrieren,Unternehmens-
kultur,Rahmenparameterundvorhan-
deneKonfliktmanagement-Strukturen
zurAuswahlangeboten.Beidenzutref-
fendenGrundsatzentscheidungengeht
esumdieWeitedesWurfs,dieGe-
schwindigkeitderEinführungsowie
diegewünschtezubearbeitendeKon-
fliktart.DiebetroffenenAkteurekönnen
Unternehmenspezifischhinzugewählt
werden.UndbeiderkonkretenAusge-
staltunggehtesdarum,welcherBereich
imUnternehmendieEinführungleitet,
welcheweiterenunternehmensspezi-
fischenManagementsystemebeachtet
werdenmüssen,welcherNutzener-
zieltwerdensollundwelcherOrganisa-
tionsbereichfürdieEinführungverant-
wortlichist.Diemehralssechziginder
MatrixenthaltenenEinzelaspektesind
dannwiederummiteinerChancenund
Risiken-Einschätzungversehendieaus
vielfältigenErfahrungeninderPraxis
stammt.DieEtablierungsmatrixkann
somiteinunterstützendesArbeitsmittel
fürdieIst-AnalysederKonfliktmanage-
ment-SituationdesjeweiligenUnter-
nehmensseinundbietetAnregungen
undHinweisefürdenBeginnderEta-
blierungvonKonfliktmanagementbzw.
einesKonfliktmanagement-Systems.
SomitistmeinepersönlicheErfah-
rung:Ja!WissenschaftundPraxisbe-
reichernsichinBezugaufdasKonflikt-
managementgegenseitig.Und:Beide
sindausmeinerSichtzwingendauf-
einanderverwiesen,umfürdieEta-
blierungvonKonfliktmanagement
zukunftsgerichtetweitereErkennt-
nisseaufzubereitenundWegezueb-
nen,umeinermöglichstgroßenAn-
zahlvonUnternehmen–gleichwelcher
GrößeundBranche–denEinstieg
unddieerfolgreicheEinführungvon
Konfliktmanagement(systemen)zueb-
nen.DieImpulseausdemRoundTa-
bleMediationundKonfliktmanage-
mentderDeutschenWirtschaft(www.
rtmkm.de)mitseinenerfahrenenPrak-
tikerninZusammenarbeitmitseiner
praxisorientiertenversiertenwissen-
schaftlichenBegleitunggebenhierfür
eineindrucksvollesBeispiel.
*MarionNöldekeBetriebswirtin,seit20Jahreninunter-schiedlichenBereichenundPositionenbeiderAareonAGinMainztätig,seit2004fachlicheBereichsleitung/Koordi-natorinInternationalesProduktmanage-ment,Projektmanagement-Fachfrau(GPM),AusbildunginMediationundWirtschaftsmediation,häufigeProjekt-leitungstätigkeitenbeigroßen,zumTeilausgeprägtkonfliktbelastetenProjekten.
*E-Mail:[email protected]
AutorInneninfo
Literatur
*vonOertzen,Jürgen:Wermacht´s?DieRollenvonPromotorenbeiderEtablierungvonKonfliktmanagement(systemen)inUnternehmen.Karlsruhe2010.
28 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
Berichte zum Thema
Mediation – ein Stiefkind der Friedens und Konfliktforschung
Andréa Vermeer
sterLiniedieKommunikationzwischen
denParteienaufbauen.Mankönnteal-
sodavonausgehen,dasssichdieMe-
diationzunächstkommunikationsthe-
oretischerModellebedient,jedochsind
dieErkenntnisseausderFriedens-und
Konfliktforschungunterschwelligeben-
soverankertohneexplizitgenanntzu
werden.DieBandbreitederwissen-
schaftlichenDisziplinenzeigt,wel-
cheAnknüpfungspunkteesfürdasFor-
schungsfeldMediationgebenkönnte.
SozialwissenschaftlicheKonflikttheo-
rienumreißenvierFelderderTheorie-
entwicklung:(1)klassischePositionen
(Hobbes,Marx,Weber,Simmel),(2)
KonflikttheorienderTheorieninterna-
tionalerBeziehungen(Neorealismus,
InternationalePolitischeÖkonomie,
Neoinstitutionalismus,Zivilisierungs-
theorie,postmoderneTheorien),(3)
KonflikttheoriensoziologischerGesell-
schaftstheorien(zivilgesellschaftlicher
Republikanismus,Hegemonietheo-
rie,autopoietischeSystemtheorie,fe-
ministischeTheorien,Anerkennungs-
theorien,Theoriedersymbolischen
Kämpfe,TheoriekollektiverAkteure),
(4)Konflikttheoriensozialwissen-
schaftlicherAkteurstheorien(Desinte-
grationstheorie,Theoriedersozialen
Identität,Interaktionsrituale,Psychoa-
nalyse,Rational-Choice-Theorie,Sozio-
biologie,Aggressionstheorie).
Grundsätzlichisteswichtig,sichbei
derAnwendungvonMediationüber
denStandpunktklarzusein,denman
hinsichtlichdesKonfliktbegriffsein-
AktuellgibtesguteGründe,darüberzudebattieren,warumesschwierigisteineEU-Richtlinieals
MediationsgesetzinDeutschlandzuratifizierenundwelchenBeitragdieFriedens-undKonflikt-
forschungversäumthat,umdiepraxisorientierteKonfliktregulationmitNamenMediationalsex-
plizitesForschungsobjektzuetablieren.EinknapperÜberblicksollüberdenaktuellenStandder
ForschunginBezugaufMediationseitensderFriedens-undKonfliktforschunginformieren.DerFor-
schungsbereichwirdeingerahmtunddiehistorischenEntwicklungendesForschungsgegenstandes
erklärt.KonkreteBeispielezeigen,inwelchenBereichendieMediationüberhauptalsThemaderFrie-
dens-undKonfliktforschungbetrachtetwirdundwiediesgeschieht.
EsgibtvielestreitbareGemüter
undmancheMenschenverstehen
es,ihrpolitisches,gesellschaft-
liches,sozialesoderpersönlichesRecht
durchzusetzenmittelsKlagewellen,mi-
litärischenEinsätzenundKriegen.Die
einenimNamenihrerGötter,imNa-
mendesVolkesoderwiederanderein
ihrerFamilie.Rechtsansprüchebezie-
hensichsomitaufjedwedeLebenswelt
vonMenschenundihrersozialenIn-
teraktion.DieMediationzieltnichtda-
raufabRechtsansprüchegeltendzu
machen,sondern,unddiesmaginun-
sererRechtskulturverwirren,aufdie
KlärungderdahinterliegendenEinstel-
lungenundEmotionen,diezumKon-
fliktführen.MediatorInnenüberneh-
mendieVerantwortungfürdenProzess
derKonfliktregulation,indemsieiner-
Berichte zum Thema
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 29
nimmt.Konfliktebestehenaufunter-
schiedlichenEbenen,eineeindeutige
Konfliktdefinitiongibtesnicht.Ulrike
WasmuthweistaufvierUnterschei-
dungenhin:»Esistzunächstwichtig,
denKonfliktunvoreingenommenals
sozialenTatbestandzubetrachtenund
beiDefinitionsversuchenden›Kon-
flikt‹(a)nichtmitAustragungsformen
zuverwechseln;(b)nichtdurchBe-
wertungeinzugrenzenunddamitdes-
senAnalysezupräjudizieren;(c)nicht
durchseinenKontextunnötigerweise
aufMerkmalezureduzieren,diesei-
nerKomplexitätnichtgerechtwerden
und(d)nichtmitseinerUrsächlichkeit
zuvermischen.«1DieKonfliktparteien
könnenausEinzelpersonen,Gruppen,
Staatenetc.bestehen,hierentsteht
derKonfliktdannausUnterschieden
dersozialenLageund/oderInteres-
sen/Positionen.DieserHintergrund
istauchwichtigfüreinetheoretische
EinbettungderMediation,denndiese
stehtjenachsoziologischen,politik-
wissenschaftlichenodersozialpsycho-
logischenTheorietraditionenineinem
anderenKontext,wobeiichdensozio-
logischenundwenigerdenpolitikwis-
senschaftlichenAnsatzbevorzuge.
DieEinsicht,dassdiegesetzlicheNorm-
gebung–nationaleGesetzgebungoder
Völkerrecht–oftnichtausreichendist,
umFriedenzwischenKonfliktparteien
zustiften,findetanunterschiedlichen
StellenindenvergangenJahrenGehör.
DieUNgründete2009aufausdrück-
lichenWunschvonGeneralsekretär
BanKi-MooneineUnitmitMediation
SupportunddieEUgibteineRicht-
linieaufdenWeg,umaußergericht-
licheVerfahrensweisenzurKonfliktre-
gulationzufördern.AufArbeitsebene
istdieeuropäischeUnionseit2008da-
bei,dasVerfahren,oderbesser,denme-
thodischenAnsatzderMediationin
dieGesetzgebungeinfließenzulassen,
gleichberechtigtzuSchlichtungs-und
Schiedsgerichtsverfahren.Sollteessich
gesellschaftlichdurchsetzen,dassMen-
schenlernensichaußergerichtlichzu
einigen,dannwäreesoptimalerWeise
nurnochbeikriminellenTatbeständen
notwendig,GerichteundRechtsanwäl-
tezubemühen.DieReduktiondesKon-
flikt-ArbeitsfeldesvonJuristenunddie
gleichzeitigeErweiterungdesselbigen
fürweitereExpertenausanderenFach-
bereichenführtzuSpannungen,denn
auchimFeldderMediationgibtes
Rechtsansprüche,nurworaufsichdiese
genaubegründen,istnichtdeutlich.
DiegroßenProblemebeiderUmset-
zungderEU-RichtliniezurMediation
rührennichtzuletztdaher,dassdieGe-
mengelageunübersichtlichistundes
wenigeErkenntnisseübermethodische
Ansätze,wissenschaftlichfundierte
AnalysenundEvaluierungenzuMedia-
tionengibt.
DasFeldderMediationistkaum›er-
forscht‹undbasiertaufsehrbelie-
bigentheoretischenAnsätzen.Faktist,
dassniemandeineDeutungshoheit
hatüberdas,wasMediationzuleisten
hat,wiesiedurchzuführenistundwel-
cheKriterienerfülltseinmüssen,um
sieerfolgreichumzusetzen.Geschwei-
gedenn,dassesdieMediatorInge-
benkanngenausowenigwiedieLeh-
rerInoderdieFührungskraft.Dawirkt
eshilflos,wenndieIHKNürnberg,im
GegensatzzuanderenIHKs,einMin-
destaltereinführtundeigeneKriterien
füreinGütesiegelvonMediatorInnen
setzt,mangelsstaatlicherVorgaben.
BisherhabensichinderPraxisvor
allemdieMediationsmodelledesPo-
litikwissenschaftlersChristophBese-
mersowiedieAdaptionvonBallreich
&GlaslimdeutschsprachigenRaum
durchgesetzt.2Weltweitbefassensich
vieleWissenschaftlerInnenmitThe-
menzurKonfliktregulation.3Kennt-
nisseüberKonfliktregulierungspro-
zesseoderEskalationsstufengehören
nichtzurwissenschaftlichenAusbil-
dungvonJuristInnen,abersehrwohl
zujenerderFriedens-undKonfliktfor-
scherInnen.DerinterdisziplinäreStu-
diengang,zumeistausdenWissen-
schaftsbereichenPolitikwissenschaft,
SoziologieundSozialpsychologie,be-
schäftigtsichtiefgehendmitKon-
flikteninunterschiedlichenKontexten.
DasDilemmaderGreifbarkeitvonMe-
diationalsVerfahren,Methodeoder
AnsatzistaucheinResultatvonzuge-
ringerwissenschaftlicherAufmerk-
samkeitundwenigErkenntnisgewinn.
ErstindenvergangenenJahrenwer-
denakademischeStudiendurchge-
führt,umüberhauptAussagentref-
fenzukönnen,wasdennMediation
nuneigentlichumfasst,welcheThe-
orienihrzugrundeliegenundwelche
KenntnissebeiMediatorInnenvorhan-
denseinmüssten,ummitKonflikten
aufunterschiedlichenEbenenumge-
henzukönnen.
EinStandardwerkzurEinführungin
dieFriedens-undKonfliktforschungist
dasLehrbuchvondenHerausgebern
ImbuschundZollmitgleichnamigem
Titel.4Esbeschreibtdiepolitischen
HintergründedeskaltenKriegesso-
wiedieEinflüsseder68erunddiespä-
terenFriedensbewegungenaufdie
Friedensforschung.Bisheutestrei-
tenPolitikwissenschaftlermitSozio-
logInnenoderSozialpsychologInnen
1Wasmuth, U.: S. 7.2Besemer (1995) und Kessen/Troja (2002).3Diese Begrifflichkeit wird unterschiedlich verwendet und benannt: Konflikttransforma-tion, Konfliktlösung, Konfliktmanagement etc. Autoren mit theoretischen Ansätzen zur Kon-flikttransformation sind u.a.: Galtung, Azar, Senghaas, Krippendorf. Autoren mit Fokus auf non-violent Ansätzen: Sharp 1973, Wehr, Burgess & Burgess 1994, Clark 2000. S. a. www.berghof-handbook.net.
4s. Imbusch, Peter & Zoll, Ralf (Hrsg.).
Berichte zum Thema
30 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
überBegriffewieFriedenundGewalt,
Kriegsursachen,Abrüstung,Rüstungs-
kontrolleundauchKonfliktmanage-
ment.SieallestehenzunächstimFo-
kusderForschung,dieMediationwird
explizitmitkeinemWorterwähnt.Tra-
ditionellwidmetsichdieFriedens-und
Konfliktforschungeherdenmakro-
politischenKonflikten.Dergesamte
ForschungsbereichdesBerghofFor-
schungszentrumsfürkonstruktive
KonfliktbearbeitunginBerlinrichtet
sichaufdiepolitischeEbene:
»Mediation is, at its core, a politi
cal process in which conflict parties
(stakeholders) agree to accept one
or more third actors who are not
party to the conflict, who enjoy the
trust of the disputants, and who are
considered potentially supportive in
overcoming the deadlock triggered
by a stalemate in the conflict.«5
IndiesemKontextwirdMediationvor-
wiegendalskommunikationstheore-
tischesModellbehandelt,welchesim
SinnevonpolitischmotiviertenVer-
handlungsstrategieneinenoffiziellen
sowieinoffiziellenMediationsprozess
beschreibt.EinigevonGiessmann&
WilsbeschriebeneFunktionenderMe-
diationwidersprechendenAnsätzen
vonu.a.Besemer,Ballreich&Glasl,
zumBeispielinpunctoFreiwilligkeit.
DassKonfliktesichnichtnurvorwie-
gendimmakro-politischenKontextab-
spielen,beschreibtKarlheinzKoppein
seinerGeschichtederFriedens-und
Konfliktforschungundsprichthiervon
einemParadigmenwechsel»vonder
KriegsverhütungzurZivilisierungdes
Konfliktaustrags«.ErsiehtdieUrsachen
fürKonfliktenichtnurininternationa-
lenBeziehungensondernauchinge-
sellschaftlichenStrukturen.Sorücktdie
»AnalyseundBearbeitungallergloba-
lenundgrenzüberschreitendenGefähr-
dungendermenschlichenExistenz,(…
terroristischeGewalt…)«mehrinden
Vordergrund,verlässtaberdiePerspek-
tivederMakroebenenicht.6
Endeder80erJahre,Anfangder90er
wurdenStudienveröffentlicht,diesich
mitdemThemaVertrauenalsGrund-
kategorievonFriedenauseinander-
setzten.SobeschreibtzumBeispiel
NiklasLuhmannVertrauenalseinen
MechanismuszurReduktionvonso-
zialerKomplexitätundmeintdamit:
»OhnejeglichesVertrauenaberkönnte
er[derMensch]morgensseinBett
nichtverlassen.UnbestimmteAngst,
lähmendesEntsetzenbefielenihn.«7
Forschungsobjektebeziehenimmeröf-
terdenMenschenmitseinerFähigkeit
derEmpathieeinundwerdenineine
DefinitiondesFriedensbegriffs,sobei
DieterSenghaasetal.,integriert:»Um
Friedenzuerreichen,sinddeshalban-
haltendeBemühungenumRechtstaat-
lichkeit,Erwartungsverlässlichkeit,
ökonomischenAusgleichundEmpa-
thieerforderlich.«8Damitwirddierein
makro-politischePerspektiveverlas-
senunddiesozialeInteraktionsebene
vonMenscheneinbezogen.Senghaas
folgtunteranderemdenAnsätzendes
deutsch-jüdischenSoziologenNorbert
Elias,derinseinerZivilisierungstheorie,
zumProzessderZivilisation,denMen-
schenzentralstellt:
»Erst mit den Spannungen zwischen
den Menschen mit den Widersprü
chen im Aufbau des Menschenge
flechts können sich die Spannungen
und Widersprüche in den Menschen
mildern. Dann erst braucht es nicht
mehr die Ausnahme, dann erst kann
es die Regel sein, dass der einzel
ne Mensch jenes optimale Gleich
gewicht seiner Seele findet, das wir
so oft mit den großen Worten wie
›Glück‹ und ›Freiheit‹ beschwören:
ein dauerhaftes Gleichgewicht oder
gar den Einklang zwischen seinen
gesellschaftlichen Aufgaben, zwi
schen den gesamten Anforderungen
seiner sozialen Existenz auf der ei
nen Seite und seinen persönlichen
Neigungen und Bedürfnissen auf
der anderen. Erst wenn der Aufbau
der zwischenmenschlichen Bezie
hungen derart beschaffen ist, wenn
die Zusammenarbeit der Menschen,
die die Grundlage für die Existenz
jedes einzelnen bildet, derart funk
tioniert, dass es für alle, die in der
reichgegliederten Kette der gemein
samen Aufgaben Hand in Hand ar
beiten, zum mindestens möglich ist,
dieses Gleichgewicht zu finden, erst
dann werden die Menschen mit grö
ßerem Recht von sich sagen kön
nen, dass sie zivilisiert sind.«9
DieHerangehensweiseanMediation
gestaltetsichsehrverschiedenund
somitauchdieInterpretationdes-
senwas‚erlaubt‘istineinerMedia-
tionundwaseheralsdestruktivwahr-
genommenwird.Einentscheidender
PunktisthierbeiderHandlungsraum
derMediatorInnen.IhreRolleinma-
kro-politischenKonfliktenwirdoft
als›facilitator‹odergaralsStrate-
gemitSanktionsmöglichkeitenauf-
gefasst,diesichmittelbarindenkrea-
tivenLösungsraumeinmischenund
eigeneLösungsvorschlägeeinbringen.
DieswiederumgiltalseinTabuinan-
derenAnsätzen,daaussozialpsycho-
logischenErkenntnissendavonausge-
gangenwerdenkann,dassnureigene
vondenKonfliktparteienentwickelte
Lösungsvorschlägebzw.Konsensmo-
dellenachhaltigsindunddieKonflikt-
parteienindieEigenverantwortlich-
keitziehen.DerAnsatz,denProzess
derMediationalseinemultipleKom-
munikationsstrategieanzusehen(Vgl.
Giessmann&Wils,S.190),dieexpli-
zitauffordertmitDruckmitteln(Sank-
tionen,alsoDrohungen,garErpres-
sungen)zuarbeiten,darfzuRecht
kritisiertwerden.DieRealitätzeigtei-
negeringeErfolgsquotefürdieseArt
derKonfliktregulation.
DieWirksamkeitvonMediationwur-
deinEvaluationsstudienuntersucht
5s. Giessmann, H.J. & Wils, Oliver, S. 187.6 Ebd. S. 58.7Luhmann, N.: S. 1.8 Senghaas, D. & Senghaas-Knobloch, E.: S. 249.9Elias, N.: S. 453 - 454.
Berichte zum Thema
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 31
(zusammengestelltvonLisaGuten-
brunner,Marburg):Eszeigtesich,dass
StreitfälleimprivatenBereicheine
weitaushöhereErfolgsquotehaben
alsdieMediationvoninternationa-
lenKonflikten.Burrell,ZirbelundAllen
analysiertenüber43Evaluationsstu-
dienimBereichderPeer-Mediation:
BeiSchülerInnen,dieSchülerkonflikte
vermittelten,gabeseineEinigungin
93ProzentderFälle.Dabeiberichte-
ten88ProzentderTeilnehmerInnen,
dasssiemitderEinigungzufrieden
waren.DieErfolgsratebeiFamilien-
mediationenschwanktezwischen40-
85Prozent(untersuchtwurdensie-
benModellprojektemitinsgesamt450
Mediationen).Hierbeiwaren40-96
Prozentzufrieden.10
Bercovichetal.analysiertendieErfolgs-
quotevonpolitischerMediationin137
internationalenKonfliktenundkonnten
lediglichin8ProzenteinenErfolgfest-
stellensowiein37ProzenteinenTeiler-
folg(z.B.zeitweisenWaffenstillstand).
EineErklärungfürdengeringenErfolg
liegtmeinerMeinungnachdeutlich
anderInterpretationaufpolitikwis-
senschaftlicherEbene,wasMediation
überhauptleistenkann.DasVerfah-
renMediationwirdmitderledig-
lichstrategischenAuslegungvonVer-
handlungsführungverwechselt,die
nichtsmiteinerMediation,dieaufei-
nenkognitivenWendepunkt(Einstel-
lungsänderung)abzielt,zutunhat.An
dieserStelleseivorallemaufdasent-
scheidendeElementderFreiwilligkeit
hingewiesen.DieSozialpsychologie
hatzahlreicheAnsätze,diebeweisen,
dassEntscheidungen,diemittelseiner
erzwungenenZustimmung/Konformi-
tät(forcedcompliance)entwederüber
einVersprechenfüreineBelohnung
oderderAndrohungvonStrafen/Sank-
tionengefälltwerden,beiIndividuen
kognitiveDissonanzenauslösen.
InUntersuchungenwurdeaufge-
zeigt,dassPersonenzwareinerseits
demDrucknachgabenundsichöf-
fentlichmitihrerMeinungscheinbar
anpassten,aberspäterineinerano-
nymenUmfragedeutlichnochihreei-
geneMeinungvertratenauchwenn
siekonträrwar.
DieinterdisziplinäreFriedens-und
Konfliktforschungbietetdiebesten
VoraussetzungendasForschungsfeld
Mediationvoranzubringen.Esbleibt
einemethodischeHerausforderung,
geradehinsichtlichvonEvaluierungen,
diesichnurallzuhäufigmitMediation
aufderMikro-Ebenebefassen,Media-
tionindenwissenschaftlichenKontext
einzubetten.Sozialwissenschaftliche
undsozialpsychologischeAnsätzeund
ErkenntnissesolltenbeieinerMedia-
tionundderenEinsatzVorranghaben
gegenüberpolitikwissenschaftlichen
Verhandlungsstrategien,dienurallzu
ofteinenKuhhandelohneNachhaltig-
keitaufweisen.
*Dr.AndréaEleonoreVermeerFriedens-undKonfliktforscherinzumThemainterreligiöseundinterkulturelleWertkonflikte;FreiberuflicheJournalis-tin,MediatorinundAusbilderinBM®
*E-Mail:[email protected]
AutorInneninfo
Literatur
*Bercovitch,J.,Agnoson,J.T.&Wille,D.:Somecontextualissuesandempiricaltrendsinthestudyofsuccessfulmediationininternationalrelations.JournalofPeaceResearch,28/1991.*Burrell,N.A.,Zirbel,C.S.&Allen,M.:Eva-luatingPeerMediationOutcomesinEdu-cationalSettings:AMeta-AnalyticReview.ConflictResolutionQuarterly,21(1),2003.
*Elias,N.:ÜberdenProzessderZivilisa-tion.Band1und2,14.Auflage,Frankfurt/Main1989.*Festinger,L.:ATheoryofCognitiveDisso-nance.Standford1957.*Giessmann,H.J.&Wils,Oliver:SeekingCompromise?MediationthroughtheEyesofConflictParties.In:B.Austin,M.Fischer,H.J.Giessmann(eds.):AdvancingConflictTransformation.TheBerghofHandbookII.Opladen/FramingtonHills2011.Onlinewww.berghof-handbook.net.*Imbusch,Peter&Zoll,Ralf(Hrsg.):Frie-dens-undKonfliktforschung.EineEinfüh-rung.4.Auflage,Wiesbaden2006.*Luhmann,N.:Vertrauen.EinMechanis-muszurReduktionsozialerKomplexität,2.Auflage,Stuttgart1986.*Senghaas,D.&Senghaas-Knobloch,E.:Sivispacemparapacem.ÜberlegungenzueinemzeitgemäßenFriedenskonzept.In:Leviathan,Heft2,Bd.20,1992.
10Burrell, N.A., Zirbel, C. S. & Allen, M.: S. 7 - 26.11Bercovitch, J., Agnoson, J.T. & Wille, D., S. 7 - 17.
*Wasmuth,U.:FriedensforschungalsKon-fliktforschung.ZurNotwendigkeiteinerRückbesinnungaufdenKonfliktalszen-traleKategorie.In:AFB-TexteNr.1/1992.
32 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
Berichte zum Thema
Gefühlsbegriffe, die weiterhelfen! Was die Unterscheidung von Primär, Sekundärund Pseudogefühlen im Konflikt bewirkt
Al Weckert
undsteigenderAufmerksamkeitführt.
BeidiesemProzessistdieUnterschei-
dungzwischenechtenGefühlenund
Pseudogefühlenwegweisend.DieWie-
derholungvonPseudogefühlenführt
aufgerademWegindieVerstrickung,
dasBenennenvonechtenGefühlenzu
wachsendemVerständnisundRespekt.
Gefühle lassen sich nicht wil-lentlich kontrollierenSeitüber40JahrengehtderEmotions-
forscherPaulEkmanderFragenach,
obGefühlesichvonKulturzuKultur
unterscheiden.SeineForschungen
zeigen,dassGefühleuniversellsind.
SelbstihrspontanermimischerAus-
druckistüberallaufderWeltderGlei-
che.LassensichGefühlekontrollie-
ren?SeineAntwort:Weltweitbeweist
keineeinzigeStudie,dasssichemo-
tionaleProgrammewillentlichunter-
drückenlassen.JederGedanke,jede
HandlungundjedeBegegnungistmit
Gefühlenassoziiert.ImKonflikthan-
deltessichmeistensumstarkeunan-
genehmeGefühle.IndemMoment,
wounserGegenüberhandeltoder
spricht,werdenkurzunkontrollierbare
Gefühlebeiunsausgelöst.Wissen-
schaftlernennendiesenZeitraum
»Refraktärphase«.
BeeinflussenlässtsichdieLängeder
Zeitspanne,diewirunterdemEinfluss
starkerGefühleverbringen.Siedauert
mindestensdenBruchteileinerSekun-
de.WenndieAuslöserwiederholtsti-
muliertwerden,kannsichdiePhase
verlängern.DasMediationsteamun-
terbrichtdiesenTeufelskreis,wennes
dieAuslöser(meistensgegenseitige
Vorwürfe)indiedahinterliegenden
Anliegenübersetzt.Entscheidendfür
dieQualitätdesÜbersetzungsvor-
gangsist,dassnichtnurBedürfnisse,
sondernauchdiedazugehörigenGe-
fühlebenanntwerden.StarkeGefühle
wirkenbedrohlich,solangesiefürdie
DasNadelöhrbeiderBewälti-
gungeinesKonfliktsistder
Moment,indemzwischen
StreitparteienwechselseitigVerständ-
nisfürdieBedürfnissedesanderen
entsteht.Wasaber,wennimmerwie-
derstarkeGefühlezugegenseitigen
Schuldzuweisungen,Abwertungen,
AngstoderResignationführen?AlsSu-
pervisorerlebeichzahlreicheMedia-
tionen,indenendasMediationsteam
perfekterfassenundaussprechen
kann,worumesdenStreitparteienauf
derEbenederBedürfnissegeht.Trotz-
demwollendieBeteiligtennichtvon
ihrenPositionenabrücken.
DasFeedbackderKonfliktparteien
zeigt,dassMenschennurschwerauf
eineintellektuelleEbeneumschal-
tenkönnen,wennihreGefühlevorher
nichtklarerfasstundbenanntwerden.
DurchdasAnerkennenvonGefühlen
entstehtintuitivSicherheitundVer-
bindung,waszuStressverminderung
Berichte zum Thema
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 33
andereStreitparteialsGefahreinge-
stuftwerden.DieerzeugteAngstver-
hindertgegenseitigesVerständnis.
Starke Gefühlsäußerungen sind »Gold in schmutziger Verpackung«WenneineKonfliktparteivorWut
aufdenTischhautund»Scheiße!Du
hastmichbeidiesemProjekthängen
lassen«brüllt,kanndasbeimGegenü-
berOhnmachtoderGegenwehrauslö-
sen.Gleichzeitigistdieversteckte(in-
direktgeäußerte)Gefühlsbotschaft
Goldwert.WennesdemMediations-
teamgelingt,dieenthalteneIch-Bot-
schaftzuentschlüsseln,profitiertdie
gesamteGruppevondemErkennt-
nisgewinn.IstdieStreitparteiwü-
tend,weilihrinnerhalbeinesProjekts
dieUnterstützungderKollegenfehlt,
kanndasMediationsteamgenaudie-
senPunktunddendamitverbundenen
innerenZustandbenennen:»Sindsie
wütend,weilSiesichUnterstützung
wünschen?«Häufigmüssensolche
Aussagenerstdrastifiziertwerden,
bismandiewirklicheStimmungtrifft:
»Sindsiestinksauer?Sindsievölligau-
ßersich,weilsiesichbeiderProjektar-
beitalleinfühlen?Wünschensiesich,
dassdasheutewirklicheinmalgese-
henwird?«
DerGehirnforscherJoachimBauer
beschreibt,wassichinsolchenMo-
mentenindenunterschiedlichenGe-
hirnregionenabspielt.AlleBeteiligten,
sowohldieStreitparteienwieauchdas
Mediationsteam,sindüberSpiegel-
neuronedazufähig,dieNotdesSpre-
chersinnerlichzusimulieren.Voraus-
setzungist,dasssienichtaufgrund
vonAngstdieseFähigkeitzurSimula-
tionabgeschaltethaben.Indemdas
Mediationsteamimmerwiederge-
genseitigeSchuldzuweisungenunter-
brichtundindiedahinterliegenden
Ich-Botschaftenübersetzt,schafftes
beidenStreitparteiendieVorbedin-
gungenfürinnereSimulationundda-
mitverbundenesintuitivesVerständ-
nis.Genaudarumgehtes:Intuitives
VerständnisistdieuniverselleWäh-
rung,mitderjederVeränderungspro-
zess,allesWachstumundjedegegen-
seitigeAnnäherunggepowertwird.
Verstrickungsprozesse durch PseudogefühlePseudogefühlesindGefühlswörter,
dieeinTäter-Opfer-Szenariobestä-
tigenunddieStreitparteienimmer
weiterauseinandertreiben.Minde-
stens80ProzentallerSätze,diemit
derWendung»Ichfühlemich...«be-
ginnen,endenmiteinerSchuldzuwei-
sung:»IchfühlemichüberdenTisch
gezogen.«»IchhabedasGefühl,dass
michkeinerhierernstnimmt.«Wenn
dasMediationsteamsolcheRede-
wendungenzitiert,stößtesvollindie
WundederBeschuldigten:»FrauMei-
er,siefühlensichalsoindieEckege-
drängtundmöchten,dassHerrMül-
leraufhörtsiezuschneiden?«Durch
solcheÄußerungenverstricktsichdas
Mediationsteammitderanklagenden
ParteiverbalineinRichtig-Falsch-Den-
kenundineinenOpfer-Mythos.Der
BeschuldigteweitetseineGegenwehr
undseininnereAggressionunbewusst
aufdasMediationsteamaus.
Woran wir echte Gefühle erkennenEchteGefühleerkenntmanan
folgendenMerkmalen:
› JederMensch–aucheinBaby–
kannsämtlicheGefühleerleben.
MachenSiebeiUnsicherheiteinfach
den»Babytest«:WenneinWickelkind
esnichtempfindenkann,handeltes
sichwahrscheinlicheherumeinen
GedankenalsumeinGefühl.
› Gefühlesindkörperlichspürbar.
MutlosigkeitlähmtdenOrganismus,
NervositätdrücktsichdurchKribbeln
aus.WennSieesnichtkörperlichspü-
ren,sindSiemithoherWahrschein-
lichkeitinGedanken,nichtinIhrer
Gefühlswelt.
› EchteGefühledrückenkeineTäter-
Opfer-Beziehung(»Ichbinverletzt–
dubistschuld!«),sondernzunächst
einereineIch-Botschaftaus(»Ich
fühlemichangespannt«).
Was unterscheidet Primär-gefühle, Sekundärgefühle und Pseudogefühle?PrimärgefühlesindechteGefühle,die
sichkörperlichausdrückenundinei-
nerIch-Botschaftausgesprochenwer-
denkönnen.SiekönnenvonallenMen-
schen–auchvonBabys–empfunden
(undneuronalgespiegelt)werden.
SekundärgefühlesindGefühle,die
durcheinebestimmteArtzuDenken
hervorgerufenwerden.Wut,Ärger,
Hass,Scham,Schuld,Niedergeschla-
genheitundverwandteBegriffebein-
haltendenGedanken,dassjemandan-
deresnichtokayistoderdassichselbst
nichtokaybin.Trotzdemkannmandie-
seGefühledeutlichimeigenenKörper
spüren.Sekundärgefühlesindalsoein
»Zweikomponentenkleber«ausPrimär-
gefühlenundGedanken.
Pseudogefühledrückenlediglichaus,
wasichüberdasVerhaltenanderer
denkebzw.wieichderenVerhaltenbe-
werte.HinterPseudogefühlenverber-
gensichoftSekundärgefühle.
InderMediationarbeitenwirmitPri-
mär-undSekundärgefühlen.Manch-
malistspontannichterkennbar,
welchePrimärgefühlesichhinterSe-
kundärgefühlenverstecken.Scham
kannmitstarkenTabuthemenverbun-
densein.Esistkeinesfallshilfreich,
wenndasMediationsteamDruckauf
sichoderdieStreitparteienausübt,um
allePrimärgefühlezuerhellen.Ineiner
MediationlässtsichauchmitSekun-
därgefühlenproduktivarbeiten.
WenndieStreitparteienallerdings
durchzunehmendesVertrauenund
wachsendeSelbsterkenntnisspontan
aussprechen,wassiehinterihrerWut
oderihrerSchuldanursprünglichen
Gefühlenerleben,kanndasMedia-
tionsteamdieseÖffnungunddiesen
Erkenntnisgewinnalswesentlichen
ErfolgfürdieBeteiligtenverbuchen.
JetztergebensichfürdasVerständnis
derBedürfnisseundfürtragfähigeLö-
sungenMöglichkeitenvonbesonders
hoherQualität.
Berichte zum Thema
34 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
*AlWeckertDiplom-Volkswirt,Organisationsent-wickler,MediatorBM®undTrainerfürGewaltfreieKommunikation
*E-Mail:[email protected]
AutorInneninfo
Mein Vorschlag für ein Vokabular echter GefühleMankannüberdieAbgrenzungechter
Gefühleendlosstreiten,außerdem
wirdeineListenureineAuswahlvon
Wörternwiedergeben.Dievorliegen-
denGefühlswörterhabeichimAb-
gleichmitFachpublikationen,eige-
nenErfahrungenundimDiskursmit
KollegInnenerstellt.Sieunterschei-
detnichtzwischenpositivenundnega-
tiven,sondernzwischenangenehmen
undunangenehmenGefühlen.Mit
demWort»negativ«assoziierenviele
MenscheneineBewertung.InKon-
fliktensindGefühlsäußerungenjedoch
grundsätzlichhilfreichundwillkom-
men,auchwennsiealsunangenehm
empfundenwerden.
Angenehme Gefühle
angeregt, aufgedreht, aufgeregt,
ausgeglichen, befreit, begeistert,
behaglich, belebt, berauscht, beru-
higt, berührt, beschwingt, bewegt,
dankbar, eifrig, ekstatisch, energe-
tisiert, engagiert, enthusiastisch,
entlastet, entschlossen, entspannt,
entzückt, erfreut, erfrischt, erfüllt,
ergriffen, erleichtert, erstaunt, er-
wartungsvoll, fasziniert, frei, fried-
lich, froh, fröhlich, gebannt, gebor-
gen, gefesselt, gelassen, gerührt,
gesammelt, gespannt, gesund,
glücklich, gutgelaunt, heiter, hell-
wach, hoffnungsvoll, inspiriert, klar,
kraftvoll, lebendig, leicht, locker,
lustig, motiviert, munter, mutig,
neugierig, optimistisch, ruhig, sanft,
satt, schwungvoll, selbstsicher, selig,
sicher, sorglos, still, stolz, überglück-
lich, überrascht, überwältigt, unbe-
schwert, vergnügt, verliebt, vertrau-
ensvoll, wach, weit, wissbegierig,
zärtlich, zufrieden, zugeneigt,
zuversichtlich
Unangenehme Gefühle
InmeinenAusbildungenarbeiteichzu-
nächstnurmitwenigenGefühlsbegrif-
fen,umeinenschnellenTrainingseffekt
zuerzielen.DieserWortschatzlässtsich
SchrittfürSchritterweitern.
alarmiert, angespannt, ängstlich,
apathisch, ärgerlich, aufgeregt, aus-
gelaugt, bedrückt, besorgt, bestürzt,
betroffen, betrübt, beunruhigt, bitter,
blockiert, deprimiert, durcheinander,
eifersüchtig, einsam, elend, empört,
enttäuscht, ernüchtert, erschlagen,
erschöpft, erschrocken, erschüttert,
erstarrt, frustriert, furchtsam, ge-
hemmt, geladen, gelähmt, gelang-
weilt, genervt, hart, hasserfüllt, hilf-
los, in Panik, irritiert, kalt, kraftlos,
leer, lethargisch, matt, miserabel, mü-
de, mutlos, nervös, niedergeschlagen,
ohnmächtig, panisch, perplex, rat-
los, resigniert, ruhelos, sauer, scheu,
schlapp, schüchtern, schwer, schwer-
mütig, sorgenvoll, teilnahmslos, tot,
träge, traurig, überwältigt, unbehag-
lich, ungeduldig, unglücklich, unru-
hig, unsicher, unter Druck, unwohl,
unzufrieden, verbittert, verspannt,
verwirrt, verzweifelt, widerwillig,
wütend, zappelig, zornig
Pseudogefühle
Sogenannte»Pseudogefühle«sindin
WirklichkeitkeineGefühle,sondernin
GefühlsformulierungenverpackteGe-
danken,Schuldzuweisungen,Anklagen,
VorwürfeundInterpretationen.Pseu-
dogefühlewerdenmanchmalauchals
Interpretationsgefühle,Nicht-Gefühle,
WolfsgefühleoderTätergefühlebe-
zeichnet.
NachfolgendeAusdrückewerdenbe-
sondershäufigalsPseudogefühlege-
nannt.BittebeachtenSie,dassesbei
manchenBegriffenaufdenKontext
unddieBetonungankommt.
abgelehnt, abgeschnitten, akzeptiert,
allein gelassen, an den Pranger ge-
stellt, an die Wand gestellt, angegrif-
fen, attackiert, ausgebeutet, ausge-
nutzt, ausgeschlossen , ausgestoßen,
beachtet, bedroht, belästigt, beleidigt,
belogen, benutzt, beschuldigt, be-
schützt , bestätigt, bestraft, betro-
gen, bevormundet, deplatziert, dis-
kriminiert, dominiert, entmu tigt,
enttäuscht, erdrückt, erniedrigt, ernst
genommen, festgenagelt, frustriert,
gedrängt, geehrt, gelangweilt, ge-
liebt, gemaßregelt, gemobbt, ge-
quält, geschmeichelt, gesehen , ge-
täuscht, gewürdigt , gezwungen,
gut beraten, herabgesetzt, herein-
gelegt, hintergangen, ignoriert, im
Mittelpunkt, in die Ecke gedrängt ,
in die Enge getrieben, isoliert, klein-
gemacht, lächerlich gemacht, ma-
nipuliert, minderwertig, missachtet,
missbraucht, missverstanden, nicht
anerkannt, nicht ehrlich behandelt,
nicht einbezogen, nicht ernst genom-
men, nicht geliebt, ungerecht behan-
delt, nicht gesehen, nicht respektiert,
nicht unterstützt, nicht verstanden,
nicht wertgeschätzt, provoziert, rein-
gelegt, sabotiert, schikaniert, schlecht
behandelt, schön, sympathisch, tot-
gequatscht, über den Tisch gezogen,
überfordert, übergangen, überlistet,
unerwünscht, ungehört, ungeliebt,
unter Druck gesetzt, unterbezahlt,
unterdrückt, unverstanden, unwich-
tig, verärgert, verarscht, verfolgt
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 35
Zunahme der MehrsprachigkeitLautUN-Statistikengabes2005al-
leininEuropaetwa64MillionenMi-
granten1–Tendenzsteigend.ImJahr
2009betrugderausländischeAnteil
anderGesamtbevölkerunginDeutsch-
land8,8Prozent2.InÖsterreichwaren
es10,3Prozent3undinderSchweiz
21Prozent,wobeieingroßerTeil
derZuwandererkeineeinzigeder
vierSchweizerLandessprachenbe-
herrschte.VordiesemHintergrund
nehmenKonfliktezwischenMen-
schenmitunterschiedlichenMutter-
sprachenunweigerlichzu.Quantita-
tivimmerbedeutsamerwerdennicht
nurbi-undmultilingualeFamilien-,
Schul-undNachbarschaftsmediation,
sondernauchinternationaleFriedens-
gesprächeundgrenzüberschreitende
Handels-undprivateBeziehungen,die
anspruchsvollemultilingualeKommu-
Mary Carroll
InunserenGroßstädtengehörtderKlangvonFremdsprachenzumAlltag.DasFremdeistunsnäherge-
rücktunddamitauchVielsprachigkeitinsozialenBegegnungenundKonfliktsituationen.Geradewenn
Konflikteeskalieren,kannKommunikationinderMutterspracheeinstarkesBedürfnissein.GehtMe-
diationmitDolmetscheneinher,verändertsichallerdingsdieDynamikeinerMediation.Erforderlich
werdenzusätzlicheAbsprachenundklareRollendefinitionen,umoptimaleErgebnissezuerzielen.
nikationerfordern,wenneinKonflikt
bewältigtwerdenmuss.FüreinGelin-
genvonMediationmitFremdsprachen
reichteinfacheSprachbeherrschung
meistensnichtaus.
WirdinKonfliktsituationendieemo-
tionaleEbenetangiert,dannfehltes
denKonfligierendenoftanderFähig-
keitunddemVertrauen,sichineiner
Fremdspracheausreichendklaraus-
zudrücken,oderschonamVerständ-
nisderFremdsprache.Auchwenndie
Kommunikationvorherineinerge-
meinsamenSprachestattgefunden
hat,kannemotionaleErregtheitesun-
möglichmachen,sichaufeinefremd-
sprachlicheKommunikationeinzu-
lassen.Kommtdiegedolmetschte
MediationalsBrückeinsSpiel,dann
hilftsie,wennsiegutundprofessio-
nellläuft,sprachlicheHürdenzuüber-
windenundMachtasymmetrieauf
derBasisvonSprachkenntnissenaus-
zugleichen.Allerdingsbirgtunprofes-
sionellesDolmetschendieGefahrvon
Missverständnissen,vonbewusster
oderunbewussterManipulationund
derMissachtungvonGrundprinzipien
derMediation.AusdiesemGrund
empfiehltessich,dasThemaMedia-
tionmitDolmetschengenauerzu
betrachten.
Mediation mit Fremdsprachen Hürde und Chance
1United Nations, International Migration and Development: »UN statistics show migration as a dynamic and diversifying force in global deve-lopment”, http://www.un.org/migration/ presskit/pressrelease12sept.pdf (28.10.2011).
2http://de.statista.com/statistik/daten/studie/73995/umfrage/auslaenderanteil-an-der-bevoelkerung-der-laender-der-eu27/ (28.10.2011).
3Bundesamt für Statistik, Neuchâtel, 2011, http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/03.html (28.10.2011).
Interkulturelle Mediation
Interkulturelle Mediation
36 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
ImFolgendengeheichvoneinerkon-
sekutivgedolmetschten4Mediation
aus,indereineDolmetscherIndieTri-
adeMediatorInundzweiodermehr
KonfliktparteiendirektbeiderMe-
diationergänzt.AndereKonstellatio-
nenwärenSimultandolmetschen,
beiderdieDolmetscherInnenge-
trenntvonderTriadeineinerKabi-
nesitzenunddieKonfliktparteienund
MediatorInnendieÜbersetzungüber
Kopfhörerempfangen,oderauchRe-
moteInterpreting,eineFormdesDol-
metschens,beiderdieMediationan
einemStandortstattfindetundeine
DolmetscherInüberVideoverbindung
mitdenParteieninKontaktist.
Grundprinzipien des DolmetschensDerBerufscodexvonprofessionellen
ÜbersetzerInnenundDolmetscherIn-
nenweistvieleÄhnlichkeitenmitdem
vonMediatorInnenauf:Neutralität,
Unparteilichkeit,Vertraulichkeit,Ver-
schwiegenheit,Professionalitätsowie
fachlicheundsprachlicheKompetenz.
AußerdemwerdenÜbersetzerInnen
undDolmetscherInnenzuregelmä-
ßigerWeiterbildungangehalten;vor
demjeweiligenEinsatzsindauchdie
finanziellenModalitätenzuklären.5
SprachmittlerInnenverstehensichals
Sprach-undKulturmediatorInnen,die
nichtnurWörtervoneinerSprachein
dieandereübertragen,sondernauch
einBündelvonKompetenzeneinset-
zen,umdiesignifikante,pragmatische
BedeutungvonÄußerungenzukom-
munizieren.AuchwennderBegriff
»Dolmetschkompetenz«nochetwas
schwammigbleibt,hilftdiepragma-
tischeBegriffsbestimmungderGe-
neraldirektionÜbersetzungderEuro-
päischenKommissionindiesemFall
weiter:»UnterKompetenzverstehen
wirdieGesamtheitderFähig-undFer-
tigkeiten,Kenntnisse,Vorgehens-und
(sozialen)Verhaltensweisen,diefür
dieErledigungeinerbestimmtenAuf-
gabeuntergegebenenUmständener-
forderlichsind.«6
Dolmetschkompetenz in der MediationAlleindieBeherrschungderMutter-
spracheundderFremdsprachereicht
keinesfallsaus,umbeieinerMedia-
tionkompetentdolmetschenzukön-
nen.AuchdieTatsache,dassjemand
eineSprachespricht,bedeutetkeines-
wegs,dassdiePersondieSpracheaus-
reichendbeherrscht,umdifferenziert
undnuancenreichÄußerungenindie
andereSprachezuübertragen.Genau
wiedasaktiveZuhören,dasParaphra-
sierenoderdas»Looping«gelerntund
geübtwerdenmüssen,bevormanes
erfolgreichinderMediationeinsetzen
kann,gehöreneineausgefeilteTechnik,
(Selbst-)ReflexionundErfahrungzum
effektivenDolmetschen.
MindestensdreieinzelneSchrittesind
beimDolmetschenVoraussetzung,da-
miteineäquivalenteAussageinderan-
derenSpracheerfolgt:Erstensmuss
dieDolmetscherInbegreifen,wasdie
KonfliktparteimiteinerÄußerungge-
naugemeinthat.Wieschondiemono-
lingualeKommunikationzeigt,istbei-
nahejedeÄußerungunterschiedlich
zuverstehen.ZweitensmussdieDol-
metscherInuntereinerVielzahlvon
MöglichkeiteneineEntscheidungda-
rübertreffen,wasdieäquivalenteAus-
sageinderzweitenSprachewäre.Wie
erfolgreichdiesesUnternehmenist,
hängtauchvonderbilingualenKom-
petenzderDolmetscherInab;derFä-
higkeitzuzuhörenunddasGesagteins
Gedächtniszuübertragen;dannvon
derjeweiligen(Lebens-)Erfahrung,die
maßgeblichbeeinflusst,wiedasGe-
hörteeingeordnetundbeurteiltwird;
schließlichvonübersetzerischenFä-
hig-undFertigkeiten.Drittensmuss
dieDolmetscherindiepragmatische
BedeutungderÄußerungindiezwei-
teSprachesoübersetzen,dassderZu-
hörergenaudasversteht,waserinder
Ursprungsspracheverstandenhätte.
DieTranslationswissenschaftlerin
SandraHalebehauptet,esseioftleicht,
einesemantischeÄquivalenzzufin-
den,abervielschwieriger,dieprag-
matischeBedeutungzuerfassen.Dies
führtoftdazu,dasssichdieBedeutung
einerAussagedurchDolmetschenun-
beabsichtigtverändert.7Nachempi-
rischenUntersuchungenvonHaleund
weiterenTranslationswissenschaft-
lern8passiertdiesimmerwiederauch
4Beim Konsekutivdolmetschen sitzt die Dolmet-scherIn im Kreis der Gesprächspartner. Die Ver-dolmetschung erfolgt zeitversetzt im Anschluss an die vorgetragenen Aussagen.
5International Federation of Translators: http://www.fit-europe.org/ (28.10.2011).
6EMT-Kompetenzprofil 2009: http://ec.europa.eu/dgs/translation/programmes/emt/key_ documents/emt_competences_translators_de.pdf (28.10.2011).
7Hale, Sandra S. 4.
8Vgl.u.a. Hertog, Erik & Bart van der Veer.
Interkulturelle Mediation
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 37
beiausgebildetenDolmetscherInnen.
DasRisiko,dassdiepragmatischeBe-
deutungeinerÄußerungnichtakkurat
übersetztwirdunddassdasGesagte
gefiltert,gekürztundteilweisenoch
kommentiertwird,istbeiLaiendolmet-
scherInnenerheblichhöher.Auchdies
wurdeinempirischenUntersuchungen
mehrfachbelegt.9
SchließlichsollteeineMediationsdol-
metscherInsozialeKompetenzenbe-
sitzen;sichmitderBerufsethikfür
DolmetscherInnen–insbesondereVer-
traulichkeit,Neutralität,Unparteilich-
keit,VerschwiegenheitundFachkom-
petenz–auseinandergesetzthaben;
möglichsteigeneErfahrungmitder
Mediationodermindestenseineselbst-
reflektierteHaltungzueigenemKon-
fliktverhaltenundzureigenenBiogra-
phiehaben.DiesistVoraussetzung,um
bessergewappnetzusein,umeska-
lierteKonflikteundschwierigeKommu-
nikationssituationenmitemotionalen
Ausbrüchenohnepersönliche
Betroffenheitauszuhal-
tenundInhaltege-
wissenhaftund
neutralindie
Fremdsprache
zuübertra-
gen.Zusam-
menfas-
sendkann
mandiein
derAbbildung
aufgeführten
Merkmalealsnot-
wendigeQualifikatio-
nenfürMediationsdol-
metscherInnenbenennen.
Koordinierung des Dialogs – Steuerung des VerfahrensDieKommunikationswissenschaftlerin
undGemeinwesendolmetscherinCe-
ciliaWadensjöidentifiziertzweizen-
trale,gleichzeitigwahrzunehmende,
untrennbareRollenvonDiskurs-Dol-
metscherInnen:Sieübersetzenund
koordinierendenDialog.10Wadens-
jöunterstreicht,dassnichtzurDebat-
testeht,obDolmetscherInnenüber-
setzenodermediieren–siemachen
beidesgleichzeitigundkönnengar
nichtverhindern,dasssieesmachen.
SiekoordinierendieReihenfolgeder
SprecherundbestimmendenVerlauf
desAustausches.DolmetscherInnen
lenkendenVerlaufdesGesprächs,
weilsieimHinblickaufdiekurzen
ReaktionszeiteninderkonkretenSitua-
tioneineganzeReihevonEntschei-
dungentreffenmüssen,indenensie
kaumalleAspekteundIntentionendes
Sprechers1:1übermittelnkönnen,die
inkomplexenÄußerungenliegen.So
gesehen,kannesbeigedolmetschter
Mediationunbeabsichtigt,aberleicht
passieren,dassdieVerantwortungfür
denMediationsprozessderKonflikt-
MediatorInentgleitet,wennnichtim
VorfeldKlarheitüberdiejeweiligen
RollengeschaffenwirdunddieDol-
metscherInnichteinMindestmaßan
WissenüberMediationstechniken,Me-
diationsverfahrenund-ablaufhat.
Änderung des ZeitbedarfsDasZwei-bisDreifachederZeitmuss
eingeplantwerden,wenneineMedia-
tiongedolmetschtwird.Dieskannzu
einerEntschleunigungführen,dieal-
leParteienfürReflexionnutzenkön-
nen.Eskanneinenheftigen,eskalie-
rendenSchlagabtauschverlangsamen
undneutralisierenundderMediatorIn
zusätzlichZeitgeben,umüberpas-
sendeInterventionennachzudenken.
AllerdingsgibtesauchdenNachteil,
dassemotionaleReaktionen,Mimik
undGestusdieandereKonfliktpar-
teiunddieMediatorInschnellererrei-
chenalsdiedazugehörigenAussagen,
sodassdieGründefürdieemotionale
Reaktionersterforschtwerdenkön-
nen,wenndieErregungabgeklungen
ist.NachteiligwirkenauchderBedarf
anzusätzlichenRessourcenundKos-
ten,diewegendesgrößerenZeitauf-
wandsanfallen.
Änderung der DynamikDerPsychotherapeutFerdinandHae-
nelbehauptet,dassdieIntervention
desDolmetschersnichtstandardi-
siertwerdenkann.Beigedolmetschter
Psychotherapiemittraumatisierten
Folteropfernhaterbeobachtet,wie
sichdieDynamikeinerTherapieän-
dert,wenneinDolmetscherausge-
tauschtwird,unddassPersönlichkeit,
HerkunftundBiographiedesDolmet-
scherseinenenormenEinflussauf
dentherapeutischenProzess
haben.Haenelundseine
Kollegenhabenfestge-
stellt,dassesBezie-
hungstriadenmit
DolmetscherInnen
gibt,diedenPro-
zessstabilhal-
tenundfürden
Fortgangproduk-
tivsind,undande-
re,diediesnichtleis-
ten.Außerdemwarnt
ervorderBildungvonKo-
alitionenaufderBasisvon
Sprache,biographischenGegeben-
heiten,ÜbertragungenundGegen-
übertragungen.Erfahrungenbeige-
dolmetschtenTherapienhabenzudem
gezeigt,dassdieoptimaleSitzordnung
sogestaltetwerdensollte,dassder
räumlicheAbstandzwischenallenBe-
teiligteneinschließlichdesDolmet-
schersimmergleichgroßist,dadiese
AnordnungSymmetrieaufderBezie-
9Vgl. u. a. Valero-Garcés, Carmen und Anne Martin.
10Wadensjö, Cecilia: S. 105 - 106.
Interkulturelle Mediation
38 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
hungsebenefördere.11Angesichtsder
oftherrschendenemotionalenBetrof-
fenheitderKonfliktparteienbeieiner
Mediationistanzunehmen,dassBeo-
bachtungenausderZusammenarbeit
mitDolmetscherInneninderPsycho-
therapiebeigedolmetschterMedia-
tiongenausorelevantsind.
Co-Mediieren und DolmetschenEsgibtFällevoninterlingualenMedia-
tionen,beidenenCo-MediatorInnen
zusätzlichdieAufgabedesDolmet-
schensübernehmen.Dieslässtden
MediatorInnenwenigZeitzumNach-
denkenunderforderteinHöchstmaß
anAufmerksamkeit,damitdasGrund-
prinzipderAllparteilichkeitnichtver-
letztwirdundkeineAllianzennach
HerkunftundSprachegebildetwerden.
WeiterhinmüssendieMediatorInnen
sehrdeutlichabgrenzen,wannsiein
ihrerRollealsDolmetscherInundwann
siealsMediatorInagieren.Während
einDolmetscherz.B.eineÄußerung–
aucheineBeleidigungodereinenVor-
wurf–ohneVeränderungdespragma-
tischenSinnsübersetzenmuss,wird
eineMediatorIneherdiedahinterlie-
gendenBedürfnisseundWünscheiden-
tifizierenundzumAusdruckbringen.
DassdieseAbgrenzungderbeidenRol-
leneinesubstanziellekognitiveBelas-
tungfürdieMediatorInnenundeine
potenzielleQuellederVerunsicherung
fürdieMediandInnendarstellt,bleibt
unbestritten.
FazitTrotzdeszusätzlichenAufwandskann
gedolmetschteMediationeinegroße
Chancedarstellenundeinewichtige
RollebeiderAuflösungvonKonflikten
inunsererzunehmendglobalisierten,
multilingualenWeltspielen.Auf
derVerfahrensebenestellensichfür
MediatorInnenzusätzlicheHerausfor-
derungen,wenneineMediationgedol-
metschtwird.EinevorherigeKlärung
derjeweiligenRollenundeinedurch-
dachteSitzordnung,dieAllparteilich-
keitundNeutralitätfördernsoll,sind
unentbehrlich.DamitauchdieGrund-
prinzipienderMediationgewahrtwer-
den,istdieWahlderDolmetscherIn
hiervonbesondererBedeutung:Denn
Dolmetschkompetenzumfasstfürden
besonderenFallderMediationnicht
nurbilingualeSprachkompetenz,in-
terkulturelleKompetenzsowieÜber-
setzungsfähigkeitund-fertigkeit,son-
dernauchBerufsethik,bewussten
UmgangmitdereigenenBiographie,
KenntnisseüberMediationunddas
Mediationsverfahren,Konfliktfähigkeit
undsozialeKompetenz.
DerBedarfangedolmetschterMedia-
tionwächstinvielenBereichenganz
deutlich–alleindieZahlangrenzü-
berschreitendenKindesentführungen
durcheinenElternteilinLändermit
unterschiedlichenSprachenistwelt-
weitaufmehrals100.000imJahrge-
stiegen.12SolcheundandereEntwick-
lungenverweisenmitNachdruck
darauf,dasseserforderlichist,diePro-
fessionalisierungvonMediationmit
Fremdsprachenvoranzutreiben.
Literatur
*Baur,W.&A.Lindemann,(Hrsg.):FaireVerfahrenbrauchenqualifizierteSprachmittler.Berlin2011.*Haenel,Ferdinand:»SpezielleAspekteundProblemeinderPsychotherapiemitFolteropfernunterBeteiligungvonDol-metschern«.In:Systhema2/1997.*Hale,Sandra:TheDiscourseofCourtIn-terpreting.Amsterdam,Philadephia2004.*Hertog,Erik&BartvanderVeer,(Hrsg.):LinguisticaAntverpiensia,TakingStock:ResearchandMethodologyinCommunityInterpreting.Antwerpen5/2006.*Kiesewetter,Sybille&Paul,ChristopherC.,(Hrsg.):Cross-BorderFamilyMediation,InternationalParentalChildAbduction,CustodyandAccessCases.FrankfurtamMain2011.*Liebe,F.:InterkulturelleMediation–EineschwierigeVermittlung.BerghofReportNr.2,1996,http://www.berghof-center.org/uploads/download/br2d.pdf.*Paul,ChristophC.&SybilleKiesewet-ter(Hrsg.):MediationbeiinternationalenKindschaftskonflikten.2009.*Simon,Ina&EvaAichner:»ÜberGren-zen,dieunstrennen–Erfahrungsberichtauseinerdeutsch-tschechischenFami-lienmediation«inZKM–ZeitschriftfürKonfliktmediation,1/2011,S.24-26.*Valero-Garcés,Carmen&AnneMar-tin,(Hrsg.):CrossingBordersinCommu-nityInterpreting,DefinitionsandDilem-mas.Amsterdam,Philadelphia2008.
*Wadensjö,Cecilia:InterpretingasInteraction,London,NewYork1998.
11Haenel, Ferdinand in Systhema 2/1997, S. 136 - 144.
12Kiesewetter, Sybille und Paul, Christopher C., S. 9.
*MaryCarrollFacilitatorinundMediatorin(M.A.),MitgliedderTransmediaResearchGroup,desTransforums–KoordinierungderPraxisundLehrevonDolmetschenundÜbersetzungunddesBundesver-bandsderDolmetscherundÜbersetzer
*E-Mail:[email protected]
AutorInneninfo
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 39
DasTrainingfandimRahmendes
Projekts»TraininginInternatio-
nalFamilyMediation«(TIM)
statt.GesamtlaufzeitdesEU-finanzier-
tenProjektesistJuli2010bisJuni2012.
ProjektpartnersinddiebelgischeNichtre-
gierungsorganisationChildFocus,dieKa-
tholischeUniversitätLeuvenunddasnie-
derländischeZentrumfürinternationale
Kindesentführung.DieRollevonMiKK
(MediationbeiinternationalenKind-
schaftskonfliktene.V.)wares,einTrai-
ningskonzeptzuentwickelnundzuer-
proben.DasersteTrainingimHerbst
2011wirdvonderUniversitätLeuven
evaluiert,dieaußerdemineinemersten
SchrittdenStandderFamilienmedia-
tionundderinternationalenFamilien-
mediationindenEU-Staatenermittelt
hat.ImFrühjahr2012wirdeindreiwö-
chiges»TrainingforTrainers«inBrüssel
stattfinden.Hierstrebenwiran,zweiFa-
milienmediationsausbilderInnenausje-
demEU-Mitgliedsstaat(insgesamt54
Jamie Walker
TrainerInnen)zugewinnen,dienachdem
TrainingeigeneNetzwerkevorOrtauf-
bauenundFortbildungenzugrenzüber-
schreitenderKindschaftsmediation
durchführen.ZieldesProjektsistderAuf-
baueineseuropäischenNetzwerksfür
internationaleFamilienmediation,das
zukünftigalsAnlaufstellefürMediations-
fällezwischenallenLänderndienensoll.
Die GruppeBeideTrainingsfindeninenglischerSpra-
cheinBrüsselstatt.DieTeilnehmenden
zahlenkeineKursgebühr,müssenaber
fürReisekostenundUnterkunftselbst
aufkommen.DieersteGruppevon21
TeilnehmerInnenwurdeaus60Bewerbe-
rInnenaus27Ländernausgesucht.Uns
wareswichtig,dassalleMediatorInnen
unterschiedlicherNationalitätwaren.
DawirentsprechendderBreslauerEr-
klärungbeigrenzüberschreitendenMe-
diationsfällenaufCo-Mediationachten,
solltenzusätzlichdieTeilnehmerInnen
verschiedeneBerufsgruppenvertreten,
vorallemdasjuristischeundpsychoso-
zialeBerufsfeldsollteumfassendabge-
decktundbeideGeschlechterausrei-
chendvertretensein.AufdieseWeise
warenMenschenmiteinersehrgroßen
BandbreiteanErfahrungmitMediation
undmitderThematikgrenzüberschrei-
tenderFamilienkonfliktezusammenge-
kommen.DieGruppespiegelteauchdie
unterschiedlichverlaufendeEntwick-
lungindeneinzelnenLändernwieder.
Dort,wosichdieFamilienmediationseit
Jahrenbereitsetablierthat,habenna-
turgemäßdieMediatorInnenvielmehr
ErfahrungalsineinemLand,inderdie
MediationsbewegungnochindenKin-
derschuhensteckt.DasFaszinierende
war,dassdieseMischungfunktionierte:
AllegingenvomerstenTagansehroffen
undwertschätzendaufeinanderzuund
warensehrneugierigaufdiegebotenen
InhalteundGasttrainerInnen.
Interkulturelle Mediation
Europäisches Netzwerk TIM – Training in International Family Mediation NichtweitderEU-Institutionenversammeltensich21TeilnehmerInnenaus21unterschiedlicheneu-
ropäischenLänderninBrüssel,umdieeinmaligeChancezunutzensichimRahmeneinesvonderEU-
Kommissionco-finanziertenProjektesübergrenzüberschreitendeKindschaftskonflikteundelterliche
Kindesentführungweiterzubilden.HochmotiviertarbeitetensiezweimalfünfTageundbegeisterten
sodie,teilweisevonÜberseeangereisten,ReferentInnenfürdieIdee,eineuropäischesNetzwerkin-
ternationalerFamilien-MediatorInnenaufzubauen.
Interkulturelle Mediation
40 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
Juristische GrundlagenDasTrainingskonzeptumfassteso-
wohlinformativealsauchinteraktive
Elemente.DieTeilnehmerInnenhatten
einigerelevanteGesetzestextesowie
FallstudiengelesenundbrachtenInfor-
mationenzumFamilienrechtinihren
jeweiligenLändernmit.Inderersten
TrainingswocheerhieltensiealsReader
dasdruckfrischeBuchvonChristophC.
PaulundSybilleKiesewetter.
EinwichtigesThemawarendiejuris-
tischenRahmenbedingungenderMe-
diation.DagrenzüberschreitendeMe-
diationenhäufigimRahmenelterlicher
Kindesentführungenstattfinden,stell-
teJulianeHirschvonderHaagerKon-
ferenzdas»HaagerÜbereinkommen
überdiezivilrechtlichenAspektein-
ternationalerKindesentführung«vom
25.10.1980(HKÜ)vor.DieBrüsselerAn-
wältinSilviaPfeiffhielteinensehran-
regendenVortragüberdie»Brüssel-IIa-
Verordnung«,überdieZuständigkeit
unddieAnerkennungundVollstre-
ckungvonEntscheidungeninEhesa-
chenundinVerfahrenbetreffendel-
terlicherVerantwortung.Paulund
KiesewettervonMiKKerarbeitetenmit
denTeilnehmerInneneinigeentschei-
dendeUnterschiedezwischennatio-
nalenGesetzen,soz.B.inHinblickauf
dieFrage,obElternnachderScheidung
gemeinsamesSorgerechterhalten,wel-
cheRolledieMediationbeiTrennung
undScheidungspielt,inwiefernsie
staatlichgefördertwirdundobKindes-
entführungeineStraftatsei.Schließlich
erörterteEberhardCarldieFrage,wieei-
neMediationsvereinbarunginbeiden
betroffenenLändernrechtlichbindend
umgesetztwerdenkann.Beiallenjuris-
tischenThemenwurdedaraufgeachtet,
»trockeneStoffe«durchÜbungenauf-
zulockern.
Besonderheiten internationaler FamilienmediationUmunserenBlickzuerweitern,luden
wiramviertenTrainingstagnebender
MitarbeiterinderMediatorindesEu-
ropäischenParlamentsfürgrenzü-
berschreitendeelterlicheKindesent-
führungen,Vertreternfranzösischer
MediatorInnenundeinerVertreterin
desInternationalSocialServicesaus
GenfauchVertreterinnenvonReunite
ausGroßbritannien,IKOausdenNie-
derlandenundMiKKein,dievonihrer
Arbeitberichteten.SowohlReunite,als
auchIKOarbeitenbeiHKÜ-Fällenmit
einemzeitlichbegrenztenCo-Media-
tionsmodell,imFallvonIKOmitjeei-
nerMediatorInmitjuristischembzw.
psychosozialemGrundberuf:DieMe-
diationfindetimRahmenvondrei
dreistündigenSitzungenanzweiauf-
einanderfolgendenTagenimVorfeld
derGerichtsverhandlungstattund
wirdvonstaatlicherSeitebezahlt.The-
maderMediationistentsprechend
desGegenstandesderGerichtsverein-
barungdieFrage»Rückführungdes
Kindes–jaodernein?«
MiKKlegtWertaufdieCo-Mediation
miteinemGender-Team,wobeinach
MöglichkeitbeideNationen/Sprachen/
Kulturenvertretenseinsollen.Auchist
derzeitlicheundthematischeRahmen
dervonMiKK-initiiertenMediationen
flexibler,d.h.eswerdenjenachAnlie-
genderParteienauchThemenwieKon-
taktzwischendemKindunddemzu-
rückgelassenenElternteilwährendder
Mediation,Lebensbedingungennach
derRückkehr,Besuchebeimnichtanwe-
sendenElternteil,KontaktzwischenBe-
suchenundfinanzielleFragenbishin
zurScheidungerörtert.Allerdingsmüs-
sendieElterndieKostenfürdieMedia-
tioninderRegelselbstübernehmen.
PaulundKiesewetterstelltenauchden
besonderenRahmenunddasspezifische
WerkzeuggrenzüberschreitenderMedia-
tionvor.Dasichbereitsheuteabzeich-
net,dassinZukunftimmermehrMedia-
tionenonlinegeführtwerden,wardas
InteresseandiesemThemagroß.Wir
hattendasGlück,zweiaustralischeRe-
ferentInnenzudiesemThemazugewin-
nen,dieeinevonRelationshipsAustralia
speziellentwickelteSoftwarefüronline-
Familienmediationdirektvorführten.
GespanntverfolgtenwirwieeineOn-
line-MediationzwischenAustralienund
BrüssellivevorbereitetundineinerDe-
monstrationauchdurchgeführtwurde.
Die Rolle von Sprache, Kommunikation und KulturDiebritischeMediatorin,Trainerinund
AutorinLisaParkinsonarbeitetemit
derGruppezumThema»Languageand
CommunicationinInternationalFamily
Mediation«undgingdabeiaufpoten-
zielleverbaleundnonverbaleQuellen
vonMissverständnissenein.
DurchdiezweiteTrainingswochebeglei-
tetenuns»CarmenundJaak«,einfik-
tiverspanisch-estnischerFall,beidem
dieMutterdasgemeinsameKindvon
TallinnnachMadridentführthatte.Den
EinstiegindiesenFallbotderspanische
MediationsausbilderDanielBustelomit
demThema»Culturalaspectsofcom-
munication,emotionsandmediation«.
SpäterübtendieTeilnehmerInnenbeim
RollenspieldieSpezifikaderMediation
beiKindesentführung.DerAustausch
wurdemitzweiweiterenRollenspielen
vertieft,beidenengedolmetschtwurde.
BeimerstenRollenspielfielendiebeiden
MediandInnenzeitweiseinihreMutter-
sprachenzurück,diejeweilsnurvonei-
nerMediatorInverstandenwurdeund
beimzweitenRollenspielsprach»Car-
men«nurnochSpanischundwurdevon
einemDolmetscherunterstützt,wasdie
DynamikderMediationsehrveränderte.
EinHighlightwarderWorkshopmitMo-
hamedKeshavjeeundRukhsanaAbdulla
zumThema»Thepotentialofmediation
Interkulturelle Mediation
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 41
inchildabductioncaseswithnon-Hague
Muslimcountries«.VordemHintergrund
einigerInformationenzumislamischen
Rechtundanhandeinesbangladeshi-
britischenFallszeigtensieauf,wieman
ineinemkollektivistischenKontextan-
dersandieMediationherangehenmuss,
alswiresüblicherweiseinder»west-
lichen«Mediationmachen.Durchdas
EinbeziehenwichtigerStakeholderim
KonfliktwieÄlteste,Imam,Schwieger-
eltern,Arbeitgeberkönnensoentschei-
dendeFortschritteerzieltwerden.Faszi-
nierendwar,wiespielerischundintuitiv
dieReferentInnen,dieschoninsichsel-
berunterschiedlicheKulturenvereinig-
ten,mitkulturellenUnterschiedenum-
gehenkonnten,sichabersehrwohl
jedenSchrittesbewusstwaren.
EinehohePrioritäthattefürdie
TeilnehmerInnenderErfahrungsaus-
tauschuntereinander.Hiergingesda-
rum,wiedieEinzelnenin»normalen«
Familienmediationsfällenarbeiten,z.B.
inwiefernsielösungsfokussiertoder
ehergefühls-undbedürfnisfokussiert
arbeitenundobnurdieElternoderauch
andereBetroffeneindieMediationein-
bezogenwerden.Einweitereswichtiges
AnliegenwarfürsiedieDiskussionzum
Thema»StimmedesKindesinderMe-
diation«.SoberichteteeineNiederlän-
derindavon,wieBriefe,dieausInter-
viewsvonDrittenmitdembetroffenen
Kindentstandensind,indieKindesent-
führungsmediationeinbezogenwerden.
AnderehattenErfahrungmitdirekter
BeteiligungvonKinderninderMedia-
tionunddieungarischeTeilnehmerin
betonte,dasssiesichalsMediatorinund
alsFürsprecherindesKindesverstehe.
LastbutnotleasttrugendieRäumlich-
keitenunddasRahmenprogrammda-
zubei,eineeinmaligeAtmosphärezu
schaffen.DiebelgischenProjektpart-
nersorgtenfürgutesEssen;indenPau-
senkonkurriertenbelgischeunddeut-
scheSchokolademitverschiedenen
KöstlichkeitenausanderenTeilenEu-
ropas.AmerstenAbendstelltendie
TeilnehmerInnenihreLänderanhand
einesmitgebrachtenObjektsvor;die
Darbietungenreichtenvoneinemest-
nischenLiedmitTanz,überpolnische
Musikbishinzueinemselbstgemalten
BildausMalta.ChildFocusorganisierte
eineStadtbesichtigungundeinenMu-
seumsbesuchundzumAbschlussabend
luddiebelgischeTeilnehmerinzusich
nachHauseein.
FazitNichtnurfürdieTeilnehmerInnen,
sondernauchfürdieTrainerInnener-
wiesensichdiezweiWochenalsein
einmaligesErlebnis.AlsleitendeTraine-
rinhabeichmichsehrgefreut,Ragna
vonGlasenappalsUnterstützungund
wichtigen(lokalen)Anlaufpunktfürdie
GruppeanmeinerSeitezuhaben.
ErsteErgebnissederEvaluationzeigen,
dassdieTeilnehmerInnensowohldie
PraxiserfahrungunddenAustauschun-
tereinanderalsauchdieGelegenheit,
vonerfahrenenExpertInnenzulernen,
sehrschätzten.Positivgewertetwur-
denaußerdemdieZusammenarbeit
zwischenderGruppe,denTrainerInnen,
GasttrainerInnenunddenOrganisato-
rInnen.Besonderswohltuendwardas
FeedbackderbritischenMediatorin
MarianRoberts:
»Just a quick message to thank you
again for all your effort in making the
training program in Brussels so worth
while and so enjoyable. It was a privilege
to be able to participate in this pionee
ring enterprise and in the creation of an
expanding body of knowledge and expe
rience in a vibrant and developing spe
cialist field of family mediation. What
was created was a rare environment of
warmth, trust and serious endeavour.
You and your team must take every cre
dit for that achievement. Wishing you
every success for the next round!«
Literatur
*SybilleKiesewetterundChristophC.Paul:Cross-BorderFamilyMediation.InternationalParentalChildAbduction,CustodyandAccessCases.Berlin2011.Überarbeitete und veränderte Ausgabe des 2009 erschienenen Buches »Mediation bei internationalen Kindschaftskonflikten«.
*JamieWalkerMediatorinundAusbilderinBM®,2.Vorsitzende,MiKKe.V.
*E-Mail:[email protected]
AutorInneninfo
An
zeig
e
42 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
Mediation in einer bina tio nalen Ehe Eine Fallstudie
Sosan Azad und Timo Strobel
ter(T.).GegenEnde2006beschließen
Mutter(M.)undVater(V.)mitS.und
T.nachDeutschlandüberzusiedeln.
SeitMitte2007lebensieinderNä-
hederElternderMutterinBerlin.Der
VatermusszunächstDeutschlernen
undhatSchwierigkeiten,eineAnstel-
lungalsIngenieurzufinden.Diesge-
lingtihmerstimFrühjahr2009–al-
lerdingsistseineneueStelleinhaltlich
undvomEinkommennichtmitderPo-
sitionzuvergleichen,dieerzuletztin
Pakistaninnehatte.
SeitdieFamilieinDeutschlandlebt,
beginntesinderEhezukriseln.ImAu-
gust2010teiltM.schließlichV.mit,
dasssiesichscheidenlassenmöch-
te.Siebefürchtet,dassV.mitdenKin-
dernzuseinerFamilienachPakistan
zurückkehrenkönnteundhatdeshalb
heimlicheineGrenzfahndunggegen
ihn(Grenzsperre)erlassen,damitV.
dieKindernichtmitinsAuslandneh-
menkann.SeitOktober2010lebenM.
undV.getrennt.SowohlM.alsauch
V.habensichAnwältegenommen,die
siebeiderScheidungvertretensollen.
DieKinderhabenihrenHauptwohn-
sitzbeiderMutter,sindaberein-bis
zweimalproWochebeimVaterund
übernachtendort.Mindestenszwei-
bisdreimalproMonatunternehmen
M.undV.gemeinsametwasmitden
UmeinegemeinsameVertrauensbasisfüreinedauerhafteRegelungfürdenUmgangmitden
Kindernzufinden,istesnotwendig,inMediationenbeibinationalenEhenunterschiedlichekultu-
relleErwartungenundVorstellungen–auchausdemweiterenFamilienkreisderKonfliktparteien–
zuberücksichtigen.Imvorliegendenafghanisch-deutschenKindschaftskonfliktwurdederKontaktzu
denMediatorInnendurchMiKKe.V.hergestellt.GemäßdemKonzeptvonMiKKsetztsichdasMedia-
torInnenpaarauseinerFrauundeinemMannzusammen,diedarüberhinausmitdemkulturellen
UmfeldderKonfliktparteienvertrautsind.
FallbeschreibungDieMutter,35Jahre,istKulturwissen-
schaftlerinundhatdenVater,36Jahre,
Ingenieur,imFrühjahr2002beieinem
StudienaufenthaltinPakistankennen
gelernt.ErkommtursprünglichausAf-
ghanistan,istabermitElternundGe-
schwisternbereitsimAltervonzwölf
JahrennachPakistanübergesiedelt
unddortheimischgeworden.Diebei-
denverliebensichundheiratenim
Sommer2003.DerMannverdientals
Ingenieurgutundsiekannihrewis-
senschaftlichenArbeitenvonzuhau-
seauserledigen.SielebeninPakistan,
woimHerbst2004ihrSohn(S.)ge-
borenwird,einJahrspäterdieToch-
Interkulturelle Mediation
Interkulturelle Mediation
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 43
Kindern,weilsiediesimHinblickauf
dasWohlderKinderfürwichtigerach-
ten.AbundzuistauchnochMsFami-
lieausBerlindabei.
Ablauf der MediationZeitrahmen
VorBeginnderMediationfindeteinIn-
formations-undKennenlerngespräch
miteinerDauervonca.zweiStunden
statt.DabeizeigensichsowohlM.als
auchV.imHinblickaufdasWohlder
KinderaneinereinvernehmlichenLö-
sungsehrinteressiertundstimmenei-
nerMediationzu.DieMediationläuft
übervierTerminejeweilsmiteiner
Dauervon2bis2,5Stunden.Zusätzlich
werdenzweizweistündigeEinzelge-
sprächegeführt.
Gesprächsatmosphäre
DieGesprächeverlaufenmeistensin
ruhigemundrespektvollemTon.Beide
hörensichgegenseitigzuundhaben
auchabundzufreundlicheWortefür-
einander.BeiM.kommteshäufigzu
Tränen.AuchV.mussgelegentlichmit
denTränenkämpfen.
DieMediatorInnenverspürenbeibei-
denKonfliktparteiengegenseitigen
RespektvorderKulturdes/deranderen
unddiegrundsätzlicheBereitschaft,bei
derErziehungderKinderWerteausbei-
denKulturenzuberücksichtigen.
Inhalte
AusgangspunktderGesprächeistdie
GrenzfahndunggegendenEhemann,
dieV.sehrverletzt.Immerwiederbe-
tonter,dassernichtverstehe,»wie
einKrimineller«behandeltzuwerden,
woerdochallesfürseineFamilieauf-
gegebenhabe.DiesseidocheinBe-
weisfürseineLiebezurFamilieund
dafür,dassmanihmVertrauenent-
gegenbringenkönne.
Darüberhinauswirddeutlich,dass
sichdiebeiden–wiesooftinTren-
nungsfällen–inBezugaufdasSchei-
ternihrerEheinunterschiedlichen
Stadienbefinden:WährendfürM.die
EheeinbereitsabgeschlossenerLe-
bensabschnittistundsieV.nurnoch
inderRolledesVatersdergemein-
samenKindersieht,wirdbeiV.deut-
lich,dassbeiihmnochimmerdievage
Hoffnungbesteht,mankönntedoch
wiedereinegemeinsameVertrauens-
basisfindenunddieEhefortsetzen,
wennmansichnurbemühe.
IndererstenSitzungeinigensichM.
undV.auffolgendesZielfürdieMedia-
tion:»WirmöchtenindieserMediation
klären,wiewirinZukunftalsElternam
bestenfürS.undT.daseinkönnen.«
HierfürsollenzunächstfolgendeKon-
fliktthemenbesprochenwerden:
› AufhebungderGrenzfahndung
› EinflussderweiterenFamilienkreise
› SicherungkulturellerAspekteinder
Erziehung
› finanzielleRegelungen
DasThemaderOrganisationdesLe-
bensalltagsmitdenKindern,dasin
vergleichbarenFällenhäufigzuKon-
fliktenführt,istnachAnsichtvonM.
undV.unproblematischundmuss
nichtbearbeitetwerden.
Spezifische ProblemfelderAbschluss mit der Vergangenheit
als Basis für einen Neuanfang
DieGesprächewerdenzunächstvon
derFragedominiert,auswelchen
GründeneszumScheiternderEhe
kommenkonnte.Beideerinnernsich
andieerstenJahreinPakistanalseine
sehrglücklicheZeit.NachderGeburt
vonT.beginntM.sichjedochnach
demLebeninDeutschlandzurückzu-
sehnen.ObwohlderKontaktzurFami-
lieihresMannesengist,fehltihrdie
eigeneFamilie.Außerdemgestaltetes
sichschwierig,eineneigenenFreun-
deskreisinPakistanaufzubauen.Da-
mitM.sichwiederwohlerfühlt,be-
schließtmangemeinsam,nachBerlin
zuziehen,woauchMsFamilielebt.
Beidehoffendarüberhinaus,dassei-
nebikulturelleafghanisch-deutsche
ErziehungvonS.undT.inDeutschland
einfachersichergestelltwerdenkann.
InBerlinistderStartfürV.schwierig.
ErempfindetdieSituationalssehrbe-
lastend,daesfürihnausseinemkul-
turellenVerständnisherauswichtigist,
dasseralsFamilienvaterdieVersor-
gungderFamiliesicherstellt.
ImGesprächwerdenfürM.undV.die
ParallelenindenbeidenLebensab-
schnittendeutlich:BeidehabendieBe-
lastungaufsichgenommen,zumWohl
ihrerFamilieineinerihnenfremden
Kulturzuleben.Beidehabendiesals
Opfersituationempfunden.
DassdiekulturellenUnterschiedeur-
sächlichsindfürdasScheiternvon
M.undV.aufemotionalerEbenewä-
Interkulturelle Mediation
44 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
remitSicherheitzuvereinfachend.
DieMediatorInnenvermutenaber,
dassdieSchwierigkeitenimAlltag,die
aufdasungewohnteunddaherfor-
derndekulturelleUmfeldzurückzufüh-
rensind,trotzallerBemühungenvon
M.undV.diegemeinsameZukunftder
beidenstarkbelastethaben.ImGe-
sprächwarjedenfallsfürbeidediege-
genseitigeAnerkennungdafür,dass
siejeweilsihrBestesgegebenundOp-
feraufsichgenommenhaben,umdie
Beziehungzuretten,derTüröffner.
DieSuchenachdem/derSchuldigen
fürdasScheiternrückteindenHinter-
grundundsiekonntensichaufdieGe-
staltungderZukunftfokussieren.
Die Rolle des weiteren Familienkreises
SowohlM.alsauchV.haltenengen
KontaktzuihremweiterenFamilien-
kreis.DiesgibtbeidenUnterstützung
inderKrisensituationundbirgtgleich-
zeitigdieGefahr,dasskulturelleUn-
terschiedeimKonflikt(wieder)anBe-
deutunggewinnen.
DieMediatorInnenerlebenbeideKon-
fliktparteienalsMenschen,diederKul-
turdes/derjeweilsanderengegenüber
sehroffeneingestelltsind.Beidehaben
vieleLänderbereistundErfahrungen
mitunterschiedlichenKulturenge-
sammelt.DurchdasemotionaleBand,
dasdiebeidenverbundenhatundim-
mernochverbindet,sowiedurchih-
regemeinsameGeschichte,habensie
eventuellfrühervorhandenekulturelle
VorurteileadactagelegtundmehrTo-
leranzundAkzeptanzentwickelt.
ImGegensatzdazuorientierensichdie
weiterenFamilienkreisederbeidenin
PakistanundinBerlinnochvielstärker
andenjeweiligenafghanischenund
deutschenkulturellenWertenundVor-
stellungen.DieMediatorInnenhaben
denEindruck,dassdurchdenengen
KontaktmitdeneigenenFamilienkrei-
senWerteund(Vor)-Urteilewiederan
Einflussgewonnenhaben,zudenenM.
undV.imtäglichenZusammenlebenei-
gentlichschoneineeigene,vonOffen-
heitundgroßemVertrauengeprägte
Haltunggefundenhatten.
Beispielehierfürsind:
› V.hatakzeptiert,dassderVersuch,
dieEhefortzuführenohnedieBereit-
schaftbeiderPartnerkeinewirkliche
OptionfüreineglücklicheZukunft
darstellt.DocherspürtinTelefona-
tenmitseinenElternundGeschwis-
terndenDruck,weiterumdieEhezu
kämpfen,denn»manverlässtseine
Fraunicht«.
› M.kannverstehen,dassesV.wichtig
ist,mitdenKindernauchseineFami-
lieinPakistanzubesuchen.Gleichzei-
tighatsieAngst,erkönntedieKinder
nichtmehrzurückbringen,dennihre
Eltern»sagenimmer,manmussda
vorsichtigsein,dennobwohlichglau-
be,V.gutzukennen,istdasjadoch
einganzandererKulturkreis.«
DadurchwirdesfürdieMediandInnen
schwieriger,dasfüreineeinvernehm-
licheRegelunginsbesondereimHin-
blickaufdasAufhebenderGrenzsper-
renotwendigeVertrauenaufzubauen.
Hilfreiche MethodenZirkuläre Fragen
Umgenauerzuverstehen,welchen
EinflusskulturelleUnterschiedeauf
denKonflikthaben,arbeitendie
MediatorInnenverstärktmitzirku-
lärenFragen.GefragtwirdzumBei-
spielnachderSichtweisederFamilien
undFreundeaufdenKonflikt:»Was,
glaubenSie,denktihreFamilieüber
ihregegenwärtigeLage?«oder»M.,
wasschätzenSie:Wasempfiehlt
wohlV.sFamilie,dasserjetztma-
chensollte?«.NachEinschätzungder
MediatorInnenermöglichenesdiezir-
kulärenFragestellungendenKon-
fliktparteien,vermeintlicheodertat-
sächlicheunterschiedlichekulturelle
Erwartungshaltungenzuformulieren,
diesiesonstnichthättenbenennen
könnenoderwollen.
Einzelgespräche
IndenerstenbeidenTreffenge-
hendieKonfliktparteiensovorsich-
tigmiteinanderum,dassbeiden
MediatorInnendieFrageaufkommt,
obgegebenenfallsfürdieKonflikt-
klärungwichtigeVorkommnisseoder
ThemenausRücksichtnahmeoderaus
Angstnichtangesprochenwerden.Die
MediatorInnenschlagendaherEinzel-
gesprächeindenKombinationen»M.
sprichtmitderMediatorin(weiblich
&weiblich,deutsch&afghanisch)«
und»V.sprichtmitdemMediator
(männlich&männlich,afghanisch&
deutsch)«vor.BeideEinzelgespräche
verlaufensehremotional:Tatsäch-
lichsprechensowohlM.alsauchV.
VorkommnisseundThemenan,die
sieimgemeinsamenGesprächbis-
hernichtbenannthaben.Soerfahren
dieMediatorInnenbeispielsweisevon
Interkulturelle Mediation
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 45
M.diegenauerenGründe,ausdenen
ihrVertraueninV.gegenwärtigsoer-
schüttertist.ImGesprächmitV.geht
esunteranderemdarum,obundwie
erdasEndederEheakzeptierenund
sichvonderForderung»manverlässt
seineFraunicht«verabschiedenkann.
EskommtbeiihmzueinemPerspek-
tivwechsel:ErsiehtjetztdieChancen
einesNeuanfangsundhofft,gemein-
sammitM.einenWegfindenzukön-
nen,aufdemerauchohnesieglück-
lichwerdenkannundbeidedabeiden
KinderntrotzdemguteElternsind.
AbschlussvereinbarungImHinblickaufdieFormderAbschluss-
vereinbarunggibteszunächstunter-
schiedlicheWünsche.V.findet,dasses
»eigentlichverrückt«sei,dasssiebei-
degemeinsameineschriftlicheVerein-
barungaufsetzen.Daaberdiegenaue,
schriftlicheFormfürM.imMomentäu-
ßerstwichtigist,unterzeichnenbeide
eineAbschlussvereinbarung,inderun-
teranderemfolgendeRegelungenge-
troffenwerden:
› M.undV.nehmendasSorgerecht
fürdieKindergemeinsamwahr.
› DerHauptwohnortderKinderbleibt
beiderMutter.DieBetreuungüber-
nehmendieElterngemeinsamund
sprechensichhierfürflexibelmitein-
anderab.DieWerteundkulturellen
BesonderheitenderKulturenvonM.
undV.solleninderErziehungundim
Alltagrespektiertundberücksichtigt
werden.
› Beidesindsicheinig,dassesihnen
wichtigist,dassderAufenthaltvon
V.inDeutschlandgesichertist.V.
wirdInformationeneinholen,was
hierfürbenötigtwird,M.wirdihn
dabeigegebenenfallsunterstützen.
› DieGrenzfahndungwirdvonM.
nichtverlängert.
› Beidevereinbaren,dassabsofort
kleinereReisenmitdenKindernin-
nerhalbDeutschlandsoderEuropas
stattfindenkönnen,sodassalle
üben,welcheErfahrungensiehier-
beimachen.
AlleReisenwerdendieElternvorab
besprechenunddarübergemeinsam
Entscheidungentreffen.
WennalledamitpositiveErfahrun-
genmachenunddasgegenseitige
Vertrauenwiedergewachsenist,ist
esfürV.auchvonBedeutung,mit
denKindernseineFamilieinPakistan
zubesuchen.DieEntscheidunghier-
überwirdgemeinsamvonM.undV.
getroffen,V.informiertM.übermög-
lichePlänediesbezüglichmindes-
tenszweiMonateimVoraus.
DieMediatorInnenmachenaußerdem
transparent,dasssowohlM.alsauch
V.siejederzeitkontaktierenkönnen,
wennGesprächsbedarfbesteht.
*TimoStrobelMediatorBM®,Dipl.-Kaufmann,Unternehmensberater
*E-Mail:[email protected]
*SosanAzadMediatorinundAusbilderinBM®
*E-Mail:[email protected]
AutorInneninfo
An
zeig
e
46 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
Anusheh Rafi
Esliegtnahe,dieFragemit»Nein«
zubeantworten1:Einewertschätzende
Haltung,derGlaubeandasGuteim
Menschen,dieFähigkeitzurÜbernah-
meunterschiedlicherPerspektiven
sindkeine»Werkzeuge«derMedia-
tion,sondernLebenseinstellungen,
dienichtwillkürlichein-oderabge-
stelltwerdenkönnen.
Dabeiwirdaberdreierleiübersehen:
1. DieebenbeschriebenenEigenschaf-
tenmögeneinenotwendigeBedin-
gungfürMediatorInnensein,sind
aberkeinehinreichendeBedingung.
2. Professionalitäterfordertauch
einePhasederErholung.
3. Eswirdübersehen,dassauch
grundsätzlichwertschätzende
Menschennichtdavorgefeitsind,
imKonfliktfallAggressionenzuent-
wickelnunddiewertschätzende
Haltungzuverlieren.
MediationistmehralseineGrundhal-
tung.EsisteinformalisiertesVerfah-
ren,welchesnebeneinerGrundhaltung
auchTechnikenerfordertsowieeinen
Rahmen,indemdasVerfahrenstatt-
findet.DieTechnikenkönnensehrwohl
»abgelegt«werdenundderRahmen
einesMediationsverfahrenswirdeben-
fallsverlassen.WirddasBerufsbildzum
Menschenbildgemacht,bestehtdieGe-
fahr,jedeinderbeschriebenenGrund-
haltungvorgenommeneTätigkeitals
Mediationanzusehen.Diesverführtda-
JedeProfessionführtzugewissen
ErwartungenandiePerson,diedie-
seProfessionausübt.Wirerwarten
voneinemBäcker,dasserinderLage
ist,denNutzenvon»Hefe«beimBrot-
backenzuerläutern–egal,oberim
Dienstistodernicht.Dochgehtesbei
MediatorInnennichtalleinumFach-
kenntnisse,sondernumeineGrundhal-
tung.KannvonMediatorInneneinbe-
stimmtesVerhaltenimPrivatbereich
erwartetwerden?
EineÄrztin,dieberuflichvorden
schädlichenFolgendesRauchens
warnt,kannselbstrauchen,ohneei-
neschlechteÄrztinzusein(solangesie
ihrenPatientInnendasPassivrauchen
erspart).SindimMediationsverfahren
kompetentagierendeMediatorInnen
auchdannnochguteMediatorInnen,
wennsieprivatpolemisieren,beleidi-
genundpöbeln?
DürfenMedatorInnensichimprivatenLebenmitDu-Botschaftenbeschimpfen?Kanneinewert-
schätzendeHaltunggegenüberanderenMenschenaußerhalbdesBerufsabgelegtwerden?Inwie-
weithandeltessichbeiderMediationumeinVerfahren,daserlerntundwieeinWerkzeugeinge-
setztundweggelegt/abgelegtwerdenkann?InwieweitistMediationmiteinerHaltungverbunden,
diedenMenschenalsGanzesbetrifftundnichtimPrivatlebenausgeblendetwerdenkann?
Qualitätssicherung & Weiterentwicklung
1Es ist keineswegs selbstverständlich, sich auf eine Dichotomie von »Ja« und »Nein«, »Schwarz« und »Weiß«, »Gut« und »Schlecht«, »Gewinner« und »Verlierer« etc. einzulassen. In Konfliktfällen ist es sogar förderlich, eine von den Konfliktparteien vorgenommene Dicho-tomie zu hinterfragen und den Blick für ande-re Möglichkeiten zu öffnen. Andererseits kön-nen Dichotomien helfen, Gedanken zu ordnen und Argumente herauszuarbeiten. Daher soll hier zum Zwecke der klaren Argumentation ei-ne Dichotonie vorgenommen werden.
MediatorIn: Berufsbild oder Menschenbild?
Qualitätssicherung & Weiterentwicklung
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 47
zu,andereVerfahrenoderGesprächemit
Mediationgleichzusetzenbzw.einent-
sprechendes»mediativesVorgehen«zu
erwarten.EineKonfliktmoderation,ei-
neVergleichsverhandlung,eineEigentü-
mer-oderMitgliederversammlungetc.
sindkeineMediationen.Werindiesen
Fällenvon»mediativerHerangehenswei-
se«sprichtoder»mediativeElemente«
einfordert,verwässertdieGrenzenzwi-
schenMediationundanderenVerfahren.
DastutderMediationnichtgut.Darüber
hinaustrübtesdenBlickfürAlternativen
zurMediation.EinsolcherBlickaufAlter-
nativenistjedochwichtig,dennwerMe-
diationalseinVerfahrenfür»alleFälle«
darstellt,machtsichebensounglaub-
würdigwieeinArztmitder»Wunder-
pillefüralleKrankheiten«.
MediationisteinVerfahren,indemsich
MediatorInnennurbeiAusübungder
Professionbefinden.DieEntschleuni-
gungderKommunikation,dieSicher-
stellungdesgemeinsamenVerständ-
nissesisteinehochanspruchsvolle
Tätigkeit,diezuvielAchtsamkeitund
Aufmerksamkeiterfordert,alsdasssie
imAlltagdurchgehaltenwerdenkönnte.
JederMenschbrauchtFreizeitvomBeruf
undniemandkannganztägighochkon-
zentriertarbeiten.Alleineinegrundsätz-
lichwertschätzendeHaltunggegenüber
anderenMenschenkannnichtvonder
MediationalsihrspezifischesMen-
schenbildbeanspruchtwerden.
Eswirdvermutlichsosein,dassdieBe-
schäftigungmitKonflikten,dieSelbst-
reflexionimRahmenderAusbildung
undSupervisionunddieeingeübteall-
parteilicheHaltungdaseigeneKon-
fliktverhaltenverändern.Trotzdem
darfnichtdavonausgegangenwer-
den,MediatorInnenwürdenineige-
nenKonfliktennichtdazutendieren,
dieKommunikationzubeschleunigen,
zupauschalisieren,zuwerten,zudro-
henetc.ZumGlücksindsienichtim-
munvordenTückenderKonfliktdyna-
mik,sonstkönntensichMediatorInnen
nurschwerindieMediandInneneinfüh-
len.MediatorInnenbenötigenineige-
nenKonfliktenMediatorInnen.Werbe-
hauptet,MediatorInnenkönntenauchin
eigenenKonfliktenüberdurchschnittlich
gewaltfreiundklarkommunizieren,sti-
lisiertsiezuMenschen,dieimmunsind
vorderDynamikeinesKonflikts.Dasist
ebensounrichtigwiedieBehauptung,
Ärztewürdennichterkranken.
*AnushehRafiMediatorBM®,Rechtsanwalt,Coach
*E-Mail:[email protected]
AutorInneninfo
An
zeig
e
48 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
Thomas Robrecht
wenndiebeidenGesetzesichdeutlich
unterscheiden,solassensichvieleder
PhänomeneauchbeiunsinDeutsch-
landbeobachten.FormaleRegelungen
könnenzwardasfüreineMediationer-
forderlicheVertrauenfördern,garantie-
renesabernicht.DamitderMediation
einangemessenerPlatzeingeräumt
wird,sindbelastbareQualitätsverspre-
chenerforderlich.VertrauenundQuali-
tätvermagkeinnochsoausgeklügeltes
Mediationsgesetzzuerzeugen,zumal
MediationauchinvielenanderenKon-
textenstattfindet,indenenjuristische
Expertisewedergefragtnocherforder-
lichist.Esgehtalsodarum,einglaub-
würdigesQualitätsversprechenfüral-
leFelderderMediationabzugebenund
seineUmsetzungzusichern.
WersichmitQualitätsfragenderMe-
diationbeschäftigt,stelltsehrschnell
fest,dassesmehrereEbenenvonMe-
diationsqualitätgibt.IndenvielenDis-
kussionen,dieanunterschiedlichenOr-
tengeführtwerden,lässtsichimmer
wiedereineVermischungderEbenen
feststellen.EinedifferenzierteBetrach-
tungtutNot.Qualitätwirdals»Über-
einstimmungmitdenAnforderungen«
definiert.Anforderungengibtesviele
undmanchedavonentziehensichun-
seremDefinitionseinfluss.ZurVerdeut-
lichungdientderBlickaufdievierun-
terschiedlichenQualitätsebenen.
Qualitätsebene der Profession
AufderoberstenEbenegehtesumdie
erkennbareDarstellungderProfessi-
on.Diesistdanngelungen,wennbeim
BetrachtermitseinemBlickvonau-
ßenKompetenzvermutungenentste-
hen:»Aha,dasinddieprofessionellen
MediatorInnen«.DerBMverfügtüber
dreiwesentlicheElemente,welchedie
Professiondokumentieren:DieDefi
nitionsmacht,mitderwirfestlegen,
wasMediationistundwasnicht,un-
Was, bitte, ist Mediation? Was genau machen MediatorIn-nen? Woran erkenne ich eine gute Mediation? DieseFragensindwederneunochum-
fassendbeantwortet.Deshalbistes
dringenderforderlich,Antwortenzu
finden,diedenpotenziellenKundInnen
Glaubwürdigkeitvermitteln.Füruns,
dienachdenStandardsdesBMausge-
bildetwurden,gibteskeinenZweifel,
dasswirguteMediatorInnensind.Um
MediationinunsererGesellschaftzu
verankern,istdieseÜberzeugungge-
nausohilfreich,wiedieExistenzdes
Mediationsgesetzes.
Alldenjenigen,dieaufeinendurch
dasMediationsgesetzausgelöstenAuf-
tragsboomhoffen,seieinBlickaufdie
inÖsterreichseit2003gesammelten
Erfahrungenempfohlen,umdieHoff-
nungnichtzugroßwerdenzulassen
undEnttäuschungenzumindern.Auch
Qualitätssicherung & Weiterentwicklung
Qualität von MediationDasMediationsgesetzgibtdemWettlaufderEroberungeineszukünftigenMediationsmarktesneuen
Schwung.Allzuleichtwirddabeiübersehen,dassdiejuristischenThemenfeldernureinenkleinenAus-
schnittderAnwendungsmöglichkeitenvonMediationdarstellen.DieserBeitragbeleuchtetdieQua-
litätsaspekte,welchefürdieMediationinsgesamtvonBedeutungsind.Dabeiwirdkonkretisiert,wel-
chenBeitragwirimBMfürdieVerankerungderMediationinunsererGesellschaftleistenkönnen.
Qualitätssicherung & Weiterentwicklung
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 49
sereethischenGrundsätze,welcheun-
sereWerteundHaltungerkennenlas-
senundschließlichdiebeiderletzten
Mitgliederversammlungbeschlossene
Mediationsordnung,mitderwirden
formalen RahmenunsererTätigkeitbe-
schreiben.SomitistderBMbeider
QualitätsebenederProfessionbereits
gutaufgestellt.
Qualitätsebene der Dienstleistung
DarunterliegtdieQualitätsebeneder
Dienstleistung,diedurchkontextbe-
zogeneQualitätsversprechendefi-
niertwird.DazugehörtdieBeschrei-
bungvonZielen,Vorgehensweisenund
Ergebniszuständen.WerMediations-
dienstleistungkauft,willschließlich
auchwissen,welcheLeistungeroder
sieerhält,welcherMehrwertdurchdie
Leistungerzieltwirdoderwasnachder
Mediationandersist,alsdavor.
DerKontextermöglichtundnutztMe-
diationimmerdann,wenneinkontext-
bezogenesQualitätsversprechenerfüllt
wird.GleichzeitigwirddasMediations-
idealderEntscheidungsfreiheitbeider
LösungsfindungdurchdieKonfliktpar-
teienimmerdurchdenKontextbe-
grenzt,indemsiesichbewegen.Der
KontextdefiniertdieGrenzen,inner-
halbderersicheineLösungbewegen
muss.SokanneskeinenachhaltigeLö-
sunggeben,diedenKontextignoriert.
MediationeninSchulen,inOrganisa-
tionen,inderJustizsowieinvielenan-
derenBereichensindgrundverschie-
deneDienstleistungen,auchwennsie
alleMediationgenanntwerden.Hier
musseinedeutlicheDifferenzierunger-
folgen,welchedenKontextbezugder
MediationmitseinenErmöglichungen
undBegrenzungendokumentiert.
Qualitätsebene des Prozesses
UnterderDienstleistungistdiePro-
zessqualitätangesiedelt.Dabeigeht
esumdieQualitätvonAuftragsklä-
rung,DurchführungderMediations-
sitzungensowieNachbereitung.Hier
könnendieverschiedenenKontexte
voneinanderlernen.Manchelassen
sichjedochimmernochvonderSor-
geleiten,dasseinInteressefürAn-
dereineinerAbwertungdereigenen
TätigkeitmündetodergarzumIden-
titätsverlustführt.Deshalbistihnen
derTellerrandeinenochunüberwind-
bareHürde.Glücklicherweisewerden
immermehrkontextbezogeneMedia-
tionsdisziplineninihrerIdentitätso
starkundselbstsicher,dasssieeinen
neugierigenundinteressiertenBlick
überdeneigenenTellerrandinandere
Mediationsdienstleistungenhineinals
BereicherungdereigenenTätigkeitzu
schätzengelernthaben.
Qualitätsebene der Methoden
DieletzteEbenevonQualitätistdieder
Methoden.HieristdasHandwerkszeug
derMediierenden,wieAktivesZuhören,
Paraphrasieren,Umformulieren,ge-
waltfreieKommunikation,Visualisier-
ungstechnikenusw.angesiedelt.
DieseUnterteilunginvierEbenenver-
deutlicht,warumJuristendieMedia-
tionalsMethodebetrachten:Siewäh-
nensichinderSicherheit,dassdie
EbenenvonProfession,Dienstleistung
undProzessbereitsfürihreTätigkeit
hinlänglichdefiniertseien.Wasjedoch
fehlt,isteinewissenschaftlichbelast-
bareBeweisführung,dassdieProfes-
siondesRechtsanwaltesoderdesRich-
tersmitderProfessionderMediation
vereinbarist.
Konsequenz der Qualitäts betrachtungDiesegrobskizzierteLandkartevon
MediationsqualitätgiltesmitInhalten
zufüllen.DaderBM(nichtnur,aber
auch)einBerufsverbandist,indemal-
leBetätigungsfelderderMediationbe-
heimatetsind,stehenwirvoreiner
großenAufgabe.DieEbenederProfes-
sionhabenwirbereitsgutdargestellt.
SofolgtalsnächstesdieQualitätsebe-
nederDienstleistung,dieesformalzu
erfassenundzudefinierengilt:Wiege-
nausiehtdieDienstleistungderMedia-
tionimKontextvonFamilien,Gemein-
wesen,Gericht,Gesundheitswesen,
Kirche,Rechtsschutz-Versicherungen,
Organisationen,Politik,Schulen,Sport
usw.aus?Hierkönnenwirunsglück-
lichschätzen,dassimBMzahlreiche
Fachgruppenangesiedeltsind,indenen
seitvielenJahrendieKontext-Exper-
tenfürMediationimfachlichenAus-
tauschstehen.Sieverfügenüberdie
kontextbezogeneDefinitionsmachtder
Mediation,dieinderjetztanstehen-
denQualitätssicherungdemBMfür
seineDarstellungderProfessionalität
wertvolleDiensteleistenwerden.So-
mitwirdnunderAuftragandieFach-
gruppenumdieDefinitionvonMedia-
tionsqualitäterweitertundimZuge
derUmsetzungunsererStrukturreform
mithilfederNeuerungvonZielverein-
barungenkonkretisiert.
DieseArbeithatnichtnurAuswir-
kungennachAußen,indemsiederöf-
fentlichenDiskussionumMediations-
qualitätAusrichtungundKlarheit
geben,sondernauchnachinnen,ins-
besonderefürdenAusbildungskon-
text.Wennklarist,wiegenaudasQua-
litätsversprechenderDienstleistung
Mediationgestaltetist,musssichdie-
seKlarheitauchinunserenStandards
widerspiegeln.Deshalbisteswich-
tig,zunächstdieQualitätvonMedia-
tionzudefinieren,umanschließend
dieAusbildungsstandardssoanzupas-
sen,dasssiedemQualitätsversprechen
derDienstleistung Ausbildung entspre-
chen,durchwelchedieAusbildungs-
teilnehmerInnenzurDienstleistung
Mediationbefähigtwerden.
ZentralesAnliegenderQualitätsdefini-
tionistdasQualitätsversprechenvon
Mediation.Fürdieweiteregesellschaft-
licheEtablierungvonMediationistes
erforderlich,eineAkzeptanzsteigerung
außerhalbderMediationsszenezuer-
reichen.Auffälligist,dassinnerhalb
derMediationsszeneheftigumQuali-
tätvonAusbildungengerungenwird,
beiderdieFragenachderAnzahlderzu
absolvierendenAusbildungsstundenim
Zentrumsteht.WemnütztdieseDis-
kussion?EtwaderMediation?Warum
wirdaufdieAusbildunggeschaut,und
nichtdirektaufMediation?Offensicht-
licherkanneineInteressensvertretung
vonAusbildungsanbieternnichtsein.
Ichdenke,eswirdZeit,dasswirdie
Qualitätssicherung & Weiterentwicklung
50 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
WeltderAusbildungenunddieWelt
derMediationdeutlichvoneinander
trennenundalszweiWeltenmitunter-
schiedlichenundauchgegensätzlichen
sowiekonkurrierendenAusrichtungen,
ZielenundInteressenanerkennenund
offensivdamitumgehen.
SchließlichmachteineMediations-
ausbildungnurdannSinn,wennsie
derMediationdient.AlleanderenZiel-
setzungenwiepersönlichesWachstum
oderEntwicklungvonKonfliktkompe-
tenzsinderfreulicheNebeneffekte,aber
nichtderHauptzweck(Odervielleicht
doch?)DerDienersolltesichzunächst
fragen,wasseinHerrvonihmerwar-
tet,bevorderDienerseinemHerrner-
klärt,wasderHerrvomDienerzuerwar-
tenhat.Oderandersausgedrückt:Der
Dienstleistersolltesichzunächstfra-
gen,wasderEmpfängervonihmerwar-
tet,bevorderDienstleisterdemEmp-
fängererklärt,wasderEmpfängervom
Dienstleisterzuerwartenhat.
IchwähledieseMetaphernicht,um
denWertvonAusbildungenzumin-
dern,zumalauchichAusbilderBM®
binundBM-Qualitäthocheinschätze.
IchmöchtemitdieserMetapher
lediglichdenFokusderDiskussionauf
dasrichten,wasinunserenLeitsät-
zensteht:»WirfördernVerständigung
inKonfliktendurchMediationundei-
neKulturderkonstruktivenKonflikt-
bearbeitunginallenBereichenderGe-
sellschaft«.Ichfindeessehrstimmig,
dassinkeinemunsererLeitsätzeetwas
vonAusbildungsteht,denndiesehat
lediglichdienendeFunktionundist
ebenkeinSelbstzweck.Daswirdder-
zeitnichtimmerdeutlich.Sokommt
esseitJahrenzueinemAngebotsstau
anausgebildetenMediatorInnen,der
einermangelndenNachfragegegen-
übersteht.DiesenZustandgiltesum-
zudrehen.Deshalbkannesnichtan-
derssein,alsdasswirzuerstmitder
QualitätsdefinitionvonMediationbe-
ginnen,umdaraufaufbauendeineer-
weiterteDefinitionvonAusbildungs-
qualitätvorzunehmen.
Der Wesenskern von Mediation
AuchwennsichdieMediationsdienst-
leistungenjenachKontextunter-
scheiden,sogiltesdennoch,denge-
meinsamenKernzubeschreiben.Was
habenalledieseMediationeninden
vielenunterschiedlichenKontexten
gemeinsam?UnserethischesSelbst-
verständnissowiedieStandardsgeben
dafürHinweise.DochbeiallenDienst-
leistungenwirdimmerauchdieFrage
nachdemErgebnisgestellt.Lässtsich
auchbeidieserFrageeinegemein-
sameAntwortfinden,dieüberdieBe-
tonungderErgebnisoffenheitalsein
unverzichtbaresIdentitätsmerkmal
derMediationhinausgeht?Jedenfalls
istineinerergebnisorientiertenGe-
sellschaftdaskategorischeBestehen
aufErgebnisoffenheiteinenahezuun-
überwindbareHürdeaufdemWegzur
AkzeptanzvonMediation.Deshalbist
eserforderlich,Ergebnisoffenheitdif-
ferenzierterzubetrachten.
Unumstrittenerforderlichist,dass
beieinerMediationkeininhaltliches
Ergebnisvorweggenommenwerden
kann.NebenderinhaltlichenEbene
gibtesauchnochdieEbenederForm.
HiersindwirMediatorInnendieun-
umstrittenenExperten.Undweildas
soist,könnenwirauchfürdieWah-
rungderFormdieVerantwortungüber-
nehmen,auchwennsieaufdelegierter
Machtberuht,dieinderMediationvon
denKonfliktparteienanunsabgege-
benwirdundunsauchjederzeitwieder
entzogenwerdenkann.DiesenMacht-
einsatzbrauchenwirMediatorInnen,
umdieKonfliktparteienausihrenein-
gefahrenenBahnenaufeineneueSpur
zubringen,überdiesiezuihremeige-
nenWegzueinementspanntenUm-
gangmitihremKonfliktfinden.
DenWesenskernvonMediationzu
erfassenwareinesderZieledesvon
SOKRATeamin2009gestartetenFor-
schungsprojektesMediationskom-
petenz,andemsichdieMitglieder
allerdeutschsprachigenVerbändebe-
teiligten,dieunsereBM-Qualitäts-
standardsteilen.Umdenvertrau-
ensminderndenSelbstbezugder
MediationsszeneinFragenderQuali-
tätsdefinitionzuüberwinden,wurden
mediationsferneSoziologenundKom-
petenzforschereingeladen,Media-
tionausihrerSichtzuerforschen.Da-
beigelangnichtnureinerfrischender
BlickaufdieMediationvonaußen.Zu-
sätzlichentstandeineKlarheit,die
zwarnichtneuist,aberalseineer-
freulicheBestätigungundBestärkung
unsererSichtweisezubetrachtenist
unddenWesenskernvonMediation
wiefolgtbeschreibt:
Mediation fördert und
fordert die Konfliktkompetenz
DochwasgenausindKompetenzen?
DieserBegriffwirdoftbenutzt,ohne
dassklarwäre,wasgenauKompeten-
zensind.DeshalbhiereineDefinition
Professionvonaußenerkennbar(Kompetenzvermutungen):Definitionsmacht,ethischeGrundsätze,Mediationsordnung
DienstleistungkontextbezogeneQualitätsversprechenBeschreibungvonDienstleistungen,Handlungen,KostenundErgebnisse
Prozessschritte Autragsklärung,DurchführungvonMediationssitzungen,Nachbereitung
Methoden AktivesZuhören,GewaltfreieKommunikation,Visualisierung...
Qualitätssicherung & Weiterentwicklung
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 51
*ThomasRobrecht2.VorsitzenderimBundesverbandMEDIATION,MediatorundAusbilderBM®,Managementberaterund-trainer
*E-Mail:[email protected]
nachJohnErpenbeckundVolkerHeyse:
Kompetenzen sind Dispositionen
zu selbstorganisiertem Denken und
Handeln. Sie setzen sich aus Bereit
schaften(=WerteundWille)und Fä
higkeiten (=WissenundErfahrung)
zusammen und ermöglichen sicheres
Handeln in unsicheren Situationen.
DiesessichereHandelninunsicheren
SituationenbrauchenKonfliktpar-
teien,umimUmgangmitihremKon-
fliktihreneigenenWegzufinden.
Wennihnendasnichtgelingt,dann
brauchensieeineMediatorIn,dieih-
nendabeihilft.DassindMenschen,
dieüberMediationskompetenzverfü-
gen.Mediationskompetenzermöglicht
anderendenZugangzuihrerKonflikt-
kompetenz.SomitistMediationEnt-
wicklungvonKonfliktkompetenz.
DieseBetrachtungsweiseentspricht
unsererBM-SichtvonMediation,indem
siedieFörderungderAutonomieder
KonfliktparteiendurchdieKonzentra-
tionaufdieFähigkeit,selbstdenKon-
fliktzulösen,indenMittelpunktstellt.
Der Nutzen der Kompetenz betrachtungNunmagsichdieFrageaufdrängen,
worinderMehrwertdieserKompetenz-
betrachtungbesteht.Hiergibtesdrei
Ebenen:
DasWort»Konflikt«istinunserer
Gesellschaftnegativbesetzt.Wirkön-
nenendlosmitdemwerben,wassich
fürunsereOhrengutanhört,wennwir
beispielweisesagen,dassMediation
konstruktiveKonfliktbearbeitungsei.
BeieinemNicht-Mediatorbleibtmeist
dasWortKonfliktinErinnerungund
erzeugteineüberwiegendunange-
nehmeemotionaleWirkung.Konflikt
willkeiner,eristlästigunderinnertan
unliebsameDefizite.
Außerdemerlebenesimmernochviele
MenschenalseinArmutszeugnis,wenn
siefürdieKlärungihrerKonflikteeine
drittePersonbenötigen.WennalsoMe-
diationalsKonfliktbearbeitungdarge-
stelltwird,fördertdieseDarstellung
beiInteressentInnenehereinedefizit-
orientierteBewertungmitderTendenz,
Mediationeherabzulehnen.
AndersverhältessichmitdemWort
Kompetenz.Jederwillkompetentsein
oderalssolcheswahrgenommenwer-
den.Kompetenzisteinpositivbesetz-
terBegriff,dermitLernenzutunhat,
mitKarriereplanung,mitWeiterent-
wicklungundstarksein.Dasistattrak-
tivunderzeugteinenWunschnach
mehr,beidemdieInanspruchnahme
Dritterwertsteigerndwirkt.
Kompetenzen sind messbar
und fördern Qualität
DaKompetenzenimmerdurchHand-
lungensichtbarwerden,undHand-
lungenbeobachtbarsind,lassensich
KompetenzendurchreineBeobach-
tungwertfreierfassen.Dasisteingro-
ßerVorteilfürdieAusbildungvon
MediatorInnensowiederFeststel-
lungvonMediationskompetenz.Da-
rausfolgteinweitererNutzen,deruns
imöffentlichenWettlaufumdieDefini-
tionsmachtvonMediationsqualitätei-
nengroßenVorsprungbietet.Mitder
Kompetenzbetrachtungwirdesneben-
sächlich,obeineAusbildung90,120,
200odermehrStundenumfasst.Ent-
scheidendistdann,wiesichereine
MediatorInineinerunsicherenMedia-
tionssituationagiert.Damiterreichen
wireineneueQualitätinderDiskus-
sionumQualität.
Die nächsten SchritteDieKompetenzforscherhabenihren
Teilgetan,indemsieeineersteKom-
petenzbetrachtungvonMediationvor-
genommenhaben.Nunbestehtdie
Aufgabedarin,ausdieserArbeiteine
ausbildungsrelevanteKompetenzdefi-
nitionzuentwickeln.Dafürbedarfes
einergemeinsamenArbeitvonKompe-
tenzforscherInnenundMediationsex-
pertInnen.Erfreulicherweisehabener-
stebereitsihreBereitschaftsignalisiert.
UnsereFachgruppensindnunaufge-
fordert,dieDienstleistungeninihrem
Kontextpräzisezubeschreiben,umdie
BedeutungfürdenAusbildungskontext
festlegenzukönnen.
SehrwertvollistdieExistenzderAr-
beitsgruppeQualität,dieimMärz2011
beiderBM-Werkstattgeborenwurde
undimSeptember2011durchdieMit-
gliederversammlungihrenAuftrager-
hielt.DortistdieKompetenzbetrach-
tungingutenHänden.
Literatur
*Kreuser,Karl;Robrecht,Thomas;Erpenbeck,John:Konfliktkompetenz.Heidelberg2011.*Kreuser,Karl;Heyse,Volker;Robrecht,Thomas:Mediationskompetenz.Münster2011.*Robrecht,Thomas:OrganisationistKonflikt.2012.
AutorInneninfo
52 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
November/AnfangDezember2011er-
folgenundnachBefassungdurchden
BundesratkönntedasGesetzimFeb-
ruar2012inKrafttreten.Bisdahin
kannüberdenInhaltdiesesGesetzes
nurspekuliertwerden.
II. Verschwiegenheitspflicht und Zeugnisverweigerungsrecht§4desReferentenentwurfesregelt
diegesetzlicheVerschwiegenheits-
pflicht.DadurchsindMediatorInnen
inZivilverfahrenundinallenaufdie-
seRegelungBezugnehmendenVer-
fahrengemäߧ383Abs.1Nr.6ZPO
zeugnisverweigerungsberechtigtund
zwarunabhängigvonihremGrund-
beruf.Auchweiterhinsollesbeidem
Zeugnisverweigerungsrechtfüral-
leMediatorInnenunabhängigvom
Grundberufbleiben.Allerdingssolles
inFällenmitKindeswohlgefährdung
keinZeugnisverweigerungsrechtfür
Mediation & Politik
MediatorInnengeben.Leider
sollauchweiterhindaraufverzichtet
werden,dasZeugnisverweigerungs-
rechtaufdenBereichdesStrafprozess-
rechtsauszudehnen.
III. Qualitätssicherung der Aus- und WeiterbildungEssollweiterhinaufeineRegelungdes
BerufsbildesvonMediatorInnenmit
einheitlichenFort-undWeiterbildungs-
standardsverzichtetwerden.Mecha-
nismenderQualitätskontrollesindwei-
terhinnichtvorgesehen.Diesistbereits
nachderVeröffentlichungdesReferen-
tenentwurfesundwährendderAnhö-
rungimMai2011heftigkritisiertwor-
den2.DieVertreterderAnwaltschaft
hattenbezüglichQualitätssicherung
undanschließenderZertifizierungmit
BezugnahmeaufeineRechtsverord-
nungeinäußerstminimalistischesMo-
dellfavorisiert,dassbezüglichderQua-
Jutta Hohmann
Mediation im Bundesjustizministerium angelangt Teil VI I. EinleitungImMai2008istdieEU-Richtlinieüber
bestimmteAspektederMediationin
Zivil-undHandelssacheninKraftge-
treten1.Damalswurdendieeinzelnen
LänderderEuropäischenUnionver-
pflichtet,dieseRichtliniebiszum20.
Mai2011um-undsichmitdemThema
Mediationauseinanderzusetzen.Die-
seFristzurUmsetzungderEU-Richtli-
nieinnationalesRechtistlängstabge-
laufen.Am25.Mai2011fandvordem
RechtsausschussdesBundestagesei-
neöffentlicheAnhörungstatt.Derauf
dieTagesordnungderSitzungvom
20.10.2011gesetzteTagesordnungs-
punkt2.und3.Lesungwurdewieder
vonderTagesordnunggenommen.Nie-
mandkannheutevoraussagen,wann
genaueineVerabschiedungdesGe-
setzeszurFörderungderMediationer-
folgenwirdundmitwelchenInhalten
genau.NachletztenInformationensol-
lendie2.und3.LesungnunmehrEnde
Mediation & Politik
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 53
*JuttaHohmann1.VorsitzendeBundesverbandMEDIATION
*E-Mail:[email protected]
AutorInneninfo
litätskriteriennochwesentlichhinter
jenenKriterienzurückblieb,diewirbis
Dezember2010imBundesjustizmini-
steriumderJustiztagenden»Bundes-
arbeitskreisZertifizierungvonMedia-
torinnenundMediatoren«,indemich
fürdenBMaufgetretenbin,gemein-
sammitVertreternderAnwaltschaft
erarbeiteten.Bereitsdamalsundauch
beiderobenbeschriebenenAnhörung
hattendieVertreterderRechtsschutz-
versicherermitdeutlichenWortenda-
raufhingewiesen,dassdieVerbraucher
hoheundverlässlicheQualitätsstan-
dardserwarten3.Inzwischensolleinem
OnditzurFolgediegesetzlicheEin-
führungeineszertifiziertenMedia-
torsangedachtwordensein.Näheres
sollineinerRechtsverordnunggeregelt
werden.MediatorInnensollenfürei-
neZertifizierungeineAusbildungvon
120Stunden,imBereichFamilien-und
Wirtschaftmediationvon160Stunden
absolvierthaben.
IV. Gerichtliche und gerichtsinterne MediationImVorfeldhatesbereitsheftigekon-
troverseDiskussionenumdienach
demReferentenentwurfangedachte
Aufrechterhaltungderrichterlichen
Mediationgegeben.Inzwischenistge-
plant,dierichterlicheMediation»ab-
zuschaffen«undstattdessenein»Gü-
terichtermodell«nachbayerischem
Vorbildeinzuführen.Diesbegrüßeich
ausdrücklich.WirhattenlangedieFra-
gediskutiert,obessichbeiderinGe-
richtendurchgeführtenMediationen
überhauptumMediationnachun-
seremVerständnishandelt.Hinzu
kam,dassRichtermiteinemAmtsbo-
nusausgestattetsind,derleichtden
Anscheinerweckenkönnte,dassbei
denGerichtendie»bessereMedia-
tion«durchgeführtwerdenwürde.
DieserAmtsbonuserwecktdieErwar-
tungshaltungderKonfliktparteien,
dassRichterInnendie»gerechteren«
MediatorInnenseien.Hinzukommt,
dassbeieinemVorhandenseinvon
richterlicherMediationRechtsanwäl-
teihreMandantInnennichtansog.au-
ßergerichtlicheMediatorInnenverwei-
sendürften,weilRechtsanwältInnen
aufdiekostengünstigsteMöglichkeit
hinzuweisenhaben.Gerichtsinterne
MediationistimGegensatzzuanderen
Mediationenkostenlos.IndieserKos-
tenfreiheitliegteinWettbewerbsvor-
teil,derdieaußergerichtlicheMedia-
tionanderEntfaltunghindert.
An
zeig
e
1Jutta Hohmann: Mediation goes Europe. In: Spektrum der Mediation 2008, Heft 29, S. 38. 2Christoph Paul: Mediationsgesetz – Anhö-rung im Rechtsausschuss des Deutschen Bun-destages. In: Zeitschrift für Konflikt-Manage-ment 2011, S. 119 - 120. 3 Paul a.a.O.
Ichhoffe,baldzudemneuinKraftge-
tretenenMediationsgesetzStellung
nehmenzukönnen.Esbleibtweiter-
hinspannend.
Die KundInnenbroschüre mit dem oben genannten Titel hat großen Zuspruch gefunden. Innerhalb von einem halben Jahr sind 20 000 Ex. versandt worden. Offensichtlich eignet sich die Broschüre hervorragend zum Verteilen an Kunden oder solchen, die es werden könnten. Deshalb haben wir uns für eine Neuauflage entschieden. Es gab eine redaktio-nelle Überarbeitung. Die Kritikpunkte haben wir weitestgehend aufge-nommen und umgesetzt.
Mit den restlichen finanziellen Ressourcen der Anzeigen und Sponsoren der 1. Ausgabe und den neuen Anzeigenkunden konnten wir die Finanzierung sicherstellen, sodass wir die Broschüre weiterhin kostenlos abgeben können. Bestellungen bitte an: [email protected]
Mediationkannmehr
Mediation & Politik
54 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
Mediation & Politik
difiziertenMediationsarteneinensinn-
vollenNamentragen,derdieMindest-
anforderungerfüllt,keinenunnötigen
Hemmschuhzuenthalten.
Das Thema Herkunftsberufe EsgibtMediatorInnenallerHerkunfts-
berufe:Architekten,Psychologen,Theo-
logen,Opernsänger,Anwälte,Zahnärz-
te,Politiker…EinederBerufsgruppen,
diesichindenvergangenenJahrenver-
stärktzuMediatorInnenhabenaus-
bildenlassenundmediativeElemente
inunterschiedlichstarkerAusprägung
inihreVerhandlungenhabeneinfließen
lassen,sindRichterInnen.Einigevonih-
nensindsogut,dasssieinderLage
sind,ihreVerhandlungen(fast)hun-
dertprozentigaufmediativenElemen-
tenaufzubauen,wennundsoweitdies
durchdenKontextgebotenundins-
gesamtstimmigist.Hierhatesunter-
schiedlicheProjektegegeben,über
derenVerfassungsmäßigkeitderzeit–
nichtimmermediativ–gestrittenwird.
Vorteile der Mediations-kompetenzMediationskompetenzhatvieleVor-
teilefüralleSparten.Architekten,
Einzelhändler,Ärzte,Handwerkerund
andereBerufsträgerberichten,dasssie
einevielbessereGesprächsqualitätin
Kunden-undMitarbeitergesprächener-
zielen.RichterdesBezirksSchleswig
beispielsweisehabenfestgestellt:
1. UnsereRichtergehen,seitdemim-
mermehrvonunseineMediations-
ausbildunghaben,aufganzneue
Weisemiteinanderum.Dasbedeu-
tet:DasMiteinanderimGerichtist
vielsympathischergeworden.
Anita von Hertel
»Die Namenserteilung ist kein gleichgültiges Anliegen und sollte nicht vom Zufall abhängen.« (Plato)
25. Mai 2011 ImdeutschenBundes-
tagfindetdieExpertenanhörung
statt.Gehörtwerden:
› Prof.Dr.ReinhardGreger,
Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg
› Dr.h.c.WilfriedH.Hausmanns,
Präsidenta.D.desOberlandes-
gerichtsRostock
› AnitavonHertel,Mediatorin,
AkademievonHertel,Hamburg
› MichaelKrämer,VorsitzenderRich-
teramLandgerichtMühlhausen,
› ChristophC.Paul,Rechtsanwalt,
NotarundMediator,Berlin
› MichaelPlassmann,Rechtsanwalt,
Berlin
› OliverSporré,DeutscherRichter-
bund,Berlin
› RainerTögel,D.A.S.–Versicherungs-
Aktiengesellschaft,München
AlleachtExpertenhabenVerbesser-
ungsvorschlägeimGepäck.DasMedia-
tionsgesetz–sowünschenessichalle
–sollimVergleichzumaktuellenEnt-
wurfnochverbessertwerden.Nurvier
ProzentderGesetze,solauteteineSta-
tistik,werdeninderAnhörungnoch
geändert,bevorsievondenBundes-
tagsabgeordnetenverabschiedet
werden.ObdasMediationsgesetzdazu
gehörenwird?Esistdeutlicherkennbar,
dassallendieInhaltedesMediationsge-
setzeseinintensivesAnliegensind.Die
EmotionensindimRaumspürbar.
BesondersbeeindruckendieAbgeordne-
ten.IhreMediationskompetenzistso-
wohlwährendderAnhörungalsauchin
denanschließendenPausengesprächen
inderWortwahlwieindergesamten
Haltungdeutlich.BeimMediations-
gesetzgehtesallen(!)politischenPar-
teivertreterndarum,dieMediationzu
fördern.SoweitherrschtEinigkeit.Nur
beimWegdahinunterscheidensichdie
Vorstellungen–wiesooft.IstIhnen,
sehrgeehrteLeserInnenbeiderLektüre
desaktuellenGesetzentwurfesaufge-
fallen,dassderzeitvorgesehenist,die
klassischeMediationin»außergericht-
licheMediation«umzubenennen?
Kein Hemmschuh in der NamensgebungProfessorWalterBruch,Entwicklerdes
PAL-Farbfernseh-Systems,wurdeein-
malgefragt,warumerseinSystem
»PAL«genannthabe.SeineAntwort:
»WasmeinenSie,waspassiertwäre,
wenniches›Bruch-System‹genannt
hätte?«DieNamensgebungfürdieMe-
diation–ganzgleichwelcheMedia-
tionsartenletztlichkodifiziertwerden,
solltesogewähltwerden,dassalleko-
Mediation & Politik
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 55
2. SiegehenmitdenRechtssuchenden
auchaußerhalbvonMediationsver-
fahrenaufeinemediativeWeiseum,
fragenKlägerundBeklagte,wasih-
nenwichtigist,deeskalierenund
sorgenfüreinevertrauensvollere
Atmosphärealsfrüher.
Dasistgroßartig.Alleindieseposi-
tivenEntwicklungensprechendafür,
immermehrRichtermitMediations-
kompetenzauszustatten.Einedavon
zuunterscheidendeFrageistdieAus-
wirkungdieserrichterlichenAktivi-
tätenaufdieNamensgebungderMe-
diation.Aktuellvorgesehenistder
Name»außergerichtlicheMediation«
alsneuerNamefürdieklassische»Me-
diation«.WiekommtdieserName
zustande?Undwiesinnvollister?
Abbbiegespur: Vom Gericht zur MediationEsgibtKonstellationen,indenenMen-
scheneinGerichtsverfahrenerwägen.
Dannistessehrsinnvoll,dassesvom
WegindasGerichtnocheineAbbie-
gespurindieMediationgibt.Natürlich
mussdieArtundWeise,wiedieseAb-
biegespurgestaltetwird,unsererVerfas-
sungentsprechen.Dasverstehtsichvon
selbst.Inwieweitdiesdurchrichterli-
cheAktivitätengewährleistetwerden
kann,istrechtlichumstrittenundnicht
GegenstanddiesesArtikels.DieseAb-
biegespurbrauchteinenNamen,der
mitdem,wastatsächlichstattfindet,
übereinstimmt–einenNamen,derdie-
senWeghindernisfreibeschreibt.Die-
serNamekanndenBegriff»gerichtlich«
ineinertreffendenWeiseenthalten.
Zwingenderforderlichistesnicht.
Abbiegespur: Vom frühzeitig erkannten Konflikt zur MediationEsgibtKonstellationen,indenenGe-
richtsverfahrenvonvornhereinuner-
wünschtsind:
a. EintraditionellesFamilienunter-
nehmenmitaktuellemKonfliktpo-
tenzialwirddenFamilienfriedenund
diegemeinsamenFamilienfestenicht
aufsSpielsetzenundeinGerichtsver-
fahrengrundsätzlichnurimNotfall
inErwägungziehen.
b. EinMarktmiteinersehrbegrenzten
AnzahlanSpezialisten,klassisches
BeispielAutoindustrie,wirddiekost-
barenundüberlebensnotwendigen
Geschäftsbeziehungentunlichstnicht
gefährdenundebenfallsnichteinmal
anGerichtedenken,geschweigedenn,
dieseinAnspruchnehmen,soweites
sichirgendwievermeidenlässt.
c. InderArztpraxishabenMissverständ-
nissezuUnstimmigkeitengeführt.
DieÄrztewollensicheinekonstruk-
tiveMissverständnisklärungsmaß-
nahmegönnen,diedengutenalten
Teamgeistwiederherstellt.Ange-
richtsähnlicheSituationendenken
sieüberhauptnicht.
InFällenwiediesenwäreeineBezeich-
nung,dieanGerichteerinnernwürde,
sehruntunlich.DenndieAssoziation
»Gericht«,wirdvonvielenMenschen
eheralsunangenehmeDrohung,denn
alskonstruktiveUnterstützungerlebt.In
diesenFällenistesentscheidend,dass
auchhiereinWegindieMediationführt
–unddassdieserWegnichtunnötig
behindertwird.EinName,dereine
ausdrücklicheAbgrenzungzueiner
Gerichtsverhandlungenthaltenwürde,
riefeAssoziationenwach,dieehereine
Hemmschwelle,denneineUnterstüt-
zungderMediationdarstellenwürden.
DeraktuellimGesetzentwurfange-
dachteName»außergerichtliche«Me-
diationsolltedahertunlichstdurch
»Mediation«ersetztwerden.SteveJobs
hatseineFirmanicht»birnenfreiesAp-
ple,windowsfreiesAppleodergerichts-
freiesApple«genannt,sondernApple.
WennderGesetzgeberdieMediation
fördernmöchte,dannisteswichtig,
dasserPlatoimOhrhat:DieNamenser-
teilungistkeingleichgültigesAnliegen
undsolltenichtvomZufallabhängen.
Fazit: Die klassische Mediation sollte Mediation heißenEsentsprichtdemGrundgedanken…
› derFörderungderMediation,dass
vieleBerufsgruppenMediationlernen.
› derFörderungderMediation,dass
RichterInnenMediationlernen,un-
teranderemauch,ummediativeEle-
mente,soweitsieindasjeweilige
Gerichtsverfahrenpassen,inVer-
handlungenzunutzen.
› derFörderungderMediation,die
klassischeMediationsozudefinie-
ren,dasseinLösungssuchender,der
einekonstruktiveLösungentwickeln
möchte,zunächstdenHemmschuh
desWortes»außergerichtlich«o.ä.
vordemWortMediationüberwinden
müsste.
› derFörderungderMediation,dassdie
klassischeMediationweiterhinMedia-
tionheißt–ohnehemmendeZusätze.
› derFörderungderMediation,dassal-
le,dieüberdiesenundanderePunkte
desneuenMediationsgesetzesdisku-
tieren,dabeianunsereWurzelnden-
ken:TunSieesmitMediations-
KnowHow.
*AnitavonHertelMediatorin,MediationslehrtrainerinundDozentinfürMediationundKonfliktma-nagementanHochschulenundInstitutenimIn-undAusland
*E-Mail:[email protected]
AutorInneninfo
Wenn Sie meine schriftliche/mündliche Stellungnahme zur Anhörung im deut-schen Bundestag haben möchten, in der es humorvolle Vergleiche – vom außer-fahrplanmäßigen Halt bis zum außerir-dischen Wesen gibt – mit persönlichen An-merkungen – sende ich Ihnen diese zu.
Der Gastbeitrag
56 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
Ehefrau: »Lass’ uns doch heute Abend über unsere Probleme sprechen.«Ehemann: »Was für eine wunderbare Idee! Ich werde den ganzen Abend dafür reservieren!«
EsistkeinleichtesUnterfangen
überProblemekonstruktivzu
diskutieren.Wennwirunsmit
einemProblemauseinandersetzen,su-
chenwirmeistnachdenUrsachendes
Problems.Grundsätzlichistdemnichts
entgegenzustellen,dennwennwirfest-
stellen,dassKonflikteschwelen,lohnt
essichdiesenaufdenGrundzugehen,
bevorsienochschlimmerwerden.
WirhörenvoneinemProblem,wirana-
lysierenesundsobaldwirdieUrsache
herausgefundenhaben,benutzenwir
dieseInformation,umeszulösen.Ge-
naudasistoftdieungünstigsteVari-
antederProblemlösungimzwischen-
menschlichenBereich.Nehmenwirals
BeispieleineFahrradkette.Siehatdie
Unartimmerwiederherunterzufal-
len.KennenSiedas?Umsiezurepa-
rieren,schauenwirsiegenauanund
analysieren.Wirstellenfest,dassdie
Fahrradkettelockeristundziehensie
Die Anwendung des lösungsfokussierten Ansatzes
Ben Furman
nunfestan.Undwiesollesauchan-
derssein:dasFahrradfunktioniertwie-
dereinwandfrei.DenanalytischenAn-
satzwendetmanmöglichstdannan,
wennesdarumgehtdieUrsachenbe-
stimmterProblemeklarzuerkennen,
umsiedannzubeheben.Sowieindie-
semtechnischenFallderFahrradket-
te.DieserAnsatzistjedochüberhaupt
nichtgeeignet,wennesumdasLösen
voninterpersonalenProblemengeht.
WennSiemitIhrerPartnerInProbleme
habenundsiesichentscheidenüber
dieproblembehaftetePartnerschaftzu
sprechenundsiezuanalysieren,wird
dasinkeinsterWeisegarantieren,dass
sichdieSituationverbessert.Dasliegt
daran,dassunsereErklärungennor-
malerweiseexpliziteoderimpliziteAn-
schuldigungensind.
NehmenwiralsBeispielIhreArbeits-
platzumgebung.Siegestaltetsich
schwierigunddasArbeitenmachtwe-
nigSpaß.ÜberProblemezusprechen,
siezuanalysierenunddenUrsachen
aufdenGrundzugehen,wirdnicht
sehrhilfreichsein,IhreSituationamAr-
beitsplatzzuverbessern.Tatsächlichist
esnichtungewöhnlich,dassdasAnaly-
sierenvoninterpersonalenProblemen
nochmehrProblemeschafft.Wielässt
sichdaserklären?Daraufgibtesei-
neeinfacheAntwort.WennMenschen
interpersonaleProblemediskutieren,
versuchenSieoftdieUrsachedesPro-
blemsherauszufinden.Bemühungen
interpersonaleProblemezuanalysieren
führenfastausschließlichdazu,dass
Erklärungengefundenwerden,dieals
Anschuldigungenerlebtwerden.Auch
dann,wennkeinerursprünglichdiese
Absichthatte.Undwirallewissenwie
MenschenaufAnschuldigungenreagie-
ren:SiegehenmeistindieDefensive.
UmdenVerlaufeinesGesprächszu
veranschaulichen,sehenSienachfol-
genddenAnsatzdeslösungsfokussier-
tenunddesproblemfokussiertenKreis-
laufs,derfürsichselbstspricht:
Negativer Gesprächskreislauf
Problembeschreibung&Definition
Problemeerklären
ErklärungenfürfehlendenFortschritt
Schuldzuweisungen–KränkendeErklärungen
SchlechteStimmungkeineZusammenarbeit
keineLösungen
Verteidigung,Rückzugoder
Angriff
Der Gastbeitrag
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 57
Positiver Gesprächskreislauf
KeinermachtgernedieErfahrungfür
etwasbeschuldigtzuwerden,wofürer/
sienichtverantwortlichist.
»Es ist kein Kaffee da!« sagt er.
»Warum schaust Du mich so an –
es ist nicht meine Schuld, dass
kein Kaffee da ist!« sagt sie.
DiesesPhänomen,auchgenannt»bla-
me-storming«,tauchtinteressanterwei-
sesehroftintäglichenKonversationen
auf.Bevorwirunsversehen,befinden
wirunsinSituationen,indenensichje-
derverteidigtodersichjemandbeschul-
digtfühlt.AlsSelbstschutzgehenwirin
eineVerteidigungshaltung.
SiesagenIhrerPartnerIn,dassdie
beimPizzaservicebestelltePizzaüber-
hauptnichtschmeckt.Siewirdumge-
hendwütendundkeiftzurück:»Wasbe-
schwerstDuDich?WennDirdiePizza
nichtschmeckt,dannsollsiedochder
Hundfressen!«AusIhrerSichtwollten
SielediglichdasProblemdarstellenund
sieeinladen,eszulösen.WenndasGe-
sprächandersverlaufenwäre,hättenSie
vielleichtgemeinsamdieIdeegehabt
einwenigTabascooderSalzundPfef-
feraufdiePizzazustreuen.Aberausder
SichtIhrerPartnerInhabenSiesiedafür
verantwortlichgemacht,dassdiePiz-
zanichtschmeckt.Punkt.KeinWunder,
dasssiesoreagiert!»Blame-storming«
magfürMenschennormalsein,doches
verhinderteinekreativeProblemlösung
oderBrain-storming.Eszwingtunsre-
gelrechteinedefensiveHaltungeinzu-
nehmen,wasdieBedingungenkreative
Lösungsvorschlägezuentwickelner-
schwert.UndwennkeineLösungenge-
fundenwerden,siegenmeistdiePro-
bleme.Früheroderspäterentfachteine
neueDiskussiondarüber,warumdie
Problemeimmernochbestehen,obwohl
siejabereitsdiskutiertwurden–in
manchenFällenschonmehrfach.Diese
DiskussionschaffteinenneuenKreislauf
für»Blame-storming«,diesesMalje-
dochnichtdarüberwarumdasProblem
nochnichtbehobenwurde,sondern:
»Weristdafürverantwortlich,dassdas
Problemnochexistiert?Warumistes
nochnichtgelöst?WarumistdasPro-
blemnochaufunsererAgenda?«
EsgibtunterschiedlicheMöglichkeiten
»Blame-storming«zuvermeiden.Eine
davonistrechtsimpel:sprechenSienicht
überProbleme,sondernstattdessenüber
Ziele(Ergebnisse).DieseMethodebasiert
aufderIdee,dassjedeMedaillezweiSei-
tenhat.AufdereinenSeitederMedail-
leistdasProblem,aufderanderenSei-
tebefindetsichdiedazugehörigeLösung
(Ziel),welcheesgiltzuerreichen,damit
dasProblemverschwindet.
FürjedesProblemgibteseinpassendes
Ziel–siemüssenesnur(er-)finden.Dann
giltesdarüberzusprechen,stattsichmit
demProblemzubeschäftigen.Nehmen
wirfolgendesBeispiel:»fehlendeKom-
munikation«oder»fehlendesFeedback«.
DasZielist:»bessereKommunikation«
oder»mehrFeedback«.SobaldSieauf-
hörenüberdasProblemzusprechenund
anfangensichmitdenLösungenausein-
anderzusetzen,wirdsichderTonfallin
derKonversationumgehendverändern.
Esistfastmagisch.Wirtendierenalleda-
zuüberZieleanderszusprechen,alsüber
Probleme.WennwirüberProblemespre-
chen,tendierenwirdazusiezuanalysie-
ren,wennwirunsjedochüberZieleun-
terhalten,diskutierenwirdarüber,wie
wirdieseerreichenkönnen.
Siekönnendem»Blame-storming«lang-
samentkommenund»Brain-storming«
initiieren,indemSiesichzukünftigauf
dieZielekonzentrieren,diesichhinter
denProblemenbefinden.Mitanderen
Worten:SiehabeneinengroßenGewinn,
wennSieKonversationenaufLösungen
ausrichtenundnichtaufProbleme.
WennSiedieZielehinterdenProblemen
herausfinden,werdenSieaufjedenFall
davonprofitieren.WennSiedieseFähig-
keiterlernen,werdenSieProblemeauf
einekonstruktiveArtundWeiseangehen
undinZieleumwandeln,dieesgiltzuer-
reichen,stattsichmitProblemenzube-
schäftigen,dieesgiltzulösen.Wieder
GeschäftsführereinesTelekommunika-
tions-UnternehmensseinerMannschaft
mitteilte:»Wirallewissen,dasswirPro-
blemehaben,undwirwissenauch,dass
unsereProblemelediglichProjektesind,
diewirnochnichtbegonnenhaben.«
Übersetzung: Maria Gabriella Poarch
*Dr.BenFurmanM.D.Psychiater,Psychotherapeut,MitgründerdesHelsinkiBriefTherapyInstitutes(HB-TI).ErgiltalsinternationalanerkannterExpertefürlösungsfokussierteTherapie,CoachingundOrganisationsberatung.
*E-Mail:[email protected]
*MariaGabriellaPoarchBusinessConsultant,MediatorinundCoach
*E-Mail:[email protected]
AutorInneninfo
ZielebeschreibenFortschritte
feststellenundbeschreiben
Fortschrittefeststellenund
beschreiben
Fortschritteanerkennen/wertschätzen
GuteStimmungZusammenarbeit
Lösungen
GefühldesStolzesunddesErfolgsstellen
sichein
Steckbrief für Thomas Robrecht Mediator seit 1998; Ausbilder BM seit 2003; Schwerpunkt(e) der Mediation: Me-diation in Organisationen zu Themen von Zusammenarbeit, Führung und Manage-ment; im Bundesverband Mediation seit 2002; im Vorstand seit 2005 Schwerpunkt der Vorstandsarbeit:• bis 2011: Leitbildentwicklung und
OE-Prozess• ab 2011: Lobbyarbeit in Wirtschaft und
Arbeitswelt, Förderung der Anspruchs-gruppe der Verständiger, Weiterentwick-lung des Themas »Mediationskompetenz«
Was mir wichtig ist: Unsere Leitsätze kon-sequent verfolgen und mit Leben füllen und dafür diesem Ziel dienliche Strukturen entwickeln. Mediation als ernstzuneh-menden Standard für Konfliktbearbeitung etablieren. Dafür nicht die Lösung von Kon-flikten als vorrangiges Ziel zu betrachten, sondern die Entwicklung von Konfliktkom-petenz der MediandInnen erreichen (Fähig-keit zur Selbstlösung). Was ich für den BM erreichen möchte: Weiterentwicklung der Definitionsmacht des BM zum Thema Mediation sowie För-derung der Verständigung in Konflikten durch die Sicherung der gesellschaftlichen Anschlussfähigkeit des BM und Mediation:• Differenzierte Betrachtung von Ausbil-
dungsqualität und Mediationsqualität• Herstellung des Gegenpols zur juristi-
schen Darstellung von Mediation durch Konzentration auf die Betätigungsfelder im Arbeitsalltag
• Gewinnen von neuen Mitgliedern, die BM-Ausbildungen absolviert haben, aber nicht als MediatorIn tätig sind, sondern ihre Me-diationskompetenz als Zusatzqualifikation in ihrem Arbeitsumfeld einsetzen (ca. ¾ al-ler AusbildungsteilnehmerInnen)
• Steigerung der Attraktivität von Media-tion (gesellschaftliche Anschlussfähigkeit) durch Betonung der Entwicklung von Kon-fliktkompetenz der MediandInnen durch Mediation
Zur Wahl des neuen Vorstands
Steckbrief für Sosan Azad Mediatorin seit 2001; Schwerpunkt(e) der Mediation: Organisationen, Mediation im in-terkulturellen Kontext, Familienmedia tion; im BM seit 2003; im Vorstand seit 2011 Schwerpunkt der Vorstandsarbeit : • Öffentlichkeitsarbeit Was mir wichtig ist:• Mediation als professionelle Konfliktbear-
beitung auf allen gesellschaftlichen Ebe-nen etablieren
• dass Menschen auf der nationalen und internationalen Ebene Konflikte durch das miteinander Verhandeln lösen
• dass eine Kultur des Dialogs entsteht
Was ich für den BM erreichen möchte:• den BM in der Öffentlichkeit sichtbarer
machen• dass der BM weiter wächst auf allen
Ebenen• dass der BM als ein Berufsfachverband
angefragt wird
Steckbrief für Sascha Boettcher LL.M.; Mediator seit 2007/2008; Schwerpunkt(e) der Mediation: In Teams und Gruppen (Organisationen), Planen und Bauen; im Bundesverband Mediation seit 2006; im Vorstand seit 2011
Steckbriefe
Steckbrief für Jutta Hohmann Mediatorin seit 1995; Schwerpunkt(e) der Mediation: Trennung und Scheidung, Wirt-schaft; im Bundesverband Mediation seit 1996; im Vorstand seit 2005
Schwerpunkt der Vorstandsarbeit:• Vertretung des Verbandes nach außen• »Recht und Gesetzgebung« mit den damit
zusammenhängenden Außenkontakten• Kontakte und Verbindungen zu anderen
Verbänden im In- und Ausland.
Was mir wichtig ist: Freiheit bedeutet für mich einen hohen Wert. Wie die Luft zum Atmen brauche ich den Wechsel zwischen den Kulturen und den Orten. Was ich für den BM erreichen möchte: Ich möchte Mediation in der Gesell-schaft verankern helfen. Dies kann ich je-doch nicht als Einzelne tun, sondern hier-zu ist ein starker (Berufs-)Verband nötig. Stärke kommt durch Macht. Ich möchte, dass der BM eine machtvolle Position ein-nimmt und durch Einfluss Gesellschaft gestaltet, das heißt auch durch aktive Arbeit bei der Gesetzgebung.
Allgemeiner Steckbrief
zum ehrenamtlichen Vorstand
Mitglieder im Vorstand: 7
Amtszeit: 2Jahre
Pro Jahr ca.:
12TagePräsenztreffen 108h
(9h/Tag)
6Telefonkonferenzen 13h
(6à2,1h)
8Dienstreiseninsgesamt 120h
(8à15h)
Routinearbeitca. 159h
Insgesamt pro Person 400 h
Gesamt also 2.800 h
Foto
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Schwerpunkt der Vorstandsarbeit : Umsetzung der Strukturreform und Fortfüh-rung der OE, Ansprechpartner für politische und juristische Institutionen und Präsenz auf entsprechenden Veranstaltungen. Ansprech-partner für Ehrenamt, z. B. Schülermediato-rInnen und Schulmediation, Gemeinwesen. Was mir wichtig ist: Mediation in der Gesellschaft noch stärker verankern. Die Vielfalt und Interdisziplina-rität. Die Verbindung von ehrenamtlichen und beruflichen MediatorInnen. Offene und vertrauensvolle Gesprächskultur. Keine Ver-meidung von schwierigen Diskussionen, die eine Entwicklung behindern. Die Interessen der Mitglieder zu vertreten und im Sinne der Allgemeinheit und des gesamten BM Ent-scheidungen zu treffen. (Trennung von Ein-zelinteressen und Verbandsinteressen) Was ich für den BM erreichen möchte: Die Herkunft und Tradition des Verbandes zu berücksichtigen bei gleichzeitiger Verän-derungsbereitschaft und Zukunftsfähigkeit für den Verband. Ein offenes Ohr für jedes Mitglied zu haben. Ziel ist, dass der BM ge-sellschaftlich anerkannt wird. Ein weiterer Wunsch ist, die unterschiedlichen Gruppen und Interessen im BM besser miteinander zu vernetzen und somit Anerkennung und Vertrauen für die jeweilige Sichtweise der anderen zu ermöglichen.
Steckbrief für Walter H. Letzel Mediator seit 2003; Schwerpunkt(e) der Mediation: Wirtschaftsmediation, Unter-nehmensnachfolge, Teammediation, Familie/Partnerschaft, Nachbarn/Mieter; im Bundesverband Mediation seit 2004; im Vorstand seit 2007 Schwerpunkt der Vorstandsarbeit: Aufmerksamkeit auf die Anspruchsgruppe »ausgebildete MediatorInnen«, Verlaufs-qualität in der Mediation, Zusammenar-beit mit anderen Mediationsverbänden, Kontakt zu potenziellen Auftraggebern (z. B. Rechtsschutzversicherungen), Arbeits-gruppe »Qualität im BM«
Was mir wichtig ist: • BM als inklusiver Fachverband zur Ver-
ständigung in Konflikten: darin Berufsver-band der Mediatorinnen und Mediatoren
• Mediation als berufliche (professionelle) Erwerbstätigkeit
• Sicherheit für MediandInnen (Verbraucher), dass BM für »Qualität in der Me diation« steht
• Reflektierter Umgang mit der eigenen Konflikt- und Mediationskompetenz
Was ich für den BM erreichen möchte:• transparente (sichtbare) Differenzierung
(Exklusivität) nach außen bei Wahrung des Wertes der Inklusivität des Verbandes
• nachvollziehbare (berechtigte) Qualitäts-zuschreibung für unsere Mitglieder
• Wachstum des BM in allen vier An-spruchsgruppen durch Steigerung der Attraktivität des BM (besonders für alle Absolventinnen und Absolventen von Mediationsausbildungen)
• Intensivierung der Kooperation mit BAFM und BMWA
Steckbrief für Anusheh Rafi Mediator seit 2007; Schwerpunkt(e) der Mediation: Familienmediation, Gruppen- und Organisationsmediation, interkultu-relle Mediation; im Bundesverband Me-diation seit 2009; im Vorstand seit 2009
Schwerpunkt der Vorstandsarbeit: Finanzen und interne Konfliktklärung Was mir wichtig ist: Mediation wird von der Gesellschaft ver-stärkt wahrgenommen. Ich wünsche mir, dass mit der zunehmenden Bedeutung von Mediation auch die im BM vorhandene Er-fahrung und das vorhandene Fachwissen Bedeutung erlangen. Gleichzeitig wün-sche ich mir, dass trotz der Orientierung nach Außen und der stattfindenden Verän-derungsprozesse alle Mitglieder ein Gefühl der inneren Verbundenheit zueinander und zum BM bewahren mögen.
Was ich für den BM erreichen möchte: Es gibt im BM viele gute Ideen, die leider aus finanziellen Gründen nicht alle um-gesetzt werden können. Ich möchte mög-lichst viel ehrenamtliches Engagement er-halten, auch wenn der Verband es nicht immer finanziell unterstützen kann. Die Finanzierung soll so transparent und nachvollziehbar wie möglich sein. Ferner ist es mir wichtig, über Möglich-keiten nachzudenken, die den Spagat zwi-schen Zeitdruck und Diskussionsbedarf bei größeren Projekten und Veranstaltungen des BM ermöglichen. Dies scheint mir bei den steigenden Mitgliederzahlen eine zen-trale Herausforderung zu sein.
Steckbrief für Doris Wietfeldt Mediatorin seit 2001; Schwerpunkt(e) der Mediation: Organisationen, Mediation im interkulturellen Kontext; im BM seit 2003; im Vorstand seit 2011 Schwerpunkt der Vorstandsarbeit: Besondere Anerkennungen, externes Kon-fliktmanagement, Schnittstelle Qualitäts-entwicklung und Anerkennung Was mir wichtig ist: • Erfahrungen aus der Praxis auswerten
und die Qualität von Mediation weiter-entwickeln und fortlaufend sichern
• Weiterentwicklung der konzeptionellen Ansätze von Mediation
• Dialog von Wissenschaft und Praxis
Was ich für den BM erreichen möchte:• Kommunikations- und Informationsfluss
zwischen allen Gremien, die für Qualität zuständig sind, fördern
• hohe Akzeptanz des BM in der Gesell-schaft und der Wissenschaft
• unsere Qualitätsmaßstäbe weiter fortschreiben
• Kooperation in Qualitätsfragen mit anderen Verbänden
Steckbriefe
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Bücher & mehr
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation60
Wirtschaftsmediation in der Praxis: Konflikt in einem Bauprojekt. DVD-Reihe BusinessMediation DVD 10 Concadora Verlag Stuttgart 2006, Mediator: Dr. Wilfried Kerntke 44,- €
DieAufnahmeentstandbei
der2ndInternationalSummer
SchoolonBusinessMediation
imJuli2006inAdmont(Steiermark/
Österreich)ineinemWorkshop»Zwi-
schenProfessionalisierungundPro-
fession«,istabererstkürzlichvom
Verlagveröffentlichtworden.Ichbe-
ziehemichhiernuraufdieDVDin
deutscherSprache.ZudemPaketge-
hörtnocheineweitereDVDmiteiner
MediationmitBruceEdwardsinEng-
lischzumgleichenThema.
DasBesondereandieserAufzeich-
nungistdieTatsache,dassessichhier-
beiumeineLive-Demonstrationhan-
delt.DerMediator–hierDr.Wilfried
Kerntke–hatdieMediationnichtnach
einemDrehbuchgeführt,auchistdie
EsgehtinderMediation–beauftragt
durchdieRechtsabteilungeinesinter-
nationalenKonzerns–umdieAusein-
andersetzungzwischenzweiFirmen,
diezudiesemMutterkonzerngehören.
BeimBaudes»GrandHotelLuxem-
burg«fungiertdieeinealsBauherr
unddieanderealsGeneralunter-
nehmer.EingenialerFallfürWilfried
Kerntke,derinderMediation–spe-
ziellinderWirtschaftsmediation–
besonderenWertaufdiestrukturel-
lenVerflechtungenunddenZusam-
menhangzwischenMediationund
Organisationsentwicklunglegt.Soist
vonihmsehrkonsequenteinwesent-
licherPartim1.Teildem»Einsam-
meln«dernochandemProjektbetei-
ligten»Mitspieler«(W.Kerntke,Über
denEinbezugvonStakeholderninder
Organisationsmediation,Spektrum
derMediation37/2010S.9ff.),also
derweiterenbeteiligtenFirmenge-
widmet.Folgerichtigtauchthierna-
türlichdieFrageauf,obdenndieAn-
wesendenfüreineLösungssuchedie
»richtigen«Konfliktbeteiligtensind.
AlsKonfliktpartnerInnen–hiersindes
aberdocheherKonfliktparteien–tre-
tendiekaufmännischeLeiterin(Juris-
tin)derBauherren-FirmaundderPro-
jektleiter(ehemalsBauarbeiter)des
Generalunternehmersauf,dievonden
SchauspielerInnensehrauthentisch
dargestelltwerden.Unterschiedlicher
könnenKonfliktparteienkaumsein:Die
einealsJuristinmitausgewähltenFor-
mulierungen,(fast)immeraufemotio-
naleSelbstbeherrschungbedacht,aber
sehrselbstbewusst,fastarrogant,und
derandereeheremotional,wasBausa-
chenangehtsehrprofessionell,aberoft
–auchinderWortwahl–sehrungezü-
Wirtschaftsmediation in der Praxis: Konflikt in einem Bauprojekt SchulungsDVD mit Dr. Wilfried Kerntke
Hans-Jürgen Rojahn
Aufnahmeanschließendnichtdurch
Schnitte»bereinigt«worden.DemMe-
diatorstandenlediglichInformationen
auseinemfiktivenAuftragklärungs-
gesprächzurVerfügung.DieRollen-
spieler–professionelleSchauspie-
ler–habendagegensehrausführliche
Einweisungenzumsachlich-fachlichen
HintergrundundsehrausgiebigeRol-
lenbeschreibungenmitvielen–auch
emotionalen–Detailserhalten.Der
Mediatoristalsowieineiner»echten«
MediationinskalteWassergesprungen
undhatsichlivebewährenmüssen.
Sehrhilf-undlehrreichistdasum-
fangreicheBooklet(52S.,vonUlrike
GammundMarioPeteravon»Kon-
fliktKultur–KulturKonflikt«erstellt)
mitdemBegleittextzurDVD,indem
außerdenInformationenzudemKon-
fliktfallunddenRollenbeschreibungen
vielenützlicheAnregungenzumBeo-
bachtenderMediationenthaltensind.
DieDVDistinvierKapitelgegliedert:
NacheinemEröffnungsstatement(2
Min.)durchdenMediatorfolgenzwei
Demonstrationsteile(55und50Min.).
AbgeschlossenwirddasGanzedurch
einenSchlusskommentardesMedia-
tors(4Min.).
SowohldieBild-alsauchdieTonqua-
litätsindausgezeichnet.DasAmbi-
entekannichmirschönerundder
Mediationeherangemessenvorstel-
len.DieSitzordnungfindeichun-
glücklichgewählt.DerMediatorsitzt
aneinemrechteckigenTischden
MediandInnenfrontalgegenüber,was
möglicherweisegleichzuBeginneine
KonfrontationzwischendemMediator
undeinemMediandenbegünstigt.
Bücher & mehr
61Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
*Hans-JürgenRojahnMediatorundAusbilderBM®
*E-Mail:[email protected]
Kontakt
gelt.DieseKonstellationmachtesdem
Mediatornichtebenleicht,dieFassung
zubewahrenundbeideningleicher
Weisewertschätzendzubegegnen,was
ihm–wieichfinde–ausgezeichnetge-
lingt.DieAllparteilichkeitistdurchweg
invollemUmfanggewahrt.Sehrschön
zubeobachtenistdieFreundlichkeit
unddieZugewandtheitgegenüberden
–wieüblich,hieraberbesondersausge-
prägt–»schwierigen«MediandInnen,
eingutesBeispielfürdieerwünschte
HaltungdesMediators.
Inder1.Sitzunggehtesvorallemum
eine»guteArbeitsvorbereitung«für
dieMediation,wobeiKerntkesehr
empathischdenSprachgebrauchdes
Bau-Projektleitersaufnimmt.Die
MediandInnenmachenesihmnicht
wirklichleicht,weilsieimmerwie-
derinalteVorwürfezurückfallenund
sichhäufiginsWortfallen.Kerntkere-
agiertmehrmalsdaraufmitdemKom-
munikationsmittelderNormalisie-
rung,allerdingsmitmäßigemErfolg.
VielleichthätteeinefrühereEinfüh-
rungvonGesprächsregelneinebesse-
reKommunikationermöglicht.
Die2.SitzungistbesondersdemEr-
arbeitenderanstehendenKlärungs-
punktegewidmet.Hiersindsehran-
schaulichu.a.einigerelevante
Methodenzubeobachten:
› DasSprungbrett(LjubjanaWüste-
hube,Einmalangenommen…»Das
Sprungbrett«,systemisch-lösungs-
fokussierterEinstiegindieMedia-
tion,PerspektiveMediation2010/
2S.56ff.)lenktdieGedankender
MediandInnen–mühsamzwaraber
dochbeharrlich–indieerwünschte
Zukunft.Schön,dassKerntkediesen
VersuchmiteinerkleinenAufstel-
lungimRaumverbindet.
› EineVariantedervoninmedioent-
wickeltenKonfliktPerspektivAna
lyse(L.Wüstehube,Konflikt-Pers-
pektiv-Analyse(KPA),Perspektive
Mediation2004/1S.18ff.)führtdie
MediandInnenzueinemerstenVer-
stehenundzueinemBeginndes
Perspektivenwechsels.
› DasDoppeln(ChristophThomann,
Klärungshilfe1,2003S.128ff.)der
emotionalenLagedesProjektleiters
führtimmerhinzueinembegrenzten
VerstehenderVertreterindesBau-
herrn.Ichhättemir–auchumdes
Gleichgewichtswillen–auchein
emotionalisierendesDoppelnderJu-
ristingewünscht,umauchbeidem
ProjektleiterdasVerstehender
anderenSeitezufördern.
BewundernswertistdieBeharrlich-
keitdesMediatorsbeiseinerUnter-
stützungderKonfliktparteien,umih-
neneinzufriedenstellendesErgebnis
derMediationzuermöglichen.Dazu
nimmtKerntkeeinesehrgründliche
AbgrenzungvonpersönlichenAusein-
andersetzungenderMediandInnen
unddendifferenziertenInteressen
derbeteiligtenFirmenvor.
DieVisualisierungistgutüberlegt,so
dassdiewichtigstenPunkteauchspä-
ternochzurVerfügungstehen.
SehrimposantwirktderSchlussteil
derDVDineinemTrailermitzahlrei-
chenImpressionenvonderSummer
School,vonderEröffnungundvonSe-
minareinheiten,vonEssenundTrin-
ken,WandernundFeiernundvonder
reizvollenUmgebungderSteiermark.
Fazit: EinBeitrag,dersowohlästhe-
tischwieinhaltlich-fachlichüberzeugt
undfürangehendeMediatorInnen,
MediationsausbilderInnenundFüh-
rungskräfteinOrganisationenberei-
cherndundanregendist.Ichhoffe,ich
habeLustdaraufgemacht,sichdiese
Aufnahmeanzuschauen.
An
zeig
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62 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
*KurtSüdmersenAusbilderBM®
*E-Mail:[email protected]
Kontakt
Bücher & mehr
Ingrid Holler: Mit dir zu reden ist sinnlos! ... Oder? – Konflikte klären durch Mediation mit Schwerpunkt GFK Paderborn 2010, 229 S. ISBN 13: 978-3-87387-729-0 29,90 €
EsistanderZeit,unsendgül-
tigvonderIllusionzuverab-
schieden,dasssichderStärkere
durchsetzenkannunddennochsinn-
volleProblemlösungenentstehen.
Nichtder,dersichmitMachtüberan-
derekonkurrierenddurchsetzt,wird
dieZukunftgewinnen,sondernder,
derseineStärkenundvorallemseine
Schwächenkennt,derjenige,dersich
somitanderenverbindenkann,dass
dasWirgewinnt,gemeinsameZiele
entwickeltwerdenunddurchKoope-
rationsgewinneProblemlösungenauf-
tauchen,dieeinenMehrwertfüral-
leBeteiligtenbringen.IngridHoller
istmitihremBucheinwichtigerBei-
tragzuunseremAnliegen,effektivund
gewaltminderndinKonflikteneinzu-
greifen,gelungen.
DasBuch»Mitdirzuredenistsinn-
los!...Oder?«bietetunseinengutauf-
ichvermute,oh-
nedieseErfah-
rungenwäredasBuch
garnichtentstanden,
jedochhätteesmir
beimLesengehol-
fen,sieexplizitzu
erkennen.
Weretwasüber
dieStruktur,den
Aufbauunddie
Wirkweisevon
Mediationund
GewaltfreierKom-
munikationler-
nenmöchteunddabei
gleichzeitigaufdietiefen
ErfahrungeneinerAusbil-
derinundpraktizierenden
Mediatorin,dieihren
WerthintergrundklarinderGewalt-
freienKommunikationverankerthat,
zurückgreifenmöchte,demseidieses
Buch,dasauchalsNachschlagewerk
zuverwendenist,wärmstensempfoh-
len.FürMenschen,dieaucheinan-
deresMediumzumLernenschätzen,
liegtdemBucheineDVDbei,aufder
IngridHollereineMediationvomBe-
ginnbiszumEndedurchführtundda-
mitdieeinzelnenPhasenundSchritte
komplementärzumBuchsehran-
schaulichdarstellt.
Mit dir zu reden ist sinnlos! ... Oder? Ingrid Holler
Kurt Südmersen
geräumtenWerkzeugkoffer,ausdem
sichjedeundjedernutzbringendbe-
dienenkann,die/dersichanderwich-
tigenAufgabederWeiterentwicklung
unsererGesellschaftbeteiligenmöch-
te.DerUmfangunddieklareStruk-
turdesBucheszeugenvondemerfah-
rungsgesättigtenWissen,dashiersehr
klarverständlichzuPapiergebracht
wurde.DieAutorinarbeitetseitvielen
JahrenalsAusbilderinBMundistei-
nePionierinderGewaltfreienKommu-
nikationinDeutschland.Somitistsie
gleichermaßeninderTheorieundPra-
xisderMediationwieauchderGFKzu
Hause.DurchdieSuchenachAntwor-
tenaufdieFragenderMenschen,die
sieausgebildethat,unddurchihreei-
genePraxisalsMediatorinaufderBa-
sisderGewaltfreienKommunikation
nachMarshallRosenberg,isteinum-
fassendesGrundlagenwerkentstan-
den,indemeindrucksvolldieWert-
haltungunddieMethodendeutlich
werden,diewirbrauchen,uminKon-
fliktenalsunterstützendedrittePartei
auftretenzukönnen.
AlsichdasBuchzurSeitegelegtha-
beundseinerWirkungundFüllenoch
einwenignachsann,fehltemirdoch
nochetwas:Ichhättemirandereinen
oderanderenStelledenHinweisge-
wünscht,dassdieWerteundZiele,die
wirinderMediationundinderGe-
waltfreienKommunikationerreichen
bzw.verwirklichenwollen,einPro-
zesssind,dernachobenoffenist.Und
dieserProzesshatdasPotenzial,dass
wirinihmscheitern.DieFreundlich-
keitderMediatorInnenihreneigenen
Fehlerngegenüber,dieunterdieHaut
gehendenErfahrungeninderMedia-
tion,dieAkzeptanzdesScheiterns,die
ersteinLernenausunseren»schwie-
rigen«Erfahrungenermöglicht,schei-
nenzwarinvielenKapitelndurchund
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Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation 63
Joachim Bauer: Schmerzgrenze – Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt, Blessing Verlag 2011, 202 S. ISBN 978/3/89667/437/1, 18,95 €
AnliegendesNeurobiologen
undArztesJoachimBauerist
es,denMythosdesvermeint-
lichenangeborenenAggressions-
triebesmitdermodernenHirnfor-
schungzuwiderlegenundzuerklären,
nachwelchenRegelnsichzwischen-
menschlicheAggressionentwickelt.
Bauerlegt,ergänztdurchAbbildun-
gen,überzeugenddar,dassesnicht
dieAggressionssystemesind,dieden
Menschenantreiben,sonderndieMo-
tivationssysteme.AusderenSichtist
wederunprovozierteAggressionnoch
Gewalt»lohnend«.IhreGlücksboten-
stoffesendendieMotivationssysteme
nuraus,wennderMenschVertrauen
undsozialeAkzeptanzerlebt.
MancheliebgewordeneÜberzeugung
scheine,soBauer,inzwischennicht
mehrhaltbarzusein,darunterdieAn-
nahme,dieAggression(vonlat.aggre-
di–aufetwaszugehen)seieinTeildes
motiviertenZugehensaufdieWelt.Evo-
lutionärgesehen,dienedasVerhaltens-
programmderAggressionderNot-
wendigkeit,körperlichenSchmerz
abzuwehrenundlebenswichtigeRes-
sourcenzuverteidigen.Beisozialleben-
denLebewesenwiedenMenschenzähl-
tenauchZugehörigkeitundAkzeptanz
zudenlebenswichtigenRessourcen.
DemütigungenundAusgrenzungen,
aberauchArmutwerdenvommensch-
lichenGehirnwiekörperlicherSchmerz
erlebt.DaherführtenbeimMenschen
nichtnurkörperlicheSchmerzenzuAg-
gression,sondernalleErfahrungen,die
ausSichtdesBetroffeneneinersozialen
AusgrenzungoderDemütigunggleich
kommen.WenngeeigneteAggressions-
auslöserangedrohtodertatsächlichzu-
gefügtwerden,kommeesimGehirnzu
einerAktivierungderAngst-sowieder
Ekelzentren,diedannzusätzlichauch
dasStress-undErregungszentrumalar-
mierten(S.54).
DasmenschlicheGehirnbesitzeaußer-
demeinenbiologischverankertenFair-
ness-Messfühler.WogegenFairness-
undGerechtigkeitsgeboteverstoßen
werde,entstehederWunschnachBe-
strafung.DieserMechanismuslässt
sichallerdingsmanipulativeinsetzen:
Anderesystematischzude-humanisie-
renseieinerfolgreichesMittel,umAg-
gressionanzufachenundMenschen
kriegsbereitzumachen.
KommeesimGehirnzueinerAktivie-
rungaggressiverEnergie(»bottom-
updrive«),sowerdediesedurcheinim
StirnhirnsitzendesmoralischesKontroll-
zentrum,welchesdieSichtweisederan-
derenmitinsSpielbringe,gedämpft
(»top-downcontrol«).DerMenschsei
dadurchmitdereinzigartigenFähigkeit
ausgestattet,abzuwägen,obdievor-
handeneaggressiveEnergieineinem
angemessenenVerhältniszumScha-
densteht,denandereerleidenkönnten.
DiemäßigendeWirkungdesimpräfron-
talenCortexsitzendenKontrollzen-
trumsseiallerdingsnursolangeaktiv,
wieeinIndividuumübereineaggres-
siveReaktionnochnachdenke.Wenn
dieEntscheidunggefallenseiundei-
nePersontatsächlichaggressivhandle,
gehedieFähigkeitzurMäßigungverlo-
ren.Wichtigsei,dassdasKontrollzen-
trumindenKindheitsjahrendurchden
ProzessderErziehung»trainiert«werde.
Kinderbrauchen,soBauer,einekonse-
quenteUnterweisungindenRegelndes
sozialenZusammenlebens,damitder
präfrontaleCortexreifenkönne.
»Schmerzgrenze«machtdeutlich,wie
wichtigderersteSchrittist:DasAnge-
botzurKooperationmusserfolgen,be-
voreszurEskalationkommt,inderbe-
gründetenErwartung,dassgezeigte
KooperationmitKooperationbeant-
wortetwird(soferndasGegenüber
nichtpsychischzusehrgestörtist).
Füralle,dieinKonfliktbearbeitungtä-
tigsind,ist»Schmerzgrenze«einwich-
tigesBuch.Esbelegtanhandneurobio-
logischerForschungsergebnisse,dass
undwieMediationundkooperatives
Verhandelnwirken.DasBuchistein
AppellanunsMediatorInnen,aufun-
seremWegweiterzugehen,nichtweil
wiretwa»Gutmenschen«sind,sondern
inderErkenntnis,dassMediationund
kooperativesVerhandelnwirksamsind,
wennwirzuBeginneinerAuseinander-
setzungdemandereninAugenhöhe
undRespektbegegnen.
Schmerzgrenze Joachim Bauer
*IrmgardGöttler-RossetMediatorin(BAFM/BM/SDM),CP-Anwäl-tinimNetzwerkSüdbaden,Supervisorin
*E-Mail:[email protected]
Kontakt
Irmgard Göttler-Rosset
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64 Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
Annette Pestalozzi-Bridel: Worte sind Silber – was ist Gold? Heilsame Geschichten entwickeln in Körper, Bild und Sprache, Klett-Cotta, 266 S. ISBN: 978-3608946642, 32,95 €
WennWorteSilbersind,was
istdannGold?DieZüricher
PsychotherapeutinAnnette
Pestalozzi-BridelgibtinihremBucheine
klareAntwort,diesietheoretischfun-
diertundmitzahlreichenPraxisbeispie-
lenuntermauert.EsgehtumdasErzäh-
lenundUmgestaltenvonGeschichten
inderPsychotherapie,d.h.imbegleite-
tenProzessderProblem-undKonflikt-
lösungunddamitderPersönlichkeits-
entwicklung.Wererwartet–wiemir
dasalsbegeisterteGeschichtensamm-
lerinund-erzähleringeschah–,indie-
semBuch»heilsameGeschichten«zu
entdeckenundHinweisezubekommen,
wannundwiemandieseimBeratungs-
prozesseinsetzt,wirdenttäuschtwer-
den.DieEnttäuschungallerdingslöst
sichbeimLesenschnellauf.Tatsächlich
gehtesumdieArbeitmitundandenin
derRegelproblemfokussiertenKonflikt-
geschichtenderKlienten.Undesgeht
umdieressourcenorientierteUmgestal-
tunginheilsameGeschichten,diehel-
fen,dieeigenenErfahrungenausneu-
enPerspektivenzubetrachtenundals
lichenSystemunddemanSprache
gekoppeltenVerstand.
InsbesondereinStresssituationenverfal-
lenwirinnichtseltenmaladaptive,alte
Verhaltensmuster,dieimsubkortikalen
vorsprachlichenGedächtnis(implizites,
emotionalesErfahrungswissendeslim-
bischenSystems)gespeichertsindund
dort(vorbewusst)ausgelöstwerden.
UmdauerhafteVeränderungzubewir-
ken,müssenauchdiekörperlichen,emp-
findungs-undgefühlsmäßigenKernbe-
wusstseinsformenangesprochenund
neukodiertwerden.AndieseEbeneaber
gelangtmanüberdenKörper,sowie
überBilderundSymbolealsMittlerzwi-
schenunbewusstemKörperraumund
sprachbewusstemVerstand.
ImzweitenTeildesBucheskonkretisiert
dieAutorindenmehrdimensionalenund
multiperspektivischenUmgangmitGe-
schichtenmethodischundpraktischan-
handausführlicherFallbeispiele.Dabei
gehtsieinsbesondereaufvisuelleund
körpersprachlicheMethodenundTech-
nikenzurArbeitmitGeschichtenein:Das
Malen,Modellieren,AufstellenundIns-
zenierenvonsymbolischenBildern.Sie
beschreibtausführlich,wiemanbeider
BildinterpretationmitdenKlientenvor-
geht,wieGenogramme,sozialeAtome,
Lebensflussmodelleu.v.m.gestelltwer-
denkönnen,wiemitAchtsamkeits-und
WahrnehmungsübungenderZugang
zumeigenenKörpergedächtnisgeschult,
undwiedieseEbenemittelsKörperskulp-
turenundpsychodramatischenMetho-
denalsRessourcegenutztwerdenkann.
Worte sind Silber – was ist Gold? Annette PestalozziBridel
Hanna Milling
KraftquellefürpositiveVeränderungen
zunutzen.WortesindfürdiesenProzess
unerlässlichunddas»Silber«.UmVer-
haltens-undHaltungsänderungenzu
erreichen,sodieAutorin,brauchtesje-
dochmehralsdieverbaleSprache.Wir
müssendenGeschichtenauchaufder
EbenederBild-undSymbolspracheso-
wiederKörpersprachebegegnen.Das
GoldindiesemProzessistsomit»das
multicodierteErforschenvonaltenund
EntwickelnvonneuenGeschichtenin
Körper,BildundSprache«sowie»dieEr-
fahrungdesneuEntdecktenundEntwi-
ckelnameigenenLeib«.MitGeschichten
wirdüberSymbole,BilderundKörper
derZugangzuihrenunbewussten,im-
plizitenInhaltengefunden.DennIn-
haltevonGeschichtensindaufverschie-
denen,miteinanderinWechselwirkung
stehendenEbenengespeichert.Grund-
lageeinesjedenVeränderungsprozesses
isteinemultiperspektivischeundmul-
tidimensionaleBearbeitungderGe-
schichtenindenmiteinandervernetz-
tenGestaltungs-undAusdrucksräumen:
imKörper-,Bild-,undSprachraum.
ImerstenTeilsinddietheoretischen
Grundlagendargestellt.Dieaktuellen
psychologischenundneurobiologischen
ErkenntnissezeigendieBedeutungund
WechselwirkungderdreiEbenenfürun-
serWahrnehmenundHandeln.Dabei
unterscheidetdieAutorin:
› dieneokortikaleVerstandesebene,
alsodiesprachlicheFormvonBe-
wusstsein,und
› diesubkortikale,prä-undnonverbale
FormdesErkennensdesKörperselbst,
welchesbewusstseinsfähigabernicht
anSprachesondernankörperliche
Anzeichengekoppeltist.
› Gewissermaßenzwischendiesenbei-
denEbenenliegtdiebildhafteEbene
desSymbolischenalsBindegliedzwi-
schendemsubsymbolischenkörper-
*Dr.HannaMillingMediatorinBM®,Trainerin,Dozentin
*E-Mail:[email protected]
Kontakt
Ankündigung
Ludwigsburg als lohnendes ZielAm16.und17.11.2012wirdinLud-
wigsburgdererstegemeinsameMe-
diationskongressderdreigroßenMe-
diationsverbändeBAFM,BMund
BMWAstattfinden.DiesedreiVerbände
deckeneinweitesSpektrumderMedia-
tionstätigkeitab.Ausgangspunktdes
KongresseswardieÜberzeugungvon
vielenMietgliedernderVerbände,dass
dieZeitreifsei,umfürdiedeutsche
Mediationslandschafteinegemein-
samePlattformderBegegnungunddes
Kennenlernenszubieten.DerKongress
solldieprofilierteTraditionderein-
zelnenVerbändepräsentierenunddie
großengemeinsamenSchnittmengen
herausstellen.NamhafteReferentInnen
habenschonihreTeilnahmezugesagt
undwerdeneinumfassendesPanora-
maderdeutschenundinternationalen
Mediationpräsentieren.
DiewichtigenFelderderMediation:
Familie,GesellschaftundWirtschaft
werdenbeleuchtetundneuerfah-
ren.UmdieseBegegnungzuermög-
lichensindVertreterallerMediations-
richtungenundTeilnehmendeaus
Wirtschaft,Wissenschaft,Verbänden,
Vereinen,Institutionen,Kirchen,Ge-
werkschaften,Hochschulenundsozia-
lenEinrichtungenherzlicheingeladen.
ExzellenteReferentInnenzeigenauf
demKongresswievielseitigunderfolg-
reichMediationeingesetztwerdenkann.
DerOberbürgermeisterderStadtLud-
wigsburg,WernerSpec,übernimmtdie
Schirmherrschaft.DieBundesministerin
derJustizistfüreinenEinführungsvor-
tragangefragt.
Frühbucherrabatt nutzen DerKongresssollfüralleInteressierte,
unabhängigvomEinkommen,bezahl-
barsein.Wersofortbucht,erhältei-
Mediation gemeinsam gestaltenBAFM, BM und BMWA laden ein
Siegfried Rapp
nenattraktivenFrühbucherrabatt.Das
Organisationsteamhatauchschon
HotelsinallenPreiskategorienreser-
viert.VonderJugendherbergebiszum
5-Sterne-Hotelistallesdabei.Recht-
zeitigreservierenistempfehlenswert.
EsbestehtauchdieMöglichkeitei-
neSolidaritätsbuchungzuleisten.Der
Mehrbetragkommtz.B.einemStudie-
rendenzuGute.
Internationale GästeWirerwartenaufdemKongressGäste
ausÖsterreich,derSchweiz,Spanien,
Slowenien,Polen,Tschechienundan-
dereneuropäischenundaußereuropä-
ischenLändern.AuchMiKKwirdseine
wichtigeArbeitaufdemKongressprä-
sentieren.Hierdurchkönneninterna-
tionaleErfahrungenausgetauschtund
neueKontaktegeknüpftwerden.
Ludwigsburg macht mit UmeineechteBegegnungderKongress-
gästemitLudwigsburgzuermöglichen,
wirdesgemeinsameVeranstaltungen
geben.DieHochschulenderStadt,Ver-
eine,VertreterausWirtschaftundKultur
sowiedieStadtverwaltungunterstützen
aktivdenKongress.
Kultur und KongressfestFüreineStadtmitbarockerTradition
istesselbstverständlich,dasseinsobe-
deutenderKongressaucheinenkultu-
rellenundästhetischenGenussbieten
muss.GeplantisteinattraktivesRah-
menprogrammunddasKongressfest
amFreitagabend.
OrganisationFürdieDurchführungdesKongresses
habendiedreiVerbändeeineUnterneh-
mergesellschaft(UG)gegründet.Als
GeschäftsführerwurdeSiegfriedRapp
benannt,derUnterstützungdurch
denUG-Beiraterhält:DetlevBerning
(BM),MartinaWurl(BMWA),Micha-
elPieper(BAFM)undeinfünfköpfiges
Organisationsteamsundzahlreichen
Projektleiternerhält.Fürdieoptimale
KommunikationwurdeeinKongressbü-
roeingerichtet.
Wirfreuenunsaufeinengroßartigen
KongressundeinenMeilensteinin
derdeutschenMediationsgeschich-
te.DieTürenstehenweitoffenfür
MediatorInnenjedwederProvenienz.
KommenSie,bereichernSieunsund
lassenSiesichbereichern.
MitherzlichenGrüßen
IhrSiegfriedRapp,
UG-Geschäftsführer
Infos in Kurzform:
*Kongressbüro:
InfosundAnmeldungen
Marktplatz2,71634Ludwigsburg
Tel:07141/6887992
Fax:07141/6887997
Öffnungszeiten:8.00-18.00Uhr
*Homepage:
www.mediationskongress2012.de
DieHomepagewirdlaufendaktu-
alisiert,undMediatorInnensollten
sieabsofortzudenFavoritenhin-
zufügen!
*EMail:
*Kongressort:
Ludwigsburg–barockundmodern,
www.ludwigsburg.de
*Das Kongresszentrum:
ForumamSchlosspark,
www.forum.ludwigsburg.de
65Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
66
Impressum
Spektrum der Mediation 44/2011 Fachzeitschrift des Bundesverbandes Mediation
Redaktionsadresse: BM-GeschäftsstelleKassel,Kirchweg80,34119Kassel,fon05617396413,fax05617396412,[email protected],www.bmev.de
Druck: GrafischeWerkstattvon1980GmbH,Yorkstr.48,34123Kassel
Auflage: 2.200Exemplare
Erscheinungsweise: viermaljährlich
Themen des Jahres 2012:*Nr.45»Mediation und angrenzende Verfahren«*Nr.46»Mediation und Coaching« inKooperationmitdemDCV.*Nr.47»Mediation in Organisationen und Wirtschaft «*Nr.48»Mediation als Profession«
FürAnzeigenschaltungenfordernSiebitteunsereMediadatenperE-Mailbeierwin.ruhnau@bmev.deanoderalsdownloadüberwww.bmev.de.Ab Januar 2012 gelten neue Anzeigenpreise.
DerBezugderFachzeitschriftistimMitgliedsbeitrag(auchbeiFördermit-gliedschaft)desBMeingeschlossen.
DieindenArtikelnvertretenenAn-sichtensindnichtbindendeAnsichtenderRedaktion.SpektrumderMedia-tionbringtBeiträgeausallenSpiel-artenvonMediation–gerneauchvonAutorInnen,dienichtBM-Mitgliedersind.WirfreuenunsüberArtikel,Be-richte,Meldungen,kurzeNeuigkeiten,ErgänzungenundVorschläge.BitteauchanFotos,Zeichnungen,Grafiken,Anschaulichesdenken!DieAusgabe45/2012behandeltdasThema»Mediation und angrenzende Verfahren«.DafürsuchenwirnochBeiträge.WirbittenumBeachtungderAutorInnenhinweise.Diesekönnenvonderwebsiteheruntergeladenwerden(www.bmev.de).BittenehmenSievordemSchreibenKontaktmitderRedaktionauf([email protected]).
Redaktionsschluss: 15.Februar2012ISSN 18696708
Spektrum der Mediation 44. Ausgabe/4. Quartal 2011
Herausgeber: BundesverbandMediatione.V.BM-GeschäftsstelleKasselKirchweg80,34119Kasselfon05617396413,[email protected],www.bmev.de
Redaktion und Lektorat:ChristineOschmann
Gestaltung:GrafikatelierKöhler,Eschwege
Bildnachweis: AlleBilderstellteLarsHofmannzurVerfügung.DasCopyrightderverwendetenFotografienliegtbeiLarsHofmann.VerwendungundWei-terverbreitungsindohneZustimmungdesFotografennichtgestattet.
Redaktionsbeirat: DieseAusgabehatErwinRuhnauberatendunterstützt.EristweiterhinfürdieAnzeigenzuständig.
ViSdP: SosanAzad
»Der Konflikt weiß alles besser!«WorldWork,QuantenphysikundMediation
Renate Bauer Mehren und Anja Köstler Mit einem Beitrag von Max Schupbach
Max Schupbach arbeitet mit seinem Ansatz des »World Work« in Spannungsgebieten auf der ganzen Welt sowie in Organisationen, Teams und Gruppen. Dieser Ansatz wurde auf der Grundlage der Prozessarbeit Arnold Mindells entwickelt.World Work ermöglicht nicht nur ein ganzheitliches Verständnis von Konflikten, sondern eröffnet Handlungsmöglichkeiten, die in der Mediation bisher nicht verfügbar waren. Der Band führt in die konzeptionellen Grundlagen von World Work ein und beschreibt auf dieser Basis neue Zugänge in der Mediation. Neben Falldarstellungen und Übungsanlei-tungen werden Arbeitsweisen und Konzeptionen von World Work und Media tion in ihren Unterschieden, ihren Gemeinsamkeiten und Ergänzungen dargestellt.
Aus dem Inhalt: *Was ist World Work? *Die Grundannahmen von World Work*World Work in der mediatorischen Praxis *Facilitation und Mediation*Interview mit Max Schupbach
Paperback 192 Seiten, 22,80 €, ISBN 978-3-940112-27-9
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Zubeziehenüberwww.concadoraverlag.dezumPreisvon22,80€.