bakteriämie mit pasteurella multocida bei infizierter ... · pdf filebakteriämie mit...

1
Bakteriämie mit Pasteurella multocida bei infizierter Stauungsdermatose Sabine Albert-Braun 1 , Joachim Diegmann 1 , Panagiotis Diaremes 2 , Kerstin Riemann 2 , Rainer Engemann 2 , Friedrich Venema 1 1 Zentrallabor und 2 Chirurgische Klinik I, Klinikum Aschaffenburg, Am Hasenkopf 1, D-63739 Aschaffenburg E-mail: [email protected] Fallbericht Ein 77-jähriger Patient wurde am 27.08.08 vom Notarzt wegen einer starken Rötung des linken Beines, 40 o C Fieber und Verdacht auf Pneumonie in die Klinik eingewiesen. Zuvor war der Patient zu Hause kollabiert. Als Vorerkrankungen waren Rechtsherzinsuffizienz mit Vorhofflimmern, KHK, benigne Hypertonie, Adipositas sowie Stauungsdermatose mit ausgeprägten Unterschenkelödemen beidseits bekannt. Bei der stationären Aufnahme waren an beiden Unterschenkeln manschettenartige Hautveränderungen sichtbar, wobei der linke Unterschenkel mit einer Rötung und Überwärmung bis oberhalb des Knies auffiel. Die Temperatur betrug bei Aufnahme 38.8 o C, der Blutdruck lag bei 190/93 mmHG, die Herzfrequenz bei 77/min. Folgende klinisch-chemische Laborbefunde waren auffällig: CRP 46 mg/l, Leukozyten 12840/µl, CK 998 U/l, HBDH 274 U/l. Diagnostik, Therapie und Verlauf Als Ursache der akut fieberhaft aufgetretenen Erkrankung wurde ein Erysipel vermutet, weswegen der Patient zunächst hochdosiert mit Penicillin G (3 x 10 Mega) behandelt wurde. Vor Beginn der Antibiotikatherapie war dem Patienten ein Blutkulturpaar (aerob und anaerob) entnommen worden. Aufgrund der am Aufnahmetag durchgeführten Röntgenthoraxaufnahme im Liegen wurde auch ein pneumonisches Infiltrat in Betracht gezogen, welches jedoch im zwei Tage später durchgeführten Thorax-CT mit Kontrastmittel nicht bestätigt werden konnte; hier bestanden lediglich diskrete Pleuraergüsse beidseits. Nach eintägiger Bebrütung im Blutkulturautomaten (Bactec 9240, Fa. Becton Dickinson) zeigte sich Keimwachstum mit gramnegativen kokkoiden Stäbchen, die mikroskopisch auch teilweise als gramnegative Diplokokken imponierten. Am nächsten Tag gelang die Anzucht eines gramnegativen Oxidase- und Katalase-positiven Keimes auf 5%igem Schafblut- und Schokoladenagar, - nicht jedoch auf MacConkey-Agar-, der mit einem Indol-artigen Geruch auffiel, was bereits jetzt den Verdacht auf das Vorliegen einer Pasteurella spp. lenkte. Aufgrund der Tatsache, dass es sich um einen aus der Blutkultur gezüchteten gramnegativen Keim handelte wurde aber sicherheitshalber empfohlen, die Antibiotikatherapie auf Cefotaxim 3 x 2 g umzustellen, da das CRP am 29.07.08 inzwischen auf 233 mg/l angestiegen war (s. Tab. 1). Die endgültige Identifizierung dieses Bakterienstammes (mittels Vitec 2 compact, Fa. BioMerieux) ergab am 30.07.08 Pasteurella multocida, welche sowohl Pencillin G als auch Cefotaxim empfindlich, jedoch Doxycyclin resistent war (s. Tab.2). Auf Nachfrage konnte keinerlei Kontakt mit lebenden Tieren ermittelt werden. Der Patient gab lediglich an, sich regelmässig - als Anhänger der Hildegard-Medizin - ein gegerbtes Dachsfell auf den Bauch zu legen, um damit gelegentlich auftretende Bauchschmerzen zu beseitigen. Auch die Frage, ob sich denn vielleicht eine Nachbarskatze auf das Fell gelegt haben könnte, wurde verneint. Weiterhin gab der Patient an, sich häufig Eisenkraut-Umschläge (ebenfalls Bestandteil der Hildegard-Medizin) auf die Unterschenkel zu legen. Die daraufhin durchgeführten mikrobiologischen Untersuchungen ergaben Acinetobacter spp. und Bacillus spp. beim Dachsfell bzw. Enterobacter spp. und Enterococcus faecalis beim Eisenkraut. Der klinische Zustand des Patienten besserte sich rasch, bereits am zweiten stationären Tag war er fieberfrei. In den folgenden Tagen waren die Leukozyten rückläufig, während das CRP zunächst noch anstieg, um dann langsam abzusinken (s. Tab.1). Antistreptolysin und Antistaphylolysin waren negativ. Wegen der ausgeprägten Unterschenkel-Ödeme wurde die Diuretikadosierung erhöht. Die i.v Antibiotika-Therapie wurde insgesamt 12 Tage durchgeführt. Mit rückläufigem Lokalbefund (s. Abb. 1) und rückläufigen Entzündungszeichen wurde der Patient am 08.08.08 aus der stationären Behandlung mit der Empfehlung entlassen, eine orale Therapie mit Ampicillin/Sulbactam für eine weitere Woche fortzuführen. Einleitung Pasteurella multocida ist ein kleines kokkoides gramnegatives Stäbchen, welches als Kommensale bei vielen Wild-, Haus- und Nutztierarten im oberen Respirationstrakt sowie im Verdauungstrakt vorkommt [1]. Menschliche Infektionen entstehen typischerweise durch Biss- oder Kratzwunden von Katzen und Hunden [2,3]. Weiterhin können Infektionen durch häufigen, nicht-traumatischen Tierkontakt oder aerogen entstehen. Schwere systemische Krankheitsbilder wie z. B. Pneumonie, Septikämie, Meningitis, Abszesse etc. sind in der Literatur beschrieben, kommen insgesamt aber selten vor [1,35]. Wir berichten im folgenden von einem Bakteriämie-Fall mit P. multocida ohne bekannten direkten Tierkontakt. Tab. 1: Klinischer Verlauf und Laborbefunde bei einem 77-jährigen Patienten mit Bakteriämie durch Pasteurella multocida Datum Infekt- Parameter, Klinik 27.07.08 28.07. 29.07. 30.07. 31.07. 02.08. 05.08. 08.08.08 CRP mg/l 46 216 234 73 41 18 13 Leuko- zyten/μl 12840 11140 8210 5820 7030 6060 8030 Fieber o C 38.8 - - - - - - - Klinik Akuter fieberhafter Infekt mit Kollaps; V.a. Pneumonie u. Erysipel li. Bein Besserung ĺ ĺ ĺ ĺ ĺ Lokal- befund rückläufig: Entlassung Blutkultur (BK) 1x BK-Paar vor Antibiotika- Therapie entnommen Gram- färbung aus BK- Flasche: gramneg. kokkoide Stäbchen Gramneg. Stäbchen: Wachstum auf Blut- u. Schokola- den-Agar Identifizie- rung (Vitec 2 compact): Pasteurella multocida Antibiotika Pen G 3 x 10 Mega ĺ Cefotaxim 3 x 2 g ĺ ĺ ĺ ĺ Empfehlung: Ampicillin/ Sulbactam oral für 1 Woche Literatur Weber DJ, Wolfson JS, Swartz, MN, Hooper, DC. 1. Pasteurella multocida Infections. Medicine (Baltimore) 1984 May; 63 (3): 133-54. Francis D, Hohnes M, Branden G. 2. Pasteurella multocida infections after domestic animal bites and scratches. JAMA 1975; 233: 42-5. Escande F, Lion C. Epidemiology of human infections 3. by Pasteurella and related groups in France. Zentralbl. Bakteriol. 1993; 279 (1); 131-9. Brogden KA, Rhoades KR. Prevalence of serologic 4. types of Pasteurella multocida from 57 species of birds and mammals in the United States. J Wildl Dis 1983 Oct; 19 (4): 315-20. Owen CR, Buker EO, Be JF, Jellison WJ. 5. Pasteurella multocida in animal mouths. Rocky Mt Med J 1968; 65: 45. Smith JE. Studies on 6. Pasteurella septica II. Some cultural and biochemical properties ofstrains from different host species. J Comp Pathol Ther 1958; 68: 315. Bailie WE, Stowe EC, Schmitz AM. Aerobic bacerial 7. flora of oral and nasal fluids of canines with reference to bacteria associated with bites. J Clin Microbiol. 1978; 7: 223. Saphir DA, Carter GR. Gingival flora of the dog with 8. special reference to bacteria associated with bites. J Clin Microbiol 1976; 3: 344. Kimura R, Hayashi, Y, Takeuchi T, Shimizu M, Iwata 9. M, Tanahashi J, Ito M. Pasteurella multocida septicemia caused by close contact with a domestic cat: case report and literature review. J Infect Chemother 2004 Aug; 10(4): 250-2. Polzhofer GK, Hassenpflug J, Petersen W. 10. Arthroscopic treatment of septic arthritis in a patient with posterior stabilized total knee arthroplasty. Arthroscopy 2004 Mar; 20(3): 311-3. Rebarber A, Wright J, Cynamon MH. 11. Pasteurella meningitis. Clin Microbiol Newsletter 1991; 13:11. Raffi F, Barrier J, Peltier P, Dabouis G, Derrienic M, 12. Grolleau JY, Courtieu AL. Les pleuro-pneumopathies `a Pasteurella multocida. Rev Mal resp 1986; 4: 207-12. Drabick JJ, Gasser jr RA, Saunders NB, Hadfield TL, 13. Rogers IC, Berg BW, Drabick CJ. Pasteurella multocida- pneumonia in a man with AIDS and nontraumatic feline exposure. Chest 1993; 103: 7-11. Pukenyte E, Nguyen S, Le Berre R, Faure K, Viget N, 14. Melliez H, Mira JP, Guery B, Yazdanpanah Y. Pneumonia witz septicemia caused by Pasteurella multocida in an immunocompetent patient. Med Mal Infect 2007 Jun; 37(6): 354-6. Charalampopoulos A, Apostolakis M, Tsiodra P. 15. Pasteurella multocida pneumonia in an eldery non- immunocompromised man with a leg ulcer and exposure to cats. Eur J Intern Med 2006 Aug, 17(5): 380. Kumar A, Devlin HR, Vellend H. 16. Pasteurella multocida meningitis in an adult: case report and review. Rev Infect Dis 1990 May-Jun; 12(3); 440-8. Green BT, Ramsey KM, Nolan PE. 17. Pasteurella multocida meningitis: case report and review of the last 11 y. Scand J Infect Dis 2002; 34(3): 213-7. Félix M, Tallón P, Salavert M, et al. Bacteremia due to 18. Pasteurella spp.: a rare process in our hospital over the last 8 years. Enferm Infecc Microbiol Clin. 2003; 21 (7): 334-9. Hombal SM, Dincsoy HP. 19. Pasteurella multocida endocarditis. Am J Clin Pathol 1992 Dec; 98 (6): 565-8. Raffi F, Barrier J, BaronD, Drugeon HB, Nicolas F, 20. Courtieu AL. Pasteurella multocida bacteremia: report of thirteen cases twelve years and review of the literature. Scand J Infect Dis 1987; 19 (4): 385-93. Myckan KA, Booth CM, Mocarski E. 21. Pasteurella multocida bacteremia and tuboovarian abscess. Obstet Gynecol 2004 Nov; 106: 1220-2. Schlichthaar H, Rohrer T, Schuster G, Lehnert H. Interstitial 22. pneumonia and sepsis due to a Pasteurella multocida infection. Dtsch Med Wochenschr 1995 Nov 17; 120(46): 1582-6. Casey AC, Grennspoon JS, Lagasse LD. 23. Pasteurella multocida Bacteremia in a Patient With Ovarian Cancer and Chemotherapy-Induced Neutropenia. Infectious Diseases in Obstetrics and Gynecology 1995; 3: 205-9. Tseng HK, Su SC, Liu CP, Lee CM. 24. Pasteurella multocida bacteremia due to non-bite animal exposure in cirrhotic patients: report of two cases. J Microbiol Immunol Infect 2001 Dec; 34(4): 293-6. Fernandez-Esperach G, Mascaro J, Rota R, Valerio L. 25. Septiccemia, peritonitis and empyema due to Pasteurella multocida in a cirrhotic patient. Clin infect Dis 1994; 18: 486. Tattevin P, Souala F, Gautier AL, Rauch M., Bouet J, Arvieux 26. C, Michelet C. Diabetes in patients with pasteurellosis. Scand J Infect Dis 2005; 37(10): 731-3. Guillet C, Join-Lambert O, Carbonelle E, Ferroni A, Vachée 27. A. Pasteurella multocida Sepsis and Meningitis in 2-Month-Old Twin Infants after Household Exposure to a Slaughtered Sheep. CID 2007;45:e80-1. Tab. 2: Antibiogramm von Pasteurella multocida, Isolat aus der Blutkultur eines 77-jährigen Patienten Antibiotikum Agardiffusionstest CLSI MHK mg/l Vitec 2 compact MHK mg/l E-Test Penicillin G sensibel 0.19 Ampicillin sensibel ≤ 2 Ampicillin/ Sulbactam sensibel 2 Piperacillin/ Tazobactam sensibel 4 Cefazolin sensibel 4 Cefuroxim sensibel 1 Cefotaxim sensibel 1 1 Ceftazidim 2 Imipenem sensibel 1 Meropenem 0.25 Gentamicin resistent 4 Tobramycin 1 Doxycyclin resistent Tetracyclin ≥ 16 Trimethoprim/ Sulfamethoxazol sensibel < 20 Levofloxacin 0.25 Moxfloxacin sensibel Ciprofloxacin sensibel 0.25 Diskussion 1880 entdeckte Pasteur das infektiöse Agenz für die Geflügel-Cholera, Pasteurella multocida und charakterisierte diesen Keim morphologisch und biochemisch [1]. Pasteurella multocida gehört zur normalen Oropharyngealflora bei vielen Haus- und Wildtieren [1] incl. Vogelarten [4]. Häufig wird P. multocida im Nasopharyngeal- Bereich bei Katzen (70-90%) [5,6] und Hunden (50-66%) [7,8] gefunden. Erkrankungen beim Menschen entstehen deshalb am häufigsten durch lokale Wund- Infektionen infolge Biß- oder Kratzwunden durch Katzen und Hunde, die sich oft als Zellulitis darstellen [1]. Mögliche Komplikationen solcher Wundinfektionen sind Abszesse, septische Arthritis und Osteomyelitis [1,9,10]. Respiratorische Infektionen wie Pneumonie, Pleuraempyeme und Lungenabszesse können durch die Inhalation von aerolisierten infektiösen Sekreten von Tieren entstehen; Voraussetzung für solche Infektionen ist jedoch meistens das Vorliegen von bronchopulmonalen Grunderkrankungen wie Bronchialkarzinom [11], Lungenemphysem [12], chronisch obstruktive Lungenerkrankung [1] oder Immunschwäche wie z. B. AIDS [13]; allerdings können auch Immunkompetente ohne pulmonale Vorerkrankungen betroffen sein [14,15]. Eine Infektion durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch ist bislang nicht bekannt. Systemische Pasteurellosen durch Bakteriämie und Sepsis sind insgesamt gesehen selten, werden jedoch vereinzelt beschrieben. Hierzu gehören u.a. Meningitis, Peritonitis, Otitis, Endokarditis, Abszesse [16-21] und Pneumonie durch hämatogene Aussaat nach Wundinfektion [22]. In den meisten Fällen lag hier ebenfalls invasiver oder nicht-traumatischer Tierkontakt vor. Derartige Fälle sind ebenfalls oft mit bestehenden Grunderkrankungen vergesellschaftet wie z.B. Malignom, Lebercirrhose, Alkoholismus [16, 23-26] oder Abwehrschwäche wie z.B. bei Neugeborenen und Säuglingen[27,28]. In vorgestellten Fall ist die vorgeschädigte Haut als die wahrscheinlichste Eintrittspforte anzusehen, welche eine Bakteriämie mit P. multocida zur Folge hatte. Somit kann dieser Fall den systemischen Pasteurellosen zugeordnet werden. Gegen das Vorliegen einer Pneumonie sprechen das Fehlen einer Tachy- oder Dyspnoe sowie das Ergebnis des Thorax-CT. Die gefundenen Pleuraergüsse sind am ehesten kardial bedingt. Die gemessene CK-Erhöhung könnte mit einer Gewebsdestruktion vereinbar sein, was wiederum für die Wundinfektion spricht. Es konnte retrospektiv kein Kontakt mit lebenden Tieren ermittelt werden. Die Rötung und Überwärmung des linken Beines bei bestehender Stauungsdermatose liess zunächst an ein Erysipel denken. Pasteurellen-bedingte Wundinfektionen und Erysipel bzw. Zellulitis kommen i.d.R nach invasivem Tierkontakt vor, nur selten bei nicht-traumatischem Tierkontakt. Der Patient besass kein Haustier und verneinte auch jeglichen Berührungs-Kontakt mit sonstigen lebenden Tieren. Das Dachsfell, mit welchem der Patient sich häufig den Bauch bedeckte, konnte ebenfalls nicht als Infektionsquelle identifiziert werden, zumal die Gerbungsprozesse ein Überleben von Pasteurellen unwahrscheinlich erscheinen lassen. Somit bleibt dieser Fall letztlich ungeklärt, d. h. er gehört zu den systemischen Pasteurellosen ohne Tierkontakt. Auch in der Literatur werden – wenn auch selten – systemische Pasteurella-Infektionen beim Menschen ohne Tierkontakt beschrieben [16,20,26,29,30]. Es gibt Hinweise, dass allein ländliche Umgebung und/oder Arbeiten im Garten bzw. Umgang mit Erde auch Prädispositionsfaktoren für das Aquirieren einer systemischen Pasteurellose sein könnten [29,20]. P. multocida bleibt lebensfähig in Wasser für 7 25 Tage, im Boden bzw. der Erde bis zu 21 Tagen; bei Sonnenlicht-Exposition für 10 Minuten werden die Keime jedoch abgetötet; in Geflügel-Kadavern kann P. multocida bis zu 60 Tagen überleben [31]. Ausserdem könnte theoretisch Milbenkontakt zu einer Pasteurellose führen [32]. Unser Patient kommt aus einem ländlichen Gebiet, ca. 10 km südöstlich von Aschaffenburg, allerdings ist er aufgrund seiner Stauungsdermatose mit Rechtsherzinsuffizienz eher nicht in der Lage, ausgiebig im Garten und mit Erde zu arbeiten. Die Therapie der Wahl bei Pasteurella-Infektionen ist Penicillin G sowie Penicillin-Derivate incl. ß-Lactamase-Hemmern, Zweit- und Dritt-Generations-Cephalosporine sowie Doxycylin; als nicht wirksam werden Erstgenerations-Cephalosporine, Aminoglykoside, Vancomycin und Clindamycin angesehen [1,33,34]. Unser Patient ist initial hochdosiert mit Penicillin G und anschliessend mit Cefotaxim behandelt worden, was zu einer raschen Besserung geführt hat. Auffällig war, dass unser Isolat nicht empfindlich auf Doxycyclin war, was zum Anlass genommen werden sollte, bei einer kalkulierten Antibiotika-Therapie ohne Austestung auf Doxycyclin zu verzichten. Zusammenfassung und Schlussfolgerung Pasteurella multocida ist ein kleines kokkoides gramnegatives Stäbchen, welches als Kommensale im oberen Respirationstrakt von vielen Wild-, Haus- und Nutztierarten vorkommt. Menschliche Infektionen entstehen typischerweise durch Biss- oder Kratzwunden von Katzen und Hunden, ferner durch häufigen direkten, nicht-traumatischen Kontakt mit Tieren oder aerogen. Wir berichten von einem 77-jährigen Patienten mit Stauungsdermatose bei Rechtsherzinsuffizienz, der mit Fieber und einer erysipelartigen Rötung und Überwärmung des linken Beines stationär eingewiesen wurde. Aus der Blutkultur wurde Pasteurella multocida isoliert, welche auf Doxycyclin resistent war. NachTherapie mit hochdosiertem Penicillin G bzw. Cefotaxim trat eine rasche Besserung ein. Als Eintrittspforte ist am ehesten die vorgeschädigte Haut anzusehen, welche eine Bakteriämie zur Folge hatte. Ein direkter oder indirekter Tierkontakt konnte anamnestisch nicht eruiert werden, sodass der vorliegende Fall zu den seltenen systemischen Pasteurellosen gehört, wo der ursächliche Zusammenhang ungeklärt ist. Doxycyclin sollte u.E. bei Pasteurella-Infektionen nur nach erwiesener Empfindlichkeit verabreicht werden. Spencker FB, Handrick W, Bührdel P, Braun W. Meningitis 28. eines Säuglings durch Pasteurella multocida. Infection 1979; 7(4): 183-6. Cortez JC, Shapiro M, Awe RJ. 29. Pasteurella multocida liver abszess. Am J Med Sci 1986; 292: 107-9. Glickman M, Klein RS. Acute epiglottitis due to 30. Pasteurella multocida in an adult without animal exposure. Emerg Infect Dis 1997 Jul-Sep; 3(3): 408-9. Olson LD, Bond RE. Survival of 31. Pasteurella multocida in soil, water, carcasses, and in the mouth of various birds and mammals. Proc US Lifestock Sunit Assoc 1968; 72: 24d. Petrov D. Study of Dermanyssus gallinae as a carrier of 32. Pasteurella multocida. Vet Med Nauki 1975; 12(5): 32-6. Stille W, Brodt HR, Groll AH, Just-Nübling G. Therapie 33. wichtiger Infektionen – Wahl des Antibiotikums. In: Stille W, Brodt HR, Groll AH, Just-Nübling G. (eds.). Antibiotika- Therapie. Klinik und Praxis der antiinfektiösen Behandlung. 11. Auflage: Schattauer Verlag Stuttgart - New York, 2005: 395. Klein NC, Cunha BA. 34. Pasteurella multocida pneumonia. Semin Respir Infect 1997; 12 (1): 54-6. Ansorg R. Die Gattung Pasteurella, Pasteurellosen. In: Köhler 35. W, Eggers HJ, Fleischer B, Marre R, Pfister H, Pulverer G (eds.). Medizinische Mikrobiologie. 8. Auflage: Urban & Fischer Verlag München Jena, 2001: 337-341. Abb.1: Erysipelartige Rötung der Unterschenkel eines 77-jäh- rigen Patienten mit Stauungsdermatose

Upload: hacong

Post on 06-Feb-2018

213 views

Category:

Documents


1 download

TRANSCRIPT

Page 1: Bakteriämie mit Pasteurella multocida bei infizierter ... · PDF fileBakteriämie mit Pasteurella multocida bei infizierter Stauungsdermatose Sabine Albert-Braun1, Joachim Diegmann1,

Bakteriämie mit Pasteurella multocida bei infizierter Stauungsdermatose

Sabine Albert-Braun1, Joachim Diegmann1, Panagiotis Diaremes2, Kerstin Riemann2, Rainer Engemann2, Friedrich Venema1

1 Zentrallabor und 2Chirurgische Klinik I, Klinikum Aschaffenburg, Am Hasenkopf 1, D-63739 Aschaffenburg E-mail: [email protected]

FallberichtEin 77-jähriger Patient wurde am 27.08.08 vom Notarzt wegen einer starken Rötung des linken Beines, 40oC Fieber und Verdacht auf Pneumonie in die Klinik eingewiesen. Zuvor war der Patient zu Hause kollabiert. Als Vorerkrankungen waren Rechtsherzinsuffizienz mit Vorhofflimmern, KHK, benigne Hypertonie, Adipositas sowie Stauungsdermatose mit ausgeprägten Unterschenkelödemen beidseits bekannt. Bei der stationären Aufnahme waren an beiden Unterschenkeln manschettenartige Hautveränderungen sichtbar, wobei der linke Unterschenkel mit einer Rötung und Überwärmung bis oberhalb des Knies auffiel.Die Temperatur betrug bei Aufnahme 38.8oC, der Blutdruck lag bei 190/93 mmHG, die Herzfrequenz bei 77/min. Folgende klinisch-chemische Laborbefunde waren auffällig: CRP 46 mg/l, Leukozyten 12840/µl, CK 998 U/l, HBDH 274 U/l.

Diagnostik, Therapie und Verlauf

Als Ursache der akut fieberhaft aufgetretenen Erkrankung wurde ein Erysipel vermutet, weswegen der Patient zunächst hochdosiert mit Penicillin G (3 x 10 Mega) behandelt wurde. Vor Beginn der Antibiotikatherapie war dem Patienten ein Blutkulturpaar (aerob und anaerob) entnommen worden. Aufgrund der am Aufnahmetag durchgeführten Röntgenthoraxaufnahme im Liegen wurde auch ein pneumonisches Infiltrat in Betracht gezogen, welches jedoch im zwei Tage später durchgeführten Thorax-CT mit Kontrastmittel nicht bestätigt werden konnte; hier bestanden lediglich diskrete Pleuraergüsse beidseits.Nach eintägiger Bebrütung im Blutkulturautomaten (Bactec 9240, Fa. Becton Dickinson) zeigte sich Keimwachstum mit gramnegativen kokkoiden Stäbchen, die mikroskopisch auch teilweise als gramnegative Diplokokken imponierten. Am nächsten Tag gelang die Anzucht eines gramnegativen Oxidase- und Katalase-positiven Keimes auf 5%igem Schafblut- und Schokoladenagar, - nicht jedoch auf MacConkey-Agar-, der mit einem Indol-artigen Geruch auffiel, was bereits jetzt den Verdacht auf das Vorliegen einer Pasteurella spp. lenkte.Aufgrund der Tatsache, dass es sich um einen aus der Blutkultur gezüchteten gramnegativen Keim handelte wurde aber sicherheitshalber empfohlen, die Antibiotikatherapie auf Cefotaxim 3 x 2 g umzustellen, da das CRP am 29.07.08 inzwischen auf 233 mg/l angestiegen war (s. Tab. 1). Die endgültige Identifizierung dieses Bakterienstammes (mittels Vitec 2 compact, Fa. BioMerieux) ergab am 30.07.08 Pasteurella multocida, welche sowohl Pencillin G als auch Cefotaxim empfindlich, jedoch Doxycyclin resistent war (s. Tab.2). Auf Nachfrage konnte keinerlei Kontakt mit lebenden Tieren ermittelt werden. Der Patient gab lediglich an, sich regelmässig - als Anhänger der �Hildegard-Medizin� - ein gegerbtes Dachsfell auf den Bauch zu legen, um damit gelegentlich auftretende Bauchschmerzen zu beseitigen. Auch die Frage, ob sich denn vielleicht eine Nachbarskatze auf das Fell gelegt haben könnte, wurde verneint. Weiterhin gab der Patient an, sich häufig Eisenkraut-Umschläge (ebenfalls Bestandteil der �Hildegard-Medizin�) auf die Unterschenkel zu legen. Die daraufhin durchgeführten mikrobiologischen Untersuchungen ergaben Acinetobacter spp. und Bacillus spp. beim Dachsfell bzw. Enterobacter spp. und Enterococcus faecalis beim Eisenkraut.Der klinische Zustand des Patienten besserte sich rasch, bereits am zweiten stationären Tag war er fieberfrei. In den folgenden Tagen waren die Leukozyten rückläufig, während das CRP zunächst noch anstieg, um dann langsam abzusinken (s. Tab.1). Antistreptolysin und Antistaphylolysin waren negativ. Wegen der ausgeprägten Unterschenkel-Ödeme wurde die Diuretikadosierung erhöht. Die i.v Antibiotika-Therapie wurde insgesamt 12 Tage durchgeführt. Mit rückläufigem Lokalbefund (s. Abb. 1) und rückläufigen Entzündungszeichen wurde der Patient am 08.08.08 aus der stationären Behandlung mit der Empfehlung entlassen, eine orale Therapie mit Ampicillin/Sulbactam für eine weitere Woche fortzuführen.

EinleitungPasteurella multocida ist ein kleines kokkoides gramnegatives Stäbchen, welches als Kommensale bei vielen Wild-, Haus- und Nutztierarten im oberen Respirationstrakt sowie im Verdauungstrakt vorkommt [1]. Menschliche Infektionen entstehen typischerweise durch Biss- oder Kratzwunden von Katzen und Hunden [2,3]. Weiterhin können Infektionen durch häufigen, nicht-traumatischen Tierkontakt oder aerogen entstehen. Schwere systemische Krankheitsbilder wie z. B. Pneumonie, Septikämie, Meningitis, Abszesse etc. sind in der Literatur beschrieben, kommen insgesamt aber selten vor [1,35]. Wir berichten im folgenden von einem Bakteriämie-Fall mit P. multocida ohne bekannten direkten Tierkontakt.

Tab. 1: Klinischer Verlauf und Laborbefunde bei einem 77-jährigen Patienten mit Bakteriämie durch Pasteurella multocida Datum

Infekt-Parameter,Klinik

27.07.08 28.07. 29.07. 30.07. 31.07. 02.08. 05.08. 08.08.08

CRP mg/l 46 216 234 73 41 18 13 Leuko-zyten/µl

12840 11140 8210 5820 7030 6060 8030

Fieber oC 38.8 - - - - - - - Klinik Akuter

fieberhafter Infekt mit Kollaps; V.a. Pneumonie u. Erysipel li. Bein

Besserung Lokal-befund rückläufig: Entlassung

Blutkultur (BK)

1x BK-Paar vor Antibiotika-Therapie entnommen

Gram- färbung aus BK-Flasche: gramneg. kokkoide Stäbchen

Gramneg. Stäbchen: Wachstum auf Blut- u. Schokola- den-Agar

Identifizie-rung (Vitec 2 compact): Pasteurella multocida

Antibiotika Pen G 3 x 10 Mega

Cefotaxim3 x 2 g

Empfehlung: Ampicillin/ Sulbactam oral für 1 Woche

LiteraturWeber DJ, Wolfson JS, Swartz, MN, Hooper, DC. 1.

Pasteurella multocida Infections. Medicine (Baltimore) 1984 May; 63 (3): 133-54.

Francis D, Hohnes M, Branden G. 2. Pasteurella multocida infections after domestic animal bites and scratches. JAMA 1975; 233: 42-5.

Escande F, Lion C. Epidemiology of human infections 3. by Pasteurella and related groups in France. Zentralbl. Bakteriol. 1993; 279 (1); 131-9.

Brogden KA, Rhoades KR. Prevalence of serologic 4. types of Pasteurella multocida from 57 species of birds and mammals in the United States. J Wildl Dis 1983 Oct; 19 (4): 315-20.

Owen CR, Buker EO, Be JF, Jellison WJ. 5. Pasteurella multocida in animal mouths. Rocky Mt Med J 1968; 65: 45.

Smith JE. Studies on 6. Pasteurella septica II. Some cultural and biochemical properties ofstrains from different host species. J Comp Pathol Ther 1958; 68: 315.

Bailie WE, Stowe EC, Schmitz AM. Aerobic bacerial 7.

flora of oral and nasal fluids ofcanines with reference to bacteria associated with bites. J Clin Microbiol. 1978; 7: 223.

Saphir DA, Carter GR. Gingival flora of the dog with 8. special reference to bacteria associated with bites. J Clin Microbiol 1976; 3: 344.

Kimura R, Hayashi, Y, Takeuchi T, Shimizu M, Iwata 9. M, Tanahashi J, Ito M. Pasteurella multocida septicemia caused by close contact with a domestic cat: case report and literature review. J Infect Chemother 2004 Aug; 10(4): 250-2.

Polzhofer GK, Hassenpflug J, Petersen W. 10. Arthroscopic treatment of septic arthritis in a patient with posterior stabilized total knee arthroplasty. Arthroscopy 2004 Mar; 20(3): 311-3.

Rebarber A, Wright J, Cynamon MH. 11. Pasteurella meningitis. Clin Microbiol Newsletter 1991; 13:11.

Raffi F, Barrier J, Peltier P, Dabouis G, Derrienic M, 12. Grolleau JY, Courtieu AL. Les pleuro-pneumopathies `a Pasteurella multocida. Rev Mal resp 1986; 4: 207-12.

Drabick JJ, Gasser jr RA, Saunders NB, Hadfield TL, 13. Rogers IC, Berg BW, Drabick CJ. Pasteurella multocida-pneumonia in a man with AIDS and nontraumatic feline

exposure. Chest 1993; 103: 7-11.Pukenyte E, Nguyen S, Le Berre R, Faure K, Viget N, 14.

Melliez H, Mira JP, Guery B, Yazdanpanah Y. Pneumonia witz septicemia caused by Pasteurella multocida in an immunocompetent patient. Med Mal Infect 2007 Jun; 37(6): 354-6.

Charalampopoulos A, Apostolakis M, Tsiodra P. 15. Pasteurella multocida pneumonia in an eldery non-immunocompromised man with a leg ulcer and exposure to cats. Eur J Intern Med 2006 Aug, 17(5): 380.

Kumar A, Devlin HR, Vellend H. 16. Pasteurella multocida meningitis in an adult: case report and review. Rev Infect Dis 1990 May-Jun; 12(3); 440-8.

Green BT, Ramsey KM, Nolan PE. 17. Pasteurella multocida meningitis: case report and review of the last 11 y. Scand J Infect Dis 2002; 34(3): 213-7.

Félix M, Tallón P, Salavert M, et al. Bacteremia due to 18. Pasteurella spp.: a rare process in our hospital over the last 8 years. Enferm Infecc Microbiol Clin. 2003; 21 (7): 334-9.

Hombal SM, Dincsoy HP. 19. Pasteurella multocida endocarditis. Am J Clin Pathol 1992 Dec; 98 (6): 565-8.

Raffi F, Barrier J, BaronD, Drugeon HB, Nicolas F, 20. Courtieu AL. Pasteurella multocida bacteremia: report of thirteen cases twelve years and review of the literature. Scand J Infect Dis 1987; 19 (4): 385-93.

Myckan KA, Booth CM, Mocarski E. 21. Pasteurella multocida bacteremia and tuboovarian abscess. Obstet Gynecol 2004 Nov; 106: 1220-2.

Schlichthaar H, Rohrer T, Schuster G, Lehnert H. Interstitial 22. pneumonia and sepsis due to a Pasteurella multocida infection. Dtsch Med Wochenschr 1995 Nov 17; 120(46): 1582-6.

Casey AC, Grennspoon JS, Lagasse LD. 23. Pasteurella multocida Bacteremia in a Patient With Ovarian Cancer and Chemotherapy-Induced Neutropenia. Infectious Diseases in Obstetrics and Gynecology 1995; 3: 205-9.

Tseng HK, Su SC, Liu CP, Lee CM. 24. Pasteurella multocida bacteremia due to non-bite animal exposure in cirrhotic patients: report of two cases. J Microbiol Immunol Infect 2001 Dec; 34(4): 293-6.

Fernandez-Esperach G, Mascaro J, Rota R, Valerio L. 25. Septiccemia, peritonitis and empyema due to Pasteurella multocida in a cirrhotic patient. Clin infect Dis 1994; 18: 486.

Tattevin P, Souala F, Gautier AL, Rauch M., Bouet J, Arvieux 26. C, Michelet C. Diabetes in patients with pasteurellosis. Scand J Infect Dis 2005; 37(10): 731-3.

Guillet C, Join-Lambert O, Carbonelle E, Ferroni A, Vachée 27. A. Pasteurella multocida Sepsis and Meningitis in 2-Month-Old Twin Infants after Household Exposure to a Slaughtered Sheep. CID 2007;45:e80-1.

Tab. 2: Antibiogramm von Pasteurella multocida, Isolat aus der Blutkultur eines 77-jährigen Patienten

Antibiotikum AgardiffusionstestCLSI

MHK mg/l Vitec 2 compact

MHK mg/lE-Test

Penicillin G sensibel 0.19 Ampicillin sensibel ≤ 2Ampicillin/Sulbactam

sensibel ≤ 2

Piperacillin/Tazobactam

sensibel ≤ 4

Cefazolin sensibel ≤ 4Cefuroxim sensibel ≤ 1Cefotaxim sensibel ≤ 1 1Ceftazidim 2Imipenem sensibel ≤ 1Meropenem ≤ 0.25Gentamicin resistent 4Tobramycin ≤ 1Doxycyclin resistentTetracyclin ≥ 16 Trimethoprim/ Sulfamethoxazol

sensibel < 20

Levofloxacin ≤ 0.25Moxfloxacin sensibelCiprofloxacin sensibel ≤ 0.25

Diskussion1880 entdeckte Pasteur das infektiöse Agenz für die Geflügel-Cholera, Pasteurella multocida und charakterisierte diesen Keim morphologisch und biochemisch [1]. Pasteurella multocida gehört zur normalen Oropharyngealflora bei vielen Haus- und Wildtieren [1] incl. Vogelarten [4]. Häufig wird P. multocida im Nasopharyngeal-Bereich bei Katzen (70-90%) [5,6] und Hunden (50-66%) [7,8] gefunden. Erkrankungen beim Menschen entstehen deshalb am häufigsten durch lokale Wund-Infektionen infolge Biß- oder Kratzwunden durch Katzen und Hunde, die sich oft als Zellulitis darstellen [1]. Mögliche Komplikationen solcher Wundinfektionen sind Abszesse, septische Arthritis und Osteomyelitis [1,9,10].Respiratorische Infektionen wie Pneumonie, Pleuraempyeme und Lungenabszesse können durch die Inhalation von aerolisierten infektiösen Sekreten von Tieren entstehen; Voraussetzung für solche Infektionen ist jedoch meistens das Vorliegen von bronchopulmonalen Grunderkrankungen wie Bronchialkarzinom [11], Lungenemphysem [12], chronisch obstruktive Lungenerkrankung [1] oder Immunschwäche wie z. B. AIDS [13]; allerdings können auch Immunkompetente ohne pulmonale Vorerkrankungen betroffen sein [14,15]. Eine Infektion durch Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch ist bislang nicht bekannt.Systemische Pasteurellosen durch Bakteriämie und Sepsis sind insgesamt gesehen selten, werden jedoch vereinzelt beschrieben. Hierzu gehören u.a. Meningitis, Peritonitis, Otitis, Endokarditis, Abszesse [16-21] und Pneumonie durch hämatogene Aussaat nach Wundinfektion [22]. In den meisten Fällen lag hier ebenfalls invasiver oder nicht-traumatischer Tierkontakt vor. Derartige Fälle sind ebenfalls oft mit bestehenden Grunderkrankungen vergesellschaftet wie z.B. Malignom, Lebercirrhose, Alkoholismus [16, 23-26] oder Abwehrschwäche wie z.B. bei Neugeborenen und Säuglingen[27,28].

In vorgestellten Fall ist die vorgeschädigte Haut als die wahrscheinlichste Eintrittspforte anzusehen, welche eine Bakteriämie mit P. multocida zur Folge hatte. Somit kann dieser Fall den systemischen Pasteurellosen zugeordnet werden. Gegen das Vorliegen einer Pneumonie sprechen das Fehlen einer Tachy- oder Dyspnoe sowie das Ergebnis des Thorax-CT. Die gefundenen Pleuraergüsse sind am ehesten kardial bedingt. Die gemessene CK-Erhöhung könnte mit einer Gewebsdestruktion vereinbar sein, was wiederum für die Wundinfektion spricht. Es konnte retrospektiv kein Kontakt mit lebenden Tieren ermittelt werden. Die Rötung und Überwärmung des linken Beines bei bestehender Stauungsdermatose liess zunächst an ein Erysipel denken. Pasteurellen-bedingte Wundinfektionen und Erysipel bzw. Zellulitis kommen i.d.R nach invasivem Tierkontakt vor, nur selten bei nicht-traumatischem Tierkontakt. Der Patient besass kein Haustier und verneinte auch jeglichen Berührungs-Kontakt mit sonstigen lebenden Tieren. Das Dachsfell, mit welchem der Patient sich häufig den Bauch bedeckte, konnte ebenfalls nicht als Infektionsquelle identifiziert werden, zumal die Gerbungsprozesse ein Überleben von Pasteurellen unwahrscheinlich erscheinen lassen.Somit bleibt dieser Fall letztlich ungeklärt, d. h. er gehört zu den systemischen Pasteurellosen ohne Tierkontakt. Auch in der Literatur werden – wenn auch selten – systemische Pasteurella-Infektionen beim Menschen ohne Tierkontakt beschrieben [16,20,26,29,30]. Es gibt Hinweise, dass allein ländliche Umgebung und/oder Arbeiten im Garten bzw. Umgang mit Erde auch Prädispositionsfaktoren für das Aquirieren einer systemischen Pasteurellose sein könnten [29,20]. P. multocida bleibt lebensfähig in Wasser für 7 � 25 Tage, im Boden bzw. der Erde bis zu 21 Tagen; bei Sonnenlicht-Exposition für 10 Minuten werden die Keime jedoch abgetötet; in Geflügel-Kadavern kann P. multocida bis zu 60 Tagen überleben [31]. Ausserdem könnte theoretisch Milbenkontakt zu einer Pasteurellose führen [32]. Unser Patient kommt aus einem ländlichen Gebiet, ca. 10 km südöstlich von Aschaffenburg, allerdings ist er aufgrund seiner Stauungsdermatose mit Rechtsherzinsuffizienz eher nicht in der Lage, ausgiebig im Garten und mit Erde zu arbeiten. Die Therapie der Wahl bei Pasteurella-Infektionen ist Penicillin G sowie Penicillin-Derivate incl. ß-Lactamase-Hemmern, Zweit- und Dritt-Generations-Cephalosporine sowie Doxycylin; als nicht wirksam werden Erstgenerations-Cephalosporine, Aminoglykoside, Vancomycin und Clindamycin angesehen [1,33,34]. Unser Patient ist initial hochdosiert mit Penicillin G und anschliessend mit Cefotaxim behandelt worden, was zu einer raschen Besserung geführt hat. Auffällig war, dass unser Isolat nicht empfindlich auf Doxycyclin war, was zum Anlass genommen werden sollte, bei einer kalkulierten Antibiotika-Therapie ohne Austestung auf Doxycyclin zu verzichten.

Zusammenfassung und SchlussfolgerungPasteurella multocida ist ein kleines kokkoides gramnegatives Stäbchen, welches als Kommensale im oberen Respirationstrakt von vielen Wild-, Haus- und Nutztierarten vorkommt. Menschliche Infektionen entstehen typischerweise durch Biss- oder Kratzwunden von Katzen und Hunden, ferner durch häufigen direkten, nicht-traumatischen Kontakt mit Tieren oder aerogen. Wir berichten von einem 77-jährigen Patienten mit Stauungsdermatose bei Rechtsherzinsuffizienz, der mit Fieber und einer erysipelartigen Rötung und Überwärmung des linken Beines stationär eingewiesen wurde. Aus der Blutkultur wurde Pasteurella multocida isoliert, welche auf Doxycyclin resistent war. Nach Therapie mit hochdosiertem Penicillin G bzw. Cefotaxim trat eine rasche Besserung ein. Als Eintrittspforte ist am ehesten die vorgeschädigte Haut anzusehen, welche eine Bakteriämie zur Folge hatte. Ein direkter oder indirekter Tierkontakt konnte anamnestisch nicht eruiert werden, sodass der vorliegende Fall zu den seltenen systemischen Pasteurellosen gehört, wo der ursächliche Zusammenhang ungeklärt ist. Doxycyclin sollte u.E. bei Pasteurella-Infektionen nur nach erwiesener Empfindlichkeit verabreicht werden.

Spencker FB, Handrick W, Bührdel P, Braun W. Meningitis 28. eines Säuglings durch Pasteurella multocida. Infection 1979; 7(4): 183-6.

Cortez JC, Shapiro M, Awe RJ. 29. Pasteurella multocida liver abszess. Am J Med Sci 1986; 292: 107-9.

Glickman M, Klein RS. Acute epiglottitis due to 30. Pasteurella multocida in an adult without animal exposure. Emerg Infect Dis 1997 Jul-Sep; 3(3): 408-9.

Olson LD, Bond RE. Survival of 31. Pasteurella multocida in soil, water, carcasses, and in the mouth of various birds and mammals. Proc US Lifestock Sunit Assoc 1968; 72: 24d.

Petrov D. Study of Dermanyssus gallinae as a carrier of 32. Pasteurella multocida. Vet Med Nauki 1975; 12(5): 32-6.

Stille W, Brodt HR, Groll AH, Just-Nübling G. Therapie 33. wichtiger Infektionen – Wahl des Antibiotikums. In: Stille W, Brodt HR, Groll AH, Just-Nübling G. (eds.). Antibiotika-Therapie. Klinik und Praxis der antiinfektiösen Behandlung. 11. Auflage: Schattauer Verlag Stuttgart - New York, 2005: 395.

Klein NC, Cunha BA. 34. Pasteurella multocida pneumonia. Semin Respir Infect 1997; 12 (1): 54-6.

Ansorg R. Die Gattung Pasteurella, Pasteurellosen. In: Köhler 35. W, Eggers HJ, Fleischer B, Marre R, Pfister H, Pulverer G (eds.). Medizinische Mikrobiologie. 8. Auflage: Urban & Fischer Verlag München � Jena, 2001: 337-341.

Abb.1: Erysipelartige Rötung der Unterschenkel eines 77-jäh-rigen Patienten mit Stauungsdermatose