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„Vertrauen“ aus ethischer Perspektive
Seminar „Medienethik“, SoSe 2010
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Quelle
Nagenborg, Michael (2010): Vertrauen und Datenschutz. S. 153-167 in: Matthias Maring(hg.): Vertrauen - zwischen sozialem Kitt und der Senkung von Transaktionskosten. Karlsruhe: KIT Scientific Publishing.
Buch online:
http://digbib.ubka.uni-karlsruhe.de/volltexte/1000014993
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„Wir schaffen Vertrauen.“
• Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherheit (2009)
– 440 Millionen Einzeldaten zu 65 Millionen Personen
– 2008: 91,5 Millionen Auskünfte zu Personen, von den 60% einen „Score“ enthielten.
– „Scores“ basieren auf Berechnungen und Analysen von 840.000 Kunden des Versandhandels und der Validierung von 360.000 Datensätzen.
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Verdacht…
• Trägt die zunehmende Bedeutung von „Vertrauen“ dazu bei, dass immer größere Datensammlungen entstehen?
• Hypothese: Ja – und dies liegt an der Reduktion von ‚Vertrauen‘ auf den Aspekt ‚Vertrauen als Ressource‘.
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Austauschbeziehungen (Kant 1797)
• Vertragspartner 1
– Angebot
– Versprechen einer Leistung oder Eigentumsübertragung
• Vertragspartner 2
– Billigung
– Annahme des Versprechens
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Austauschbeziehungen (Kant 1797)
• Vertragspartner 1
– Angebot
– Versprechen 1 einer Leistung oder Eigentumsübertragung
– Annahme des Versprechens 2
• Vertragspartner 2
– Billigung
– Annahme des Versprechens 1
– Versprechen 2 einer Leistung oder Eigentumsübertragung
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Austauschbeziehungen (Kant 1797)
• Beispiel: Kauf einer Sache
– Vertragspartner 1 verspricht, die Eigentumsrechte an einer Sache auf Vertragspartner 2 zu übertragen und die Ware zu übergeben.
– Vertragspartner 2 verspricht, den zuvor vereinbarten Geldbetrag an Vertragspartner 1 zu übergeben.
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Vertrauensdilemma
• Grundlage einer jeden Austauschbeziehung sind zwei Versprechen, die gebrochen werden können.
• Daten können Teil von Austauschbeziehungen sein (im Versandhandel muss z. B. die Lieferanschrift bekannt sein).
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Vertrauen (Simmel)
• Vertrauen als (allgemeiner) Glauben
• Vertrauen als Wissensform
• Vertrauen als Gefühl
• Vertrauen als hypothetisches Wissen über das zukünftige Verhalten anderer, das ausreicht, um mein eigenes Handeln auf diesem Wissen zu gründen.
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Vertrauen und Diskretion (Simmel)
• Wir können und müssen auf andere Personen vertrauen, weil wir uns diskret verhalten (Simmel 1906).
• Dementsprechend:
– Vertrauen als Wissensform ist der „Normalfall“.
– Wo Indiskretion herrscht, ist es irreführend von „Vertrauen (als Wissensform)“ zu sprechen.
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Austauschbeziehungen als Vertrauensbeziehungen
• Wer ein Versprechen annimmt, muss darauf vertrauen, dass der andere sein Verspreche hält. (Wir können das nicht zu 100% wissen.)
• Wer als zweiter als Versprechen einlösen kann, hat einen prinzipiellen Vorteil.
• Recht kann dazu beitragen, die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass ein Versprechen eingehalten wird.
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Funktion des rechtlichen Rahmens
• Ermöglichung und Förderung von Austauschbeziehungen.
– Z. B. Datenschutzbestimmungen ermöglichen den Austausch von Daten.
• Vertrauensschutz – insbesondere für den schwächeren Partner in asymmetrischen Beziehungen.
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Die moralische Dimension von Vertrauensbeziehungen
• „ … trust has no meaning if it does not gobeyond calculative self-interest.“ (Noteboom2006)
• Eine „moralisch Person“ ist eine „vertrauenswürdige Person“ (Banerjee, Bowie & Pavone 2006).
– Eine moralische Person schadet den Vertrauenden nicht ohne guten Grund.
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Ebenen des Vertrauens
• Banerjee, Bowie & Pavone (2006):– Drei Ebenen: Individuen, Organisationen, Gesellschaft
– Mögliche Vertrauensbeziehungen: Individuen und Individuen, Individuen und Organisationen, Individuen und Gesellschaft etc.
– Z. B. Staat vertraut Individuen und Organisationen hinsichtlich ihrer Rechtskonformität.
– Allerdings: Nicht alle Vertrauensbeziehung sind moralisch legitim oder rechtskonform (z. B. Verbrecherbanden). Vertrauen kann also Recht nicht ersetzen.
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Vertrauen und Datenschutz
• Computervermittelte Austauschbeziehungen enthalten in der Regel zwei Versprechen des Anbieters:
– Lieferung der Ware, Erbringung der Leistung
– Diskreter Umgang mit den Daten, welche der Kunde preisgibt (z. B. Lieferanschrift).
• Anreiz Daten zu duplizieren und weiterzugeben ist groß, weil durch das Duplikat das Original seinen Gebrauchswert nicht verlieren.
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Vertrauen und Risiko
• Kennzeichen von Vertrauensbeziehungen: Zumindest einer der Partner muss ein Risiko eingehen.
• Strategien der Risikominimierung:– Versuch als zweiter sein Versprechen einzulösen.
– Indiskretes Verhalten, um Wissen über Partner zu vergrößern.
– Ambivalente Funktion von „Vertrauen“: Benutzer(innen) sollen Anbietern vertrauen, um Daten über sich preiszugeben.
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Vertrauen als Ressource
• Die Ressource „Vertrauen“ soll Austauschprozesse ermöglichen.
• Indem Vertrauensbeziehungen jedoch auf den Risikoaspekt reduziert werden, wird indiskretes Verhalten gefördert und „Vertrauen als Wissensform“ vernichtet.
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Datenschutz als Vertrauensschutz
• Anstelle eines austauschorientierten Datenschutzes könnte „Datenschutz als Vertrauensschutz“ treten.
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Vertrauen auf Recht und Staat (1/2)
• Präventive Sicherheitslogik stellt alle Büger(innen) unter Verdacht und produziert tendenziell Misstrauen auf Seiten der Bürger(innen) hinsichtlich der Nutzung ihrer Daten, die sie u. a. in Austauschbeziehungen preisgeben.
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Vertrauen auf Recht und Staat (2/2)
• Option: Offener Dialog mit Bürger(innen)
– um die Artikulation von Misstrauen gegen einzelne Maßnahmen zu ermöglichen und
– zu vermeiden, dass das Vertrauen in den Staat als Ganzes verloren geht.
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Zusammenfassung
• Die zunehmende Bedeutung der Ressource „Vertrauen“ vernichtet „Vertrauen als Wissensform“.
• Staat könnte potentiell dazu beitragen, die Position der schwächeren Partner in Austauschbeziehungen zu stärken.
• „Datenschutz als Vertrauensschutz“ wäre hierzu eine Option.
• Dazu muss aber die Bürgerin und der Bürger dem Staat vertrauen können.