anlage 9 bibliothekarische aus- und fortbildung das ... · schläge der projektstudie des...

5
Anlage 9 Bibliothekarische Aus- und Fortbildung Das ständig erweiterte Leistungsspektrum der Bibliotheken stellt zunehmende An- forderungen an deren Mitarbeiter und erfordert qualifiziertes Fachpersonal auf allen Ebenen. Bibliothekarisches Fachpersonal für die unterschiedlichen Dienstebenen und Aufga- benbereiche sowohl im Öffentlichen Dienst wie auch in der freien Wirtschaft wird in differenzierten Studien-, Lehr- und Ausbildungsgängen ausgebildet. Für die mittlere Ebene werden in mehreren Bundesländern und im Bund Anwärterin- nen und Anwärter im Beamtenverhältnis zu Bibliotheksassistentinnen und -assisten- ten ausgebildet. In vielen Bundesländern findet entweder daneben oder ausschließ- lich die Ausbildung von Assistentinnen und Assistenten an Bibliotheken auf der Grundlage des Berufsbildungsgesetzes statt. Der Ausbildungsrahmenplan der Verordnung von 1975 und der Rahmenplan der Kultusministerkonferenz von 1984 für den Berufsschulunterricht bedürfen dringend der Anpassung an die veränderte Situation in den Bibliotheken. Hier sind die Vor- schläge der Projektstudie des Bundesinstituts für Berufsbildung zu Struktur und Inhalt zukünftiger Ausbildung für die mittlere Berufsebene im Bereich Archiv, Biblio- thek, Dokumentation (ABD) hilfreich. Sie schlagen eine dreijährige Ausbildung für "Fachangestellte an Bibliotheken" vor. Den theoretischen Teil sichert neben den Bezirks- und Landesfachklassen in den alten Bundesländern die Thüringische Bibliotheksschule in Sondershausen für die neuen Länder. Ähnliche Einrichtungen auch in anderen Bundesländern könnten die fachgerechte Ausbildung von Assistentinnen und Assistenten an Bibliotheken gewährleisten. Mit einer Reform der Ausbildung auf der mittleren Berufsebene werden gleichzeitig bessere Voraussetzungen für eine angemessene tarifliche Eingruppierung und lei- stungsgerechte Bezahlung erreicht, die als weiterer Faktor der Stabilisierung dieser Berufsgruppe anzustreben ist. Bibliothekarisches Fachpersonal auf der Ebene des gehobenen Dienstes und ent- sprechender Tätigkeitsbereiche wird in Fachhochschulstudiengängen (Abschluß: Diplom-Bibliothekar/in) ausgebildet. Aus den Empfehlungen des Wissenschaftsrates für die Entwicklung von Fachhoch- schulen in den 90er Jahren und aus den im Rahmen der EG vorgesehenen Rege- lungen ergeben sich neue Anforderungen für die bibliothekarischen Studiengänge: 1. Für den Bereich der wissenschaftlichen Bibliotheken, wo Beamten- und Angestelltenverhältnisse sowie diesen entsprechende Ausbildungsformen -154- Quelle: Bibliotheken '93: Strukturen - Aufgaben - Positionen. Berlin : Dt. Bibliotheksinst., 1994. - 182 S. (3-87068-445-3)

Upload: ngotuyen

Post on 29-Mar-2019

213 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Anlage 9 Bibliothekarische Aus- und Fortbildung

Das ständig erweiterte Leistungsspektrum der Bibliotheken stellt zunehmende An-forderungen an deren Mitarbeiter und erfordert qualifiziertes Fachpersonal auf allenEbenen.

Bibliothekarisches Fachpersonal für die unterschiedlichen Dienstebenen und Aufga-benbereiche sowohl im Öffentlichen Dienst wie auch in der freien Wirtschaft wird indifferenzierten Studien-, Lehr- und Ausbildungsgängen ausgebildet.

Für die mittlere Ebene werden in mehreren Bundesländern und im Bund Anwärterin-nen und Anwärter im Beamtenverhältnis zu Bibliotheksassistentinnen und -assisten-ten ausgebildet. In vielen Bundesländern findet entweder daneben oder ausschließ-lich die Ausbildung von Assistentinnen und Assistenten an Bibliotheken auf derGrundlage des Berufsbildungsgesetzes statt.

Der Ausbildungsrahmenplan der Verordnung von 1975 und der Rahmenplan derKultusministerkonferenz von 1984 für den Berufsschulunterricht bedürfen dringendder Anpassung an die veränderte Situation in den Bibliotheken. Hier sind die Vor-schläge der Projektstudie des Bundesinstituts für Berufsbildung zu Struktur undInhalt zukünftiger Ausbildung für die mittlere Berufsebene im Bereich Archiv, Biblio-thek, Dokumentation (ABD) hilfreich. Sie schlagen eine dreijährige Ausbildung für"Fachangestellte an Bibliotheken" vor.

Den theoretischen Teil sichert neben den Bezirks- und Landesfachklassen in denalten Bundesländern die Thüringische Bibliotheksschule in Sondershausen für dieneuen Länder. Ähnliche Einrichtungen auch in anderen Bundesländern könnten diefachgerechte Ausbildung von Assistentinnen und Assistenten an Bibliothekengewährleisten.

Mit einer Reform der Ausbildung auf der mittleren Berufsebene werden gleichzeitigbessere Voraussetzungen für eine angemessene tarifliche Eingruppierung und lei-stungsgerechte Bezahlung erreicht, die als weiterer Faktor der Stabilisierung dieserBerufsgruppe anzustreben ist.

Bibliothekarisches Fachpersonal auf der Ebene des gehobenen Dienstes und ent-sprechender Tätigkeitsbereiche wird in Fachhochschulstudiengängen (Abschluß:Diplom-Bibliothekar/in) ausgebildet.

Aus den Empfehlungen des Wissenschaftsrates für die Entwicklung von Fachhoch-schulen in den 90er Jahren und aus den im Rahmen der EG vorgesehenen Rege-lungen ergeben sich neue Anforderungen für die bibliothekarischen Studiengänge:

1. Für den Bereich der wissenschaftlichen Bibliotheken, wo Beamten- undAngestelltenverhältnisse sowie diesen entsprechende Ausbildungsformen

-154-Quelle: Bibliotheken '93: Strukturen - Aufgaben - Positionen. Berlin : Dt. Bibliotheksinst., 1994. - 182 S. (3-87068-445-3)

im beamtenrechtlichen Vorbereitungsdienst und im externen Fachhoch-schulstudium nebeneinander bestehen, sollte auch im externen Ausbil-dungsbereich die Laufbahnbefähigung durch die Diplom-Prüfung sicher-gestellt werden. Dafür sind die laufbahnrechtlichen Vorschriften der Län-der entsprechend zu ändern (vgl. Niedersachsen).

2. Bei der Planung der Regelstudienzeiten ist künftig von sieben bis maximalacht Semestern auszugehen (vgl. Entwicklung in Hamburg, Hannover,Leipzig und Stuttgart). Mit mindestens sechs theoretischen Studienseme-stern ist die Anerkennung des bibliothekarischen Diplom-Abschlusses alsHochschulabschluß im EG-Raum sichergestellt.

3. Zum Studium soll mindestens ein praktisches Studiensemester gehören,das in einer der gewählten Fachrichtung entsprechenden Ausbildungs-bibliothek absolviert wird. Weitere informatorische Kurzpraktika im jeweilsanderen Bibliotheksbereich (Wissenschaftliche bzw. Öffentliche Bibliothe-ken), in Spezialbibliotheken sowie in Einrichtungen der Information undDokumentation sollten studienbegleitend abgeleistet werden.

4. Die künftig von den Absolventen erwartete Europa-Kompetenz erfordertdie Aufnahme Europa-bezogener Komponenten in die Studienprogrammeund die Verbesserung der Fremdsprachenkenntnisse der Studierenden.Praktische und theoretische Ausbildungsphasen in geeigneten Bibliothe-ken bzw. an vergleichbaren Ausbildungsstätten im Ausland solltenebenso gefördert werden wie der Austausch von Dozentinnen undDozenten (vgl. die Empfehlungen der Arbeitsgruppe der BDB "Ausbildungim europäischen Rahmen", Berlin 1992).

5. Der Zugang zum bibliothekarischen Studium ist auch für Bewerber, diesich bereits in einem anderen Beruf befinden, offenzuhalten. Bewerbernohne Fachhochschulreife soll der Einstieg ermöglicht werden. Damit istgleichzeitig auch eine Aufstiegschance für Mitarbeiterinnen und Mitarbei-ter der mittleren Funktionsebene gegeben.

6. Es sollten Möglichkeiten beruflicher Weiterbildung und Qualifizierungdurch Aufbau- und Zusatzstudien geschaffen werden, besonders inberufsbegleitender Form als Teilzeitangebot unter Nutzung des Fern-bzw. Kontaktstudiums.

7. In dem Maße, in dem der zunehmende Qualitätsanspruch an die biblio-thekarische Ausbildung in den Diplom-Studiengängen umgesetzt wird unddie Fachhochschulen ein eigenständiges anwendungsbezogenesHochschulprofil entwickeln, muß auch eine Anhebung der Eingangsbe-soldung bzw. -Vergütung von Diplom-Bibliothekaren im ÖffentlichenDienst zur Diskussion gestellt werden.

Die gegenwärtige Ausbildung zum höheren Bibliotheksdienst in den alten Bundes-ländern wird von drei Ausbildungseinrichtungen in Frankfurt, Köln und München in

-155-Quelle: Bibliotheken '93: Strukturen - Aufgaben - Positionen. Berlin : Dt. Bibliotheksinst., 1994. - 182 S. (3-87068-445-3)

Zusammenarbeit mit den Ausbildungsbibliotheken durchgeführt, und zwar im Rah-men eines an ein universitäres Vollzeitstudium anschließenden zweijährigen beam-tenrechtlichen Vorbereitungsdienstes. In Zukunft sollte auch hier eine offene Ausbil-dung unabhängig vom beamtenrechtlichen Vorbereitungsdienst angeboten werden.

Dieses Ziel soll dadurch erreicht werden, daß die Bibliothekswissenschaft als Hoch-schuldisziplin mit Promotions- und Habilitationsrecht am Institut für Bibliothekswis-senschaft und Wissenschaftliche Information der Humboldt-Universität erhaltenbleibt und darüber hinaus auch für weitere Standorte bibliothekarischer Ausbildungnicht ausgeschlossen bleibt.

Für die Zukunft erscheinen daher - unbeschadet der laufbahnrechtlichen Bedingun-gen - drei Ausbildungsgänge für den höheren Bibliotheksdienst sinnvoll:

1. Die Ausbildung im Rahmen des beamtenrechtlichen Vorbereitungsdien-stes;

2. Magisterstudiengang Bibliothekswissenschaft als Kombinationsstudiumder Bibliothekswissenschaft mit zwei Nebenfächern und Spezialisierung inden Bereichen Bibliothek oder Dokumentation sowie Promotions- undHabilitationsmöglichkeit;

3. Postgradualer Ergänzungsstudiengang Bibliothekswissenschaft bei inhalt-licher Kongruenz zum beamtenrechtlichen Vorbereitungsdienst mitSchwerpunkten für wissenschaftliche Universal- und Spezialbibliothekensowie Öffentliche Bibliotheken mit Abschluß Staatsexamen als Laufbahn-befähigung für den höheren Dienst.

Eine zukunftsorientierte Ausbildung für den höheren Bibliotheksdienst muß vomTätigkeitsprofil her entwickelt werden. Ausbildungsziel ist ein Bibliothekar mit einemhohen Maß an Systemkenntnissen, Verwaltungswissen, Organisationsfähigkeit, DV-Kenntnissen und kommunikativer Kompetenz.

Dafür sollte(n)

. die Ausbildungsinhalte zwischen Bibliotheken und Ausbildungsinstitutenklar verteilt und besser untereinander koordiniert werden;

• die Ausbildung mit einer Studienphase am Ausbildungsinstitut beginnenund enden;

• das große Praktikum in einem zeitlichen Block (ergänzt durch kleine Prak-tika) durchgeführt werden und inhaltlich von den betrieblichen Problemeneiner Bibliothek geprägt sein:

• für die Erfüllung von Leitungsaufgaben auf den verschiedenen Ebenenzeitgemäße Führungsmethoden (Delegieren, Teambildung, Koordinie-rung, Methoden der Evaluation, etc.) sehr viel stärker als bisher berück-sichtigt werden.

-156-

Quelle: Bibliotheken '93: Strukturen - Aufgaben - Positionen. Berlin : Dt. Bibliotheksinst., 1994. - 182 S. (3-87068-445-3)

Ebenso wie im gehobenen Dienst wird es auch im höheren Dienst in Zukunft einegrößere Europakompetenz geben müssen; auch dies ist bei den Ausbildungsinhal-ten zu berücksichtigen.

Bibliothekarische Ausbildungsstätten

Freie Universität Berlin - Fachbereich KommunikationswissenschaftenInstitut für Bibliothekswissenschaft und BibliothekarausbildungHohenzollerndamm 5614199 BerlinTel. 030/823-6966

Humboldt-Universität zu BerlinInstitut für Bibliothekswissenschaft und wissenschaftliche InformationUniversitätsstr. 610099 BerlinTel. 030/20378-344

Fachhochschule für das öffentliche Bibliothekswesen BonnWittelsbacherring 953115 BonnTel. 0228/7258-111

Bibliotheksschule in Frankfurt am Main - Fachhochschule für BibliothekswesenWiesenau 160323 Frankfurt am MainTel. 069/212-39203

Fachhochschule HamburgFachbereich Bibliothek und InformationGrindelhof 3020146 HamburgTel. 040/44195-359

Fachhochschule HannoverFachbereich Bibliothekswesen, Information und DokumentationHanomagstr. 830449 HannoverTel. 0511/444344

Niedersächsische Bibliotheksschule und AusbildungsbehördeNiedersächsische LandesbibliothekWaterloostr. 830169 HannoverTel. 0511/1267-381

Fachhochschule für Bibliotheks- und Dokumentationswesen in KölnClaudiusstr. 150678 KölnTel. 0221/8275-3376

-157-Quelle: Bibliotheken '93: Strukturen - Aufgaben - Positionen. Berlin : Dt. Bibliotheksinst., 1994. - 182 S. (3-87068-445-3)

Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur LeipzigFachbereich Buch und MuseumBertolt-Brecht-Str. 104347 LeipzigTel. 0341/2311202

Bayerische BeamtenfachhochschuleFachbereich Archiv- und BibliothekswesenKaulbachstr. 1180539 MünchenTel. 089/28638-296

Fachhochschule PotsdamFachbereich Archiv-, Bibliotheks- und DokumentationswesenFriedrich-Ebert-Str. 414467 PotsdamTel. 0331/2884-214

Thüringische Bibliotheksschule SondershausenPuschkinpromenade 2299706 SondershausenTel. 03632/59733

Fachhochschule für Bibliothekswesen StuttgartFeuerbacher Heide 38-4270192 StuttgartTel. 0711/22742-0

Fortbildung

Steigende Anforderungen an die berufliche Qualifizierung des bibliothekarischenPersonals und der kontinuierliche Wandel der Berufswirklichkeit erfordern effizienteFormen bibliothekarischer Fortbildung in allen Dienstarten.

Für ihre Organisation sollen

. die Ressourcen der bibliothekarischen Ausbildungseinrichtungen im grö-ßeren Maße nutzbar gemacht werden. Hierzu muß deren personelle undmaterielle Ausstattung verbessert werden;

« die Berufs- und Bibliotheksverbände als wichtige Träger der beruflichenFortbildung den Mitarbeitern vor allem Kompetenz für die Mitgestaltungund Fortentwicklung des Bibliothekswesens vermitteln;

• neben sachbezogenen Fortbildungsprogrammen für einen weiten Interes-sentenkreis auch entsprechend den Tätigkeitsbereichen und beruflichenAnforderungen einzelner Berufsgruppen differenzierte Angebote biblio-thekarischer Fortbildung entwickelt bzw. ausgebaut werden.

-158-

Quelle: Bibliotheken '93: Strukturen - Aufgaben - Positionen. Berlin : Dt. Bibliotheksinst., 1994. - 182 S. (3-87068-445-3)