granulare fleischgerichte und molekulares kleben

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250 | Phys. Unserer Zeit | 36. Jahrgang 2005| Nr. 4 © 2005 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

M AG A Z I N |

Den Zusammenhalt des Hackfleischesgewährleisten die Proteine der Haupt-zutaten, Fleisch und Eier. Sie wirkenwährend des Garens als intergranula-rer Klebstoff. Allerdings führt ein Zu-viel davon zu unkulinarischen Resul-taten, weshalb manche Buletten eheran elastische Gummibälle erinnern.Die globulären Proteine entfaltensich beim Garen zu langen Ketten,verschlaufen untereinander undbilden ein molekulares, granulatüber-greifendes Netzwerk, das um so fes-ter wird, je mehr Proteine vorhandensind. Deshalb wird oft zur LockerungBrot unter den Fleischteig geknetet.Es dient als „Abstandshalter“ undbindet Flüssigkeit. Mit dem Verhält-nis Brot/Protein kann also die Konsis-tenz, allerdings zu Lasten des Ge-schmacks, gesteuert werden. Besserist es also Eier wegzulassen.

Beim Döner funktioniert dasmolekulare Klebeprinzip gänzlichohne Ei. Die relativ großen Fleisch-schnipsel werden mit etwas Hack,Salz und Gewürzen zusammen-gepresst. Während des Drehgrillenswird das Fleisch an seiner Ober-

fläche einer hohen Temperatur aus-gesetzt. Schnell setzt die Bräunungs-reaktion ein, die dem Döner seinentypischen Geschmack gibt. Dabeidiffundiert langsam die Wärme in dasInnere des Riesengebildes, undsobald 70 Grad erreicht werden,beginnen sich die Fleischproteine zulangen Polymerketten zu entfalten.Auch hier fungieren sie als Klebstoff,indem sie sich untereinander verha-ken und verschlaufen.

Dies geschieht auch an denOberflächen benachbarter Fleisch-schnipsel. So bildet sich eine stabileKlebeverbindung. Man kann deshalbproblemlos senkrecht am Dönernach unten säbeln, ohne dass dieFleischstücke an den ursprünglichenGrenzflächen leicht brechen. Aller-dings nur bis Tiefen, die über Tempe-raturgradient und Wärmeleitungbereits 70 Grad erreichten, und sodie Klebung bereits eingetreten ist.

Provenzalische Caillettes verzich-ten ebenfalls auf Ei. Es werden ledig-lich Hackfleisch, Leber, reichlichSpinat oder Mangold sowie Zwiebel,frische Kräuter und Gewürze ver-

M O L- G A S T RO N O M I E |

Die Plasma-SpinneWas wie ein bedrohliches Spinnenmonster aus einem Science-Fiction-Film aussieht, istein harmloses Plasma, das Paul Bellan vom California Institute of Technology und Mit-arbeiter in ihrem Labor herstellen. In einer Vakuumkammer erzeugen sie ein Magnetfeldund lassen anschließend durch acht Löcher im Boden das Plasma hineinströmen. Soentsteht zunächst die „Plasma-Spinne“. Doch aufgrund der Wechselwirkung zwischenMagnetfeld und Plasma verdichtet sich dieses, und die „Beine“ vereinen sich innerhalbeiniger hundertstel Sekunden selbstständig zu einem zentralen Plasma-Schlauch. Bellan und Kollegen vermuten, dass sich durch diesen Effekt eine Reihe astrophysikali-scher Phänomene, wie Plasma-Bögen auf der Sonne oder Jets, die aus den Zentrenaktiver Galaxien herausschießen, erklären lassen (S. You et al., Phys. Rev. Lett. 22000055, 95,045002, http://ve4xm.caltech.edu/Bellan_plasma_page).

PH YS I K I M B I L D |

mischt, das heißt während desGarens verhindert aus dem Gemüseaustretendes Wasser eine starkeBindung. Deshalb werden die rohenKlöße in zurechtgeschnittene Netzeaus Schweinemägen gewickelt. BeimErhitzen tritt aus dieser dünnenMembran unter ProteindenaturierungFett aus. Das Netz zieht sich dabeizusammen, wird enger und presstden Kloß zusammen. So stabilisiertdas Netz die Klöße während desGarens mechanisch. Dann reicht dasEiweiß von Fleisch und Leber aus,um kornübergreifend eine lockereVerklebung zu erreichen.

Alle Fleischklopse sind übrigenswahre Gewürzschlucker, denn dieriesigen Oberflächen der Fleischkör-ner nehmen reichlich davon auf.Sparen Sie also nicht mit Kräuternund Gewürzen.

Thomas A.Vilgis,MPI für Polymerforschung, Mainz

Granulare Fleischgerichte undmolekulares KlebenBuletten, Fleischküchle oder Kebabs, Köstlichkeiten aus gehacktemFleisch bestimmter Körnung, finden sich in allen Kulturen. Physikalischein großes Problem, denn zu Tisch dürfen diese Gebilde nicht auseinan-der brechen und zerfallen. Für ausreichend Bindung und Klebung mussalso gesorgt werden.

AAkkttuueellll zzuumm TThheemmaa

DDiiee MMoolleekküüll--KKüücchhee..Physik und Chemiedes feinen Ge-schmacks, T. Vilgis,ca. 220 S., 31 Abb.,S. Hirzel Verlag,Stuttgart 2005.f 19,80. ISBN 3-7776-1370-3

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