afrikanische schweinepest

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Zbl Arbeitsmed 2014 · 64:117–118 DOI 10.1007/s40664-014-0022-8 Online publiziert: 5. März 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 M. Bundschuh · A. Gerber Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin, Zentrum für Gesundheitswissenschaften, Goethe-Universität Frankfurt am Main Afrikanische Schweinepest Im Januar 2014 kam es erstmals in Li- tauen an der Grenze zu Weißrussland zum Auftreten der ASP in zwei Fällen bei Wildschweinen. Bereits im Juni 2013 hatte Weißrussland in der Grenzregion zu Polen erste Fälle gemeldet. Damit hat die anzeigepflichtige Tierseuche, die 2007 aus Afrika nach Georgien eingeschleppt wurde und sich vor dort aus über mehre- re Trans-Kaukasische Länder nach Russ- land ausbreitete, mit Litauen nun auch die Europäische Union erreicht. Laut Aussa- ge des Friedrich-Loeffler-Instituts könnte sich das Virus über Transportfahrzeuge, die aus betroffenen Regionen zurückkeh- ren sowie über Produkte aus nicht durch- gekochtem Fleisch (Schinken, Salami) weiter ausbreiten. V. a. das Verfüttern von Speiseabfällen stelle hierbei eine mögliche Infektionsquelle dar [1, 2]. In der arbeits- medizinischen Praxis stellen Versicher- te (Arbeitnehmer in der Landwirtschaft, Forst- und Waldwirtschaft) immer wie- der die Frage, ob die ASP auch auf den Menschen übertragbar sei und ob ähn- liche Gefahren wie bei der aviären Influ- enza bestehen. Epidemiologie Die ASP ist eine schwere und hochkonta- giöse Viruserkrankung, die ausschließlich Schweine (Haus- und Wildschweine) und nicht den Menschen betrifft [6]. Die ASP ist endemisch in vielen afrikanischen Län- dern südlich der Sahara. Hier wurde erst- mals 1921 ein Ausbruch der Erkrankung in Kenia beschrieben. Damals war in Kenia eine Seuche bei eingeführten Hausschwei- nen mit einer hohen Mortalität aufgetre- ten [3]. Seitdem kam es zu mehreren Epi- demien auf dem europäischen Kontinent sowie in Süd- und Zentralamerika [4]. In den meisten nichtafrikanischen Ländern konnte die Erkrankung bis auf Sardinien erfolgreich eradiziert werden. Seit 2007 breitet sich jedoch die Tierseuche aus Afrika kommend in Russland und den an- grenzenden Staaten aus [5]. In Deutsch- land ist ein Auftreten der ASP bisher nicht beschrieben [6]. Erreger Bei dem Erreger handelt es sich um ein großes, komplexes DNA-Virus („african swine fever virus“, ASFV) der Gattung As- fivirus aus der Virusfamilie der Asfarviri- dae (Asfar steht für engl. „african swine fever and related viruses“) [7]. Das dop- pelsträngige, nichtsegmentierte Genom kodiert für mindestens 54 Strukturpro- teine und zahlreiche Nichtstrukturprotei- ne. Die Erkrankung kann in ihrem Haupt- ausbreitungsgebiet, den afrikanischen Ländern südlich der Sahara sowie eini- gen Mittelmeerländern, durch Vektoren (Lederzecken der Gattung Ornithodo- ros) übertragen werden und gehört somit in die Klassifikation der Arboviren („ar- thropod-borne virus“). Die Lederzecken der Gattung Ornithodoros kommen je- doch vorwiegend in den tropischen und subtropischen Ländern und bisher nicht in unseren Breiten vor. In den transkau- kasischen Ländern und Russland erfolgt die Übertragung des Virus v. a. direkt von Tier zu Tier durch den direkten Kontakt infizierter Tiere sowie über kontaminierte Gegenstände und die Verfütterung konta- minierter und nicht ausreichend erhitzter Fleischabfälle. Besonders wichtig ist die Übertragung über Schweiß [6, 8, 9]. Klinik Nach einer Inkubationszeit von 2 bis 14 Tagen gehören zu den klinischen Symp- tomen schwere, aber eher unspezifische Allgemeinsymptome wie febrile Tempe- raturen, Anorexie, respiratorische und gastrointestinale Symptome, Fressunlust, Bewegungsstörungen, Blutungsneigung, Zyanose sowie perakute Todesfälle. Auf- grund der klinischen Symptomatik und auch des Verlaufs ist die Erkrankung nicht von der Klassischen Schweinepest (KSP) und anderen schweren Krankheitsverläu- fen zu unterscheiden. Bei erkrankten Tie- ren sind oftmals eine verringerte Flucht- bereitschaft sowie andere Auffälligkeiten wie mangelnde Bewegung und Desorien- tiertheit zu beobachten. Die Erkrankung verläuft in nahezu allen Fällen innerhalb einer Woche letal. Diagnostik Im Rahmen der Durchführung diagnos- tischer Maßnahmen zum Erregernach- weis ist zwischen der Real-time PCR und der Virusanzucht auf Makrophagenkul- turen zu unterscheiden. Während der akuten Infektion eignen sich sowohl Se- rum- als auch EDTA-Blutproben. Für die Entnahme von Organproben kommen v. a. Lymphknoten, Milz oder die Tonsil- le in Betracht. Für den indirekten Nach- weis existieren zum Antikörpernachweis in Serum und Plasma verschiedene ELI- SA-Kits, die jedoch in Deutschland noch nicht zugelassen sind. Des Weiteren ist der Nachweis von Antikörpern im Se- rum mittels indirekter Immunfluores- zenz- oder Immunperoxidasetestverfah- ren möglich [6, 12]. Prävention/Therapie Bisher existiert kein Impfstoff für Tiere gegen ASP, deshalb sind v. a. hygienische Maßnahmen für Tierhalter, Jäger und Tierärzte von großer Bedeutung. Im Fal- le des Auftretens der Seuche ist die ein- zige Möglichkeit die Tötung der erkrank- Übersichten 117 Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2 · 2014|

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Page 1: Afrikanische Schweinepest

Zbl Arbeitsmed 2014 · 64:117–118DOI 10.1007/s40664-014-0022-8Online publiziert: 5. März 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

M. Bundschuh · A. GerberInstitut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin, Zentrum für

Gesundheitswissenschaften, Goethe-Universität Frankfurt am Main

Afrikanische Schweinepest

Im Januar 2014 kam es erstmals in Li-tauen an der Grenze zu Weißrussland zum Auftreten der ASP in zwei Fällen bei Wildschweinen. Bereits im Juni 2013 hatte Weißrussland in der Grenzregion zu Polen erste Fälle gemeldet. Damit hat die anzeigepflichtige Tierseuche, die 2007 aus Afrika nach Georgien eingeschleppt wurde und sich vor dort aus über mehre-re Trans-Kaukasische Länder nach Russ-land ausbreitete, mit Litauen nun auch die Europäische Union erreicht. Laut Aussa-ge des Friedrich-Loeffler-Instituts könnte sich das Virus über Transportfahrzeuge, die aus betroffenen Regionen zurückkeh-ren sowie über Produkte aus nicht durch-gekochtem Fleisch (Schinken, Salami) weiter ausbreiten. V. a. das Verfüttern von Speiseabfällen stelle hierbei eine mögliche Infektionsquelle dar [1, 2]. In der arbeits-medizinischen Praxis stellen Versicher-te (Arbeitnehmer in der Landwirtschaft, Forst- und Waldwirtschaft) immer wie-der die Frage, ob die ASP auch auf den Menschen übertragbar sei und ob ähn-liche Gefahren wie bei der aviären Influ-enza bestehen.

Epidemiologie

Die ASP ist eine schwere und hochkonta-giöse Viruserkrankung, die ausschließlich Schweine (Haus- und Wildschweine) und nicht den Menschen betrifft [6]. Die ASP ist endemisch in vielen afrikanischen Län-dern südlich der Sahara. Hier wurde erst-mals 1921 ein Ausbruch der Erkrankung in Kenia beschrieben. Damals war in Kenia eine Seuche bei eingeführten Hausschwei-nen mit einer hohen Mortalität aufgetre-ten [3]. Seitdem kam es zu mehreren Epi-demien auf dem europäischen Kontinent sowie in Süd- und Zentralamerika [4]. In den meisten nichtafrikanischen Ländern konnte die Erkrankung bis auf Sardinien

erfolgreich eradiziert werden. Seit 2007 breitet sich jedoch die Tierseuche aus Afrika kommend in Russland und den an-grenzenden Staaten aus [5]. In Deutsch-land ist ein Auftreten der ASP bisher nicht beschrieben [6].

Erreger

Bei dem Erreger handelt es sich um ein großes, komplexes DNA-Virus („african swine fever virus“, ASFV) der Gattung As-fivirus aus der Virusfamilie der Asfarviri-dae (Asfar steht für engl. „african swine fever and related viruses“) [7]. Das dop-pelsträngige, nichtsegmentierte Genom kodiert für mindestens 54 Strukturpro-teine und zahlreiche Nichtstrukturprotei-ne. Die Erkrankung kann in ihrem Haupt-ausbreitungsgebiet, den afrikanischen Ländern südlich der Sahara sowie eini-gen Mittelmeerländern, durch Vektoren (Lederzecken der Gattung Ornithodo-ros) übertragen werden und gehört somit in die Klassifikation der Arboviren („ar-thropod-borne virus“). Die Lederzecken der Gattung Ornithodoros kommen je-doch vorwiegend in den tropischen und subtropischen Ländern und bisher nicht in unseren Breiten vor. In den transkau-kasischen Ländern und Russland erfolgt die Übertragung des Virus v. a. direkt von Tier zu Tier durch den direkten Kontakt infizierter Tiere sowie über kontaminierte Gegenstände und die Verfütterung konta-minierter und nicht ausreichend erhitzter Fleischabfälle. Besonders wichtig ist die Übertragung über Schweiß [6, 8, 9].

Klinik

Nach einer Inkubationszeit von 2 bis 14 Tagen gehören zu den klinischen Symp-tomen schwere, aber eher unspezifische Allgemeinsymptome wie febrile Tempe-

raturen, Anorexie, respiratorische und gastrointestinale Symptome, Fressunlust, Bewegungsstörungen, Blutungsneigung, Zyanose sowie perakute Todesfälle. Auf-grund der klinischen Symptomatik und auch des Verlaufs ist die Erkrankung nicht von der Klassischen Schweinepest (KSP) und anderen schweren Krankheitsverläu-fen zu unterscheiden. Bei erkrankten Tie-ren sind oftmals eine verringerte Flucht-bereitschaft sowie andere Auffälligkeiten wie mangelnde Bewegung und Desorien-tiertheit zu beobachten. Die Erkrankung verläuft in nahezu allen Fällen innerhalb einer Woche letal.

Diagnostik

Im Rahmen der Durchführung diagnos-tischer Maßnahmen zum Erregernach-weis ist zwischen der Real-time PCR und der Virusanzucht auf Makrophagenkul-turen zu unterscheiden. Während der akuten Infektion eignen sich sowohl Se-rum- als auch EDTA-Blutproben. Für die Entnahme von Organproben kommen v. a. Lymphknoten, Milz oder die Tonsil-le in Betracht. Für den indirekten Nach-weis existieren zum Antikörpernachweis in Serum und Plasma verschiedene ELI-SA-Kits, die jedoch in Deutschland noch nicht zugelassen sind. Des Weiteren ist der Nachweis von Antikörpern im Se-rum mittels indirekter Immunfluores-zenz- oder Immunperoxidasetestverfah-ren möglich [6, 12].

Prävention/Therapie

Bisher existiert kein Impfstoff für Tiere gegen ASP, deshalb sind v. a. hygienische Maßnahmen für Tierhalter, Jäger und Tierärzte von großer Bedeutung. Im Fal-le des Auftretens der Seuche ist die ein-zige Möglichkeit die Tötung der erkrank-

Übersichten

117Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2 · 2014  | 

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ten Tiere. Insbesondere die Jägerschaft wird gebeten, ein vermehrtes Auftreten von Fallwild (Schwarzwild) den zustän-digen Behörden zu melden und entspre-chende Proben (v. a. Schweiß, Lymph-knoten, Milz, Lunge) bei den zuständigen Veterinärbehörden abklären zu lassen [6].

Fazit für die Praxis

In der arbeitsmedizinischen Praxis wird immer wieder für bestimmte Berufsgrup-pen, z. B. in der Landwirtschaft tätige Arbeitnehmer, Jäger oder Tierärzte, die Frage nach einer humanpathogenen Be-deutung der Afrikanischen Schweinepest gestellt. Laut Aussage des Friedrich- Loeffler-Instituts ist die Erkrankung je-doch keine Zoonose und stellt somit kei-ne Gefahr für den Menschen dar. Ein Ge-sundheitsrisiko für Menschen besteht demzufolge nicht.

Korrespondenzadresse

M. BundschuhInstitut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin, Zentrum für Gesundheitswissenschaften, Goethe-Universität Frankfurt am MainTheodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  M. Bundschuh und A. Gerber ge-ben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

1. Friedrich-Loeffler-Institut. Afrikanische Schwei-nepest. Januar 2014. http://www.fli.bund.de/de/startseite/aktuelles/tierseuchengeschehen/afrikanische-schweinepest.html. Zugegriffen: 03.02.2014

2. Franke, Jan-Dirk. Bauern beunruhigt: Afrikanische Schweinepest auf dem Vormarsch. Freie Presse. Er-schienen am 05.02.2014. http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/WIRTSCHAFT/WIRTSCHAFT_RE-GIONAL/Bauern-beunruhigt-Afrikanische-Schwei-nepest-auf-dem-Vormarsch-artikel8696452-1.php. Zugegriffen: 06.02.2014

3. Montgomery RE (1921) On a form of swine fever occurring in British East Africa (Kenya Colony). J Comp Pathol 34:159–191

4. Sanchez-Vizcaino JM, Mur L, Martinez-Lopez B (2012) African swine fever: an epidemiological up-date. Transbound Emerg Dis 59(Suppl. 1):27–35

5. Ferreira HCD, Backer JA, Weesendorp E et al (2013) Transmission rate of African swine fever vi-rus under experimental conditions. Vet Microbiol 165:296–304

6. Friedrich-Loeffler-Institut. Afrikanische Schweine-pest (ASP). Stand 28.01.2014. http://www.fli.bund.de/fileadmin/dam_uploads/Publikationen/FLI-In-formationen/FLI-Information_ASP20140128.pdf

7. Glanville WA de, Vial L, Costard S (2014) Spati-al multi-criteria decision analysis to predict suita-bility for African swine fever endemicity in Africa. BMC Vet Res 10:9

8. Atuhaire DK, Afayoa M, Ochwo S et al (2013) Pre-valence of African swine fever virus in apparent-ly healthy domestic pigs in Uganda. BMC Vet Res 9:263

9. Friedrich-Loeffler-Institut. Afrikanische Schwei-nepest beim Schwarzwild. Stand 30.01.2014. ht-tp://www.fli.bund.de/fileadmin/dam_uploads/Pu-blikationen/FLI-Informationen/FLI-Information_FAQ_ASP20140130.pdf. Zugegriffen: 06.02.2014

10. Abrams CC, Goatley L, Fishbourne E et al (2013) Deletion of virulence associated genes from atte-nuated African swine fever virus isolate OUR T88/3 decreases its ability to protect against challenge with virulent virus. Virology 443:99–105

11. Howey EB, O’Donnell V, Carvalho Ferreira HC de et al (2013) Pathogenesis of highly virulent African swine fever virus in domestic pigs exposed via in-traoropharyngeal, intranasopharyngeal, and intra-muscular inoculation, and by direct contact with infected pigs. Virus Res 178:328–339

12. Mottola C, Freitas FB, Simoes M et al (2013) In vit-ro antiviral activity of fluoroquinolones against Af-rican swine fever virus. Vet Microbiol 165:86–94

Zusammenfassung · Abstract

Zbl Arbeitsmed 2014 · 64:117–118DOI 10.1007/s40664-014-0022-8© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

M. Bundschuh · A. Gerber

Afrikanische Schweinepest

ZusammenfassungDer folgende Artikel gibt eine Kurzübersicht über die Afrikanische Schweinepest (ASP), die mit dem Auftreten in Litauen im Janu-ar 2014 erstmals auch die Europäische Union erreicht hat. Bei der Erkrankung handelt es sich um eine hochkontagiöse Viruserkran-kung, die ausschließlich Schweine (Haus- und Wildschweine) betrifft. Ein Impfstoff steht bis-her nicht zur Verfügung, erkrankte Tiere müs-sen getötet werden. Von Bedeutung für die Arbeitsmedizin ist die immer wieder auftre-tende Frage einer möglichen Übertragung auf den Menschen. Die ASP ist jedoch keine Zoonose und stellt somit für den Menschen kein Gesundheitsrisiko dar.

SchlüsselwörterAfrikanische Schweinepest · Viruserkrankung · Haus- und Wildschweine · Übertragung · Wirt

African swine fever

AbstractThis article gives a brief overview of Afri-can swine fever (ASF), which for the first time reached the European Union with its ap-pearance in Lithuania in January 2014. This disease is a highly contagious viral disease which only affects pigs (domestic and wild pigs). Because a vaccine is not yet available, diseased animals must be killed. Important in the work of occupational medicine is the question of possible transmission to humans. However, the ASF is not a zoonosis and is, thus, no health risk for humans.

KeywordsAfrican swine fever · Viral diseases · Domestic and wild pigs · Disease transmission · Host specificity

118 |  Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie 2 · 2014