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1 internistische praxis 2019 Band 60 / 3 Endokarditis – Diagnose – Symptome – Therapie – Prophylaxe internistische praxis 60, 1–14 (2019) Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG Endokarditis – Diagnostik und Therapie S. Hennig 1 , F. Thalhammer 2 1 5. Medizinische Abteilung mit Kardiologie, Kaiser-Franz-Josef Spital, Wien; 2 Klinische Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin, Universitätsklinik für Innere Medizin I, Allgemeines Krankenhaus Wien Einleitung In der präantibiotischen Ära verstarben alle an einer infektiösen Endokarditis (IE) erkrank- ten Patienten, sodass William Osler im Lancet 1885 von der »malignen« Endokarditis sprach. Trotz aller therapeutischen Erfolge beträgt die Mortalität der Endokarditis auch in der Ära po- tenter Antibiotika zwischen 18–25 %. Die Inzi- denzangaben in der Literatur liegen bei 3–10 IE/100.000 Patienten/Jahr, die Zeit vom Auf- treten der ersten Symptome bis zur Diagnose betragen 29 ± 35 Tage, die mittlere stationäre Verweildauer 42 ± 29 Tage. In einer retrospekti- ven Autopsiestudie wurden in einem Sektionsgut zwischen 1981 und 1987 75 % der autoptisch nachgewiesenen Endokarditiden klinisch nicht erkannt [1]. Die überwiegende Mehrzahl der Pa- tienten ist männlich. Die meisten IE sind ambu- lant (69 %), 25 % »healthcare associated« und 6 % durch intravenösen Drogenabusus erworben. Die Mehrzahl der Patienten ist zwischen 50 und 89 Jahre alt. Während früher Streptokokken die Haupterreger einer Endokarditis waren, sind dies heutzutage Staphylokokken. Die IE kann nach der Aktivität (akut, subakut), der Lokalisation (linkskardial, rechtskardial), der Sequenz (Erstmanifestation, Rezidiv, Rein- fektion), der betroffenen Struktur (Nativklap- pe, Fremdmaterial [frühe IE, späte IE]), der Mikrobiologie (mit bzw. ohne Erregernachweis) und nach dem Diagnosestatus (gesichert, wahr- scheinlich, möglich) unterteilt werden. Prädiktoren für eine schlechte Prognose sind hö- heres Lebensalter, Komorbidität (inkl. Diabetes mellitus) und eine Prothesenendokarditis. Eine bestehende Herz- bzw. Niereninsuffizienz, ein ischämischer Schlaganfall, eine zerebrale Blu- tung oder auch ein septischer Schock reduzieren die Überlebenswahrscheinlichkeit. Staphylococ- cus aureus (S. aureus), Pilze, echokardiografi- sche Hinweise auf eine perianuläre Ausbreitung, große Vegetationen oder eine fortgeschrittene Klappenprothesendysfunktion sind ebenfalls suboptimale Ausgangsoptionen. CME c m e. m g o -f ac h v e rl a g e .d e

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1internistische praxis 2019 Band 60 / 3

Endokarditis – Diagnose – Symptome – Therapie – Prophylaxe

internistische praxis 60, 1–14 (2019) Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG

Endokarditis – Diagnostik und

Therapie

S. Hennig1, F. Thalhammer2

15. Medizinische Abteilung mit Kardiologie, Kaiser-Franz-Josef Spital, Wien;

2Klinische Abteilung für Infektionen und Tropenmedizin, Universitätsklinik für Innere

Medizin I, Allgemeines Krankenhaus Wien

� Einleitung

In der präantibiotischen Ära verstarben alle an einer infektiösen Endokarditis (IE) erkrank-ten Patienten, sodass William Osler im Lancet 1885 von der »malignen« Endokarditis sprach. Trotz aller therapeutischen Erfolge beträgt die Mortalität der Endokarditis auch in der Ära po-tenter Anti bio tika zwischen 18–25 %. Die Inzi-denzangaben in der Literatur liegen bei 3–10 IE/100.000 Patienten/Jahr, die Zeit vom Auf-treten der ersten Symptome bis zur Diagnose betragen 29 ± 35 Tage, die mittlere stationäre Verweildauer 42 ± 29 Tage. In einer retrospekti-ven Autopsiestudie wurden in einem Sektionsgut zwischen 1981 und 1987 75 % der aut op tisch nachgewiesenen Endokarditiden klinisch nicht erkannt [1]. Die überwiegende Mehrzahl der Pa-tienten ist männlich. Die meisten IE sind ambu-lant (69 %), 25 % »healthcare associated« und 6 % durch intravenösen Drogenabusus erworben. Die Mehrzahl der Patienten ist zwischen 50 und 89 Jahre alt. Während früher Streptokokken die Haupterreger einer Endo karditis waren, sind dies heutzutage Staphylokokken.

Die IE kann nach der Aktivität (akut, subakut), der Lokalisation (linkskardial, rechtskardial), der Sequenz (Erstmanifestation, Rezidiv, Rein-fektion), der betroffenen Struktur (Nativklap-pe, Fremdmaterial [frühe IE, späte IE]), der Mikrobiologie (mit bzw. ohne Erregernachweis) und nach dem Diagnosestatus (gesichert, wahr-scheinlich, möglich) unterteilt werden.

Prädiktoren für eine schlechte Prognose sind hö-heres Lebensalter, Komorbidität (inkl. Diabetes mellitus) und eine Prothesenendokarditis. Eine bestehende Herz- bzw. Niereninsuffizienz, ein ischämischer Schlaganfall, eine zerebrale Blu-tung oder auch ein septischer Schock reduzieren die Überlebenswahrscheinlichkeit. Staphylococ-cus aureus (S. aureus), Pilze, echokardiografi-sche Hinweise auf eine perianuläre Ausbreitung, große Vegetationen oder eine fortgeschrittene Klappenprothesendysfunktion sind ebenfalls suboptimale Ausgangsoptionen.

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die größer als 10 mm sind, haben ein signifikant erhöhtes Embolierisiko [4]. Janeway-Läsionen sind schmerzlose, hämorrhagische Läsionen pal-mar oder plantar, die nach einigen Tagen wieder vergehen. An den Akren kann man kleine, no-duläre, schmerzhafte Osler-Knötchen finden, die ebenfalls innerhalb weniger Stunden verschwin-den; ähnlich sind die Splinter-Hämorrhagien. Alle IE-Patienten sollten auch fundoskopiert werden, um nach Hinweisen für Roth-Flecken zu suchen, die auf ein embolisches Geschehen hinweisen.

� Diagnose

Duke-Kriterien

Da die Diagnose einer Endokarditis nicht immer einfach ist, wurden schon frühzeitige Kriterien implementiert, die im Laufe der Zeit mehrfach überarbeitet wurden [5]. Die Duke-Kriterien stützen sich auf klinische, echokardiografische und mikrobiologische Befunde (Tab. 1), die letzte Modifikation erweiterte die Bildgebung um die 18F-FDG PET/CT, SPECT/CT sowie die Herz-CT. Eine definitive IE-Diagnose kann ge-

Es ist heute State of the Art, dass Diagnose und Therapie einer Endokarditis im Idealfall durch ein Endokarditis-Team (Infektiologe, Kardiologe, Herzchirurg, Neurologe, Anästhesist, Mikrobiolo-ge) in einem Referenzzentrum erfolgen sollten, da hiermit die Mortalität von 18,5 % auf 8,2 % gesenkt werden kann.

� Symptome

Subfebrile Temperaturen, Nachtschweiß und Gewichtsverlust, die klassische B-Symptomatik, können der erste IE-Hinweis sein. Patienten er-halten nicht selten aufgrund dieser Symptoma-tik eine antimikrobielle Therapie, die eine kurze Besserung der Symptomatik bringt, allerdings kehren die Symptome regelmäßig wieder. Spä-testens jetzt muss differenzialdiagnostisch an eine Endokarditis gedacht werden und es sollte keine weitere empirische Antibiotikatherapie bei stabilen Patienten erfolgen.

Nahezu alle IE-Patienten weisen Allgemeinsym-ptome und Fieber auf; typisch sind Hautmani-festationen und gefürchtet sind die durch Embo-lie verursachten neurologischen Komplikationen (Abb. 1) [2, 3]. Patienten mit Vegetationen,

Abb. 1 | Symptome und Stigmata modifiziert nach [2, 3]

• Allgemeinsymptome 95–100 %

• Fieber 85–100 %• Arthralgien, Myalgien 20–40 %

• Hautmanifestationen 30–70 %

• Splenomegalie 15–50 %• pathologische Herzgeräusche 60–99 %

• neurologische Komplikationen 30–35 %

• Embolien 10–40 %

• Appetitlosigkeit 68 %• Gewichtsverlust 49 %• Nachtschweiß 62 %• Abgeschlagenheit 45 %

• Petechien 20–40 %• Splinter-Häm. 10–30 %• Osler-Knötchen 10–25 %• Janeway-Läsion 5 %

• Hirnembolie• mykotisches Aneurysma• Hirnabszess• Enzephalopathie

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Hauptkriterien

1. Blutkulturen positiv für eine IE

a. Endokarditis-typische Mikroorganismen in 2 unabhängigen Blutkulturen:• Viridans-Streptokokken• Streptococcus gallolyticus (S. bovis)• HACEK-Gruppe• Staphylococcus aureus• Enterokokken (ambulant erworbene, ohne Nachweis eines primären Fokus)

b. Mikroorganismen vereinbar mit einer IE in anhaltend positiven Blutkulturen:• Mindestens 2 positive Kulturen aus Blutentnahmen mit mindestens 12 Stunden Abstand• Jede von 3 oder eine Mehrzahl von 4 unabhängigen Blutkulturen (erste und letzte Probe

in mindestens einer Stunde Abstand entnommen)c. Eine einzelne positive Blutkultur mit Coxiella burnetii oder Phase-I-IgG-Antikörper-Titer

1:800

2. Bildgebung positiv für eine IE

a. Echokardiogramm positiv für IE• Vegetation• Abszess, Pseudoaneurysma, intrakardiale Fistel• Klappenperforation oder Aneurysma• Neue partielle Dehiszenz einer Klappenprothese

b. Abnorme Aktivität in der Umgebung der implantierten Klappenprothese nachgewiesen im• 18F-FDG PET-CT (nur wenn die Prothese vor mehr als 3 Monaten implantiert wurde)• SPECT/CT mit radioaktiv markierten Leukozyten

c. In der Herz-CT definitiv nachgewiesene paravalvuläre Läsionen

Nebenkriterien

1. Prädisposition

• Prädisponierende Herzerkrankung• Intravenöser Drogenabusus

2. Fieber 38°C

3. Vaskuläre Phänomene

• Schwere arterielle Embolien• Septische Lungeninfarkte• Mykotisches Aneurysma• Intrakranielle Blutungen• Konjunktivale Einblutungen• Janeway-Läsionen

Tab. 1 | Modifizierte Duke-Kriterien

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4. Immunologische Phänomene

• Glomerulonephritis• Osler-Knoten• Roth-Spots (Flecken)• Rheumafaktoren

5. Mikrobiologischer Nachweis

• Positive Blutkulturen, die nicht einem Hauptkriterium (wie angeführt) entsprechen• Serologischer Nachweis einer aktiven Infektion mit einem mit IE zu vereinbarenden Organismus

Tab. 1 | Fortsetzung

Abklärungsalgorithmus bei Grenzfällen (z. B. 1 Hauptkriterium + 1 Nebenkriterium od.

3 Nebenkriterien erfüllt)

Native Klappe

Modifizierte Duke Kriterien gemäss ESC-Guidelines

Mögliche IEDefinitive IE Keine IE

1 Echo/Mikrobiologie wiederholen2 Bildgebung mit Frage nach Embolie3 Herz-CT

Künstliche Klappe

1 Echo/Mikrobiologie wiederholen2 18F-FDG PET-CT oder Leukozyten SPECT/CT3 Herz-CT4 Bildgebung mit Frage nach Embolie

Abb. 2 | Abklärungsalgorithmus

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eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass eine Konta-mination vorliegt. Moderne molekularbiologi-sche Untersuchungsverfahren unterstützen die mikrobiologische IE-Diagnostik. Staphylokok-ken sind heute die führenden IE-Erreger, gefolgt von Streptokokken (Abb. 3). Bei Nachweis von Streptococcus gallolyticus (vormals S. bovis) soll-te koloskopisch ein Kolonkarzinom ausgeschlos-sen werden.

Neben dem obligaten Antibiogramm des kulti-vierten IE-Keimes ist zusätzlich auch die Angabe der minimalen Hemmkonzentration (MHK) erfor-derlich.

Bei IE mit S. aureus bzw. Candida species wer-den Kontroll-BK am 2., 4. und 5. Therapietag empfohlen, da die Therapiedauer ab der ersten negativen BK gerechnet wird. Ebenso müssen bei fehlendem Therapieerfolg – Fieber weiterhin vorhanden bzw. neuerlich aufgetreten – entspre-chende Kontroll-BK veranlasst werden.

Alte (Antistaphylokokkenlysintiter, Teichonsäu-re) und neue (Interleukin-10) Laborparameter können in der Diagnostik als auch zur Abschät-

stellt werden, wenn die pathologischen Kriteri-en histologisch bzw. bakteriologisch erfüllt sind oder bei Erfüllung eines Hauptkriteriums, eines Haupt- und zweier Nebenkriterien oder von fünf Nebenkriterien (Abb. 2).

Mikrobiologische Diagnostik

Der Nachweis des verursachenden Erregers ist für eine erfolgreiche IE-Therapie essenziell und sollte dringendst angestrebt werden. Ein Kardi-nalfehler ist die Abnahme zu weniger Blutkultu-ren (BK) – »eine ist keine«! Ein BK-Set besteht immer aus einer aeroben und einer anaeroben Blutkulturflasche. Bei Abnahme von drei BK-Sets besteht eine 96,9 %ige Detektionswahrschein-lichkeit; 74 % der BK werden innerhalb der ers-ten 24 Stunden positiv, nach 72 Stunden sind 98 % positiv. Während zum Nachweis einer IE mit S. aureus eine einzige positive BK ausreicht, sind bei Koagulase-negativen Staphylokokken (KNS) mindestens zwei positive BK notwendig, um zwischen Kontamination und Infektion un-terscheiden zu können. Bei KNS-positiven BK, die erst nach 48 Stunden positiv sind, besteht

Abb. 3 | Keimspektrum

• Staphylokokken- Staphylococcus aureus- Koagulase-neg. Staphylokokken

• Streptokokken- Viridans-Streptokokken

S. sanguis, S. mutans, S. mitior- S. gallolyticuss (S. bovis)

• Enterokokken • Gramneg. Bakterien

- HACEK-Gruppe• Pilze

- Aspergillus- Candida

• Kultur-negative Endokarditis

Kultur-negative Endokarditis• Antibiotikavortherapie• langsam wachsende Bakterien (HACEK)• obligat intracelluläre Erreger

- Coxiella burnetii- Chlamydia psittaci- Chlamydia trachomatis- Mycoplasma pneumoniae

HACEK-Gruppe• Haemophilus parainfluenzae

Haemophilus aprophilus• Actinobacillus actinomycetemcomitans• Cardiobacterium hominis• Eikenella corrodens• Kingella kingae

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Abb. 4 | Herzechokardiografie einer Aortenendokarditis

zung des Mortalitätsrisikos eingesetzt werden [6].

Bildgebung

EchokardiografieBei klinischem Verdacht einer Endokarditis wird zuerst die Durchführung einer transthorakalen Echokardiografie (TTE) empfohlen (Abb. 4). Ist diese negativ, inkonklusiv und es besteht eine hohe Vortestwahrscheinlichkeit für eine IE, sollte eine transösophageale Echokardiografie (TEE) durchgeführt werden. Zudem ist die TEE die Untersuchung der ersten Wahl bei Patienten mit prothetischem Klappenersatz, intrakardi-alen Devices und einer S.-aureus-Bakteriämie. Des Weiteren wird die TEE-Untersuchung nach Beendigung einer antimikrobiellen Therapie zur Evaluierung der Klappenfunktion und -morpho-logie sowie zur Bestimmung der Auswurffraktion empfohlen (Abb. 5) [7, 8].

Laut der European-Society-of-Cardiology (ESC)gelten Vegetationen, paravalvuläre Komplika-tionen (Abszesse, Pseudoaneurysmen, Fisteln), eine neue Dehiszenz an einer Klappenprothese oder Klappenperforationen als echokardiografi-sche Major-Kriterien. Nach neueren Guidelines der ESC und der American Heart Association (AHA) gelten neu festgestellte Klappen in suf-fizien zen nicht mehr als diagnostisches IE- Zeichen [7–10].

Die Sensitivität zur Diagnose von Vegetationen (untere Nachweisgrenze 3 mm) mittels TTE liegt bei Nativklappen bei 60–70 %, bei Prothesen-klappen allerdings nur bei 50 %. Für die TEE lie-gen die korrespondierenden Werte bei 96 bzw. 92 %. Die Sensitivität zur Abszessdiagnose liegt im Falle der TTE bei 50 % und bei der TEE bei 90 %. Interessanterweise änderten sich diese Zahlen trotz deutlich verbesserter Bildgebung seit den 1980er-Jahren kaum [8, 10].

Gerade bei Prothesenklappen sollten jedoch eine TEE und eine TTE durchgeführt werden: Denn die atriale Seite der Mitralklappenprothese ist nur der TEE zugänglich, die ventrikuläre Seite hingegen nur der TTE. Zur genaueren Quantifi-zierung der Vegetationsmorphologie, der Größe der Vegetation und der Ausdehnung von Abs-zessen, Klappendehiszenzen empfiehlt sich die Real-Time-3D-TEE-Untersuchung [9]. Somit ist die TEE der TTE, außer bei Beteiligung der Tri-kuspidalklappe (TTE besser), meist überlegen. Bei negativer TTE/TEE und bei weiterhin beste-hendem klinischem Verdacht auf das Vorliegen einer IE sollte ein Kontroll-TEE in 7–14 Tagen durchgeführt werden [8, 10].

Die rezente HANDOC-Studie stellt einen Score für Patienten mit non-β-hämolysierender Strepto-kok ken- Bakteriämie vor, um bei unsicheren Verdachtsmomenten das Herzecho einsparen zu können und empfiehlt dasselbe erst ab einem Score von 3 Punkten [11].

CT-Angiografie (CTA)Die CTA kann zur Diagnose von Abszessen, Pseu-doaneuyrsmen, Fisteln und zur genauen Beur-teilbarkeit von Klappenprothesen eingesetzt werden. Ein weiterer Vorteil ist die Darstellung der Koronararterien. Bei einer IE der Aortenklap-pe kann die Computertomografie wichtige Infor-mationen zur Größe der Klappe, zur Anatomie, zum Grad der Kalzifizierung der Klappe und zur Aorta ascendens liefern. Dies ist insbesondere bei einem geplanten chirurgischen Eingriff nötig [12].

Im Falle einer Rechtsherzendokarditis könnte die CTA zusätzlich zur Detektion einer Lungen-

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Klappenbewegungen und der Ventrikelfunktion. Die Nachteile sind die lange Dauer der Untersu-chung, teilweise fehlende Kapazitäten und die fehlende Beurteilung von Prothesen (aufgrund der Artefakte). Patienten mit kardialen Devices wie Herzschrittmacher oder ICD (implantierba-re Kardioverter-Defibrillatoren) können nur mit MRT-tauglichen Geräten und nach vorherigem Deaktivieren des Geräts untersucht werden [14].

In einer Studie konnte gezeigt werden, dass die Endokarditisdiagnose früher gestellt werden konnte. Es handelte sich um kranke Patienten, bei denen echokardiografisch jedoch noch keine IE nachgewiesen werden konnte, bei 25 % der Patienten waren zerebrale Läsionen zu finden, echokardiografisch zeigten sich erst später Vege-tationen [15, 16].

er krankung, wie Abszessen oder Pulmonalembo-lien, beitragen. Auch Milzabszesse, die häufig bei einer IE zu finden sind, können gut in der CT dargestellt werden.

MagnetresonanztomografieDie MRT eignet sich hervorragend zur Diagnostik von zerebralen Läsionen. In 50–80 % der Fälle handelt es sich um ischämische Embolien [13]. Parenchymale oder subarachnoidale Blutungen, Abszesse oder mykotische Aneurysmen sind sel-ten (10 %) zu finden. Die Entdeckung zerebra-ler Komplikationen kann unter Umständen auch den Zeitpunkt einer eventuell nötigen Operation beeinflussen.

Die weiteren Vorteile der MRT sind die fehlende Strahlenbelastung, die direkte Darstellung von

begründete Verdachtsdiagnose„Infektiöse Endokarditis“

TTE

TEE

hohes Risiko,virulenter Erreger,

persisitierende Bakteriämie oder Fieber, neuer AV-Block, Embolie,

geplante OP

positivprothetischerKlappenersatz

schlechteSchallqualität

negativ

TEE

hoch

Wahrscheinlichkeitfür das Vorliegen einer

infektiösen Endokarditis

mittel gering

TEE StopTEE

Bei negativem TEE und weiter bestehendem klinischen Verdacht auf das Vorliegen einer infektiösen Endokarditis: erneutes TEE in 7–14 Tagen

TEE

Abb. 5 | Algorithmus der Herzechokardiografie modifiziert nach [7, 8]

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Therapieempfehlungen

Die nachfolgenden Therapieempfehlungen basie-ren auf den aktuellen Leitlinien unter Berück-sichtigung deutscher und österreichischer The-rapiegepflogenheiten [20–22]. Ein Manko aller aktuellen IE-Therapieempfehlungen ist aller-dings, dass es zwar neue Substanzen gibt, jedoch keine entsprechenden Therapie- bzw. Zulassungs-studien. Die erregerspezifischen Therapieoptio-nen sind in Tabelle 2 zusammengefasst, die substanzspezifischen Besonderheiten werden im Text diskutiert. Die Therapiedauer ist von einer etwaigen Klappenoperation unbeeinflusst.

Aminoglykoside (AG) werden zunehmend kri-tisch in der IE-Therapie diskutiert, da es zum einen nur wenige randomisierte Studien gibt und die AG-basierten Kombinationen zum anderen weder die Mortalität, die klinische oder mikro-biologische Versagensrate noch die Notwendig-keit von Herzoperationen reduzierten, jedoch zu einer 2,2-fachen Steigerung der Nephrotoxizität führten. Jedenfalls wird die AG-Tagesdosis, falls AG überhaupt zum Einsatz kommen, auch in der Indikation IE nur einmal täglich verabreicht. Die Kombination Ampicillin plus Ceftriaxon ist einer AG-Kombination bei Enterokokken ebenbürtig, jedoch mit dem großen Vorteil einer signifikant geringeren Nephrotoxizität.

Betalaktamantibiotika stellen immer noch den Eckpfeiler der IE-Therapie dar. Cefazolin könnte bei entsprechender Dosierung trotz eines mögli-chen Inokulum-Effektes effektiver als Flucloxa-cillin sein, welches in der Langzeitanwendung hepatotoxisch in der notwendig höheren Dosie-rung sein kann. Rezente Studien sind diesbe-züglich heterogen, zeigen jedoch, dass Cefazo-lin-basierte Therapien ein signifikant niedrigeres Mortalitätsrisiko haben.

Gegenüber Linezolid oder Vancomycin weisen die Cephalosporine der 5. Generation (Ceftaro-lin, Ceftobiprol) eine hervorragende Aktivität gegen Staphylokokken auf, sodass diese trotz fehlender Zulassung bei einem entsprechend vorliegendem Antibiogramm alternativ einge-setzt werden können.

Positronen-Emissions-Tomografie (PET-CT)In der PET lassen sich sowohl die Herzklappen als auch perivalvuläre Veränderungen und die Koronar arterien gut darstellen; auch zur Dif-ferenzialdiagnose zwischen IE und System er-krankungen wie Vaskulitis, Thromben, kardialen Metastasen, primären Herztumoren oder Libman- Sacks- Endokarditis kann eine PET-CT durchge-führt werden. Die PET-CT ist jedoch nur in we-nigen Zentren verfügbar und sollte daher nur in Zweifelsfällen durchgeführt werden [16, 17].

� Therapie

Präambel

Die von Christie 1948 im British Medical Journal publizierte Studie zeigte, dass Penicillin G für eine erfolgreiche IE-Therapie ausreichend hoch und ausreichend lang gegeben werden muss [18]. In einem Cochrane-Review aus dem Jahr 2016 schrieben Martí-Carvajal et al.: »Limited and very low quality evidence suggested that there were no conclusive differences be tween antibiotic re-gimens in terms of cure rates or other relevant clinical outcomes. However, because of the very low quality evidence, this needs confirmation. The conclusion of this Cochrane review was based on randomised controlled trials with high risk of bias. Accordingly, current evidence does not sup-port or reject any regimen of antibiotic therapy for treatment of infective endocarditis.« [19]

Bei der Auswahl des geeigneten Antibiotikums sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen: Die Erreger liegen in einem hohen Inokulum vor, weisen unter einem Biofilm einen inaktiven Bak-terienmetabolismus auf, sind vor dem körperei-genen Immunsystem geschützt und die erzielten Antibiotikakonzentrationen sind oft nur knapp oberhalb MHK und daher zur Sterilisation un-genügend. Das Antibiotikum weist eine rasche und bakterizide Aktivität auf, die Konzentration im Blut ist ausreichend lang und ausreichend hoch, es erfolgt keine Neutralisierung durch die Eiweißbindung und es penetriert ausgezeichnet in die Fibrinauflagerungen.

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Therapie der Wahl Alternativtherapie Therapie-dauer

Staphylococcus aureus – Methicillin-sensibel (MSSA)

Cefazolin 3 x 2,0–4,0 g Flucloxacillin 3 x 4,0 gDaptomycin 1 x 10–12 mg/kg KG

4–6 Wochen

Staphylococcus aureus – Methicillin-resistent (MRSA)

Daptomycin 1 x 10–12 mg/kg KGPLUSRifampicin 2 x 300–450 mgODERFosfomycin 3 x 4,0–8,0 g

… mit zugelassener IndikationTeicoplanin

Tg1–2(3)LD 2 x 15 mg/kg KGabTg4MoMiFrED

1 x 15 mg/kg KGLinezolid 2–3 x 600 mg… ohne zugelassene IndikationDalbavancin

Tg1LD 1 x 1,5 gjd15.TgED 1 x 1,0 g

Ceftarolin 3 x 1,2 gTedizolid 1 x 200 mg (Dosierung?)

6–8 Wochen

Koagulase-negative Staphylokokken (KNS)

Daptomycin 1 x 10–12 mg/kg KGPLUSRifampicin 2 x 300–450 mgODERFosfomycin 3 x 4,0–8,0 g

… mit zugelassener IndikationLinezolid 2–3 x 600 mg… ohne zugelassene IndikationDalbavancin

Tg1LD 1 x 1,5 gjd15.TgED 1 x 1,0 g

Ceftarolin 3 x 1,2 gTedizolid 1 x 200 mg (Dosierung?)

6–8 Wochen

Streptokokken

Penicillin G 3 x 10 Mio IE Ceftriaxon 2 x 2,0 g 4–6 Wochen

Enterokokken

Ampicillin 3 x 4,0 gPLUSCeftriaxon 2 x 2,0 g

eventuell PLUS Amninoglykosid 1x tgl

Daptomycin 1 x 10–12 mg/kg KGeventuell PLUSAmpicillin 3 x 4,0 gTeicoplanin

Tg1–2(3)LD 2 x 15 mg/kg KGabTg4MoMiFrED

1 x 15 mg/kg KGLinezolid 2–3 x 600 mgeventuell PLUS Amninoglykosid 1x tgl

6–8 Wochen

Tab. 2 | Erregerspezifische Therapieempfehlungen

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15. Tag 1,0 g Dalbavancin als Erhaltungsdosis bis zum Therapieende [23]. Zu Oritavancin und Endo karditis gibt es bis dato noch keine Daten.

Lipopeptide: Daptomycin zeichnet sich durch eine stringente konzentrationsabhängige bakte-rizide Aktivität aus und ist das letzte neue An-tibiotikum, welches auch eine Zulassung für die IE-Therapie hat. Ein weiterer Vorteil dieser Sub-stanz ist die biofilminhibierende Wirkung und die homogene Durchdringung der Herzklappen. Am European Congress of Clinical Microbiology and Infectious Diseases (ECCMID) 2013 wurde das Therapiekonzept von Daptomycin in Kombi-nation mit einem Betalaktamantibiotikum bzw. Fosfomycin für schwer zu therapierende MSSA-IE bzw. MRSA-IE vorgestellt [24, 25]. Die Kombi-nationstherapie wirkt synergistisch und soll die Resistenzentwicklung verhindern. Eine Kombina-tion von Daptomycin plus Ceftarolin soll die Bak-teriämiedauer auf zwei Tage im Mittel verkürzen [26]. Auch bei Bakteriämien mit Strepto coc cus mitis wird eine Kombination von Daptomycin mit Ceftriaxon oder Ceftarolin empfohlen. Bei Vorliegen einer Vancomycin-resistenten Entero-kokken-IE ist einerseits eine hochdosierte Dap-tomycintherapie (12 mg/kg KG) vorteilhaft, zusätzlich sollte ebenfalls eine Kombination (Ampicillin, Ceftriaxon?) [27] erfolgen.

Ambulante parenterale Antibiotikatherapie (APAT)Obgleich es die ersten Studien gibt, welche nach einer unterschiedlich langen parenteralen Therapiephase die Umstellung auf eine perorale Therapie für die restliche Therapiedauer untersu-chen, ist die parenterale Therapie für die gesam-te Therapiedauer derzeit noch State of the Art. In einer rezenten Studie diskutieren Iversen et al. die Umstellung auf eine perorale Anti bio tika-therapie nach einer parenteralen Anfangsphase bei stabilen Patienten mit einer Links herz-endo karditis [28]. Allerdings ist auch nach den ESC-Empfehlungen ab dem 15. Therapietag eine Umstellung auf eine ambulante parenterale Anti-bio tika therapie (APAT) möglich. Unser Zentrum hat langjährige und gute Erfahrung mit Tei co pla-nin, mit der Markteinführung von Dalbavancin revolutionierte sich jedoch die APAT der IE. Das

Penicillin G ist bei Streptokokken seit seiner Einführung immer noch eine äußerst wirksame Therapie.

Glykopeptide (Teicoplanin, Vancomycin) waren jahrzehntelang die einzigen Optionen bei Methi-cillin-resistenten Staphylokokken (MRSA). Neben der Nephrotoxizität, dem Inokulum-Effekt, der schlechten Gewebepenetration und der Dosie-rungsproblematik schneidet Vancomycin in allen Studien bei Methicillin-sensiblen Staphylokokken (MSSA) signifikant schlechter als das Betalaktam ab. Aus all den genannten Gründen entschlossen sich die Autoren der kommentierten deutschspra-chigen ESC-Leitlinien, sich gegen den Einsatz von Vancomycin auszusprechen [21].

Teicoplanin, nicht in allen Ländern erhältlich, fehlt zwar die Nephrotoxizität, jedoch dauert in der herkömmlichen Dosierung das Aufspiegeln auf einen Zieltalspiegel von 40–60 μg/mL re-lativ lange. Die neuen Dosierungsempfehlungen sollten hierbei Abhilfe schaffen (Tab. 2). Im Vergleich zu Vancomycin ist Teicoplanin bei KNS schwächer wirksam, eine Alternative stellt Daptomycin dar. Aufgrund seiner langen Halb-wertszeit war Teicoplanin jahrzehntelang das Arbeitspferd in der ambulanten parenteralen An-tibiotikatherapie (APAT) bis es von Dalbavancin abgelöst wurde.

Beide Glykopeptide sind bei empfindlichen Enterokokken einer Aminopenicillintherapie un-terlegen.

Lipoglykopeptide (Dalbavancin, Oritavancin) sind die langwirksamen Nachfolgesubstanzen von Teicoplanin (Dalbavancin) oder Vancomy-cin (Oritavancin). Im Vergleich zu Teicoplanin hat Dalbavancin eine Halbwertszeit von etwa 364 Stunden, minimale Hemmkonzentrationen (MHK90) gegenüber MSSA, MRSA und KNS als auch Enterokokken von 0,06 μg/mL. Zusätzlich konnten In-vitro-Studien eine biofilminhibie-rende Wirksamkeit nachweisen. Eine singuläre Zentrumsstudie zeigte rezent die hervorragende Therapieoption von Dalbavancin bei IE-Patien-ten: Diese erhielten am 1. Tag 1,5 g Dalbavan-cin als Ladungsdosierung, anschließend jeden

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ran-Gruppe schneller reduzierte und eine höhere Rate an negativen BK erzielt wurde [29].

� Endokarditisprophylaxe

Die Endokarditisprophylaxe beschränkt sich im Gegensatz zu früher auf eine kleine Gruppe von Patienten mit folgenden Risikofaktoren: Klappen-prothesen inkl. Transkatheterklappen (TAVI), mit prothetischem Material rekonstruierte Klappen, St. p. Endokarditis, alle angeborenen, zyanoti-schen Vitien sowie bis zu sechs Monate nach operativer oder interventioneller Korrektur an-geborener Vitien (bei Shunt oder Klappeninsuf-fizienz lebenslang). Ebenso überschaubar sind die Eingriffe, welche bei der angeführten Patien-tengruppe eine antimikrobielle Prophylaxe erfor-dern: Alle zahnärztlichen Eingriffe, die mit einer Manipulation der Gingiva oder der periapikalen Zahnregion sowie einer Perforation der Mukosa verbunden sind. Bei Eingriffen am Respirations-trakt (einschließlich Bronchoskopie), Gastroin-testinal- (einschließlich Gastro- und Koloskopie) und Urogenitaltrakt (Zystoskopie), bei transöso-phagealem Herzecho oder Eingriffen an Haut und

derzeitige IE-Therapieschema ab dem Zeitpunkt der Entlassung des Patienten ist Daptomycin 1,5 g Ladungsdosis an Tag 1, anschließend 1,0 g Daptomycin als Erhaltungsdosis jeden 15. Tag über die gesamte Therapiedauer [23].

MonitoringIm ersten Jahr nach einer Endokarditis sollten die Patienten in den Monaten 1, 3, 6 und 12 zur Kontrolle einberufen werden. Bei dieser sind zwei BK-Sets abzunehmen und ein Kon troll herz-echo durchzuführen. Bei Fieber, Schüttelfrost und Infektzeichen muss der IE-Patient sofort vorstellig werden.

� Neuigkeiten aus dem Tierversuch

S. aureus induziert die Thrombozytenaggrega-tion und aktiviert das Gerinnungssystem. Bei Ratten wurde eine S.-aureus-Endokarditis in-duziert, welche anschließend mit Gentamicin behandelt wurde. Eine Gruppe erhielt zusätzlich zweimal täglich Dabigatran 10 mg/kg KG i.p.. Es zeigte sich, dass sich die Bakterienlast auf der Herzklappe als auch in der Milz in der Dabigat-

Abb. 6 | Inzidenz der Bakteriämie bei unterschiedlichen Antibiotikaprophylaxen [30]

0 %0 30 sec 15 min 60 min

10 %

20 %

30 %

40 %

50 %

60 %

70 %

80 %

90 %

100 %

KontrollgruppeClindamycin 600 mg p.o.Azithromycin 600 mg p.o.Amoxicillin 2,0 g p.o.Amoxicillin/Clavulansäure 1,2 g i.v.

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2019 Band 60 / 3 internistische praxis 12

te Diagnostik (Blutkulturen, Herzechokardiogra-fie, Schnittbildverfahren) ist für die Diagnostik essenziell. Staphylokokken sind inzwischen die Haupterreger. Die Therapieentscheidungen soll-ten heute im Rahmen eines Endokarditisboards getroffen werden. Betalaktame und moderne Lipopeptide bzw. Lipoglykopeptide sind Thera-pien der Wahl. Ein essenzieller Bestandteil ist eine ausreichend hohe und lang andauernde an-timikrobielle Therapie. Die Therapie hat (noch) parenteral zu erfolgen, obgleich es zunehmend Studien gibt, die eine orale Therapieoption als Alternative untersuchen. Die ambulante par-entera le Therapie hat sich bei stabilen Patienten als Alternative zur stationären Therapie etabliert. Es gibt einige sehr wirksame Antibiotika zur The-rapie von Staphylokokken-, Streptokokken- oder Enterokokken-IE, jedoch liegen für diese, außer Zentrumserfahrungen, keine Zulassungsstudien oder eine entsprechend zugelassene Indikati-on bei IE vor. Vancomycin geht im Vergleich zu den anderen Therapieoptionen mit mehr Proble-men als Vorteilen einher. Aminoglykoside sind kritisch zu betrachten und sollten nur noch im Einzelfall zum Einsatz kommen.

Hennig S, Thalhammer F: Infectious Endocarditis: diagnosis and

antimicrobial therapy

Summary: The mortality of infective endocarditis is still very high. An excellent diagnostic approach is essential for the diagnosis. An »endocarditis-team« should be responsible for the treatment decisions. It is important to cover primarily staphylococci species and streptococci. The parenteral treatments of choice are betalactams, lipopeptides as well as lipoglycopeptides. Aminoglycosides and vancomycin should be used with great care.

Keywords: endocarditis – diagnosis – symptoms – treatment – prophylaxis

Weichteilen wird keine Antibiotikaprophylaxe empfohlen. Die empfohlene Antibiotikprophyla-xe selbst hat sich nicht geändert: Jeweils einma-lig (Single-Shot!) Amoxicillin 2,0 g per os oder Ampicillin 2,0 g parenteral 30–60 Minuten vor dem Eingriff; bei einer Penicillinallergie Clin-damycin 600 mg. Allerdings erfasst Clindamycin nicht die Enterokokken, sodass angesichts des beeindruckenden Preisverfalls Linezolid 600 mg eine denkbare, jedoch eine (noch) nicht durch Leitlinien empfohlene Alternative wäre. Aller-dings zeigte eine rezente Studie, dass nur die Gabe von 1,2 g Amoxicillin/Clavulansäure par-enteral bei allen Patienten die Bakteriämie zu allen Zeitpunkten (30 s, 15 min, 1 h) verhindern konnte (Abb. 6) [30].

Eine aktuelle Studie diskutiert, ob bei Hochri-sikopatienten die 2007 empfohlene Umstellung der Antibiotikaprophylaxe nicht doch mit einem signifikanten Anstieg an Endokarditiden verge-sellschaftet sein könnte [31].

� Fazit für die Praxis

• Die Mortalität der infektiösen Endokarditis ist erschreckend hoch.

• Eine akkurate Diagnostik ist für die Diagnostik essenziell.

• Staphylokokken sind inzwischen die Haupt-erreger.

• Die Therapieentscheidungen sollten im Rahmen eines Endokarditisboards getroffen werden.

• Betalaktame und moderne Lipo peptide bzw. Lipoglykopeptide sind Therapien der Wahl.

• Vancomycin ist im Vergleich zu den anderen Therapieoptionen mit mehr Pro ble men als Vorteilen assoziiert.

• Aminoglykoside sind kritisch zu betrachten und sollten nur noch im Einzelfall zum Einsatz kommen.

� Zusammenfassung

Die Mortalität der infektiösen Endokarditis (IE) ist immer noch erschreckend hoch. Eine akkura-

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2019 Band 60 / 3 internistische praxis 14

Dr. Stefanie Hennig5. Medizinische Abteilung mit Kardiologie

Kaiser-Franz-Josef SpitalKundratstraße 3

A-1100 Wien

Univ.-Prof. Dr. Florian ThalhammerKlinische Abteilung für Infektionen

und TropenmedizinUniversitätsklinik für Innere Medizin I

AKH WienWähringer Gürtel 18-20

A-1090 Wien

[email protected]

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Interessenkonflikt: Frau Dr. Hennig gibt an, dass bei der Erstellung des Beitrags keine In-teressenkonflikte im Sinne der Empfehlungen des International Committee of Medical Journal Editors bestanden. Herr Prof. Dr. Thalhammer erklärt, dass Verbindungen zu den Firmen MSD SHARP & DOHME GmbH (Daptomycin), sano-fi-aventis GmbH (Teicoplanin) und Angelini Phar-ma Österreich GmbH (Dalbavancin) in Form von Vortragstätigkeiten bestehen.