zwischensprachliche intonationsunterschiede als phonologische kategorien oder als phonetische...
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Zwischensprachliche Intonationsunterschiede als „phonologische Kategorien“ oder als „phonetische Realisationsregeln“
Intonationsunterschiede zwischen dem Nord- und Süddeutschen
Carola Mook
Übersicht
Einführung Methoden Sprecher Experiment 1 Experiment 2 Schlussfolgerungen
Einführung
Viele Studien zeigten, dass der Zusammenhang von Grundfrequenz und phonetischen Segmenten sehr regelhaft ist Bsp: F0-Minima und –Maxima befinden sich an
bestimmten Punkten, wie zum Beispiel am Onset der betonten Silbe
Artikel will zeigen, dass sich dieses Intonationsmuster nach bestimmten Regeln von Sprache zu Sprache verändert sowie auch innerhalb einer Sprache von Dialekt zu Dialekt
Methoden
Sprachmaterial erstellt zur Kontrolle struktureller und phonetischer Variablen
Sprecher im Labor aufgezeichnet Keine Instruktionen wie die Sätze betont werden
sollten Messung der akustischen Variablen Augenmerk lag immer auf dem ersten akzentuierten
Wort im Satz
Sprecher
18 Sprecher (9 Süddeutsche + 9 Norddeutsche) Alle Sprecher aus München (Norddeutsche haben
min. 20 Jahre in Norddeutschland gelebt) Die Aufnahmen von zwei Sprecher aus jeder Gruppe
aus der Untersuchung ausgeschlossen (zu viele Versprecher)
7 Sprecher (4 Männer + 3 Frauen) in jeder Dialektgruppe
Experiment 1
Ziel: Bestätigung folgender HypothesenF0-Minima und –Maxima im Deutschen später
angeordnet als im Englischen F0-Minima und –Maxima im Süddeutschen später
angeordnet als im Norddeutschen
Experiment 1
Sprachmaterial: 13 Testsätze mit 16 Füllern Testwort: Adjektiv + Substantiv oder Substantiv +
Genitivkonstruktion Sicherte pränuklearen, steigenden Akzent auf Testwort und
nuklearen Akzent auf folgenden Substantiv Testsilbe von unbetonten Silben umgeben Testsilbe enthielt immer einen Kurzvokal um Effekte der
Vokallängung zu vermeiden Konsonanten der Testsilbe immer Sonoranten (meist Nasale)
um glatte F0-Kontur zu erhalten
Experiment 1
Beispiel Sprachmaterial: „Die nonnenhafte Kleidung steht ihr überhaupt
nicht.“ (Adjektiv + Substantiv) „Die Verlängerung der Ausleihfrist ist leider nicht
möglich.“ (Substantiv + Genitivkonstruktion)
Experiment 1
C0 – Beginn des ersten Konsonanten der Testsilbe
V0 – Beginn des Vokals der Testsilbe
C1 – Beginn des letzten Konsonanten der Testsilbe
V1 – Ende des letzten Konsonanten der Testsilbe
L – lokales F0-Minimum H – Lokales F0-Maximum
Experiment 1
Ergebnisse:
H (ref V1) L (ref V0) L (ref C0)
Durchschnitt
Nord 21,4 -39,4 38,2
Durchschnitt Süd
34,0 -3,1 67,9
Experiment 1
Auswertung:L und H einzeln analysiertUnterschied zwischen den Gruppen signifikant für
LUnterschied von H hat keine Signifikanz erreicht
(wahrscheinlich zu kleine Gruppe)L liegt im Vokal der Testsilbe: Nordgruppe 10%,
Südgruppe ca. 66%
Experiment 1
Betonte Silbe: CVC Norddeutsch: L (F0
Minima) liegt meist im ersten Konsonanten der betonten Silbe
Süddeutsch: L liegt meist am Ende des Konsonanten bis in den Vokal
Griechisch + Englisch: Beginn des ersten Konsonanten
Experiment 1
Ziel: Bestätigung folgender HypothesenF0-Minima und –Maxima im Deutschen später
angeordnet als im Englischen F0-Minima und –Maxima im Süddeutschen später
angeordnet als im Norddeutschen
Konnten beide bestätigt werden!
Experiment 2
Ziel: Bestätigung folgender Hypothesen Deutsche Sprecher übertragen das
Intonationsmuster ihrer Muttersprache auch auf andere Sprachen, zum Beispiel Englisch
Die Intonationsunterschiede aus dem Nord- und Süddeutschen zeigen sich auch im Englischen
Experiment 2
Sprachmaterial: 15 Testsätze mit 25 Füllern Sätze stammten aus der Untersuchung des Englischen
Direkter Vergleich möglich der Intonation der Muttersprachler und der Deutschen
Beispiel: „She‘s a minister‘s wife in the Home Counties.“ „There was an anomalous reading in the data.“
Experiment 2
Anmerkung: Sätze des Englischen wurden in unterschiedlichen
Geschwindigkeiten aufgenommen (langsam, normal, schnell)
Tempo mit dem die Deutschen die englischen Sätze sprachen lag genau zwischen langsam und normal der englischen Sprecher
Sätze der Deutschen wurden mit beiden Varianten der englischen Sprecher verglichen
Experiment 2
Ergebnisse:H (ref V1) L (ref V0) L (ref C0)
Durchschnitt Nord
10,7 -41,9 49,9
Durchschnitt Süd
26,1 -26,5 60,2
Durchschnitt Deutschland
18,4 -34,2 55,1
Durchschnitt English norm
-3,6 -86,9 -5,5
Durchschnitt Englisch slow
18,4 -109,5 -6,8
Experiment 2
Auswertung: Vergleich Deutsch –
Englisch: F0-Minima und -Maxima lagen signifikant später als im Englischen
Vergleich Norddeutsch – Süddeutsch: F0-Minima und -Maxima lagen annährend signifikant später als im Norddeutschen
Experiment 2
Ziel: Bestätigung folgender Hypothesen Deutsche Sprecher übertragen das
Intonationsmuster ihrer Muttersprache auch auf andere Sprachen, zum Beispiel Englisch
Die Intonationsunterschiede aus dem Nord- und Süddeutschen zeigen sich auch im Englischen
Konnten beide bestätigt werden!
Schlussfolgerungen
Zwischensprachliche Intonationsunterschiede als „unterschiedliche phonologische Kategorien“ oder als „quantitative phonetische Realisationsregeln“ ? Intonationsunterschiede zwischen Sprachen klein, aber
stets vorhanden, sprich keine zwei Sprachen weisen das gleiche Intonationsmuster auf
Intonationsunterschiede innerhalb des Deutschen weist eher auf ein Kontinuum hin als auf Kategorien, da sonst innerhalb einer Sprache keine Unterschiede auftreten dürften
Schlussfolgerungen
Annahme: es gibt ein Kontinuum an Akzenten, die sich quantitativ von einer Sprache zur anderen unterscheiden, auch wenn jede Sprach bloß eine Kategorie eines Akzents besitzt
Beispiel: Jede Sprache nur einen „steigenden pränuklearen Akzent“, aber dieser unterscheidet sich in jeder Sprache quantitativ
Schlussfolgerungen
Aber: In allen 4 untersuchten Sprachen (Deutsch, Englisch,
Niederländisch, Griechisch) betonten die Versuchspersonen den ersten Hauptakzent in ähnlicher Weise (ohne Instruktion)
Bekanntes Phänomen: Sprecher einer Sprache L1 übertragen bestimmte phonetische Merkmale in eine Sprache L2, wenn sie eine phonologische Kategorie finden, die es auch in L1gibt
Beispiel: L1 = Englisch; L2 = Französisch; französisches /u/ wird mit englischem /u/ identifiziert gesprochen wie englisches /u/
Keine Übereinstimmung bei französischem /y/
Schlussfolgerungen
Im Fall, dass sich dieses Phänomen auf die Intonation übertragen lässt, könnte man annehmen, dass: Sprecher erkennt „steigender Akzent“ in Sprache L2 und
nutzt den bekannten steigenden Akzent aus Sprache L1 Phänomen im Experiment 2 nachgewiesen für den normalen steigenden Akzent gibt es nur eine
Kategorie, die in allen (westeuropäischen) Sprachen gleich ist
Schlussfolgerungen
Zwischensprachliche Intonationsunterschiede eher als „phonologische Kategorien“ zu betrachten
Quelle
Atterer,M. & Ladd, D.R. (2004). On the phonetics and phonology of "segmental anchoring" of F0: evidence from German. Journal of Phonetics 32(2), 177-197