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ZUR WIRKUNGSGESCHICHTE DES CHUANG-TZU
**
KUO HSIANG UND SEINE ZEIT
(AM BEISPIEL DES KAP. 22)
Diese Arbeit wurde Herrn Prof. R.P. Kramers vom Ostasiatischen Seminar der Universität Zürich im Juli 1978 als Lizenziatsarbeit eingereicht.
Werner Niffeler
Der Philosph Chuang-tzu, aus Tseng Kuo Fan: "Bildnisse grosser Männer"
Als Chun-mang ostwärts zum Ozean reiste, begegnete er Ylian- feng am östlichen Meer.
"Wohin des Wegs?" rief der ihm zu.
"Ich gehe zum Ozean", antwortete Chun-mang.
"Was wollt Ihr da tun?" fragte Yüan-feng.
"Tun?" sagte Chun-mang. "Der Ozean ist kein Ding, das man durch Eingiessen füllen oder durch Ausschöpfen leeren könnte. Ich gehe zu ihm, um mich an ihm zu erfreuen".
-I-
Nähert man sich der "chinesischen Philosophie" unvoreingenommen, wird
einem bald klar, dass zwischen ihr und der westlichen Philosophie ein
grundlegender Unterschied besteht. Setzt man sich intensiver mit ihr
auseinander, verstärkt sich dieser Eindruck - bis man schliesslich
zur Einsicht gelangt, dass der Ausdruck Philosophie hier nicht an
wendbar ist.
Philosophie ist Wissenschaft und damit Begriffsarbeit, Umsetzung des
anschaulich Gegebenen in Begriffe. Und was den Philosophen anlangt,
so geht es ihm vornehmlich um die Vermehrung positiver Kenntnisse und
um deren Wertung. Anders der chinesische Denker. Indem er die Viel
falt der Objekte und Wissensgebiete beiseiteschiebt und deü Begriff
als Träger des philosophischen Denkens bis an die Grenze des Mög
lichen ignoriert, versucht er, den unmittelbaren Kontakt mit dem Wirk
lichen herzustellen.
Aus den unterschiedlichen Intentionen der beiden Denker ergeben sich
zwangsläufig divergierende Methoden. Während der Philosoph als Ver
treter der höchsten Wissenschaft eine diskursive Methode zu be
folgen hat, und Klarheit des Ausdrucks sowie einwandfreie Explikation
seiner Gedankengänge für die Beurteilung seines Schaffens von grösster
Wichtigkeit sind, verfolgt der chinesische Denker einen anderen Weg.
Seine Mittel sind Parabel, Aphorismen und Allusion.
Auf den ersten Blick mag diese Tatsache verwundern, und darin liegt
wohl auch ein Grund dafür, dass selbst Gelehrte wie Max Weber zu
irrigen Aussagen über die "Chinesische Philosophie" gelangten. So
schreibt er: "Die Philosophie selbst hatte weder spekulativ-syste
matischen Charakter, ...noch rational-formalistischen, ... noch
empirisch-kasuistischen. Sie gebar keine Scholastik, da sie nicht ...
eine fachmännische Logik betrieb." "Wortspiele, Euphemismen, An-
1 zitiert aus Max Weber; Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie Bd. I, S. 415
II-
spielungen auf klassische Zitate und eine feine, rein literarische
Geistigkeit galt als Ideal der Konversation vornehmer Männer^
Es ist ausgerechnet die Bedeutung der Konversation, die von den Be
trachtern der chinesischen Geisteswelt weitgehend ignoriert wurde
und leider noch immer wird. Ist nach westlicher Vorstellung philo
sophische Weisheit für jeden klaren und danach verlangenden Geist
erreichbar, so glaubt man im Osten an eine ontologische Beziehung
zwischen der Erkenntnis, deren ein Mensch fähig ist, und seinem all
gemeinen Zustand.
Diese östliche Erkenntnis hat einen doppelten Aspekt.
Auf der einen Seite ist sie ein Zustand des Bewusstseins, der von
der Kondition des ganzen Subjekts abhängt und mit ihm in Beziehung
steht. Andererseits folgt aus ihr - ist sie einmal erworben - eine
Veränderung in der ganzen Verfassung des Subjekts. Tatsächlich be
steht diese Art der Erkenntnis nur insoweit, als sie diese Veränderung
bewirkt.
Wir sehen also, dass im Gegensatz zur begrifflichen Erkenntnis des
Westens, die östliche - und damit speziell die chinesische Erkenntnis -
nicht nur das Denkvermögen und die Gedanken des Menschen einbezieht,
sondern sein ganzes Sein. Verallgemeinernd lässt sich dies auf die
Formel bringen, dass "chinesische Erkenntnis" weit mehr am Bewusst
sein selbst interessiert ist, während die philosophische Erkenntnis
des Abendlandes sich den Objekten des Bewusstseins zuwendet.
Dass Erkenntnis, die unmittelbar bewusstsei ns verändernd wirkt, sich
nicht wie andere Kenntnisse in Worte fassen lässt, "ein Wissender2
redet nicht, ein Redender weiss nicht" ist auch der westlichen Phi
losophie bekannt, wird aber meist übersehen. So sagt bereits Platon:
1 zitiert aus Max Weber; Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. I, S. 415
2 vergl. Lao-tzu Kap. 56
-III-
"von mir selbst gibt es keine Schrift über diese Gegenstände
(sc. Mittelbarkeit der wahren Erkenntnis) noch dürfte eine er
scheinen; lässt es sich doch in keiner Weise wie andere Kenntnisse
in Worte fassen, sondern indem es, vermöge der langen Beschäftigung
mit dem Gegenstände und dem Sichhineinleben, wie ein durch einen ab
springenden Feuerfunken plötzlich entzündetes Licht in der Seele
erzeugt und dann durch sich selbst Nahrung erhält."'
Es ist das zentrale Anliegen der chinesischen Meister, eine Spannung
aufzubauen, bei der der "Feuerfunken abspringt". Diese Tatsache
verdeutlicht, weshalb das treffende Wort nicht ein Terminus mit scharf
umrissener Bedeutung ist, sondern ein Ausdruck, in dem sich eine auf
fordernde, ja zwingende Macht bekundet. Wirksamkeit des Ausdrucks ist
das anvisierte Ziel. Ein Gedanke pflanzt sich vom Meister zum Schüler
oder vom Autor zum Leser fort, ohne dass letzterem die kleinste An
strengung erspart bliebe, und auch ohne dass man ihm die geringste
Gelegenheit bietet, sich der Beeinflussung zu entziehen. Der Schüler
wird durch eine globale Andeutung hypnotisiert und mit einem ganzen
System von Vorstellungen in Bann geschlagen. Wenn sich daher die
Autoren bemühen, in sprichwörtlichen Wendungen zu sprechen, so nicht
deshalb, weil sie alle in gleicher Weise denken, sondern vielmehr,
weil es gute Sitte und zugleich eine viel raffiniertere Methode ist,
ihren Vorstellungen dadurch Geltung zu verschaffen, dass sie sie einer
alterprobten Formulierung unterschieben, an deren Geltung sie dann 2teilhaben. So kommt es denn, dass in China viele bedeutende Denker
keine Werke unter ihrem eigenen Namen veröffentlichten , sondern ihre
Gedanken in Form von Kommentaren zu anerkannten Klassikern nieder
legten.
Fung Yu-lan, einer der bedeutendsten Denker der Neuzeit, meinte,
eine alte Philosophie mit einem neuen Namen zu versehen, sei das,
was die Philosophen des Westens praktizieren, während die Philosophen
1 zitiert aus dem 7. Brief Platons; Platon: Sämtliche Werke Bd. 1; Rohwolts Klassiker Ausgabe S. 317
2 vergl. M. Granet; Das chinesische Denken, S. 4-3 ff
*
-IV-
des Ostens eine neue Philosophie, wenn sie eine solche hätten, ge
wöhnlich mit einem alten Namen versähen] Dieser Umstand und die
Tatsache, dass die Kommentare zu wenig als eigenständige Gedanken
gebäude betrachtet wurden, hat zu vielen Fehlbeurteilungen des
chinesischen Geisteslebens geführt.
So wird zum Beispiel in fast allen Darstellungen der chinesischen
Philosophie die Han-Zeit (ca. 200 vor - 200 nach Chr.) noch gerade
als Epoche der Systematisierung der originalen Leistungen der Chan -
kuo-Zeit (475 - 221 v. Chr.) gewertet. Dann kommt eine Lücke, die
fast ein Jahrtausend umfasst - bis zur Sung-Zeit (950 - 1279). Mit
anderen Worten,man bekommt den Eindruck, als habe es jahrhunderte
lang an bedeutenden Denkern in China gefehlt. Eine derart lange Unter
brechung der grossen denkerischen Leistungen ist jedoch sehr unwahr
scheinlich. Zu diesem Problem hat Tjan Tjoe Som bemerkenswerte Ge
danken geäussert. Gegen Karlgren hält er daran fest, dass die Kommen
tarliteratur des ersten Jahrtausends n. Chr. (San-kuo bis Sung) nicht
als philologisch unergiebige Phantasterei abzutun ist, sondern dass
vielmehr ihr Wert gerade auf geistesgeschichtlichem Gebiet liegt.
Wer damals einige Gedanken vorzutragen hatte, wählte wie gesagt die
Form des Kommentars. So erklärt sich erstens die Vielzahl der einander
widersprechenden Interpretationen ursprünglicher Texte aber auch das
scheinbare Aussetzen "eigenen" Denkens. Um freilich "Philosophie"
in Kommentarform geben zu können, bedarf es einer klassischen, oder
sagen wir besser einer kanonischen Literatur. Solche libri canonici
hat es nicht nur bei den Konfuzianern gegeben; auch die Taoisten
hatten sie. Hier nahmen Lao-tzu und, in geringerem Masse, auch Chuang-2
tzu und einige andere Autoren klassischen Rang ein.
Dies sind Ueberlegungen, die zur vorliegenden Arbeit geführt haben.
Sie möchte als bescheidener Versuch verstanden werden, den Kommentar
Kuo Hsiangs nicht, wie so oft üblich, bloss als Uebersetzungshi1fe
1 vergl. Fung Yu-lan; Chuang Tzu, p. 145
2 zitiert aus H. Franke; Sinologie, S. 65 f
-V-
des Originals zu betrachten, sondern ihn als eigenständiges Gedanken
gebäude herauszuarbeiten. Dass dies mit der Uebersetzung eines ein
zigen Kapitels nicht möglich ist, war mir im voraus bewusst, doch kam
diesem Unterfangen zugute, dass Fung Yu-lan in seiner Chuang-tzu
Uebersetzung der ersten sieben Kapitel (Nei-p'ien) den Kuo Hsiang-
Kommentar partiell mitübersetzt hat.
Noch blieb die Frage, welches der Kapitel wohl zu den ergiebigsten
gehöre. Gestützt auf die Aussage von Mitsuji Fukunaga - dem wohl
bedeutendsten Chuang-tzu-Forscher unserer Zeit - der das Chih-pei
yu p'ien (i.e. das 22. Kapitel) für eines der wichtigsten Kapitel
zur Erklärung der Gedanken Chuang-tzus hält"! entschloss ich mich
zur Uebersetzung eben dieses Kapitels, in der Hoffnung, dass der
dazugehörende Kommentar Kuo Hsiangs für die Darstellung seiner Ge
danken ebenfalls recht ergiebig sein werde - was sich durchaus be
wahrheitet hat.
1 vergl. Hajime Kojima; der Text Chuang-Tzu in der Deutung des Philosophen Mitsuji Fukunaga, S. 10.
E I N L E I T U N G
I N H A L T S V E R Z E I C H N I S
Seiten
Vorwort I
Einleitung
- Zur Person Chuang-tzu 1
- Einige Bemerkungen zum Denken Chuang-tzus 2
- C h u a n g - t z u s Z e i t 5
- Die Zeit der Wei- und der WestlichenChin-Dynastie 7
- Kuo Hsiang 12
- Das Werk Kuo Hsiang 16
Kapi tel 22 1 7
Anhang
- Das Denken Kuo Hsiangs 57
Anmerkungen zur Uebersetzung 72
Literaturverzeichnis 109
V O R W O R T
*
Zur Person Chuang-tzu (ca. 369 - ca. 286 v.Chr.)
Alles, was wir Liber Chuang-tzu wissen, sind einige wenige Daten,
die uns vom Historiker Ssu-ma Ch'ien (145 ? - 89? v. Chr.)
im Shih-chi oder in den Aufzeichnungen der Historiker (Kap. 63)
überliefert wurden.
"Chuang-tzu stammte aus Meng (im heutigen Honan). Sein persön
licher Name war Chou. Er hatte einmal einen kleinen Posten inne
in Ch'i-yüan, bei Meng. Er war ein Zeitgenosse des Königs Hui
von Liang (370 - 319 v. Chr.) und von König Hsüan von Ch'i (319 -
301 v. Chr.). Seine Kenntnisse waren sehr umfassend, doch seine
Hauptlehre basierte auf den Worten von Lao-tzu. Seine Schriften,
die über hunderttausend Worte enthalten, sind zum grossen Teil
allegorisch. Er schrieb die Geschichten vom "Alten Fischer", vom
"Räuber Chih" und vom "Kistenaufbrechen", um die Schüler von
Konfuzius zu verhöhnen und um die Lehren des Lao-tzu zu erklären.
Seine literarischen und dialektischen Fähigkeiten waren so gross,
dass selbst die besten Scholaren seiner Zeit unfähig waren,
seine beissende Kritik an der konfuzianischen und der mohistischen
Schule zurückzuweisen. Seine Lehren waren gleich einer überwäl
tigenden Flut, die sich willkürlich, ungehindert ausbreitet, so
dass von den Herrschern und Ministern abwärts sie niemand zu
praktischem Nutzen anwenden konnte.
König Wei von Ch'u (339 - 329 v. Chr.) hatte von Chuang-tzus
Weisheit gehört und schickte einen Gesandten ab, welcher ihm
mit reichen Geschenken entgegentreten und einen Ministerposten ver
sprechen sollte. Chuang-tzu sprach lächelnd zum Gesandten von
Ch'u: "Tausend Goldstücke sind ein grosser Reichtum und ein Mi
nisterposten eine grosse Ehre, aber haben Sie niemals einen für
-2-
das Himmelsopfer bestimmten gemästeten Stier gesehen? Man füttert
ihn mehrere Jahre und schmückt ihn mit Seidenstickereien. So
schleppt man ihn in den Ahnentempel. Zu der Zeit würde er wohl
gerne ein verlassenes Ferkel sein, aber ist es dann noch möglich?
Beschmutzen Sie mich nicht! Ich ziehe es vor, mich nach Her
zenslust in den Fluten zu tummeln und mir nicht von einem Herr
scher Fesseln anlegen zu lassen. Mein ganzes Leben möchte ich
nicht Beamter werden, um mich ganz meinen Neigungen hingeben zu
können." 1
Aus diesen wenigen Angaben und einigen bruchstückhaften Anek
doten, enthalten in den Wai- (Kap. 8 - 22) und Tsa-p'ien (Kap. 23 -
33), könnte man Chuang-tzus Lebensumrisse einigermassen nach
zeichnen. Da aber die Authentizität der Shih-chi Angaben ebenso
unsicher ist wie diejenige der überlieferten Anekdoten, wird
uns sein Leben wohl für immer verborgen bleiben.
Einige Bemerkungen zum Denken Chuang-tzus
Es ist hier weder der Raum noch ist es das Ziel dieser Arbeit,
die Gedanken Chuang-tzus in grösserem Umfang darzustellen.
Dennoch erscheint es mir wichtig, in einigen Sätzen ein paar
wesentliche Punkte seines Denkens herauszustreichen, und sei
es bloss, um die zum Teil doch recht verschieden gelagerten Ideen
Kuo Hsiangs besser zu kontrastieren.
Eine gemeinsame Eigenschaft der frühen Taoisten scheint darin
zu wurzeln, dass sie eine zartfühlende Empfindlichkeit gegenüber
der Unbill der Zeit besassen. Diese Empfindlichkeit rührte aus
dem Bewusstsein der So 1idaritäts1osigkeit und der Vereinzelung
des Individuums. Sie hatte ihren Ursprung beim Einzelmenschen
und war keineswegs ein bewusster Bestandteil einer formierten
1 zitiert aus A. Forke; Geschichte der alten chinesischen Philosophie, S. 305
-3-
Interessengruppe. Ein Beweis dafür sind meines Erachtens die
sehr stark auf die Individualität des Menschen bezogenen Ge
danken Chuang-tzus. Das extrovertierte politische Interesse
im Text Lao-tzu, das sich, gestützt auf die Funde von Ma-wang-
dui und die daraus resu1tierende Kapitel-Umstel1ung zu er
härten scheint, wird zu einer Introvertierten Weisheits
lehre für das Individuum bei Chuang-tzu. Chuang-tzu ist der
erste chinesische Denker, der den Weg nach "Innen" konsequent
eröffnet. Sein Werk hat - dies zeigt eine aufmerksame Beschäf
tigung mit seinen Anekdoten - im Grunde genommen mit politischen
Dingen nichts zu tun. Er befasst sich nur mit individuellen psy
chischen Problemen.So erstaunt es denn nicht, dass Tod und Leben,
Du und Ich vorrangige Themen des Werkes sind. Chuang-tzu denkt,
dass der Mensch aus einem transzendenten Etwas hervorgeht, lehnt
es aber ab, dieses Etwas "Gott" zu nennen, weil dasjenige, aus dem der Mensch hervorgegangen ist, gleichzeitig im Menschen
selbst andauert] Das Bewusstsein von der ständigen Unterscheidung,
die der Mensch hinsichtlich der Dinge trifft: die Gegensätze der
"Zehntausend Dinge" die Diskontinuität im Leben und der Kon
flikt zwischen Leben und Tod, bekümmerten ihn. Er versuchte das
Trennende zu überbrücken - erreichte dies durch die totale Rela
tivierung - und fand so die absolute Freiheit des Menschen.
Somit kann man sagen, dass der Angelpunkt von Chuang-tzus Welt
anschauung darin liegt, dass er nicht Unterschiede sondern
Einheit, nicht Gegensatz sondern Harmonie, nicht zersplitterte
Vielfalt sondern Einheit, nicht Segmente sondern immer das Ganze
vor Augen hat. Indem er die Natürlichkeit aller Dinge bejaht,
gelingt es ihm selbst schwerste Situationen unter einem posi
tiven Vorzeichen zu sehen.
"Als Chuang-tzus Frau starb, begab sich Hui-tzu in sein Haus,
um an den Trauerzeremonien teilzunehmen. Zu seiner Ueberraschung
fand er Chuang-tzu mit einem Tontopf auf den Knien sitzen, den 1
1 vergl. dazu Chuang-tzus Unterhaltung mit Hui-tzu über die Gefühle im 5. Kapitel.
-4-
Takt darauf schlagen und ein Lied dazu singen.
Da sprach Hui-tzu: „Immerhin lebte deine Frau mit dir zusammen,
zog deine Kinder auf und wurde mit dir alt. Dass du nicht um
sie trauerst ist schlimm genug; dass aber deine Freunde dich
beim Trommeln und Singen antreffen - das geht zu weit!„
„Du verkennst mich" erwiderte Chuang-tzu.„Als sie starb, war
ich verzweifelt wie jeder andere Mann. Aber nachdem ich über
das Geschehene nachgedacht hatte, sagte ich mir, dass uns mit
dem Tode kein schreckliches neues Schicksal trifft. Im Anfang
haben wir weder Leben noch Gestalt; weder Gestalt noch Geist.
Wir sind der einen, grossen, gestaltlosen, ununterscheidbaren
Materie eingeschlossen. Dann kam eine Zeit, in der sich aus der
Materie ein Geist entwickelte, aus dem Geist eine Gestalt, aus
der Gestalt Leben. Und nun hat das Leben den Tod aus sich ent
faltet. Denn nicht die Natur allein, auch des Menschen Dasein
hat seine Jahreszeiten, die Abfolge von Frühling und Herbst,
Sommer und Winter. Wenn jemand müde ist und sich hingelegt hat,
verfolgen wir ihn nicht mit Anruf und Rede. Die ich verloren
habe hat sich für eine Weile niedergelegt, um in dem Grossen
Inneren Raum zu schlafen. Ihre Ruhe dort zu stören mit dem
Lärm von Klagen würde nur beweisen, dass ich nichts von dem
Obersten Gesetz der Natur verstehe. Darum hörte ich auf zu
klagen1.1
Wenn nun Tod und Leben als gegebene Natürlichkeit verstanden
werden, so ist der, der die Natur und alles Unumgängliche als
gut anerkannt hat und ihm bejahend gegenübersteht, keiner ein
fachen Notwendigkeit mehr unterworfen. Er verhält sich seinem
Schicksal gegenüber nicht mehr passiv, sondern er beherrscht
es, weil er es akzeptiert. Da er immer bereit ist, alles anzu
nehmen und amor fati zu seiner innersten Natur geworden ist,
ist er von allem frei, von allem unabhängig. Und "Absolute
Freiheit" wäre wohl der kürzeste Nenner, auf den man Chuang-tzus
Gedankenkomplex bringen könnte. 1
1 zitiert aus A. Waley; Lebensweisheit im Alten China, S . 19 f
Chuang-tzus Zeit
Es ist m.E. nicht zulässig, Gedanken losgelöst von der historischen
Umwelt ihrer Entstehungszeit zu beurteilen, sind sie doch letzten
Endes Resultanten ihrer Umwelt. Umso wichtiger erscheint mit ein
kurzer historischer Exkurs, nachdem oben bereits von der "Un
bill der Zeit" und von einer "introvertierten Weisheitslehre"
die Rede war.
In den ersten Jahrhunderten der Chou-Herrschaft zeigte es sich,
dass das Herrscherhaus ständig an Macht verlor. Die Periode der
kraftvollen Chou-Könige, die in der Lage waren, die existentielle
und spirituelle Repräsentation der Gesellschaft auszuüben und
ihre Ordnung zu erhalten, währte nur kurz. Der Zerfall wurde durch
mehrere schwache Herrscher beschleunigt, sodass bereits im frühen
7. Jhr. v. Chr. die reale Macht an die aus den Lehen hervor
gegangenen "Teilstaaten" übergegangen war. Der Expansionsdrang
der einzelnen "Staaten" führte schnell zu Konflikten innerhalb
der formal noch immer als Lehen betrachteten Staatsgebilde.
Längst waren ursprüngliche Verwandtschaften und gemeinsam ge
führte Kämpfe vergessen. Im Verlaufe der von den chinesischen
Historiographen als "Frühlings- und Herbst-Periode" (721-479 v.Chr.)
bezeichneten Zeit wurden viele der kleinen Lehensgebiete ver
nichtet oder annektiert. Im Buch Huai-nan-tzu lesen wir:
"während der Frühlings- und Herbst-Periode sind 52 Länder ver
nichtet worden und 36 Herrscher wurden ermordet."
Die Folgezeit, in die Geschichte als die Zeit der "Kämpfenden
Reiche" (478-221 v.Chr.) eingegangen, war nicht nur eine der
grausamsten Perioden, die China je sah, sondern gleichzeitig
das Zeitalter, in dem die "hundert Schulen" blühten. Es war
die klassische Zeit der "chinesischen Philosophie", lebhafteste
Diskussion und Schulenbildung, nie wieder erreicht in ihrer
Fülle und Grundsätzlichkeit des Fragens.
-6-
Es ist gerade diese Diskrepanz von tiefstem menschlichem Leiden
und "geistiger Blüte", deren man sich bewusst sein muss, will
man Chuang-tzus Weg nach Innen und seine Verurteilung von Wissen
und Lernen adäquat verstehen. So sagt er:
"Wenn sich heute die Leichname jener, die durch des Henkers Beil
fielen, zu Bergen türmen, wenn die Gefangenen, gebeugt unter
dem Halsblock, in solchen Scharen vorangetrieben werden, dass
sie kaum Platz zum Treten haben, wenn die Verstümmelten und Ver
letzten sich in der Menge stossen, so finden die Confucianer
und die Anhänger des Mo Tzu inmitten der Geknebelten und Ge
fesselten doch nichts Besseres zu tun, als die Beine zu spreizen,
die Arme zu entblössen und aufeinander loszugehen, so sehr sie
nur können. Man kann kaum glauben, dass so viel Tollheit und
Schamlosigkeit existieren. Fast könnte man meinen, Heiligkeit
und Weisheit seien die Haken und Schliessen, mit denen man den
Halsblock der Gefangenen befestigt, und Tugend und Pflichtge
fühl die Bolzen und Ringe, mit denen man ihre Fesseln schliesst'.'^
Mit den vorstehenden Ausführungen über den historischen Hinter
grund ist - dies versteht sich von selbst - nur eine dürftige
Skizze gegeben, die aber wenigstens in etwa eine umrisshafte
Vorstellung über die damaligen Zeitverhältnisse, wie Chuang-tzu
sie vorfand, vermitteln soll. 1
1 zitiert aus A. Waley; Lebensweisheiten im Alten China, S. 85
-7-
Die Zeit der Wei- und der Westlichen Chin-Dynastie (221 - 316)
Bereits unter den letzten Herrschern der späteren Han-Dynastie
(25 - 220) wurde eine zunehmende Refeudalisierung mit verstäkter
Bildung von Grossgrundbesitz sichtbar, der von kaiserlicher Seite
- aus Gründen der Schwäche - kaum Einhalt geboten werden konnte.
Als Ts'ao Ts'ao, der als "Totengräber"^ des Han-Kaisertums gilt,
die unumschränkte flacht in Händen hielt, versuchte er, mit Hilfe
legalistischer Prinzipien, den zentralistisch-bürokratischen Staat -
das Ideal der Ch'in und Han-Zeit - wieder herzustellen. Sein Sohn
und Nachfolger, Ts'ao P'ei (187 - 226), der 220 den Kaisertitel
annahm und seine Dynastie Wei nannte, verfolgte mittels zweier neuer?
Systeme, dem T ' un-t1ien-System, das auf Mi 1itärkolonien beruhte,3
und dem "Beamtenauswahl System" nach "neun Graden", das unter dem4
Leitspruch "Nur der Begabte wird befördert" stand, ebenfalls
1 egalistisehe Ideale. Mit diesen Systemen sollte eine bürokratische
Gentryschicht als machtpo1itisch benützbares Gegengewicht zur
aristokratisehen Gentry geschaffen werden. Doch die von Ts'ao
Ts'ao und seinem Sohne intendierte Politik erwies sich als ein
Anachronismus. Einige grosse Familien hatten die jahrzehnte
langen Bürgerkriege, die das Land verwüstet und die Bevölkerung
dezimiert hatten, dank ihren befestigten Besitzungen und ihren
privaten Armeen überlebt und stellten, wie es sich bald zeigen
sollte, einen nicht zu unterschätzenden Machtfaktor dar. Der
Stern über dem Hause Ts'ao verblasste zusehends, als eben diese
Familien in der Person des mächtigen Generals Ssu-ma I (179 - 251
n. Chr. ) , der bereits unter Ts'ao Ts'ao gedient hatte, einen Partei
gänger fanden. In das sich abzeichnende Spannungsfeld: pro Zen
tralismus - pro Refeudalisierung, sind auch die divergierenden
Gedankenrichtungen miteinzubeziehen, die die unterschiedlichen
politischen Tendenzen begleiteten und deren Entwicklung wir im
Zusammenhang mit der aktuellen Tagespolitik nicht aus den Augen 1
1 vergl. Franke/Trauzettel; Das chinesische Kaiserreich, S. 119
2 vergl. A. Fang; The Cronicle of the three Kingdoms; Vol. I p. 165
3 /'v |=i A. chiu-p' in-kuan-jen; vergl. ebd. p. 25
4 &ft 4 ßk. Wei-t' sai-shih-chü
-8-
verlieren wollen. Mit seinem auf der Familie als Eckpfeiler des
Staates aufbauenden Lehrgebäude entsprach der Konfuzianismus eher
den noblen Familien und deren Bestrebungen einer Refeudalisierung
des Staates, während die pro zentrische Ts'ao Strömung, wie oben
bereits erwähnt, zum Legalismus tendierte - der "Philosophie par
excellence" einer zentralen Macht - und zu taoistischem Gedanken
gut. Dieser ideologische Kontrast innerhalb der um die politische
Macht ringenden Gruppierungen versteckt sich hinter der gesamten
Geschichte dieser Periode und belebt sie.
Das Schicksal wollte es, dass Ts'ao P'ei kurz vor seinem Tode
Ssu-ma I nebst einigen anderen Persönlichkeiten testamentarisch
als Regierungsstützen seines Nachfolgers - Kaiser Ming (227 - 239) -. 2 "
berief, womit der neue Herrscher weitgehend machtlos blieb. Als
Kaiser Ming starb und ein achtjähriger Knabe inthronisiert wurde,
ging die direkte Regierungsführung paritätisch an Ts'ao Shuang,. 3
einen Verwandten des Kaisers» und an Ssu-ma I. Die Machtverhält
nisse während der Dekade, die dem Tode Kaiser Mings folgt und die
durch einen coup d'etat von Ssu-ma I beendet wird, unterliegen
verschiedenen Beurteilungen^ Mir scheint, dass sich durch die un
mittelbare Gegenüberstellung der beiden Machtrivalen ein Vakuum
ergab, das die geistige Blütezeit der Cheng-shih-Aera (240-249)
verunmöglichte. Es handelte sich um eine Zeit, die durch ein tiefes
Interesse an ontologischen Problemen gekennzeichnet war, und als
"Goldenes Zeitalter" der "Reinen Gespräche"^ beschrieben wurde? 1
1 vergl. D. Holzmann; Les sept sages de la forêt de bambous et la société de leur temps, T'oung Pao, XLIV, 1956, p. 326
2 vergl. A.Fang op. cit p. 201
3 ebd. p . 617
4 vergl. Otto Franke; Geschichte des Chinesischen Reiches Bd. II S. 12; auchE. Balàzs; Entre révolte nihiliste et évasion mystique, in Asiatische Studien 1/2 . 1948, p. 36
5 vergl. D. Holzmann; La vie et la pensée de Hi K'ang, p. 6<£ ==
6 ir\ 'ô‘A ch'ing t'an oder //cj ^ ch'ing yen; Konversationsart, die aus der Beamtenrekrutierung hervorging und ursprünglich zur kurzen Charakterisierung der "beurteilten Männer" diente und später als Modeerscheinung von der Oberschicht auf theoretische Probleme aller Art ausgeweitet wurde.
7 vergl. R.B. Mather; A New Account of Tales of the World (Shih-shuo Hsin-yü), p. XXIII
-9-
1 2Lieber die führenden Denker dieser Zeit - Wang Pi und Ho Yen -
die als Anhänger Ts'ao Shuangs beim Staatsstreich der Ssu-ma ihr
Leben verlieren, wird später aus gegnerischem Lager folgendes Urteil
abgegeben:
"Wang und Ho liessen Sittenregeln und Kultur beiseite und folgten
nicht den Massstäben der Rite. Mit schweifenden Phrasen und phan
tastischen Reden überschwemmten sie die Jugend, mit schönen blumigen
Worten überdeckten sie die Wirklichkeit ... Mysteriöse Leerheit
und schrankenlose Freiheit hielten sie für ruhiges Durchdringen
(zum Wahren), konfuzianische Staatskunst und saubere Genügsamkeit. 3hielten sie für ordinär ...."
Wir ersehen daraus deutlich, dass sich mit der Beendigung der Cheng-
shih-Aera auch auf ideologischem Gebiet ein Wandel vollzog. Obwohl
die Ssu-ma nach dem coup d'état im Besitze der tatsächlichen Ge
walt waren, die sie nie mehr aus den Händen gaben, setzten sie in
der Folgezeit noch zweimal Kinder auf den Thron, bevor Ssu-ma Yen
im Jahre 265 den Akt des feierlichen Thronverzichts der Wei-Dy
nastie inszenierte und sich selbst zum Herrscher einer neuen - der4
Chin-Dynastie - ernannte.
Die' fünfzehn Jahre des Uebergangs von der faktischen zur formalen5
Machtübernahme der Ssu-ma wurden auch als "silbernes Zeitalter"
der "reinen Gespräche" bezeichnet. Der Ideologienstreit, der bis
anhin nur latent vorhanden war, wurde offensichtlich. Die Grenzen
zwischen den Anhängern des reaktionären Ssu-ma Clans und den loyalen
Anhängern der Wei-Dynastie, deren grösster Teil bereits aus den
Aemtern entfernt worden war, wurden immer deutlicher gezogen. 1
1 Wang Pi (226 - 249), kommentierte Lao-tzu und das I-ching
2 Ho Yen (? 190 - 24-9), Sohn einer Konkubine Ts'ao Ts'aos und Protektor Wang Pis
3 zitiert nach: W. Eichhorn; Kulturgeschichte Chinas, S. 135
4 vergl. A. Fang, o p . cit. Vol. II p. 504 ff
5 vergl. R.B. Mather, op. cit. p. XXIII
-10-
Geistesgeschichtlich und auch für unsere weiteren Betrachtungen von
Bedeutung ist in dieser kurzen Periode eine kleine Gruppe von In
tellektuellen, die später unter dem Namen "Die sieben Weisen vom
Bambushain" berühmt wurde. Juan Chi und Hsi K'ang^ waren die
führenden Köpfe dieser Bewegung, und die beiden waren es auch, die
die zunehmende Ritua1isierung des öffentlichen Lebens aufs äusserste
bekämpften. Sie forderten Emanzipation und Freiheit und beschul
digten die "übereifrigen" Konfuzianer, diese mittels Ritual und
Heiligenverehrung zu hintertreiben.
Als Hsi K'ang für ein Amt vorgeschlagen wurde, das er früher ein
mal innehatte, lehnte er ab und gab sieben Gründe an, die ihm eine
Annahme verunmöglichten: er liebe es, am Morgen lange im Bett zu
bleiben; er liebe es, zu jagen, zu fischen und die Zither zu
spielen; er sei sehr schmuddelig von Natur aus, und er befürchte,
dass er es nicht verhindern könnte, sich vor seinen Vorgesetzten
zu kratzen; er sei nicht gewandt im Briefeschreiben, und er liebe
diese Beschäftigung auch nicht; er liebe es nicht, an Trauerze
remonien teilzunehmen; er verabscheue vulgäre Leute und er ver-2
abscheue altes Papier.
In den Augen seiner Zeitgenossen war es für einen Mann seines Standes
und seiner Bildung ein Verbrechen, nicht Beamter zu sein; ein
Verbrechen nicht nur gegen die Regierung, sondern auch gegen die
Tradition und die Werte der Gesellschaft und Zivilisation. Auf
Betreiben von Chung Hui, einem mächtigen Aristokraten und "Chef-3
ideologen" der Ssu-ma, wurde er im Jahre 262 zum Tode verur
teilt. Dass nach Hsi K'angs Exekution wegen Verderben der öffent
lichen Sitte subtilere Wege gesucht werden mussten, um nicht
konforme Gedanken auszudrücken, versteht sich von selbst. 1
1 Hsi K'ang war durch seine Heirat mit dem Wei-Herrscherhaus verwandt, er hatte die Enkelin Ts'ao Ts'aos geheiratet.
2 zitiert nach D. Holzmann; La vie et la pensee de Hi K'ang, p. 44
3 vergl. R. B. Mather op. cit. p. 516
-11
Ssu-ma Yen, der später Kaiser Wu genannt wurde (265 - 290), war
durch die Hilfe seiner Clique und seiner ausserordentlich grossen und
weitverzweigten Familie an die Herrschaft gekommen. Daher musste er
ihnen Aemter und Stellungen als Belohnung geben} Wieder begann am
Hof dasselbe Schauspiel wie früher, nur spielten jetzt die Prinzen
der neuen Kaiserfami1ie eine grössere Rolle als unter der Wei-Dy-
nastie, deren Herrscherhaus aus einer kleineren Familie bestanden
hatte. In den letzten Jahren der Regierungszeit von Kaiser Wu hatten
mehrere Mitglieder des Yang-Clans - wie üblich nähere Verwandte der
Kaiserin - dominierende Positionen am Hofe erlangt. 291 kam es zum
Zusammenstoss zwischen dem Yang-Clan und den vereinten Kräften des
Ssu-ma und des Chia-Clans, denen die Kaiserin Chia, die als Re
gentin den jungen Kaiser vertrat, Vorstand. Die Ausrottung des
Yang-Clans markierte den Beginn der Chia-Macht, doch nach einer er
folgreichen Revolte verfuhren die Ueberlebenden Ssu-ma mit der
Kaiserin Chia und deren Sippe auf gleiche Weise.
Interessant ist die Tatsache, dass sich mit zunehmender Unsicher
heit der effektiven Machtlage, also bereits in den letzten Regierungs
jahren des Kaisers Wu, eine neue Belebung der geistigen Szene be
merkbar machte, die zwar nicht mehr das Ausmass früherer Zeiten e r -. 2
reichte, aber dennoch nicht übersehen werden konnte.
Die Verbannung des Kaisers und die Usurpation des Thrones durch
einen Ssu-ma-Prinzen waren der Anlass, der zu einem mörderischen Krieg zwischen den kaiserlichen Prinzen führte.Der Bruderkrieg
(301 - 307) zerstörte das Land und dezimierte sowohl die Bevöl
kerung als auch die Mitglieder der kaiserlichen Familien. Es er
schienen die üblichen Anzeichen der Auflösung: Zusammenbruch der
Zentralregierung und der zentralisierten militärischen Kontrolle der
Provinzen, Hungersnöte, Banditentum und revolutionäre Bauernbe-.
wegungen. Gestärkt durch diese innerchinesische Zerstörung gelang
1 vergl. A. Fangop. cit. Vol. II p. 506
2 Es sei hier an Persönlichkeiten wie P'ei Wei und Wang Yen erinnert. Zu P'ei Wei vergl. E. Baläzs, op. cit., p. 51 ff. Zu Wang Yen vergl. die verschiedenen Anekdoten im Shih-shuo Hsin-yu, übersetzt von R.B. Mather, op. cit.; hauptsächlich die Seiten 97 f ., lOlf. und 596 f.
-12-
es den im Norden ansässigen, zum Teil "sinisierten" Hunnen in ver
schiedenen Anstürmen die beiden Hauptstädte Lo-yang (311) und
Ch'ang-an (316) einzunehmen. Damit hatte die sogenannte "westliche
Chin-Dynastie" ihr Ende gefunden.
Kuo Hsiang
Seiner im Chin Shu, Kap. 50, erhaltenen Biographie entnehmen wir
folgendes: "Kuo Hsiang ff fc , auch Tzu-hsüan genannt ?
zeigte schon als Junge ein hervorragendes Talent. Er liebte Lao-tzu
und Chuang-tzu und war ein Anhänger der "Reinen Gespräche" ...
Er starb am Ende der Yung-chia-Periode (312) ... Vor dieser Zeit
hatte es schon unzählige Gelehrte gegeben, die Kommentare zum
Chuang-tzu verfasst hatten, doch keinem gelang es, seinen Sinn voll
ständig zu erfassen. Getrennt von diesen frühen Kommentaren hatte
Hsiang Hsiu eine Interpretation vorbereitet, die diese wunderbar
erweiterte und den Geist des Taoismus stark ausweitete. Er starb
jedoch vor der Beendigung der beiden Kapitel "Herbstfluten" und
"Vollendete Glückseligkeit" (Kap. 17 und 18). Der Sohn Hsius liess
es in seiner Jugend zu, dass seines/Vaters/ Abhandlung zerstreut
wurde. Sie wurde jedoch in einer Zahl Kopien erhalten. Nun war
/Kuo/ Hsiang selbst ein Mann kleinlichen Charakters und als er sah,
dass /Hsiang/ Hsius Abhandlung in der Welt nicht verbreitet wurde,
schrieb er sie ab und gab sie als seinen eigenen Kommentar aus. Er
schrieb einen eigenen Kommentar zu "Herbstfluten" und "Vollendete
Glückseligkeit" und veränderte das Kapitel "Pferdehufe" (Kap. 9).
Was die anderen Kapitel anbelangt, so beschränkte er sich schick
licherweise darauf, die Korrektheit ihrer Texte festzusetzen. Später
erschienen jedoch die anderen Kopien von Hsiang Hsius Abhandlung,
so dass es heute zwei Versionen von Chuang-tzu gibt, diejenige von
Hsiang Hsiu und die von Kuo Hsiang. Im Grunde sind sie aber gleich." 1
1 zitiert nach Fung Yu-lan; A History of Chinese Philosophy Vol. II p. 206
-13
Betrachtet man diese Biographie unvoreingenommen, muss auffallen,
dass nach einer anfänglichen Preisung Kuo Hsiangs, der "schon
als Junge ein hervorragendes Ta 1ent"gewesen sein soll, eine Wende
eintritt, wobei er plötzlich als ein "Mann kleinlichen Cha
rakters" dargestellt wird und man ihn gar des Plagiats bezichtigt.
Zieht man zur Klärung Hsiang Hsius Biographie zu Hilfe, so wird
deutlich, wie zweifelhaft die Bemerkungen in Kuo Hsiangs Bio
graphie sind. In Hsiang Hsius Biographie (Chin Shu Kap. 49)
heisst es: "Er hatte eine ausserordentliche Vorliebe für Lao-tzu
und Chuang-tzu. Unter den Verehrern des Taoismus der nachfolg-
genden Generationen fehlten nicht jene, die die "mehreren zehn"
"äusseren" Kapitel sorgsam prüften; doch keiner von ihnen hat
ihre allgemeine Bedeutung angemessen behandelt. Deshalb be
reitete /Hsiang/ Hsiu eine Interpretation vor, die ihre Ge
heimnisse enthüllte; er erklärte sie mit unübertrefflicher Klar
heit und beschwörte den wahren Geist des Taoismus herauf. Als
Folge davon fühlten sich die Leser ausserordentlich geläutert
und es gab niemanden, der die aufgewendete Zeit nicht genossen
hätte. Während der Zeit von Kaiser Hui (290 - 306) setzte Kuo
Hsiang die Arbeit fort und erweiterte sie, mit dem Ergebnis,
dass die verschiedenen Spuren von Konfuzianismus und Mohismus
verblassten und die taoistisehen Doktrinen aufblühten."
Auch hier springen einige Punkte sofort ins Auge. Erstens ist
von "mehreren zehn" Kapiteln die Rede, im weiteren wird ersicht
lich, dass Kuo Hsiang, der hier keineswegs so geringschätzig be
handelt wird wie in seiner eigenen Biographie, die Spuren von
Konfuzianismus und Mohismus zum Verblassen brachte. Woher kommen
diese Unstimmigkeiten und welcher Wert ist den Biographien
im Chin-shu beizumessen? 1
shuh-shih) von Chuang Chou verfassten "inneren" und
1 zitiert nach Fung Yu-lan, op. cit. Vol. II p. 205
-14-
Ich bin mir bewusst, dass hier nicht der Raum gegeben ist, um
die ganze Problematik Kuo Hsiang - Hsiang Hsiu erschöpfend zu
behandeln; dennoch soll versucht werden, einige Schlaglichter
aufzusetzen, ist es doch die Absicht dieser Arbeit, Kuo Hsiang
als eigenständigen Denker hervorzuheben.
Hsiang Hsiu war einer der "Sieben Weisen vom Bambushain" und
Hsi K'ang freundschaftlich verbunden, doch ihre Interessen waren
sehr verschieden ( j&i ^ "V fe] chü-she pu-t'ung)] Er war,
wie Wolfgang treffend bemerkt, "ein Konfuzianer und Beamter, der
dem Taoismus durchaus nicht feindlich gegenüberstand, sondern
ihn eher dem Konfuzianismus irgendwie einzuverleiben suchte (wie
es umgekehrt auch viele Taoisten taten) und daher gerade für2
seine künstlerischen Aspekte durchaus Verständnis aufbrachte."
Obwohl es möglich ist, dass taktische Lieberlegungen mit im
Spiele waren, muss erwähnt werden, dass, als Hsi K'ang sein be
rühmtes Essay "Pflege des Lebens" ( ^ £. yang-shen lun)
veröffentlichte, er von Hsiang Hsiu mit einer Gegenschrift heftig4
angegriffen wurde. Für uns ist diese Schrift von Bedeutung,
weil Hsiang Hsiu dort die Ansicht vertritt, dass der Mensch seine
Form von einem Schöpfer erhalte ( ^ ^
eine Anschauung, die mit der von Kuo Hsiang geradezu vehement
vertretenen These, dass alles von selbst entstehe, nicht zu ver
einbaren ist.
Nach diesen Beispielen, die durch andere erweitert werden könnten^
bleibt noch immer die Frage offen, wieso sich die Behauptung,
Kuo Hsiangs Werk sei ein Plagiat, hartnäckig bis in unsere Tage
gehalten hat. Der Grund dafür ist meines Erachtens im Chin Shu 1
1 vergl. D. Holzmann; La vie et la pensee de Hi K'ang, p. 27
2 zitiert aus Wolfgang Bauer; China und die Hoffnung auf Glück, S. 208
3 vergl. D. Holzmann; La vie et la pensee de Hi K'ang, p. 83 ff
4 ebd. p. 92 ff
5 ebd. p. 162
6 vergl. Hsiang Hsius Verhalten nach Hsi K'angs Hinrichtung; in Mather; 0p_ cit. p. 40. vergl. Hsi K'angs Raktion, als Hsiang Hsiu ihm mitteilte, er wolle Chuang-tzu kommentieren; in D. Holzmann: Hi K'ang p. 27
-15-
(i.e. die Chin-Geschichte) zu suchen, das auf Anordnung des
Kaisers T'ai-tsung im Jahre 644 neu geschrieben werden musste.
Es stützt sich auf achtzehn Geschichtsdarstellungen, die im
wesentlichen von Privatpersonen aus eigenem Antrieb und mit
starker Betonung subjektiver Ansichten und Deutungen verfasst
wurden. Innert kürzester Zeit - in weniger als drei Jahren -
wurden so die politischen Ereignisse und die Biographien be
deutender Persönlichkeiten aus zwei der wechselvollsten Jahr
hunderten der chinesischen Geschichte niedergeschrieben, wobei
die Literaten "mehr der Schönheit und Originalität des Stils
als der historischen Wahrheit den Vorzug g a b e n D i e im Chin-shu
enthaltene Biographie Kuo Hsiangs entstammt dem Shi-shuo 2
hsin-yü, einer Sammlung von berühmten Aussprüchen, Urteilen,
Anekdoten, Chrakteristika usw. , die - zeitlich im wesentlichen
auf das 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. beschränkt - eine Menge
Streiflichter auf die damalige chinesische Gesellschaft werfen.
Doch der Wert dieses Werkes für die historische Forschung ist
selbstverständlich beschränkt. Zu Beginn des 5. Jahrhunderts
aufgezeichnete Gerüchte, Redereien und Anekdoten des 3. und 4.
Jahrhunderts können natürlich nicht als einwandfreie, historische
Quelle gewertet werden, mögen sie auch den Ereignissen zeitlich
näher liegen als die Redaktionen der entsprechenden Dynastien
werke:
Die Vermutung liegt nun nahe, dass durch die Aufnahme einer zwei
felhaften Anekdote aus unsicherer Quelle in ein offizielles
Standardwerk der Geschichte aus einem Gerücht eine Tatsache
wurde. Ich schliesse mich der Ansicht Fukunagas , der nach
einer Untersuchung der Hsiang Hsiu - Kuo Hsiang Problematik
zum Schluss gelangt, dass es unglaubhaft sei, dass Kuo Hsiang -
wie das Shih-shuo hsin-yü berichtet - die Kommentare Hsiang 1
1 zitiert aus H. Meyer; Wang Tao - Gründungsminister der Ost“Chin, S. 9
2 vergl. Mather op. cit. p. 100
3 zitiert aus W. Eichhorn; Zur chinesischen Kulturgeschichte des 3. und 4. Jahrhunderts in: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 91 (1937) S. 452 f.
-16-
Hsius einfach abgeschrieben habe! Daher wird im Verlaufe unserer
weiteren Betrachtungen nur noch von Kuo Hsiang und dessen Ge
danken die Rede sein.
Das Werk Kuo Hsiangs
Das eigentliche Werk Kuo Hsiangs ist der Kommentar zum Chuang-
tzu, auf den im Anhang ausführlich eingegangen wird. Doch wenn
vom Werk Kuo Hsiangs die Rede ist, muss auch erwähnt werden,
dass die uns heute vorliegende Fassung des Chuang-tzu von Kuo
Hsiang kompiliert und ediert wurde.
Im Ch'ien Han-shu I-wen-chih, dem Literaturkatalog der frühen
Han-Dynastie (1. Jh. v. Chr.) wird das Werk Chuang-tzu mit
52 Kapiteln erwähnt. Als Kuo Hsiang seine Ausgabe rund vierhundert
Jahre später zusammenstellte, schloss er eine Anzahl Kapitel aus,
die er möglicherweise für unecht hielt und stellte den uns heute
zugänglichen Text aus 33 Kapiteln zusammen; es ist die älteste
vorhandene Ausgabe. Diese gliederte er in drei Gruppen: sieben
Nei-p'ien oder "innere Kapitel", fünfzehn Wai-p'ien oder "äussere"
und elf Tsa-p'ien oder "vermischte Kapitel". Die Titelüber
schriften der beiden letztgenannten Gruppen sind den jeweiligen
Eröffnungsanekdoten entnommen, ohne weiteren direkten Bezug zum
übrigen Kapitelinhalt. Die Tatsache, dass in den Nei-p'ien die
Ueberschriften weitgehend den Inhalt des ganzen Kapitels vor
wegnehmen, hat zur Annahme geführt, dass diese Kapitel von Chuang-
tzu selbst stammen könnten, während die Wai- und Tsa-p'ien meis
tens als Erläuterungen von Schülern zu den Nei-p'ien betrachtet
werden. 1
1 vergl. M. Fukunaga, "Soshi',' Ed. Asahishimbun, Nei-p'ien, S. 16
K A P I T E L 2 2
-17-
Der Intellekt^ reist nach Morden
Der Intellekt reiste nach Norden bis zum Dunklen Wasser, be?
stieg den Berg der Undeutlichkeit und traf dabei zufällig die3
Aussage des Nichthandelns.
Der Intellekt sagte zur Aussage des Nichthandelns:
Ich wünsche Euch Fragen zu stellen. Was muss man denken, und
was muss man im Sinne haben, damit man Tao erkennt? Welche
Massnahmen muss man treffen, und in was muss man sich fügen,
damit man im Tao ruht? Was muss man befolgen, und welchen Weg
muss man einschlagen, damit man Tao erlangt?
Auf diese drei Fragen aber antwortete die Aussage des Nicht
handelns nicht. Nicht, dass sie nicht antworten wollte, sie4
wusste nicht, was sie antworten sollte.
Da der Intellekt keine Antwort bekam, kehrte er um und begab
sich nach Süden zum Weissen Wasser, bestieg den Gipfel der5 6Leere des Zweifels und sah den gebeugten Narren: Der Intellekt
stellte dem gebeugten Narren die gleichen Fragen. "Ah" sagte
der gebeugte Narr "Ich weiss es und werde es Euch sagen."
Während er im Begriff war zu sprechen aber, vergass er das,
was er sagen wollte.
Da der Intellekt die Antworten nicht bekam, kehrte er zum
Palast des Gelben Fürsten zurück. Anlässlich einer Audienz beim
Gelben Fürsten stelle er diesem die Fragen.
Der Gelbe Fürst sagte: "Ohne zu denken und ohne etwas im
Sinn zu haben beginnt man, Tao zu erkennen. Ohne Massnahmen zu
treffen und ohne sich in etwas zu fügen, beginnt man, im Tao
zu ruhen. Ohne etwas zu befolgen und ohne einen Weg einzu-O
schlagen, beginnt man, Tao zu erlangen."0
-18-
Der Intellekt fragte den Gelben Fürsten: "Ich und du, wir
wissen es, jene (sc. die Aussage des Nichthandelns) und der
andere (sc. der gebeugte Narr) wissen es nicht; wer in aller
Welt hat nun recht?
Der Gelbe Fürst sagte: Jene; die Aussage des Nichthandelns
hat wirklich recht, und der gebeugte Narr hat es scheinbar.
Ich und du werden dem nie nahe kommen. Denn: der Wissende. g
redet nicht, und der Redende weisst nicht. Deshalb lebt der
Weise die Lehre des Nicht-Redens]^
Er v e r t r a u t s e i n e m s p o n t a n e n Handeln;
so ist die Lehre des N i c h t - R e d e n s .
Tao kann nicht erlangt werden,
Tao liegt in der S p o n t a n e i t ä t und ist
u n m ö g l i c h , mit W o r t e n zu e r re ic he n.
und die Tugend^ kann nicht erreicht werden.
Man v e r l i e r t die T u g e n d nicht, d e s h a l b
rü hm t man sie, und indem man sie rühmt,
e r r e i c h t man sie nicht. Das ist nicht. .. 12die h ö c h s t e /Tugend/.
Wohlwollen kann man üben; Rechtschaffenheit kann feh 1sch1agen,
und mit den Riten täuscht man sich gegenseitig. Deshalb heisst
es: Nach dem Verlust von Tao folgt die Tugend; nach dem Ver
lust der Tugend kommt das Wohlwollen; nach dem Verlust des
Wohlwollens kommt die Rechtschaffenheit, nach dem Verlust der
Rechtschaffenheit kommt der Ritus. Der Ritus ist Tand des Tao
-19-
und der Anfang von Unordnung.
Die Ri te n h a b e n f e s t s t e h e n d e Regeln,
d e s h a l b e n t s t e h t da r a u s t r ü g e r i s c h e
N a c h a h m u n g .
Deshalb heisst es: wer Tao übt, vermindert täglich,
Er v e r m i n d e r t das V e r z i e r t e und U n
echte .
er vermindert es und vermindert es nochmals, bis er schliess
lich ankommt beim Nichthandeln. Beim Nichthandeln bleibt nichts
ungemacht]3
Das V e r z i e r t e w i rd v e r l a s s e n , w ä h r e n d
das W e s e n t l i c h e b e w a h r t wird; alsdann,
selbst w e nn g e h a n d e l t wird, ist es g l e i c h
wohl ni ch t ein Hand el n.
Heute sind die Dinge gemacht
Die Dinge v e r l o r e n ihren Platz, d e s h al b
gibt es /jetz/ g e m a c h t e Dinge.
und wenn wir wünschen, wieder zum Ursprung zurückzukehren,
ist das nicht auch sehr schwer? Dies ist nur für den grossen
Menschen leicht!
D e r j e n i g e , für den die R ü c k k e h r zur
W u r z e l le i c h t ist, das kann nur ein
g r o s s e r M e n s c h sein.
-20
Das W e s e n des g r o s s e n M e n s c h e n ist in
U e b e r e i n s t i m m u n g mit der W a n d l u n g , d e s
halb fällt ihm das V e r ä n d e r n der Dinge
ni ch t s c h w e r .
Das Leben ist der Gefährte des Todes,
D e r j e n i g e , der das Tao des W a n d e i n s
kennt, der b e t r a c h t e t Tod und Leben
n i c h t als etwas V e r s c h i e d e n e s .
und der Tod ist der Anfang des Lebens, wer kennt ihre Gesetze?
A b w e c h s l u n g s w e i s e sind sie der An-14 . .
fang. Somit kann man nicht wissen,
w e l c h e s / e i g e n t l i c h / der Tod und w e l
ches das L e b e n ist.
Das Leben des Menschen /entsteht/ aus einer Ansammlung des
Atems. Die Ansammlung /des Atems/ bewirkt das Leben, die
Zerstreuung /des Atems/ bewirkt den Tod.
Be id e (sc. Leben und Tod) sind der A n
s a m m l u n g / u n t e r w o r f e n / , und be id e sind
der Z e r s t r e u u n g / u n t e r w o r f e n / .
Wenn nun Tod und Leben Gefährten sind, welches Unglück gibt
es denn für uns?
U n g l ü c k w i r d vom U n t e r s c h e i d e n e r
zeugt .
-21 -
1 5Deshalb sind die zehntausend Dinge eine Einheit. Das, was
man schön findet, wird als göttlich und wunderbar^ und das,
was man hässlich findet, als stinkend und verfault^ erachtet.
Das Stinkende und Verfaulte wandelt sich wieder und wird zu
Göttlichem und Wunderbarem, und Göttliches und Wunderbares
wandeln sich wieder und werden zu Stinkendem und Verfaultem.
Deshalb heisst es: 'Die Welt wird nur vom einen Atem durch
drungen 1
J e d e r e i n z e l n e hält das Sc h ö n e für
g ö t t l i c h und w u n d e r b a r , das H ä s s l i c h e
für s t i n k e n d und ve rf au lt . Nun aber,
das, was für an de re schön ist, ist das,
was für mich h ä s s l i c h ist. Das, was
für m i c h sc hö n ist, fi nd en an d e r e wohl 1 8
hä ss l i c h . D e s h a l b h a b e n alle G ö t t l i c h e s
und W u n d e r b a r e s , und alle h a b e n S t i n k e n
des und V e r f a u l t e s . W a h r l i c h , sind Tod
und Leben, der A n d e r e und ich etwa v e r
s c h i e d e n ?
1 9deshalb legt der Weise Wert auf die Einheit. "
Der Intellekt sagte dem Gelben Fürsten: "Ich befragte die
Aussage des Nichthandelns, die Aussage des Nichthandelns ant
wortete mir nicht; nicht, dass sie mir nicht antworten wollte,
sie wusste nicht, was sie mir antworten sollte. Ich befragte
den gebeugten Narren,der gebeugte Narr wollte es mir mit
te i 1 e n , aber teilte es mir schliesslich nicht mit, weil er es -
während er es mir mitteilen wollte - vergass. Jetzt habe ich
Euch befragt,und Ihr wusstet es. Warum denn seid Ihr /dem Tao/
nicht nahe?"
-22-
Der Gelbe Fürst sagte: "Jene (sc. die Aussage des Nichthandelns)
hat wirklich recht, weil sie es nicht wusste. Dieser (sc. der
gebeugte Narr) hat es scheinbar, weil er es vergass. Ich und20du werden dem nie nahe kommen, weil wir es wissen'.'
Der gebeugte Narr hörte diese Erklärung und glaubte, der Gelbe21Fürst wisse, was Worte sind.
Das V e r s t e h e n der S p o n t a n e i t ä t kann
ni ch t e r r e i c h t w e r d en , indem man über 22
W e i s h e i t redet. D e s h a l b m u ss es du nk el
bl e i b e n ; im L a nd der Wort l o s i g k e i t .
D e s h a l b wä hl t er (sc. C h u a n g tzu) zuerst
B e i s p i e l e der W o r t l o s i g k e i t .
A l s d a n n w i r d K l a r h e i t g e g e b e n du rc h den
G e l b e n Fürs te n, so da ss die g e h e i m n i s
v o l l e n Dinge der N a t u r g e s a m t h a f t e r la ng t
und g e s e h e n w e r d e n können.
Himmel und Erde sind von grosser Schönheit, aber sie sprechen
nicht davon; die vier Jahreszeiten befolgen klare Gesetze, aber
sie diskutieren nicht darüber; die zehntausend Dinge sind einer
vollkommenen Ordnung unterworfen, aber sie erläutern diese nicht
Dies ist der Grund, w a r u m auch K o n
fuzius sagt: "Ich m ö c h t e l i e b e r. 24
n i c h t s reden'.'
23
Der Weise ergründet die Schönheit von Himmel und Erde und erreicht
in der Folge die Prinzipien der zehntausen Dinge. Aus diesem Grunde
handelt der vollkommene Mensch nicht
-23-
Er v e r t r a u t ihrem n a t ü r l i c h e n H a n d e l n
und das ist alles.
und der grosse Weise tritt nicht in Erscheinung.
Er folgt nur ih re r Neigung.
Dies ist gemeint mit: sie überschauen Himmel und Erde.
In ih r e r B e o b a c h t u n g der Fo rm en
und E r s c h e i n u n g e n und in der A b . 25
b i l d u n g der Dinge und E r s c h e i n u n g e n
sind sie von H i m m e l und Erde nicht
vers c h i e d e n .
Immer besassen jene (sc. die vollkommenen Menschen und die
grossen Weisen) geistähnliche Erkenntnis und vollkommene2 g
Essenz und nahmen teil an den hundert Veränderungen der
Dinge.
In de m sich die h u n d e r t V e r ä n d e r u n g e n
von se lb st v e r ä n d e r n , tut ihnen die
g e is t ä h n l i c h e E r k e n n t n i s ke in e Gewalt
an .
Die Dinge sind bereits /von selbst/ tot oder lebendig, viereckig 2 7oder rund und niemand kennt den Grund /dafür/.
Nun, die, die ster be n, s t e r b e n von
se lb st und die, die leben, le b e n von
selbst. Das, was r u nd ist, ist von
se l b s t rund, und das, was v i e r e c k i g
ist, ist von se lb st v i e r e c k i g . Sie
ha b e n keine W u r z e l , d e s h a l b kennt sie
n i e m a n d .
-24-
So ist die Art und Weise des Lebens, überall haben die zehn
tausend Dinge seit alters her bereits bestanden.
Wie ist es mö g l i c h , dass sie d a r a u f
wart en , bis sie g e m a c h t w e r d e n und
dann erst e x i s t i e r e n .
2 8/Obwohl der Raum, den/ die sechs Richtungen aufspannen, un
ermesslich gross ist, hat sich dieser nicht aus seinem (sc. des
Tao) Inneren entfernt.
Pl an t man die sechs R i c h t u n g e n ins
G r e n z e n l o s e (sc. ins Tao), dann sind
sie winzig.
Der Herbstflaum ist zwar klein, doch empfängt er seine voll
endete Form von ihm (sc. dem Tao).
Ob w o h l der H e r b s t f l a u m kl e i n ist;
/doch we n n / ni c h t das G r e n z e n l o s e
a n w e s e n d wäre, a l s d a n n wäre n i c h t s29
v o r h a n d e n , um d e s s e n S u b s t a n z zu um fa ss en .
Auf der Welt gibt es nichts, das nicht flüchtig erscheint und. 30wieder untergeht, alles erneuert sich ständig.
31T ä g l i c h ist alles neu!
, 32Die Finsternis, das Licht und die vier Jahreszeiten bewe
gen sich auf ihrer Bahn; jedes besitzt seine feste Anordnung.
Es b e d a r f ni ch t erst /eines A n s t o s s e s / ,
sie tun e s .
Dunkel, als ob es (sc. Tao) abwesend wäre, ist es (sc. Tao)
indessen das /eigentlich/ Vorhandene.
Ist es hell, als ob es v o r h a n d e n wäre,
so ist es / b e r e i t s w i e d e r / fort.
Unbekümmert ist es, geistgleich und ohne Form,
Wäre es w o h l u m r i s s e n und h ä t t e es
Form, so wäre es ni ch t g e i s t g l e i c h .
und die zehntausend Dinge werden von ihm ernärt, aber sie
wissen es nicht. Dies ist es, was man Quelle und Wurzel nennt,
Es e r n ä h r t sie, a b e r sie e r l a n g e n nicht
die W u r z e l se in es u r s p r ü n g l i c h e n Wesens.
D e s h a l b w i s s e n sie nicht, w o d u r c h sie
e r n ä h r t werden.
33und von dieser aus kann man in den Himmel sehen.
Und /man ka nn / mit dem H i m m e l g e m e i n
sam b e t r a c h t e n .
-26-
Nieh-ch'üeh erkundigte sich bei P'i-i nach dem Tao. P'i-i
antwortete ihm: "Mache deinen Körper recht und deinen Blick
eins, so wird dich die himmlische Harmonie erreichen. Bändige35deinen Intellekt und verbessere deine Haltung, so wird der
Geist kommen und bei dir wohnen. Die Tugend wird deine Schön
heit und Tao deine Wohnung sein. Schau in die Welt wie ein
neugeborenes Kalb und suche nicht nach deren Grund"
Diese Worte waren noch nicht ausgeklungen, als Nieh-ch'üeh tief
einschlief. P'i-i freute sich sehr, verliess ihn und sang während
des Fortgehens:
"Sein Körper ist wie ein dürres Knochengerüst,
sein H e r z ^ ist wie tote Asche.
Wahrhaftig ist seine volle Erkenntnis,
er hält sich nicht an seinen Meinungen fest.
Er ist eins mit der V e r ä n d e r u n g .
Geheimnisvoll und dunkel,37er hat kein Herz mehr und man
kann mit ihm keine Ränke mehr schmieden.
Wahrlich, welch ein Mann!"
34
Das ist eine S e l b s t . v e r w a n d l u n g .38
Shun fragte Ch ' eng 40besi tzt?"
39. "Kann man soweit gelangen, dass man Tao
Er antwortete: "Wenn du deinen Körper nicht besitzest, wie
willst du /erst/ in den Besitz des Tao gelangen?"
Nun, der K ö r p e r ist ni ch t etwas, das
du b e s i t z e n kannst; ganz von a l l e i n e
b e s i t z t er sich selbst. Wenn a b er der
K ö r p e r etwas ist, das du ni ch t b e s i t z e n
kannst, umso w e n i g e r / k a n ns t du/ f o l g l i c h
Tao /bes i t z e n / !
Shun erwiderte: "Wenn mein Körper nicht mein Besitz ist, wer
besitzt ihn denn?"
Ch'eng sprach: "Er ist die /dir/ anvertraute Form von Himmel
und Erde. Das Leben ist nicht dein Besitz, es ist die /dir/
anvertraute Harmonie von Himmel und Erde. Dein Wesen und dein 41Schicksal sind nicht dein Besitz, es ist der /dir/ anver
traute Lauf von Himmel und Erde.
Wenn der K ö r p e r dein Be s i t z wäre, so
m ü s s t e n S c h ö nh ei t, H ä s s l i c h k e i t , Tod
und L e b e n von dir a u s g e h e n d g e r e g e l t. 42
werd en . Nun, w e nn sich der A t em v e r
einigt, so / e n t s t e h t / Leben, und du
k a n n s t es ni ch t v e r h i n d e r n , wenn der
A t e m sich z e r s t r e u t , so /tritt der/
Tod /ein/, und du k a n n s t ihn nicht
au f h a l t e n . Das zeigt d e u t l i c h , dass
er (sc. dein Körp er ) l e d i g l i c h von
selbst v o l l e n d e t ist, indem er in A n
l e h n u n g /an den At em / z u s a m m e n g e k i t t e t
ist. Er ist (sc. der Körp er ) ni ch t dein
Besitz!
Deine Kinder und Grosskinder sind nicht dein Besitz, es ist di43/dir/ anvertraute Häutung von Himmel und Erde.
-28-
Der A t e m zieht sich von se lb st zu s a m m e n
und v e r e i n i g t sich, um sich dann wie eine44
Zi k a d e zu häuten.
Aus diesen Gründen gehst du und weisst nicht wohin, bleibst
stehen und weisst nicht, wo dich festhalten, isst und kennst
nicht den Grund des Geschmacks.
Al le s ko mm t aus der n a t ü r l i c h e n O r d n u n g
auf dich zu, d e s h a l b we is s man es nicht.
45All dies geschieht durch den starken Yang-Atem von Himmel
und Erde.
S t ar ke s Yang ist g l e i c h wie: Bewegung.
Wenn man di es es Tao v e r s t e h t , so ist es
mö g l i c h , den K ö r p e r zu v e r n a c h l ä s s i g e n46
und das Le be n g e r i n g zu schätzen.
Wie kann man da noch verlangen, /seine eigene Person/ zu be
sitzen?"
Konfuzius wandte sich fragend an Lao Tan und sagte: "Heute, da
Ihr ruhig seid und Müsse habt, wage ich es, Euch nach dem vollkommenen Tao zu fragen."
Lao Tan erwiderte: "Du musst fasten und Enthaltsamkeit üben,47reinige und wasche dein Herz, reinige deinen Geist und zer
schlage und vertreibe dein Wissen. Wahrlich, das Tao ist tief,
und es ist schwierig, davon zu reden! Ich will dir einen all
gemeinen Ueberblick davon geben.
-29-
Die Helligkeit wird aus der Finsternis geboren, das Geordnete49geht aus dem Formlosen hervor, und der reine Geist geht aus
dem Tao hervor.
48
/Dies/ alles, um damit k l a r z u m a c h e n ,
dass sie (sc. die e r w ä h n t e n Sachen)
von a l l e i n e e n t s t e h e n , ohne U n t e r .. 50
S t ü t z u n g o d e r A n l e hn un g.
Die Wurzel des Gestalteten 51 entspringt der Essenz,52
Al le s g e l a n g t vom F e i n s t e n (sc. von
der E s s e n z ) zum Groben.
und die zehntausend Dinge werden von den Formen wechselweise
erzeugt. Deshalb werden die /Lebewesen/ mit neun Körperöffnungen
lebend geboren, die mit acht Körperöffnungen werden aus dem Ei
geboren33
Das be de u t e t : Die z e h n t a u s e n d Dinge,
o b g l e i c h sie von den Fo r m e n w e c h s e l
se i t i g e r z e u g t werden, / e n t s t e h e n /
t r o t z d e m jedes e i n z e l n e von selbst;
denn M u t t e r l e i b und Ei k ö n n e n die Art
ni ch t v e r w a n d e l n und sie dann gebären.
Somit ist es klar, dass es nicht eine54H a n d l u n g des r e i n e n G e i s t e s sein kann.
Sein (sc. des Tao) Kommen hinterlässt keine Spuren, und es geht- 5 5nicht hinter der letzten Klippe fort, es hat weder Türen noch
Zimmer33 und ist so gross wie die Unendlichkeit des Alls3^
Indem es (sc. Tao) dem W e s e n seines
S o - s e i n s folgt und auf s p u r e n l o s e n
We g e n u m h e r s c h w e i f t , ist sein K ö r p e r
-30-
v o l l k o m m e n frei z w i s c h e n H i m m e l und
Erde. Es lässt se in en r e i n e n Geist
/auch/ a u s s e r h a l b der acht H i m m e l s . 58
r i c h t u n g e n weilen. D e s h a l b hat es
w e d e r T ü r e n noch Zimmer. Es d u r c h
dr i n g t die vier H i m m e l s r i c h t u n g e n in
m ä c h t i g e r Grösse; u n e i n g e s c h r ä n k t
s c h w e i f t es i n n e r h a l b der sechs Rich-59t u n g e n u m h e r und b e g l e i t e t den Gang
der W a n d l u n g e n .
Wer immer diesem (sc. dem Tao) begegnet, dessen vier Glied
massen werden stark; seine Gedanken werden allgegenwärtig und
durchdringend; sein Gehör fein, sein Sehen klar; er gebraucht
seinen Geist ohne Mühe; er beantwortet /alle/ Dinge ohne Vor. .,61 urteil.
Wenn ein M e n s c h im Le be n d i e s e m Tao b e
gegnet, so w i r d / s ei ne / n a t ü r l i c h e Ve r a n -62 63
l a g u n g v o l l e n d e t , und sein Geist wird
g e f e s t i g t .
Der Himmel kann nicht anders als hoch sein, die Erde kann nicht anders als weit sein, Sonne und Mond können nicht anders als wan
dern, die zehntausend Dinge können nicht anders als sich ent-64wickeln, das ist wohl ihr Tao!
Dies heisst: alle diese / e r w ä h n t e n
K a t e g o r i e n / sind e i n f a c h von selbst
so, in de m sie ni ch t an de rs als so sein
können. Es ist ni ch t Tao, das dies ver-n , ■■ 65a n l a s s e n konnte.
Gelehrsamkeit überdies erlaubt nicht unbedingt, dass man es er
kennt; Analysen führen nicht notwendig zur Einsicht, deshalb
hat sich der Weise von diesen beiden Methoden getrennt.
-31
Er hat sich g e t r e n n t von W i s s e n und E r
k e n n t n i s und b e i d e v e r w o r f e n und sich66
der N a t u r a n v e r t r a u t .
Es (sc. Tao) ist etwas, das - wird es vergrössert - keine Zu
nahme zeigt - wird es vermindert - keinen Verlust erleidet. Das6 7ist das, woran der Weise festhält.
Er (sc. der Weise) v e r a n l a s s t , dass ein. . . 63jedes Ding seine wa hr e B e s t i m m u n g b e w a h r t
Das ist alles! D e s h a l b h a n d e l t er, ohne69W i s s e n und E r k e n n t n i s zu ge br a u c h e n .
Abgründig und tief ist es, wie das Meer.
A u s s e h e n und B e t r a g e n sind ni c h t zu e r
m e s s e n .
Wie hoch und erhaben^ ist es, dass es dort, wo es endet, wieder
zum Anfang zurückkehrt!
Weil /das Tao/ mit den W a n d l u n g e n eins
ist, hä uf t es u n e n d l i c h e Z e i t a b s c h n i t t e
an; d e s h a l b kann man es hoch und e r h a b e n
n e n n e n .
Es ermöglicht allen Wesen, sich nach /ihrem/ eigenen Mass zu ent
wickeln, ohne dass es sich erschöpft.
Im B e m ü h e n um die Dinge müht es sich
se lb st ni ch t ab; d e s h a l b e r s c h ö p f t es
sich n i c h t !
71 7 2Doch das 'Tao' des Edlen ist bloss dessen Aeusseresl
-32-
Es genügt, dass ein je de r /die E n e r g i e
zum Leben und H a n d e l n / s e i n e r / e i g e n e n /
P e r s o n entnimmt.
Alle zehntausend Dinge gehen hin und empfangen ihren Besitz von
ihm, und es erschöpft sich nicht. Ist nicht dieses das /wahre/ Tao?
Wenn die a u s g e g e b e n e n Dinge z u r ü c k
k e hr en , dann habe ich an n i c h t s Mangel.
Dies e r k l ä r t das D i n g e - B e s c h e n k e n des. . 73Tao; es b e s t e h t im N i c h t - B e s c h e n k e n .
W e nn ni ch t g e g e b e n wird, so e r h a l t e n
sich die Dinge selbst. D e s h a l b he is st
es: 'Dieses ist das / w ah re / Tao!'
S p ri ch t man vom N i c h t -L e i s t e n des
h ö c h s t e n Tao, so ist / d i e s e s / N i c h t
L e i s t e n /an sich sc ho n/ genug, um als74
Tao b e n a n n t zu werden.
Nehmen wir an, es gibt in den mittleren Staaten einen Menschen,• 7 5er ist nicht yin und er ist nicht yang.
Es gibt k e i n e n A n h a l t s p u n k t , ihn e i n
d e u t i g zu be ne n n e n .
Er wohnt /irgendwo/ zwischen Himmel und Erde und ist lediglich
Mensch.
Stolz und frei kann er sich n i e d e r
lassen, wo im m e r er h i n g e l a n g t , er
hat ke in e V e r d i e n s t e ? ^
Dann wird er zurückkehren zu seinem Ursprung.
Er jagt nicht dem U n w i c h t i g e n nach.
Vom Ursprung aus gesehen, ist das Leben etwas, das eine Ver
dichtung des Atems darstellt.
Bloss v e r d i c h t e t e r Atem.
Ob er nun ein langes Leben oder einen frühen Tod hat: wie klein
ist doch der Unterschied: Als einen Augenblick könnte man es
erklären. Wie könnte dies genügen, um zu unterscheiden zwischen
dem Guten, das Yao bewirkte, und dem Bösen, das Chieh bewirkte?
Tod und Leben, wie w e n i g sie sich doch
u n t e r s c h e i d e n ; w i e v i e l w e n i g e r erst der
U n t e r s c h i e d z w i s c h e n ei ne m l a n g e n Leben
und e i n e m fr ü h e n Tod!
7 8Die Früchte der Bäume und die Früchte der Erde haben ihrn ■ • 7 9Prinzip.
Es gibt kein Ding ohne P r i n z i p ( i i li)?°
es muss es nur be fo l g e n .
Die menschlichen Beziehungen, obieich schwieriger, sind von81gleicher Geltung.
I n n e r h a l b der m e n s c h l i c h e n B e z i e h u n g e n
gibt es / z u s ä t z l i c h / V e r ä n d e r u n g e n des
W i s s e n s und der E r k e n n t n i s ; d e sh al b
sind sie s c h w i e r i g e r . Nun aber ist dieses
W i s s e n und d i e s e r E r k e n n t n i s von selbst
g e g e n s e i t i g ge or d n e t . Man m ü s s t e ihnen
(sc. den B e z i e h u n g e n ) nur fo lg en und sie
s i c h s e l b s t ü b e r l a s s e n .
Wenn der Weise mit ihnen (sc. den Prinzipien) in Berührung
kommt, so widersetzt er sich ihnen nicht.
Er ist im E i n k l a n g mit dem, was ihm
b e g e g n e t .
Er geht an ihnen vorüber, ohne sie festzuhalten.
W e nn es sich gezi em t, an ihnen v o r ü b e r
zugehen, so geht er an ihnen vorü be r.
Er bringt sie miteinander in Einklang und passt sich ihnen an
das ist Tugend. Er paart sich mit ihnen und entspricht ihnen -
das ist Tao.
'Im E i n k l a n g sein' und 'sich p a a r e n mit'
besagt, dass man sich /mit den E r e i g
n i s s e n / in H a r m o n i e be fi nd et .
Das ist das, was das Erheben der Herrscher und das Aufsteigen
der Könige ermöglicht.
Es ist so und w e i t e r nichts.
-35-
Das Leben des Menschen zwischen Himmel und Erde ist wie ein8 2weisses Fohlen, das eine Kluft überspringt - ein Augenblick,
und es ist vorbei.
Es ist ni ch t wert, sich d a r u m zu kümmern.
Ueberströmend und wild tritt alles hervor, sachte und glatt
kehrt alles zurück.
' H e r v o rt re te n' und ' z u r ü c kk eh re n' b e z i e h t
sich auf die Wandlung., Das will sagen,
dass es un t e r dem Hi m m e l n o ch ni c h t s
g e g e b e n hat, das sich nicht v e r ä n d e r t e .
Eine Wandlung, und es entsteht Leben, abermals eine Wandlung,
und der Tod ist da.
Al l e s ist d i e s e r W a n d l u n g / u n t e r w o r f e n / .
Die Lebenden trauern deswegen,
L e b l o s e We se n t r a u e r n nicht.83
und das Menschengeschlecht ist betrübt darüber.
Die To t e n sind n i c h t b e t r ü b t darüber.
Doch es ist gleich einer Entledigung der vom Himmel geliehenen
Hülle, ein Fallenlassen der vom Himmel geliehenen Umhüllung.
Es ist nur ein A u s z i e h e n .
-36-
Bald verwi rrt, bald • u .85sich fugend.
Die sich v e r m i s c h e n d e n S c h w a d e n der W a n d l u n g
8 7Sind Hauchseele und Körperseele im Begriff zu entschwinden, dann88folgt ihnen der Körper : so ist die grosse Rückkehr!
Die G e d a n k e n des N i c h t - H a n d e l n s sind
, • 89dar i n .
Das Formlose bewegt sich zur Form, dann bewegt sich die Form
zum Formlosen.
Formt man nicht, so kommt die Form
zu st an de ; formt man aber, so v e r d i r b t
, • ^ 90man die Form.
Dies ist etwas, was jeder Mensch weiss.
O b g l e i c h man es weiss, ist man nicht
im st an de , /den D i n g e n / ihre ei g e n e
F o r m g e b u n g zu ü b e r l a s s e n . Im Ge g e n t e i l ,
man w i ll sie fo r m e n und d e s h a l b v e r d i r b t
man sie m e is te ns !
Es (sc. das Formlose, Tao) ist nicht etwas, das durch Anstrengung91erreicht werden kann.
Be mü ht man sich darum, so e r r e i c h t man
es n i c h t .
Diese /Gedanken/ werden von allen Menschen erörtert.
Ob w o h l sie es e r ö r t e r n , so ist es so, dass
sie - w e i l sie sich d a r u m b e m ü h e n m ü s s e n -Q Q
es ni ch t erreichen.-''
/Doch/ jene, die es (sc. Tao) erreichten, erörtern es alsdann. 94nicht.
/All es /
wu ss t zu
v e r g e s s e n d und ohne
sein, so e r r e i c h t e n
sich d e s s e n be-
sie es (sc. T a o ).95
/Und jene/, die es (sc. Tao) erörtern, erreichten es folglich
nicht?®Mit klarem Sehen /kann man Tao/ nicht begegnen,
S c h l i e s s t man die Augen, um es zu e r r e i c h e n ,
dann b e g e g n e t man ihm.
und hin und her reden ist nicht/so gut/ wie schweigen. Tao
kann man nicht hören; es ist besser, die Ohren zu verstopfen,9 8als es hören zu wollen! Das nennt man das grosse Erlangen.
S c h w e i g t man und v e r s t o p f t man /die Sinne/,
so gibt es n i c h t s mehr, dem man na ch j a g t . Das
sind die U r s a c h e n des g r o s s e n E r l a n g e n s .
99Tung-kuo Tzu befragte Chuang-tzu und sprach:
"Das, was Ihr Tao nennt, wo ist es zu finden?"
"Es gibt keinen Ort, wo es nicht ist", sagte Chuang-tzu.
Tung-kuo Tzu erwiderte:
"Ihr müsst es näher bestimmen".
Er m ö c h t e C h u a n g - t z u d a zu v e r a n l a s s e n ,
ei ne n Ort zu nennen.
-33-
"Es ist in dieser Ameise", sagte Chuang-tzu
"Warum ist es unten?" fragte Tung-kuo Tzu
"Es ist in diesem Unkraut", sagte Chuang-tzu
"Warum ist es noch weiter unten?" fragte Tung-kuo Tzu
"Es ist in dieser tönernen Scherbe", sagte Chuang-tzu
"Ja, warum denn noch tiefer?" fragte Tung-kuo Tzu
"Es ist im Kot und im Urin", sagte Chuang-tzu.
Tung-kuo Tzu erwiderte nichts. Chuang-tzu sagte zu ihm:
"Eure Fragen erreichen wirklich das Wesentliche nicht.
Alle seine H i n w e i s e auf das We se n b e d e u t e n ,
dass es k e i n e n Ort gibt, wo es ni c h t ist.
A b e r T u n g - k u o Tzu w u n d e r t sich a l s d a n n w i e d e r
d a r ü b e r ; so e r r e i c h t er des W e s e n nicht.
Als Inspektor Huo den Marktaufseher über die Fettprobe1°°bei
Schweinen befragte, war die Antwort: "je tiefer/das Fett/ desto wertvoller /das Schwein/"101
* hsi heisst: g r o s s e s Schwein.
Nun, die F e t t p r o b e bei S c h w e i n e n e r l a u b t es
dem M a r k t a u f s e h e r , d e r e n fette und m a g e r e
S t e l l e n zu er ke n n e n . Je m e h r man die S t e l l e n
sucht, die n i c h t so le i c h t fett sind, umso m e hr
k e n n t man die W i c h t i g k e i t des Fe t t e s b e im Schwein.
D o ch jetzt zurück zur Frage n a ch dem Ort, wo
Tao sich b e f i n d e t : an jedem Ort w ä c h s t es,
im V e r h ä l t n i s zu d e s s e n N i e d r i g e r w e r d e n , um zu
zeig en , dass es s i c h e r so ist, dass sich Tao
ni c h t aus den D i n g e n en tz ie ht .
-39-
1 02Ihr dürft nur nicht voreingenommen sein, es (sc. Tao) ent-1 03fernt sich nicht aus den Dingen.
Wenn man u n b e d i n g t d a r a u f b e h a r r e n.. 104
würde, dass das Ni c h t s sich den
D i n g e n e n t z i e h e , so wäre Tao nicht
um f a s s e n d . Wäre es aber ni ch t u m
fassend, so wäre es ni ch t wert, Tao105
g e n a n n t zu werden.
So ist das erhabene Tao; darum auch die grossen Worte
Dies zeigt d e u t l i c h , dass sich Tao nicht
aus den Di n g e n en tf ernt.
Vollständigkeit, Universalität und Ganzheit. Diese drei /Aus
drücke/ sind verschiedene Bezeichnungen der gleichen Wahrheit -
sie /alle/ weisen auf das Eine hin.
Versuche mit mir zum Palast des Nicht-Seins'“” zu wandern; von
der Vereinigung ausgehend hat er weder Ende noch Grenze]^
Wenn man im Sein wa n d e l t , so ist man
un f ä h i g , v o l l s t ä n d i g , u n i v e r s a l und ganz
zu sein. Wenn man a b e r von der V e r e i n i g u n g
mit dem Einen au s g e h t , dann erst we is s man,1 08
dass es k e i n e n Ort gibt, wo Tao nicht ist.
E r k e n n t man die Im m a n e n z des Tao, erst dann
ist man fähig, l e er und ohne R e g u n g des109 . 110
H e r z e n s zu sein und dort zu w a n d e l n , wo
es keine G r e n z e n gibt.
-40-
Versuche mit mir das Nicht-Handeln! Wie still man ist aus der
Seelenruhe heraus! Wie rein man ist aus dem Gefühl der unend
lichen Stille heraus! Wie mü'ssig man ist aus dem Erlebnis der
Harmoni e heraus ! ^
Die U r s a c h e all de s s e n ist das N i c h t -H a n d e l n
Unermesslich - nämlich leer - wird unser Wille sein.11 2
Leer seiend, im / Z u s t a n d / der Leere.11 3
1 1 4Weil unser Wille kein /zielgerichtetes/ Gehen mehr hat, weiss
man nicht, wohin man gelangt.
Falls u n s e r Wi l l e leer ist, so hat er
k e in / z i e l g e r i c h t e t e s / Ge he n mehr; weil
er kein / z i e l g e r i c h t e t e s / Ge he n /mehr/
hat, weiss er b e i m H i n g e h e n nicht, wo er
anla ng t. Wenn er aber ein / z i e l g e r i c h t e t e s /
Ge he n hat, so sind /zwar/ die P r i n z i p i e n 3 115(2;S- li) n o ch ni ch t in B e w e g u n g , aber
116der Wille hat /das Ziel/ schon er re ic ht .
/Der Wille/ geht und kommtl"*^ ohne zu wissen, wo er anhält.
Also fügt er sich'.
Wir sind bereits im Gehen und Kommen, ohne zu wissen, wo /der
Weg/ endet.
Es ist bl o s s ein Ge he n und Kommen, das nicht
aus der E r k e n n t n i s (dem B e w u s s t s e i n ) folgt,
aber es ist ni ch t so, dass es kein Ge he n und
K o m m e n wäre. Di e s e s Ge he n und K o m m e n ist das
ew ig e P r i n z i p der Natur. Hat es e t wa ein Ende?
-41
■ 1 1 9Wir schweifen in der grossen Leere umher, und das grosse
Wissen tritt ein, ohne dass es weiss, wo es ein Ende nimmt.
Der A u s d r u c k p ' i n g h u n g b e s a g t s o
viel wie: die Gr o s s e Leere. Das Gr os se
W i s s e n w a n d e r t im G r e n z e n l o s e n , jede
E i n s c h r ä n k u n g a b w e r f e n d , folgt es der
W a nd lu ng . D e s h a l b w e i s s es nicht.
Das, was bewirkt, dass Dinge Dinge sind, ist nicht von den Dingen. . 1 2 0 abgegrenzt.
Das zeigt, dass das, was b e w i r k t , dass
Dinge Dinge sind, die Dinge von selbst
zu Di ng en w e r d e n lässt, ohne dass es selbst
ein Ding wäre. Weil die Dinge von selbst. . . . . 121Dinge sind, da h e r ist es g e h e i m n i s v o l l .
/Der Umstand/, dass die Dinge ihre /eigenen/ Grenzen haben, wird
Begrenzung der Dinge genannt.
Da die Dinge ihre G r e n z e n haben, kann kein
/Ding/ mit ei n e m a n d e r e n /Ding/ u n k l a r e
G r e n z e n haben. Sie k ö n n e n w i r k l i c h " b e
g r e n z t " g e n a n n t werd en .
Das Unbegrenzte bewegt sich zum Begrenzten und das Begrenzte. 122 bewegt sich zum Grenzenlosen.
Das G r e n z e n l o s e - o b w o h l es als das b e z e i c h
net wird, das be w i r k t , dass Dinge Dinge sind -
zeigt ge r a d e d e u t l i c h , dass die Dinge von
se lb st sind, ohne dass es (sc. das G r e n z e n
lose) selbst Ding ist. Das, was be w i r k t , dass
Dinge Dinge sind, ist in W i r k l i c h k e i t kein
-42-
kein Ding. Wo so l l e n sich de ss en
G r e n z e n b e f i n d e n ?
Wir sprechen von Fülle und Leere, von Vergehen und vom Verfall.
Jenes (sc. Tao) bewirkt Fülle und Leere, aber es ist selbst
weder Fülle noch Leere; jenes (sc. Tao) bewirkt das Vergehen und
den Verfall, aber es ist selbst weder Vergehen noch Verfall;
jenes (sc. Tao) bewirkt Anfang und Ende, aber es hat selbst weder
Anfang noch Ende; jenes (sc. Tao) bewirkt die Ansammlung und die
Zerstreuung, aber es ist selbst weder Ansammlung noch Zerstreuung
N a c h d e m v e r d e u t l i c h t wurde, dass das, was
be w i r k t , dass Dinge Dinge sind, selbst
kein Ding ist, w i r d nun ü b e r d i e s e r kl är t,
dass Dinge ni ch t von se lb st zu D i n g e n w e r d e n
können. Wenn dem so ist, wer soll es denn
e i g e n t l i c h sein, der dies b e w i r k t ? Alles1 24
/ e n t s t e h t / p l ö t z l i c h und von selbst.
Ah Ho-kan und Shen Nung studierten gemeinsam unter dem 1 2 7alten Lung Chi. /Eines Tages/, Shen Nung hatte die Türe
geschlossen, sich auf ein Tischchen gestützt und schlief bei
hellichtem Tag, öffnete Ah Ho-kan gegen Mittag die Türe und
sagte noch während des Eintretens: "Der alte Lung ist tot!"
Shen Nung, /noch immer/ auf das Tischchen gestützt, umfasste
seinen Stock und stand auf. Dann liess er den Stock polternd
fallen und begann zu lachen.
W ä h r e n d er a u f s t a n d , w u r d e er sich der
u n n ö t i g e n Fu rc ht vor dem Tode bewu ss t.
D e s h a l b li es s er den Stock w i e d e r fallen
und b e g a n n zu lachen.
123
-43-
Er sagte: "0 Himmel! - er hatte erkannt, wie ungebildet, gemein,
nachlässig und eingebildet ich bin, deshalb hat er mich ver
lassen und ist gestorben. Nun ist es vorbei! Der Meister ist,
ohne mich Uber seine unsinnigen Worte aufgeklärt zu haben, ge
storben’.'
12 8Von C h ' i e n Wu an hat es im me r Leute
g e ge be n, die die p r o f u n d e n Wo rt e /i hr er
M e i s t e r / als U n s i n n b e t r a c h t e t e n un d ihnen
ni c h t v e r t r a u t e n . D e s h a l b sind a u s s e r Le u t e n
in der Art von Lao Lung und Lien Shu keine
es Wert, dass man mit ihnen redet.129
Yen Kang, /der gekommen war/, um sein Beileid auszusprechen,
hörte dies und sagte: "Mit demjenigen, der Tao verkörpert hat,
sind die Edlen der Welt verbunden.
Das b e d e u t e t , dass d e r j e n i g e , der das Tao
v e r k ö r p e r t , zum H e r r s c h e r über die m e n s c h
liche Art w i r d .
Bis jetzt hatte er (sc. der alte Lung) von Tao noch nicht die
Spitze eines Herbsthaares, /ja/ noch nicht /einmal/ einen zehn
tausendsten Teil davon erlangt.
Das S p i t z c h e n eines H e r b s t h a a r e s ist schon
sehr fein, aber er hatte noch n i c h t ei ne n z e h n
t a u s e n d s t e n Teil d e s s e n erlangt.
Und doch verstand er es, /uns/ seine 'unsinnigen Worte1 zu ver
bergen und starb. Und um wieviel besser /versteht es/ wohl der
jenige, der Tao verkörpert hat!
-44-
Er (sc. Yen Kang) e r k l ä r t also, dass
das e r h a b e n e Tao etwas ist, das nicht
m i t t e l s W o r t e n e r l a n g t w e r d e n kann. /Das
E r l a n g e n von Tao/ liegt ge r a d e darin,
dass man es von se l b s t erlangt.
/Man kann danach/ sehen, aber es ist ohne Form; /man kann
darauf/ hören, aber es ist ohne Ton. Diejenigen, die darüber
mit /anderen/ Menschen diskutieren, nennen es dunkel und ge
heimnisvoll. Das Tao, über das diskutiert wird, ist aber nicht
das wahre Tao!
/Sie n e n n e n / es du n k e l un d g e h e i m
n i s v o l l , doch ist es w i e d e r u m nicht
Tao. Das m a c h t d e u t l i c h , dass Tao
ohne B e n e n n u n g ist.
132 133Die Grosse Reinheit befragte die Unendlichkeit und sagte:
11 Kennst du Tao?"
Die Unendlichkeit antwortete : "Ich kenne es nicht".1 34Dann befragte /die Grosse Reinheit/ auch das Nicht-Handeln.
"Ich kenne Tao" sagte das Nicht-Handeln.
"Nach deiner Kenntnis von Tao - hat es auch eine Bestimmung?"
fragte /die Grosse Reinheit/.
"Es hat eine',' sagte /Nicht-Handeln/.
"Wie verhält es sich mit seiner Bestimmung?" fragte /die Grosse
Rei nhei t/wei ter.
Nicht-Hände 1n sagte: "Soviel ich weiss, kann Tao vornehm sein,
es kann gering sein, es kann gebunden und es kann aufgelöst sein;1 35solcherart sind die Bestimmungen, durch die ich Tao kenne'.'
Grosse Reinheit vernahm diese Worte und ging damit zu Ohne-Anfang 1 36
-45-
und fragte: "Wenn dem so ist, dass Unendlichkeit es nicht kennt
und Nicht-Handeln es kennt, wer hat nun recht und wer hat un
recht?"
Ohne-Anfang sagte: "/Derjenige, der/ es nicht kennt, ist tief;1 37/derjenige, der/ es kennt, ist oberflächlich. /Derjenige, der/
es nicht kennt, ist innen; /derjenige, der/ es kennt, /berührt
nur/ die A u s s e n s e i t e"
Dem stimmte die Grosse Reinheit zu und sagte seufzend: "Nicht-
kennen ist also Kennen! Und Kennen ist also Nichtkennen! Wer
kennt die Kenntnis, /die darin besteht/ nicht zu kennen?"
In al le n Fällen, in denen man es
ni ch t auf dem Weg des W i s s e n s erlangt,
h a n d e l t es sich um das U n e r g r ü n d l i c h e .
Ohne-Anfang sagte: "Tao kann nicht gehört werden; was man hört,
ist es nicht. Tao kann nicht gesehen werden; was man sieht, ist
es nicht. Tao kann nicht beschrieben werden; was man beschreibt,
ist es nicht.
D e s h a l b muss man im Ge b i e t des N i c h t
Hö re ns und des N i c h t - S e h e n s zur Ruhe
kommen, a l s d a n n e r r e i c h t man e s ! ^
Kennt man das Formlose, das die Formen formt?
Die Fo r m e n fo r m e n sich /ganz/ von selbst.
Das, was die Fo rm en formt, ist s c h l i e s s
lich k e in Ding.
1 39Für Tao ist /jede/ Benennung ungeeignet. ' 11
Es gibt /zwar/ die B e n e n n u n g des Tao, a b er
l e t z t e n En de s ist es k e in Ding. D e sh al b
kann ihm eine B e n e n n u n g ni ch t e n t s p r e c h e n .
Ohne-Anfang sagte: "Derjenige, der - hat man ihn Liber Tao
befragt - darauf antwortet, kennt Tao nicht; und was den
betrifft, der nach Tao fragt, der hat auch noch nicht einmal
von Tao gehört!
Er we i s s nicht, d e s h a l b fragt er;
w e r d e n ihm a b er die Fr a g e n b e a n t
w o rt et , so kann es ni ch t Tao sein.
W i rd ni ch t g e a n t w o r t e t , so w i r d /das
Zi el / des F r a g e n d e n ni ch t er re icht.
D e sh al b, o b g l e i c h er es er fr ag te ,
hat er doch auch am Ende ni c h t s
da vo n g e h ö r t .
Tao ist unerfragbar; gibt es dennoch Fragen, so sind sie un
beantwortbar.
Das h e is st , man muss also das L e r n e n
a u f g e b e n , die L e h r e n v e r l a s s e n und
z u r ü c k k e h r e n zur Natur.
Das, was es nicht zu befragen gibt, zu befragen, das heisst,
das Aeusserste befragen.
Das ne n n t man das Leere be fr a g e n .
Das, was es nicht zu beantworten gibt, zu beantworten, das
ist inhaltslos.
D i e j e n i g e n , die in W i r k l i c h k e i t nicht
haben, aber so tun, als ob sie hä t t e n
und d a r a u f h i n a n t w o r t e n , /die s t eh en /
a u s s e r h a l b .
-47-
Wenn diejenigen, die /vorgeben/, das Inhaltslose /zu beant
worten/, denen zu Worte stehen, die nach dem Aeussersten fragen,
/so zeigen sie damit, dass sie/ im Aeusseren Raum und Zeit nicht
beobachten und dass sie im Inneren nichts wissen vom Grossen1 40Anfang. Deshalb können sie den K'un-lun nicht überschreiten
1 41und auch nicht in der Grossen Leere umherschweifen"
Was nun d i e j e n i g e n b e t r i f f t , die
b e g i e r i g d a n a c h sind, ihre E x i s t e n z
/ z w i s c h e n / H i m m e l und Erde a u f z u g e b e n ,
um in der Leere u m h e r z u s c h w e i f e n und
weit zu wa n d e r n , um so ins Du nk le und142 .
G e h e i m n i s v o l l e e i n z u t r e t e n , /die se /1 43
b e a n t w o r t e n n i ch ts , das ist alles.
144 145Glänzendes Sonnenlicht befragte Nicht-Sein und sagte:
"Seid Ihr oder sei Ihr nicht?"
Glänzendes Sonnenlicht konnte keine Antwort erlangen und so
betrachtete es genau die Erscheinung vom /Nicht-Sein/ - alles
dunkel und leer. Bis zum Tagesende beobachtete es, konnte aber
nichts sehen; es horchte, aber konnte nichts hören; es ver
suchte /Nicht-Sein/ zu ergreifen, aber es erfasste nichts. "Voll
kommen!" rief Glänzendes Sonnenlicht. "Wer kann das erreichen?
Ich vermag mit Nicht-Sein zu sein, aber ich vermag nicht ohne
Nicht-Sein zu sein. Das /Nicht-Sein/ ist zum 'Sein des Nicht-146Seins' geworden. Wie konnte es dies erreichen?"
Das b e d e u t e t alles das A u f g e b e n des
Lern en s. F o l g l i c h ist das L e r n e n die
e i g e n t l i c h e U r s a c h e , aus der die T r e n n u n g
von Tao kommt. D e s h a l b b l e i b t d e m j e n i g e n ,
der den Wert des L e r n e n s / k e n nt / w o hl nur
das N i c h t - L e r n e n .
-48-
Der Gürtelschnal1enmacher des Gross-Marschal1s war achtzig Jahre
alt, aber /sein Schlag/ verfehlte /das Ziel/ nicht um Haares
breite.
In der " D o s i e r u n g " se i n e s Sc h l a g e s
we i c h t er ni ch t um H a a r e s b r e i t e ab.
Der Gross-Marschal1 sagte zu ihm:
"Bist du /einfach/ geschickt, /oder/ hast du eine /bestimmte/
Methode?"
"Ja, ich habe eine Methode"^^ sagte der Schnallenmacher.
"Als ich zwanzig war, packte mich die Freude am Schnallen-1 48schmieden. Von /anderen/ Dingen nahm ich keine Notiz; war
etwas keine Schnalle, so prüfte ich es nicht."
Dies bedeutet, dass wer /seine Fähigkeit/ auf etwas verwendet,
dies nur erfolgreich tun kann, wenn er /seine Fähigkeit/ auf
nichts anderes verwendet. Tao aber wendet /seine Fähigkeit/1 49auf alle Dinge an!
Man soll /die Di n g e / auf k e i n e n Fall
" umhegen',' dann e n t s p r i c h t man ihnen
je n a c h d e m wie sie kommen.
Jan C h ' i u ^ 1 befragte Chung N i ^ ^ und sagte: "Kann man wissen,
was vor Himmel und Erde war?"
"Man kann" sagte Chung Ni, "damals war es wie jetzt."
Das h e i s st , H i m m e l und Erde wa re n
im me r v o r h a n d e n , so gibt es keine
Zeit, b e v o r es Et wa s gibt.
-49-
Jan Ch'iu stellte keine weiteren Fragen mehr und zog sich zurück.
Als er am nächsten Tag /Chung Ni/ wieder sah, sagte er zu ihm:
"Gestern fragte ich Euch ob man wissen könne, was vor Himmel
und Erde war. Und Ihr, Meister, habt geantwortet: 'Man kann;
damals war es wie jetzt.1 Gestern schien mir das ganz klar, heute
/aber völlig/ dunkel. Ich wage Euch zu fragen, was das bedeutet."
Chung Ni antwortete: "Gestern war es Dir klar, weil Dein Geist
/meine Antwort/ im voraus empfing.
Ist man le e r e n He r z e n s , /bereit/,. . 152 153
um s e i n e m S c h i c k s a l n a c h z u k o m m e n ,
das ist das E m p f a n g e n des Geistes.
Heute ist es Dir/Völlig/ dunkel, weil Du wohl mit etwas anderem
als dem Geist danach suchst?
W e nn das D e n k e n n a ch etwas strebt ,
kann man es umso w e n i g e r er r e i c h e n .
Es gibt keine Vergangenheit und keine Gegenwart; es gibt keinen
Anfang und kein Ende.
. . 154Es ist ni ch t nur, dass N i c h t s nicht
1 55in Et wa s v e r w a n d e l t w e r d e n kann; Etwas
kann auch nicht in Ni c h t s v e r w a n d e l t
werden. D e s h a l b ist Et wa s so b e s c h a f f e n , dass
es - ob w o h l es sich t a u s e n d m a l verändert;
und u n z ä h l i g e Male v e r w a n d e l t - da be i ni ch t
ei n m a l Ni c h t s w e r d e n kann. Weil es nie
Ni ch ts w e r d e n kann, d e s h a l b gab es von j e
her nie eine Zeit, b e v o r der es Et wa s gab,. 1 56
und es w i r d im m e r so w e i t e r g e h e n .
Ist es denn möglich, dass es Söhne und Enkel gab, bevor es
Söhne und Enkel gab?"
-50-
Das b e d e u t e t , G e n e r a t i o n e n und
G e n e r a t i o n e n ohne Ende.
Noch bevor Jan Ch'iu antwortete, sagte Chung Ni: "Halt! - Ant
worte noch nicht! Nicht vom Leben wird der Tod erzeugt;
Die, die ster be n, m a c h e n eine Selb st -1 57
V e r w a n d l u n g und sind tot. Es ist
ni ch t das Leben, das d i e s e n Tod e r
zeugt .
nicht vom Tode wird das Leben getötet.
Die, die leben, h a b e n e b e n f a l l s eine
S e l b s t v e r w a n d l u n g d u r c h g e m a c h t und
le be n n u n .
Sind Tod und Leben /von etwas anderem/ abhängig?
/Nur/ eine S e l b s t v e r w a n d l u n g und damit genug.
Beide gehören in einer einzigen Gestalt zusammen.
Tod und Leben, sie b e i d e v o l l e n d e n
se lb st ihre Gestalt.
Dasjenige, das vor Himmel und Erde erzeugt wurde, ist das ein
Ding? Das, was bewirkt, dass Dinge Dinge sind, ist nicht ein Ding.
Da Dinge hervortreten, können sie nicht den Dingen vorangehen;
/also/gibt es noch /vor/ ihnen Dinge. Gibt es /aber/ noch /vor/
ihnen Dinge, /so ist diese Kette/ ohne Endel
Wer k ö n n t e den D i n g e n v o r a u s g e g a n g e n
sein? Ich k ö n n t e an ne h m e n , dass Yin und
Yang den Di n g e n v o r a u s g i n g e n , a b er Yin
und Y a ng sind ge ra de das, was man Ding nennt.
-51
Wer kö n n t e also noch vor Yin und
Y a ng g e w e s e n sein? Ich k ö n n t e a n
nehmen, dass die N a t u r ( (g?
tz u - j a n ) ihnen v o r a n g i n g ; doch die
N a t u r ist e i n f a c h die N a t ü r l i c h k e i t
der Dinge. Ich kö n n t e a n n e h m e n , dass
das e r h a b e n e Tao ihnen v o r a n g i n g ; aber
das e r h a b e n e Tao ist das a b s o l u t e
Nichts. Da es ni ch t e x i s t i e r t , wie
w i e d e r u m kann man a n n e h m e n , dass es
v o r a u s g e h t ? F o l g l i c h we r kö n n t e denn
d e r j e n i g e sein, der den Di n g e n v o r a u s
geht? Doch die Dinge e x i s t i e r e n immer
noch, ohne an ein Ende zu kommen. Das
zeigt, dass Dinge von sich se lb st aus
so sind; es gibt ni c h t s / a n d er es /, das
dies b e w i r k t .
Die Liebe, die der Weise den Menschen /entgegenbringt/ und die
nie enden wird, empfängt er überdies auch aus dieser /Quelle/."
Er ni mm t sie aus dem V o n - s e l b s t - s o - s e i n
/der Dinge/. D e s h a l b f l i e s s t seine Güte
ü b e r h u n d e r t (d.h. alle) G e n e r a t i o n e n ,
ohne zu ve r s i e g e n . 1
1 59Yen Yüan befragte Chung Ni und sagte:
"Meister, ich hörte Euch einst sagen, dass es nichts gebe, dem
man nachgehen sollte, und dass es nichts gebe, dem man entgegen
gehen sollte.0 ' Ich wage es, nach dem Grund /dieser Aussage/ zu
fragen."
-52-
Chung Ni antwortete: "Die Menschen des Altertums veränderten sich
im Aeusseren, aber im Inneren veränderten sie sich nicht.
Indem sie mit dem H e r z e n der Form
folg te n, v e r ä n d e r t e sich die Form von selbst.
Heutzutage verändern sich die Menschen im Innern, aber im Aeussern
verändern sie sich nicht.
Mit dem H e r z e n b e f e h l e n sie der Form.
Derjenige, der sich mit den Dingen verändert, ist eins mit
demjenigen, das sich nicht verändert.
161Er ist immer ohne Herz; d e s h a l b ist
er eins /mit d e m j e n i g e n , das sich/ nicht
v e r ä n d e r t . Ist er /aber/ eins /mit d e m
jenigen, das sich/ ni ch t v e r ä n d e r t , dann
kann er sich mit den Di n g e n v e r ä n d e r n .
Verändert er sich etwa? Bleibt er etwa unverändert? u“
Ob V e r ä n d e r u n g o d e r nicht, das ü b e r l ä s s t
er ganz jenem (sc. der Natur). So ist es,
w e nn man ohne Herz ist.
IgoIst er etwa mit den Dingen im Einklang?
G e r a d e z u ohne Herz ü b e r l ä s s t er sie ihrer
S e l b s t v e r ä n d e r u n g . Er b e g l e i t e t sie nicht
und geht ihnen n i c h t e n t g e g e n ; er ist im
E i n k l a n g mit ihnen.
-53-
/Aber/ gewiss wird er mit ihnen (sc. den Dingen) nicht mitge-. 164rissen.
Wenn man w e d e r etwas na c h - noch e n t g e g e n
geht, so b l e i b t man bei dem, was genügt.
Hsi We i hatte seinen Park, der Gelbe Fürst*^ hatte seinen
Garten, der Herrscher S h u n ^ ^ hatte seinen Palast und die Herr
scher T'ang und W u ^ hatten ihre Häuser]
Die T a t s a c h e , dass sie sich 'ohne Herz' den
V e r ä n d e r u n g e n a n v e r t r a u t e n , ist der g e m e i n
same Ort, wo alle diese W e i s e n w a n d e l t e n, .1+ 171und v e r w e i l t e n .
Unter den Edlen gab es Leute wie die Lehrer der Konfuzianer und
der Mohisten. In der Folge nahm man ihre Bejahungen und Ver-1 72neinungen und bekämpftesich gegenseitig. Um wieviel mehr gilt
dies für die Menschen von heute.
chi i s t ^ Ü ho, in E i n k l a n g brin ge n.
Die L e h r e r der K o n f u z i a n e r und der M o h i s t e n
g e h ö r e n zu den L e u t e n in der Welt, die
s c h w i e r i g in E i n k l a n g zu b r i n g e n sind. Aber
d e r j e n i g e , der ohne Herz ist, b r i n g t sie
doch in Ei nk l a n g . Um w i e v i e l m e h r tut er
dies mit den g e w ö h n l i c h e n Leuten.
Der Weise lebt inmitten von Dingen, ohne nur eines von ihnen
zu verletzen]^
Das ist die h ö c h s t e F o l g s a m k e i t .
-54-
Derjenige, der kein Ding verletzt, wird auch von keinem Ding
verletzt.
Es hä ng t von mi r ab, /ob ich v e r
letzt w e r d e o d e r n i c h t/ , w e i t e r ist
es nichts.
Nur derjenige, der nichts verletzt, ist fähig, den Menschen nach-
und entgegenzugehen.
Die Berge
Er ist ohne Herz und d e s h a l b v o l l k o m m e n
fügsam. Weil er v o l l k o m m e n f ü g s a m ist,
z e i c h n e t er sich da ri n aus, dass er -
ohne etwas zu haben, dem er na ch - oder
e n t g e g e n g e h t - im Nach- o d e r E n t g e g e n -176
ge he n /die a n d e r e n / ü b e r t r i f f t ,
und Wälder! Die heiligen Haine und die geweihten Ge-
filde! Sie bewirken, dass wir von Entzücken erfüllt und freudig
sind.
B e v o r die Berge und Wälder, die h e i l i g e n
Ha in e und die g e w e i h t e n G e f i l d e w o h l
t u e n d auf uns wirk en , e r f r e u e n sie uns
doch schon. Dies ist eine g r u n d l o s er , 1 77F r e u d e .
Doch noch ehe die Freude beendet ist, folgt ihr wiederum die Trauer
Nun /gibt es/ je do ch g r u n d l o s Fr eu de und
g r u n d l o s /gibt es/ a u ch Trauer. So genügt
g e w ö h n l i c h das, was freut ni ch t, um sich
zu freuen, und das, was t r a u r i g stimmt, ge- •• • u 178nugt nicht, um zu trauern.
-55-
Wenn Trauer und Freude kommen, können wir ihnen nicht wider
stehen; wenn sie uns verlassen, können wir sie nicht aufhalten.
Ach! wie traurig, dass Menschen in der Welt bloss eine Herberge
f Li r die Dinge sind.
. . . . . 179Wir sind u n fä hi g, alles zu v e r g e s s e n
und es (sc. Tao) von se lb st zu er la n g e n ,
und so sind T r a u e r und Fr eu de das, was
/bei uns/ ein- und ausgeht.1 80
Nun /die Menschen/ kennen das, was ihnen begegnet und sie kennen
nicht, was ihnen nicht begegnet.
Was der V e r n u n f t b e g e g n e t , ist Wissen,
was der V e r n u n f t nicht b e g e g n e t , ist
N i c h t - W i s s e n .
Sie können was sie können, aber sie können nicht, was sie
nicht können.
Es ist u n m ö g l i c h , /wenn man e t w a s / nicht
kann, /sich/ g e w a l t s a m /d az u zu/ b e f ä h i g e n .
Von d i e s e m S t a n d p u n k t aus b e t r a c h t e t , sind
die N o r m e n von W i s s e n und Ig no ranz, F ä h i g k e i t
und U n f ä h i g k e i t ni ch t von m i r ab hä ng ig ;181/ s om it / muss ich sie der N a t u r ü b e r l a s s e n .
Ignoranz und Unfähigkeit ist das, wovon sich die Menschen be
stimmt nicht befreien können.
/Wenn man das/ L e b e n erhält,m . , 1 8 2 Teil.
hat jeder se i n e n
-56-
Und doch gibt es solche» die sich damit beschäftigen, sich da
von zu befreien, wovon die Menschen nicht befreit werden können -
was kann man da anders, als traurig sein? Die vollkommene Rede
hat die Worte verlassen, das vollkommene Tun hat das Handeln ver
lassen.
Alles w i rd von se lb st er re ic ht .
Sich das bekannte Wissen aneignen - das ist wahrlich eine seichte
Angelegenheit!
Wer /das Tao/ durch die V e r n u n f t e r
l a n g e n will, ist einer, der auf fa ls ch e
Weise lernt, d e s h a l b ist es eine seic ht e
A n g e l e g e n h e i t .
A N H A N G
-57-
Das Denken Kuo Hsiangs
Als wir uns kurz mit dem Leben und der Zeit Chuang-tzus be
schäftigten, haben wir festgestellt, dass sein "Weg nach Innen"
den andere den quietistisehen Weg nennen, nicht losgelöst von
den Wirren der Zeit betrachtet werden sollte.
In der Wei-Chin-Zeit haben wir es wiederum mit politischen und
gesellschaftlichen Ereignissen zu tun, die denen der Chan-kuo-
Zeit in vielen Fällen durchaus ähnlich sind. Diese Parallelen, die
nicht von der Hand zu weisen sind, lassen nun den Schluss zu, dass
sich der Mensch in Zeiten sozialer Unsicherheit meistens auf
sich selbst besinnt. Auf diesem Schluss aufbauend könnten wir das
Denken der Wei-Chin-Zeit unter diesem Aspekt weiter verfolgen.
Würden wir unsere Untersuchung auf diesen Schluss basierend unre
flektiert aufnehmen, würde ein zentrales Element vernachlässigt,
nämlich die Frage: Wer sind die Denker, deren Denken es zu be
denken gilt? Damit aber wäre die Brauchbarkeit der Analyse
bereits stark relativiert.
Wir haben es hier nicht mit Gedanken eines Eremiten zu tun,
sondern mit Gedanken von Politikern und Beamten, die ausnahms
los in direktem Kontakt mit den rivalisierenden Machtzentren
stehen und zum Teil als deren Sprachrohr betrachtet werden
müssen. In der groben Situationsskizze, die in der Einleitung
vorgelegt wurde, ist bereits - allerdings stark simplifizierend -
auf die die verschiedenen Machtrivalen begleitenden Ideologien
hingewiesen worden. Um Kuo Hsiangs Werk adäquat zu beurteilen,
müssen wir einige Ergänzungen anbringen.
Die Ideologie der Traditionalisten, deren Repräsentanten die
Ssu-ma waren und die an einer Refeudalisierung des Staates i n -
"Lehre von den Namen", das heisst, jedem Namen ist die ihm ent
sprechende Realität (shih ) zuzuordnen.
teressiert waren, hiess Ming-chiao ( ). Es war dies die
-58-
Praktisch bedeutet dies soviel wie: Entsprechung gegenüber den
tradierten Moralbegriffen der konfuzianischen Klassiker. Wir
sehen in dieser Ideologie eine konservative realistische Ten
denz mit starker Betonung auf sozialen Pflichten, Riten, Loya
lität und kindlicher Pietät.
Die neuen Machthaber, die Ts'ao, treten für das Prinzip der
Natürlichkeit ( Igj fvfl tzu-jan) ein und plädieren für die Er
füllung der eigenen Natur, verwerfen also jeden künstlichen Mass
stab.
Nun, es wäre voreilig, wollte man auf Grund dieser Aussage die
Ssu-ma Tradition als "antifreiheitlich", die der Ts'ao aber als
liberale Bewegung herausstreichen. Im Grunde geht es weniger
um "Freiheit" als um Legitimierung der verschiedenen Machtan
sprüche, und dazu schöpfen beide Gruppen aus verschiedenen geistes
geschichtlichen Quellen.
Männer wie Ts'ao Ts'ao^ verdankten die Macht ihren persönlichen
Fähigkeiten und "der Gunst der Stunde" und verwarfen - dies ver
steht sich von selbst - Losungsworte wie "Sittlichkeit und Pflicht
gefühl" ( 4- jen-i) oder "Loyalität und kindliche Pietät"
jr chung-hsiao), hätten sie doch höchstens gegen ihr
eigenes Verhalten gesprochen und ihren Machtanspruch relativiert.
Anders dagegen stand es bei den grossen Familien. Für sie stellten
gerade solche Parolen und die damit verbundene Ideologie den
Rückhalt ihres Machtanspruches.
Es ist leicht einzusehen, dass das legi stisehe Gedankengut dem
ikonoklastisehen und pragmatischen Programm der T s 'ao-Fraktion
äusserst dienlich war; schwieriger erscheint es allerdings, die 1
1 Ts'ao Ts'ao, dessen Vater vom Chef-Eunuchen des Kaisers Ling Ti (156 - 189) adoptiert worden sein soll (vergl. Giles; Biogr. Diet. No. 2013), hatte also alles andere als "hohe Abstammung'.'
-59-
Hsüan Hsüeh ( ) oder "Lehre vom Geheimnisvollen"^ mit
den Zielen der Wei-Dynastie in Einklang zu bringen. Analysiert
man die Fragmente von Ho Yen und die "Kommentare", die Wang Pi
zu Lao-tzu und dem I-ching schrieb, etwas näher, so tritt die2
Verbindung mit der Wei-Dynastie deutlich hervor.
So bringt Ho Yen in seinem Gedicht Ching-fu tien ( fr I S I S . )3die neue Dynastie mit der Natur und den menschlichen Gefühlen in
Verbindung und in sei nen "Gesprächen über Tao" ( Iffn tao-lun)
heisst es: "um produziert zu werden, hängt das Wirkliche in
seinem Werdegang vom Nicht-Wirklichen ab.Um vervollständigt zu
werden, müssen die Ereignisse aus dem Nicht-Aktuellen hervor- 4
gehen." Und Wang Pi wird in seinem Lao-tzu-"Kommentar"
(Kap. 1) noch deutlieher:"Al 1 es Wirkliche nimmt seinen Anfang
im Nicht-Wirklichen.Bevor etwas Form annimmt - während es immer
noch namenlos ist -ist es (das Tao) der Anfang der Zehntausend
Dinge ..."^
Oberflächlich betrachtet, scheint dies eine Art "Nihilismus"
oder quietistische Weltflucht zu sein - Elemente, die diesem
Denken nicht abzusprechen sind - doch in der Cheng-shih-Aera
(240-249) hatten diese Aussagen politische Brisanz, weil Pa
rolen wie:"alles Wirkliche nimmt seinen Anfang im Nicht-Wirklichen
und "bevor etwas Form annimmt - während es noch namenlos ist"
nur andere Ausdrücke für "ohne Vorgabe anfangen" waren*?
Ts'ao Ts'ao und seine Nachfolger waren geradezu genötigt, mit
der Tradition zu brechen, weil sie selbst keine Tradition vor- 1
1 Der von Fung Yu-lan eingeführte Begriff "Neotaoismus" (Fung Yu-lan; Historyof Chinese Philosophy, Vol. II p. 168) ist m.E. zu verwerfen. Ebensogut könnte man von einer "Metaphysik des Neolegalismus" sprechen. Der Begriff Hsüan Hsüeh umschreibt eine Denkart einer bestimmten Epoche und es ist nicht einzusehen, warum man nicht bei diesem Begriff bleiben sollte.
2 vergl. R.B. Mather; The Controversy over Conformity and Naturalness during the six Dynasties; in: History of Religions Vol. 9 Nr. 283, p. 163
3 ebd. p. 163
4 ebd. p. 164
5 ebd. p. 164
6 ebd. p. 164
-60-
weisen konnten. Und es war primär die Aufgabe der Hslian Hsüeh,
die Grundlagen einer neuen Moral zu legen, die auffallende Aehn-
lichkeit mit der aus dem Existentialismus hervorgetretenen
"Situationsethik" hat! Alle Initiative des Menschen ist situa
tionsbedingt, zugleich aber auch situationsgestaltend. In der
Situation muss der Mensch handeln; wie er aber zu handeln hat,
schreibt sie ihm nicht vor. Darin hat er seine Freiheit.
Diese Freiheit und Spontaneität ist grundsätzlich das, was Ho
Yen und Wang Pi unter "Natürlichkeit" verstehen. Man tut das,
was jeder Situation entspricht und nicht das, was in den "Ana-9
lekten" und im "Buch der Riten" stehtt
Mit dem coup d'etat der Ssu-ma-Fraktion (249) verstummte der
polemische Ideologienstreit weitgehend, und ein allmähliches
Vermischen der beiden Gedankenschulen wurde absehbar. In
mehreren Fällen scheint man sehr früh schon beiden Richtungen
gleichzeitig angehört zu habend Bald galt die Devise: "Natür
lichkeit nach Innen - Konformität nach aussen." Eine Devise,
auf der aufbauend Kuo Hsiang, wie wir im weiteren sehen werden,
sein Werk, den Chuang-tzu-"Kommentar" schuf; sagt er doch :
"Weder gab es jemanden, der ein universelles Durchstreifen des
Ausserweltlichen vollendet hätte, ohne gleichzeitig mit dem Inner
weltlichen verbunden gewesen zu sein; noch gab es einen, der mit 1
1 vergl. R.B. Mather; The Controversy over Conformity and Naturalness during the six Dynasties; in: History of Religions Vol. 9 Nr. 283, p. 165
2 ebd. p. 165
3 Aus einem Streit innerhalb des Konfuzianismus zwischen der "religiös ausgerichteten Neutextschule" und der "diesseitig-historisch ausgerichteten Alttextschule" war letztere als Siegerin hervorgegangen. Somit war die Ming-chiao eigentlich weitgehend mit der Alttextschule identisch - ohne Metaphysik. Der von Wang Pi geschaffene Lao-tzu"Kommentar" enthielt aber eine solche, deren Aufnahme in die Ming-chiao wenig im Wege stehen sollte, war sie doch von einem Literatus geschaffen worden, vergl. dazu E. Zürcher; The Buddhist conquest of China, p. 45 f.
4 vergl. Mather op. cit. p. 168 f
5 ebd. p. 169, vergl. das Gespräch zwischen Juan Hsiu (dem Sohn Hsiang Hsius) und dem Grossmarschall Wang Yen.
-61 -
dem Innerweltlichen mystisch verbunden gewesen wäre, ohne das
Ausserweltliche zu durchstreifen. Aus diesem Grunde durchstreift
der Weise ständig das Ausserweltliche, um das Innerweltliche aus- zuwe i ten ."
Das Tao Lao-tzus ist eine unfassbare Realität, der Ursprung aller
Dinge, der seinerseits ursprungslos ist und ewig in sich selbst
ruht. Obwohl Tao nicht in einer Kategorie mit irgendeinem Ding
gesehen werden kann, entspringen alle Dinge dem Tao, existieren
in ihm und können nicht von ihm getrennt werden. Folglich ist
Tao, egal von welchem Standpunkt aus auch immer betrachtet,
kein Sein, doch der Ursprung allen Seins. Dies führt dazu, dass
Tao oft "Wu" ( Nicht-Sein) genannt wird, in dem Sinn, dass
es selbst kein Ding ist. Doch mit diesem "Wu" ist nicht das
"Nichtsein" - der komplementäre Gegenbegriff des Seins - gemeint.
"Wu", Nicht-Sein, transzendiert das koordinierte Begriffs
paar Sein und Nichtsein und bedeutet soviel wie absolute Reali.. 2
tat. Die Handlungsweise von Tao ist das "Nicht-Handeln", und
ohne diese wäre keinem Wesen eine Handlung möglich. Die Hand
lungsweise von Tao ist gleichsam die fundamentale Handlungs
weise, die die verschiedenen Handlungsweisen aller Dinge her
vorruft und ermöglicht. Diese Handlungsweise von Tao wird auch
die "Natürliche" ( g] tzu-jan) genannt.
Tao ist räumlich, zeitlich und in seiner Wirkung grenzenlos,
konstant und ewig. In diesem Sinne wird Tao auch "das Grosse"3 .
oder das "Ewige" genannt. Bei Chuang-tzu wird Tao mehr oder weniger 1
1 vergl. Mather, op. cit. 169
2 Das stimmt weitgehend mit der Interpretation von Duyvendak überein, wenn er sagt: "L'alternance entre le Non-être et l'Etre est la nature même de la Voie" vergl. Duyvendak; Le livre de la voie et de la vertu, p. 5
3 zitiert aus: Kimura Eiichi; A new Study on Lao-tzu, in: Philosophical Studies of Japan, Vol. I, 1959
-62-
in der gleichen Bedeutung verwendet. Es umfasst das ganze ver
änderliche, sich stets in Wandlung befindende Universum und auch
das schöpferische Prinzip der Aenderungen. Das Tao ist zugleich
das Sein und das Nichtsein, das Nichts, aber auch die Negation
des Nichts.
Bei Wang Pi wird der Ausdruck Tao weitgehend durch den Terminus
"Wu", Nichtsein - nun im Sinne des Gegenbegriffs von Sein - ersetzt! Tao verliert somit die ihm von Lao-tzu und Chuang-
tzu zugedachte - Sein und Nichtsein transzendierende - absolute
Position. Kuo Hsiang geht einen Schritt weiter als Wang Pi und
sagt:
Wer könnte den Dingen vorausgegangen sein?
Ich könnte annehmen, dass Yin und Yang den
Dingen vorausgingen, aber Yin und Yang sind
gerade das, was man Ding nennt. Wer könnte
also noch vor Yin und Yang gewesen sein?
Ich könnte annehmen, dass die Natur ( g ....
tzu-jan) ihnen vorausging; doch die Natur ist
einfach die Natürlichkeit der Dinge. Ich
könnte annehmen, dass das erhabene Tao
ihnen voranging; aber das erhabene Tao ist
das absolute Nichts, Da es nicht existiert,
wie wiederum kann man annehmen, dass es
vorausgeht? Folglich, wer könnte denn der
jenige sein, der den Dingen vorausgeht?
Doch die Dinge existieren immer noch, ohne
an ein Ende zu kommen. Das zeigt, dass
Dinge von sich selbst aus so sind; es gibt2
nichts anderes, das dies bewirkt. 1
1 vergl. Ch'ien Mu, Chung-kuo ssu-hsiang shih, S. 131
2 vergl. oben S. 50 f
-63-
Kuo Hsiang eröffnet uns mit dieser Aussage den weiteren Zu
gang zu seinem Denken, indem er feststellt, dass Tao das
absolute Nichts sei. Der bei Lao-tzu und Chuang-tzu mit Tao
verbundene Begriff "Wu" (Nicht-Sein) - im Sinne des Unbenenn-
baren - aus dem nach taoistischen Vorstellungen alles hervor
tritt, erfährt durch Kuo eine radikale Uminterpretation. "Wu"
wird zu "Nicht-Vorhandensein", zu Nichts.
Auch das komplementäre Gegensatzpaar von Sein und Nichtsein,
das bei Wang Pi eine zentrale Stelle einnimmt, wird durch
schnitten. Kuo Hsiang sagt:
Es ist nicht nur, dass Nichts nicht in
Etwas verwandelt werden kann; Etwas kann
auch nicht in Nichts verwandelt werden.
Deshalb ist etwas so beschaffen, dass es -
obwohl es sich tausendmal verändert und
unzählige Male verwandelt - dabei nicht
einmal Nichts werden kann. Weil es nie
Nichts werden kann, deshalb gab es von
jeher nie eine Zeit, bevor der es Etwas
gab, und es wird immer so weitergehen!
Die Dinge sind, wie wir bereits gesehen haben, von sich aus so
wie sie sind, sich selbst überlassen in ihrem Dingsein. Er
unterstreicht diese Tatsache, wenn er sagt, dass
sie von allein entstehen, ohne Unter
stützung oder Anlehnungsmöglichkeit?
Nicht nur, dass alles von selbst entsteht, die Dinge verändern
und wandeln sich ebenso von selbst - spontan; das ist das, was
Kuo Hsiang unter "Selbstverwandlung" tu hua) versteht? 1
1 vergl. oben S. 4-9
2 vergl. oben S. 29
3 Tod und Leben sind Aspekte der Selbstverwandlung, vergl. oben S. 35 f
-64-
Nachdem wir gesehen haben, dass die Dinge sich selbst überlassen
sind, dass sie von selbst entstehen, sich von selbst wandeln und
verändern, ohne dass je eine andere, höhere Realität eingreift,
drängt sich die Frage nach der universalen Ordnung und damit
verbunden nach den Beziehungen der Dinge untereinander auf.
Zwei Termini, nämlich $ fen und s f li nehmen im Denken Kuo
Hsiangs hervorragende Bedeutung ein. Da es mir unmöglich scheint,
diese beiden Ausdrücke durch einen adäquaten westlichen Begriff
zu ersetzen, sie aber andererseits die beiden tragenden Pfeiler
in Kuos Denkgebäude darstellen, können wir nicht umhin, sie
näher zu betrachten, um ihre Bedeutung einigermassen einzukreisen.
fen hat die Bedeutung Teil, Anteil - aber auch das Zugeteilte
und, daraus abgeleitet, im übertragenen Sinn, das zugeteilte Los
oder die vorgegebene Bestimmung. Der Ausdruck "fen" hat ursprüng
lich primär soziale Bedeutung: es ist die den Individuen beziehungs
weise den verschiedenen Individuenklassen zugeteilte Rolle - sei
es im kosmischen All, sozial oder politisch - die das einzelne
Individuum strikte beachten muss, um seine eigenen Funktionen
und spezifischen Aufgaben erfüllen zu können, die ihm in der
Gemeinschaft obliegen. Somit hat jeder nach seinem Rang und seiner
Natur zur Erhaltung der organisierten Ordnung beizutragen] Es
sind dies Ueberlegungen, die in der Wei-Chin-Zeit, sei es in
Verbindung mit dem Beamtenauswahl System als auch im Zusammen
hang mit den Ideen der Ming-chiao> äusserst relevant waren.
Kuo Hsiang transponiert nun dieses gesellschaftspolitische2
Konzept auf eine metaphysische Ebene. Jedes Ding hat seine
genau bestimmten Fähigkeiten und Eigenschaften, die ihm als 1
1 P. Demiéville; Langue et literature chinoise in: Demiéville: Choix d'Etudes Sinologiques (1921 - 1970), p. 89 ff, Leiden 1973
2 Demiéville, op. cit. p. 91; bemerkt dazu: "La conciliation de ce système (sc. "fen") avec le taoïsme de Tchouang-tseu est un véritable tourde force."
-65-
Grundkonstanten inhärieren. Kuo Hsiang sagt:
Jeder einzelne hat seine Grundzuteilung
< * 9 pen-fen), die er als seine ange
borene Natur erhalten hat, niemand kann
ihr entfliehen und niemand kann etwas
hi nzufligenl
Doch wenden wir uns nun vorerst dem Begriff " 1i" i E zu, der
mit dem Begriff "fen" in Verbindung gebracht wird.
"li" bedeutet in seinem Ursprung!ichen Sinne die Musterung
von Jade oder Muskelfasern; als Verb bezeichnet es das Zer
teilen von Dingen gemäss ihrer natürlichen Maserung oder Unter
teilung. Von dort bezog es die gewöhnliche Wörterbuchübersetzung
"Prinzip", li ist aber nicht als formuliertes Gesetz, son
dern eher als die Ordnung und die Muster der Natur zu verstehen.
Doch kein Muster, das - gleich einem Mosaik - als etwas Totes
betrachtet wird; es ist ein dynamisches Muster, das sich in
allem Lebendigen verkörpert, in sozialen Beziehungen genauso wie2
in den höchsten menschlichen Werten.
Kuo Hsiang verwendet den Ausdruck "li" als Natur oder Prinzip
der Wesen oder Dinge (#g tf. wu-li) oder als natürliche Ord
nung ( ^ tf t'ien-li). Jedes Ding hat sein eigenes " 1i".3
Das sich selbst genügende "li" des begrenzten Einzelwesens
repräsentiert und manifestiert das universale "li", gleichsam
als mikrokosmischer Organismus im Makrokosmos. Die Verschieden
heit aller, den Dingen inhärenter "li" resultiert aus ihren unter
schiedlichen Bestimmungen (fen /? ). Proportional zur Erfüllung 1
1 zitiert nach E. Zürcher; The Buddhist Conquest of China, p. 92
2 vergl. J. Needham; Wissenschaftlicher Universalismus, S. 283
3 vergl. Chan Wing-Tsit; Neo-Confucianism etc., p. 414
-66-
von "fen" nähert sich "li" seiner Vollendung.
Kuo Hsiang sagt:
Wenn das "li" zu seinem höchsten Punkt
gebracht wird, werden Innen und Aussen
wechselseitig miteinander verschmolzen!
Mit dem "li" in höchster Potenz öffnet Kuo Hsiang den Weg zum
Unendlichen; die Antithesen des Endlichen wie Leben und Tod,
Gut und Böse, Ich und Andere, Subjekt und Objekt werden gelöst.
Zurück zu den Fragen nach der universalen Ordnung und den Be
ziehungen der Dinge untereinander.
Wir haben gesehen: jedes Ding ist ein Selbst und für jedes
Selbst ist alles übrige das Andere. Kuo Hsiang orientiert sich
bei seinen Ueberlegungen weitgehend am menschlichen Körper.
Zwar "funktioniert" jeder Körperteil auf den ersten Blick un
abhängig vom anderen - auch ist die linke Hand für die rechte
die Andere - doch nur vereint bilden die Körperteile die na
türliche Einheit. Und das Ganze ist mehr als die Summe seiner
Teilel In Uebereinstimmung mit seinen Betrachtungen am menschlichen
Körper gelangt er zur Einsicht, dass jeder Körper das ganze Uni
versum benötigt, um das sein zu können, was er ist.
Kuo Hsiang sagt:
Wenn ein Mensch geboren wird, so unbe
deutend er auch sein mag, hat er die
Eigenschaften, die er notwendigerweise
hat. So trivial sein Leben auch sein
mag, benötigt er das ganze Universum als
Voraussetzung für seine Existenz. Alle Dinge, 1
1 zitiert nach Fung Yu-lan, A History of Chinese Philosophy, Vol. II, p. 236
2 vergl. dazu P. Demieville, op. cit. p. 52
-67-
die im Universum existieren, können
nicht aufhören zu existieren, ohne eine
gewisse Wirkung auf ihn auszuliben!
Wir können also sagen, dass Kuo Hsiangs Ordnungs- und Beziehungs
konzeption weitgehend organisch bestimmt ist.
Kuo Hsiang betrachtet das Universum als einen immensen, sich in
ständigem Wandel befindlichen Organismus. Er sagt dazu:
Wandlung ist eine Kraft, nicht wahrnehm
bar doch äusserst stark. Sie bewegt Himmel
und Erde dem Neuen entgegen, und führt
Berge und Hügel weg vom Alten. Das Alte
hält keinen Augenblick inne, sondern wird
sofort zum Neuen. Alle Dinge wandeln sich
unaufhörlich ... Alles was uns begegnet
vergeht auf geheimnisvolle Weise. Wir selbst
in der Vergangenheit waren nicht wir selbst
in der Gegenwart. Wir müssen noch immer mit
der Gegenwart fortschreiten; wir können nicht2
bewegungslos bleiben.
Der unaufhörliche, ständige Wandel der Natur hat notwendiger
weise auch seine Auswirkungen im sozialen Leben. Moral und
Institutionen sind ebenso den Veränderungen der Zeit unter
worfen wie der Mensch. 1
1 zitiert nach Fung Yu-lan; Chuang Tzu, p. 149
2 zitiert nach Fung Yu-lan; A short History of Chinese Philosophy, p. 223
-68-
Kuo Hsiang sagt:
Die Moral gehört zur menschlichen Natur,
doch diese Natur wandelt sich entsprechend
den Unterschieden zwischen Vergangenheit und
Gegenwart. Wenn man daher in ihnen (den Moral
begriffen der Vergangenheit) verweilt und dann
weitergeht, hält man an seiner Unauffälligkeit
fest. Doch wenn man es zulässt, dass man da
durch gehemmt und an einen Ort gebunden wird,
so wird man auffällig. Indem man auffällig
wird, entwickelt man Künstlichkeit und mit
dieser Künstlichkeit lädt man viel Tadel auf
sich.
und weiter sagt er:
Die Verordnungen der früheren Könige ent
sprachen den Bedürfnissen der Zeit. Exis
tieren sie weiter wenn sich die Zeiten än
dern, so werden sie zum Schreckgespenst
für die Menschen und beginnen künstlich zu
werden.
Wir sehen in diesen Aeusserungen Kuo Hsiangs seine Bereitschaft,
das von ihm entworfene organische Weltbild mit allen Konse
quenzen durchzudenken. Dieser meines Erachtens äusserst ehrliche
Ausgleischversuch zwischen Konformität und Natürlichkeit stellte
in der chinesischen Geistesgeschichte zweifellos ein Novum dar.
Er scheint sich indessen bewusst gewesen zu sein, dass seine Ge
danken nur wenige erreichen. So sagt er an einer anderen Stelle:
In der Gesellschaft kann sich der Mensch nicht
von seinen Mitmenschen trennen. Die Veränderungen 1
1 zitiert nach Fung Yu-lan, A History of Chinese Philosophy, Vol. II, p. 214
2 zitiert nach Fung Yu-lan, Chuang Tzu, p. 151
-69-
in der Gesellschaft wandeln sich von Ge
neration zu Generation entsprechend ver
schiedenen Massstäben. Doch nur dieje
nigen, die keine zielgerichteten Gedanken
haben und ihre eigene Urteilskraft nicht
gebrauchen» können sich den Veränderungen
anpassen und werden von ihnen nicht be
lastet!
Wer ist nun derjenige, der seine eigene Urteilskraft nicht ge
braucht, das heisst der, der nicht mehr urteilt, nicht mehr
abwägt? Es ist derjenige, der sich von Wissen und Erkenntnis2
getrennt hat, beide verwarf und sich nur der Natur anvertraut.
Kuo Hsiang sagt von ihm:
Er veranlasst, dass ein jedes Ding seine wahre
Bestimmung bewahrt. Das ist alles! Deshalb handelt3
er, ohne Wissen und Erkenntnis zu gebrauchen.
Der Weise oder der ideale Mensch ist derjenige,der seiner Be
stimmung optimal nachkommt und "nicht-handelt" ( 3 ® wu-wei).
"Nicht-Handeln" heisst aber keineswegs, dass man überhaupt nichts
tun soll, sondern vielmehr, dass man die Absichten des Herzens
beseitigt, etwas tun zu wollen, und der Natürlichkeit der Dinge
absichtslos folgt. Kuo Hsiang bemerkt dazu:
Einige Leute, die von der Theorie des Nicht
Handelns hörten, glauben, es sei besser, sich
niederzulegen als zu gehen. Diese Leute sind
allerdings weit davon entfernt, die Gedanken4
Chuang-tzus zu verstehen. 1
1 zitiert nach Chan Wing-Tsit; a source book of Chinese philosophy
2 vergl. S . 31 dieser Arbeit
3 vergl. S. 31 dieser Arbeit
4 zitiert nach Fung Yu-lan; A short History of Chinese Philosophy, p. 225
-70
Kuo Hsiangs Vorwurf an solche Leute^ hat sicher seine Berechtigung,
doch muss erwähnt werden, dass Kuos Interpretation ebenfalls stark
von Chuang-tzus "wu-wei"-Verständnis abweicht. Während Chuang-tzu,
wie wir gesehen haben, bereits die gesellschaftliche Ordnung als
künstliches Gebilde ablehnte, ist diese ein integraler Bestand
teil in Kuos System. So schreibt er:
"Nicht-Handeln" ist in seiner Wesenheit gross,
denn wo gibt es auf der Welt einen Ort, wo es
nicht praktiziert wird? Wenn daher der oberste
Herrscher nicht in die Aufgaben des Premier
ministers eingreift, kann der Premierminister
seine Verwaltung in Ruhe führen. Wenn der Pre
mierminister nicht in die Aufgaben seiner ver
schiedenen untergebenen Beamten eingreift,
können diese Beamten ihre Aufgaben in Ruhe
erfüllen. Wenn die Beamten nicht ins Handeln
der Menschen als Ganzes eingreifen, können die
Menschen ihren Beschäftigungen in Ruhe nach
gehen. Wenn die Menschen die Fähigkeiten, die
entweder ihnen selbst oder den anderen gehören,
nicht verwechseln, dann ist überall auf der
Welt das, was einem selbst oder den anderen ge
hört, friedlich und automatisch festgelegt. Wer
kann daher vom Himmelssohn (i.e. der Kaiser)
bis hinunter zum gewöhnlichen Volk, die In
sektenwelt, die noch tiefer liegt, eingeschlossen,
darauf hoffen, durch Eingreifen Erfolg zu haben?
Deshalb, je mehr man "Nicht-Handeln" prakti-. 2
ziert, umso eher wird man geehrt. 1
1 der Vorwurf dürfte an Leute wie die "Acht freien Geister" (pa-ta /K '\W_ )gerichtet sein, eine "recht freie Gesellschaft" Ende des 3. Jh. n. Chr. vergl. dazu die Anekdoten im Shih-shuo Hsin-yü
2 zitiert nach Fung Yu-lan; History of Chinese Philosophy, Vol. II, p. 216 f
-71 -
Nachdem wir gesehen haben, wie engmaschig Kuo Hsiang sein
streng deterministisches System strukturiert, bleibt abschliessend
noch die Frage nach der Freiheit des einzelnen Individuums.
Sie ist bei Chuang-tzu das zentrale Thema.
Nach Kuo Hsiangs Ansicht besteht sie darin, dass, wenn das In
dividuum in vollkommener Uebereinstimmung mit seinem. Schicksal
und seinen Fähigkeiten lebt, sich sein "li" der Vollendung
nähert. Dort lösen sich, wie bereits gesehen, die Antithesen
des Endlichen auf, und der Weg zum Unendlichen öffnet sich.
Nur derjenige, der die Unterscheidung
zwischen den Dingen nicht kennt und der
grossen Evolution folgt, kann wirklich
unabhängig und immer frei sein! 1
1 zitiert nach Fung Yu-lan, Chuang Tzu, p. 34
ANMERKUNGEN ZUR UEBERSETZUNG
-72-
1 ffo ch i h = chih Kraft, die Sachen und Dinge unter
scheiden kann, vergl. Couvreur Dict.Cl. de la langue Chinoise
p. 247: Celui qui sait apprécier les choses à leur juste valeur.
Der Ausdruck Intel 1ekt als Inbegriff derjenigen geistigen
Funktionen (Vergleich, Abstraktion, Begriffsbildung, Urteil,
Schluss usw.), die aus Wahrnehmungen Erkenntnisse machen,
bzw. schon vorhandene Erkenntnisse kritisch sichten und zer
gliedern, scheint mir hier angebracht und treffender als
das "Wissen", die "Erkenntnis" u.a.
2 Das Schriftzeichen yin bedeutet: geheimnisvoll , verborgen,
verschleiern, also etwas, das schwer wahrnehmbar ist; fen
bezeichnet nach dem CWTTT 9816, die Art und Weise, wie man einen
Hügel hochsteigt. Der Ausdruck "Undeutlichkeit" wurde hier ge
wählt, weil er im Symbolgehalt ohne weiteres mit demjenigen des
dunklen Wassers überein stimmt. Das Bild kann auch die Weltabgeschlossenheit des Einsiedlers suggerieren.
3 Uebersetzt man Wort für Wort, so ergibt sich: "nicht handeln
aussagen". Diese drei Schriftzeichen rufen einleuchtend einen
psychischen Zustand hervor, in dem jede menschliche Anstrengung
gebannt ist. Im Grund genommen ist wu-wei eine Art intendierte
Absichtlosigkeit, die, jedes willentliche Streben übersteigend,
die reinste Form einer schöpferischen Spontaneität darstellt.
4 Die von der Aussage des Nichthandelns gegebene, bzw. nicht ge
gebene Antwort, ist charakteristisch für den im wu-wei erreichten
ontologischen Zustand.
5 Uebersetzt man den doppelten Ausdruck Wort für Wort, so er
gibt sich: Fuchs Leere. Der Fuchs, Sinnbild der List und des
Argwohns, wird in der chinesischen Tradition als lebendes Sym
bol des Zweifels betrachtet. Die Leere des Fuchses kann somit
als Entleerung des Zweifels verstanden werden. Dieser Aus
druck kann für einen psychischen Zustand stehen, in dem
-73-
jeglicher Zweifel fehlt.
6 Uebersetzen wir die beiden Schriftzeichen Wort für Wort, so
ergibt sich: der tollwütige Hund sich beugen.
Abgeleitet von der ursprüng1ichen Bedeutung "der tollwütige
Hund" hat das Schriftzeichen den Sinn erhalten: "Aspirer à faire
de grandes choses et n'en être pas capable, avoir de grandes
maximes sur les lèvres et ne pouvoir les mettre en pratique,
former des projets qui sont au-dessus de nos forces"(Couvreur ,
p. 572), was sicher mit dem Ausdruck "Narr" wiedergegeben
werden kann. Das Bild des gebeugten Narren kann meines Erachtens
durchaus symbolisch für einen zur Einsicht Gelangenden stehen.
7 Das Verhalten des gebeugten Narren bestätigt den in Anmerkung
5 angenommenen Symbolgehalt.
8 Die Antwort des Gelben Fürsten enthält eine ganze Anzahl Nega
tionen auf die vom Intellekt gestellten Fragen, der die
konkrete und ungeteilte Ganzheit gerne in partielle, und somit
abstrakte Dualität aufteilt. Es gilt hier zu bedenken, dass
die Negation ganz allgemein eine gebräuchliche Form der re
ligiösen Aussage vom Numen ist, die den Charakter des Ausser-
rationalen betonen soll, vor allem in der Mystik. Das "Nicht"
wird als die explizite Beziehung der Verschiedenheit betrachtet,
ohne Rücksicht auf die positive Bestimmtheit, die dem als ver
schieden Konstatierten zukommt.
9 vergl. Lao tzu Kap. 56: "Ein Wissender redet nicht; ein Re
dender weiss nicht." (Debon, Reclam S. 87).
10 vergl. Lao tzu Kap. 2: "Deshalb der Heilige Mensch: Er ver
weilt beim Geschäft des Ohne-Tun, er lebt die Lehre des Nicht
Redens." (Debon s Reclam S. 28).
-74-
11 Wie das Wort Tao in vielen Uebersetzungen sehr verschieden
wiedergegeben wird, so geschieht das auch mit "Te". Te wird
am häufigsten mit Tugend wiedergegeben. Doch hat das Wort
Tugend im christlich-abendländischen Raum einen stark reli
giösen, ja einen frommen Beiklang. Der Begriff Tugend, der
für das theologische und ethische Denken im abendländischen
Bereich sehr wichtig war, darf nicht mit dem Ausdruck "Tugend",
mit dem das chinesische "Te" wiedergegeben wird, vermengt werden.
Richtig beschreibt Duyvendak das "Te" als: "les qualités qui
sont propres à chaque chose ... c'est ce qu'on apelle T Ö ,
la vertu, la Force spirituelle". (Duyvendak; Tao Tö King, p. X)
Der berühmte japanische Chuang-tzu-Forscher, Mitsuji Fukunaga,
erörtert den Begriff "Te" wie folgt: "Im Kapitel T'ien-ti
gibt es folgende Sätze : „Erl angt man das Wesen der Dinge (Tao)
und lebt damit weiter, so nennt man das Te "S* n- In diesem
Sinne heisst ein Leben Te , wenn der Mensch das Tao (das
Wesen der Dinge) erreicht und sein Leben dadurch zur VollendungJ&.
bringt. Im Kapitel Chiai-lao^rf ^ des Han Fei Tzu heisst es:
„Die Vollendung des Lebens heisst Te % . Was Te anlangt,
1 osigkeit) . „ Der Begriff Te > wird auch im Konfuzianismus
verwendet und bezeichnet dort die Wahrung der (konfuzianischen)
Moral. Darum kann es für den Konfuzianismus mit „Tugend,, über
setzt werden. Bei Chuang-tzu aber bedeutet es etwas völlig
anderes. Bei ihm ist die Vollendung des Lebens nichts anderes
als ein Leben, welches nur der Natürlichkeit der Dinge folgt
und sich ihr nicht widersetzt." (S-A-W, Seite 5 - 7).
12 Dies besagt also, nach den Ueberlegungen in Anmerkung 11» dass
man das eigene Wesen nicht verlieren kann, ihm folglich ent
spricht. Erreichbar ist "Te" aber insofern nicht, als das
Erreichen-Wol1en bereits wieder im Widerspruch zu wu-wei
(Nichthandeln) und wu-yü (Wunschlosigkeit) stünde.
so ist es etwas, das verkörpert werden sollte. Te ._»• besteht aus wu-wei “35 jjkj und vollendet sich im wu-yü ^ (Wunsch-aus wu-wei
-75-
13 vergl. Lao-tzu Kap. 48; Wilhelm übersetzt: "Beim Nichtsmachen
bleibt nichts ungemacht."
14 Das Leben ist die Pforte zum Tode hin, und der Tod die Pforte,
die ihrerseits zum Leben führt.
15 Da Leben und Tod als untrennbare Gefährten - gleichsam als
Polaritäten - verstanden werden, impliziert diese Betrachtung,
dass alle Wesen notwendig einer gemeinsamen Wurzel entspringen
und mit dieser eine Einheit bilden.
16 Dieser Satz beschreibt das Phänomen des Lebens, dem jedes
Lebewesen als etwas Göttlichem und Wunderbarem besonders zu
getan scheint.
17 Dieser Satz beschreibt das Phänomen des Todes, vor dem jedes
Lebewesen mit Entsetzen flieht.
18 Alle Erkenntnis ist nur relativ richtig, weil sie durch den
Standpunkt, den der Erkennende jeweils einnimmt, besondes
aufgrund seines jeweiligen individuellen leib-seelischen
Zustandes bedingt ist.
19 Die Weltschau Chuang-tzus ist strikte und ausschliesslich
monistisch. Somit schliesst sie jede dualistische Weltan
schauung aus. Es gibt nirgends einen radikalen Schnitt zwischen
dem Tao und seinen unaufhörlichen Formen.Vergl. auch Lao-tzu Kap. 22
20 Die Aussage des Nichthandelns hat recht, weil bei ihr Existenz,
verstanden als das Dasein in seiner einfachen Tatsächlichkeit,
mit dem Tao verschmolzen ist, das seinerseits .ei ne souveräne,
doch absolut unbewusste Gegenwart ist.
Der gebeugte Narr scheint es zu wissen, weil er es vergass;
das heisst, er wird vom Fluss der Zeit bereits dermassen mit
gerissen, dass er sich schon nicht mehr an das zu erinnern
vermag, was er zuvor - also in der Vergangenheit - noch sagen
wollte. Dass der gebeugte Narr noch nicht mit dem Tao ver
schmolzen ist, geht auch aus der Tatsache hervor, dass er
eine Aussage machen wollte. Der Zustand des wu-yü , der Wunsch-
-76-
losigkeit, ist also noch nicht erfüllt.
Der Gelbe Herrscher aber ist dem Tao fern, weil er als Be
trachter weiss. Und der Weg vom Betrachter zum integrierten
Akteur ist lang. Der Betrachter besteht aus Erinnerungen, Er
fahrungen, Einflüssen, Traditionen und einer unendlichen Viel
falt von Kümmernissen. Das alles aber gehört der Vergangenheit
an. So ist der Beobachter beides, Vergangenheit und Gegenwart;
und der morgige Tag wartet und ist auch bereits ein Teil von
ihm. Er ist von der Unmittelbarkeit tatsächlich weit entfernt.
21 Im Kapitel wai-wu n n , sagt Chuang-tzu: "Fischreusen sind
da um der Fische willen; hat man die Fische, so vergisst man die
Reusen. Hasennetze sind da um der Hasen willen; hat man die
Hasen, so vergisst man die Netze. Worte sind da um der Ge
danken willen; hat man den Gedanken, so vergisst man die Worte.
Wo finde ich einen Menschen, der die Worte vergisst, auf dass
ich mit ihm reden kann?" (Uebersetzung Wilhelm, S. 205).
Wenn das "Tao an sich" in den Bereich der Worte - der Er
kenntnis also - eintritt, dann ist es nicht mehr absolut. Das
"Tao an sich" geht über die Namen, über die Worte hinaus und
ist deshalb der Erkenntnis nicht zugänglich. Der gebeugte Narr
nahm wohl an, dass der Gelbe Herrscher wisse, dass man, um
irgend etwas zu erklären, Worte benötigt. Der Gelbe Herrscher
wusste, dass er etwas zum Ausdruck bringen musste, was eigent
lich nicht ausgedrückt werden kann; er war sich der Begrenzt
heit der Sprache wohl bewusst.
22 "Tzu-jan", das "Selbst-so-Sein", die Natürlichkeit und Spon
taneität der Dinge ist dem Denken nicht zugänglich. Zum
Begriff "Tzu-jan" und seiner Bedeutung bei Kuo Hsiang siehe
Anhang.
23 vergl. dazu J? fE I-ching '/f heng (die Dauer), in dem ein ähnliches Bild entworfen wird.
-77-
24 Kuo Hsiang spielt hier auf die Lun Yli-Stelle (XVII, 19) an.
Sie lautet vollständig: "Der Meister sprach: „Ich möchte lieber
nichts reden. „ Dsi Gung sprach: „Wenn der Meister nicht redet,
was haben dann die Schüler aufzuzeichnen? „ Der Meister sprach:
„Wahrlich, redet etwa der Himmel? Die vier Jahreszeiten gehen
/ihren Gang/, alle Dinge werden erzeugt. Wahrlich, redet
etwa der Himmel?,," (Uebers. Wilhelm, 1923, S. 197).
25 Diese Kommentarstelle stammt wörtlich aus dem I-ching,
vergl . -f“ & ig tt Bd. 1 $ J f p. 150. Wilhelm
übersetzt: "Die heiligen Weisen vermochten alle die wirren
Mannigfaltigkeiten unter dem Himmel zu übersehen. Sie beob
achteten die Formen und Erscheinungen und bildeten die Dinge
und ihre Eigenschaften ab." (Wilhelm, I Ging; S. 299)
26 Chuang-tzu schreibt über die Menschen, die Tao in sich tragen
im Kapitel X T folgendes: "Derjenige, der sich von Tsung
/T\ - dem Kern des Tao - nicht trennt, heisst T'ien-jen 7 ^ A .
Derjenige, der sich vom Chingijt - der Reinheit des Tao -
nicht trennt, heisst Shen-jen Derjenige, der sich von
Chen - der Wahrhaftigkeit des Tao - nicht trennt, heisst
Chi h-jen l A - Derjenige, der den Himmel als seinen Kern,
die Tugend als seine Wurzel und Tao als das Tor /betrachtet/
und die Wandlung der Dinge einsieht, heisst Sheng-jen-S^A* ."
Auf diese vier "Heiligen" folgt der Begriff des Chün-tzu ,der eigentlich zum Konfuzianismus gehört.
27 Die Erde gilt in der alten chinesischen Kosmologie als vier
eckig, der Himmel als rund. Das Viereckige entspricht aber
auch dem Weiblichen und das Runde dem Männlichen.
28 Die sechs Richtungen sind: Norden, Osten,Süden , Westen,
Zenit und Nadir.
29 Der ganze Satz lautet: tiK '$L Ab 4t fr 35 ^ ^Es scheint, dass mit dem Schriftzeichen 'SB. w u , das un
mittelbar auf fei folgt, der Begriff iäL tUL wu chi
aus dem vorangehenden Satz aufgenommen wurde.
-78-
30 Uebersetzt man das chinesische Original Wort für Wort, so
heisst es: "Ende Körper nicht alt'.1 Das bedeutet, dass bis
am Ende des Lebens (Körpers) kein Lebewesen (Körper) im
gleichen Zustand verharrt; dass es (er) sich ständig erneuert.
31 Diese Bemerkung Kuo Hsiangs könnte durchaus als ein Hinweis
auf das7 ^ ’ Kap. 2, verstanden werden. Es heisst dort: "If
you can one day renovate yourself, so do it from day to day".
(zitiert aus James Legge: The Great Learning; in The Chinese
CIassi c s , Vol. I , p. 361 ) .
32 Eigentlich heisst es yin und yang, doch scheint mir die Ueber-
setzung mit Finsternis und Licht angebrachter, weil in der
Folge von den vier Jahreszeiten die Rede ist. Trotzdem muss
natürlich auch der Aspekt der beiden Polaritäten im Auge be
halten werden.
33 Nach chinesischer Tradition bezeichnet der Himmel die ur
sprüngliche Natur und alles, was natürlich ist. Denn die
Chinesen verachteten die Künstlichkeit des Menschen und be
trachteten den Himmel als Symbol für das, was durch den Men
schen auf keine Art verändert werden kann.
34 Im Kapitel 7c t'ien ti heisst es: "Yao's Lehrer war Hsü Yu,
Hsü Yu's Lehrer war Nieh-Chüeh, Nieh Chüeh's Lehrer war Wang
Ni und Wang Ni's Lehrer war P'i-i".
Wilhelm übersetzt diese Aufzählung nicht, schreibt aber in
einer Anmerkung: "In einer offenbar späteren einleitenden
Bemerkung ist der Versuch gemacht, die häufig vorkommenden
allegorischen Figuren aus der Zeit des mythologischen Herr
schers Yau untereinander in Beziehung zu setzen: Yau's
Lehrer ...." (vergl. Wilhelm S. 86 und S. 231). Leider gibt
Wilhelm nicht an, woher er diesen Hinweis erhalten hat.
35 Uebersetzt man Wort für Wort, so heisst es: "ein deine
Haltung". Ich folge hier dem Kommentar von f i M Y ü Y ü e h ,
der sagt, dass "ein deine Haltung" als "deine Haltung verbessern" zu verstehen sei, da diese Interpretation meines
Erachtens durchaus dem Textzusammenhang entspricht.
-79-
36 Ich folge hier nicht der "üblichen" Liebersetzungsart, die
den Terminus hsin (Herz) je nach Text mit Verstand, Denken
u.a. Ausdrücken wiedergibt. Das Herz ist im chinesischen
Denken nicht bloss der "Fürst des Leibes", sondern auch der
"Beherrscher des Geistes". Da uns diese Vorstellung eigentlich
nicht sehr fremd ist - denn Gefühlsregungen sind auch im
abendländischen Bereich Angelegenheiten des Herzens - bin
ich der Ansicht, dass der Terminus 'il"* hsin vorteilhaft mit
"Herz" wiedergegeben wird.
37 Chuang-tzu lehnt die menschliche Erkenntnis und die daraus
resultierende Kausalität ab. Chuang-tzu ist der Ansicht, dass
Erkenntnis oder Wissen im menschlichen "Herzen" entstehen
und verneint somit die im "Herzen" entstehenden Absichten.
wu hsin bedeutet unterbinden der Wirkung des "Herzens".
Wer die Wirkung des "Herzens" völlig verloren hat, hat sich
seiner Erkenntniskraft entledigt "und man kann mit ihm keine
Ränke mehr schmieden".
38 tu hua = Selbstverwandlung; besser - das Prinzip der
Seibstverwandlung - resultiert aus Kuo Hsiangs Behauptung, dass
das Erschaffen der Dinge ohne einen Schöpfer vor sich gehe, sich
jedes Ding selbst erschaffe und somit notwendigerweise auch
selbst verwandle. Vergl. auch Einleitung
39 Nach Ch'eng Hsüan-yings Kommentar war Ch'eng ein Weiser, der
das Tao erlangt hatte. Nach anderen Erklärungen ist Ch'eng
ein Beamtentitel. So gehen denn auch die Meinungen der Ueber-
setzer an dieser Stelle auseinander.
40 Dieses Gespräch zwischen Shun und Ch'eng erscheint auch bei
Li eh-tzu . Vergl . ? . * Lieh-tzu, t'ien-shui.
41 Den Begriff ming, Schicksal, finden wir im Kapitel
t'ien ti von Chuang-tzu selbst erklärt: "In the Great Be
ginning, there was nonbeing; there was no being, no name. Out
of it arose One; there was One, but it had no form. Things
got hold of it and came to life, and it was called Virtue.
Before things had forms, they had their allotments (fen );
-80-
these were of many kinds, but not cut off from one another,
and they were called fates ( "tip ming) (zitiert nach Watson,
p. 131)
42 ch'i, Atem. Es fällt schwer, für ch'i einen geeigneten
Ausdruck zu finden. Chan übersetzt diesen Terminus mit
"material force" aber auch mit "vital force". Er meint, es
könnte sowohl Energie als auch Materie bedeuten. Da im chi
nesischen Denken zwischen Energie und Materie nicht unter
schieden wird, ist dies wohl möglich, birgt jedoch bei Ueber-
setzungen m.E. Gefahren in sich, weil im westlichen Denken
sehr wohl zwischen Energie und Materie unterschieden wird,
(vergl. Chan, Source Book, p. 784).
Der Versuch, den M. Porkert unternimmt, indem er ch'i als
"konstel1ierte Energie" oder "energetische Konstellation"
erklärt, scheint mir fragwürdig.
43 Das Schriftzeichen shui bedeutet nach Couvreur,
Diet. Classique de la langue Chinoise, S. 810, die Häutung
von Schlangen und Zikaden. Die Häutung als Symbol des perio
dischen Abstossens und Erneuerns weist hier auf den ständigen
Wandel der Dinge hin.
44 Die Chinesen sehen in der Zikade ein Symbol der Unsterblichkeit,
der Freude und der ewigen Jugend.
45 Wieso hier nur der Yang-Atem erscheint, ist unklar; und aus
der Kommentarliteratur, die ihn durchwegs als Bewegung er
klärt, ist nicht viel mehr herzuleiten. Finazzo (p. 90)
meint: "Ch'i ( ) ist the quintessence of tao's actual
presence in the universe and, consequently, the power by
which all things manifest themselves in their appointed
characteristics and ways ( 9 yang-spirit of heaven and earth)."
the strong
-81 -
46 Determinismus und Fatalismus Kuo Hsiangs kommen hier deut
lich zum Ausdruck. In einem Kommentar zum 5. Kapitel
( 41% iL te ch'ung fu) sagt er: "The principles of
things are from the very start correct. None can escape from
them. Therefore a person is never born by mistake, and
what he ist born with is never an error. Although heaven
and earth are vast and the myriad of things are many, the
fact that I happen to be here is not something that spiritual
beings of heaven and earth, sages and worthies of the land,
and people of supreme strength or perfect knowledge can
violate ... Therefore if we realize that our nature and destiny are what they should be, we will haVe no anxiety
and will be at ease with ourselves in the face of life or
death, prominence or obscurity, or an infinite amount of
changes and variations, and will be in accord with principle",
(nach Chan p. 332)
47 Der doppelte chinesische Ausdruck shu yüe bedeutet
nach Ch'eng Hsüan-ying "reinigen und waschen".
48 Das Schrift Z e i c h e n ^ lun wird hier, ebenso wie im 2. Kapitel
ß f ö ) von Ch'eng Hsüan-ying mit ft 1 i erklärt
(vergl. Chuang-tzu chi shih S. 84), deshalb meine Wiedergabe
mit "das Geordnete". Im Shu ching, S 0 Lü hsing, über
setzt Legge den Ausdruck mit "relations" (Legge: Shu Part. V.
Bk. XXVII. P. 19). Karlgren gibt ihn an derselben Stelle (The
Book of Documents, p. 77) mit "reason" wieder und erklärt
ihn in den "Glosses on the Book of Documents" (2044, p.
182 - 183) mit "norms". In der Bedeutung "relationship"
erscheint das Schriftzeichen lun bei Mencius (Book II,
Part. B.2), in der Uebersetzung von D.C. Lau.
-82-
49 Das Schriftzeichen ching bedeutet ursprünglich "feiner
und reiner Reis, der zwischen den normalen Reiskörnern aus
gelesen wurde." In dieser Bedeutung erscheit er z.B. im
Lun yLi Bk. X, Chap. VII, 1. Daneben erscheint der Ausdruck
'tff ching im I-ching als Essenz oder als Sperma. Aus
diesen Bemerkungen kann leicht ersehen werden, dass das Tao
etwas sehr Feines und Subtiles hervorbringt, aus dem dann
alle anderen Wesen entstehen.
Der Terminus %0) 'T' ching shen wird von Need harn (p. 38) mit
"vital energy" und von Lin Yutang (p. 65) mit "life energy"
wiedergegeben. Ich übersetze den Terminus mit "reiner Geist",
um möglichst keine subjektive Interpretation in das Original
hineinzutragen.
50 Kuo Hsiang will hier wohl sagen, dass aus diesen Ueberle-
gungen einleuchtend hervorgeht, dass es keinen Schöpfer gibt.
51 Wörtlich übersetzt heisst es: "die Form Wurzel entsteht aus
dem Samen" Die "Wurzel der Form" oder der "Ursprung der Form"
ist gleichbedeutend mit materiellem Ursprung.
52 Das W o r t ^ ching wird in dieser Passage, wie des öftern
bei Chuang-tzu (z.B. Kap. 1 5 ) 9sehr verschieden angewendet.
Eine Tatsache, die sich innerhalb der Uebersetzung oft un
befriedigend auswirkt. Hier, im Zusammenhang mit Entstehung
und Erzeugung, kann "ching" auch als "Samen" betrachtet
werden.
53 Die neun Körperöffnungen sind: die beiden Augen, die Nasen
löcher, die Ohren, der Mund, die Blasenöffnung und der After.
Die acht Körperöffnungen beziehen sich auf Lebewesen, bei
denen Blasenöffnung und After zusammenfallen.
33
54 Der Ausdruck fCv shen ch'i ist hier als Hl chi ng
shen, als "reiner Geist" zu verstehen. Im CWTTT 25211.228
heisst es: # E $ ^ ^ &
Kuo Hsiang scheint geradezu ängstlich besorgt zu sein, jeden
Anflug eines "Schöpfers" frühzeitig abzuwehren.
j f -i
55 Der Aus d r uc kyfgr yai (Klippe, Felsengestade) ist hier wohl
so zu verstehen, dass es am ganzen Horizont keinen wahr
nehmbaren Punkt gibt, an dem man Tao verschwinden sieht.
56 Hier soll wohl gesagt werden, dass Tao weder Gestalt an
nimmt, noch irgendwie unterteilbar ist.
57 Wörtlich übersetzt heisst es: "die vier hindurchgehen es
mächtig, mächtig." Ich verstehe diese Passage so, dass das
Tao, obwohl es keine Spuren hinterlässt, keine markanten
Punkte setzt und weder Türen noch Zimmer besitzt, von unvor
stellbarer Grösse ist. Durch diese Aussage wird die An
nahme, Tao könnte also etwas sehr sehr Kleines sein, zunichte
gemacht. Li Mi en (S. 452) meint, Tao durchdringe die vier
Himmelsrichtungen und sei trotzdem noch nicht zu Ende.
53 Ausserhalb der acht Himmelsrichtungen (eigentlich:!^, NO, 0,
SO, S, SW, W und NW) besagt hier: hinter den Grenzen der
wahrnehmbaren Welt.
59 Die sechs Richtungen sind, wie bereits in Anm. 29 erwähnt:
Norden, Osten, Süden, Westen, Zenit und Nadir. Bliebe man
weniger eng am chinesischen Original, könnte man diese
Passage vielleicht besser mit: "uneingeschränkt schweift es
überall umher" wiedergeben.
60 Das Schriftzeichen \WK yao (einladen, empfangen) wird so
wohl von Kuo Hsiang als auch von Ch'eng Hsüan-ying als
\Mj yü (begegnen) aufgefasst.
84
61 Eigentlich heisst^" fang Plan, Rezept usw., doch besagt
dies m.E. dasselbe wie Vorurteil; man tritt ohne einen be
stimmten Plan, ohne ein Rezept, an etwas heran.
62 Im Kapitel 5 $ ma-t'i liest man Liber den Terminus 'hjt hsing
folgendes: "Die Hufe eines Pferdes sind dazu da, auf Reif und
Schnee zu treten; seine Haare sind dazu da, es vor Wind und
Kälte zu bewahren. Pferde kauen Gräser, trinken Wasser, springen
hoch und bäumen sich auf. Das ist das wahre hsing eines Pferdes"
Daraus geht klar hervor, dass das (hsing) die Natürlichkeit
eines Wesens, in unserem Beispiel eben die Natürlichkeit des
Pferdes ausmacht. Fukunaga schreibt dazu, dass das Leben durch
hsing und shen geleitet werde, und 5® hsing und 1$shen nenne man tL hsing. Das Lebendige und typische der
"Zehntausen Dinge unter dem Himmel" sei eben ihr'bi- hsing.
Das hsing'hi. sei a-priorisch, angeboren, anfänglich und von
Natur zugeteilt. In diesem Sinne werde es auch 7^. 'Hii. tien
hsing genannt, (vergl. S-A-W S. 4 ff). Bei den Konfuzianern
stellt sich die Frage nach dem Begriff'^, hsing zuerst bei
Menzius und Hsün-tzu und gewinnt dann in der Sung- und Ming-Zeit in der fi hsing-li Philosophie zentrale Bedeutung.
63 Der Ausdruck ching shen wird meines Erachtens vor
teilhaft mit "Geist" wiedergegeben.
64 An dieser Passage scheiden sich die Ansichten der Uebersetzer
und somit die Uebersetzungen; zurückzuführen ist dies ver
mutlich auf die unterschiedlichen Kommentare.
Während Giles (p. 283) und Watson (p. 239) übersetzen:
"Heaven cannot but be high. Earth cannot but be broad. The
sun and moon cannot but revolve. All creation cannot but
flourish. To do so is their-TAO" (Giles p. 283), übersetzen
Legge (p. 503 f), Liou Kia-hway (p. 178), Ware (p. 147) und
Wilhelm, mehr oder weniger übereinstimmend: "Ohne diesen SINN
(=Tao) wäre der Himmel nicht hoch; ohne ihn wäre die Erde nicht
weit; ohne ihn könnten Sonne und Mond nicht ihre Bahn ziehen;
-85-
ohne ihn könnten alle Dinge nicht gedeihen. All das sind
Wirkungen des SINNS" (= Tao). (Wilhelm S. 163).
Die Streitfrage, die hier zu beantworten wäre, wäre die, ob
Chuang-tzu Tao als etwas Immanentes oder etwas Transzendentes
betrachtet. Ich schliesse mich der Ansicht Li ou Kia-hways an,
der sagt: "Le Tao selon Tchouang-tseu embrasse confusément
l'univers changeant et le principe générateur de l'univers
changeant; il est à la fois l'être et le non-être et le
néant absolu, le néant absolu et la négation du néant absolu."
(L'esprit synthétique de la Chine, p. 86). Im übrigen halte
ich mich an die von Gabelentz gegebene Uebersetzung. (vergl.
Erkes S. 53).
65 Kuo Hsiang interpretiert Chuang-tzu ausgehend von einer rein
immanenten Weltanschauung und negiert den transzendenten
Aspekt.
66 vergl. Lao-tzu Kap. 81
67 Ich folge hier der Interpretation von Li mien (S. 452), der
^ pao (bewahren) a 1 s <|f chi (festhalten) erklärt.
68 fen 5? ist die Bestimmung; es ist die den Individuen bzw. den
verschiedenen Individuenklassen zugeteilte Rolle -sei es im
kosmischen All, sozial oder politisch -die das einzelne Indi
viduum strikte beachten muss, um seine eigenen Funktionen und
spezifischen Aufgaben erfüllen zu können, die ihm in der Ge
meinschaft obliegen. Somit hat jeder nach seinem Rang und
seiner Natur zur Erhaltung der organisierten Ordnung beizu
tragen. Vergl. auch den Anhang.
69 Dieser Kommentar Kuo Hsiangs zeigt deutlich seine Vertrautheit
mit dem konfuzianischen Gedankengut. Vergl. dazu: Menzius
Bk. VII. PT. I, CH. XXI, 3 (Legge p. 460).
Während Watson (p. 239) hier die Vermutung äussert, die Aus
sage "Hoch und erhaben ist es, wie die Berge" würde den
Parai 1elismus ergänzen, fasst Liou Kia-hway (p. 178) die
ganze Passage als Parallelismus auf und übersetzt: "In
sondable comme la mer, majestueux comme la montagne".
Ich bin der Ansicht, dass der Parallelismus hier nicht not
wendigerweise erfüllt sein muss, gestützt durch die Tatsache,
dass ^ auch an anderen Stellen der klassischen Li
teratur als feststehender Ausdruck erscheint. Vergl. dazu:
Lun y ü , 8.18 und 8.19.1,2.
Der Begriff chün-tzu ist hier eindeutig dem Konfuzianismus
zuzurechnen, was auch deutlich daraus hervorgeht, dass der
Ausdruck in einer Unterhaltung - besser, in einer Belehrung -
des Konfuzius durch Lao-tzu fällt. Chuang-tzu hat für den
chün-tzu allgemein nicht viel übrig. Im 9. Kapitel
ma-t'i) wird der Begriff chün-tzu gar mit dem
Ausdruck/Jv hsiao ren in Verbindung gebracht.
Ich verstehe die Passage so, dass hier deutlich auf das unter
schiedliche Tao-Verständnis von Konfuzius und Lao-tzu bzw. der
konfuzianischen Schule und Chuang-tzu hingewiesen wird. So
betrachtet impliziert die Aussage: "Doch das „Tao,, des Edlen
ist bloss dessen Aeusseres", dass das Tao des Edlen (eines
guten Konfuzianers also) bloss etwas Banales sei, etwas dem
Tao-Verständnis Chuang-tzus nicht Zugehöriges. Vergl. auch
Li mien (S. 453), der darauf hinweist, dass Chuang-tzu die
Begriffe S A sheng ren und chün-tzu auseinanderhält.
Er verweist auf das Kapitel 7^ lv und erklärt, Chuang-tzu mach
sich hier über Konfuzius lustig.
Auch hier wieder die einseitige Interpretation Kuo Hsiangs, der
den schöpferischen, d.h. den transzendenten Aspekt, den Chuang-
tzu dem Tao zweifellos bei misst, bei jeder Gelegenheit negiert.
-37-
74 Der Ausdruck ?E wu-kung, eigentlich "ohne Leistung",
ohne Verdienst, oder leistungslos, verdienstlos etc. mag auf
den ersten Blick verwirren, betrachtet man ihn losgelöst vom
gedanklichen Hintergrund, in den er fest integriert ist. Die
Ausdrücke "Leistung" und "Verdienst" sind nur sinnvoll, wenn
an ihnen der Massstab eines beliebigen Wertsystems angelegt
werden kann. Jedes Wertsystem hat seine eigenen Kriterien
der Nützlichkeit und der Nutzlosigkeit. Mit diesen system
immanenten Kriterien sind Relativitätsbezüge geschaffen, die
eine subjektive Ordnung der Dinge festsetzt und es dem Menschen
erlaubt, das Resultat des Tuns, der Leistung, als Verdienst
oder Unverdienst von einem festen Standpunkt aus zu erkennen
und zu bewerten. Solange man aber noch fragt, ob etwas nütz
lich oder nutzlos sei, bedeutet das, dass man über die Haltung
des Unterscheidenwol1ens noch nicht hinausgekommen ist. Ueber-
windet man diesen Standpunkt einmal durch Tao, gibt es keine
Nützlichkeit und keine Nutzlosigkeit, keine Leistung und keinen
Verdienst mehr.
75 Chuang-tzu will hier m.E. ausdrücken, er stelle sich ein
menschliches Wesen vor, das sich jeder Klassifizierung ent
ziehe, und das noch keinen Verstrickungen erlegen sei.
75 siehe Anmerkung 74.
77 Im A f ta hsüeh IX heisst es: "(Sage-emperors) Yao and
Shun led the world with humanity and the people followed them.
(Wicked kings) Chieh and Chou led the world with violence...."
Chieh und Chou verursachten angeblich den Untergang der Hsia
bzw. der Shang-Dynastie. Yao und Chie erscheinen auch im
6. Kapitel ( ta tsung shih),und zwar heisst es
dort: "Instead of praising Yao and condemning Chieh, it would
be better to forget both and transform yourself with the Way".
(Watson p . 80)
78 Gemeint sind hier nebst den Früchten, die an den Bäumen
wachsen, jene der kleinen Pflanzen und Gräser.
88
79 Chuang-tzu meint damit m.E., dass jedes Wesen als solches
seinen eigenen Existenzgrund hat.
80 Der Terminus il. li ist im Denken Kuo Hsiangs von zentraler
Bedeutung, vergl. dazu Anhang.
81 Chuang-tzu meint hier m.E., dass auch innerhalb der mensch
lichen Beziehungen, innerhalb der Gesellschaft ganz allgemein,
homologe Prozesse der Entwicklung und des Verfalls zu beob
achten seien. Dieser Gedankengang ist seinem Zeitgenossen
Menzius keineswegs fremd (vergl. Menzius BK IV Pt. I CH. III),
doch versuchen die Konfuzianer, durch statische Eingriffe einen
dynamischen Prozess zu stabilisieren.
82 Ch'eng Hsüan-ying schreibt in seinem Kommentar, dass ein
weisses Fohlen auf ein schnelles Streitross anspiele. Ausser
dem symbolisiere es auch die Sonne, deren Lauf die Schnellig
keit der vergehenden Zeit andeute, (vergl. Chuang-tzu chi-shih
S. 747). Diese Aussagen von Ch'eng Hsüan-ying werden etwas
verständlicher und aussagekräftiger, wenn man berücksichtigt,
dass das Pferd in China als Symbol der Schnelligkeit und der
Ausdauer gilt; die weisse Farbe, die dem Westen und dem Herbst
zugeordnet ist, ist aber auch mit den Gedanken der Kriegs
führung und der Strafexpeditionen verbunden. Mit dem Westen
und gleichzeitig also mit weiss sind aber auch Sonnenunter
gang und Trauer verbunden. Die ganze Kraft, die das Symbol
des "weissen Fohlens" weckt, wird durch die Tatsache verstärkt,
dass der Westen der Bereich der Gebirge und Schluchten ist,
durch welche der Wind heult und aus welchen der Regen hervor
bricht. Nur wenn man diese Bilder mit dem Leben in Beziehung
bringt, erfasst man m.E. die volle Spannung, die dem Symbol
des "weissen Fohlens" innewohnt. Im Shih ching finden wir eine
Ode, die mit 6 9Q pai chü "weisses Fohlen" betitelt ist,
und die darauf hinweist, dass es sich um ein sehr altes Symbol
handelt, (vergl. Granet; "Chin. Denken", S. 64 und S. 290
sowie Karlgren; "The Book of Ödes" p. 128).
-89-
83 Diese Aussage kann m.E. verschieden interpretiert werden:
1. die Wesen, die aufgrund des ewigen Wandels nun im Bereich
des Todes weilen, bedauern diese Tatsache nicht
aber auch
2. die Emotionen sind nur ein Ausdruck des Lebens.
84 vergl . Anmerkung 83
85 Ich übersetze f Tb f fen hu wan hu mit: "Bald verwirrt,
bald sich fügend" um den antithetischen Charakter der
Aussage klar zum Ausdruck zu brirfgen. Ueberdies scheint
mir diese Annahme insofern haltbar, als sie die Situation der
menschlichen Kreatur treffend umschreibt: verwirrt in der Welt
der Dinge; sich fügend im Einen nach seiner Rückkehr zum Ursprung.
86 Der Ausdruck '/0 & yen yün ist mit dem Ausdruck $ 3 -&nn.
yin yün identisch und erscheint in der zweiten Schreibweise
i m t "F I ching, hsi t'zu hsia (vergl. Ausgabe
-f ^ 4 g 0u Bd. 1, S. 171). Wilhelm übersetzt den
Ausdruck ziemlich frei - wie häufig bei schwierigen Passagen -
mit "in Berührung kommen" (Wilhelm, I ching, S. 316 § 13).
Legge übersetzt den Ausdruck mit: "there is an interming1ing
of the genial influences" (Legge; The Texts of Confucianism,
Part II, p. 393). yen heisst eigentlich Rauch, Dunst tXüZlyün, vermischen, durcheinander. Es handelt sich also offen-
>s==sichtlich um eine Bewegung von ItV ch'i, verursacht durch die
beiden Kräfte yin und yang. Aus diesen Ueberlegungen erscheint
mir die Uebersetzung "sich vermischenden Atem-Schwaden" zulässig.
87 Meine Uebersetzung "Hauchseele" für hun und "Körper
seele" für ^ p'o folgt derjenigen von A. Conrady und E. Erkes,
die ihrerseits die Termini von Wilhelm Wundt ("Elemente der
Völkerpsychologie") übernahmen. Im Tso Chuen erscheint folgende
Stelle, die uns zeigt, dass der hun und p'o Konzepti on
-90-
zweifellos sehr alte Anschauungen zugrunde liegen: "When a man
is born, (we see) in his first movements what is called the
animal soul (p'o).After this has been produced, it is developed
into what is called the spirit (hun). By the use of things
the subtile elements are multiplied, and the soul and spirit
become strong. They go on in this way, growing in ethereal
ness and brightness, till they become (thoroughly) spiritual
and intelligent. When an ordinary man or woman dies a violent
death, the soul and spirit are still able to keep hanging
about men in the shape of an evil apparition..." (Legge; p. 618),
Erkes schreibt in seinem Aufsatz "Antithetische Komposition
und Dekomposition im Chinesischen": ■■FL szu ist der lebende
Leichnam, aus dem die Hauchseele ( zfy, hun) entflohen ist,
der aber noch von der Köperseele ( p'o) belebt und zusammen-I_ * C
gehalten wird. TU wang dagegen ist der bereits aufgelöste
Leichnam, der auch von der Körperseele ( p'o) verlassen
und damit wirklich vergangen ist." Die p'o-Seele, die yin
oder yin-haltig ist, kehrt zur Erde zurück, während die
hun-Seele, die yang oder yang-haltig ist, zum Himmel zurück
kehrt.
88 Ich folge hier dem Uebersetzungsvorschlag von E. Erkes;
Chinesische Grammatik § 652, S. 33.
89 Der Bestimmung des Himmels ohne die Absichten des menschlichen
Herzens zu folgen, bedeutet Nicht-Handeln (wu-wei). Die "grosse
Rückkehr", bei der sich die beiden Seelen vom Körper trennen,
repräsentiert eine Wu-wei-Verhaltensweise, weil die Dinge, so
wie sie von sich aus sind, akzeptiert werden.
90 vergl. dazu Lao-tzu Kap. 37: "The way never acts yet nothing
ist left undone'.' (D.C. Lau; Tao Te Ching, p. 96)
91 Während Legge (p. 505), Giles (p. 285), Ware (p. 149) und
Wilhelm (S. 164) den Satz so verstehen, dass dies alles den
jenigen Menschen, die im Begriffe seien, Tao zu erlangen, keine
Sorgen bereite, übersetzen Watson (p. 240) und Liu (p. 179)
-91
den Satz so, dass Tao nicht etwas sei, das durch Anstrengung
zu erreichen ist. Ich schliesse mich - gestützt auf Kuo
Hsiangs Kommentar - dieser Auffassung an.
92 Diese Aussage Kuo Hsiangs stimmt mit seiner im Vorwort ge
machten Aeusserung überein, in der er behauptet, Konfuzius
sei "ein grösserer Mensch" als Lao-tzu und Chuang-tzu ge
wesen, weil er sich nicht mit Tao beschäftigt habe.
can be spoken of is not the Tao itself." (Chang Chung-yuan p. 3)
94 vergl . Lao-tzu Kap. 56
95 Dieser Kommentar Kuo Hsiangs kann durchaus als Anspielung
auf das Verhalten von Konfuzius verstanden werden, der sich
wenig um solche Gedanken kümmerte. Vergl. dazu Lun yü Bk. XI, Ch. XI, Legge p. 240.
96 vergl. Lao-tzu Kap. 56
97 /|ff an heisst eigentlich "eine Türe schliessen". Ich verwende
den Ausdruck in dieser Grundbedeutung, weil die Augen von
den Chinesen als Oeffnungen verstanden werden, die das Herz
'O hsin in Bewegung setzen. Ausserdem scheint mir diese
Grundbedeutung durchaus mit der folgenden Passage, dem "Ver
stopfen der Ohren" in Uebereinstimmung zu sein. Vergl. dazu
auch Lao-tzu Kap. 56 in der Uebersetzung von D.C. Lau, p. 117
"One who knows does not speak; one who speaks does not know.
Block the openings; shut the doors ...."
93 vergl. Lao-tzu, Kap. 1 The Tao that
-92-
98 Vergl . Lao-tzu, Kap. 35, "....Look at it, nothing can be
seen. Listen to it > nothing can be heard ..." (Chang
Chung-yuan p . 100).
99 Ch'eng Hsüan-ying sagt in seinem Kommentar, dass Tung-kuo
Tzu mit vollem Namen Tung-kuo Shun-tzu geheissen habe. Er
soll in der östlichen Vorstadt, oder östlich des Walles, ge
wohnt haben und deshalb den Uebernamen "Meister von der öst
lichen Vorstadt" erhalten haben. Der Name Tung-kuo Shun-tzu
erscheint auch im Kapitel 21. Wilhelm (S. 240) behauptet,
Tung-kuo Tzu habe mit dem im 21. Kapitel erscheindenen
Tung-kuo Shun-tzu nichts zu tun, erwähnt aber nicht, wieso
er diese Behauptung aufstellt.
100 Ohne Berücksichtigung der Kommentare ist das Original an
dieser Stelle unverständlich. Wörtlich heisst es: "den Fuss
setzen auf Schwein". Zum Ausdruck 1i , nach Couvreur p. 248
"poser le pied sur ...", sagt Li Kuei, dass, um zu wissen, ob
ein Schwein dick oder mager sei, der Marktaufseher mit seinem
Fuss die Waden und Füsse der Schweine befühle; denn Waden und
Füsse seien schwer zu mästende Stellen. Da sämtliche Ueber-
setzungen an dieser Stelle den Kommentar ins Original ein
flechten - was m.E. einer Entstellung des Textes gleich
kommt - habe ich mich bei einem Schweinehändler erkundigt.
Meine Nachforschungen haben ergeben, dass es sich bei diesem
"Schweine betreten" um eine sog. "Fettprobe" handeln muss.
Da bei einem gut gemästeten Schwein die Körperoberf1äche
dermassen prall ist, dass sie von Hand kaum mehr gepres,st
werden kann, und das chinesische Schwein stark behaart ist,
ist es einleuchtend, dass die "Fettprobe" mit dem Fuss ge
macht wurde. Die Forderungen des Marktes mögen früher zur
Zucht fettreicher, späterhin fleischreicher Schweine ge
führt haben. Der Grund hierfür wird leicht verständlich, wenn
wir beachten, dass das Fett selbst für die Beleuchtung be
nötigt wurde; Termini wie z.B. Hb @ chih chu, Fettlicht,
-93-
zeugen davon. Aufgrund dieser Ueberlegungen scheint es mir
angebracht, den Ausdruck li direkt mit "Fettprobe" zu
übersetzen.
101 Uebersetzt man wörtlich, so heisst es: "je unten mehr umso
mehr." Da offensichtlich die Zucht fettreicher Schweine an
gestrebt wurde, versteht es sich von selbst, dass der Schlacht
körperwert des Tieres stieg, wenn selbst schwer zu mästende
Stellen gute Speckdicken aufwiesen. Meine Lieber Setzung: "je
tiefer /das Fett/ desto wertvol1 er/das Schwein, war die
Antwort/” scheint mir - gestützt auf obige und die in An
merkung 100 angestellten Ueberlegungen - dem Text adäquat zu
entsprechen. Vor allem bleiben dadurch m.E. das Frage- und
Antwort-Spiel und der Stil Chuang-tzus gewährleistet.
102 Das Schriftzeichen yj pi wird hier im Sinne von "voreinge
nommen sein" benützt. Vergl . dazu Lun y ü , Bk IX, Ch. IV,
Legge p. 217: "There were four things from which the Master
was entirely free. He had no foregone conclusions (
wu i),no arbitrary predeterminations (^£Z‘wu pi), no obsti
nacy wu ku), and no egoism ( it & w u wo)."
103 Hier gibt es zwei verschiedene Lesearten. Während Liu (p. 180)
und Wilhelm (S. 165) "kein Ding wird sich Euch entziehen"
lesen, übersetzen Watson (p. 241) und Legge (p. 506) im
Sinne von: "There is not a single thing without (the Tao)."
Ich schliesse mich den beiden Letztgenannten an, denn m.E.
ist es ja gerade der Zweck dieser Geschichte, die Immanenz
des transzendenten Tao zu erläutern.
104 ® wu Nichtsein, von Kuo Hsiang im Sinne von Nichts verstanden,
ist mit Tao identisch. Er schreibt im 6. Kapitel (Chuang-tzu
chi-shi h S. 248):" j # i. ® T ft t£L ...
Tao is everywhere ....
It is everywhere, but everywhere it is nothing". (Fung,
Chuang-tzu , p . 118).
-94-
105 Kuo Hsiangs Kommentar stützt hier m.E. die in Anmerkung
103 versuchte Rechtfertigung der Uebersetzung.
106 Der Ausdruck TL # 1 2 t wu ho yu chih kung erscheint
nur in diesem Kapitel. Im 1. und im 32. Kapitel erscheinen aber
die ähnlichen Ausdrücke 7L % z 0 wu ho yu chih
hsiang. Kuo Hsiang geht an keiner der erwähnten Stellen näher
auf die Termini ein, so dass ich mich gezwungen sehe, mich
an Ch'eng Hsüan-yings Erklärungen zu halten. Ch'eng erklärt
im 1. Kapitel, 3SE 'föj wu ho yu heisse Ä % wu -yu
(vergl. Chuang-tzu chi-shih S. 41). Hier im 22. Kapitel
schreibt er , 7 & # l 2 f wu ho yu chih kung sei "ein
geheimnisvoller Ort des Tao". Und im 32. Kapitel betrachtet
er T L W $ Z wu ho yu chih hsiang als "im Gebiet
des Tao" lt? tao ching ye (vergl. Chuang-tzu chi-shih
S. 1048). Die Uebersetzungen des Terminus 'N wu ho yu
gehen verständlicherweise auseinander.
107 Von einem höheren Standpunkt aus, oder, wie Chuang-tzu im
6. Kapitel sagt, "in the light of Heaven". Das besagt aber
letztlich nichts anderes als, man müsse aus einer Warte be
obachten, die alles Endliche transzendiere,
108 wörtlich übersetzt: "erst
dann erkennt man es gibt nicht das nicht anwesend sein des
Tao1.1 Dies ist ein deutlicher Hinweis auf die Immanenz von Tao.
109 'jÿL huai, hier in der Bedeutung Herz (vergl. Lao-tzu Kap. 70
%. -§L X ï "Le sage porte sur son corpsun vêtement grossier; en son coeur il a des pierres pré
cieuses." nach Couvreur Dict. Classique de la langue Chinoise,
p. 335)
-95-
110 Chuang-tzu gebraucht für "wandern" in der vorangehenden Pas
sage den Ausdruck yu , während die $±. ^ Chuang-tzu
chi-shih-Ausgabe und die #f m tt f â ä H s i n- pi en
chu-tzu chi-ch'eng-Ausgabe im darauf folgenden Kuo-Kommentar
zweimal das Schriftzeichen y u lesen. Die 0 »
Szu-pu pei-yao-Ausgabe liest - m.E. richtig - auch im Kuo
Hsiang-Kommentar zweimal das Sehriftzeichen yu "umher
schweifen". Der Ausdruck yu hatte, wie Waley (Three Ways
of Thought, p. 60) bemerkt, in konfuzianischen Kreisen die
"technische"Bedeutung von "to go from Court to Court as a
péripatetic counsellor" (vergl. dazu Menzius Bk. VII Pf. I
Ch. IX, 1., Legge p. 452). Für die Taoisten hat der Ausdruck
einen völlig anderen Sinn. Wang Tch'ang-Tche schreibt:
"Le terme yeouj_^£_ „se promener,, , terme tou-à-fait propre
à Tchouang-tse, nous semble constituer le pivot de son voca
bulaire mystique et exprimer très bien le trait caractéristique
de la vie mystique, telle qu'il essaie de nous la faire com
prendre", (Bulletin de l'Université l'Aurore N°3, Tome 2,
1941, p. 388 ff). Demiéville (Enigmes Taoïstes, p. 58) sieht
im Terminus yu einen spielerischen Aspekt, der - wie er
meint - "joue dans le Tchouang-tseu un rôle essentiel." Ich
bezweifle, dass sich Kuo Hsiang dieser Bedeutung nicht be
wusst war und folge daher der Leseart in der &Szu-pu pei-yao-Ausgabe. 111
111 Wir sehen hier deutlich, dass Nicht-Handeln ( 3H? wu-wei )
Prinzip und Haltung zugleich ist. Es ist die Norm dieser
Haltung und gleichzeitig ihr Ziel. Grundsätzlich muss es als.
eine Art intendierte Absichtslosigkeit verstanden werden, die
jede voluntaristische Intention transzendiert, also die reinste
Form schöpferischer Spontaneität darstellt. Auf keinen Fall
aber darf wu-wei als blosse Negation des Handelns oder als
Gleichgültigkeit dem Leben und der Welt gegenüber betrachtet
werden. Kuo Hsiang selbst bemerkt dazu: "Hearing the theory
of non-action, some people think that lying down is better
than walking. These people are far wrong in understanding the
ideas of Chuang Tzu" (vergl. Fung, Short History, p. 225).
-96-
112 Wang Fu-chih ( 3E 7^ ^ ) liest 3^. 1 i a o als >|p" k'uo, wobei
mir allerdings unklar bleibt, ob er k'uo als terminus
technicus versteht, oder ob er jff k'uo bloss als Synonym
versteht, (vergl. Wang Fu-chih, Chuang Tzu chiai, S. 190)
113 Der Terminus •£)g- k'ung hsü - die Leere - erscheint bei
Chuang-tzu in den Kapiteln 14, 26 und 33 und Charakterisiert
offenbar den Zustand der unio mystica.
114 wang hat bereits seit frühester Zeit die Bedeutung:
gehen nach— (vergl. Shih ching, Mao N° 91, bei Waley p. 49).
Jedes Gehen nach — impliziert aber ein Ziel; deshalb meine
Uebersetzung mit "zielgerichtetem Gehen."
115 Zur Bedeutung des Terminus li bei Kuo Hsiang vergl.
Anhang.
116 Die Uebereinstimmung mit den ft 1 i bedeutet * m wu wei ,
Nicht-Handeln und die Bewahrung der Natürlichkeit der Dinge.
Eilt aber der Wille voraus, so ist die Natürlichkeit der Dinge
gestört.
117 Im CWTTT 3126.35 wird darauf hingewiesen, dass der Ausdruck
ch'ü erh lai meist nur als ch'ü lai
erscheint; so z.B. im 1 3 $ ; 'jq' Shang chün shu,
k'en ling (vergl. rfil Ä Bd. 5, S. 4).
Duyvendak übersetzt den Ausdruck mit "backwards and forwards"
(üuyvendak; The Book of Lord Shang, p. 183). Ich übersetze
diesen Ausdruck mit "gehen" und "kommen", da er meines Erach
tens dem Kontext besser entspricht als "vorwärts" und "rück
wärts " .
-97-
118 Zur Bedeutung des "ewigen Prinzips der Natur" im Denken
Kuo Hsiangs siehe Anhang.
119 Ich folge hier dem Kommentar von Kuo Hsiang, der den Ausdruck
/5 p'ing hung als JjO- hsü k'uo erklärt.
120 Chuang-tzus Schöpfungsverständnis involviert keineswegs, dass
aus nichts etwas hervorgehe, gleichzeitig aber auch nicht,
dass nichts von selbst in etwas übergehe. Trotzdem postuliert
er m.E. etwas, wodurch alles andere erst gesetzt wird.
121 Kuo Hsiang zeigt hier ganz deutlich, dass er sich ein Werden
vorstellt, das ohne transzendenten Urheber, aus immanenten
Kräften, als Entfaltung einer Potenz sozusagen, automatisch
verläuft.
122 Es handelt sich hier um eine Parallelstelle zu: ^fl 1 T I ; "Das Formlose bewegt sich zur Form, dann be
wegt sich die Form zum Formlosen"(vergl. S. 21).
123 Chuang-tzu expliziert in dieser kurzen Passage die schöpfer
ische Effizienz Taos und subsumiert dessen immanenten dem
transzendenten Aspekt. Eine ähnliche Stelle findet sich auch
bei Huai Nan Tzu im 1. Kapitel (vergl. E. Kraft; "Zum Huai-Nan-
Tzu, Monumenta Serica, Vol. XVI, 1957, S. 211)
124 Die Divergenz in der Tao-Interpretation Chuang-tzus und
Kuo Hsiangs kommt hier mit seltener Deutlichkeit zum
Vors chei n (s . Anhang ) .
-98-
125 Der Name A Ho-kan
Mehr kann über diese Person
erscheint nur in diesem
nicht ausgemacht werden.
Kapitel .
126 Ob es sich bei M- Shen Nung um eine Anspielung
legendären "Erfinder des Ackerbaues" handelt, scheint
zweifelhaft.
auf den
mi r
127 ÜE. C lao lung chi, wörtlich: "altes Drachen Heil"
Es ist möglich, dass Chuang-tzu diesen Namen allegorisch
verwendet, da der östliche Drache keineswegs dem furchterre
genden Ungeheuer der westlichen mittelalterlichen Vorstellung
gleichkommt, sondern ein Sagewesen der Kraft und Güte ist. Ausserdem betrachtet man ihn als Geist des Wandels und somit
als den Geist des Lebens schlechthin.
128 Tr? Chien Wu wird von Chuang-tzu verschiedentlich er
wähnt (vergl. Kap. 1, 6, 7 und 21). Einer Aussage im 21.
Kapitel zufolge war er ein Zeitgenosse von & M % %Sun-shu Ao (vergl. dazu Giles Biogr. Dict. No 1818 und Menzius
Bk. VI, Pt. II, Ch. 15, Legge p. 446) und hat,schenkt man
dieser Aussage Glauben, im 6. Jh. v. Chr. gelebt.
129 Im 1. Kapitel wird von Chien Wu folgende Geschichte erzählt:
"Chien Wu said to Lien Shu:,, I heard from Chieh Yü some
utterances that were great but could not be justified. Once
stated, there is no end of his tale. I was greatly startled
at what he said. It seemed to be as boundless as the Milky
Way. It was very improbable and far removed from human
experience. „
"What did he say?" asked Lien Shu.
"He said" replied Chien Wu , "Far away on the mountain of
Ku I, there lived a spiritual man. His flesh and skin were like
ice and snow. His manner was elegant and graceful as that of
a maiden. He did not eat any of the five grains, but inhaled
-99-
the wind and drank the dew. He rode on clouds, drove along
the flying dragons, and thus rambled beyond the four seas.
His spirit is compact. Yet he could save things from
corruption and secure every year a plentiful harvest. I
thought all these sayings were nonsense and refused to
believe them."
"Yes," said Lien Shu, "the blind have nothing to do with
beauty, nor the deaf with music. There are not only physical
blindness and deafness, there are also the intellectual. Of
the latter you yourself supply an illustration" ... (vergl.
Fung p . 36 f )
1 30 Yen Kang ist nach dem Kommentar von Ch'eng Hsüan-ying
ein Eremit gewesen. Sein Name war Yen, sein Vorname Kanj
(Chuang-tzu chi-shih S. 756). Li Kuei sagt, dass Yen Kangein
Taoist gewesen sei; 7 tiao sei sein Name (Chuang-tzu
chi-shih S. 755). Das scheint sehr unwahrscheinlich, denn
tiao heisst seit alter Zeit auch "sein Beileid aussprechen"
(vergl. Tso Chuan; Duke Hsiang, year XIV; Legge p. 461
bzw. 466), was hier sicher passender ist.
131 vergl. Lao-tzu Kap. 14
132 Der Ausdruck t'ai ch'ing, grosse oder erhabene Rein
heit, symbolisiert den Himmel und somit die ununterbrochene
kosmische Schöpfung.
133 7C wu ch'iung, könnte auch als "das Unerschöpfbare"
verstanden werden. Symbolisiert die räumliche Unfassbarkeit
des Tao.
1 34 vergl. Anmerkung 111
-100-
135 Ch'eng Hslian-ying kommentiert hier: "vornehm ist es bei
Kaiser und König; gering ist es bei Knechten und Verbrechern;
gebunden und verdichtet ist es das Leben; getrennt und auf
gelöst ist es der Tod . "
(Chuang-tzu chi-shih S. 756).
1 36 wu shih, ohne Anfang. Symbolisiert hier m.E. pa--T-ral1el zum Ausdruck wu ch'iung die zeitliche Unfass
barkeit des Tao.
137 vergl. Lao-tzu Kap. 71: "Not knowing that one knows is best;
Thinking that one knows when one does not know is sickness..."
(Uebers. Ch'u Ta-kao p. 86).
138 Nach Wang Shu-min müssten die beiden Schriftzeichen X I pu yen in Kuo Hsiangs Kommentar ergänzt werden. Offenbar
nimmt er an, Kuos Kommentar müsse parallel zum Text Chuang-
tzus verlaufen. (Chuang-tzu chi-shih S. 758).
139 Diese ganze Geschichte erscheint leicht modifiziert auch im
12. Kapitel des Huai Nan Tzu. (vergl. Hsin pien chu tzu chu
ch'eng Bd. 7, S. 189; übersetzt bei E. Morgan "Tao The Great
Luminant" p. 102.).
© A140 K'un lun lüffl sagenhafter Berg im fernen Westen, auf dem
der Gelbe Fürst eine Dunkle Perle ( = Tao nach Ssu-ma P'iao,
Chuang-tzu chi shih S. 414) verlor, (vergl. dazu Chuang-tzu Kap. 12).
141 T'ang Chün-I schreibt: "Chuang Tzu has three ideas about the
mind which are closely related to the experience of forgetting
the world and the self as an individual. The first idea concerns
the nature of mind as hsü. "Hsü" means to be vacuous and
receptive ... When the mind is vacuous and receptive, all things
of the world can be received by it, and then pass through it
whithout any barrier. (T'ang Chün-I; "The Individual and the
World in Chinese Methodology" Philosophy East and West, Vol .
XIV, Nr. 3, 1964, p. 300)
-101-
142 ming; dunkel, geheimnisvoll. Ich übersetze hier wörtlich,
obwohl ich mit R. Mather übereinstimme, der den Ausdruck
ming - sicher berechtigt - mit "mystical union" wiedergibt,
(vergl. Mather; " The Controversy over Conformity and Natural
ness" in: History of Religions, Vol. 9, Nr. 2 & 3, p. 169)
14 3 vergl. Lao-tzu Kap. 56
144 Nach Ch'eng Hsüan-ying Symbol i s i ert T C Bll. kuang yao, hier als
"Glänzendes Sonnenlicht" übersetzt, die Intelligenz, (vergl.
Chuang-tzu chi-shih, S. 759).
145 Der Ausdruck 7Cj 'rl wu yu, hier als "Nicht-Sein" übersetzt,
wird von Chuang-tzu im Kapitel 23 wie folgt erklärt:
"There is life, there is death, there is a coming out,
there is a going back in - yet in the coming out and going
back its form is never seen. This is called the Heavenly Gate.
The Heavenly Gate is nonbeing. ( 7^ n t & % H L )The ten thousand things come forth from nonbeing. Being cannot
create being out of being; inevitably it must come forth from
nonbeing. Nonbeing is absolute nonbeing ( M — 9 L %and it is here that the sage hides himself". (Zit. nach: Watson,
p. 257). Somit dürfen wir wu yu als ein Symbol be
trachten, das sich Tao sehr nähert, und das als Geheimnis der
Schöpfung angesehen werden kann.
14 5 Diese Anekdote erscheint auch im 12. Kapitel des Huai Nan Tzu.
Vergl. H k » Bd. 7, S. 206; übersetzt
bei E. Morgan: Tao The Great Luminant; p. 133 f.
147 Ich folge hier Wang Nien-sun und lese Ji. tao anstelle vonr* rrTj* shou (vergl. Chuang-tzu chi-shi, S. 761). Diese Leseart
scheint mir insofern gerechtfertigt, als in einer ähnlichen
Anekdote im 19. Kapitel ebenfalls der Ausdruck \ tao steht,
(vergl. Chuang-tzu chi-shih, S. 640).
-102-
148 m & wörtlich übersetzt: "für Dinge kein sehen".
Meine Liebersetzung mit: "Von /anderen/ Dingen nahm ich keine
Notiz" scheint mir angebracht zu sein, weil dadurch m.E. der
Charakter des Gesprächs gewahrt bleibt.
149 Diese Anekdote erscheint auch im 12. Kapitel des Huai Nan Tzu.
vergl. Hsin-pien chu-tzu chi-ch'eng Bd. 7, S. 201
150 Jan Ch'iu - sein 1iterarischer Name war Tzu Yu - gewöhnlich
auch Jan Yu genannt, war einer der begabtesten und berühmtesten
Schüler des Konfuzius, namentlich auf praktischem Gebiet. Hat
durch seine konnivente Moral doch häufig das Missfallen des
Meisters erregt; er war einer jener Realpolitiker, die im
Ernstmachen mit praktischen moralischen Forderungen nur Uto
pismus erblickten, (nach Wilhelm; Kungfutse Gespräche (Lun Yü)
S. 53). Wie Konfuzius seinen Schüler beurteilt, siehe z.B.
Lun YÜ V. 7; XI . 21,23
151 Chung Ni ist der "Erwachsenenname" von Konfuzius. Chuang-tzu lässt Konfuzius oft in seinen Geschichten auftreten, um mit
dem Schulgründer gegen die Schule zu polemisieren. Seine Lanzen
sind weniger gegen Konfuzius selbst gerichtet, dem er m.E,
vorurteilsfrei gegenübersteht, sondern hauptsächlich gegen Aus
wüchse seiner Nachfolger.
152 Vergl. Kuo Hsiangs Gedanken im Anhang.
-103-
153 cp tai ming heisst nach CWTTT 10318.21^^* ting
ming, dem Befehl gehorchen, seinem Schicksal nachkommen.
154 ijft w u , nicht haben, nicht sein; wird von Kuo Hsiang im
Sinne von "absolut Nichts" verstanden. Vergl. Anmerkung
104 und Anhang.
1 55 £ y u , haben, sein; muss hier m.E. als Gegensatz zu "Nichts"
verstanden werden, deshalb die Liebersetzung von yu als
"Etwas"
156 Wenn das Sein - wie Kuo Hsiang hier implizit aussagt -
ewig ist, ist es unmöglich, von einer Zeit zu sprechen, die
dem Sein vorausgegangen wäre. Eine zeitliche Aussage über
das Sein als Summe aller darin erscheinenden und vergehenden
Wesen zu machen, ist sinnlos. Zeit ist nur relevant be
züglich im Sein auftretender Wesen und deren Dauer.
157 vergl. Anmerkung 38 und Anhang.
158 Das, was bewirkt, dass Dinge Dinge sind, kann kein Ding sein.
Denn gehörte es zur Welt der Dinge, so müsste man sich weiter
fragen, woher es denn seine Dinglichkeit erhalten habe.
Gäbe es darunter noch einmal ein verursachendes Ding, könnte
man die Kausalkette ad infinitum weiterverfolgen. Dem
beugt Chuang-tze vor, indem er Chung Ni sagen lässt: "es
gibt keine Vergangenheit und keine Gegenwart" vergl. S.49
Damit fällt die Kausalität in sich zusammen, denn sie hat
nur im zeitlichen Bereich ihre Berechtigung, da sie nur
spätere Vorgänge durch frühere erklären kann.
-104
159 Yen Yuan, literarischer Name Tzu Yüan, wirklicher Name
Yen Hui, war der Li ebl i ngsschli 1 er des Konfuzius. Konfuzius
selbst gesteht seinem Schüler Fürstentugend zu (Lun Yü VI. 1)
und sagt im weiteren: "Hui war doch wirklich ein guter
Mensch! Eine Holzschüssel voll Reis, eine Kürbisschale voll
Wasser, in einer elenden Gasse. Andere Menschen hätten es
in einer so trostlosen Lage gar nicht ausgehalten. Aber
Hui liess sich seine Fröhlichkeit nicht rauben "(nach Wilhelm,
Lun Yü VI, 9). Als Yen Hui mit 32 starb, war Konfuzius zu
tiefst bestürzt, (vergl. Lun Yü XI. 8).
160 Diese Aussage wird verständlicher, wenn man eine Aussage
aus dem 7. Kapitel zu Hilfe nimmt. Es heisst dort: "The
Perfect Man uses his mind (eigentlich steht Cj hsin, Herz!)
like a mirror - going after nothing, welcoming nothing,
responding but not storing. Therefore he can win out over
things and not hurt himself." (nach Watson, p. 97).
161 110 wu hsin. Der Mensch ist von verschiedenen Neigungen
abhängig, die sich - wie wir bereits gesehen haben (vergl.
Anm. 36) - im menschlichen Herzen befinden. Diese Neigungen
stören die menschliche Natürlichkeit und sind verantwort
lich für die menschliche Unruhe. Um in einen absoluten Ruhe
stand zu kommen, muss man solche Neigungen des Herzens be
seitigen. Ein Herz, in dem keine Neigungen mehr vorhanden
sind, nennt man ein "leeres Herz" (/§_ LZ-J hsü-hsi
Diesen Zustand nennt man auch "ohne Herz" ( 5 L '(_y Durch seine Leere kann sich das Herz, gleich einem
allen möglichen Umständen auf die bestmögliche Art
n).
w u - h s i n ) Spi egel ,
anpassen.
162 Ich folge hier der Ansicht von Li Mien (S. 460), d e r a n
in der Bedeutung von ho liest, was m.E. durchaus dem
Gesprächsverlauf angepasst ist.
-10 5-
163 Ich folge hier der Interpretation von Ch'eng Hsüan-ying,
der den Ausdruck mi als s h u n , im Einklang sein, liest,
(vergl. Chuang-tzu chi-shih S. 766).
164 Hsi T'ung meint, ^ to werde hier als . i ge
braucht. (vergl. Ch'ien M u , Chuang-tzu tsuan-chien S. 181).
i ä i ist mit i identisch und wird von Couvreur (Dic
tionnaire Classique de la langue Chinoise p. 919) als
"passer ou faire passer d'un lieu ou d'un état à un autre"
erklärt. Diese Bedeutung trifft hier m.E. genau das Richtige.
Derjenige, der "ohne Herz" ist, wird von den Dingen nicht
bewegt, und gleichzeitig bewegt er die Dinge nicht. Beide,
derjenige, der "ohne Herz" ist und das Ding, das ihm begegnet,
folgen unbehindert ihren Bestimmungen.
165 Wörtlich übersetzt heisst: JÎL JÎZ ".also genügend seiend
hält er an" Ich verstehe den Satz so, dass er den Dingen Genüge tut, das heisst hier m.E., den Verlauf ihrer Bestimmung nicht
behindert und gleichzeitig seiner eigenen Bestimmung nach
kommt, sich also selbst treu bleibt.
166 Hsi-Wei , "blitzkei1treibender und schweinsfel1trommelnder
protochin. Donnergott" (Münke; Chinesische Mythologie, S. 258).
Nach Granet sind Hsi-Wei und Fu Hsi "rêgu1ateurs des astres"
(Granet; Danses et Légendes de la Chine ancienne, Tome Second,
p. 517).
167 Der Gelbe Fürst, Huang-ti , ist ein mythischer Gott-Kaiser,
der den Taoisten als Leitfigur galt (vergl. Franke/Trau-
zettel; Das Chinesische Kaiserreich, S. 22).
-106-
168 Shun, ebenfalls ein Idealherrscher mythischer Vorzeit, der
den Konfuzianern als Leitfigur galt (vergl. Franke/Trau-
zettel; Das Chinesische Kaiserreich, S. 22).
16 9 T 1ang , auch Ch'eng T'ang,"Vollender T'ang" gilt als Gründer
der Shang-Dynastie, die nach den sog. " Bambusannalen" von
1523 - 1028 v. Chr. dauerte (vergl. Franke/Trauzettel;
Das Chinesische Kaiserreich, S. 27 und S. 32).
Hu gilt als Gründer der Chou-Dynastie (11. Jh. v. Chr. -
221 v. Chr. ) .
170 Betrachtet man die Reihenfolge dieser Orte: Park, Garten,
Palast, Häuser, so liegt die Vermutung nahe, dass es sich
dabei um eine zunehmende Entfernung von der Natürlichkeit
und eine Bewegung zum Künstlichen hin handle. Liou Kia-hway
sieht darin eine wachsende Einengung der sozialen Beziehungen,idie über die Streitereien zwischen Konfuzianern und Mohisten
zu den Bürgerkriegen der Chan-Kuo-Zeit führt, (vergl. Liou
Kia-hway; L'oeuvre complete de Tchouang-tseu, p. 347).
171 Es ist interessant festzustellen, wie elegant Kuo Hsiang
die zunehmende Einengung bzw. die Entfernung vom Natürlichen
"übersieht" und nur auf das gemeinsame hinweist.
« . fei?172 Das Schriftzeichen ee chi erscheint im 6. Kapitel in der
Bedeutung: "in Stücke schlagen; z e r b r e c h e n E s heisst dort:
S£ Wi ^ 0 7 7 T & (vergl. Chuang-tzu chi-shih,S. 281), was von Fung Yu-lan mit: "He tears all things into
Pieces, yet he is not just'i übersetzt wird, (vergl. Tung; Chuang Tzu, p . 127)
Auch Ch'eng Hsüan-ying liest an dieser Stelle das Schrift
zeichen chi als % t" sui, zerstückeln, (vergl. Chuang-tzu
chi-shih, S. 282). Von Kuo Hsiang wird das Schriftzeichen
sjg_ chi an dieser Stelle leider nicht erklärt.
-107-
173 Bemerkenswert ist die Tatsache, dass Kuo Hsiang das
Schriftzeichen ^ chi hier als^D ho, in Einklang bringen,
liest. Das CWTTT 44212 gibt hier auch die B e d e u t u n g h o
an und zitiert als einzige Belegstelle die hier erscheinende
unter Berufung auf Kuo Hsiangs Kommentar. Ebenso interessant
ist der Umstand, dass auch Ch'eng Hsüan-ying das Schrift
zeichen f§_ chi hier plötzlich ebenfalls als ho liest,
während er es im 6. Kapitel (vergl. Anm. 179) als ä P s u i
verstand, (vergl. Chuang-tzu chi-shih, S. 766).
174 Hier drängt sich eine Parallele zum 2. Kapitel auf. Dort
heisst es:
(vergl. Chuang-tzu chi-shih, S. 63). Fung Yu-lan übersetzt:
"Therefore, there are the contentions between the Confu-
cianists and the Mohists. Each one of these two schools
affirms what the other denies, and denies what the other
affirms." Und Kuo Hsiang bemerkt dazu: "That there is a
distinction of right and wrong i s what the Confucianists
and the Mohists affirm. That there is no such distinction
is what they deny."(verg1. Fung Yu-lan; Chuang-tzu p. 49).
In beiden Fällen übergeht Kuo Hsiang den Konflikt zwischen den beiden Schulen.
175 Uebersetzt man Wort für Wort, so heisst es: "Der Weise wohnt
Ding nicht verletzen Ding." Die Uebersetzung: "Der Weise
lebt inmitten von Dingen, ohne nur eines von ihnen zu ver
letzen" gibt m.E. den Sinn der Aussage adäquat wieder.
176 Wer "ohne Herz" ist, ist fern von allen Wünschen und
Neigungen, er befindet sich im Zustand der Spontaneität,
ohne sich dessen bewusst zu sein. Und in diesem höchsten
Zustand menschlicher Erfahrung hat er jegliches "Nachgehen"
und "Entgegengehen" transzendiert.
-1 OS-
177 Kuo Hsiang analysiert hier m.E. äusserst scharf, dass
bereits mit den Gedanken an die Berge und Wälder, die
heiligen Haine und die geweihten Gefilde ein erregen
des Gefühl und ein Spannungsempfinden aufgebaut werden,
die fälschlicherweise als Freude verstanden werden.
178 Viel Freude und Trauer sind grundlos und selbstver
schuldet, weil gedanklich ein Zustand hervorgerufen
wird, der nicht wirklich einzutreten braucht, oder
aber dass das Erwartungsgefühl stärker war, als das
wirkliche, dann meist nur noch kurz dauernde Gefühl
der Erfüllung.
179 Der Terminus tso wang wird uns im 6. Kapitel von
Yen Hui erklärt: "I forget everything ( 4JL )", replied
Yen Hui. Confucius changed his countenance and said: "What
do you mean by forgetting everything ( )?" "I gave
up my body," said Yen Hui, "and discarded my knowledge.
By thus getting rid of body and mind, I became one with the
infinite. This is what I mean by forgetting everything".
(Fung; Chuang Tzu, p. 128)
130 chi hat nach Couvreur (Dictionnaire Classique de la
langue Chinoise, p. 229) die Bedeutung: "demeurer tempo-
rainement dans un endroit, recevoir ou donner le logement
pour un temps." Gestützt auf diese Bedeutung erscheint mir
die Wiedergabe mit "ein- und ausgehen" angebracht.
131 Zur Bedeutung des Determinismus im Denken Kuo Hsiangs siehe
Anhang .
182 vergl. dazu im Anhang die Bedeutung von "fen".
* ★ *
LITERATURVERZEICHNIS
-109-
1. Chuang-tzu Ausgaben
a ) chinesische
Chuang-tzu chi -shih; Ed. Chung-hua-shu-chli, Peking 1961
Chuang-tzu chi -shih; Ed. Hsin-pien chu-tzu chi-ch'engTaipei, 1974
Chuang-tzu; Ed. Ssu-pu pei-yao
Nan-hua chen-ching; Ed. Ssu-pu ts'ung-k'an
Ch'ien Mu; Chuang-tzu tsuan-chien; Honkong 1962
Wang Fu-chih; Chuang-tzu chiai; Hrsg. Peking 1964
b) Ja2§Dͧ9!]§
Sõshi; Fukunaga Mitsuji, Tokyo, 1966
c) Uebersetzungen_des_Chuang-tzu_in_westliche_Sprachen
Fung Yu-1 an
Giles Herbert A.
Legge James
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