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Winnetou ist angekommen Die Festspiele Burgrieden haben im 3. Jahr ihren Häuptling der Apachen gefunden – Mit dem „Ölprinz“ auf dem richtigen Weg Von Sigfried Baumann Mit ihm beginnt das Stück und er weist im Laufe der Geschichte Win- netou und Old Shatterhand den rechten Weg: Polly heißt der Wüs- tenbussard von Falkner Ulrich Fe- der, als Ko-Inta verkörpert er den Guten Geist. Auf dem rechten Weg sind nicht nur die Helden Karl Mays, sondern auch die Festspiele Burgrieden, die seit 2014 die Karl May-Bühnen in Deutschland berei- chern. Der Zuschauerzuwachs von 2014 auf 2015 um mehr als 50 Pro- zent beweist, dass Abenteuer in Oberschwaben nachgefragt wer- den. In diesem Jahr steht „Der Öl- prinz“ auf dem Spielplan. Die neu- este Inszenierung von Mike Diet- rich, der auch für das Textbuch ver- antwortlich zeichnet, ist eine kon- sequente Weiterentwicklung der Festspiele Burgrieden mit gleich drei gravierenden Verbesserungen gegenüber den bisherigen zwei Spielzeiten. Endlich gibt es mehr Action-Szenen mit pyrotechni- schen Effekten (Höhepunkt ist das feurige Finale), ein überaus spiel- freudiges, gut harmonierendes En- semble, das sich von keinen (Wet- ter)Widrigkeiten wie etwa bei der Premiere aufhalten lässt und end- lich, endlich hat man im 3. Jahre mit Ivica Zdravkovic einen Winne- tou-Darsteller gefunden, der dieser Märchenfigur Karl Mays auch ge- recht wird. In allem. Wie er sich bewegt, in der Gestik und in dem, wie er spricht (wobei der kleine Ak- zent der Figur eher noch guttut). Ivica erfüllte sich nach 20 Jahren mit der Rolle des Winnetou einen Lebenstraum „Fast alles hätte ich dafür in Kauf genommen, um ein- mal im Leben diese Rolle spielen zu können.“ Seine Tellerwäscher- Vergangenheit ist hier bei weitem nebensächlich, seine körperliche Präsenz und seine Authentizität überzeugen. Dass er auch für die Stunt- und Kampfchoreografie beim „Ölprinz“ verantwortlich zeichnet ist zwangsläufig, denn Ivica ist Inhaber der Firma Z.I.Stunts. Er harmoniert wunder- bar mit Shatterhand (Maik van Ep- ple), der bereits zum 2. Male in be- währter Weise den berühmten Westmann bei den Festspielen Burgrieden verkörpert. Auch hier hat man gelernt: Es macht wenig Sinn, die Hauptfiguren jedes Jahr zu tauschen. Das Publikum will sich mit „seinen“ Helden identifizieren. Beide begegnen sich bei ihrem Spiel auf Augen- höhe. Und das ist für ein Karl-May- Abenteuer wich- tig. Michael Mül- ler als Sam Haw- kens bestreitet auch seine 2. Sai- son. Zum Glück. Er kommt mit sei- ner Darstellung recht nahe an das Film-Original von Ralf Wolter. Helga Reichert – im Vorjahr noch Winnetous Schwester Nscho tschi – ist im „Öl- prinz“ eine reso- lute Rosalie Ebersbach und beweist Durch- setzungsvermö- gen. Neu im En- semble ist Mark Mayr in einer Doppelfunktion als Regie-Assistent und als finsterer Häuptling Mokaschi, den er mit großem Nachdruck verkörpert. Dass er durch die Worte des wei- ßen Siedlermädchens Lilly (Annika Leanyvari) auf den Pfad des Frie- dens gebracht wird, ist zwar sehr rührselig, aber leider in der Ge- schichte reichlich unglaubwürdig. Schreiben wir es der Freiheit des Autors zu und dessen Vorliebe für emotionale Szenen. Die Einflüsse des Spielfilms „Der Ölprinz“ aus dem Jahre 1965 sind deutlich er- kennbar. Und doch ist Mike Diet- richs Buch nahe an Karl May. Diet- rich selbst hat die komischste Rolle im Stück übernommen, die des Kantors Aurelius Hampel, der im Wilden Westen eine Heldenoper komponieren will. In dieser Rolle ist Dietrich in seinem Element. Die geballten Attacken auf das Zwerch- fell der Zuschauer – einfach köst- lich. Der geborene Wiener Chris- tian Schiesser spielt den Ölprinzen schmierig und mit viel Ironie, über- zeichnet aber manchmal. Und er sollte seine Hände beim Sprechen sparsamer einsetzen. Er ist weniger Dirigent, sondern viel mehr Fies- ling. Dass in seinen Dialogen meh- rere Dutzend Male das Wort „Bru- derherz“ für seinen Stiefbruder Buttler vorkommt, ist einfach lästig und wäre im Textbuch leicht zu korrigieren. Ja, ja die Liebe darf natürlich nicht fehlen, obwohl bei Karl May dafür kaum Platz ist. Trotzdem: Julian Huitz als Schi-So und Annika Leanyvari geben ein wunderbares Paar ab. Man könnte sie problemlos zu Rosamunde Pil- cher transferieren. So bietet die Inszenierung „Der Ölprinz“ alles, was zu Karl Mays Wildem Westen gehört: Überfälle auf Siedlertrecks, Zweikämpfe zwi- schen Gut und Böse, verfeindete Indianerstämme und immer mitten drin der Ölprinz, der überall, wo er auftaucht, seine mörderische Spur hinterlässt. Der Zuschauer kann lachen und auch mal verstoh- len eine Träne wegdrücken. Und doch ist das diesjährige Abenteuer um den Ölprinzen eigentlich nur eine Zwischenetappe auf der Suche nach Santer, dem Mörder Nscho tschis aus der letztjährigen Insze- nierung „Winnetou 1. Teil“. Die Jagd auf Santer bildet die drama- turgische Klammer von einem Jahr zum anderen. 2017 steht dann „Winnetou 2. Teil“ auf dem Spiel- plan. Und wetten, auch am Ende dieses Stückes läuft Santer immer noch frei herum. Freuen wir uns deshalb auf viele weitere Aben- teuer auf Oberschwabens größter Freilichtbühne. Vorstellungen bis 11. September freitags um 20 Uhr, samstags um 19.30 Uhr, sonntags um 17 Uhr. Zu- sätzlich im August samstags um 15 Uhr. Preise: 22,90 Euro Erwachsene, 18.90 Euro Kinder bis 14 Jahre. Ticket- Hotline 0739 2900 970. Anfahrt über die Autobahn Ulm, weiter auf der B 30 Richtung Biberach, Ausfahrt Leipheim- Süd, dann Richtung Militärflugplatz, Ausschilderung beachten. Feuriges Finale auf der Freilichtbühne Burgrieden: Der Ölprinz jagt ein Ölfeld in die Luft und fin- det anschließend in den Flammen sein Ende. Fotos (3): Sigfried Baumann Ein hübsches Paar: Das weiße Siedlermädchen Lilly (An- nika Leanyvari) und Häuptlingssohn Schi-So (Julian Huitz). Das Blutsbrüderpaar von Burgrieden: Winnetou (Ivica Zdravkovic) und Old Shatterhand (Maik van Epple). Seite an Seite kämpfen sie gegen den Ölprinz.

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Post on 17-Oct-2019

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Winnetou ist angekommenDie Festspiele Burgrieden haben im 3. Jahr ihren Häuptling der Apachen gefunden – Mit dem „Ölprinz“ auf dem richtigen Weg

Von Sigfried Baumann

Mit ihm beginnt das Stück und er weist im Laufe der Geschichte Win-netou und Old Shatterhand den rechten Weg: Polly heißt der Wüs-tenbussard von Falkner Ulrich Fe-der, als Ko-Inta verkörpert er den Guten Geist. Auf dem rechten Weg sind nicht nur die Helden Karl Mays, sondern auch die Festspiele Burgrieden, die seit 2014 die Karl May-Bühnen in Deutschland berei-chern. Der Zuschauerzuwachs von 2014 auf 2015 um mehr als 50 Pro-zent beweist, dass Abenteuer in Oberschwaben nachgefragt wer-den. In diesem Jahr steht „Der Öl-prinz“ auf dem Spielplan. Die neu-este Inszenierung von Mike Diet-rich, der auch für das Textbuch ver-antwortlich zeichnet, ist eine kon-sequente Weiterentwicklung der Festspiele Burgrieden mit gleich drei gravierenden Verbesserungen gegenüber den bisherigen zwei Spielzeiten. Endlich gibt es mehr Action-Szenen mit pyrotechni-schen Effekten (Höhepunkt ist das feurige Finale), ein überaus spiel-freudiges, gut harmonierendes En-semble, das sich von keinen (Wet-ter)Widrigkeiten wie etwa bei der

Premiere aufhalten lässt und end-lich, endlich hat man im 3. Jahre mit Ivica Zdravkovic einen Winne-tou-Darsteller gefunden, der dieser Märchenfigur Karl Mays auch ge-recht wird. In allem. Wie er sich bewegt, in der Gestik und in dem, wie er spricht (wobei der kleine Ak-zent der Figur eher noch guttut). Ivica erfüllte sich nach 20 Jahren mit der Rolle des Winnetou einen Lebenstraum „Fast alles hätte ich dafür in Kauf genommen, um ein-mal im Leben diese Rolle spielen zu können.“ Seine Tellerwäscher-Vergangenheit ist hier bei weitem nebensächlich, seine körperliche Präsenz und seine Authentizität überzeugen. Dass er auch für die Stunt- und Kampfchoreografie beim „Ölprinz“ verantwortlich zeichnet ist zwangsläufig, denn Ivica ist Inhaber der Firma Z.I.Stunts. Er harmoniert wunder-bar mit Shatterhand (Maik van Ep-ple), der bereits zum 2. Male in be-währter Weise den berühmten Westmann bei den Festspielen Burgrieden verkörpert. Auch hier hat man gelernt: Es macht wenig Sinn, die Hauptfiguren jedes Jahr zu tauschen. Das Publikum will sich mit „seinen“ Helden identifizieren.

Beide begegnen sich bei ihrem Spiel auf Augen-höhe. Und das ist für ein Karl-May-Abenteuer wich-tig. Michael Mül-ler als Sam Haw-kens bestreitet auch seine 2. Sai-son. Zum Glück. Er kommt mit sei-ner Darstellung recht nahe an das F i l m - O r i g i n a l von Ralf Wolter. Helga Reichert – im Vorjahr noch W i n n e t o u s Schwester Nscho tschi – ist im „Öl-prinz“ eine reso-lute Rosalie Ebersbach und beweist Durch-setzungsvermö-gen. Neu im En-semble ist Mark

Mayr in einer Doppelfunktion als Regie-Assistent und als finsterer Häuptling Mokaschi, den er mit großem Nachdruck verkörpert. Dass er durch die Worte des wei-ßen Siedlermädchens Lilly (Annika Leanyvari) auf den Pfad des Frie-dens gebracht wird, ist zwar sehr rührselig, aber leider in der Ge-schichte reichlich unglaubwürdig. Schreiben wir es der Freiheit des Autors zu und dessen Vorliebe für emotionale Szenen. Die Einflüsse des Spielfilms „Der Ölprinz“ aus dem Jahre 1965 sind deutlich er-kennbar. Und doch ist Mike Diet-richs Buch nahe an Karl May. Diet-rich selbst hat die komischste Rolle im Stück übernommen, die des Kantors Aurelius Hampel, der im Wilden Westen eine Heldenoper komponieren will. In dieser Rolle ist Dietrich in seinem Element. Die geballten Attacken auf das Zwerch-fell der Zuschauer – einfach köst-lich. Der geborene Wiener Chris-tian Schiesser spielt den Ölprinzen schmierig und mit viel Ironie, über-

zeichnet aber manchmal. Und er sollte seine Hände beim Sprechen sparsamer einsetzen. Er ist weniger Dirigent, sondern viel mehr Fies-ling. Dass in seinen Dialogen meh-rere Dutzend Male das Wort „Bru-derherz“ für seinen Stiefbruder Buttler vorkommt, ist einfach lästig und wäre im Textbuch leicht zu korrigieren. Ja, ja die Liebe darf natürlich nicht fehlen, obwohl bei Karl May dafür kaum Platz ist. Trotzdem: Julian Huitz als Schi-So und Annika Leanyvari geben ein wunderbares Paar ab. Man könnte sie problemlos zu Rosamunde Pil-cher transferieren.

So bietet die Inszenierung „Der Ölprinz“ alles, was zu Karl Mays Wildem Westen gehört: Überfälle auf Siedlertrecks, Zweikämpfe zwi-schen Gut und Böse, verfeindete Indianerstämme und immer mitten drin der Ölprinz, der überall, wo er auftaucht, seine mörderische Spur hinterlässt. Der Zuschauer kann lachen und auch mal verstoh-len eine Träne wegdrücken. Und

doch ist das diesjährige Abenteuer um den Ölprinzen eigentlich nur eine Zwischenetappe auf der Suche nach Santer, dem Mörder Nscho tschis aus der letztjährigen Insze-nierung „Winnetou 1. Teil“. Die Jagd auf Santer bildet die drama-turgische Klammer von einem Jahr zum anderen. 2017 steht dann „Winnetou 2. Teil“ auf dem Spiel-plan. Und wetten, auch am Ende dieses Stückes läuft Santer immer noch frei herum. Freuen wir uns deshalb auf viele weitere Aben-teuer auf Oberschwabens größter Freilichtbühne.

Vorstellungen bis 11. September freitags um 20 Uhr, samstags um 19.30 Uhr, sonntags um 17 Uhr. Zu-sätzlich im August samstags um 15 Uhr. Preise: 22,90 Euro Erwachsene, 18.90 Euro Kinder bis 14 Jahre. Ticket-Hotline 0739 2900 970. Anfahrt über die Autobahn Ulm, weiter auf der B 30 Richtung Biberach, Ausfahrt Leipheim-Süd, dann Richtung Militärflugplatz, Ausschilderung beachten.

Feuriges Finale auf der Freilichtbühne Burgrieden: Der Ölprinz jagt ein Ölfeld in die Luft und fin-det anschließend in den Flammen sein Ende. Fotos (3): Sigfried Baumann

Ein hübsches Paar: Das weiße Siedlermädchen Lilly (An-nika Leanyvari) und Häuptlingssohn Schi-So (Julian Huitz).

Das Blutsbrüderpaar von Burgrieden: Winnetou (Ivica Zdravkovic) und Old Shatterhand (Maik van Epple). Seite an Seite kämpfen sie gegen den Ölprinz.