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EMFfx Consulting & Simulation 1 White Paper Stand der Technik zur Berechnung von Sicherheitsabständen an Mobilfunkstandorten Autor: Dr. Karsten Menzel – EMFfx Consulting & Simulation Stand: Version 1.0 Datum: 27.03.2017

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EMFfx Consulting & Simulation 1

White Paper

Stand der Technik zur Berechnung von Sicherheitsabständen an Mobilfunkstandorten

Autor: Dr. Karsten Menzel – EMFfx Consulting & Simulation Stand: Version 1.0 Datum: 27.03.2017

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Inhalt Zusammenfassung ..................................................................................................................2

1 Einleitung........................................................................................................................3

2 Stand der Normung ........................................................................................................3

3 Relevante Berechnungsmethoden ..................................................................................4

3.1 Nahfeldmessungen mit nachgeschalteter Berechnung ............................................4

3.1.1 Modenentwicklung..........................................................................................4

3.1.2 Ersatzstromverfahren ......................................................................................5

3.1.3 NF-Huygens-Verfahren ....................................................................................5

3.2 Synthesemodell ......................................................................................................6

3.3 Einfache empirische Modellfunktionen ...................................................................6

4 Berechnungsmethoden der BNetzA ................................................................................8

5 Bewertung ....................................................................................................................10

Literatur ...............................................................................................................................12

Zusammenfassung Der Stand der Technik für die Berechnung von Sicherheitsabständen hat sich in den letzten 15 Jahren erheblich weiterentwickelt. Das genauste Verfahren, die Nahfeldmessung mit nachgeschalteter Berechnung, ist seit vielen Jahren fester Bestandteil der Normen und hat dort das höchstmögliche Ranking. Da Nahfeldmessungen bei den Antennenherstellern gut verfügbar sind, sollte dieses Verfahren zukünftig auch im Rahmen des Genehmigungsprozesses verwendet werden, insbesondere auch damit bestehende Engpässe im heutigen Verfahren nicht zu einem Zeitverzug beim Ausbau der nächsten Mobilfunkgeneration (5G) führen. Wird alternativ zukünftig eher ein vereinfachtes Berechnungsmodell verwendet, sollte dies zumindest wissenschaftlich publiziert und mittels Nahfeldmessungen validiert sein.

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1 Einleitung Für den Betrieb von Funkanlagen müssen die maximal zulässigen Expositionswerte für elektromagnetische Felder beachtet werden. Entsprechende Grenzwerte werden von der ICNRP [1] für die Allgemeinbevölkerung und für Arbeitnehmer festgelegt. Zur Berechnung der zugehörigen Sicherheitsabstände ist eine möglichst gute Kenntnis der Feldsituation in einem Abstandsbereich von 1-7 m zur Antenne Voraussetzung. In Deutschland sind die Betreiber von Funkanlagen mit einer Sendeleistung größer 10 W EIRP verpflichtet, eine Standortbescheinigung bei der Bundesnetzagentur (BNetzA) zu beantragen. Die BNetzA ermittelt typischerweise rechnerisch die zur Einhaltung der Grenzwerte notwendigen Sicherheitsabstände für die Allgemeinbevölkerung auf Basis der elektrischen Feldstärken. Hierzu verwendet die BNetzA sehr einfache Abschätzungen mit entsprechend großen Sicherheitszuschlägen. Mit zunehmender Bandbreite steigt die an Mobilfunkstandorten eingesetzte Sendeleistung. Dementsprechend nehmen auch die Sicherheitsabstände zu, was in Ballungsgebieten bereits heute zu Einschränkungen führt. Abhilfe schaffen hier genauere Berechnungsverfahren, die inzwischen gut verfügbar sind und in verschiedenen internationalen Regelungen normiert wurden. Im Folgenden werden die in den relevanten Normen beschriebenen Berechnungsverfahren verglichen und bewertet, um den Stand der Technik vorzustellen. Der Stand der Technik wird dann als Grundlage für eine Bewertung des derzeit von der BNetzA eingesetzten Verfahrens herangezogen. Abschließend werden Empfehlungen ausgesprochen, welche Anforderungen ein zukünftiges Genehmigungsverfahren in Deutschland gemessen am Stand der Technik erfüllen sollte.

2 Stand der Normung Derzeit gibt es drei relevante Normen zu den Berechnungsverfahren an Mobilfunkbasisstationen. Tabelle 1 zeigt die entsprechende Übersicht. Tabelle 1: Internationale bzw. europäische Normen, die Berechnungsmethoden zur Bestimmung von Sicherheitsabständen an Mobilfunkstationen beschreiben. Norm Name Stand Berechnungsmethoden für

Mobilfunk

EN50413 Grundnorm zu Mess- und Berechnungsverfahren der Exposition von Personen in elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Feldern (0 Hz bis 300 GHz)

2008 Fernfeldmodell Synthesemodell Zylindermodell

EN50383 Grundnorm für die Berechnung und Messung der elektromagnetischen Feldstärke und SAR in Bezug auf die Sicherheit von Personen in elektromagnetischen Feldern von Mobilfunk-Basisstationen und stationären Teilnehmergeräten von schnurlosen Telekommunikationsanlagen (110 MHz bis 40 GHz)

2010 Nahfeldmessung mit nachgeschalteter Berechnung

Volumenscanning SAR-Messungen Fernfeldmodell Synthesemodell Zylindermodell Fernfeldmodell mit Korrektur

IEC62232 Determination of RF field strength and SAR in the vicinity of radio communication base stations for the purpose of evaluating human exposure

2011 Nahfeldmessung mit nachgeschalteter Berechnung

Volumenscanning SAR-Messungen SAR-Berechnung Synthesemodell Empirisches Zonenmodell

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Die Norm EN50413 beschreibt nur sehr einfache Berechnungsverfahren, die bei den heutigen komplexen Feldsituationen kaum noch geeignet sind. Derzeit wird an einer Überarbeitung dieser Norm gearbeitet. Die Normen EN50383 und IEC62232 sind in vielen Passagen gleich und geben als Referenz bzw. als genaueste Verfahren entsprechende SAR-Messungen und Nahfeldmessungen der elektrischen Feldstärke mit nachgeschalteter Berechnung an. Da SAR-Messungen nur für Einzelantennen anwendbar sind, sind diese für die Beurteilung der Gesamtexposition an Mobilfunkstandorten nur sehr eingeschränkt geeignet. Die Norm IEC62232 gibt Nahfeldmessungen mit nachgeschalteter Berechnung deshalb das höchste Ranking (siehe Tabelle A12).

3 Relevante Berechnungsmethoden

3.1 Nahfeldmessungen mit nachgeschalteter Berechnung

Das derzeit denkbar genauste Verfahren zur Bestimmung von Sicherheitsabständen basiert auf Nahfeldmessungen von Antennen unter Laborbedingungen und nachgeschalteter Berechnung der Felder im ganzen Raum ([4] Kap. B.3.1.3.1.4). Zur Bestimmung der charakteristischen Antenneneigenschaften messen die Antennenhersteller typischerweise die elektrische Feldstärke auf einer Kugeloberfläche im Abstand von 3-4 m um die Antenne. Da diese Messungen im Abstandsbereich von typischen Sicherheitsabständen liegen, liegt es Nahe, diese auch zur Berechnung der Sicherheitsabstände direkt zu verwenden. Daraus wird auch deutlich, dass dieses Verfahren eine höhere Genauigkeit haben muss, als Verfahren, die auf den abgeleiteten Antennenparametern beruhen. Als nachgeschaltete Berechnungsverfahren zu den Nahfeldmessungen eignen sich

Modenentwicklung [5] (siehe auch Kap. B.3.1.3.1.4 in [4]) Ersatzstromverfahren [6] NF-Huygens [7][8]

mit deren Hilfe die Exposition in anderen Abständen als dem Messabstand bestimmt wird.

3.1.1 Modenentwicklung

Die sog. Modenentwicklung [5] postuliert als Lösung der Helmholtz-Gleichung in sphärischen Koordinaten eine Summe aus Tausenden von Moden. Die Bestimmung der zugehörigen Modenkoeffizienten kann durch Lösung eines überbestimmten Gleichungssystems oder durch geeignete Fouriertransformationen erfolgen. Die Modenentwicklung wurde bereits im Jahr 2002 als Ausgangspunkt zur Berechnung der Sicherheitsabstände vorgeschlagen [9] und gilt als das etablierte Verfahren der Berechnung der Felder im ganzen Raum auf der Grundlage von Nahfeldmessungen. Das Verfahren kann Felder nur außerhalb einer Kugel mit einem Durchmesser mit der größten Antennendimension berechnen.

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3.1.2 Ersatzstromverfahren

Bei diesem Verfahren werden Ersatzströme auf einem um die Antennen gedachten Zylinder aus den Nahfeldmessungen bestimmt. Hierzu ist ein entsprechendes Gleichungssystem zu lösen. Sind die komplexen Oberflächenströme bekannt, lassen sich daraus mittels der Maxwellschen Gleichungen die Feldstärken im gesamten Raum bestimmen. Dieses Verfahren hat gegenüber anderen Verfahren den Vorteil, dass auch unmittelbar vor der Antenne die Feldstärken berechnet werden können. Bei anderen Verfahren ist eine Berechnung nur bis zu einer Kugel mit einem Durchmesser mit der größten Antennendimension möglich. Jedoch sind bei diesem Verfahren weitere Antennenparameter (wie z.B. Anzahl der Strahlerelemente) erforderlich. Andere Verfahren hingegen benötigen neben den Nahfeldmessdaten nur die Antennendimensionen.

3.1.3 NF-Huygens-Verfahren

Bei dem NF-Huygens-Verfahren findet eine Summation (eine Art Mittelwertbildung) über alle Messpunkte statt.

Abb. 1: Schematische Darstellung einer Antenne mit Messpunkten und der zugehörigen Geometrie zur Anwendung der NF-Huygens-Methode

Nach dem Huygenschen Prinzip wird jeder Messpunkt als Ausgangspunkt einer Kugelwelle

l

ikr

lr

eE

l

verstanden. lE ist dabei der komplexe Messpunkt (Amplitude und Phase).

ll

ikr

l

lJj Ar

eEikNE

l

(1)

mit llll FnuA der „sichtbaren“ Fläche und k der Wellenzahl.

Die Normierungskonstante lässt sich über die Integration über eine geschlossene Kugel ermitteln:

m

j

jjJ

m

j

jj

A

FEZ

NFSdFSP

2

0

2

),( (2)

Wegen (2) ist dies Verfahren analog zur Modenentwicklung nur bis zu einer Kugel mit einem Durchmesser mit der größten Antennendimension verwendbar.

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3.2 Synthesemodell

Bei dem Synthesemodell wird vereinfachend angenommen, dass die einzelnen Strahlerelemente in der Antenne durch Punktstrahler ersetzt werden. Eine phasenrichtige Summation nach (3) liefert dann die elektrische Feldstärke im Raum.

n

l l

kri

lr

ePGE

ll )(

),( (3)

Darin sind G die Richtcharakteristik (Gewinn) der einzelnen Strahler, P und Leistung und Phase der Strahler und r der Abstand zum Strahler.

Abb. 2: Links: Vertikaldiagramm der Antenne K742215 (blau: Fernfelddaten, rot: Nahfeldmessdaten in ca. 3 m Abstand). Rechts: Sicherheitsabstandszonen in Seitenansicht (rot: für Arbeitnehmer, orange: für die Allgemeinbevölkerung). Die Berechnungen “Software A, B and C” wurden mit 3 am Markt verfügbaren Softwarepakten durchgeführt, die das Synthesemodell verwenden. In dem Diagramm “NF-Huygens” wurde die NF-Huygens Methode verwendet. Der graue Halbkreis zeigt dort den Abstand der Nahfeldmesspunkte.

Wie Abb. 2 zeigt, führt die Berechnung mittels des Synthesemodells in Hauptstrahlrichtung bei allen 4 Berechnungsbeispielen zu den erwarteten Werten. Jedoch wird z.B. der nach Fernfelddaten und Nahfelddaten erwartete Nebenzipfel in 60° nach unten (Skala 150°) nur von der NF-Huygens-Methode wiedergegeben. Ein ähnliches Ergebnis zeigte sich bei [10], wo eine Unterschreitung durch das Synthesemodell von bis zu 30% beschrieben wird. Bei der Anwendung der Verfahren A, B, C, die für die Berechnung der Sicherheitsabstände an vielen tausend Mobilfunkstandorten verwendet wurden, ist durch einen geeigneten Aufschlag sicher zu stellen, dass die Modellrechnung immer größerer Felder liefert als sie in der Praxis auch in Nebenzipfelrichtung zu erwarten sind.

3.3 Einfache empirische Modellfunktionen

Beispielhaft soll hier die Anwendbarkeit von empirischen Modellfunktionen betrachtet werden, wie sie in den Normen EN50383 und IEC62232 auch aufgeführt sind. Solche einfachen Modelle gehen von den Fernfeldeigenschaften der Antenne aus und extrapolieren mit den geometrischen Abmessungen der Antenne auf das Nahfeld. Die beiden

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Berechnungsmethoden sollen mit Nahfeldmessungen und nachgeschalteter Berechnung für den ganzen Raum verglichen werden. Beide Normen geben Nahfeldmessungen mit nachgeschalteter Berechnung als Referenz für einfache Berechnungsmodelle an. In der IEC62232 wird als einfaches Modell (Ranking 5) ein 3 Zonenmodell angegeben.

Abb. 3: Zonenmodell nach der IEC62232 für Panelantennen, wie sie typischerweise im Mobilfunk eingesetzt werden.

In der EN50383 wird das Modell weiter vereinfacht (in Zone A der IEC werden beispielsweise die Zylindereigenschaften berücksichtigt). Hier wird ein zur Zone B analoges Modell verwendet. Dieses Modell erhält die Einordnung „zweite Alternative“ in der Norm. Tabelle 2: Einfache empirische Modelle nach den Normen IEC62232 und EN 50383.

IEC – Zone B (B38) EN50383 A.4

Wie Tabelle 2 zeigt, ist der einzige Unterschied ein Vorfaktor von 1,2 in der IEC. Dieser bewirkt, dass nach der IEC62232 in der Zone B um 20% konservativer gerechnet wird als nach der Formel in der EN50383. Die Modelle wurden mit Nahfeldmessungen und nachgeschalteter Berechnung für den ganzen Raum verglichen. Bei den Nahfeldmessungen wurde aus Messungen verschiedener Ports, verschiedener Tilts und verschiedener Frequenzen eine Einhüllende gebildet. In den Grafiken der Abb. 4 wird zur Illustration für 2 Antennen die Sicherheitsabstandszone in 2 Farben dargestellt. Zeigen die Grafiken grüne Bereiche, ist dort die Berechnung nach EN50383 nicht konservativ genug. Die farbigen Bereiche stellen also die sog. „Exclusion Zone“ dar. Es wird deutlich, dass gerade im Winkelbereich 30°-60° nach unten das EN-Modell nicht geeignet ist.

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Abb. 4: Rot: Grenzwertgrenze nach EN50383. Grün: Grenzwertgrenze nach dem Referenzmodell (Nahfeldmessung mit nachgeschalteter Berechnung). Links für 80W und rechts für 40W.

In der Abb. 5 werden für eine Mobilfunkantenne die Modelle anhand von zwei Schnittebenen verglichen. Die Kurven bedeuten jeweils die Grenze auf der der Grenzwert gerade noch eingehalten wird. Innerhalb dieser Kurve ist der Grenzwert überschritten. In diesem Beispiel bedeutet, dass im seitlichen Schnitt die Referenzkurve (grün) in einigen Richtungen größere Abstände liefert, als die Modelle nach IEC (blau) und EN (rot). Die Anwendung der Modelle der IEC bzw. EN führt hier zu einer deutlichen Unterschätzung der Expositionssituation. Wie deutlich die Unterschätzung ist, mag allein daran abgeschätzt werden, dass der Unterschied zwischen IEC und EN bereits 20% beträgt. In der Draufsicht zeigt sich ebenfalls, dass das Zonenmodell nach IEC Bereiche zeigt, bei denen die Referenzkurve (grün) größere Werte zeigt.

Abb. 5: Links Seitenansicht, rechts Draufsicht für einen Mobilfunkantenne bei 900 MHz mit einer Sendeleistung von 80 W. Grüne Kurve: Nahfeldmessungen mit nachgeschalteter Berechnung. Blaue Kurve: IEC Zonenmodell. Rote Kurve: EN-Modell. Schwarzes Recheck: Antenne

Aus dem Vergleich der Modelle lässt sich folgern, dass die einfachen Modelle in einigen kritischen Winkelbereichen zu einer deutlichen Unterschätzung führen. Dies wurde bereits auch mehrfach in der Literatur berichtet [7][9]. Die genaue Analyse zeigt, dass die Unterschiede von Antenne zu Antenne sehr unterschiedlich ausfallen. Für einen Vergleich ist deshalb die Analyse an vielen Antennen erforderlich. Der Vergleich an einzelnen Antennen kann zu einer Fehlinterpretation führen. Die gezeigten Abweichungen sind nicht tolerabel und müssen bei Anwendung dieser Modelle durch geeignete Sicherheitsaufschläge kompensiert werden.

4 Berechnungsmethoden der BNetzA Derzeit wendet die BNetzA drei verschiedene Methoden zur Bestimmung der Sicherheitsabstände an.

1. Berechnung mittels Fernfelddaten der Antennen in horizontaler und vertikaler Richtung. Dabei wird vereinfachend angenommen, dass alle Antennen in der tiefsten

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Antenne vereint wären. Daraus ergibt sich ein maximaler horizontaler und vertikaler Sicherheitsabstand, der dann unter der Berücksichtigung eines Umgebungsfaktors für alle Antennen gilt.

2. Berechnung mittels Sektorverfahren, welches auf der Grundlage eines Gutachtens im Auftrag der BNetzA entwickelt wurde. Dies findet bei räumlich horizontal verteilten Antennen Anwendung und wendet das Verfahren 1 in Gruppen von Antennen an, indem der Summationsfaktor geeignet reduziert wird.

3. Messung der bestehenden elektrischen Feldstärke mit anschließender Hochrechnung auf die maximal denkbare Feldstärke. Dies kommt zur Anwendung, wenn Verfahren 1 und 2 zu einer Überschreitung der Grenzwerte führen, aber eine genauere Betrachtung erwarten lässt, dass die Grenzwerte eingehalten werden können.

Das Verfahren 1 sollte in der überwiegenden Anzahl der Fälle konservativ sein, da die Überlagerung quasi in einer Antenne eine worst-case-Betrachtung ist. Jedoch liefert die Extrapolation aus dem Fernfeld ins Nahfeld keine verlässlichen Werte. Wie z.B. [9] zeigt, kommt es hierbei zu einer Unterschätzung der Feldsituation. Auch wenn diese in den meisten Fällen durch die eben genannte worst-case-Betrachtung kompensiert wird, sind Antennenkonstellationen denkbar, bei denen dennoch eine Überschreitung des Grenzwertes auftreten könnte. Eine solche Antennenkonstellation könnte eine Antennenanordnung mit wenigen Antennen auf engstem Raum in einer Ebene sein. Das sog. Sektorverfahren, welches typischerweise an Dachstandorten zum Einsatz kommt, kann nicht als Stand der Technik gelten. Die zu dem Verfahren geführten Überlegungen in einem Gutachten wurden bisher weder wissenschaftlich publiziert noch durch einen weiteren Fachexperten validiert. Damit sind Mindestanforderungen an den Stand der Technik nicht erfüllt. Dies erklärt auch, dass dieses Verfahren an keiner anderen Stelle angewendet wird. Das genaueste Verfahren der BNetzA stellt die Messung vor Ort dar, die von der BNetzA in hoher Qualität durchgeführt werden. Jedoch müssen auch hier Feldwerte rechnerisch ermittelt werden. Hierzu übermittelt der Betreiber Daten einer Software, die Auskunft über den zum Zeitpunkt der Messung herrschenden Sendezustand geben. Dabei verlässt sich der Betreiber auf den von der Software gelieferten Datensatz. Eine Validierung dieser Daten ist nur schwerlich möglich. Damit beinhalten Messungen an Stationen vor Ort ähnliche Fehlerrisiken, wie sie für Nahfeldmessungen mit nachgeschalteter Berechnung gelten. Abbildung 6 zeigt einen Beispielstandort, bei dem die Verfahren 1 und 2 zu einer Überschreitung des Grenzwertes in vertikaler Richtung geführt haben. Die durch die BNetzA durchgeführte Messung vor Ort ergab, dass der Grenzwerte im Gebäude eingehalten wird. Da der kontrollierbare Bereich außerhalb des Gebäudes liegt und es hierfür eine Zugangsregelung gibt, wurde die Standortbescheinigung erteilt. Die genaue Berechnung mittels Nahfeldmessdaten bestätigt die Messungen der BNetzA. Bei der Messung wurde aber nicht betrachtet, ob es zu einer Überschreitung des Grenzwertes (kontrollierbarer Bereich) auf dem Nachbargebäude kommt. Wie die genaue Analyse mittels Nahfeldmessungen zeigt (Abb. 6 rechts: orange-gelbe Bereiche im oberen Bildbereich) muss der kontrollierbare Bereich auch auf das Nachbargebäude ausgedehnt werden. Da hier aber kein Vertragsverhältnis zwischen Eigentümer und Betreiber besteht, ist dies schwierig umsetzbar. Die Standortbescheinigung hätte somit nicht erteilt werden dürfen.

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Abb.6: Typischer Mobilfunkstandort: Gebäude mit Giebeldach. Links unten Feldberechnung mittels NF-Huygens in Seitenansicht. Rechts Feldberechnung mittels NF-Huygens in Draufsicht. Orange-gelbe Flächen: Grenzwert im Bereich bis zu 2,3 m über der Dachhaut überschritten (kontrollierbarer Bereich). Grün: Grenzwert im freien Raum überschritten.

5 Bewertung Die genauesten Feldstärkewerte als Grundlage für die Sicherheitsabstandsberechnung ergeben sich mittels Nahfeldmessung mit nachgeschalteter Berechnung für den ganzen Raum. Seit vielen Jahren ist dieses Verfahren fester Bestandteil der Normung und somit Stand der Technik. In den Normen erhält die Nahfeldmessung mit nachgeschalteter Berechnung das höchste Ranking und kann demzufolge auch als Referenz für einfachere Berechnungsmethoden verwendet werden. Die hier vorgestellten Analysen zeigen, dass die einfachen Modelle der IEC62232 und der EN50383 zur Bewertung der komplexen Feldsituation häufig nicht mehr geeignet sind. Auch die sehr einfachen Berechnungsmethoden, die bei der BNetzA zum Einsatz kommen, bedürfen einer Anpassung an den Stand der Technik. Auch hierfür empfiehlt es sich, Nahfeldmessungen mit nachgeschalteter Berechnung im Genehmigungsverfahren einzusetzen. Sollte dem entgegen ein einfacheres Berechnungsmodell zum Einsatz kommen, sollte dieses folgende Mindestanforderung erfüllen:

1. Wissenschaftlich publiziert 2. Bestandteil einer relevanten Norm (zumindest als Vorschlag für die Normung

vorliegen) 3. Mittels Nahfeldmessungen mit nachgeschalteter Berechnung an mehreren

Antennentypen verifiziert, um adäquate Sicherheitszuschläge zu bestimmen Genaue Berechnungsmethoden haben gegenüber Feldmessungen an Standorten vor Ort den Vorteil, dass eine umfassendere Beurteilung erfolgt. Eine Überschreitung der Grenzwerte an Nachbargebäuden ist mittels Berechnung eher identifizierbar als durch Messungen. Deshalb

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ließen sich die in der Praxis in wenigen Einzelfällen auftretende Überschreitung der Grenzwerte bei Nachbargebäuden beim Einsatz genauer Berechnungsmethoden vermeiden. Die Voraussetzungen für ein Berechnungsverfahren nach dem Stand der Technik im Genehmigungsprozess von Mobilfunkanlagen sind gegeben, da sehr genaue Verfahren in den Normen seit vielen Jahren beschrieben sind und Gutachter in Deutschland verfügbar sind, die diese Verfahren standardmäßig einsetzen. Kämen diese Verfahren demnächst auch bei der BNetzA zum Einsatz, würde sich die Rechtssicherheit des Genehmigungsverfahrens für BNetzA und Betreiber weiter verbessern lassen. Da bereits heute Standorte mit bis zu 27 unterschiedlichen Antennen zu betrachten sind (3 Betreiber mit je 3 Sektoren und jeweils GSM, UMTS und LTE) führt die heutige einfache Antennennahfeldmodellierung dazu, dass erhebliche Sicherheitszuschläge nötig werden. Dies führt bereits heute dazu, dass viele Standorte einen deutlich überhöhten und unnötig großen Sicherheitsabstand erhalten. In Hinblick auf die nächste Mobilfunkgeneration (5G) sollte der dadurch bestehende Engpass im Genehmigungsprozess beseitigt werden. Dieser Engpass führt bereits heute zu erhöhten Kosten und einem Zeitverzug beim Netzausbau, der sich beim Ausbau von 5G ohne Änderung der heutigen Verfahren weiter verschärfen wird. Berechnungsverfahren nach dem Stand der Technik werden zum einen die Sicherheit an den Standorten erhöhen und zum anderen den Netzausbau beschleunigen.

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Literatur [1] ICNIRP Guidelines: Health Physics 74(4); 494‐522; 1998 [2] EN50413 (2008): Grundnorm zu Mess- und Berechnungsverfahren der Exposition von

Personen in elektrischen, magnetischen und elektromagnetischen Feldern (0 Hz bis 300 GHz) [3] EN50383 (2010): Grundnorm für die Berechnung und Messung der elektromagnetischen

Feldstärke und SAR in Bezug auf die Sicherheit von Personen in elektromagnetischen Feldern von Mobilfunk-Basisstationen und stationären Teilnehmergeräten von schnurlosen Telekommunikationsanlagen (110 MHz bis 40 GHz)

[4] IEC62232 (2011): Determination of RF field strength and SAR in the vicinity of radio communication base stations for the purpose of evaluating human exposure

[5] Hansen, J. E.: Spherical Near-field Antenna Measurements; Peter Peregrinus Ltd.; 1988

[6] T. F. Eibert, Ismatullah, E. Kaliyaperumal, and C. H. Schmidt; Inverse Equivalent Surface Current Methode with Hierarchical Higher Order Basis Functions, Full Probe Correction and Multilevel Fast Multipole Acceleration; Progress In Electromagnetics Research, Vol. 106, 377-394, 2010

[7] Menzel, K., Rey, S. and Kürner, T.: NF-Huygens & MaxVal. Two new methods for determining the safety distances to base station antennas; Proceedings of EuCAP2016; 2016

[8] Menzel, K.: Calculation of the exclusion zones for workers and the public at radio base station antennas. A comparison 15 between the novel NF-Huygens approach and the Vector Point Source method. Proceedings of the BioEM2016; Abstract Collection; Page 237-240; 2016

[9] S. Blanch, J. Romeu, A. Cardama; Near Field in the Vicinity of Wireless Base-Station Antennas: An Exposure Compliance Approach; IEEE TRANSACTIONS ON ANTENNAS AND PROPAGATION, VOL. 50, NO. 5, MAY 2002 , Page 685

[10]http://www.mvg-world.com/en/system/files/application_note_emf_visual_2016_bd.pdf