„wert“ des medizinischen dokumentationsassistenten in der unfallchirurgie

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Redaktion H. Siebert, Schwäbisch Hall Unfallchirurg 2009 · 112:349–352 DOI 10.1007/s00113-009-1569-2 Online publiziert: 26. Februar 2009 © Springer Medizin Verlag 2009 J. Schmidt · L. Lorenczewski · H.P. Langen Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie mit Rettungsstelle, HELIOS Klinikum Berlin-Buch Der „Wert“ des medizinischen Dokumentationsassistenten in der Unfallchirurgie Berufspolitisches Forum Patientenbezogene Aufzeichnungen die- nen der Lehre und Forschung sowie der Kontrolle und Überprüfung von in Zwei- fel oder in Vorwurf geratenem ärztlichem Handeln. Sie werden zunehmend auch dazu verwendet, administrative Anforde- rungen zu erfüllen. Seit Ende der 1970er- Jahre ist die ärztliche Dokumentation durch die Rechtsprechung des Bundesge- richtshofs eindeutig als vertragliche Ne- benpflicht des Behandlungsvertrags defi- niert (BGH-Entscheidung vom 27.06.1978, NJW 1978, 337; [6]) und damit eindeutig ärztliche Tätigkeit. Im Rahmen des Gesundheitsreform- gesetzes 2000 wurde die Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für die Vergütung von Krankenhausleis- tungen beschlossen. Dabei wurden die Australian Refined Diagnosis Related Groups (AR-DRG) als Grundlage für die Entwicklung eines deutschen DRG-Sys- tems verwendet, über das seit 2003 opti- onal und seit 2004 obligat die Erlöse für stationäre Leistungen berechnet werden. Von diesem Moment an hat die ärztliche Dokumentation einen über das ärztlich notwendige deutlich hinausgehenden fi- nanziellen Aspekt. Liegt der zeitliche Aufwand der ärzt- lichen Dokumentation nach Erhebungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft in chirurgischen Fächern bei 2,42 h täg- lich, sind in internistischen Fächern 3,15 h pro Tag aufzubringen [2]. Etwa 40 min dieser Zeit sind ausschließlich administra- tive Tätigkeit [2]. Unter den neuen wirt- schaftlichen Bedingungen, denen das ge- samte Gesundheitswesen unterliegt, sind die teueren Personalressourcen wertvoll geworden. Vor allem die ärztlichen Stel- lenpläne der Kliniken werden immer wie- der auf Rentabilität überprüft und an der Leistung in der Patientenversorgung ge- messen. Hier ist der Faktor Fall pro Voll- kraft ein Marker des Benchmarkings ge- worden. Damit erhöht sich auch in die- sem Bereich der Kostendruck. Die Frage stellt sich, wie die Zeit des Arztes erhöht werden kann, in der er am Patienten ver- sorgend tätig ist. Denn: „Der Chirurg ver- dient am OP-Tisch für die Klinik das Geld und nicht kodierend vor dem PC.“ [2] In dem Mutterland der DRG, Austra- lien, ist mit dem Einführen des Fallpau- schalensystems eine neue Berufsgruppe der Kodierer entstanden. Statt dem läs- tigen, nebenberuflichen Kümmern um Kodes und Groupen von Fällen kümmern sich hier professionelle Partner der Ärzte um diese finanziell wichtigen Tätigkeiten. Für diese Berufsgruppe ist das Kodieren Berufsaufgabe und nicht lästige und zeit- aufwendige Nebentätigkeit. In Deutsch- land allerdings hat sich dieser Berufs- stand kaum durchgesetzt, nur sehr ver- einzelt sind medizinische Dokumentati- onsassistenten in der Unfallchirurgie ein- geführt [4, 5]. In unserer Unfallchirurgie wurde im Jahre 2003 als Pilotprojekt eine aus der unfallchirurgischen Pflege kommende Kraft als medizinischer Dokumentations- assistent (MDA) eingesetzt, der die jähr- lich 2800 stationären Fälle unserer Klinik bearbeitet. Nach 5 Jahren Tätigkeit kann eine überaus positive Bilanz gezogen wer- den. Tätigkeitsfeld Grundlage der Arbeit sind die Erfassung aller patientenbezogenen Daten (Anam- nese) und die ärztliche Verschlüsselung aller ärztlichen und pflegerischen Maß- nahmen. Diese müssen unmittelbar im Anschluss eines operativen Eingriffes oder einer Untersuchung stattfinden und sind von dem anwesenden Oberarzt oder Facharzt zu kontrollieren. Nur mit diesen Informationen kann der MDA tätig wer- den. Die Tätigkeit des MDA in der Unfall- chirurgie ist vielfältig und trägt damit zu einer deutlichen Entlastung des ärztlichen Personals bei (Tab. 1). Durch die Teil- nahme an der allmorgendlichen Bespre- chung können die in der Rettungsstel- le bei Neuaufnahmen im System hinter- legten Aufnahmediagnosen zeitnah kon- kretisiert oder auch nacherfasst werden. Im direkten Kontakt zu den Ärzten auf der Station werden auch die bei geplanten Neuzugängen zu hinterlegenden Diagno- sen im Zweifelsfall besprochen und kor- rigiert. Auch die operativen Prozeduren werden durch den MDA als zweite Ins- tanz auf Vollständigkeit überprüft. Hier ist die Fachkompetenz notwendig, sich in der Unfallchirurgie auszukennen. In Rücksprache mit dem Operateur werden im Bedarfsfalle Prozeduren hinzugefügt oder geändert. Während der Chefarzt- oder Oberarztvisiten, also mindestens 2- mal pro Woche, werden die Diagnosen, die sich während des stationären Auf- enthaltes zusätzlich aus Untersuchungen und Behandlungen ergeben, zur Falldo- 349 Der Unfallchirurg 3 · 2009 |  

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RedaktionH. Siebert, Schwäbisch Hall

Unfallchirurg 2009 · 112:349–352DOI 10.1007/s00113-009-1569-2Online publiziert: 26. Februar 2009© Springer Medizin Verlag 2009

J. Schmidt · L. Lorenczewski · H.P. LangenKlinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie mit Rettungsstelle, HELIOS Klinikum Berlin-Buch

Der „Wert“ des medizinischen Dokumentationsassistenten in der Unfallchirurgie

Berufspolitisches Forum

Patientenbezogene Aufzeichnungen die-nen der Lehre und Forschung sowie der Kontrolle und Überprüfung von in Zwei-fel oder in Vorwurf geratenem ärztlichem Handeln. Sie werden zunehmend auch dazu verwendet, administrative Anforde-rungen zu erfüllen. Seit Ende der 1970er-Jahre ist die ärztliche Dokumentation durch die Rechtsprechung des Bundesge-richtshofs eindeutig als vertragliche Ne-benpflicht des Behandlungsvertrags defi-niert (BGH-Entscheidung vom 27.06.1978, NJW 1978, 337; [6]) und damit eindeutig ärztliche Tätigkeit.

Im Rahmen des Gesundheitsreform-gesetzes 2000 wurde die Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems für die Vergütung von Krankenhausleis-tungen beschlossen. Dabei wurden die Australian Refined Diagnosis Related Groups (AR-DRG) als Grundlage für die Entwicklung eines deutschen DRG-Sys-tems verwendet, über das seit 2003 opti-onal und seit 2004 obligat die Erlöse für stationäre Leistungen berechnet werden. Von diesem Moment an hat die ärztliche Dokumentation einen über das ärztlich notwendige deutlich hinausgehenden fi-nanziellen Aspekt.

Liegt der zeitliche Aufwand der ärzt-lichen Dokumentation nach Erhebungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft in chirurgischen Fächern bei 2,42 h täg-lich, sind in internistischen Fächern 3,15 h pro Tag aufzubringen [2]. Etwa 40 min dieser Zeit sind ausschließlich administra-tive Tätigkeit [2]. Unter den neuen wirt-schaftlichen Bedingungen, denen das ge-samte Gesundheitswesen unterliegt, sind

die teueren Personalressourcen wertvoll geworden. Vor allem die ärztlichen Stel-lenpläne der Kliniken werden immer wie-der auf Rentabilität überprüft und an der Leistung in der Patientenversorgung ge-messen. Hier ist der Faktor Fall pro Voll-kraft ein Marker des Benchmarkings ge-worden. Damit erhöht sich auch in die-sem Bereich der Kostendruck. Die Frage stellt sich, wie die Zeit des Arztes erhöht werden kann, in der er am Patienten ver-sorgend tätig ist. Denn: „Der Chirurg ver-dient am OP-Tisch für die Klinik das Geld und nicht kodierend vor dem PC.“ [2]

In dem Mutterland der DRG, Austra-lien, ist mit dem Einführen des Fallpau-schalensystems eine neue Berufsgruppe der Kodierer entstanden. Statt dem läs-tigen, nebenberuflichen Kümmern um Kodes und Groupen von Fällen kümmern sich hier professionelle Partner der Ärzte um diese finanziell wichtigen Tätigkeiten. Für diese Berufsgruppe ist das Kodieren Berufsaufgabe und nicht lästige und zeit-aufwendige Nebentätigkeit. In Deutsch-land allerdings hat sich dieser Berufs-stand kaum durchgesetzt, nur sehr ver-einzelt sind medizinische Dokumentati-onsassistenten in der Unfallchirurgie ein-geführt [4, 5].

In unserer Unfallchirurgie wurde im Jahre 2003 als Pilotprojekt eine aus der unfallchirurgischen Pflege kommende Kraft als medizinischer Dokumentations-assistent (MDA) eingesetzt, der die jähr-lich 2800 stationären Fälle unserer Klinik bearbeitet. Nach 5 Jahren Tätigkeit kann eine überaus positive Bilanz gezogen wer-den.

Tätigkeitsfeld

Grundlage der Arbeit sind die Erfassung aller patientenbezogenen Daten (Anam-nese) und die ärztliche Verschlüsselung aller ärztlichen und pflegerischen Maß-nahmen. Diese müssen unmittelbar im Anschluss eines operativen Eingriffes oder einer Untersuchung stattfinden und sind von dem anwesenden Oberarzt oder Facharzt zu kontrollieren. Nur mit diesen Informationen kann der MDA tätig wer-den.

Die Tätigkeit des MDA in der Unfall-chirurgie ist vielfältig und trägt damit zu einer deutlichen Entlastung des ärztlichen Personals bei (. Tab. 1). Durch die Teil-nahme an der allmorgendlichen Bespre-chung können die in der Rettungsstel-le bei Neuaufnahmen im System hinter-legten Aufnahmediagnosen zeitnah kon-kretisiert oder auch nacherfasst werden. Im direkten Kontakt zu den Ärzten auf der Station werden auch die bei geplanten Neuzugängen zu hinterlegenden Diagno-sen im Zweifelsfall besprochen und kor-rigiert. Auch die operativen Prozeduren werden durch den MDA als zweite Ins-tanz auf Vollständigkeit überprüft. Hier ist die Fachkompetenz notwendig, sich in der Unfallchirurgie auszukennen. In Rücksprache mit dem Operateur werden im Bedarfsfalle Prozeduren hinzugefügt oder geändert. Während der Chefarzt- oder Oberarztvisiten, also mindestens 2-mal pro Woche, werden die Diagnosen, die sich während des stationären Auf-enthaltes zusätzlich aus Untersuchungen und Behandlungen ergeben, zur Falldo-

349Der Unfallchirurg 3 · 2009  | 

Tab. 1  Workflow-Chart des medizinischen Dokumentationsassistenten

Aufnahmetag Konkretisierung und Korrektur der Aufnahmediagnosen

Operationstag Kontrolle der durch den Operateur kodierten Prozeduren und ggf. Ergänzung oder Änderung nach Rücksprache

Groupen der Diagnosen und Prozeduren zur Eingruppierung des Patienten in die entsprechende DRG mit Ermittlung der unteren, mittleren und oberen Grenzverweildauer

Während des stationären Aufenthaltes

Fotodokumentation

Verschlüsseln der dokumentierten Nebendiagnosen

Nach-Groupen der Fälle mit den verschlüsselten Nebendiagnosen

Vermittlung von Veränderungen der Grenzverweildauern an die Stationsärzte

Beratung über die Fallsteuerung bei behandlungsbedingtem Unterschreiten oder Überschreiten der Grenzverweildauerzeiten

Nach Entlassung Kontrolle der Kodierung und Fallabschluss

Kontrolle des Krankenblattes auf vollständige Dokumentation und Vollständigkeit der Befunde und Dokumente

Fortführung der BQS-Dokumentation

Tab. 2  Durch den MDA durch Nachbes-serung der Kodierung erwirtschaftete zusätzliche Erlöse

Monat BWR

Januar 17,9990

Februar 7,4503

März 5,0320

April 15,1371

Mai 5,8600

Juni 16,8701

Juli 20,0754

August 4,5710

September 14,7650

Durchschnitt 11,9733

Gesamt 107,7599

kumentation hinzugefügt und durch den MDA kodiert. Dies gilt in der Regel v. a. für Nebendiagnosen, die im Verlauf des stationären Aufenthaltes eine Relevanz erlangen.

Durch diese Maßnahmen kann fort-laufend die DKR-konforme Falloptimie-rung nach DRG-Relevanz durch Einzel-fallüberprüfung auf erlössteigernde Maß-nahmen erfolgen.

Bei diesen Visiten erfolgt auch die Fo-to-Wunddokumentation mit Archivie-rung im PACS und Krankenblatt.

Ein Erfolg des engen Kontaktes zwi-schen ärztlichen und pflegerischen Mit-arbeitern und dem MDA ist das zeit-gerechte Entlassungsmanagement, bei dem unter strikter Beachtung des Ge-sundheitszustandes und der ambulanten Nachbehandlungsmöglichkeiten der Pa-

tienten nur in Ausnahmefällen die unte-re oder obere Grenzverweildauer durch-brochen wird, in solchen Fällen berät der MDA über die Möglichkeiten der Fall-steuerung.

Nach der Entlassung der Patienten ge-hen alle Patientenakten zum MDA. Dort ist dann die Akte auf Vollständigkeit zu überprüfen, d. h. Überprüfung und Kon-trolle der Vollständigkeit der Kurven (Eintrag Pflege- und Arztvisite), Über-prüfung auf Erfassung der Verbandwech-sel und Wunddokumentation, Überprü-fung der Eintragung der physiotherapeu-tischen Maßnahmen und Vorhandensein und Abheften der Befunde, Operations-dokumentation und Epikrisen. So wird gewährleistet, dass die Akte bei der Über-prüfung, sei es durch den MDK oder auch bei gerichtlichen Auseinandersetzungen, vollständig archiviert ist.

Die vom Operateur angelegten BQS-Formulare müssen v. a. bei Verlegungen von Patienten zu weiterbehandelnden Kliniken auf Vollständigkeit und Wei-terführen geprüft werden. So kann auch hier eine Vollständigkeit gewährleistet werden.

Durch das medizinische Controlling der Klinik erfolgt eine fortlaufende Schu-lung und Unterrichtung des MDA. Dieser gibt in regelmäßigen Abständen sein Wis-sen an die ärztlichen und pflegerischen Mitarbeiter der Klinik weiter. Nur durch diese regelmäßige Schulung ist eine suf-fiziente Zuarbeit möglich, denn die jähr-lichen Änderungen des lernenden DRG-

Systems benötigen einen erheblichen Schulungsaufwand.

Durch die großen Kenntnisse des MDA im Krankenhausinformationssys-tem ergeben sich Erleichterungen im wis-senschaftlichen Arbeiten, so z. B. bei der gezielten Suche nach bestimmten Patien-tengruppen.

„Wert“ des MDA

Im ersten halben Jahr der Einführung des MDA in unserer Klinik konnte durch Verbesserung der Kodierung eine Reser-ve von 350.000 EUR gehoben werden. Diese Summe hat sich im Verlauf der Zeit durch konsequente Information und Schulung der ärztlichen Mitarbeiter ver-ringert. Trotzdem kann durch Konkre-tisierung der Verschlüsselung noch im-mer eine Erlössteigerung einzelner Fäl-le erzielt werden. Beispielsweise konnte durch Ergänzung CC-relevanter Neben-diagnosen in einem aktuellen Fall von der I08D (mit Rel.-Gew. 1,771) auf I08C (mit Rel.-Gew. 2,325) gesteigert werden. Auch wurde nach Kodierung der opera-tiv durchgeführten Vakuumversiegelung mit Ergänzung der OPS 8-190.12 (Dau-er der VAC-Behandlung) eine Steigerung von I02C (mit Rel.-Gew. 3,536) auf I98Z (mit Rel.-Gew. 6,052) erzielt. Ebenso er-gab die Überprüfung und Kodierung der transfundierten Blutprodukte eine Siche-rung der Zusatzentgelte. Solche und ähn-liche additiven Maßnahmen brachten im Zeitraum von Januar bis September 2008 einen zusätzlichen Erlös von 11,9733 Be-wertungsrelationen im Durchschnitt pro Monat für unsere Klinik (. Tab. 2). Zur Ermittlung des Mehrerlöses wurde der Erlös der einzelnen Fälle vor und nach der Korrektur der Kodierung (v. a. bei komplexen operativen Eingriffen nach Rücksprache mit dem Operateur), der Einfügung und Kodierung der bei den „großen“ Visiten erarbeiteten erlösrele-vanten Nebendiagnosen oder auch Än-derung der Hauptdiagnosen durch den MDA verglichen.

Noch nicht zu beziffern ist der Nut-zen der strukturierten Nachkontrolle der Krankenakten. Welche Erlöse durch die Nachvollziehbarkeit der Fälle bei der MDK-Begutachtung erzielt werden oder wie hoch der abgewendete Schaden bei

Berufspolitisches Forum

|  Der Unfallchirurg 3 · 2009350

juristischen Auseinandersetzungen ist, ist von uns statistisch noch nicht ausgewer-tet worden.

In der Gegenrechnung belaufen sich die Kosten für den MDA auf etwa 13 BWR pro Jahr.

Diskussion

Im Gegensatz zu Australien sind in Deutschland mit Verweis auf die ärztliche Dokumentationspflicht keine Strukturen geschaffen worden, die eine professionelle und korrekte Darstellung der erbrachten Leistungen durch einen eigenen Berufs-stand ermöglichen [6]. Zu Beginn der Einführungsphase gab es nur vereinzelt Versuche, auf dieses Problem aufmerk-sam zu machen und Pilotprojekte einzu-führen [3, 4, 5]. Auch in unserem Hause war die Einführung eines MDA als Pilot-studie gedacht.

Nur wenige Veröffentlichungen bele-gen den Wert des MDA in verschiedenen Fachdisziplinen [2, 8]. So konnte z. B. Haak [2] zeigen, dass die Kodierqualität eines MDA deutlich besser ist, wenn man seine Arbeit mit einem Assistenzarzt ver-gleicht. Er führt dies darauf zurück, dass Kodieren nicht zu den Arbeiten gehört, die der Arzt als Selbstverständnis seines Berufes sieht. Tischendorf [8] schlussfol-gert, dass es mit der Einführung des MDA zu einer besseren Abbildung der thera-peutischen Leistungen kommt und damit eine bessere Kosteneffizienz bei gleicher therapeutischer Leistung erreicht wird.

Schütz [7] berichtet über die verbes-serte Darstellung der erbrachten Leistun-gen mit Einführung eines kodierenden Facharztes. Dieses Modell ist in einer Uni-versitätsklinik entstanden und ist bei den engen ärztlichen Stellenplänen nicht auf Versorgungshäuser zu übertragen.

In unserem Hause ist der MDA ein er-fahrener Pfleger der Unfallchirurgie, der die Krankheitsbilder und Abläufe der Klinik kennt. Durch eine intensive und sich regelmäßig wiederholende Schu-lung durch das Controlling kommt zu der Fachkenntnis das Know-how der Kodie-rung und v. a. des Groupings. Wir sind der Überzeugung, dass ein Facharzt, v. a. wenn der MDA in die Abläufe der Kli-nik eng mit einbezogen ist und in stän-diger Kommunikation mit den Leistungs-

Zusammenfassung · Abstract

Unfallchirurg 2009 · 112:349–352 DOI 10.1007/s00113-009-1569-2© Springer Medizin Verlag 2009

J. Schmidt · L. Lorenczewski · H.P. Langen

Der „Wert“ des medizinischen Dokumentationsassistenten in der Unfallchirurgie

ZusammenfassungHintergrund. Fünf Jahre nach der Einfüh-rung eines medizinischen Dokumentati-onsassistenten (MDA) in einer unfallchirur-gischen Klinik als Pilotprojekt wird Bilanz gezogen.Methodik. Ausgewertet werden die Tätig-keiten des MDA sowie seine Eingliederung in den täglichen Ablauf der Klinik. Als mess-barer Parameter, also den „Wert“ des MDA, wird die durch eine verbesserte Leistungsdar-stellung zusätzlich gehobene Abrechnungs-reserve als Bewertungsrelationen (BWR) dar-gestellt.Ergebnisse. Der MDA ist mittlerweile ein fes-ter Bestandteil im Ablauf des Klinikalltages. Neben der beratenden Funktion in der Ver-schlüsselung der ärztlichen Leistungen wer-

den mit hoher Zuverlässigkeit relevante Nebendiagnosen erfasst und die klinischen Verläufe auf zusätzliche erlösrelevante Leis-tungen überprüft. So werden monatlich durchschnittlich 11,9733 BWR zusätzlich erreicht. Noch nicht durch uns bewertet wurde die verbesserte Dokumentation in den Krankenblättern bei juristischen oder MDK-Überprüfungen. Ferner kann in unserer Klinik durch den MDA die Arbeitskraft einer halben Arztstelle täglich für eigentliche ärzt-liche Tätigkeiten freigesetzt werden.

SchlüsselwörterDokumentationsassistent · Erlösverbesserung · Dokumentationssicherheit

The “value” of the medical documentation assistant in trauma surgery

AbstractBackground. Five years after implementa-tion of a medical documentation assistant (MDA) as a pilot project in our trauma depart-ment, this paper examines the results.Methods. We evaluate practice and integra-tion in our daily ward/department work. The measurable parameter or “value” of the MDA is the settlement reserve demonstrated as the cost weight (CW) for better demonstra-tion of performance.Results. The MDA is now an essential part of the daily routine in our department. In addition to the advisory function in codifying medical services, relevant secondary diagno-ses are documented and clinical progress is

checked to identify additional profitable ser-vices. We thus achieve an average addition-al monthly CW benefit of 11.4046. We have not yet assessed the improved documenta-tion of medical records, which is especially important when checked by the medical ser-vice of the health fund. Furthermore, half of the hours of one doctor can thus be saved and therefore used for proper medical activi-ties every day.

KeywordsMedical documentation assistant (MDA) · Total revenue improvement · Documentation security

351Der Unfallchirurg 3 · 2009  | 

erbringern der Klinik steht, keine wesent-lichen Vorteile bietet.

Selbstverständlich ersetzt der MDA nicht die Kodierung der im Operations-saal erbrachten Leistungen, dies ist und bleibt ärztliche Aufgabe. Eine deutliche Erleichterung des Alltages bringt jedoch die Kodierung und Zufügung der bei den Chef- und Oberarztvisiten und bei durch-geführten Zusatzuntersuchungen gefun-denen abrechnungsrelevanten Nebendi-agnosen und deren Dokumentation so-wie das Vorschlagen DKR-konformer Falloptimierung. Auch die Dokumenta-tion abrechnungsrelevanter Prozeduren, wie z. B. der verabreichten Blutkonserven oder Anzahl der VAC-Wechsel, erleichtert die tägliche ärztliche Arbeit und bildet die erbrachten Leistungen ab.

Bei dem Werben um ärztliche Arbeits-kräfte scheint der MDA als Vorteil gesehen zu werden. Eine private Klinikkette wirbt in neuester Zeit in Stellenanzeigen mit der Unterstützung der ärztlichen Dokumenta-tion durch MDA („Erst 7000 Briefdiktate, 1000 Antibiotikainfusionen und Kodie-ren von DRG’s – geht das auch anders?“). Dies ist auch mit Zahlen zu belegen. Lin-czak [3] und Püschmann [6] zitieren die Ergebnisse einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstitutes, die zeigt, dass in chirurgischen Fächern täglich 2 h und 40 min für die Dokumentation aufge-wendet werden müssen. Davon fallen ein Fünftel für administrative Dokumentati-onen an, das entspricht etwa einer halb-en Stunde, bei 8 Assistentenstellen kann damit bei Übernahme dieser Tätigkeiten täglich eine halbe Stelle für eigentliche ärztliche Tätigkeiten freigesetzt werden.

Zusammenfassend sind wir nach 5 Jah-ren Erfahrung mit einem MDA in unserer Klinik übereinstimmend mit den weni-gen Erfahrungsberichten im Schrifttum der Auffassung, dass ein MDA sowohl in der Darstellung der erbrachten Leistung und damit in der Erlössituation als auch in der Klarheit der Dokumentation einen festen Platz in einer Unfallchirurgie hat. Der „Wert“ ist in der . Tab. 1 dargestellt. Auch in der Attraktivität der ärztlichen Arbeitsstelle spielt der vorhandene MDA eine erhebliche Rolle.

Fazit für die Praxis

Die Einführung eines medizinischen Dokumentationsassistenten bietet in der täglichen Arbeit einer unfallchirur-gischen Klinik eine deutliche Verbesse-rung der Darstellung der erbrachten Leis-tungen. Alleine durch die verbesserten Abrechnungsmöglichkeiten nach der Überarbeitung der Leistungsdarstellung finanziert sich der MDA in kürzester Zeit selbst. Auch stellt der MDA eine Verbes-serung der Attraktivität der Arbeitsstel-le durch eine erhebliche zeitliche Entlas-tung der Mitarbeiter dar.

KorrespondenzadresseDr. J. Schmidt

Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie mit Rettungsstelle, HELIOS Klinikum Berlin-BuchSchwanebecker Chaussee 50, 13125 [email protected]

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

1. Albrecht DM, Scriba PC (2007) Effiziente Struktu-ren im Gesundheitswesen. Was ist zu tun? Internist (Berl) 48:S20–S25

2. Haak J (2003) Der Dokumentationsassistent macht sich rasch bezahlt und entlastet den Arzt. f&w Füh-ren und Wirtschaften im Krankenhaus 4:364–368

3. Linczak G, Tempka A, Haas N (2003) Entlas-tung der knappen Recource Arzt. Dtsch Ärztebl 100(40):2563–2566

4. Linczak G, Tempka A, Haas N (2003) Delegation von Verwaltungs- und Dokumentationsaufgaben im stationären Alltag. Unfallchirurg 106:785–788

5. Linczak G, Tempka A, Haas N (2004) Plädoyer für die Beseitigung arztfremder Kodiertätigkeit. Dtsch Ärztebl 101(33):2242–2243

6. Püschmann P, Haferkamp G, Scheppokat K-D et al (2006) Vollständigkeit und Qualität der ärztlichen Dokumentation in Krankenakten. Dtsch Ärztebl 103(3):121–126

7. Schütz U, Dreinhöfer K, Reichel H (2007) Bedeu-tung eines Codierbeauftragten Facharztes für die Abbildungsqualität und Vergütung einer orthopä-dischen Universitätsklinik im G-DRG-System 2005. Z Orthop Unfallchir 145:348–355

8. Tischendorf JJW, Crede S, Herrmann P et al (2004) Diagnosenverschlüsselung durch Medizinische Dokumentationsassistentin oder Stationsarzt. Dtsch Med Wochenschr 129:1731–1735

352 |  Der Unfallchirurg 3 · 2009

Forscher identifizieren neue Waffe im Kampf gegen HIV

Wissenschaftler entdeckten potenziell

wichtige, neue Resistenzfaktoren im Kampf

gegen die HIV-Infektion: Blutgruppen. Be-

stimmte Blutgruppen sind empfänglicher

für HIV, während andere das Virus effektiver

abwehren.

Die sogenannte Pk-Blutgruppe befindet sich

in unterschiedlich großen Mengen auf der

Oberfläche weißer und roter Blutkörper-

chen. Sie unterscheidet sich dabei von den

bekannten AB0- und Rhesus-Blutgruppen.

Die Studie zeigt, dass die wenigen Menschen

mit überwiegend dieser Blutgruppe einen

drastisch reduzierte Anfälligkeit für HIV-In-

fektionen aufweisen. Weitaus häufiger sind

Personen, die überhaupt keine Pk-Moleküle

produzieren. Diese sind viel anfälliger für das

HI-Virus. Interessanterweise variieren Pk-Le-

vel sehr stark in der Bevölkerung.

Die Studie behauptet nicht, dass die Blut-

gruppe ausschließlich für die HIV-Empfäng-

lichkeit verantwortlich ist. Blutgruppen

behindern oder erleichtern jedoch die Virus-

infektion. Ein Anstieg des Pk-Levels in Zellen

resultierte im Laborversuch in einer erhöhten

Resistenz gegenüber HIV und umgekehrt.

Originalpublikation:

Lund N et al. (2009) The human Pk histo-

blood group antigen provides protection

against HIV-1 infection. Blood, PMID:

19139081

Quelle:

Department of Laboratory Medicine

and Pathobiology,

University of Toronto, Canada

http://www.lmp.facmed.utoronto.ca/site5.aspx

Fachnachrichten