weiterentwicklung eines mechanischen modells zur beschreibung regen-wind induzierter schwingungen

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PAMM · Proc. Appl. Math. Mech. 8, 10883 – 10884 (2008) / DOI 10.1002/pamm.200810883 Weiterentwicklung eines mechanischen Modells zur Beschreibung Regen-Wind induzierter Schwingungen Melanie Engel , Andreas Zilian, and Dieter Dinkler Institut f¨ ur Statik, TU Braunschweig, Beethovenstr. 51, 38106 Braunschweig c 2008 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 1 Problemstellung und Zielsetzung Regen-Wind induzierte Schwingungen k¨ onnen bei gleichzeitiger Einwirkung von Regen und Wind an Kabeln und H¨ angern auftreten. Gef¨ ahrdet sind vor allem Schr¨ agseilbr¨ ucken und abgeh¨ angte Bogenbr¨ ucken, ebenso abgespannte Maste, Freileitun- gen und H¨ angebr¨ ucken. Es k ¨ onnen Schwingungen mit großen Amplituden entstehen, welche sich negativ auf die Lebensdauer und die Gebrauchstauglichkeit der Bauwerke auswirken. Eventuell erforderliche Sperrungen betroffener Br¨ ucken f¨ uhren zu einer starken Beeintr¨ achtigung des Verkehrs. Ziel des Forschungsvorhabens ist die Erweiterung eines von Seidel [3, 4] entwickelten mechanischen Querschnittsmodells auf reale r¨ aumliche Seilkonfigurationen, um Amplituden, Frequenzen und Schwingungsformen beliebiger Seilkonstruktionen be- reits in der Entwurfsphase vorhersagen zu k¨ onnen. Dar¨ uber hinaus soll untersucht werden, wie die Einsetzgeschwindigkeiten und die Schwingungsmoden mit Hilfe von D¨ ampferelementen an der Aufh¨ angung beeinflusst werden k ¨ onnen. 2 Erregungsmechanismus Seidel [3] geht von einem Selbsterregungsmechanismus aus, der auf dem Prinzip des Prandtlschen Stolperdrahtes basiert. Bei einer Kugel bewirkt ein in der kritischen Lage des Umschlagpunktes befestigter Drahtreif einen Umschlag von unter- zu ¨ uberkritischer Str¨ omung. Dies erfolgt bei einer wesentlich kleineren Reynoldszahl als bei einer ungest¨ orten Kugel. Aufgrund der dadurch ver¨ anderten Druckverteilung kommt es zu einer Reduzierung des Str¨ omungswiderstandes der Kugel und einer Anregung in Str¨ omungsrichtung (siehe Abbildung 1). Das Ph¨ anomen des Prandtlschen Stolperdrahtes l¨ asst sich nicht nur an Kugeln, sondern auch an Zylindern beobachten. Im Gegensatz zur festen St¨ orung des Prandtlschen Stolperdrahtes liegen bei Regen-Wind induzierten Schwingungen bewegliche St¨ orungen in Form von Rinnsalen vor. Zwischen der Bewegung der Kabel und der der Rinnsale besteht eine Interaktion. Die Rinnsale oszillieren um den Abl¨ osepunkt und bewirken einen regelm¨ aßigen Str¨ omungsumschlag zwischen unter- und ¨ uberkritischer Umstr¨ omung, wodurch eine Schwingung des Seilquerschnitts induziert werden kann. a) b) Fig. 1 Kugelumstr¨ omung a) ohne b) mit Stolperdraht [2] 3 Mechanisches Modell Das in [1] beschriebene dreidimensionale mechanische Modell basiert auf der von Seidel vorgestellten Ph¨ anomenologie und dem daraus entwickelten Modell. Es besitzt f¨ unf Freiheitsgrade: drei translatorische Freiheitsgrade des Kabels (x, y, z) sowie zwei rotatorische zur Beschreibung der Rinnsalbewegung auf der Seiloberfl¨ ache (ϕ 1 , ϕ 2 ). Es wirken zum einen Tr¨ agheits-, Feder- und D¨ ampferkr¨ afte und zum anderen das Eigengewicht. Dar¨ uber hinaus existieren Reaktionskr¨ afte zwischen dem Seil und den Rinnsalen in normaler und tangentialer Richtung (N Zi , T Zi ) und die Windkr¨ afte auf das Kabel (F wy , F wz ) bzw. auf Corresponding author: e-mail: [email protected], Phone: +49 531 391 3676, Fax: +49 531 391 8116 c 2008 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

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PAMM · Proc. Appl. Math. Mech. 8, 10883 – 10884 (2008) / DOI 10.1002/pamm.200810883

Weiterentwicklung eines mechanischen Modells zur BeschreibungRegen-Wind induzierter Schwingungen

Melanie Engel∗, Andreas Zilian, and Dieter Dinkler

Institut fur Statik, TU Braunschweig, Beethovenstr. 51, 38106 Braunschweig

c© 2008 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

1 Problemstellung und Zielsetzung

Regen-Wind induzierte Schwingungen konnen bei gleichzeitiger Einwirkung von Regen und Wind an Kabeln und Hangernauftreten. Gefahrdet sind vor allem Schragseilbrucken und abgehangte Bogenbrucken, ebenso abgespannte Maste, Freileitun-gen und Hangebrucken. Es konnen Schwingungen mit großen Amplituden entstehen, welche sich negativ auf die Lebensdauerund die Gebrauchstauglichkeit der Bauwerke auswirken. Eventuell erforderliche Sperrungen betroffener Brucken fuhren zueiner starken Beeintrachtigung des Verkehrs.Ziel des Forschungsvorhabens ist die Erweiterung eines von Seidel [3, 4] entwickelten mechanischen Querschnittsmodells aufreale raumliche Seilkonfigurationen, um Amplituden, Frequenzen und Schwingungsformen beliebiger Seilkonstruktionen be-reits in der Entwurfsphase vorhersagen zu konnen. Daruber hinaus soll untersucht werden, wie die Einsetzgeschwindigkeitenund die Schwingungsmoden mit Hilfe von Dampferelementen an der Aufhangung beeinflusst werden konnen.

2 Erregungsmechanismus

Seidel [3] geht von einem Selbsterregungsmechanismus aus, der auf dem Prinzip des Prandtlschen Stolperdrahtes basiert.Bei einer Kugel bewirkt ein in der kritischen Lage des Umschlagpunktes befestigter Drahtreif einen Umschlag von unter- zuuberkritischer Stromung. Dies erfolgt bei einer wesentlich kleineren Reynoldszahl als bei einer ungestorten Kugel. Aufgrundder dadurch veranderten Druckverteilung kommt es zu einer Reduzierung des Stromungswiderstandes der Kugel und einerAnregung in Stromungsrichtung (siehe Abbildung 1).Das Phanomen des Prandtlschen Stolperdrahtes lasst sich nicht nur an Kugeln, sondern auch an Zylindern beobachten. ImGegensatz zur festen Storung des Prandtlschen Stolperdrahtes liegen bei Regen-Wind induzierten Schwingungen beweglicheStorungen in Form von Rinnsalen vor. Zwischen der Bewegung der Kabel und der der Rinnsale besteht eine Interaktion.Die Rinnsale oszillieren um den Ablosepunkt und bewirken einen regelmaßigen Stromungsumschlag zwischen unter- unduberkritischer Umstromung, wodurch eine Schwingung des Seilquerschnitts induziert werden kann.

a) b)

Fig. 1 Kugelumstromung a) ohne b) mit Stolperdraht [2]

3 Mechanisches Modell

Das in [1] beschriebene dreidimensionale mechanische Modell basiert auf der von Seidel vorgestellten Phanomenologie unddem daraus entwickelten Modell. Es besitzt funf Freiheitsgrade: drei translatorische Freiheitsgrade des Kabels (x, y, z) sowiezwei rotatorische zur Beschreibung der Rinnsalbewegung auf der Seiloberflache (ϕ1, ϕ2). Es wirken zum einen Tragheits-,Feder- und Dampferkrafte und zum anderen das Eigengewicht. Daruber hinaus existieren Reaktionskrafte zwischen dem Seilund den Rinnsalen in normaler und tangentialer Richtung (NZi, TZi) und die Windkrafte auf das Kabel (Fwy , Fwz) bzw. auf

∗ Corresponding author: e-mail: [email protected], Phone: +49 531 391 3676, Fax: +49 531 391 8116

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10884 Sessions of Short Communications 20: Dynamics and Control

die Rinnsale (FwNi, FwTi

).Aus dem Kraftegleichgewicht am Seil in x-, y- und z-Richtung und an den beiden Rinnsalen in Tangentialrichtung folgen funfnichtlineare, gekoppelte Bewegungsgleichungen. Die Reaktionskrafte NZi werden herangezogen, um zu uberprufen, ob einRinnsal auf der Kabeloberflache verbleibt oder durch Uberschreitung der Oberflachenspannung σ0 abgeschlagen wird. Siewerden aus dem Gleichgewicht am Tropfen in normaler Richtung ermittelt.

4 Numerische Umsetzung

Das in [1] abgeleitete mechanische Modell resultiert in einem Satz nichtlinearer gekoppelter Bewegungsgleichungen. Daherwerden die nichtlinearen Terme zunachst mit Hilfe einer Taylorreihenentwicklung linearisiert. Die auf diese Weise linearisier-ten Ausdrucke enthalten zum einen konstante Anteile, die nur von den Werten des vorangegangenen Zeitschrittes abhangen.Diese Anteile gehen in die Lastseite der Gleichung ein. Zum anderen entstehen aber auch Anteile, die zusatzlich die inkremen-tellen Zuwachse der Unbekannten enthalten. Letztere konnen der tangentialen Massen-, Dampfungs- bzw. Steifigkeitsmatrixzugeordnet werden.Nach dem Inkrementschritt befindet sich das System aufgrund des Linearisierungsfehlers fur gewohnlich nicht im Gleichge-wicht. Daher wird anschließend eine Gleichgewichtskorrektur innerhalb des Newton-Raphson-Verfahrens durchgefuhrt.

5 Bestimmung der Gleichgewichtslagen der Rinnsale

Zunachst werden die Gleichgewichtslagen der Rinnsale berechnet, da deren korrekte Ermittlung Vorraussetzung dafur ist, dassdie Rinnsale den Umschlagpunkt bei der entsprechenden Windgeschwindigkeit erreichen und dadurch der Stolperdrahteffekteintreten kann. Die Berechnung erfolgt mit Hilfe einer Gleichgewichtsbetrachtung am Rinnsal in tangentialer Richtung.In [1] wurden die auf die Rinnsale wirkende aerodynamische Krafte (FwT i

, FwNi) aus Druck- und Schubspannungsvertei-

lungen ermittelt. Mit diesem Ansatz konnten jedoch nicht die korrekten Gleichgewichtslagen bestimmt werden. Dies ist aufdie Unsicherheit der Eingangswerte zuruckzufuhren. Den Berechnungen liegen Druck- und Schubspannungsverteilungen zu-grunde, die an aerodynamisch glatten, senkrechten Zylindern gemessen wurden. Aufgrund der zuvor aufgezeigten Probleme,die bei der Berechnung der aerodynamischen Krafte auf die Rinnsale aus Druck- und Schubspannungsverteilungen auftreten,werden die tangentialen Windkrafte in einem neuen Ansatz mit Hilfe eines Beiwertes, cT , ausgedruckt.

FwT i=

12· ρL · U2

rel · R · cT (ϕ, R) (1)

Dieser wird aus experimentell bestimmten Gleichgewichtslagen ermittelt (siehe Abbildung 2a) und beinhaltet auch Einflusseaus der Rinnsalverformung, welche zuvor nicht berucksichtigt wurden.

a)

-180

-150

-120

-90

-60

-30

0

30

60

90

120

150

180

0.0E+00 5.0E+04 1.0E+05 1.5E+05 2.0E+05 2.5E+05

Re [-]

[°]

63

75

90

110

125

b)

Fig. 2 a) cT (ϕ, R) b) Gleichgewichtslagen der Rinnsale (α = 45◦, β = 90◦) fur verschiedene Seildurchmesser [mm]

Die in Abbildung 2b dargestellten, mit Gleichung 1 berechneten Gleichgewichtslagen stimmen gut mit Messungen uberein.

References

[1] ENGEL, M. Weiterentwicklung eines mechanischen Modells zur Beschreibung Regen-Wind induzierter Schwingungen.http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00020797, 2007.

[2] MEIER, G.E.A. (HRSG): Ludwig Prandtl, ein Fuhrer in der Stromungslehre. Braunschweig: Vieweg, 2000.[3] SEIDEL, C. & D. DINKLER: Phanomenologie und Modellierung Regen-Wind induzierter Schwingungen. Bauingenieur,

Bd. 79:145–153. Dusseldorf: Springer VDI, 2004.[4] SEIDEL, C. & D. DINKLER: Rain-wind induced vibrations - phenomenology, mechanical modelling and numerical analysis.

Computers & Structures, 84:1584–1595. 2006.

c© 2008 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.gamm-proceedings.com