was ist soziale gerechtigkeit? · gerechtigkeit bringen:der amerikanische philosoph john rawls hat...
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Was ist soziale Gerechtigkeit?
Deutsche Fragen –
Ein Symposium des Bundesverbandes deutscher Bankenund der Universität Erfurt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Dr. Manfred Weber
Eine schwierige Balance:
Bedar fs- versus Leistungsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Prof. Dr. Peter Glotz
Einführung beim Symposium des Bundesverbandes deutscher
Banken und der Universität Er fur t . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Dr. Joachim Wanke
Soziale Gerechtigkeit im Spannungsfeld von Freiheit und
Gleichheit – Erwägungen eines Theologen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Dr. Bernhard Vogel
Einigkeit und Recht und Freiheit –
Deutschland am Vorabend des 2I. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . 32
Prof. Dr. Hans Werner Sinn
Wo bleibt die Arbeit? – Eine wir tschaftspolitische
Bilanz nach acht Jahren deutscher Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Zusammenfassung der Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
Kurzbiographien der Redner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67
Teilnehmer des Symposiums. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
I n h a l t
Vorwort
Was ist sozial gerecht? Diese anspruchsvolle und gleichfalls aktuelle Frage
stand im Mittelpunkt des Symposiums, das der Bundesverband deutscher
Banken am 31. August 1998 zusammen mit der Universität Erfurt veranstaltete.
Ort und Thema waren mit Bedacht gewählt. Kein anderer als Martin Luther
hat hier – im Augustinerkloster zu Erfurt – vor nicht ganz 500 Jahren über
die Grundlagen einer gerechten Gesellschaft nachgedacht und mit seinen
Gedanken das geistige Leben damals und, mehr noch, bis in unsere heutige
Zeit hinein geprägt. An der Schwelle zum nächsten Jahrhundert stellt sich
für das vereinte Deutschland die alte Frage nach der sozialen Gerechtigkeit
neu.Die Kluft zwischen sozial Wünschenswertem und ökonomisch Machbarem
droht größer zu werden. Unter dem Druck von Globalisierung und inter-
nationalem Wettbewerb ist ein neuer gesellschaftlicher Konsens zur sozialen
Gerechtigkeit notwendig. Hierfür bedarf es nicht zuletzt einer stärkeren
Rückbesinnung auf die Grundlagen der sozialen Marktwirtschaft. In Erfurt
gaben namhafte Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und
Gesellschaft einen spannenden Einblick in die verschiedenen Facetten des
Themas – von der politisch-historischen Einordnung über die wirtschafts-
politische Analyse bis hin zu den moralischen Grundlagen.
Das Symposium bildet den Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe,
die unter dem Titel „Deutsche Fragen“ zweimal im Jahr an wechselnden Orten
gesellschaftspolitische Streitfragen aufgreifen wird. Auf diese Weise wollen
die privaten Banken in Deutschland einen Anstoß zur Diskussion solcher
Themen geben, die das Land im Übergang zum 21. Jahrhundert herausfordern.
7D e u t s c h e F ra g e n
Dr. Manfred WeberHauptgeschäftsführer und Mitglied des Vorstandesdes Bundesverbandes deutscher Banken
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
zum Symposium des Bundesverbandes deutscher Banken
und der Universität Erfurt begrüße ich Sie sehr herzlich.
Ich freue mich, daß viele Gäste aus Politik, Kirche,Wissen-
schaft und Wirtschaft heute nachmittag zu uns gekommen
sind. Das Gespräch mit Ihnen ist uns wichtig, und so freue
ich mich auf eine anregende und spannende Diskussion
über die Frage „Was ist soziale Gerechtigkeit?“
Insbesondere freue ich mich, den Minister-
präsidenten des Freistaates Thüringen, Herrn Dr. Vogel,
begrüßen zu können. Ich bin Ihnen außerordentlich dank-
bar, daß Sie trotz dichter Terminlage in der Schlußphase
des Bundestagswahlkampfes bereit sind, unsere Veranstaltung mit einem
Vortrag zu bereichern. Mein weiterer Gruß gilt dem Bischof von Erfurt.
Ihnen, sehr geehrter Herr Bischof Dr.Wanke, danke ich ebenso herzlich für
Ihre Bereitschaft,mit Ihrem Referat „Soziale Gerechtigkeit im Spannungsfeld
von Gleichheit und Freiheit – Erwägungen eines Theologen“ die Grundlage
für die anschließende Diskussion zu legen.Last,but not least heiße ich Herrn
Professor Sinn willkommen. Ich bin mir sicher, daß Sie eine wirtschaftspo-
litische Bilanz nach acht Jahren deutscher Einheit ziehen werden, die zur
Diskussion einladen wird. Auch Ihnen, Herr Professor Sinn, schon jetzt ein
herzliches Dankeschön.
Mit dem Augustinerkloster zu Erfurt haben wir für unser Sympo-
sium einen Ort ausgesucht,der für das Thema „Was ist soziale Gerechtigkeit?“
einen gewissen Symbolcharakter hat. Schließlich trat – vor nicht ganz 500
Jahren – Martin Luther in dieses Augustinerkloster ein,um Mönch zu werden.
D r. M a n f r e d We b e r
Eine schwierige Balance:Bedarfs- versus Leistungsgerechtigkeit
9D e u t s c h e F ra g e n
Dr. Manfred WeberHauptgeschäftsführer und Mitglieddes Vorstandes des Bundesverbandesdeutscher Banken
Die Grundsätze,die Luther in diesen Räumen erdacht,diskutiert und gepredigt
hat, zielten auf eine moralisch bessere, eine gerechtere Gesellschaft. Sie
sollten – von diesem Ort ausgehend – die Welt verändern. Um Luthers
Aufenthalt im Augustinerkloster ranken sich allerhand
widersprüchliche Legenden.So hieß es,er sei ein schlechter
Mönch gewesen, voller Widerspenstigkeit und sittlicher
Mängel.Ihm eher wohlgesonnene Zeitgenossen berichten
hingegen, er sei hier im Kloster schikaniert worden, man
habe ihn gar am Lesen der Bibel gehindert. All dies hat
Luther offensichtlich aber nicht davon abgehalten, sich
auch in seiner Erfurter Zeit mit wichtigen Grundfragen
der Theologie und dem, was wir heute als Gesellschafts-
politik bezeichnen würden, zu beschäftigen – nicht zuletzt mit der Frage,die
heute im Mittelpunkt unseres Symposiums steht.
Was ist Gerechtigkeit? Diese Frage beschäftigt die Gelehrten
nicht erst seit Martin Luther. Bereits Aristoteles hat sich in der „Nikomachi-
schen Ethik“ systematisch mit dieser, wie er sie nannte, „Vornehmsten der
Tugenden“ auseinandergesetzt.Demnach unterscheidet Aristoteles die iustitia
legalis, die Regelgerechtigkeit, von der iustitia distributiva, der verteilenden
Gerechtigkeit,und der iustitia commutativa,der ausgleichenden Gerechtigkeit.
Im aristotelischen Weltbild ist die Zuordnung der jeweiligen Verteilungs-
kriterien einfach:Regelgerechtigkeit verlangt,daß das Handeln den Gesetzen
entspricht; deren Gerechtigkeit selbst wird nicht hinterfragt. Heute nennen
wir das positives Recht.Die verteilende Gerechtigkeit betrifft „die Zuteilung
von Ehre, Geld und den anderen Dingen, die unter die Mitglieder der Gesell-
schaft aufgeteilt werden können“. Hier bezieht sich Aristoteles ausdrücklich
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10D e u t s c h e F ra g e n
Vor nicht ganz 500 Jahren
trat Martin Luther in dieses
Augustinerkloster ein, um
Mönch zu werden. Die Grund-
sätze, die Luther in diesen
Räumen erdacht, diskutiert
und gepredigt hat, zielten
auf eine moralisch bessere,
eine gerechtere Gesellschaft.
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„D i e B a l a n c e z w i s c h e n B e d a r f s - u n dL e i s t u n g s g e r e c h t i g k e i t f i n d e n“
auf eine proportionale Verteilung – wir würden heute sagen:nach Leistungen
und Fähigkeiten –, nicht auf die Gleichverteilung. Die ausgleichende
Gerechtigkeit ordnet bei Aristoteles die übrigen gesellschaftlichen Beziehun-
gen. Zu denen zählt er bemerkenswerterweise ökonomische Handlungen
(Kauf- und Darlehensverträge) ebenso wie die Straftatbestände Diebstahl,
Ehebruch oder Mord: „Das Gesetz betrachtet nur den Unterschied des
angerichteten Schadens und behandelt die Personen als gleiche,und es fragt
nur, ob der eine Unrecht tat, der andere Unrecht litt, der eine schädigte, der
andere geschädigt wurde.“ Die ausgleichende Gerechtigkeit ist somit eher
ein Rechtsgrundsatz als ein Verteilungsprinzip.
Die aristotelischen Überlegungen bilden – in die heutige Diskus-
sion eingeordnet – lediglich die Enden eines Spannungsbogens, der bei
einem Diskurs über soziale Gerechtigkeit geschlagen wird. Sie bestimmen
die Extrema der „Leistungsgerechtigkeit“ und einer am Prinzip der Gleich-
heit ausgerichteten „Bedarfsgerechtigkeit“, wie sie sich
auch in Karl Marx’ Kritik des Gothaer Programms aus dem
Jahre 1875 wiederfindet („Jeder nach seinen Fähigkeiten,
jedem nach seinen Bedürfnissen!“). Zwischen diesen
beiden Gerechtigkeitsvorstellungen muß jede Gesellschaft ihr Optimum
finden. Dieses kann nicht nach objektiven Kriterien bestimmt werden,
sondern fußt immer auf subjektiven Einschätzungen, die von unterschied-
lichen Standpunkten in der Gesellschaft geprägt sind und sich im Zeitablauf
wandeln können. Die Vorstellungen über das richtige Maß an Sozialpolitik
haben sich in den vergangenen Jahren in unserer Gesellschaft weiter
auseinanderentwickelt. Das Dilemma wurzelt gewissermaßen in Artikel 20
des Grundgesetzes: Hier wird zwar der Begriff des Sozialstaates eingeführt,
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Auch wenn wir uns das
manchmal wünschten: So-
ziale Gerechtigkeit läßt sich
nicht per Dekret herstellen.
aber weder hier noch an einer anderen Stelle wird er kon-
sensual oder gar abschließend definiert. Juristisch gesehen
gibt unsere Verfassung nur darüber Auskunft, daß es – im
Sinne einer nur umverteilenden Gerechtigkeit – keine sozialen Grundrechte
als Ansprüche an den Staat gibt oder geben kann. Auch wenn wir uns das
manchmal wünschten: Soziale Gerechtigkeit läßt sich nicht per Dekret
herstellen. Entsprechende Versuche waren in der Vergangenheit stets zum
Scheitern verurteilt. Diese Einsicht ist nicht unwichtig, denn die Klagen, wir
entwickelten uns zunehmend zu einer Anspruchsgesellschaft, werden
immer lauter.
So stellte vor kurzem der SPIEGEL fest, daß der Sozialstaat die
Bürger unfrei mache und sie zum Anspruchsdenken erziehe. „Der Sozialstaat
deutscher Prägung“ sei „kein Modell mehr“, er sei „zum Monstrum geworden,
das an seiner eigenen Größe zu ersticken“ drohe. Vor allem aber sei er
„zutiefst ungerecht, weil er seine Leistungen oft willkürlich und nicht selten
an den wirklich Bedürftigen vorbei“ verteile. In Großbritannien scheint die
Debatte um die Zukunft des Sozialstaates bereits einen Schritt weiter zu
sein. Die Labour-Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Anspruchs- und
„Abhängigkeitskultur“, die sich durch das Bemühen um soziale Gerechtig-
keit eingeschlichen habe, aufzubrechen.Sozialleistungen müßten,so hören
wir von dort, wieder als Notgroschen begriffen werden und nicht als selbst-
verständliche Grundversorgung auf Lebenszeit.Bemerkenswert,daß gerade
unter einer Labour-Regierung die Debatte offensichtlich in Bewegung
geraten ist.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Vorbereitung
dieses Symposiums habe ich mir die subjektiven Einschätzungen des deutschen
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Sozial le is tungen müßten
wieder als Notgroschen be-
griffen werden und nicht als
selbstverständliche Grundver-
sorgung auf Lebenszeit.
Sozialstaates in der Bevölkerung einmal näher angesehen.Einer vom Bundes-
verband deutscher Banken in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfrage
zum Thema „Soziale Gerechtigkeit“ ist zu entnehmen, daß drei Viertel der
deutschen Bevölkerung in einer Gesellschaft leben wollen, in der sich die
Höhe des Einkommens nach der Leistung bemißt. Dies ist meines Erachtens
eine hohe Zustimmung zu einem der tragenden Prinzipien der sozialen
Marktwirtschaft. 85 Prozent der Deutschen bewerten soziale Unterschiede
als gerechtfertigt, wenn die Aufstiegschancen gleich sind. Menschen akzep-
tieren offenbar eine ungleiche Verteilung, wenn – nach Aristoteles – Regel-
gerechtigkeit gegeben ist. Die Umfragezahlen belegen somit einen breiten
gesellschaftlichen Konsens darüber, daß unsere Wirtschaftsordnung Wett-
bewerb braucht,um auf Dauer wirtschaftlich leistungsfähig
und damit sozial bleiben zu können. Hierbei geht es nicht
um egoistisches Gegeneinander, sondern um Leistungs-
gerechtigkeit. Allerdings: Immerhin ein Fünftel der Deut-
schen vertritt die Auffassung, man müsse Wert auf ähnlich
hohe Einkommen in der Gesellschaft legen. Dies wiederum zeigt, wieviel
Überzeugungsarbeit auf diesem Feld noch zu leisten ist.
Im deutschen Parteienwettstreit der Nachkriegszeit wurde der
Begriff der sozialen Gerechtigkeit zum fast absoluten Wert;und wenn bei uns
von sozialer Gerechtigkeit die Rede ist,wird meist nur an einen Aspekt gedacht,
nämlich an die Verteilungsgerechtigkeit.Verteilung in der üblichen Verwen-
dung des Begriffes aber heißt,mit staatlicher Hoheit einigen etwas zu nehmen,
um es anderen zu geben. So verstanden, heißt Verteilung regelmäßig auch,
Konflikte zu schaffen, für deren Lösung es keinen objektiven Maßstab gibt.
Hier drängt sich die Frage auf, ob die Debatte und die Bemühungen um soziale
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Drei Viertel der deutschen
Bevölkerung wollen in einer
Gesellschaft leben, in der sich
die Höhe des Einkommens
nach der Leistung bemißt.
Gerechtigkeit nicht wieder stärker auf die – im Grunde alte – Frage der Schaf-
fung gerechter Ausgangsbedingungen für alle Mitglieder der Gesellschaft
konzentriert werden müßten. Das Stichwort hier ist „Chancengleichheit“.
Wir haben uns in der Vergangenheit daran gewöhnt, daß es in der
Sozialpolitik nur eine Richtung gab: mehr Ansprüche an den Staat und mehr
Umverteilung. Dem Einhalt zu gebieten oder gar Korrekturen in die ent-
gegengesetzte Richtung zu akzeptieren fällt uns schwer, selbst wenn sie aus
wirtschaftlicher und politischer Sicht gut begründet, ja
notwendig sind. Dabei würde uns mehr Zurückhaltung
des Staates in der Verteilungspolitik vielleicht sogar mehr
Gerechtigkeit bringen: Der amerikanische Philosoph John
Rawls hat eine Theorie der Gerechtigkeit entwickelt, die
versucht, demokratische Grundsätze und wirtschaftliche
Verteilungskriterien miteinander in Einklang zu bringen. Im Ergebnis formuliert
er ein einziges Prinzip: „Alle sozialen Werte – Freiheit,Chancen,Einkommen,
Vermögen und die sozialen Grundlagen der Selbstachtung – sind gleichmäßig
zu verteilen, soweit nicht eine ungleiche Verteilung jedermann zum Vorteil
gereicht.“ Dieser kluge Grundsatz enthält auch eine Antwort auf eines der
drängendsten Probleme unserer Zeit: die seit langem viel zu hohe Arbeits-
losigkeit. Wenn sogar zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretern
Konsens darüber herrscht, daß hohe Lohnzusatzkosten eine Ursache für die
Massenarbeitslosigkeit in Deutschland sind, müßte dann nicht – gleichsam
in Umkehrung des Rawlsschen Prinzips – ein Nachteil für einige, sprich: eine
Verringerung der sozialen Leistungen, akzeptiert werden, um im Interesse
der Gemeinschaft mehr Arbeitsplätze zu schaffen? Damit neue Lebenschancen
für viele entstehen, müssen andere auf einen Teil ihrer sozialen Besitzstände
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Zwischen den beiden Gerechtig-
keitsvorstellungen, der „Leistungs-
gerechtigkeit“ und der am Prin-
zip der Gleichheit ausgerichteten
„Bedarfsgerechtigkeit“, muß jede
Gesellschaft ihr Optimum finden.
verzichten. Das ist im Effekt sozial gerechter als die Wahrung von Besitz-
ständen und das Festschreiben einer mehr als unbefriedigenden Arbeits-
marktlage über viele Jahre hinweg. „Nur der Sozialstaat“, so noch einmal der
SPIEGEL, „der sich zurücknimmt und sich Selbstbeschränkung auferlegt, ist
auf Dauer sozial.“
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben heute die
Möglichkeit, mit hervorragenden Experten und Persönlichkeiten zu disku-
tieren, wie wir in Deutschland künftig zu mehr sozialer
Gerechtigkeit kommen können. Dieses Symposium soll
aber keine einzelne Veranstaltung bleiben. Es bildet den
Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe des Bundesverbandes
deutscher Banken,die wir unter den Titel „Deutsche Fragen“
gestellt haben. Als Spitzenverband der privaten Banken in Deutschland
wollen wir unter diesem Signum zweimal jährlich an wechselnden Orten
Themen diskutieren, die man vielleicht nicht spontan und unmittelbar mit
Banken in Verbindung bringt. Unser Verständnis der Aufgaben eines
wirtschaftspolitischen Spitzenverbandes in einer mehr und mehr zusammen-
wachsenden, einer immer stärker vernetzten Welt ist es gleichwohl, der
gesellschaftspolitischen Verantwortung, die wir als Vertreter der privaten
Banken in Deutschland haben, auch auf diese Weise nachzukommen. Wir
haben dieser Veranstaltungsreihe den Titel „Deutsche Fragen“ gegeben, weil
mit der Beantwortung der deutschen Frage nach der Wiedervereinigung jetzt
eine Reihe von Fragen auftaucht, die für die Zukunft unserer Gesellschaft in
einer wirtschaftlich und politisch mehr und mehr zusammenwachsenden
Welt von entscheidender Bedeutung ist. Natürlich wollen wir nicht nur
Fragen stellen; wir hoffen, mit unserer Initiative auch einen kleinen Beitrag
D r. M a n f r e d We b e r Eine schwier ige Ba lance:
Bedar fs - versus Le istungsgerecht igke i t
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Wir haben uns in der Vergangen-
heit daran gewöhnt, daß es in der
Sozialpolitik nur eine Richtung
gab: mehr Ansprüche an den
Staat und mehr Umverteilung.
zur Beantwortung der gestellten Fragen leisten zu können, indem wir ein
geeignetes Forum hierfür bieten. Für die heutige Veranstaltung haben wir in
der jungen Universität Erfurt einen hervorragenden Kooperationspartner
gefunden.So gebührt ihrem Rektor,Herrn Professor Glotz,
mein herzlicher Dank für die so gute Zusammenarbeit.Bei
dieser vorerst wohl letzten Neugründung einer staatlichen
Hochschule – die ja eigentlich eine „Wieder-Gründung“
ist – hat man es verstanden, die historischen Wurzeln der
einst ruhmreichen Universität mit modernen Inhalten zu
verknüpfen sowie eine Brücke zwischen dem Konzept der
staatlichen und dem der privaten Hochschule zu schlagen.Meines Erachtens,
Herr Professor Glotz, könnte die Universität Erfurt durchaus zu einem
Modell der „Universität der Zukunft“ werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wünsche uns allen
eine interessante Veranstaltung und freue mich, nun das Wort an unseren
heutigen Moderator, Herrn Professor Peter Glotz, übergeben zu können.
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Alle sozialen Werte – Freiheit,
Chancen, Einkommen, Vermögen
und die sozialen Grundlagen
der Selbstachtung – sind gleich-
mäßig zu verteilen, soweit nicht
eine ungleiche Verteilung jeder-
mann zum Vorteil gereicht.
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P r o f . D r. Pe t e r G l o t z
Einführung beim Symposium des Bundesverbandes deutscher Banken und der Universität Erfurt
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
auch ich begrüße Sie namens der mitveranstaltenden
Universität Erfurt sehr herzlich. Ich bedanke mich für die
freundlichen Worte,die Herr Dr.Weber für die im Entstehen
begriffene Universität Erfurt gefunden hat.
In der Tat wollen wir versuchen, einiges von
dem,was in der Debatte um die notwendige Form der Hoch-
schulen heute angemahnt wird, in Erfurt zu verwirklichen.
Dazu gehört mit Sicherheit die Erkenntnis,daß Universitäten
an den vitalen Problemen der Gesellschaft, in der sie
existieren, nicht vorbeileben dürfen. Deswegen setzen wir
in Erfurt auf Public Private Partnership.Wir sind eine staatliche Universität,
aber wir bemühen uns systematisch um Sponsoren aus der Wirtschaft,die
im Fall eines Engagements auch bestimmte Mitbestimmungsrechte haben
werden. Dabei geht es uns nicht nur um Geld, obwohl ich nicht bestreite,
daß wir ein schmales öffentliches Budget aufstocken müssen. Vor allem
spielt die Erkenntnis eine Rolle, daß wir Probleme der gesellschaftlichen
Praxis besser identifizieren können, wenn wir mit den Akteuren in der
Gesellschaft zusammenarbeiten.So planen wir gemeinsam mit dem Bundes-
verband für Groß- und Außenhandel an der Universität Erfurt ein Ludwig-
Erhard-Institut für Entrepreneurship in Handel und Dienstleistung. Das
soll z. B. den neuartigen Problemen des Electronic Commerce auf die Spur
kommen. Da ist uns der Verband mit seinen Mitglieder, die sich täglich mit
dieser tiefgehenden Veränderung unserer Handelsstruktur auseinander-
setzen, ein wichtiger Gesprächspartner.
Prof. Dr. Peter GlotzRektor der Universität Erfurt
Auch zum Thema des heutigen Nachmittags gibt es an der Universität Erfurt
viele Bezüge. Ich will nur einen nennen: das Konzept unserer neuartigen
Staatswissenschaftlichen Fakultät, in der wir Recht, Ökonomie und Sozial-
wissenschaft wieder verkoppeln wollen.Soziale Gerechtig-
keit ist ja kein Spezialthema für Sozialpolitiker. Es ist ein
klassisches Thema, das man interdisziplinär angehen muß.
An den Debatten in Erfurt soll eine künftige Katholisch-
Theologische Fakultät,deren Integration leider noch nicht
endgültig feststeht, mit ihren Kenntnissen zur christlichen Soziallehre so
mitwirken wie die praktische Ethik aus der Philosophischen Fakultät oder
eben die Finanzwissenschaft aus der Staatswissenschaftlichen.Sozioökonomie
war einmal ein großer Begriff in Deutschland. Der „Verein für Socialpolitik“
wurde hier in der Gegend 1872 von Brentano und Wagner begründet. Seine
politischen Vorstellungen mögen heute überholt sein.Nicht überholt aber ist
der Begriff der Sozioökonomie,den wir hier in Erfurt zurückgewinnen wollen.
Denn allein mit der neoklassischen Ökonomie, die an den meisten volks-
wirtschaftlichen Lehrstühlen deutscher Universitäten betrieben wird, wird
man dem Problem der sozialen Gerechtigkeit, das wir heute
diskutieren wollen, nicht gerecht werden können. Aber
dazu mag Herr Kollege Sinn in seinem Vortrag heute etwas
sagen.
Kurz und gut: Ich wollte nur darauf hinweisen,
der Bankenverband hat sich nicht verirrt, er ist mit seiner
Diskussion heute in Erfurt an der richtigen Stelle. Die Di-
skussion beginnt mit Thesen des katholischen Ortsbischofs Dr. Joachim
Wanke,der theologische Erwägungen zu unserem Gespräch beisteuern wird.
19D e u t s c h e F ra g e n
Soziale Gerechtigkeit ist ja
kein Spezialthema nur für
Sozialpol i t iker. Es i s t e in
klassisches Thema, das man
interdisziplinär angehen muß.
Allein mit der neoklassischen
Ökonomie, die an den meisten
volkswirtschaftlichen Lehrstühlen
deutscher Universitäten betrie-
ben wird, wird man dem Problem
der sozialen Gerechtigkeit nicht
gerecht werden können.
Ich weiß,manche halten die Theologie inzwischen für überflüssig. Ich wider-
spreche ihnen. Die spirituellen Bedürfnisse der Menschen sind nicht kleiner
geworden,wenn sie sich auch gewandelt haben mögen.Das Wort hat Bischof
Dr.Wanke zum Thema: „Soziale Gerechtigkeit im Spannungsfeld von Gleich-
heit und Freiheit“.
P r o f . D r. Pe t e r G l o t z Ein führung be im Sympos ium
des Bundesverbandes deutscher Banken und der Un ivers i tät Er fu r t
20D e u t s c h e F ra g e n
Dr. Joachim Wanke
Soziale Gerechtigkeit im Spannungsfeld von Freiheit und Gleichheit –Erwägungen eines Theologen
Es gibt eine merkwürdige Gleichniserzählung Jesu, die bis
heute beim Hörer Widerspruch erregt: Ist das gerecht? Da
arbeiten Leute einen ganzen Tag im Weinberg,zwölf Stunden
lang. Andere arbeiten weniger,einige sogar nur eine einzige
Stunde – und doch erhalten auch diese den vollen Tages-
lohn, einen Denar. „Da begannen sie (die ersten, die den
ganzen Tag gearbeitet hatten), über den Gutsherrn zu mur-
ren und sagten: Diese Letzten haben nur eine einzige Stun-
de gearbeitet und du hast sie uns gleichgestellt;wir aber ha-
ben den ganzen Tag über die Last der Arbeit und die Hitze
ertragen.“ (Mt 20,11 f.) Ist das nicht eine berechtigte Klage?
Und doch wird die Klage abgewiesen. Der Weinbergbesitzer ant-
wortet bekanntlich: „Mein Freund, dir geschieht kein Unrecht. Hast du nicht
einen Denar mit mir vereinbart? Nimm dein Geld und geh! Ich will aber dem
Letzten ebensoviel geben wie dir. Darf ich mit dem, was mir gehört, nicht
tun, was ich will? Oder bist du neidisch, weil ich (zu anderen) gütig bin?“
(Mt 20,13-15) Das Gleichnis Jesu lebt von der Spannung zwischen Freiheit
und Gleichheit, näherhin zwischen der Freiheit, mit der einer aus seinem
Besitz etwas verschenkt, und der Erwartung, daß für ungleiche Arbeit auch
ungleicher Lohn gezahlt wird. Sicher, der Weinbergbesitzer handelt gerecht,
insofern als die Vollzeitarbeiter den vereinbarten Lohn wirklich erhalten.Die
Gewerkschaften hätten bei einer Klage gegen sein Verhalten vor einem
Arbeitsgericht keine Chance gehabt! Gott gibt mehr als einen Lohn für Lei-
stungen („Werke“), so will wohl Jesus sagen: Er „belohnt“ – aus Gnade, weil
er weiß: Der Mensch lebt von mehr als von Lohn für Leistung. Er lebt von
persönlicher Annahme, von Erbarmen, von Liebe.
21D e u t s c h e F ra g e n
Dr. Joachim WankeBischof von Erfurt
Aber haben diese Begriffe etwas mit sozialer Gerechtigkeit zu tun? Ja und
nein. Nein, weil es bei der Frage nach der sozialen Gerechtigkeit nicht um
eine Gesinnung des Herzens geht, um Tugendgerechtigkeit, sondern um ein
Ordnungsprinzip. Es geht um die gerechte Weise des
Zusammenlebens der Menschen, speziell in einer wirt-
schaftlichen, einer sozialen Ordnung. Konkret: Würden
alle Weinbergbesitzer auch für Kurzarbeit den vollen Lohn
zahlen, wären sie bald pleite. Und das Prinzip „Gleicher Lohn für ungleiche
Arbeit“ würde vermutlich auf Dauer den sozialen Frieden einer Gesell-
schaft zerstören.
Und doch hat die Botschaft dieses Gleichnisses etwas mit dem
Stichwort Gerechtigkeit im Spannungsfeld von Gleichheit und Freiheit zu
tun. Das Gleichnis zeigt uns, daß Gerechtigkeit, die nur wenige und nicht alle
im Blick hat,nicht ausreicht.Pointiert gesagt:Der Markt regelt nicht alles! Ich
bin dankbar, einmal am Ende meines Lebens in die Hände eines nicht nur
gerechten Gottes zu fallen! Und ich kann nur hoffen, daß in einer Gesell-
schaft die „Zuspätkommenden“,d. h. jene,die weniger oder überhaupt nichts
leisten können, im Blick bleiben und nicht fallengelassen werden.
Damit wären wir beim Thema: Was ist soziale Gerechtigkeit,
näherhin angesichts der unaufhebbaren Spannung von menschlicher
Freiheit und dem Verlangen nach Gleichheit aller? Ich gliedere meine Über-
legungen in vier Abschnitte, denen ich jeweils eine Grundaussage voranstelle.
I. Was sozial gerecht ist, bestimmt sich vom Menschenbild einer
Gesellschaft her.
Das gemeinsame Wort der Kirchen „Für eine Zukunft in Solidarität und Ge-
D r. Jo a c h i m Wa n ke Soz ia le Gerecht igke i t
im Spannungsfe ld von Fre ihe i t und G le ichhe i t – Er wägungen e ines Theo logen
22D e u t s c h e F ra g e n
Der Mensch lebt von mehr als
von Lohn für Leistung. Er lebt
von persönlicher Annahme,
von Erbarmen, von Liebe.
23D e u t s c h e F ra g e n
„D i e s c h ü t z e n d e n H ä n d e d e s S t a a t e s h a b e n i h r e n P r e i s“
rechtigkeit“ formuliert lapidar: „[Der Begriff] „Soziale Gerechtigkeit“ besagt:
Angesichts real unterschiedlicher Ausgangsvoraussetzungen ist es ein Gebot
der Gerechtigkeit, bestehende Diskriminierungen aufgrund von Ungleich-
heiten abzubauen und allen Gliedern der Gesellschaft gleiche Chancen und
gleichwertige Lebensbedingungen zu ermöglichen.“ (Nr. 111)
Wichtig ist das Stichwort: „allen Gliedern der Gesellschaft“! Eine
Gesellschaft, die kaltblütig hinnimmt, daß in ihrer Mitte ein bestimmter
Prozentsatz von Menschen ausgegrenzt wird, braucht nicht mehr über soziale
Gerechtigkeit zu diskutieren. Es ist z.B. wichtig, daß bei Tarifverhandlungen
auch die Arbeitslosen und beim Weltwirtschaftsgipfel die Länder der so-
genannten dritten Welt mit am Tisch sitzen!
Ferner redet unser Text von „gleichwertigen Lebensbedingungen“.
Es bedarf in einem Gemeinwesen eines vorgegebenen Verständnisrahmens
für das, was ein Leben menschenwürdig und eine Gesellschaft human
macht:die Achtung der persönlichen Würde jedes einzelnen,die Möglichkeit
zur freien Selbstbestimmung für alle, nicht nur für wenige, die Chance
eines jeden zur Teilhabe am Arbeitsleben und den gesellschaftlichen Gütern,
die Beseitigung von bestehenden Ungerechtigkeiten u. a. mehr.
Es ist elementar wichtig,daß in einer Gesellschaft ein Grundkonsens
darüber existiert, was zu einem menschenwürdigen Leben gehört und daß
allen ein solches Leben ermöglicht werden muß.Wir dürfen
uns nicht vom Markt und seinen Gesetzen diktieren lassen,
was soziale Gerechtigkeit ist. Da hätte beispielsweise ein
Behinderter, eben ein „Zukurzgekommener“, keine Chance. Diesen darf
nicht „das Leben bestrafen“, wie das geflügelte Wort sagt, und das gilt
nicht nur für Personen, sondern vergleichsweise auch für Teilbereiche einer
D r. Jo a c h i m Wa n ke Soz ia le Gerecht igke i t
im Spannungsfe ld von Fre ihe i t und G le ichhe i t – Er wägungen e ines Theo logen
24D e u t s c h e F ra g e n
Was sozial gerecht ist, steht nicht
ein für allemal fest. Es muß
ständig neu definiert werden.
Gesellschaft, etwa für die neuen Bundesländer im Osten
mit ihren speziellen Problemen oder auch für die osteuro-
päischen Länder, die mit ihren vielfältigen Erblasten nach
einem Neuanfang suchen. Meine Sorge ist, daß in unserer Gesellschaft der
noch vorhandene Grundkonsens hinsichtlich zweier wichtiger Voraussetzun-
gen von sozialer Gerechtigkeit verlorengehen könnte:
I) Der Wille, alle am gesellschaftlichen Wohlstand teilhaben zu lassen, nicht
nur die Marktteilnehmer, und
2) ein Menschenbild, das nicht an der gesellschaftlichen Nützlichkeit, nicht
an Gruppenegoismen, nicht an der Breite der Konsummöglichkeiten, nicht
an Rassen- oder Klassenideologien sein Maß nimmt, sondern an einem
Humanum,das ethisch abgesichert ist.Vor der Sicherung der Freiheit und der
Forderung nach Gleichheit steht die Verständigung über diese beiden Punkte.
2. Soziale Gerechtigkeit setzt eine durch „Rahmenordnungen“
gebändigte Marktwir tschaft voraus.
Wir sind uns sicher darin einig: Soziale Gerechtigkeit kann nicht durch mora-
lische Appelle herbeigepredigt werden. Die moderne Gesellschaft besteht
aus relativ autonomen Subsystemen:Politik,Wirtschaft,Kultur, in denen unter
Wettbewerbsbedingungen und unter Konkurrenzdruck gehandelt wird, was
nachweislich am effektivsten die Entwicklung stimuliert und Lebensräume
erweitert. Diese Systeme, also z.B. die Wirtschaft, brauchen freilich eine
„Rahmenordnung“ mit gültigen, von allen anerkannten Regeln. Die These,
der Markt reguliere sich von selbst, ist m.E. falsch bzw. nur begrenzt richtig.
Natürlich bestraft der Markt Faulheit und Leistungsverweigerung. Aber er
kann auch korrumpieren und zur Manipulation verführen. Darum müssen
25D e u t s c h e F ra g e n
Wir dür fen uns nicht vom
Markt und seinen Gesetzen
diktieren lassen, was soziale
Gerechtigkeit ist.
beispielsweise Kartell-Absprachen und andere Verdrängungsstrategien, die
den Markt nicht mehr offen halten, verhindert werden, und zwar von außen.
Der Markt bedarf also einer „Rahmenordnung“, in der das freie
Spiel der marktwirtschaftlichen Kräfte so gesteuert wird, daß das Eigenin-
teresse nicht nur sich selbst bedient, sondern immer auch den anderen,auch
jene,die aus gerechten Gründen nicht am Markt teilnehmen
können. Man könnte sagen: Soziale Gerechtigkeit wird
durch gemeinnütziges Verhalten bewirkt, das auch mir
selbst zugute kommt.Der Ausfall von Gemeinnützigkeit darf sich nicht lohnen!
3. Was soz ia l gerecht is t , s teht n icht e in fü r a l lemal fest .
Es muß ständ ig neu def in ie r t werden.
Zur Zeit Jesu war es ein Denar – der Tageslohn, mit dem ein Tagelöhner sich
und seine Familie ernähren konnte.Wir sagten schon:Was sozial gerecht ist,
kann sich nicht von der Tugendgerechtigkeit her definieren lassen.Eine Mutter
wird immer ihr eigenes Kind zuerst bedenken und meinen, dabei gerecht zu
handeln. Es geht aber – bildlich gesprochen – um „alle Kinder“. In über-
schaubaren Gemeinschaften mag man vielleicht nach dem Prinzip verfahren
können „jeder nach seinen Bedürfnissen“ – etwa in einer Familie, in einem
Kloster oder Kibbuz, aber nicht in einer hochkomplexen und arbeitsteiligen
Gesellschaft. Das hat das gescheiterte Sozialismusexperiment wohl gründ-
lich genug nachgewiesen.
Was aber an sozial gerechten Ansprüchen und Pflichten geboten
ist, ist immer neu zu bestimmen. Unsere Ansprüche sind ohne Zweifel heute
gestiegen. Aber halten sie immer mit unseren Möglichkeiten Schritt? Frühere
Zeiten hatten noch nicht die ökologischen Probleme im Blick, auch nicht
D r. Jo a c h i m Wa n ke Soz ia le Gerecht igke i t
im Spannungsfe ld von Fre ihe i t und G le ichhe i t – Er wägungen e ines Theo logen
26D e u t s c h e F ra g e n
Soziale Gerechtigkeit kann
nicht durch moralische Appelle
herbeigepredigt werden.
die Fragen, die mit der globalen Vernetzung der Weltwirtschaft zusammen-
hingen. Früher reichte eine einzige Ausbildung, die in einem stabilen Beruf
für die ganze Lebenszeit Arbeit und Brot absicherte. Heute braucht es den
bleibenden Zugang zu beruflichen Weiterbildungs- bzw. Umschulungsmög-
lichkeiten, um dem flexibel gewordenen Arbeitsmarkt entsprechen zu
können. Sozial hinreichend gerecht war in der Ständegesellschaft vergangener
Jahrhunderte ein Versorgungsanspruch,abgesichert durch
einen Patron oder die Großfamilie.Heute bedarf es gestufter
Versicherungs- und Rentensysteme, die auch nach dem
Ausscheiden aus der Erwerbsarbeit ein menschenwürdiges
Leben ermöglichen. Sachverstand und demokratisch abgesicherter Konsens
müssen abklären, was für uns heute jeweils angemessen, „sozial gerecht“
(und bezahlbar!) ist.
4. F re ihe i t und G le ichhe i t s ind im Bl ick auf e ine gerechte
Soz ia lo rdnung ke ine abso luten A l ternat iven, sondern „ regu -
lat ive Ideen“, d ie wohl zue inander in Spannung stehen, aber
s ich gegense i t ig e rgänzen.
Die Vorgabe meines Themas durch den Veranstalter suggeriert den häufig
bemühten Gegensatz: freiheitlicher Liberalismus hier, sozialistische Gleich-
macherei da. Selbst in Wahlkampfzeiten ist wohl den meisten klar, daß eine
solche Alternative zu einfach ist. Ohne Zweifel gibt es einen – besonders in
britischen Denktraditionen verwurzelten – Utilitarismus, der meint, in der
größten Maximierung des individuellen Nutzens komme auch die Gesell-
schaft insgesamt zu ihrem Recht. Man müsse nur dem einzelnen genügend
Freiraum geben,dann würde auch das Wohl aller am besten gefördert.Gegen
27D e u t s c h e F ra g e n
Ohne Zweifel ist es eine Illusion
zu meinen, es gäbe so etwas wie
eine absolute Gleichheit in den
Lebensbedingungen der Menschen.
diese und ähnliche Modelle von Gerechtigkeit muß festgehalten werden:Die
Freiheit für Einzel- und Gruppeninteressen muß zusammengehen mit der
Absicherung,daß Ungleichheiten (die unaufhebbar und wohl auch notwendig
sind) nicht den Zugang zu Grundfreiheiten und zu Grundgütern für alle ver-
stellen. Ich möchte das kurz erläutern. Ohne Zweifel ist es eine Illusion zu
meinen, es gäbe so etwas wie eine absolute Gleichheit in den Lebensbe-
dingungen der Menschen.Es gibt eine moralische Gleichheit aller Menschen,
begründet in ihrer Personalität und ihrer Gottesbeziehung. Es muß Gleich-
heit vor dem Gesetz geben, was uns gottlob heute selbstverständlich ist. Es
sollte Chancengleichheit geben, aber schon das ist nur bedingt zu verwirk-
lichen. Ein Beinamputierter bleibt benachteiligt – auch beim besten Willen
seiner Umwelt, ihm in jeder Hinsicht beizustehen. Die Forderung nach strikter
sozialer Gleichverteilung aller Güter schließlich ist unsinnig, ja kontrapro-
duktiv. Gerechtigkeit kann nicht darin bestehen, daß es allen gleich schlecht
geht. Erzwungene Egalisierung kann selbst wieder ungerecht sein. Sie wird
nicht der notwendigen Rollenverteilung von Aufgaben und Ämtern in einer
Gesellschaft gerecht.Und sie übersieht zudem die Schwäche und Sündhaftig-
keit der menschlichen Natur, die wohl nicht nur Theologen konstatieren.
Aber gerade deshalb ist gegen einen hemmungslosen Neolibera-
lismus zu sagen: Die soziale Gerechtigkeit verlangt,
I) daß jede Person denselben, für alle gleichen, unverbrüchlichen Anspruch
auf einen angemessenen Bestand von Grundfreiheiten und Grundgütern und
den Erwerb von Grundfähigkeiten hat und daß
2) die (aus objektiven Gründen) am wenigsten begünstigten Mitglieder der
Gesellschaft die besseren Chancen für den Erwerb und Erhalt dieser Frei-
heiten, Güter und Kompetenzen bekommen.
D r. Jo a c h i m Wa n ke Soz ia le Gerecht igke i t
im Spannungsfe ld von Fre ihe i t und G le ichhe i t – Er wägungen e ines Theo logen
28D e u t s c h e F ra g e n
29D e u t s c h e F ra g e n
„A b s o l u t e G l e i c h h e i ti s t e i n e I l l u s i o n“
Natürlich ist ein Markt etwas Unpersönliches, auf den Verteilungsgerechtig-
keit nicht anzuwenden ist, wie uns liberale Ökonomen belehren. Aber dieser
Markt findet eben unter Rahmenbedingungen statt, die sehr wohl von
Menschen beeinflußbar sind, etwa daß nicht am Ende (!), sondern von
Beginn an Eigentum (auch an Produktionsmitteln) breit gestreut wird oder
der Zugang aller zu Bildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten gesichert
bleibt oder das Existenzminimum garantiert oder die politische Dominanz
der Kapitaleigentümer verhindert wird, um nur einige konkrete Forde-
rungen zu nennen.
Meine Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit ist nicht die Devise,
die seinerzeit in Preußen auf dem Orden vom „Schwarzen Adler“ zu lesen
war:„Suum cuique!“ – „Jedem das Seine!“ So unbezweifelbar Gerechtigkeit das
Recht des einzelnen im Blick haben muß, so notwendig darf sie nicht die
soziale Verfaßtheit des Menschen aus dem Blick verlieren. Eine bessere
Devise für Gerechtigkeit wäre das lateinische Wort „Inter-
esse“,die Haltung des solidarischen Miteinanders, mit der
jeder mit dem Seinen für den anderen, für die Gemein-
schaft eintritt – als frei handelnde Person, mit seinen (ab-
gestuften, begrenzten) Möglichkeiten, aber in einer Solidarität, die auch
letztlich ihm selbst zugute kommt. Damit habe ich schon die Grundprin-
zipien einer christlich inspirierten Sozialethik angesprochen: Personalität,
Subsidiarität, Solidarität und Gemeinwohl. Heute müßte man wohl noch
hinzufügen: das Prinzip der Nachhaltigkeit (wir müssen bei unserem Han-
deln stets das Wohl der kommenden Generationen mit im Auge haben).
Sozial gerecht ist, was auch den anderen leben läßt – und die Generationen,
die nach uns kommen.
D r. Jo a c h i m Wa n ke Soz ia le Gerecht igke i t
im Spannungsfe ld von Fre ihe i t und G le ichhe i t – Er wägungen e ines Theo logen
30D e u t s c h e F ra g e n
Sozial gerecht ist , was auch
den anderen leben läßt –
und die Generationen, die
nach uns kommen.
Ich deute zum Schluß nur an, daß das Spannungsgefüge zwischen Freiheit
und Gleichheit, besser: zwischen meinen Lebensmöglichkeiten und denen
anderer,heute einen über unser Land hinausgehenden,europa- ja weltweiten
Kontext erhalten hat. Es geht heute – um nur Stichworte für die nachfolgende
Diskussion zu nennen – nicht nur um den Finanztransfer Ost oder um den
Länderfinanzausgleich innerhalb der Bundesrepublik, es geht um die wirt-
schaftliche Stabilität Osteuropas,um eine gerechte,weltweite Zollpolitik,um
die Entschuldung der armen Länder des Südens u. a. mehr. Nicht zuletzt da
muß sich erweisen, ob die regulativen Ideen Freiheit und Gleichheit die
Kraft haben, sich gegenseitig in Balance zu halten – zum Nutzen einer
Gerechtigkeit, die das Attribut „sozial“ verdient.
31D e u t s c h e F ra g e n
32D e u t s c h e F ra g e n
D r. B e r n h a rd Vo g e l
Einigkeit und Recht und Freiheit –Deutschland am Vorabend des 2I. Jahrhunderts
Verehrter Herr Dr.Weber, sehr verehrter Herr Bischof,
Herr Dr. Glotz, Herr Prof. Sinn,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich, daß der
Bundesverband deutscher Banken das erste Symposium
dieser neuen Veranstaltungsreihe hier zusammen mit der
Universität Erfurt durchführt. Ich danke dem Banken-
verband dafür.
Sie haben dieses Symposium unter ein sehr
anspruchsvolles Thema gestellt: „Was ist soziale Gerechtig-
keit? Was ist Gerechtigkeit?“ Es überrascht dabei zunächst,
daß sich ein Bankenverband mit dieser Frage beschäftigt,
denn dieses Thema steht nicht sui generis auf der Agenda der Betätigungs-
felder von Banken. Aber in einer offenen,demokratischen Gesellschaft ist die
Frage nach sozialer Gerechtigkeit natürlich und – das ist gerade schon
angedeutet worden – nicht nur ein thematisches Privileg für hauptamtliche
Fachleute. Das Thema geht uns alle an.
Wenn wir eine Antwort auf die Frage „Was ist soziale Gerechtig-
keit?“ geben wollen, bedarf es wohl zunächst einer Positionsbestimmung
kurz vor dem Ende dieses Jahrhunderts.
Eine Antwort ist schwierig.Weil es keine eindeutige Antwort gibt.
So viel aber ist gewiß:Wir stehen vor einer gewaltigen Herausforderung,auch
hinsichtlich unserer sozialen Verpflichtungen. Und wenn Herausforderungen
bevorstehen, ist Anstrengung notwendig und nicht Bequemlichkeit.
Trotz positiver Signale und einer sich abzeichnenden Veränderung
auf dem Arbeitsmarkt – die Zahlen sprechen für sich – sind dringend eine
Dr. Bernhard VogelMinisterpräsident des Landes Thüringen
Entlastung des Arbeitsmarktes und eine Entlastung der Kassen für die soziale
Sicherung geboten. Alle Fragen nach mehr Beschäftigung und Zukunft
unserer sozialen Sicherungssysteme werden automatisch verknüpft mit der
Frage der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit, und sie
ist im Zusammenhang mit dem Verlauf der globalen ökono-
mischen Prozesse zu sehen.
Es besteht kein Zweifel,daß die Welt sich öffnet,
daß die Welt zusammenrückt. Kapital und Wissen sind in Minutenschnelle
verfügbar. Wir sind mit dem Zeitalter des Wissens, der Informationen
konfrontiert. Und diese Entwicklung ist irreversibel. Man kann nicht fragen,
wollen wir das oder wollen wir das nicht! Sie ist irreversibel. Die Folgen:
Unternehmer wie Politiker sind immer stärker einem internationalen Wett-
bewerb ausgesetzt. Unternehmer konkurrieren um Kunden. Nationen,
Länder,Regionen,Kommunen konkurrieren um Investoren und Kapitalgeber.
Damit wird die soziale Gerechtigkeit auch von den äußeren Umständen und
Faktoren abhängig.Wenn die Frage,wieviel Sozialstaat wir uns leisten können,
allein von der wirtschaftlichen Leistungskraft einer Region abhängig gemacht
würde, dann würden wir uns von jeder gegenseitigen Verantwortlichkeit,
würden wir uns von den Prinzipien des Sozialstaatsgebotes, wie das Grund-
gesetz es uns vorschreibt, verabschieden.
Wo stehen wir heute? Unsere Lage ist von Veränderungen geprägt,
durch Reformen, durch die Notwendigkeit zur Innovation. Zugleich hat
Walter Riester, der stellvertretende IG-Metall-Vorsitzende, in einem Interview
unlängst festgestellt, er erlebe in Deutschland über die Parteien und ge-
sellschaftlichen Gruppen hinweg „einen ungeheuren Konservatismus bei
Strukturfragen“.
33D e u t s c h e F ra g e n
Das Ziel ist eine mensch-
liche Gesellschaft und nicht
eine Gesellschaft, in der das
Recht des Stärker en gi l t .
Ich will das Wort konservativ nicht auf die Waagschale legen. Er meint hier
sicher ein ungeheures Beharrungsvermögen,ob bei der Rentenversicherung
oder der Krankenversicherung, ob beim Tarifrecht oder beim Arbeitsrecht,
bei Steuersubventionen oder der Forschungsförderung, selbst im Bereich
der staatlichen Handlungen bei Deregulierung oder Dienstrechtsreform.
Überall stehen die Reformer wie einsame Rufer in der Wüste einer Phalanx
von Strukturbewahrern und Status-quo-Experten gegenüber, deren einziges
Ziel es ist, die Besitzstände ihrer jeweiligen Klientel bis zum letzten zu verteidi-
gen. Darin sind wir in der Tat Meister. Die FAZ verglich in einer sehr schönen
Metapher einmal die gegenwärtige Stimmungslage mit der „Vertreibung
aus dem Paradies“. Jeder fürchtet, aus dem Paradies vertrieben zu werden.
Ich füge hinzu:Wir hier in den neuen Ländern haben Veränderungs-
bereitschaft und Fähigkeit zur Anpassung unter dem Druck der Verhältnisse
in hohem Maß bewiesen.Und mancher in den alten Ländern könnte von den
Menschen hier diesbezüglich einiges lernen. Ich könnte mir vorstellen, auch
nur die Hälfte unserer Veränderungen hätten im Westen zu Aufständen
geführt. Ich mache allerdings darauf aufmerksam:Auch hier sind die Verände-
rungen ja nicht freiwillig durchgeführt worden, sondern unter dem zwingen-
den Druck unhaltbarer Verhältnisse, die die Veränderungen ausgelöst haben.
Deswegen waren sie möglich.
Angesichts der Dimension des Umbruchs, der wir heute gegen-
überstehen, werden Veränderungsbereitschaft und Flexibilität zu Kardinal-
tugenden. Wir müssen begreifen, daß wir uns inmitten eines großen
Umbruchprozesses, im vielleicht sogar größten Strukturwandel befinden –
und das keineswegs nur in Deutschland, sondern überall auf dieser Welt.Wir
stehen am Übergang von der klassischen Industriegesellschaft zur modernen
D r. B e r n h a rd Vo g e l Ein igke i t und Recht und Fre ihe i t –
Deutsch land am Vorabend des 2I . Jahrhunder ts
34D e u t s c h e F ra g e n
35D e u t s c h e F ra g e n
„M i t G e m e i n s i n n i n d i e Z u k u n f t“
Dienstleistungs-,Wissens-, Informations- und Kommunika-
tionsgesellschaft.
Manche unserer Nachbarn sind uns voraus,was
die Reformfähigkeit und die Reformbereitschaft betrifft,
etwa in Holland, Dänemark, Österreich, da und dort auch in Großbritannien, in
einigen Bereichen auch in Frankreich. Das hat ein bißchen damit zu tun, daß
wir uns in Deutschland sehr gerne mit zweitrangigen Themen so intensiv
befassen, daß wir für die wirklich erstrangigen keine Zeit mehr haben.
Wir brauchen zunächst einmal mehr Leistungsbereitschaft, denn
ohne Leistung ist kein Erfolg und kein wirtschaftlicher Aufschwung möglich.
Und ohne Leistung ist natürlich auch keine soziale Gerechtigkeit möglich.
Bereitschaft zum Lernen, zum lebenslangen Lernen, Offenheit für Innovationen
ist eine wichtige Voraussetzung, um Veränderungen zu ermöglichen. Dazu
gehört auch, daß Wissenschaft und Wirtschaft mehr als bisher zusammen-
arbeiten, um rascher Entwicklungen zu erkennen und Ergebnisse von
Wissenschaft und Forschung in marktfähige Produkte umzusetzen. Und von
dieser Umsetzung hängt es nicht zuletzt ab,ob neue Arbeitsplätze in unserem
Gemeinwesen geschaffen werden können.
Wir wollen eine menschliche Gesellschaft, keine Gesellschaft, in
der das Recht des Stärkeren gilt.
Eine menschliche Gesellschaft baut auf soziale Gerechtigkeit,
baut auf ein intaktes Verhältnis zwischen den Generationen,baut auf Solidarität,
baut auf Subsidiarität, hat das Bonum commune mit im Blick und das Ver-
antwortlichsein für den Nächsten. Das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft
geht von klaren Wertvorstellungen aus. Ludwig Erhard war weniger ein
Wirtschaftspolitiker als ein Wirtschaftsethiker. Die Diskussion aber über
D r. B e r n h a rd Vo g e l Ein igke i t und Recht und Fre ihe i t –
Deutsch land am Vorabend des 2I . Jahrhunder ts
36D e u t s c h e F ra g e n
Wir brauchen eine neue Kultur
gelebter Solidarität. Nicht alle
Probleme lassen sich mit Geld
lösen; staatliche Hilfe kann pri-
vates Engagement nicht ersetzen.
Werte in Deutschland,über die ethische Substanz von Wirtschaft und Gesell-
schaft spielt nach meiner Meinung in der Reformdiskussion unserer Tage
eine zu geringe Rolle.
Eine Gesellschaft, die verstärkt auf Eigenverantwortung setzt,
muß – will sie nicht eine Gesellschaft von Egoisten werden – Werte und
Grundhaltungen wie Mitgefühl, Opferbereitschaft, Verantwortung für die
anderen,Solidarität,Gemeinsinn,Nachbarschaftsgeist hochhalten und fördern.
Eigenverantwortung darf nicht heißen:Wenn jeder an sich selbst denkt, ist
an alle gedacht. Es sind übrigens Werte, die in den USA beispielsweise der
amerikanische Philosoph und Soziologe Etzioni in seinem berühmt gewor-
denen Werk „Die Entdeckung des Gemeinwesens“ aufgreift. Seine Ideen
fanden in den USA viel Zustimmung: Eine freie und auf Effizienz ausge-
richtete Gesellschaft ist fordernd und anstrengend, aber nicht zwangsläufig
unmenschlich und kalt. Ihre Menschlichkeit entscheidet sich an den Wert-
vorstellungen,an der ethischen Substanz und an den moralischen Maßstäben.
Unser Gemeinwesen muß über das gesellschaftliche Klima stärker
nachdenken, als das in der Vergangenheit in Deutschland geschehen ist.
Dazu gehört selbstverständlich auch, daß über die sozialen Sicherungssysteme
nachgedacht werden muß. Die Absicherung der Schwachen bleibt eine
Nagelprobe für die Humanität in der Gesellschaft.Dies müssen wir uns 1600
Jahre nach dem Tod des Martin von Tours vor Augen halten. Nur hat die
Absicherung der Armen eigentlich keine nationalen Grenzen. Ich halte es
nicht für zulässig, daß wir ausschließlich aus deutscher Sicht definieren, was
Armut ist, und die Armut ein paar Kilometer jenseits unserer Grenzen mit
völlig anderen Maßstäben messen. Das macht es so schwer, Sozialpolitik auf
der Ebene der Europäischen Union zu betreiben, weil wir dann anerkennen
37D e u t s c h e F ra g e n
müßten, daß ein mittleres Maß sozialer Gerechtigkeit innerhalb der EU eine
erhebliche Reduzierung der Hilfe für die Deutschen beinhalten würde. Das
wagt niemand auszusprechen, das wagt niemand zu diskutieren.
Infolge der Liberalisierung des Handels, des Verkehrs, der Geld-
märkte und infolge der offenen Grenzen durchbricht die Wirtschaft immer
stärker den nationalstaatlichen Rahmen. Durch die weltweit verzweigte
Kommunikation – Stichwort Internet – wird der Übergang von einer natio-
nalen zu einer globalen Ökonomie erzwungen und erzeugt eine internationale
soziale Frage.Letztlich brauchen wir darauf auch früher oder später zwingend
eine internationale Antwort.
Ich plädiere dafür, den Begriff Globalisierung nicht nur für die
ökonomischen Prozesse zu gebrauchen. Die Folgen von Globalisierung
erleben wir auch beim Wegfall der Grenzen. Die neue Herausforderung für
Sicherheit, die neuen Herausforderungen für alle anderen Bereiche sind
damit ebenso angesprochen und nicht etwa nur der Bereich der Ökonomie.
Seit 1992 ist die Job-Mobilität innerhalb Europas, die Zahl der
Menschen eines EU-Landes, die in einem anderen Mitgliedsstaat arbeiten,
nicht etwa gestiegen, sondern gesunken.Nach Schätzungen des Statistischen
Amtes der Europäischen Kommission arbeiteten 1995 2,5 Millionen Europäer
in einem anderen EU-Land. 1992, als Europa noch drei Länder weniger zählte
als heute, waren es 2,6 Millionen, also mehr als heute.
Der Binnenmarkt funktioniert für Waren und demnächst wohl
auch mit der gemeinsamen Währung, aber er funktioniert noch nicht für die
Menschen. Fazit aus dieser Bemerkung: Ohne höhere Mobilität und Flexi-
bilität im Denken und Handeln werden wir die überbordenden Sozialkosten
nicht senken und die Arbeitslosigkeit nicht abbauen können.Und deswegen
D r. B e r n h a rd Vo g e l Ein igke i t und Recht und Fre ihe i t –
Deutsch land am Vorabend des 2I . Jahrhunder ts
38D e u t s c h e F ra g e n
müssen die Rahmenbedingungen der öffentlichen Hand an die neue Lage
angepaßt werden. Wenn etwa ein Drittel des BIP für soziale Zwecke aufge-
wendet wird im weitesten Sinn,dann muß die Frage erlaubt sein,ob das Geld
auch dorthin kommt, wo es hinkommen soll. Mit dieser Frage ist die eigent-
liche Aufgabe des Umbaus des Sozialstaates gemeint. Bei allem, was bei uns
in Deutschland geleistet wurde und geleistet werden muß,gilt:Geld allein löst
die Probleme nicht. Staatliche Förderung kann immer nur einen begrenzten
Teil der Hilfe leisten, die notwendig ist. Sie kann weder unternehmerisches
Engagement noch Innovationsfähigkeit, noch die Frage ersetzen, ob der
Nachbar für den Nachbarn genug tut.
Aufgrund der hohen Kosten für die Sozialversicherung in
Deutschland haben die Tarifpartner darauf aufmerksam gemacht, daß die
Lohnnebenkosten zu hoch sind.
Wir müssen in dieser Schlüsselfrage für die Zukunft des Standorts
Deutschland, sprich Senkung der Unternehmensbesteuerung, Senkung der
Lohnnebenkosten, durch Reduzierung der Kosten zu
Synergieeffekten gelangen. Wir brauchen die Leistungs-
bereitschaft der Menschen, ihren Leistungswillen und die
Bereitschaft, sich selbständig zu machen. Gerade auch um
der sozialen Gerechtigkeit willen.Wir brauchen vor allem
bei der jungen Generation die Bereitschaft zur Selbständig-
keit.Sie ist eine notwendige Voraussetzung dafür,daß neue
Arbeitsplätze entstehen und daß damit auch die Möglich-
keit wächst, den Schwachen zu helfen.
Die Sozialpartnerschaft zwischen Staat und freien Trägern,wie sie
in Deutschland und in einigen anderen Mitgliedsstaaten der EU besteht, darf
39D e u t s c h e F ra g e n
Im Zeitalter der Globalisie-
rung wird soziale Gerechtig-
keit zunehmend auch von
äußeren Faktoren abhängig.
Ohne Leistung und Lei-
stungsbereitschaft der Men-
schen ist dabei auch die
Verwirklichung sozialer Ge-
rechtigkeit nicht möglich.
nicht durch europäisches Recht eingeschränkt werden. Soziale Hilfe bedarf
nicht allein der behördlichen Ausprägung, sondern sie muß die unter-
schiedlichsten Initiativen, die in heutigen Formen der Solidarität lebendig
werden können, berücksichtigen. Wir brauchen auch eine neue Kultur
gelebter Solidarität.
Kein Zweifel: Einiges ist bei uns, was das betrifft, nicht im Gleich-
gewicht. Die sozialpolitischen Maßnahmen müssen stärker auf diejenigen
konzentriert werden, die der Hilfe wirklich bedürfen. Es ist vor allem not-
wendig, diese Hilfe zu geben mit dem Ziel, daß sie morgen überflüssig wird,
und nicht, daß sie sich verstetigt und lebenslang beibehalten wird. Es sind
die Elemente der Eigenvorsorge in der sozialen Sicherung zu verstärken. In
diesem Zusammenhang ist es notwendig, den Mißbrauch innerhalb der
sozialen Sicherungssysteme stärker einzudämmen. Der Sozialstaat darf nicht
abgebaut, aber er muß umgebaut und er muß auch im Hinblick auf unsere
Nachbarn weiterentwickelt werden.
Die Chinesen haben für Risiko und für Chance das gleiche Wort.
Ich glaube, das ist ein ermutigender Hinweis darauf, daß die Herausforde-
rungen eben nicht nur Risiken bedeuten, sondern auch außerordentlich
große Chancen, die es zu nutzen gilt.
Wir werden wohl nie voll befriedigende soziale Gerechtigkeit
haben. Soziale Gerechtigkeit ist ein Erfordernis, um das man sich immer neu
bemühen muß. Und wir haben allen Anlaß, aus einer ganzen Reihe von
Gründen, dieses Bemühen zu verstärken. Es ist ein gutes Zeichen, daß die
privaten Banken der Bundesrepublik Deutschland uns dabei unterstützen.
D r. B e r n h a rd Vo g e l Ein igke i t und Recht und Fre ihe i t –
Deutsch land am Vorabend des 2I . Jahrhunder ts
40D e u t s c h e F ra g e n
41D e u t s c h e F ra g e n
„O h n e L e i s t u n g d e r M e n s c h e nk e i n e s o z i a l e G e r e c h t i g k e i t“
42D e u t s c h e F ra g e n
P r o f . D r. H a n s - We r n e r S i n n
Wo bleibt die Arbeit? – Eine wirtschaftspolitische Bilanz nach acht Jahren deutscher Einheit
Magnifizenz, sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
Herr Bischof Wanke, Herr Dr.Weber und sehr geehrter Herr
Landeszentralbankpräsident, meine Damen und Herren!
Soziale Gerechtigkeit ist das Thema dieser Tagung,
und mir ist die Aufgabe zugedacht, in diesem Zusammen-
hang über die Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern
zu reden und auch eine kurze wirtschaftspolitische Bilanz
der Vereinigungspolitik zu ziehen. Ich fühle mich als Ökonom
eigentlich nicht sehr kompetent, was die Definition der
sozialen Gerechtigkeit betrifft, indes kann ich etwas zu den
Zielkonflikten zwischen Gerechtigkeit und Effizienz, zwischen
den verschiedenen Dimensionen der Gerechtigkeit sagen.
Im Mittelpunkt meiner Überlegungen steht der
Zusammenhang zwischen Lohnhöhe und Beschäftigung, denn ich gehe ein-
mal davon aus, daß hier die beiden wichtigsten Ansatzpunkte für die soziale
Gerechtigkeit liegen.Die Bürger der neuen Länder,die die Last des verlorenen
Krieges praktisch alleine getragen haben, haben es verdient, daß ihnen ein
sicherer Arbeitsplatz bei einem hohen, dem Westniveau entsprechenden
Lohn zur Verfügung gestellt wird. Das Problem ist nur, daß es in der Markt-
wirtschaft niemanden gibt, der direkt für Löhne oder Beschäftigung verant-
wortlich ist. Es liegt im Wesen der Marktwirtschaft, daß die Politik für diese
Größen nicht unmittelbar zuständig ist. Sie ist allenfalls mittelbar zuständig,
indem sie den Gesetzesrahmen für privatwirtschaftliche Aktivitäten schaffen
und eine öffentliche Infrastruktur zur Verfügung stellen muß, die es den
privaten Firmen erlaubt, erfolgreich tätig zu werden.Wie hoch der Lohn sein
kann und wie hoch die Beschäftigung ist, das wird durch die Marktkräfte
Prof. Dr. Hans-Werner SinnCenter for Economic Studies,Universität MünchenVorsitzender des Vereins für Socialpolitik
bestimmt.Wunschdenken hilft hier nicht weiter. Die beiden Größen stehen
in einem ziemlich festen, ja ich würde schon fast sagen naturgesetzlichen
Zusammenhang zueinander, den man als gegeben hinnehmen muß. Die
Marktwirtschaft funktioniert nach ähnlich festen Gesetzen
wie die Physik. Man kann ein Haus nicht gegen die Gesetze
der Statik bauen,und man kann eine Maschine nicht gegen
die Gesetze der Mechanik konstruieren, jedenfalls läuft sie dann nicht. Es
wundert mich immer wieder, wenn ich sehe, wie viele Menschen davon
überzeugt sind, man könne soziale Gerechtigkeit gegen die Gesetze der
Marktwirtschaft durchsetzen. In Wahrheit geht das natürlich überhaupt
nicht. Man muß soziale Gerechtigkeit anstreben, aber man muß es mit und
nicht gegen den Markt tun.
Die Wirtschaftspolitik nach der deutschen Vereinigung hat dieses
nach meiner festen Auffassung nicht wirklich beherzigt. Es wurden zu viele
Entscheidungen getroffen oder auch nur akzeptiert, die mit den Gesetzen
des Marktes nicht vereinbar waren. Das ist das Thema meines Vortrages.
Ich werde erstens eine kurze Bilanz der Wirtschaftsentwicklung
ziehen, zweitens das Lohnproblem diskutieren und drittens auf mögliche
Auswege aus der prekären Lage auf dem Arbeitsmarkt zu sprechen kommen.
Es war ja ein hoffnungsvoller Beginn nach der deutschen Vereinigung.
Blühende Landschaften nach drei, vier, fünf Jahren wurden uns versprochen.
In der Tat: Man sieht die Blüten. Man sieht, daß es eine stürmische Erneue-
rung der Stadtkerne in Ostdeutschland gegeben hat,daß die Infrastruktur auf
Vordermann gebracht wurde und daß ein hohes Konsumniveau realisiert
wird. Es hat sich wirklich vieles zum Besseren gewandelt. Indes wurde und
wird ein zu geringer Teil der sichtbaren Leistungen in den neuen Bundes-
43D e u t s c h e F ra g e n
Man muß soziale Gerechtigkeit
anstreben, aber man muß es mit
und nicht gegen den Markt tun.
ländern selbst erbracht. Die Arbeit bleibt aus, und das hohe Niveau der
sichtbaren Leistungen wird zum großen Teil durch die laufenden Transfers
aus Westdeutschland sichergestellt.
Ich möchte Ihnen dazu ein Diagramm zeigen, das, so glaube ich,
die Problematik in aller Deutlichkeit zeigt. Sie sehen die Entwicklung des
Bruttoinlandsproduktes der neuen Länder von 1990 bis 1997 in der grünen
Kurve. Das Bruttoinlandsprodukt ist das Maß für die wirtschaftliche Lei-
stung,die in den neuen Ländern selbst erbracht wird.Und oben, in der roten
Kurve, sehen Sie die Entwicklung der Inanspruchnahme von Gütern und Lei-
stungen für private und öffentliche Zwecke in den neuen Bundesländern.
Man nennt diese Größe Absorption. Im letzten Jahr lag die Absorption bei
600 Milliarden DM. Erzeugt wurden hiervon nur 400 Milliarden DM. Das
heißt, der Verbrauch der Haushalte, der Investoren und des Staates lag um
50 % über der eigenen Erzeugung.
P r o f . D r. H a n s - We r n e r S i n n Wo b le ibt d ie Arbe i t? –
E ine wi r tschaf tspo l i t ische B i lanz nach acht Jahren deutscher E inhe i t
44D e u t s c h e F ra g e n
}700
600
500
400
300
200
I00
0
Absorption
Überschuß-absorption
2I0
6I3
79
I30
404BIP
Mrd. DM
90 9I 92 93 94 95 96 97Jahr
Abb. 1Die Überschuß-absorption derneuen Länder
Private Kapitalimporte
Öffentliche Transfers
Das ist eine Situation,die so nicht aufrechtzuerhalten ist.Das Ausmaß, in dem
die neuen Länder auf Zuwendungen vom Westen angewiesen sind,übersteigt
das, was man noch als nachhaltig, um dieses Wort von Bischof Wanke zu ver-
wenden, bezeichnen kann.
Das Geld kommt zum Teil aus privaten Quellen: 80 Milliarden des
Überschusses sind private Kapitaltransfers. Aber der Löwenanteil in Höhe
von 130 Milliarden sind Transfers über die öffentlichen Haushalte, die zu
einem Teil für die Schaffung einer neuen Infrastruktur, zum überwiegenden
Teil aber für Subventionen und für soziale Zwecke verwendet werden. Das
Transfervolumen ist pro Kopf gerechnet das Zweieinhalbfache des ver-
fügbaren Einkommens eines Polen.
Ich glaube nicht, daß Westdeutschland ein Transfervolumen in
diesem Umfang dauerhaft wird finanzieren können. Bislang sind die Lasten
im Westen zwar noch nicht zu spüren gewesen,denn wir haben die Transfers,
die sich mittlerweile auf cum grano salis 1.000 Milliarden summieren, durch
Staatsverschuldung finanziert. Die Staatsschulden lagen im Jahre 1989 bei
900 Milliarden DM,und jetzt liegen sie bei 2.200 Milliarden DM.Aber so kann
das nicht weitergehen. Ich glaube nicht, daß wir uns eine ähnliche Ver-
schuldungspolitik wie in der Vergangenheit dauerhaft werden leisten können.
Wir müssen ja auch an zukünftige Generationen denken und können nicht
nur immer die Lasten der Vereinigung in die Zukunft schieben.Es muß etwas
geschehen, damit die neuen Länder nun wirklich auf ihre eigenen Beine
kommen und der vielzitierte, sich selbst tragende Aufschwung einsetzt.
Das Wohlstandsniveau, das mit Hilfe der Transfers erzeugt wurde,
ist hoch. Wenn man die neuen Länder mit allen anderen Ländern des ehe-
maligen Ostblocks vergleicht, so sieht man, daß das Realeinkommen ein
45D e u t s c h e F ra g e n
Vielfaches dessen beträgt, was anderswo realisiert wurde. Aber das Pro-
blem ist der Arbeitsmarkt. Die gesamte Beschäftigung ist auf etwa 60 % des
ursprünglichen Wertes gefallen – und im Bereich des verarbeitenden Gewerbes
sogar auf 20 %.Vier von fünf Arbeitsplätzen im Bereich des verarbeitenden
Gewerbes sind ersatzlos verschwunden.
Manchmal wird behauptet, das sei insofern kein Problem, als der
Beschäftigungsstand aufs Tausend der Bevölkerung gerechnet nicht viel
niedriger als in Westdeutschland sei. Dem kann ich nicht folgen, denn in den
neuen Ländern ist der Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung
größer als in Westdeutschland. Das liegt zum einen an dem größeren Anteil
junger Menschen, zum anderen an der höheren Erwerbsneigung der Frauen.
Mit der Devise „Heim an den Herd!“ läßt sich die Proble-
matik nicht beiseite schaffen. Im übrigen sind, großenteils
wegen der Arbeitslosigkeit, seit der Vereinigung brutto
über zwei, netto mehr als 1,2 Millionen Menschen in den
Westen gewandert,und viele sind dadurch aus der Arbeits-
losenstatistik verschwunden, daß sie in staatlichen Arbeitsbeschaffungs-
programmen untergebracht wurden.
Die Arbeitslosigkeit ist kein allgemeines Phänomen. Der Dienst-
leistungssektor hat sich gut entwickelt und hat vielen Menschen Arbeit und
Brot gegeben. In den Jahren nach der Vereinigung hat zunächst die Bau-
industrie stark floriert. Der Boom ist inzwischen zwar zu Ende gegangen,
weil die steuerlichen Fördermaßnahmen zurückgegangen sind, doch ist das
Beschäftigungsniveau in diesem Sektor immer noch hoch.Große Hoffnungen
setzt man neuerdings auf das verarbeitende Gewerbe,wo in letzter Zeit hohe
Zuwachsraten zu verzeichnen sind. Allerdings ist das Niveau, von dem aus
P r o f . D r. H a n s - We r n e r S i n n Wo b le ibt d ie Arbe i t? –
E ine wi r tschaf tspo l i t ische B i lanz nach acht Jahren deutscher E inhe i t
46D e u t s c h e F ra g e n
Die Arbeit bleibt aus, und das
hohe Niveau der sichtbaren Lei-
stungen wird zum großen Teil
durch die laufenden Transfers
aus Westdeutschland sichergestellt.
der Zuwachs gemessen wird, außerordentlich niedrig. Der ostdeutsche
Anteil der Erwerbstätigen im verarbeitenden Gewerbe liegt immer noch
um 13 Prozentpunkte unter dem entsprechenden west-
deutschen Wert. Der Nachholbedarf ist unverändert hoch.
Umfangreiche Beschäftigungsmöglichkeiten
bieten in den neuen Ländern vor allem der öffentliche
Dienst und die Sozialversicherungsträger. Der Beschäfti-
gungsanteil in diesen Sektoren ist im Osten sehr viel höher als im Westen.
Leider ist aber die Beschäftigung beim Staat nicht gerade eine besonders
sinnvolle Lösung des Problems.
Wie kam es zu der Massenarbeitslosigkeit im Bereich der verarbei-
tenden Industrie? Es wird von politischer Seite immer darauf hingewiesen,
daß der Zusammenbruch der Ostmärkte an erster Stelle der Erklärungsfaktoren
zu nennen sei. Ich bin anderer Meinung, und zwar aus zwei Gründen.
Erstens sind ja auch die Westmärkte für ostdeutsche Produkte
zusammengebrochen, wenn man so will. Die DDR hatte fleißig über den
innerdeutschen Handel in den Westen exportiert. Die Exportquote war
höher als die westdeutsche, und die Hälfte ihres Exportes ging nach West-
europa.Wieso wurden die alten Geschäftsbeziehungen nicht fortgesetzt?
Und zweitens paßt der Erfolg mancher osteuropäischer Länder
nicht zur These von den zusammenbrechenden Märkten.Westungarn ist zur
Zeit die am stärksten wachsende Region ganz Europas. Polen hat ein
beständig hohes Wirtschaftswachstum gehabt, welches sich auch auf dem
Arbeitsmarkt niedergeschlagen hat. Die alten Märkte für polnische und
ungarische Firmen sind zwar weggebrochen, aber da man billige Produkte
anbieten konnte, sind schnell wieder neue entstanden. Das Problem der neuen
47D e u t s c h e F ra g e n
Die Staatsschulden lagen im
Jahre 1989 bei 900 Milliar-
den DM, und jetzt liegen sie
bei 2.200 Milliarden DM. So
kann das nicht weitergehen.
Länder ist nicht das Wegbrechen der Märkte,sondern die mangelnde Fähigkeit,
Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen zu erzeugen.Märkte gibt es immer,
wenn man ein für den Käufer attraktives Angebot machen kann.
Polens Weg muß man wirklich bewundern. Die Polen haben ganz
unten angefangen und steigen nun langsam, Jahr für Jahr, nach oben. Die
Menschen sind dort glücklich über den kleinen Zuwachs, den sie erfahren
haben, weil es beständig weiter bergauf geht. Bei uns hat man auf einmal
einen großen Sprung gemacht und ärgert sich jetzt darüber,
daß es nicht entsprechend weitergeht. Der Mensch ist
nicht so geschaffen, daß er mit solch einer Entwicklung
zufrieden wäre. Kleine Zuwächse von unten stiften mehr
Glück als ein einmaliger Sprung auf ein hohes Niveau,dem
dann eine Stagnation folgt.
Einen Sprung hat es insbesondere bei den
Löhnen gegeben. Was hier geschah, ist mit marktwirt-
schaftlichen Verhältnissen nicht mehr vereinbar. Im
verarbeitenden Gewerbe und im Bergbau der neuen
Bundesländer liegt heute die Lohnquote bei mehr als 100 %. Das heißt, daß
von der Wertschöpfung in diesen Sektoren – das ist die Differenz zwischen
den Verkaufserlösen der Produkte und den Kosten für die Vorprodukte –
über 100 % für Löhne verwendet werden. In allen anderen Marktwirtschaften
der Welt einschließlich Westdeutschlands liegt der Prozentsatz nur ungefähr
bei 65 bis 70 %. Es muß nämlich auch noch Gewinne geben, um den Einsatz
des Kapitals, also die Zinskosten zu finanzieren. In vielen Branchen der neuen
Bundesländer kann eine Kapitalverzinsung zur Zeit nicht verdient werden.
Kein Wunder,daß die gewünschten Investitionen und der sich selbst tragende
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E ine wi r tschaf tspo l i t ische B i lanz nach acht Jahren deutscher E inhe i t
48D e u t s c h e F ra g e n
Wir müssen ja auch an zu-
künftige Generationen denken
und können nicht nur immer
die Lasten der Vereinigung in
die Zukunft schieben. Es muß
etwas geschehen, damit die
neuen Länder nun wirklich auf
ihre eigenen Beine kommen
und der vielzitierte, sich selbst
tragende Aufschwung einsetzt.
49D e u t s c h e F ra g e n
„W o b l e i b t d i e A r b e i t ?“
36,8
50,7
6I,5 66,970,2
7I,8 72,2 72,2
Westdeutschland
SchwedenNorwegenJapanÖsterreich
USAItalien
Australien
Irland
GriechenlandTschechienPolen
Ostdeutschland
I99I I993 I995 I997 Jahr
I00
90
80
70
60
50
40
30
20
I0
0
Zusammenbruchdes EWS
Aufschwung ausbleiben. Diese Situation ist nicht tragbar für eine Markt-
wirtschaft. Man hat versucht, ein Haus zu konstruieren, ohne die Gesetze
der Statik zu beachten. Kein Wunder, daß die Sache so nicht funktioniert.
Der Herr Ministerpräsident hat von den offenen Märkten, von der
Globalisierung gesprochen. Wir müssen uns in der Tat mit den anderen
Ländern, mit denen wir im Wettbewerb stehen, vergleichen. Die anderen
Länder versuchen ebenfalls, ihre Produkte zu verkaufen, auch sie haben ein
Kostenproblem, und die wichtigsten Kosten für die Produktion einer Volks-
wirtschaft sind nun einmal die Löhne. Im nachfolgenden Diagramm werden
die Lohnkosten pro Stunde, und zwar Kosten einschließlich der sogenannten
Lohnnebenkosten, international miteinander verglichen. Westdeutschland
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E ine wi r tschaf tspo l i t ische B i lanz nach acht Jahren deutscher E inhe i t
50D e u t s c h e F ra g e n
Abb. 2OstdeutscheBruttolohnkostender Arbeitnehmerim verarbeitendenGewerbe je Stundein Prozent deswestdeutschen Niveaus – unterBerücksichtigungvon Lohn- undWechselkursver-änderungen
ist gleich 100 gesetzt, das ist der Maßstab, und die anderen Länder sind mit
ihren Lohnkosten relativ zu den westdeutschen Lohnkosten dargestellt. Der
Vergleich erstreckt sich auf die gesamte Zeit seit der deutschen Vereinigung.
Zum Beispiel sieht man, daß die australischen Stundenlohnkosten relativ zu
den westdeutschen knapp über 50 % liegen oder daß die US-amerikanischen
Stundenlohnkosten etwa 65 % der westdeutschen betragen. Nur wenig über
7 % liegen auch heute noch die Löhne von Tschechien oder Polen.
Wo liegen die ostdeutschen Stundenlohnkosten? Vor der Ver-
einigung, und insbesondere vor der Währungsumstellung, gerechnet zum
damals herrschenden Kurs von 4,3 zu 1, lagen die ostdeutschen Lohnkosten
bei 7 % der westdeutschen. Gemeint sind dabei nicht etwa die Reallöhne in
Konsumgütereinheiten, sondern die Löhne in DM umge-
rechnet. Beide stehen nicht in derselben Relation zu den
entsprechenden westdeutschen Größen, denn man muß
ja berücksichtigen,daß die nicht gehandelten Waren in der
DDR sehr billig waren. Nur die zum jeweils herrschenden Wechselkurs in
DM umgerechneten Löhne sind freilich für die Beurteilung der Wettbewerbs-
fähigkeit der ostdeutschen Industrie relevant.
Dann gab es die 1 : 1-Umstellung. Die Währung, die beim Handel
mit dem Westen mit 4,3 :1 bewertet worden war, wurde plötzlich der DM
gleichgesetzt.Das brachte einen Lohnschub auf knapp 37 % des Westniveaus.
Anschließend gab es Lohnverhandlungen, die den gesamten
Zeitpfad der ostdeutschen Löhne relativ zu den westdeutschen Löhnen fest-
gelegt haben. Zunächst hat man dabei eine Anpassungsperiode von 5 Jahren
vereinbart,dann wurde noch einmal nachverhandelt,und der Pfad wurde um
ein weiteres Jahr gestreckt.Angestrebt wurde eine völlige Gleichheit der
51D e u t s c h e F ra g e n
Kleine Zuwächse von unten stif-
ten mehr Glück als ein einmali-
ger Sprung auf ein hohes Niveau,
dem dann eine Stagnation folgt.
Tariflöhne innerhalb kürzester Frist, und sie ist auch
weitgehend realisiert worden.
In der Abbildung ist statt der Relation der Tarif-
löhne die faktische Lohnrelation dargestellt. Da im Westen
Löhne gezahlt werden, die in weiten Bereichen über, und
im Osten aber Löhne, die häufig unter den Tariflöhnen
liegen, ist man inzwischen erst bei gut 70 % angekommen. Das ist zwar
weniger als eine völlige Lohnangleichung, doch gemessen am Zustand der
ostdeutschen Wirtschaft schon sehr viel. Immerhin liegen die ostdeutschen
Löhne damit in DM gerechnet beim Zehnfachen des Wertes, den sie vor der
Währungsunion im Jahre 1989 gehabt haben,und sie liegen fast beim Niveau
der Löhne von Österreich,Schweden,Norwegen oder Japan.Keine Wirtschaft
dieser Welt, schon gar nicht eine marode kommunistische Wirtschaft, hätte
eine Verzehnfachung der Löhne in so kurzer Zeit überstehen können,und so
dürfen wir uns über den Kahlschlag auf den Arbeitsmärkten nicht wundern.
Zu rechtfertigen wäre die Lohnentwicklung nur dann gewesen,
wenn es entsprechende Produktivitätssprünge gegeben hätte. Die Produk-
tivität hätte sich ebenfalls auf das Zehnfache vergrößern müssen. Das hat sie
aber nicht getan, auch wenn die Statistiken auf den ersten Blick ein relativ
rosiges Bild vermitteln.
Den relevanten Produktivitätszuwachs zu messen ist nicht einfach,
denn die Statistik zeigt immer nur die Produktivität der trotz Lohnerhöhung
übriggebliebenen Arbeitsplätze an. Die minder produktiven Arbeitsplätze
werden durch Lohnerhöhungen vernichtet,und so steigt die durchschnittliche
Produktivität der verbleibenden Arbeitsplätze durch eine Lohnerhöhung
von ganz alleine an, ohne daß es irgendeine technische Innovation gegeben
P r o f . D r. H a n s - We r n e r S i n n Wo b le ibt d ie Arbe i t? –
E ine wi r tschaf tspo l i t ische B i lanz nach acht Jahren deutscher E inhe i t
52D e u t s c h e F ra g e n
Keine Wirtschaft dieser Welt,
schon gar nicht eine marode
kommunistische Wirtschaft, hätte
eine Verzehnfachung der Löhne
in so kurzer Zeit überstehen
können, und so dürfen wir uns
über den Kahlschlag auf den
Arbeitsmärkten nicht wundern.
hätte. Im verarbeitenden Gewerbe der neuen Länder ist dies der maßgebliche
Effekt, denn immerhin haben dort nur 20 % der Arbeitsplätze die Lohn-
erhöhungen überlebt.
Berücksichtigt man diese Verzerrung in der Statistik nicht, so
ergibt sich ein erheblicher Produktivitätszuwachs auf fast das Achtfache.
Das ist zwar weniger als das Zehnfache, aber doch schon sehr viel. Die ost-
deutschen Lohnstückkosten, die als Quotient aus Stundenlöhnen und
Produktivität definiert sind, liegen nach dieser Rechnung nur etwa um 30 %
über den westdeutschen, und es scheint keinen Grund zur Besorgnis zu
geben. Berücksichtigt man diese Verzerrung jedoch, so erkennt man, daß die
Produktivität tatsächlich nur auf das 2,4fache gestiegen ist,was sich mit der
Lohnerhöhung auf das Zehnfache des ehemaligen DM-Wertes überhaupt
nicht verträgt. Die ostdeutschen Lohnstückkosten liegen dann bei sage und
schreibe 400 % des westdeutschen Wertes. Der Anstieg der Lohnstückkosten
auf das Vierfache des westdeutschen Wertes hat die meisten Arbeitsplätze im
Bereich der verarbeitenden Industrie vernichtet, und nur bei den wenigen,
die diesen Anstieg überlebt haben, liegen die Lohnstückkosten bei moderaten
130 % der entsprechenden westdeutschen Werte. Dies ist die korrekte
Darstellung der Produktivitätsproblematik.
Was ist der Grund dafür,daß die Löhne dermaßen stark angestiegen
sind? Zunächst einmal gibt es die offizielle politische Stellungnahme, die Sie
alle kennen. Ohne die hohen Löhne wären die Leute alle in den Westen
gewandert, und deswegen seien sie erforderlich gewesen.
Diese Stellungnahme hat natürlich einen wahren Aspekt. In der
Tat kann man sich auf die Dauer in einem vereinten Deutschland nur eine
Arbeitswelt mit weitgehend angeglichenen Löhnen und einer gleichmäßigen
53D e u t s c h e F ra g e n
Besiedlung beider Landesteile vorstellen.Aber das ist kein Grund für poli-
tischen Aktionismus.Das freie Spiel der Marktkräfte könnte gar nichts anderes
hervorbringen. Die anfangs niedrigen Löhne in den neuen Ländern hätten
massive Kapitalinvestitionen hervorgerufen,was die Nachfrage nach Arbeits-
kräften seitens der ostdeutschen Firmen bis zur Vollbeschäftigung ausgedehnt
und dann sogar Verknappungstendenzen am Arbeitsmarkt induziert hätte.
Wegen der Verknappung der verfügbaren Arbeitskräfte wäre es zu einem
raschen Lohnanstieg gekommen,der erst mit dem Erreichen des Westniveaus
sein Ende erreicht hätte, weil erst dann der Anreiz für weitere Kapitalin-
vestitionen erloschen wäre.
Falsch an der offiziellen Stellungnahme war nur, daß man dem,
was ohnehin gekommen wäre,durch die Lohnpolitik vorauseilen wollte.Das
Vorauseilen hat nicht funktioniert, denn man kann die Unternehmer nicht
zwingen, den Löhnen mit ihrem Kapital nachzulaufen. Die gewünschten
Kapitalinvestitionen kommen in einer Marktwirtschaft nur dann zustande,
wenn die Unternehmer einen Extraprofit erhoffen können. Daß sie diesen
Profit auf die Dauer durch ihre eigene Lohnkonkurrenz um die Arbeitskräfte
wieder zunichte machen, gehört zu den Wundern dieser Wirtschaftsform,
durch die sie auch für die Arbeitnehmer attraktiv wird.Beschneidet man den
Profit oder senkt man ihn gar auf Null, wie es in den neuen Ländern in
weiten Teilen der Fall war, dann bleiben die notwendigen Investitionen aus,
und es entsteht eine Massenarbeitslosigkeit.
Die Politik der vorschnellen Lohnanpassung hat nicht nur
verhindert, daß es zu einem neuen Wirtschaftswunder gekommen ist.
Pikanterweise hat sie noch nicht einmal ihr vielbeschworenes Ziel erreicht,
eine massenhafte Westwanderung der Bevölkerung zu verhindern. Im Gegen-
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E ine wi r tschaf tspo l i t ische B i lanz nach acht Jahren deutscher E inhe i t
54D e u t s c h e F ra g e n
teil, dadurch, daß sie zusätzliche Arbeitslosigkeit geschaffen hat, hat sie
wahrscheinlich sehr viel mehr Westwanderung erzeugt, als es bei einer
moderateren Lohnpolitik der Fall gewesen wäre. Ich habe schon erwähnt,
daß etwa zwei Millionen Ex-DDR-Bürger, also nicht weniger als 12 % der
Bevölkerung nach der Wende in den Westen umgezogen sind.
In der Öffentlichkeit ist der Eindruck verbreitet, daß die Politik
der schnellen Lohnangleichung aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit
gewählt wurde und daß die wirtschaftlichen Konsequenzen auf dem
Arbeitsmarkt notgedrungen in Kauf zu nehmen waren. Ich glaube nicht, daß
dieser Eindruck korrekt ist. Jedenfalls hat das Motiv, Gerechtigkeit obwalten
zu lassen, die Lohnverhandlungen nicht wirklich bestimmt. Man muß ja
unterscheiden zwischen den wirklichen Motiven derer, die die Lohnver-
handlungen geführt haben, und der politischen Begleitmusik, die ansonsten
zu diesem Thema erzeugt wurde. Ich glaube nicht,daß die politische Begleit-
musik den Kern der Sache trifft, und ich glaube auch nicht, daß das Los der
neuen Bundesbürger überhaupt irgendeine besondere Rolle bei den Lohn-
verhandlungen gespielt hat.
In Wahrheit erklären sich die Löhne aus der egoistischen Interessen-
lage der westdeutschen Tarifpartner,die auch im Osten die Tarifverhandlungen
geführt haben. Ja, es waren in der Tat die westdeutschen Tarifpartner, denn
im Osten gab es noch gar keine eigenständigen Kräfte,die die Verhandlungen
hätten führen können. Die neuen Ostgewerkschaften waren mit Westpersonal
besetzt und vom Westen gesteuert, und auch die neuen Arbeitgeberverbände
waren nur in einem formalen Sinne ostdeutsche Organisationen. In Wahrheit
waren auch sie mit westdeutschem Personal besetzt und von westdeutscher
Seite gesteuert. Die Verhandlungen, die die Lohnentwicklung über nicht
55D e u t s c h e F ra g e n
weniger als fünf Jahre festgelegt haben, fanden ja bereits im Jahre 1991 statt,
als die Treuhandanstalt gerade mal erst mit ihren Privatisierungsaktionen
begonnen hatte. Es gab zu diesem Zeitpunkt noch gar keine ostdeutschen
Unternehmer, die sich an den Verhandlungen hätten beteiligen können und
die sich einer Entwertung ihres Betriebsvermögens durch exzessive Lohn-
vereinbarungen hätten widersetzen können. Nur die Treuhand selbst hätte
dies tun können, aber die hielt sich vornehm zurück. Die Westdeutschen, die
auf beiden Seiten des Verhandlungstisches saßen,kamen sehr schnell überein,
daß eine Politik der schnellen Lohnangleichung erstrebenswert sei. Ihre
Devise war: „Wer auf unseren Märkten ohne Sprachbarrieren und ohne
Handelsschranken anbieten möchte,der möge das bitte auch zu den gleichen
Konditionen tun.“ Es war also der Schutz der westdeutschen Industrie und
nicht der Wohlstand der ostdeutschen Arbeitnehmer, der das treibende Motiv
bei den Verhandlungen war.Herr Rappe hat damals sogar gesagt, er würde es
im Bereich der ostdeutschen Chemieindustrie durchaus akzeptieren, wenn
die Lohnangleichung im Osten eine Arbeitslosigkeit von 20 bis 30 % zur
Folge hätte.
Die westdeutschen Tarifverhandlungen funktionieren normaler-
weise gut, weil auf beiden Seiten des Tisches Leute mit unterschiedlichen
Interessen sitzen. Die einen wollen hohe Löhne, die anderen wollen niedrige
Löhne, und dann finden sie einen Kompromiß. In Ostdeutschland saßen an
beiden Seiten des Tisches Verhandlungspartner,die hohe Löhne wollten,und
insofern ist es nicht verwunderlich, daß die Löhne sehr schnell angestiegen
sind.Würde man heute verhandeln, so wäre die Situation ganz anders, denn
heute gibt es ostdeutsche Unternehmer,die ein Interesse an niedrigen Löhnen
haben.Aber man ist ja an die alten Verträge gebunden und kommt aus ihnen
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E ine wi r tschaf tspo l i t ische B i lanz nach acht Jahren deutscher E inhe i t
56D e u t s c h e F ra g e n
nicht so leicht heraus.Mehr und mehr Unternehmen finden allerdings Mittel
und Wege, die Tarifvereinbarungen zu unterlaufen.Viele sind gar nicht mehr
im Arbeitgeberverband und vereinbaren mit ihrer Belegschaft Löhne unter-
halb des Tarifniveaus.Glücklicherweise hilft sich der Markt zum Schluß doch
selber.
Hätte es eine Alternative gegeben? Und: Was können wir heute
noch tun? Ich vertrete dazu eine Position, die wahrscheinlich nur von einer
Minderheit meiner Professorenkollegen geteilt wird. Ich vermute in diesem
Punkte aber eine gewisse Geistesverwandtschaft mit dem Herrn Bischof.
Man hat beim Untergang des Kommunismus und bei der Bildung
der Marktwirtschaft versäumt, den Menschen in den neuen Ländern Eigen-
tumsrechte am vorhandenen Staatsvermögen zu geben.Wenn man eine, ich
sage es einmal so, „kapitalistische Marktwirtschaft“ ab ovo
einführt, dann muß man natürlich auch dafür sorgen, daß
es „Kapitalisten“ gibt. Man braucht also Leute, die Ver-
mögensbesitz haben und auf der Basis dieses Besitzes in
der Lage sind, eigene Betriebe zu gründen. Nur wer Ver-
mögen hat, kann Maschinen kaufen, und nur er bekommt von der Bank
Kredite. Wer nichts hat, dem wird nichts gegeben und dem fällt der Start
außerordentlich schwer. Man hätte die Möglichkeit gehabt, den neuen
Bundesbürgern Vermögensbesitz zu geben, und diese Möglichkeit wurde ja
im übrigen auch durch die entsprechenden Gesetze und Verträge vor-
geschrieben. Ich verweise auf das Treuhandgesetz, welches die frei gewählte
Volkskammer am 17. Juni 1990 verabschiedet hat. Ich verweise auf den
Vertrag über die Wirtschafts- und Währungsunion, und ich verweise schließ-
lich auch auf den Einigungsvertrag. In allen drei Schriftstücken steht ganz
57D e u t s c h e F ra g e n
„Wer auf unseren Märkten ohne
Sprachbarrieren und ohne Han-
delsschranken anbieten möchte,
der möge das bitte auch zu den
gleichen Konditionen tun.“
deutlich, daß Möglichkeiten geschaffen werden sollen, den Bürgern der neuen
Länder „verbriefte Anteilsrechte am ehemaligen volkseigenen Vermögen“
zuzuweisen.Man beachte, da steht nicht etwa: „nach Möglichkeit“ sollen An-
teilsrechte zugewiesen werden, sondern: es sollen „Möglichkeiten geschaffen“
werden, verbriefte Anteilsrechte zuzuweisen. Das ist ein klarer Auftrag, dem
man sich nicht mit dem Hinweis auf die schlechten Aussichten für die ost-
deutschen Betriebe hätte entziehen dürfen, zumal diese Aussichten ganz
maßgeblich auf die Lohnpolitik selbst zurückzuführen waren.Bei einer maßvollen
Lohnpolitik, für die man im Falle einer Beteiligung der neuen Bundesbürger
am ehemals volkseigenen Vermögen hätte Verständnis erzeugen können,wären
die Werte der Treuhandfirmen beachtlich gewesen. Hätte
man z. B.den in Abbildung 2 dargestellten Lohnanpassungs-
pfad nach der Währungsunion parallel um fünf Jahre ver-
schoben, also zunächst fünf Jahre lang mit Löhnen in Höhe
eines Drittels der westdeutschen Löhne gearbeitet, so wären
die Gewinne der Treuhandunternehmen allein schon wegen
der eingesparten Löhne um 150 Millionen DM größer ge-
wesen.Hinzugekommen wäre eine weitere Gewinnsteigerung als Folge einer
Expansion der ostdeutschen Unternehmen,die die sichere Konsequenz einer
Lohnzurückhaltung gewesen wäre.Die für eine breite Vermögensübertragung
nötige Verteilungsmasse wäre also vorhanden gewesen, wenn man der ost-
deutschen Bevölkerung statt der exorbitanten Lohnversprechungen privat-
rechtliche Eigentumsansprüche am ehemaligen volkseigenen Vermögen
gegeben hätte.Diese Politik hätte nicht nur zu mehr Verteilungsgerechtigkeit
geführt, sie hätte darüber hinaus auch ein Wirtschaftswunder erzeugt,wie es
die Bundesrepublik nach dem Kriege erlebt hat.
P r o f . D r. H a n s - We r n e r S i n n Wo b le ibt d ie Arbe i t? –
E ine wi r tschaf tspo l i t ische B i lanz nach acht Jahren deutscher E inhe i t
58D e u t s c h e F ra g e n
Man hat beim Untergang des
Kommunismus und bei der
Bildung der Marktwirtschaft
versäumt, den Menschen in
den neuen Ländern Eigentums-
rechte am vorhandenen
Staatsvermögen zu geben.
Nun, das ist Schnee von gestern, das geht jetzt so nicht mehr.Aber man kann
eine Variante der Idee heute immer noch realisieren,wenn man Löhne gegen
Beteiligungsrechte tauscht.Warum gehen die Betriebe nicht her und bieten
ihrer Belegschaft eine Mitbeteiligung im Austausch gegen eine Lohnzurückhal-
tung an? Das ist eine Strategie, wie sie in großem Stil von US-amerikanischen
Firmen vorgenommen wurde. Ich verweise hier auf das Beispiel der Flug-
gesellschaft United Airlines. Sie wissen, das ist die Fluggesellschaft, mit der
die Lufthansa kooperiert. United Airlines stand vor einigen Jahren in großen
Schwierigkeiten und schrieb rote Zahlen. Da kam das Management auf eine
glorreiche Idee, die auch sogleich realisiert wurde. Die Löhne wurden um
8 % gesenkt, und das so verringerte Lohnniveau wurde für fünf Jahre fest-
gehalten. Im Austausch wurden den Belegschaftsmitgliedern Anteile am
Unternehmen zugewiesen, die wertmäßig den Umfang des Barwertes der
Lohnsenkung hatten. Diese Politik führte sofort dazu, daß wieder schwarze
Zahlen geschrieben wurden und daß das Unternehmen wettbewerbsfähig
wurde.Außerdem kam es wegen der Lohnsenkung zu einer Expansion des
Unternehmens, die neue Jobs geschaffen und die Gewinne vergrößert hat,
wovon sowohl die Alt- als auch die Neuaktionäre profitierten. Der United-
Airlines-Deal zeigt, daß es durchaus möglich ist, die Blockade auf dem
Arbeitsmarkt zu überwinden. Er eröffnet darüber eine reale Möglichkeit,
die versäumte Vermögensbildung der neuen Bundesbürger nachzuholen.
Mit diesem Vorschlag möchte ich meinen Vortrag beenden. Er
versöhnt die wirtschaftliche Effizienz mit dem Ziel, den Bürgern der neuen
Länder Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Man sollte ihn realisieren, denn
die Alternative einer fortgesetzten Massenarbeitslosigkeit haben unsere
neuen Landsleute wahrlich nicht verdient.
59D e u t s c h e F ra g e n
Was ist soziale Gerechtigkeit?
Dr. Adam wies darauf hin, daß es eine politische Antwort auf die
Frage, was soziale Gerechtigkeit sei, sehr wohl gebe: den Sozialstaat. Dieser
Sozialstaat sei nach dem Prinzip des reziproken Altruismus konstruiert, das
sich beispielsweise in der Hoffnung ausdrücke, im Alter einmal das zurückzu-
bekommen, was man in frühen Jahren in das Solidarsystem eingezahlt habe.
Allein, diese Hoffnung trüge: Schon heute werde die Zusage sicherer Renten
nur noch auf die gegenwärtige Generation bezogen, die Interessen zukünf-
tiger Generationen würden zu mangelhaft berücksichtigt.
Ein Staat, der die gesamte soziale Sicherung an den Besitz eines
Vollzeitarbeitsplatzes knüpfe, treibe jedoch die Nachfrage nach Arbeits-
plätzen an und lasse die Möglichkeit, sich einer Familienarbeit zu widmen,
verkümmern. Dies sei ein Problem des modernen Sozialstaates.
Professor Dr. Geller t wies auf die sozialwissenschaftlichen Er-
kenntnisse aus der Sozialpolitik der vergangenen drei Jahrzehnte hin. Die
Überzeugung, nach der der Wohlfahrtsstaat die Nachteile des Marktsystems
ausgleichen könne und daß zur Bewältigung der gegenwärtigen Krise der
modernen Sozialstaaten in Europa lediglich einige Sozialsysteme zurück-
geschraubt werden müßten, stehe auf tönernen Füßen. Untersuchungen aus
Großbritannien hätten ergeben, daß alle wohlfahrtsstaatliche Politik der
letzten 30 Jahre soziale Ungleichheit in keiner Weise beseitigt, sondern
vielmehr in erster Linie der Mittelklasse und den oberen Mittelschichten
genutzt habe.
Dr. Weber bemängelte in diesem Zusammenhang auch die
Schwachstellen der sozialen Umverteilungssysteme in Deutschland. Die Fest-
stellung, daß ein Mehr an Sozialpolitik nicht zwangsläufig zu mehr sozialer
60D e u t s c h e F ra g e n
Zusammenfassung der Diskussion
Gerechtigkeit führe, könne doch gar nicht so sehr verwundern, schließlich
seien die Umverteilungsmechanismen inzwischen so unübersichtlich, daß
niemand wisse, welche Wirkungen die getroffenen Maßnahmen wirklich
erzielen.Häufig laufe die Umverteilung darauf hinaus,den Bürgern das in eine
Tasche zu stecken, was man ihnen zuvor aus der anderen Tasche genommen
habe. Eine Untersuchung der vielfältigen Instrumente der Sozialpolitik sei
dringend geboten, um zunächst einmal ihre Wirkungen richtig einschätzen
zu können.
In bezug auf die Arbeitslosigkeit wies Dr.Weber auf ein Dilemma
unseres Sozialstaates hin: Wenn Massenarbeitslosigkeit letztlich seit zwei
Jahrzehnten existiere und es trotz – von Konjunkturzyklus zu Konjunktur-
zyklus – steigender Arbeitslosenzahlen keine nennenswerten Protestbe-
wegungen gebe, dann liege das nicht zuletzt daran, daß der Sozialstaat den
Arbeitslosen wirksam unter die Arme greife.So richtig dies von der Intention
her auch sei, müsse man doch konstatieren, daß dadurch der Druck von den
Politikern genommen worden sei, die Ursachen der Beschäftigungslosigkeit
tatsächlich zu beseitigen.
Ist Marktwir tschaft gerecht?
Ob Marktwirtschaft gerecht sei – dieser Frage nahm sich Professor Dr. Sinn
in der Diskussion noch einmal explizit an. Das Maß für die Marktwirtschaft
sei Effizienz,nicht Gerechtigkeit.Die Marktwirtschaft belohne letztlich nicht
nach Leistung, sondern nach Knappheit. Deswegen sei es auch unumstritten
notwendig, daß der Staat bei der Verteilung der Einkommen in den Markt
eingreife; eine Marktwirtschaft könne ohne das soziale Korrektiv des Staates
auf Dauer nicht existieren. Dies müsse aber im Einklang mit dem Markt und
61D e u t s c h e F ra g e n
nicht gegen den Markt geschehen.Professor Dr.Sinn erläuterte diesen Aspekt
am Beispiel der Sozialhilfe: Sozialhilfe sei bestimmt für die Unterstützung
von Menschen, die am unteren Rand der Einkommensskala in unserer Gesell-
schaft leben. Das sei richtig. Falsch sei, daß die Ausgestaltung der Sozialhilfe
einen Anreiz gebe, nicht zu arbeiten. Denn sobald ein Empfänger von Sozial-
hilfe beginne,einer bezahlten Beschäftigung nachzugehen,verliere er seinen
Anspruch auf Unterstützung in dem Maße, in dem er „hinzuverdiene“.
Professor Dr.Sinn plädierte statt dieser Subventionierung der Nicht-Tätigkeit
für eine Subventionierung der Tätigkeit: Im Einklang mit dem Markt wäre die
Zahlung von Sozialhilfe unter der Voraussetzung, daß der Empfänger einer
Arbeit nachgehe. Eine Reihe von Beispielen aus unseren Nachbarländern
bewiesen, daß man mit solchen Maßnahmen arbeitsmarktpolitisch Erfolge
erzielen könne, ohne deswegen den Sozialstaat zu demontieren. Sozialstaat-
liches Denken sei nicht notwendigerweise mit negativen Anreizwirkungen
verbunden.Hier gelte es anzusetzen und den Sozialstaat gleichzeitig effizienter
und gerechter zu machen.
Bischof Dr. Wanke bestätigte aus seiner Sicht die Notwendigkeit
einer Reform des Sozialstaates und wies darauf hin, daß nur ein Bündel von
Maßnahmen in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit weiterführen könne.
Wir müßten weg vom Umverteilungsstaat und hin zu einem Staat, der sich
auf gemeinsame und gemeinnützige Aufgaben konzentriere. Dies erfordere
ein Durchforsten der Regularien des Rechts, eine Stärkung der Eigenverant-
wortlichkeit, eine Sanierung der öffentlichen Haushalte und eine dauerhafte
Sicherung der Finanzierbarkeit unserer sozialen Sicherungssysteme. Bischof
Dr.Wanke warnte aber zugleich davor,das Kind mit dem Bade auszuschütten.
Nach wie vor gebe es viele Menschen,die trotz objektiv feststellbarem eigenem
Zusammenfassung der D iskuss ion
62D e u t s c h e F ra g e n
Bemühen durch alle sozialen Sicherungen unserer Gesellschaft hindurch-
fielen und zusätzlicher Hilfe zur Selbsthilfe bedürften. Durch die Diskussion
über den Mißbrauch des Sozialstaates laufe man Gefahr, die tatsächliche
Bedürftigkeit vieler Menschen zu übersehen.
Gerechtigkeit in Ost und West?
Professor Dr. Glotz wies auf das Dilemma hin, in dem vor allem die
Lohnpolitik seit der Wiedervereinigung Deutschlands stecke. Auch wenn es
ökonomisch richtig sei, daß die Lohnhöhe von der Arbeitsproduktivität
abhänge und daher in Ostdeutschland die Löhne unter denen in West-
deutschland lägen, sei dies den Menschen doch nur schwer zu vermitteln.
Der Druck auf die Politik, eine schnellere Angleichung der Löhne und
Gehälter in Ost und West zu bewirken, sei groß, führe aber möglicherweise
zu einem weiteren Verlust von Arbeitsplätzen in den neuen Bundesländern.
Ministerpräsident Dr. Vogel bestätigte, daß die Politik in den
vergangenen Jahren tatsächlich unter einem enormen Druck stand, die Löhne
in Ost und West möglichst rasch anzunähern. Schließlich sei die Wiederver-
einigung im Kern das Zusammenwachsen eines Volkes gewesen und nicht
der Versuch, einem anderen Land freundlich unter die Arme zu greifen. Der
Druck auf die Angleichung werde aber noch dadurch erhöht, daß in vielen
Wirtschaftsbereichen kaum mehr Unterschiede in der Arbeitsproduktivität
auszumachen seien, die Löhne und Gehälter aber wegen der schlechten
Finanzlage in den neuen Ländern dennoch unterhalb des westdeutschen
Niveaus lägen. Dies gelte für Hochschullehrer wie für den gesamten öffent-
lichen Dienst. Dr. Weber bestätigte dies auch für den Bereich Banken.
63D e u t s c h e F ra g e n
Professor Dr. Sievert betonte die Fortschritte, die auch auf dem Gebiet
der Angleichung der Produktivitäten gemacht worden seien. Er forderte dazu
auf, den Blick von den zweifellos nach wie vor bestehenden Problemen auf
die Erfolge der Politik der Angleichung in den letzten neun Jahren zu lenken.
Die Veränderungen seien durchaus geeignet, eine optimistischere Sicht der
Lage in den neuen Bundesländern zu begründen.
An der Berechnung der Transferzahlungen, die jährlich von West
nach Ost fließen, äußerte Herr Schwäblein Zweifel. So würden die Inve-
stitionen in die Infrastruktur der neuen Bundesländer als Transferleistungen
verbucht, während gleichzeitig der Neu- und Ausbau der Bundesautobahnen
in den alten Ländern selbstverständlich als Bundesaufgabe angesehen und
nicht als Transferzahlung eingeordnet werde. Hier werde mit zweierlei Maß
gemessen.
Wo bleibt die Arbeit?
Dr. Weber beklagte das vorherrschende, aber falsche Verständnis
über die Situation auf den Arbeitsmärkten. Es fehle nicht an Arbeit. Die
Menge verfügbarer Arbeit gleiche keineswegs einem Topf, der irgendwann
ausgeschöpft sei. Es gebe nicht zu wenig Arbeit, sondern zu wenig Arbeits-
plätze. Als hierfür verantwortliche Faktoren machte er neben der demo-
graphischen Entwicklung vor allem die Lohn- und Lohnzusatzkosten, die
Überregulierung am Standort Deutschland sowie die Misere bei den öffent-
lichen Finanzen aus.Wenn ein Unternehmer sich entscheiden solle, durch
Investitionen neue Arbeitsplätze zu schaffen,dann müsse diese Entscheidung
nach ökonomischen Kriterien sinnvoll sein, und diese Voraussetzung sei für
zu viele Investitionen in Deutschland derzeit nicht erfüllt.
Zusammenfassung der D iskuss ion
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In Deutschland gebe es zu viel Staat, nicht zu wenig. Dies gelte auch für den
Bereich der Sozialpolitik. Zur Beseitigung des Mangels an Arbeitsplätzen sei
eine Senkung der Rekordabgabenbelastung der Arbeitsplätze und der Unter-
nehmen erforderlich, eine Reform des Steuersystems und die Reduzierung
der Lohnzusatzkosten. Eine größere Flexibilität der Wirtschaft sei das vor-
rangige Ziel, damit eine Verringerung der Arbeitslosigkeit erreicht werden
könne. In dieser Hinsicht hätten die neuen Bundesländer schon heute eine
Vorbildfunktion für die alte Bundesrepublik.
Professor Dr. Sinn wies zum Ende der Diskussion noch einmal
darauf hin, daß an dem politischen Ziel, einheitliche Lebensverhältnisse in
Ost und West zu schaffen, kein Zweifel bestehe. Es komme aber entschei-
dend auf den Weg dahin an. Die Märkte würden die Einheitlichkeit von
Löhnen und Produktivitäten auf Dauer selbst herstellen, denn niedrige Löhne
seien für Unternehmer ein Signal, Arbeitsplätze zu schaffen und zu inve-
stieren. Die steigende Nachfrage nach Arbeitskräften kurbele dann auch die
Löhne an und beseitige so das Lohngefälle zwischen Ost und West. Damit
dieser Anpassungsprozeß gelinge, müsse man der Marktwirtschaft aber die
dafür notwendige Zeit geben.Wenn man versuche, die Löhne in Erwartung
dieses Prozesses schon im Vorgriff künstlich anzuheben, dann bleibe die
Nachfrage nach Arbeitskräften aus. Denn auch die Investitionen, die erfor-
derlich seien, um den marktwirtschaftlichen Anpassungsprozeß in Gang zu
setzen, und die höhere Löhne dann auch rechtfertigen würden, kämen ja
letztlich nicht zustande. Die Folge: Der Anpassungsprozeß könne sich nur
noch am Tropf staatlicher Subventionen vollziehen. Dieser Fehler der ver-
gangenen Jahre müßte künftig vermieden werden.
65D e u t s c h e F ra g e n
Die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital, die insbesondere in
Thüringen praktiziert wird, wurde von Professor Sinn und Ministerpräsident
Dr.Vogel als wichtiger Schritt in die richtige Richtung und als Schlüssel zur
Lösung des vermeintlichen Konfliktes zwischen Arbeit und Kapital inter-
pretiert – als Schritt auch zu mehr sozialer Gerechtigkeit.
Zusammenfassung der D iskuss ion
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Kurzbiographien der Redner
Peter Glotz, geboren 1939 in Eger, ist seit 1996 Dr. phil. o.
Professor für Kommunikationswissenschaft und Rektor der Universität
Erfurt.1993 wurde er Honorarprofessor für Kommunikationskultur und
Medienökologie an der Universität München. In den 60er Jahren war er
wissenschaftlicher Assistent am Institut für Kommunikationswissenschaft
der Universität München, 1969/70 Konrektor der Universität München und
1970–72 Geschäftsführer einer Firma für Kommunikationsforschung.Danach
folgten 26 Jahre politische Tätigkeit: als Staatssekretär im Bundesbildungs-
ministerium (1974–77), als Senator für Wissenschaft und Forschung Berlin
(1977–81) sowie als Bundesgeschäftsführer der SPD (1981–87).
Hans-Werner Sinn, geboren 1948 in Brake/Westfalen, ist seit
1984 Ordinarius für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig Maximilians-
Universität München. Seit 1991 ist er Vorstand des Center for Economic
Studies (CES), eines Instituts der Volkswirtschaftlichen Fakultät, und seit
1997 Vorsitzender des Vereins für Socialpolitik, München.
Bernhard Vogel, geboren 1933 in Göttingen, ist seit 1992
Ministerpräsident des Landes Thüringen. Nach dem Studium der Politischen
Wissenschaft, Geschichte, Soziologie und Volkswirtschaft in Heidelberg
und München war er in den 60er Jahren Lehrbeauftragter am Institut für
Politische Wissenschaft der Universität Heidelberg, später Mitglied des
Heidelberger Stadtrats, des Deutschen Bundestages sowie des Landtags
Rheinland-Pfalz.Weitere Positionen waren: 1967 bis 1976 Kultusminister,
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1976 bis 1988 Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, 1989 bis 1995
Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung, seit 1993 Landesvorsitzender
der CDU Thüringen sowie seit 1994 Mitglied des Thüringer Landtags.
Joachim Wanke, geboren 1941 in Breslau, ist seit 1994 Bischof
der Diözese Erfurt. Nach dem Schulbesuch in Thüringen absolvierte er in
den 60er Jahren Theologiestudium und Priesterweihe in Erfurt. 1969 nahm
er die Lehrtätigkeit am Philosophisch-Theologischen Studium Erfurt auf.
1980 wurde er Professor für neutestamentliche Exegese und Weihbischof in
Erfurt, Domprobst, und 1981 Bischof und Apostolischer Administrator in
Erfurt und Meiningen.
Manfred Weber, geboren 1950 in Altenkofen/Bayern, ist seit 1992
Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes deutscher Banken und seit März
1997 Mitglied des Vorstandes. Nach seinem Studium der Nationalökonomie
und der Promotion an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt
am Main war er 1980–85 in der Hauptabteilung Volkswirtschaft der Deut-
schen Bundesbank, 1986–91 als Leiter des Büros des Vizepräsidenten der
Deutschen Bundesbank sowie 1991–92 bei der Bank für Internationalen
Zahlungsausgleich in Basel tätig.
Kur zb iograph ien
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Teilnehmer des Symposiums
Dr. Waldemar Abel Mitglied der Geschäftsleitung,Commerzbank AG, Erfurt
Dr. Konrad Adam Frankfurter Allgemeine Zeitung,Frankfurt am Main
Dr. Günter Andres Architekt, Bund Deutscher Architekten,Erfurt
Maria Andres Referatsleiterin, Öffentlicher Gesundheits-dienst,Thüringer Ministerium für Sozialesund Gesundheit, Erfurt
Johanna Arenhövel Stellv. Fraktionsvorsitzende,CDU-Fraktion, Erfurt
Almut Auerswald Vizepräsidentin, Landesmusikrat Thüringene.V. und Vorsitzende des Landesausschusses„Jugend musiziert“,Weimar
Dr. Birgit Bauer Staatssekretärin, Frauenbeauftragte,Thüringer Staatskanzlei, Erfurt
Bernhard Becher Justitiar, Universität Erfurt
Rosemarie Bechthum Mitglied des Landtages, Erfurt
Dr. Klaus Beck Wissenschaftlicher Mitarbeiter,Fachbereich Kommunikations-wissenschaften, Universität Erfurt
Ulf Becker Referatsleiter,Thüringer Ministerium fürWissenschaft, Forschung und Kultur, Erfurt
Hans-Michael Besig Direktor, Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG, München
Dr. Heinz-Dieter Bosch Geschäftsführer, Bundesverband deutscherBanken, Köln
Bernd Brabänder Bundesverband deutscher Banken, Köln
Gangolf Brabant Wissenschaftlicher Mitarbeiter,Universität Erfurt
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Prof. Dr. Wilhelm Bürklin Geschäftsführer,Gesellschaft für Bankpublizität, Köln
Gerda Dominicus- Bundesbankdirektorin, LandeszentralbankSchleutermann in den Freistaaten Sachsen und Thüringen,
Hauptstelle Erfurt
Wolfgang Dunkel Erfurt
Anette Elsner Thüringer Landeszeitung, Erfurt
Prof. Dr. Wilhelm Ernst Mitglied des Gründungssenats,Universität Erfurt
Dr. Florian Fischer Vizepräsident,Thüringer Oberlandesgericht Jena
Marianna Franzen Erfurt
Prof. Dr. Winfried Franzen Prorektor, Praktische Philosophie/Ethik,Pädagogische Hochschule Erfurt
Dr. Peter Fritsche Referatsleiter,Thüringer Ministerium fürLandwirtschaft, Naturschutz und Umwelt,Erfurt
Matthias Gehler Hörfunkchef, MDR 1 Radio Thüringen,Weimar
Prof. Claudius Geller t Lehrstuhl für Soziologie, Faculty of Education, University of Reading
Dr. Eckart Gerstner Stellv. Leiter, Universitätsbibliothek Erfurt
Franz Gerstner Generalbevollmächtigter, MittelständischeBeteiligungsgesellschaft, Erfurt
Prof. Dr. Peter Glotz Rektor, Universität Erfurt
Eva Großkinsky Focus, Redaktion Politik, München
Horst Grzywatz Bundesbankdirektor, Landeszentralbank inden Staaten Sachsen und Thüringen,Meiningen
Tei lnehmer
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Heinz Gunkel Offizial, Interdiözesanes Offizialat, Erfurt
Peter Hanske Wissenschaftlicher Sekretär,Universität Erfurt
Bernhard Haug Direktor, Bayerische Hypo- und Vereinsbank AG, Erfurt
Wolfgang Hauptmann Regierungsdirektor,Thüringer Staatskanz-lei, Finanzen und Wirtschaft, Erfurt
Jutta Heidemann „J. H. Stiftung“, Universität Erfurt
Almut Hielscher Der Spiegel, Erfurt
Dr. Bettina Hollstein Wissenschaftliche Kollegsekretärin,Universität Erfurt
Prof. Dr. Udo B. Hoyme Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe,Klinikum Erfurt
Thomas Janda Redakteur, Benno Verlag Hörfunk, Leipzig
Siegfried Benno Jaschke Mitglied des Landtages, Erfurt
Nina Jeglinski Thüringer Allgemeine, Erfurt
Christian Jung Gesellschaft für Bankpublizität, Köln
Karl-Heinz Kindervater Geschäftsführer, Fa. Kaisersaal, Erfurt
Antje Koch Referentin für Öffentlichkeitsarbeit,Commerzbank AG, Erfurt
Dr. Ruth Kölblin Vorsitzende des Personalrates,Friedrich-Schiller-Universität Jena
Dr. Gerhardt Köhler Leiter der Filialbetreuung,Commerzbank AG, Erfurt
Klaus Udo Krah Abteilungsleiter Finanzen und Controlling,Deutsche Telekom AG, Erfurt
Erhard Krause Mitglied der Regionalleitung Südost,Dresdner Bank AG, Leipzig
71D e u t s c h e F ra g e n
Gisela Krause Leipzig
Hans-Peter Kuhr Referatsleiter,Thüringer Ministerium fürWissenschaft, Forschung und Kultur, Erfurt
Rudolf Lass Präsident,Amtsgericht Erfurt
Karin Letsch Hauptgeschäftsführerin,Verband ThüringerKaufleute, Erfurt
Dirk Löhr Redakteur,Thüringer Allgemeine, Erfurt
Wolfgang Lukassek Ordinariatsrat, Bischöfliches Ordinariat,Erfurt
Bernd Martin Moderator, MDR 1 Radio Thüringen, Erfurt
Sybille Martin Geschäftsführerin, Classic Concert Thürin-gen, Erfurt
Prof. Dr. Egon Matzner Max-Weber-Kolleg, Erfurt
Michael Maulhardt Finanzreferent, Bistum Erfurt
Gabriele Meloch Mitglied der Geschäftsleitung, DeutscheBank AG, Leipzig
Andreas Menke Institut für Mittelstandsforschung, Bonn
Dr. Christian Milow Vizepräsident, Landeszentralbank in denFreistaaten Sachsen und Thüringen, Leipzig
Dr. Birgitta Mogge-Stubbe Ressortleiterin, Hochschule und Bildung,Rheinischer Merkur, Bonn
Peter Moos Prokurist, LandesentwicklungsgesellschaftThüringen, Erfurt
Kurt Moses Niederlassungsleiter, BHF-Bank AG, Leipzig
Dr. Gottfried Müller Landtagspräsident a. D., Erfurt
Hans Musch Fachreferent, Universitätsbibliothek Erfurt
Inge Niebergall Bundesverband deutscher Banken, Köln
Rainer K. Otto Geschäftsführer, Stadtwerke Erfurt
Tei lnehmer
72D e u t s c h e F ra g e n
Jens Panse Pressesprecher, Universität Erfurt
Hans-Christian Piossek Hochschulbeauftragter des Oberbürger-meisters, Erfurt
Peter Pragal Politischer Korrespondent,Berliner Zeitung, Berlin
Dr. Anselm Räder Präsident, Universitätsgesellschaft Erfurt
Günther Richter Landesgeschäftsführer Thüringen desBundesverbandes mittelständische Wirtschaft e.V., BVMW, Erfurt
Karola Rompf Stellv. Hauptgeschäftsführerin,Industrie- und Handelskammer, Erfurt
Wilfried Rosenkranz Geschäftsführer, Kommunaler Arbeit-geberverband Thüringen, Erfurt
Jürgen Sager Geschäftsführer, Rothmann Immobilien,Lüdenscheid
Manfred Scherer Präsident, Oberlandesgericht Erfurt
Christiane Schmiedeknecht Direktorin, Universitätsbibliothek Erfurt
Rolf Schneider Kriminaldirektor, Landeskriminalamt Thüringen, Erfurt
Prof. Dr. Michael Schramm Fachbereich Sozialethik, Philosophisch-Theologisches Studium, Erfurt
Jörg Schwäblein Mitglied des Landtages,Vorsitzender desAusschusses für Wissenschaft, Forschungund Kultur, Erfurt
Prof. Dr. Olaf Sievert Präsident, Landeszentralbank in den Frei-staaten Sachsen und Thüringen, Leipzig
Prof. Dr. Hans-Werner Sinn Center for Economic Studies, UniversitätMünchen,Vorsitzender des Vereins für Socialpolitik, München
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Franz Sommerfeld Stellv. Chefredakteur, Berliner Zeitung,Berlin
Heinz Stade Journalist, Erfurt
Hubertus Staudacher Geschäftsführer, Katholisches Forum Thüringen, Erfurt
Mathias Striepecke Vorsitzender,Verband Thüringer Kaufleute,Erfurt
Hartmut Strube Präsident,Architektenkammer Thüringen,Erfurt
Heinrich Stubbe Journalist, Bonn
Prof. Dr. Eberhard Tiefensee Philosophisch-Theologisches Studium,Erfurt
Dr. Bernhard Vogel Ministerpräsident von Thüringen, Erfurt
Birgit Vogt Kontakt in Krisen e.V.,Redaktion „Brücke“, Erfurt
Udo Vorstius Vorstandsvorsitzender,Thüringer Aufbaubank, Erfurt
Jens Walter Bundesverband deutscher Banken, Köln
Dr. Joachim Wanke Bischof von Erfurt
Dr. Manfred Weber Hauptgeschäftsführer und Mitglied desVorstandes, Bundesverband deutscher Banken, Köln
Jürgen Wehlisch Verwaltungsdirektor, Stiftung St. JohannNepomuk, Katholisches Krankenhaus,Erfurt
Winfried Weinrich Leiter, Katholisches Büro Thüringen, Erfurt
Helga Weiß Vorstand, Katholisches Bildungswerk,Bistum Erfurt
Jens Wenzel „Freies Wort“, Büro Erfurt
Tei lnehmer
74D e u t s c h e F ra g e n
Peter Werner Geschäftsführer, LandesarbeitsgemeinschaftKinder- und Jugendschutz Thüringen e.V.,Erfurt
Ursula Werner Büroleiterin, Universitätsbibliothek Erfurt,Mitglied des Gründungssenats der Universität Erfurt, Bad Langensalza
Matthias Wierlacher Direktor, Bayerische Hypo- undVereinsbank AG, Erfurt
Prof. Dr. Jörg M. Winterberg Fachbereich Wirtschaft, FachhochschuleBraunschweig-Wolfenbüttel,Wolfsburg
Manfred Wohlgefahrt Vorsitzender, CDU-Fraktion im Stadtrat Erfurt
Alois Wolf Abteilungsleiter, Caritasverband, Erfurt
Dr. Klaus Zeh Mitglied des Landtages, Erfurt
Dr. Rudolf Zewell Rheinischer Merkur, Bonn
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Redaktionelle Betreuung: Prof. Dr. Jörg Winterberg
Gestaltung: Scholz & Friends Berlin
Illustrationen: Janusz Kapusta
Lithografie: Appel Grafik Berlin
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