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  • Von Harald Gesterkamp | Islamischer Staat, al-Kaida,Shabaab-Miliz, Boko Haram – die Liste der brutalenÜbergriffe islamistischer Terrorgruppen wird täglichlänger. Und ihre Gräueltaten machen auch vor Jour-nalisten nicht halt. Henker der IS-Miliz enthauptetenim September die amerikanischen Journalisten JamesFoley und Steven Sotloff. Al-Kaida tötete im Jemenden US-Fotoreporter Luke Somers. Nicht besser siehtes in Somalia, Nigeria, Libyen oder Pakistan aus.

    Die Gewalt der islamistischen Gruppen dominiertdie Schlagzeilen in der Auslandsberichterstattung.Zu Recht. Aber nicht nur anlässlich des Internationa-len Tages der Pressefreiheit am 3. Mai darf man denBlick auf staatliche Stellen als Verletzer der Medien-freiheit nicht vergessen.Raif Badawi, der zu 1.000 Peitschenhieben und zehnJahren Haft verurteilte Blogger aus Saudi-Arabien istder berühmteste, aber längst nicht der einzige poli -tische Gefangene im Königreich. Dort riskiert jederInhaftierung und Misshandlung, wenn er in politi-schen oder religiösen Fragen öffentlich eine andereMeinung als die Herrscherfamilie vertritt. Wer inÄgypten in Verdacht steht, die verbotene Muslim-bruderschaft zu unterstützen, findet sich umgehendvor Gericht und dann im Gefängnis wieder. Auchim Krieg wird die Pressefreiheit mit Füßen getreten.Das wissen regierungskritische Journalisten in Russ-land genauso wie ihre pro-russischen Kollegen in derUkraine. Die Ermordung von Oles Buzina in KiewMitte April hat das eindringlich bewiesen.Meinungsfreiheit in China, Weißrussland oder Eri-trea? Trotz aller Proteste der vergangenen Jahre hatsich an der trostlosen Lage für mutige Journalistin-nen und Journalisten dort nichts geändert. Denkenwir an Gao Yu, eine Mitarbeiterin der DeutschenWelle, die gerade in Peking zu einer mehrjährigenHaftstrafe verurteilt wurde – nicht zum ersten Mal.

    Im Vergleich dazu leben wir in Westeuropa in para-diesischen Zuständen. Und dennoch müssen uns etwa die neuen Pläne der Bundesregierung für eineVorratsdatenspeicherung misstrauisch machen. Werdie Pressefreiheit schützen will, muss auch die Datenvon Journalisten schützen. Mord und Haftstrafen inanderen Teilen der Welt dürfen uns nicht daran hin-dern, am 3. Mai auch hierzulande Angriffe auf denInformantenschutz und die Medienfreiheit als sol-che zu benennen.

    2 M 2.2015

    INHALT

    TITEL PAID CONTENT

    8 Preisfrage Paid Content Von Matthias Kurp

    AKTUELL

    4 „Kunst Freiheit“ 20 Jahre MedienGalerie4 Protest gegen Bild-Berichterstattung4 Medientage in Lage-Hörste4 Stimmrechte VG Wort5 Briefe an M6 Stellenausschreibung Hamburg6 Der öffentlich-rechtliche Rundfunk unter Druck: Erfüllt die Finanzierung noch ihren Zweck?

    KOLUMNE

    6 Kriminell oder verdienstvoll Datenklau per Keylogger – eine Debatte

    über gute und böse Whistleblower

    FACHBEREICHSKONFERENZ

    12 Streitbar und konfliktfähig Konferenzaufträge: Jugend fördern, Mindestlohn und

    Streikrecht stärken

    TARIFE + BERUF

    14 NDR legt ein erstes Angebot vor Tarifverhandlungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk14 Lokalredaktionen geschlossen14 Frankenberger Zeitung soll eingestellt werden15 dju-Hochschulgruppen in Gießen und Mainz15 Fuß fassen Tour in Frankfurt15 Schon entdeckt? Fernsehkritik-TV16 Kommunikation als Lebenskunst16 Die Klarnamendebatte16 Mehr Geld für Reuters-Beschäftigte 16 ver.di-Beratung für Cloudworker online

    Auf ein W

    ort

    Mit Füßengetreten

    Immer öfter wird eineBezahlung verlangt,

    um alle journalistischenInhalte im Netz

    lesen zu können! Foto: Fotolia / ldprod

    Foto: K

    ay Herschelm

    ann

  • MEDIEN + RECHT

    17 Am Ende gewonnen und doch verloren Volksstimme Magdeburg: Vier Jahre Kampf

    um den Arbeitsplatz

    MEDIEN + POLITIK

    18 Transparenz per Gesetz Gute Beteiligung in Rheinland-Pfalz –

    Sendepause in Baden-Württemberg19 Totalüberwachung droht Regierung plant anlasslose Datenspeicherung

    aller Telekommunikationsdaten

    MEDIEN + GESELLSCHAFT

    20 „Der NSU-Schlüssel liegt in Heilbronn“ Umfangreiche Recherche trotz geringer Ressourcen

    in Sachen Nazi-Untergruppen21 Start von Politico Europe Mit ausgewählten Themen die Lese-Lust

    von Spitzenpolitikern wecken22 Unmut der Filmfrauen Benachteiligung bei Filmförderung und

    Sender-Budgets23 Ein anderer Beginn Neues Printprojekt Leipziger Zeitung ab Mai wöchentlich

    MEDIEN + INTERNATIONAL

    24 Das Ende der Medienoligarchen Rumänien: Verurteilungen wegen Korruption

    und weitere Ermittlungen25 Niederländische Korrespondentin frei 25 Russlandfreundlicher Journalist erschossen25 Europäischer Rat startet Seite zur Pressefreiheit26 Keine Lust auf Debatte Schweres Fahrwasser für BBC im Klima

    politischer Instabilität 27 Hartes Willkürurteil27 Mumia schwer erkrankt27 Web-Gesetz gekippt27 Aktion für César Omar Silv Rosales, Honduras28 Einzige Alternative Exil Medien auf der Krim –

    „gesetzloser Zustand“ ein Jahr nach der Annexion 29 ERT wieder on air Griechenland: Entlassene kehren

    in öffentlich-rechtlichen Sender zurück

    SERVICE/LEUTE

    30 Leute 31 Impressum

    AKTUELL NOTIERT

    Interessante Nachrichten und Berichte aus der Medien branche – mehr zum Lesen zwischen den Print-Ausgaben auf der M-Website http://mmm.verdi.de/aktuell-notiert

    M 2.2015 3

    INHALT

    Foto: C

    hristian v. Po

    lentz

    „Der Auftrag ist klar, also Ärmel hoch“, forderte derneu gewählte Fachbereichsvorsitzende Ulrich Janßenzum Schluss der Konferenz die Gewerkschafter ausMedien, Kunst und Industrie auf. Mitgliedergewin-nung, am besten durch direkten Kontakt und Ge-spräche im Betrieb, bei Tarif- und Honorarauseinan-dersetzungen ist eine Aufgabe. Weitere Themen sinddie umstrittene Tarifeinheit, die Durchsetzung desMindestlohns, die Novellierung des Urhebervertrags-rechts, Erhalt der Pressevielfalt, die digitale Transfor-mation der Medienbranche, eine gute gewerkschaft-liche Bildung in ver.di und dafür, nicht zuletzt, derErhalt des Medieninstituts in Lage-Hörste. Solidaritätder Gesamtorganisation wurde für die streikendenDrucker von Giesecke & Devrient in München unddie Tänzerinnen des Staatsballetts Berlin eingefor-dert. Jede Menge Diskussionen, geführt mit ver.di-Chef Frank Bsirske und dem mit 85,1 Prozent erneutzum Fachbereichsleiter gewählten und damit fürden Bundesvorstand nominierten Frank Werneke –eine interessante Konferenz (S.12/13).

    Der Umbruch im Printbereich, der von den Zeitun-gen zunehmend digitale Präsenz verlangt, betrifftviele Medienschaffende in ver.di. Sie erleben Redak-tionsschließungen (S.14), Tarifflucht, die Zerstücke-lung von Verlagen (S.17) … hautnah. Gleichwohlmachen sinkende Auflagen und magere Anzeigen -einahmen den Printmedien zu schaffen. So hat dieFrage nach bezahlten journalistischen Inhalten imInternet in diesen Tagen Brisanz gewonnen. M gibtmit ihrer aktuellen Titelgeschichte einen Überblicküber getestete Abo-Modelle, über Für und Wider so-wie erste Bilanzen (S. 8–11). Trotz alledem wagen esdrei Gründer, ein neues Produkt auf den Printmarktzu werfen, die Leipziger Zeitung! (S. 23)

    Der M-Blick auf audiovisuelle Medien richtet sich in dieser Ausgabe einmal mehr ins Ausland. In Grie-chenland wird die rechtswidrige Schließung des öffentlich-rechtlichen Senders ERT korrigiert. Entlas-sene erhalten ihren Arbeitsplatz zurück (S. 29). In Großbritannien bewegt sich die BBC infolge poli-tischer Instabilität in schwerem Fahrwasser (S. 26).Rumänische Zeitungen, Radio- und Fernsehsenderwerden aus den Fängen korrupter Medienoligarchenbefreit. Einige sitzen bereits im Gefängnis (S. 24).

    Karin Wenk, verantwortliche Redakteurin

    Auftrag klar,Ärmel hoch

    SERVICE ZUM SURFEN

    Der Service ist im Netz unter:http://mmm.verdi.de/service Gra

    fik: H

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    Editorial

  • 4 M 2.2015

    „Kunst Freiheit“ 20 Jahre MedienGalerieAnlässlich des 20jährigen Jubiläums derMedienGalerie im Haus der Buchdrucker inBerlin wird am 11. Juni die Ausstellung„Kunst Freiheit“ der Fachgruppe BildendeKunst in ver.di Berlin-Brandenburg eröff-net. Sie ist bis zum 30. Juli zu sehen.

    Am 27. Januar 1992 stellte der Verbanddeutscher Schriftsteller (VS) Berlin den An-trag, es „sollte umgehend eine Berliner IG-Medien-Galerie eingerichtet werden. … Inder Galerie können Ausstellungen, Lesun-gen, Konzerte, Filmvorführungen, Vorträge,Diskussionen und andere Veranstaltungendurchgeführt werden, sowohl für die Öf-fentlichkeit als auch für die Mitglieder derIG Medien.“ Am 2. Mai 1995 öffnete dieMedienGalerie ihre Türen – 62 Jahre nach-dem das Verbandshaus der DeutschenBuchdrucker von den Nazis besetzt wordenwar. 50 Jahre nach der Befreiung vom Fa-schismus. Die Fachgruppe Bildende Kunstzeigte als erste Ausstellung: „verbrannt – be-freit – verhüllt. Der Reichstagsbrand unddas neue Deutschland“. 2015 im Mai ist die120ste Ausstellung zu sehen.

    www.mediengalerie.org n

    Stimmrechte VG WortAnfang Mai wurden die Einladungen zuden diesjährigen Versammlungen der Ver-wertungsgesellschaft Wort verschickt. Fürden 29. Mai lädt sie alle Wahrnehmungsbe-rechtigten nach München zur diesjährigenVersammlung ein. Dort werden die Dele-gierten der Wahrnehmungsberechtigten ge-wählt. Am Folgetag treffen sich die Mitglie-der zu ihrer Versammlung, die unter ande-rem den Verwaltungsrat wählen. Wer anden Versammlungen nicht teilnehmenkann, denke bitte an die Stimmrechtsüber-tragung. Bei Rückfragen bitte einfach eineMail an [email protected] n

    AKTUELL

    Protest gegen Bild-Berichterstattung Aktivisten des Internetportals Rebellunion protestierten am 11. April vor dem Springer-Hoch-haus in Berlin gegen den Kampagnenjournalismus der Springer-Presse, vor allem der Bild-Zei-tung. „Seit ihrem Bestehen fällt die Bild immer wieder durch menschenverachtende Hetzeund unehrlichen Kampagnenjournalismus auf. Ob im Umgang mit Griechenland, ständigerKriegshetze, Hetze gegen Muslime oder erst kürzlich im Umgang mit der Germanwings- Tragödie, die Bild leistet sich immer wieder gröbste Verletzungen aller journalistischen Stan-dards“, hieß es in dem Aufruf zur Protestaktion. http://diefreiheitsliebe.de/gesellschaft/bildboykott-demo-vor-dem-axel-springer-haus/https://www.facebook.com/Rebellunion?fref=ts

    5. Medientage des ver.di Fachbereichs 8 in Lage-Hörste 2015 vom 29. bis zum 31. Mai Anmeldung: www.imk.verdi.de

    Entfremdete Medien? Die Rolle von Glaubwürdigkeit und Vertrauen im Journalismus

    Foto: C

    hristian von Po

    lentz

    VORTRÄGE

    Wir sind nicht die Guten: Was leisten die Medien in unserer Demokratie noch? Steffen Grimberg, Leiter Grimme-Preis, Grimme-Institut, Marl

    Berichterstattung aus Krisenregionen: Was ist die Wirklichkeit und wie beschreibt man sie? Chris Grodotzki, Fotograf

    Vorurteile, Frust und Fremdenfeind -lichkeit: Müssen sich die Medien den Menschen anpassen? Alexander Häusler, wiss. Mitarbeiter am Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus der Fachhochschule Düsseldorf

    Bürgerreporter im Lokaljournalismus: eine neue Medienökonomie? Horst Röper, Leiter des FORMATT-InstitutsDortmund

    WORKSHOPS

    Wie funktioniert „Bürgerjournalismus“? Ein Praxisworkshop am Beispiel von lokalkompass.de Helgo Ollmann, Medienpädagoge

    Gekaufte Wahrheiten: Der richtige Umgang mit PR und Propaganda im Netz Julia Hoffmann, wiss. Mitarbeiterin am Institutfür Kommunikationswissenschaft TU Dresden

    Verleumdungen, Shitstorms und Gewaltandrohungen: Wie schütze ich meine Identität? Hauke Gierow, Reporter ohne Grenzen

    Zusammenfassung, Denkanstöße undSchlussfolgerungen Uli Janßen, dju-Bundesvorsitzender

    Tagungsleitung: Karlheinz Grieger

  • Mehr Rentefür Medienberufe

    4,6 % Gesamtverzinsung in 2015

    Presse-Perspektive

    Anzeige

    AKTUELL

    NSU-Berichterstattungin Pforzheimer Zeitung

    M 1.2015 „Willfährig auf Umwegen“

    Als Chefredakteur der Pforzheimer Zeitung habe ichmit Interesse den Artikel „Willfährig auf Irrwe-gen“ zum NSU-Prozess in Ihrer aktuellen Aus-gabe gelesen. Erlauben Sie mir den Hinweis,

    dass die Pforzheimer Zeitung mit der renom-mierten Gerichtsreporterin Wiebke Ramm seit Anbe-ginn des Prozesses im Münchner Oberlandesgerichtvertreten ist. Daraus entstanden ist nicht nur einekontinuierliche und hintergründige Berichterstattungin der Pforzheimer Zeitung, die sich auch mit den Zu-sammenhängen außerhalb des Gerichtssaals befasst,sondern auch ein Twitter-Protokoll, das bundesweiteBeachtung findet. Sie finden dieses Protokoll unterwww.twitter.com/ pzhautnah Magnus Schlecht,

    Chefredakteur, Pforzheimer Zeitung n

    Klare Angaben im Tagesspiegel

    M 1.2015 „Glaubwürdigkeit beschädigt“

    Ich habe mich beim Tagesspiegel mehrfach mit fal-schen Bildern zum Ukraine-Konflikt beschäftigt – unddeshalb auch mit Interesse den Text „Glaubwürdigkeitbeschädigt“ in der neuen Ausgabe der M gelesen. Undmich dann geärgert über eine Passage, in der es umein falsches Foto auf heute.de zur von Kiew behaup-teten Invasion 50 russischer Panzer in die Ukraineging. In der Tat ein kritikwürdiger Vorgang. Weiterheißt es dann: „Auch Focus Online, tagesspiegel.de undZeit Online griffen diese News auf.“ Suggeriert wirdhier, dass all diese Medien ebenfalls falsche Fotos zurBebilderung der Nachricht genutzt haben.

    Zumindest für den Tagesspiegel kann ich das aus-schließen. In unserem Ticker haben wir zwar über dieangeblich einfahrenden russischen Panzer berichtet,dabei aber sowohl in der Überschrift als auch im Text

    klar gemacht, dass es sich um Angaben aus Kiew han-delt: http://www.tagesspiegel.de/politik/ukraine-gip-fel-in-im-liveticker-der-lange-weg-zur-einigung-von-minsk/11356902.html Matthias Meisner,

    Hauptstadtredaktion, Der Tagesspiegel n

    Ärger mit der Durchschnittszahl

    M 1.2015 „Keiner schiebt uns weg“

    Zum wiederholten Male: Die stets aufs neue kolpor-tierte Zahl von „22 Prozent“, dass Frauen durch-schnittlich angeblich weniger verdienen als Männer,stimmt nicht. … Grundlage dieser Zahl sind Privatbe-triebe mit mehr als zehn Mitarbeitern inklusive derSpitzengehälter, die mehrheitlich Männer einstrei-chen. Bei der Berechnung fehlen also Familien-Klein-betriebe, wo Gewinne sowieso einheitlich verteilt wer-den, und der gesamte öffentliche Dienst, wo im All-gemeinen ebenfalls gleiche Löhne gezahlt werden.Nicht berücksichtigt sind außerdem die Tarifgruppennach Ausbildung, Qualifikation, Arbeitsjahren usw. …Der Lohnunterschied ist in erster Linie also ein sozia-les Problem und keine Geschlechterfrage. Doch damithaben wir einen ganz anderen Blick auf das Problemals durch die angebliche Geschlechterdifferenz-Sicht.Die führt zu Entsolidarisierung zwischen Männernund Frauen, verschleiert die tatsächlichen Profiteureund soll Männer von Lohnforderungen abhalten. …Leider wird sie (die Zahl 22 Prozent) von Journalistenund Journalistinnen überhaupt nicht hinterfragt.

    Thomas Moser, Berlin n

    Anmerkung der Redaktion:

    Im M-Bericht wird auf die „Durchschnittszahl“ hin-gewiesen und dann weiter differenziert. Weitere Fak-ten aus dem Referat konnten aus Platzgründen nichtaufgeführt werden, wurden aber diskutiert. Der Vortrag von Prof. Ursula Schumm-Garling unter:http://tinyurl.com/px9369q

    Wir freuen uns überBriefe. Manchmal

    müssen wir Leserbriefekürzen. Wir bitten

    dafür um Verständnis.

    ver.di Bundesverwaltung

    Karin Wenk «M»-Redaktion 10112 Berlin

    Tel: (030) 69 56 23 26E-Mail:

    [email protected]

    Briefe

  • 6 M 2.2015

    AKTUELL

    connexx.avInteressenvertretung für Mitarbeiter von Rundfunk, Film, AV-Produktion und Neue Medien

    Stellenausschreibung

    Gewerkschaftssekretär/inconnexx.av Hamburg ab Oktober 2015connexx.av gehört zu ver.di. Wir arbeiten für eine Verbesserung der Arbeits- und Le-bensbedingungen der Gewerkschaftsmitglieder und sind das ver.di-Netzwerk für Me-dienschaffende an den großen Medienstandorten mit Büros in Berlin, Frankfurt/Main,Hamburg, Köln und München.Für das Büro in Hamburg ist die Stelle eines/r Gewerkschaftssekretärs/in in Vollzeit ab1. Oktober 2015 zu besetzen.

    Die Arbeitsschwerpunkte sind: • Gewerkschaftliche Begleitung und Beratung von Betriebs- und Personalräten,

    Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und freien oder freiberuflichen Medien-schaffenden,

    • Aufbau von Kontakten zum Zweck der Mitgliedergewinnung in noch nicht oder nurunzureichend organisierten Betrieben und Freien oder freiberuflich Beschäftigten inder Medienbranche (dazu zählen in Hamburg Tochterunternehmen und Auftragneh-mer von öffentlich-rechtlichen Sendern, Privat-Rundfunk, Filmwirtschaft und Online-Medien/Online-Dienste insbesondere von Verlagsunternehmen),

    • Beratung von Einzelmitgliedern in Arbeits-, Sozial- und geltendem Tarifrecht,• Betreuung von Teilen der Fachgruppe Medien im Team des Landesfachbereichs

    Hamburg/Nord und insbesondere der ver.di FilmUnion Nord,• Betriebsbetreuung nach weiterer jährlicher Planung zu Schwerpunktbetrieben.

    Die Anforderungen an den/die Gewerkschaftssekretärs/in sind:• Kenntnisse in Arbeitsrecht, Tarifrecht, Betriebsverfassungsrecht, Urheberrecht,

    Sozialrecht,• Branchenkenntnisse über die Arbeits- und Produktionsbedingungen im öffentlich-

    rechtlichen und privaten Rundfunk, in der Filmwirtschaft sowie in Online-Medien /Online-Diensten,

    • Eine analytische Auffassungsgabe zu arbeits- und betriebsverfassungsrechtlichenProblemstellungen, die Fähigkeit zur Entwicklung von Lösungsansätzen zu den inder Beratung von Mitgliedern und Betriebsräten erscheinenden Konfliktsituationen,wenn nötig in Verhandlungen Durchsetzungsvermögen sowie Moderations- und Beratungskompetenz in gewerkschaftlichen Gremien, bei Mitgliederversammlungenund Informationsveranstaltungen

    • Sicheres und überzeugendes Auftreten sowie gute verbale und schriftliche Aus-drucksfähigkeiten bei der direkten Kommunikation, in Korrespondenz und Öffent-lichkeitsarbeit,

    • Fähigkeit und Bereitschaft zur Teamarbeit und in Projektstrukturen,• Kompetenz in der Büroorganisation, umfassende PC-Kenntnisse (MS Office, Out-

    look), versierter Umgang mit Kommunikationsmitteln (E-Mail, sozialen Netzwerken,Kommunikation auf Internetseiten),

    • Bereitschaft zu Reisetätigkeit, zu selbstständigem und eigenverantwortlichem Arbeiten sowie zur Arbeit auch an Wochenenden und in den Abendstunden.

    Die Eingruppierung der Stelle erfolgt nach den Allgemeinen Anstellungsbedingungender ver.di (Gehaltsgruppe 7.1 später 7.3.). Die schriftlichen Bewerbungsunterlagen bit-te bis zum 18. Mai 2015 an diese Anschrift richten:connexx.av GmbH c/o ver.diGeschäftsführung Matthias von FintelPaula-Thiede-Ufer 1010117 Berlin

    Für weitere Nachfragen ist die Geschäftsführung von connexx.av, Matthias von Fintel,unter 030 / 69 56–2321 bzw. per Email [email protected] zu erreichen.

    „Der öffentlich-rechtliche Rund-funk unter Druck: Erfüllt die Finanzierung (noch) ihren Zweck?“

    Mitte diesen Jahres steht Medienpolitik auf derTagesordnung der Ministerpräsidentenkonfe-renz, die Rundfunkanstalten müssen in diesenWochen ihren Finanzbedarf bei der KEF anmel-den, die Politik will Werbung im Rundfunk ein-schränken und ARD und ZDF sollen Personal ab-bauen. Das sind die Themen der nächsten me-dienpolitischen Tagung von ver.di in Frankfurt.

    27. Mai 2015, beim Hessischen Rundfunk

    14:00 Uhr BegrüßungDr. Helmut Reitze, Intendant Hessischer RundfunkFrank Werneke, Stellv. Vorsitzender ver.di

    14:15 Uhr Werbung im öffentlich-rechtlichenRundfunk reduzierenDr. Marc Jan Eumann, Staatssekretär für Bundes -angelegenheiten, Europa und Medien des LandesNordrhein-Westfalen

    14:25 Uhr Entgegnung: Auswirkungen für die ARD-FinanzenDr. Helmut Reitze

    14:35 Uhr PodiumsdiskussionDoppelzüngigkeit der Politik? Wer gleicht denWegfall der Werbeeinnahmen aus?Dr. Marc Jan Eumann, Staatssekretär; Dr. Helmut Reitze; Hans-Albert Stechl, VorsitzenderSWR-Verwaltungsrat und Tina Beuchler, Digital & MediaDirector, Nestlé Deutschland

    16:00 Uhr KEF: Handlanger der Politik oderKontrolleure mit ökonomischem Sachverstand?Ralf Seibicke, Stellv. Vorsitzender der KEF

    16:15 Uhr Ralf Seibicke im DialogFragen aus dem Plenum, von Mitgliedern aus Rund-funkgremien und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiternaus den Rundfunkanstalten

    18:00 Uhr Abschlussdiskussion mit Jacqueline Kraege, Bevollmächtigte des LandesRheinland-Pfalz für Bundesangelegenheiten, Europa,Medien und Digitales; Dr. Helmut Reitze; Ralf Seibicke;Frank Werneke und Axel Wintermeyer, Staatsministerund Chef der Hessischen Staatskanzlei

    Verabschiedung: Frank Werneke

    Moderation: Kristin Gesang, Uli RöhmPlanung und Organisation: Uli Röhm, ver.di ArbeitskreisMedienpolitikKosten: Die Teilnahme ist unentgeltlich.

    Anmeldung und Programm: http://rundfunk.verdi.de/service/veranstaltungen

  • M 2.2015 7

    Von Günter Herkel | Die linksalternative Tageszeitungtaz wurde Opfer einer Ausspähung durch einen Redak-teur des eigenen Blatts. Es soll sich um denselbenMann handeln, der heimlich Dienstgespräche in derSüddeutschen Zeitung mitschnitt, um einen angeb -lichen Skandal zu belegen. Der Redakteur wurde ent-lassen, die taz hat Strafanzeige gestellt.

    Der Vorgang schockierte die Branche. Einige Medienreagierten mit Häme: Ausgerechnet die taz, die sonstjeden Geheimnisverrat eines Whistleblowers als Dienstan der Demokratie zelebriere, reagiere nun, nachdemsie selbst betroffen sei, mit strafrechtlichen Maßnah-men. Der „Kult“ um den Geheimnisverräter, der In-formationen aus der eigenen Organisation stehle, soder Vorwurf, habe Maßstäbe erodieren lassen. Inves-tigative Recherchen würden – aus vermeintlich höhe-rer Moral – per se über das Recht gestellt.

    Wer so argumentiert, wirft Unvereinbares in ei-nen Topf. Eine differenzierte Betrachtung kann nichtdaran vorbei gehen, die Motive der jeweiligen Ge-heimnisverräter zu prüfen. Ob Julian Assange mit sei-nen Wiki-Leaks, ob Chelsea Manning, die US-Folterim Irak offengelegt hat, selbstverständlich auch Ed-ward Snowden mit seinen Enthüllungen über dieÜberwachungspraxis der NSA – alle drei sind zweifels-ohne Personen, die unter hohem persönlichen Ein-satz und Risiko gesellschaftliche Missstände aufge-deckt haben. Vor diesem Hintergrund haben sie derDemokratie einen Dienst erwiesen.

    Welche Absichten verfolgte demgegenüber dertaz-Redakteur, der in flagranti beim Ausspähen seinerKollegen ertappt wurde? Mit eben den Methoden, diedas Bundeskriminalamt unter dem Schlagwort „On-linedurchsuchung“ schon seit Jahr und Tag gern gegen Redaktionen einsetzen würde. Was aber bislangam Widerstand der Betroffenen und der Medienge-werkschaften scheiterte. Lässt sich unterscheiden zwi-schen gutem und bösem Geheimnisverrat? Für taz-Chefredakteurin Ines Pohl gibt es ein entscheidendesKriterium, an dem sich Undercover-Recherchen mes-sen lassen müssen: die gesellschaftliche Relevanz derso erlangten Informationen. Eine Relevanz, die alle-mal über einen persönlichen Rachefeldzug oder ähn-lich gelagerte Motive hinaus gehen müsse.

    Ähnlich sieht es auch der Deutsche Presserat.Grundsätzlich, so heißt es in Ziffer 4 des Pressekodex,dürften bei der Beschaffung von personenbezogenenDaten, Nachrichten, Informationsmaterial und Bil-dern „keine unlauteren Methoden“ angewandt wer-den. Wer von dieser Regel abweichend verdeckt undmit rechtlich fragwürdigen Methoden recherchiert,für den gibt es laut Presserat-Geschäftsführer Lutz Till-manns eine hohe Hürde: das Vorhandensein eines„überragenden öffentlichen Interesses“ an den so er-langten Informationen. Gleichzeitig gelte aber auch:„Wenn Kollegen Kollegen bespitzeln, dann ist das einNo Go.“

    Ein No Go? Sollen ausgerechnet Journalisten, diesich viel darauf zugutehalten, gesellschaftliche Miss-

    stände aufzudecken, vor Nachforschungen über ihreigenes Tun abgeschottet werden? Darum gehe es garnicht, findet Medienwissenschaftler Volker Lilienthal.Auch Journalisten stünden nicht als „Unberührbare“unter Naturschutz. Natürlich müssten auch Journalis-ten ihre Arbeit einer kritischen Prüfung aussetzen.Aber um ihrer Arbeit nachgehen zu können, sei nebendem Informantenschutz auch der Schutz des Redak-tionsgeheimnisses unerlässlich. Ohne diesen Schutz-raum sei die Funktionstüchtigkeit einer freien Pressegefährdet.

    Klingt überzeugend, hat aber auch den einenoder anderen Widerhaken. Wie lässt sich denn danndas Wirken von Enthüllungsreporter Günter Wallraffbeurteilen, des Mannes, der 1977 „bei Bild Hans Esserwar“? Klar dürfte sein: Mit der Unterscheidung zwi-schen „guten“ und „bösen“ Zeitungen kommt manhier medienrechtlich kaum weiter. Das Redaktionsge-heimnis von Bild sollte zunächst mal nicht wenigerwert sein als das der taz. In diesem Sinne urteilte imWallraff-Beschluss von 1984 grundsätzlich auch dasBundesverfassungsgericht. Zu den Methoden Wall-raffs hieß es: „Weder das Grundrecht der Freiheit derMeinungsäußerung noch die Pressefreiheit schützendie rechtswidrige Beschaffung von Informationen.“Als solche werteten die Richter seinerzeit auch das„Einschleichen“ Wallraffs. Dann aber kommt’s: „EineAusnahme kann nur gelten, wenn die Bedeutung derInformation für die Unterrichtung der Öffentlichkeitund für die öffentliche Meinungsbildung eindeutigdie Nachteile überwiegt, welche der Rechtsbruch fürdie Betroffenen und für die Rechtsordnung nach sichzieht.“

    Bislang ist nicht erkennbar, welche überragendeöffentliche Bedeutung die Spähaktion des einstigentaz-Mitarbeiters hätte haben können. Mit einer Ent-hüllungsreportage, die schwere Menschenrechtsver-letzungen im Redaktionsgebäude an der Rudi-Dutsch-ke-Straße nachweist, dürfte kaum zu rechnen sein.Das Abfischen persönlicher Daten in Redaktionen perKeylogger ist eindeutig eine kriminelle Handlung. DasAufdecken millionenfacher Grundrechtsverletzungwie im Fall Snowden dagegen ein Dienst an der De-mokratie.

    In der taz-Redaktion jedenfalls hat der Daten-diebstahl Wirkung hinterlassen. Der Schaden wird alsbeträchtlich angesehen. Wer bislang vertrauensvollmit einem Redaktionsmitglied zusammenarbeitete,wird sich nun fragen, wie vertraulich diese Kommu-nikation noch ist. Gefährdet ist damit auch die bis-lang in der taz gelebte offene und lebendige Diskus -sionskultur. Eine Kultur, die nicht zuletzt auch denCharme dieser Zeitung ausmacht. Es wäre ein unan-genehmer Folgeeffekt, wenn eine Redaktion bei ihrerArbeit aus Furcht vor Ausspähung von Paranoia ergrif-fen würde. Zwecks besserer Absicherung der Infor-manten betreibt die taz jetzt verschärft digitales Si-cherheitstraining samt Datenverschlüsselung zumSchutz des Redaktionsgeheimnisses. Im Zweifelsfallgilt: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. n

    KOLUMNE

    Kriminell oder verdienstvollDatenklau per Keylogger – eine Debatte über gute und böse Whistleblower

    Foto: C

    hristian von Po

    lentz

    ➧ Günter Herkel

    lebt in Berlin und arbeitet als freier Medien-journalist für Branchen-magazine in Print und Rundfunk.

  • 8 M 2.2015

    Die Tageszeitungen in Deutschland haben seit derJahrtausendwende fast ein Drittel ihrer verkauftenAuflage und mehr als zwanzig Prozent ihrer Umsätzeverloren. Im Anzeigenbereich brach der Umsatz inden vergangenen fünfzehn Jahren sogar um mehr alsdie Hälfte ein. Dass beim Vertrieb die Erlöse trotz ge-waltiger Auflagenverluste weiterhin kletterten, lag al-lein an zahlreichen Preiserhöhungen. Der Zeitungs-markt steckt in der Krise: Schrumpfen die Auflagen,gehen die Werbeeinnahmen zurück. Sinkende Erlösewiederum führen dazu, dass weniger in die Redaktioninvestiert werden kann (Anzeigen-Auflagen-Spirale).So fehlt es vielen Blättern an Argumenten, um neueLeser zu gewinnen, während vor allem junge Rezi-pienten ihre News komplett über das World WideWeb beziehen. Dort gibt es journalistische Inhalte gra-tis. Außerdem sind auch die Rubriken-Anzeigen fürAutos, Immobilien oder Stellenanzeigen größtenteilsin die Online-Welt abgewandert.

    Galt das Internet einst als Heilsbringer der Mediengesellschaft und vermeintliche Cash Cow, be-droht es mittlerweile traditionelle Geschäftsmodellewie das der Printmedien. So hat etwa die Bild-Zeitungbinnen eines Jahrzehnts die Hälfte ihrer Auflage ver-loren. Boulevard-Journalismus findet sich nämlich in-zwischen nicht nur im Fernsehen, sondern auch imInternet. Der Axel-Springer-Vorstandsvorsitzende Ma-thias Döpfner warnt bereits seit Jahren davor, mit dergedruckten Presse könne es schon bald vorbei sein,und es müssten neue Erlösquellen her. Deshalb führteSpringers Zeitung Die Welt im Dezember 2012 als ersteüberregionale deutsche Tageszeitung eine sogenannteBezahlschranke für Online-Inhalte ein. Leser könnenseitdem pro Monat nur noch zwanzig Texte bei welt.degratis anklicken. Wer mehr lesen will, muss ein Mo-natsabo für mindestens 4,49 Euro abschließen. SolcheSysteme werden als Metered Model bezeichnet (sieheInfo-Kasten) und sollen Internetnutzer allmählich da-

    ran gewöhnen, für Online-Inhalte der Zeitungen zubezahlen.

    Bei Bild.de verfolgt Springer seit Juni 2013 einFreemium-Modell namens Bild Plus. Dabei sind vieleArtikel kostenlos, für exklusive Inhalte (u.a. Bundes-liga-Highlights als Video) aber muss bezahlt werden,und zwar mindestens 4,99 Euro pro Monat. Bislanghaben sich dafür etwa 1,5 Prozent der Nutzer vonBild.de entschieden. Schaute die Branche zunächstskeptisch auf die Springer-Experimente, wächst neu-erdings die Zahl der Verlagsmanager, die einsehen,dass es sich Zeitungen angesichts kontinuierlich sin-kender Erlöse im Printgeschäft kaum noch leistenkönnen, redaktionelle Inhalte online zu verschenken.

    Paid Content schwer durchsetzbar. Die Idee, dasPrint-Abo-Modell eins zu eins auf das Internet zuübertragen, fasziniert viele in der Branche. Einige Ver-suche, mit der „All-for-free-Mentalität“ der Online-Welt zu brechen und journalistische Inhalte auch indigitaler Form nur noch gegen Entgelt anzubieten,sind allerdings bereits gescheitert. So musste etwa Ru-pert Murdoch 2012 seine Tablet-Zeitung The Dailynach knapp zwei Jahren wieder einstellen. Um profi-tabel zu sein, hatten die etwa 100.000 Abonnenten,die eine Zeitung aus Papier gegen ein Tablet tausch-ten, einfach nicht ausgereicht. Entsprechend vorsich-tig operieren die meisten deutschen Verleger. Zwarstarteten bereits vor etwa fünf Jahren einige ZeitungenPaid Content-Versuche (siehe Artikel „Wenn Zeitungdigitale Wege geht“ in M 5/2012). Doch viele Verlagefürchten, durch Bezahlinhalte Internetnutzer und da-mit Online-Reichweite zu verlieren, was wiederum zuVerlusten bei der Werbung im World Wide Web füh-ren kann. Deshalb hat sich bislang erst etwa eineHandvoll Redaktionen zu einer harten Bezahlschran-ke (Paywall) entschieden, um die Leser zu zwingen,für sämtliche Online-Inhalte zu zahlen.

    TITEL | PAID CONTENT

    Im Printbereich sinken Auflagen und Anzeigeneinnahmen. Deshalb hoffen vor allemZeitungsverlage auf höhere Erlöse im Internet. Die Zeiten, in denen Verlagshäuserihre Artikel online gratis anbieten, sollen bald vorbei sein. Stattdessen will diePrintbranche im Internet mit sogenanntem Paid Content mehr Geld verdienen.Dabei geht es um digital verbreitete Bezahlinhalte. Die Preisfrage dabei lautet:Wie lässt sich im Netz endlich eine Bezahlkultur durchsetzen? Gelingt dies nicht,steht das komplette Geschäftsmodell des Zeitungsjournalismus auf dem Spiel.

    Von Matthias Kurp

    Preisfrage Paid ContentFoto: Fotolia / Yeko P

    hoto Studio

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    TITEL | PAID CONTENT

    Zu denen, die im Internet nichts mehr verschen-ken wollen, gehört die Koblenzer Rhein-Zeitung. Siehat Ende Januar einen harten Schnitt gemacht underlaubt nur noch ihren Printabonnenten, Online-Ar-tikel weiterhin kostenlos zu lesen. Alle anderen Nutzerfinden unter www.rhein-zeitung.de lediglich die Anrei-ßer von Texten. Werden diese angeklickt, öffnet sichautomatisch ein Menüfenster mit der Aufforderung„Bitte melden Sie sich an“. Einzelartikel kosten fünf-zig Cent, der Tagespass neunzig Cent und der Monats-pass im Jahresabonnement 5,90 Euro, sonst 6,90 Euro.

    Reichweiten-Verluste. Als die Rhein-Zeitung EndeFebruar eine erste Zwischenbilanz zog, konnten zwareinige Hundert zahlende Online-Nutzer gemeldetwerden. Zugleich aber war die Online-Reichweite ge-genüber dem entsprechenden Vorjahresmonat um et-wa ein Fünftel zurückgegangen. Wer mit einer Bezahl-schranke höhere Einnahmen auf dem Online-Leser-markt erzielen will, muss also mit weniger Klicks unddamit geringeren Erlösen auf dem Werbemarkt rech-nen. Deshalb basieren etwa zwei Drittel aller PaidContent-Systeme deutscher Zeitungen bislang aufFreemium-Konzepten und nur etwa ein Drittel ver-folgt einen Metered-Model-Ansatz.

    Ein Selbstläufer ist Paid Content im Internetnoch lange nicht. Während etwa der Springer-Vor-standschef Döpfner seit Jahren das Ende der Gratis-kultur im Internet beschwört, verweist Mathias Müllervon Blumencron, Chefredakteur des Bereichs DigitaleMedien bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ),auf die enorme Fülle kostenloser Web-Inhalte. Diesewerde dazu führen, dass sich Paid Content von Nut-zern leicht umgehen lasse. Blumencron, der als Spie-gel-Online-Chefredakteur bewies, dass sich Journalis-mus im Internet rein über Werbung finanzieren lässt,hält wenig davon, Zeitungsartikel online nur gegenEntgelt zu vermarkten. Vielmehr müssten Zeitungs-

    Modelle für Paid Content

    Freemium: Geschäftsmodell, bei dem kostenlos nur ein publizistisches Basisangebot zu haben ist, wäh-rend darüber hinausgehende Inhalte bezahlt werden müssen. Auf diese Strategie, mit der Leser an das Bezahlen für Online-Inhalte gewöhnt werden sollen, setzen unter anderen Bild,Handelsblatt, Aachener Nachrichten, Aachener Zeitung, Allgäuer Zeitung, Frankfurter NeuePresse, Hamburger Abendblatt, Hamburger Morgenpost, Hannoversche Allgemeine Zeitung,Leipziger Volkszeitung, Nordkurier, Sächsische Zeitung oder Südkurier.

    Metered Model: System, bei dem eine festgelegte Anzahl von Artikeln innerhalb eines gewissen Zeitraums kostenlos genutzt werden kann. Anschließend erfolgt eine Aufforderung zur Bezahlung. Dieskann entweder für einzelne Texte erfolgen oder dadurch, dass sich Leser registrieren lassenund eine Tages- oder Monatspauschale entrichten. Solche Verfahren werden etwa für die Inter-netseiten von Die Welt, Süddeutsche Zeitung, Augsburger Allgemeine, Badische Zeitung, Darm-städter Echo, Freie Presse, Kölner Stadt-Anzeiger, Main-Post, Mannheimer Morgen, Münster-sche Zeitung, Neue Osnabrücker Zeitung, Ruhr Nachrichten, Saarbrücker Zeitung, SchwäbischeZeitung und Südwest Presse eingesetzt.

    Harte Bezahlschranke: Verfahren, bei dem nur Abonnenten oder andere zahlende Kunden Zugriff auf die Online-Inhal-te einer Zeitung haben. Dieses digitale System entspricht dem Geschäftsmodell der analogenPrintmedien. Es wird eingesetzt von Alfelder Zeitung, Böhme Zeitung, Bocholter-Borkener Volks-blatt, Braunschweiger Zeitung, Ibbenbürener Volkszeitung und Rhein-Zeitung.

    Spenden-Modell: Auf eine freiwillige Bezahlung einzelner Artikel oder eine monatliche Spendenpauschale setztin Deutschland nur die tageszeitung. Dabei werden Leser beim Anklicken einzelner Artikelgrundsätzlich um eine Spende (ab 5 Euro monatlich) gebeten, dürfen aber sämtliche Beiträgeauch ohne Spende im vollen Umfang nutzen. Matthias Kurp n

    Noch kommt der Espresso nicht online! Die News kann man überall konsumieren! Auch das Papier wird noch gern genommen!

    Foto: Fotolia / jackfro

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  • 10 M 2.2015

    häuser zusätzliche Inhalte und Produkte entwickeln,die sich per Internet vermarkten lassen.

    Auch im Hause Springer ist in Sachen Paid Con-tent noch längst nicht alles Gold, was glänzt. Die Bi-lanz der Axel Springer SE weist zwar aus, dass bereitsdie Hälfte des Konzernumsatzes aus dem Online-Be-reich stammt und die digitalen Angebote etwa siebzigProzent zum Konzerngewinn beisteuern. Doch dieseErlöse fließen vor allem aus dem Geschäft mit Online-Werbung. Etwa eine Viertel Million Abonnenten vonBild Plus und knapp 60.000 zahlende Leser von welt.desorgen gerade einmal für einen zweistelligen Millio-nen-Umsatz – angesichts von etwa drei MilliardenEuro Jahresumsatz eher ein symbolischer Erfolg. Undnoch etwas trübt die Bilanz: In dem Zeitraum, in demdas digitale Angebot Bild Plus 253.000 Abonnentengewinnen konnte, sank die gedruckte Bild-Auflage ummehr als 400.000 Exemplare.

    Döpfner hofft, dass die Akzeptanz von Paid Con-tent steigt, wenn immer mehr Zeitungen ihre Online-Inhalte mit Preisschildern versehen. Das Motto dabeilautet „Bezahlkultur statt Gratismentalität“. Ob fürden erhofften Kulturwandel der Begriff Bezahlschran-ke wirklich hilfreich ist, darf bezweifelt werden. Alsdas interaktive Fernsehen eingeführt wurde, hattenMarketing-Experten für Bezahlinhalte den englischenBegriff Walled Garden geschaffen, der später auch vonApple oder Amazon für ihre geschlossenen Internet-Welten verwendet wurde. Deutschen Verlagsmana-gern aber scheint es noch an Phantasie zu fehlen, umfür Paid Content Begriffe zu schaffen, die mehr nachVerheißung und weniger nach Kontrolle klingen.

    Versuch und Irrtum. Auch als die Süddeutsche Zeitung(SZ) Ende März einen Teil ihres Online-Angebotes ent-geltpflichtig machte, hieß es wieder „sueddeutsche.delässt Bezahlschranke herunter“. Seitdem dürfen Nut-zer nur noch zehn Artikel pro Monat kostenlos lesenund müssen anschließend entweder ein Digital-Mo-natsabo für 29,99 Euro abschließen oder einen Tages-pass für 1,99 Euro kaufen. Die Zahl der frei lesbarenTexte soll künftig noch weiter sinken. Ob das Projektzum Erfolg führt? „Niemand kann diese Frage beant-worten, bevor man sich an Abo-Modellen versuchthat“, erklärte SZ-Digitalchef Stefan Plöchinger in ei-nem Blog-Beitrag und betonte, am Prinzip von Ver-such und Irrtum gehe vorerst kein Weg vorbei. Ähn-lich sehen das zurzeit fast alle Verantwortlichen inden Führungsetagen deutscher Verlagshäuser.

    Die linksalternative tageszeitung (taz) setzt als ein-zige Zeitung in Deutschland auf freiwillige Spenden.Bereits vor vier Jahren begann taz.de damit, Leserbeim Anklicken einzelner Texte zu einem freiwilligenObolus aufzufordern. Mit dem Motto „taz zahl ich“werden seit März sämtliche Online-Nutzer vor demLesen aller Beiträge dazu aufgefordert, freiwillig proMonat fünf Euro oder mehr zu überweisen. So sollenbis zum Jahresende etwa 20.000 freiwillige Online-Abonnenten gewonnen werden. „Das zu schaffen wä-re ein schönes Zeichen für einen unabhängigen Jour-nalismus im Netz“, schrieb taz-Geschäftsführer KalleRuch im eigenen Blatt. Grundsätzlich aber sollen beitaz.de sämtliche Inhalte weiterhin auch ohne Spendelesbar bleiben.

    Gegner von Paid Content argumentieren meistmit mangelnder Akzeptanz, drohenden Online-Reich-weitenverlusten und einer möglichen Kannibalisie-

    rung durch kostenlose Online-Angebote anderer An-bieter. Als Gründe für eine Paywall werden vor allemangeführt, dass publizistische Qualität auch im Inter-net verbindliche Bezahlung voraussetzt und sich nurauf diese Weise Marken und Inhalte gedruckter Zei-tungen schützen ließen. Das aber funktioniert nur mitexklusiven Inhalten, möglichst auf spezielle Zielgrup-pen zugeschnitten. Weil sich Zeitungsverlage immerweniger auf ihr Kerngeschäft mit journalistischen Pro-dukten verlassen können, bleibt häufig nur die Diver-sifizierung. Die Unternehmensberatung Schicklerfand im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Zei-tungsverleger (BDZV) heraus, dass immerhin vierzigProzent der befragten Unternehmen in diesem JahrProjekte außerhalb des Print-Bereichs planen. Vonden großen Zeitungshäusern (mit Auflagen von mehrals 100.000) erwarten etwa sechzig Prozent, schon indrei Jahren etwa ein Viertel ihrer Erlöse außerhalb desKerngeschäfts zu erzielen.

    Neue Geschäftsfelder. Immer mehr Zeitungshäuserbemühen sich darum, parallel zu den Artikeln, die ausden Zeitungen stammen, weitere Online-Angebote zuplatzieren. Dabei kann es sich um Web-2.0-Inhaltewie Fußballblogs handeln (z.B. Blogs für HSV- und St.-Pauli-Fans beim Hamburger Abendblatt) oder um einedigitale Sonntagszeitung, wie sie die Ruhr Nachrichtenim Internet anbieten. Solche Ansätze helfen dabei, imInternet eine eigene Kundenbeziehung zu den Lesernaufzubauen und das Geschäft mit den Nutzerprofilennicht allein Google Analytics zu überlassen. Weil dieVerlage das Aufspielen von Online-Werbung vor al-lem Dritten übertragen haben, wissen sie wenig überdie Nutzer ihrer Internetseiten. Je mehr Kunden vonPaid Content sich aber künftig anmelden müssen,desto mehr Nutzerdaten landen direkt bei den Verla-gen. Dieses Zahlenmaterial gewinnt im Zeitalter vonBig Data stetig an Bedeutung. Deshalb setzen diemeisten Zeitungshäuser bei der Verwaltung ihrer PaidContent-Kunden auf Inhouse-Lösungen.

    Dass die Bereitschaft, für Online-Journalismus zuzahlen, zuletzt ein wenig zugenommen hat, lässt sichan der Entwicklung der E-Paper-Ausgaben deutscherZeitungen ablesen. Dabei handelt es sich um PDF-Ver-sionen der gedruckten Zeitung, die digital gelesenwerden können. Die virtuelle E-Paper-Auflage allerdeutschen Zeitungsverlage stieg zwischen 2012 und2014 immerhin von 276.000 auf 667.000 Exemplare.Die Informationsgemeinschaft zur Feststellung derVerbreitung von Werbeträgern (IVW) erfasste für 2014insgesamt 175 E-Paper-Angebote.

    Nach Ansicht von Holger Kansky, der als Multi-media-Referent des BDZV die Digitalstrategien der Zei-tungsverlage im Blick hat, kann Paid Content aufDauer dazu beitragen, dass Online-Inhalte nicht mehrvorrangig auf Interessen der Werbewirtschaft ausge-richtet werden, sondern dem Ziel dienen, eine eigeneBeziehung zu loyalen Nutzern aufzubauen. Sollte die-se Hypothese stimmen, käme Paid Content auch derpublizistischen Qualität zugute. Kansky geht davonaus, dass die Zahl der Gratis-Klicks, die den Nut-zern gewährt werden, bei den meisten Paid Con-tent-Systemen weiter zurückgefahren wird. Nähert sich der digitale Zeitungsmarkt dem

    TITEL | PAID CONTENT

    Quelle: BDZV, MMM-Infografik

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    analogen Geschäftsmodell an, haben Leser die Wahlzwischen Online-Abonnement oder Abrechnung proTag oder Text. Bei der Schickler-Umfrage rechnete dieMehrheit der befragten Verlagsmanager bis 2018 mitjährlich etwa fünf Prozent Paid Content-Wachstum.

    Smartphones & Wearables. Weil es immer wichtigerwird, Online-Inhalte auf die Bedürfnisse einzelnerNutzer zuzuschneiden, müssen Zeitungsverlage mög-lichst nah an ihre Leser herankommen. Deshalb spie-len auch Smartphones, Tablets und neuerdings sogarWearables, die am Handgelenk getragen werden kön-nen, für die Digitalstrategien der Verlage eine wichtigeRolle. Etwa dreißig bis fünfzig Prozent der Online-Nutzung von Zeitungsangeboten erfolgt nach Schät-zungen von BDZV-Referent Kansky bereits perSmartphone oder Tablet. Nach Angaben von BjörnSchmidt, der beim Kölner Verlag M. DuMont Schau-berg das Digitalgeschäft mit aufbaute und inzwischendie Unternehmenskommunikation leitet, werden On-line-Inhalte des Boulevardblatts Express (express.de) be-reits zu etwa 75 Prozent mit mobilen Endgeräten ge-nutzt. Für die Verlage ist es deshalb wichtig, dass ihreInternetseiten so programmiert werden, dass Online-Inhalte problemlos auf allen Bildschirmen abgebildetwerden (responsives Webdesign).

    Als neues Geschäftsfeld haben einige Zeitungs-verlage den boomenden App-Markt entdeckt. Appssind eine Form von Paid Content, die bei Konsumen-ten auf große Zahlungsbereitschaft stößt. Deshalb hatbeispielsweise die Hannoversche Allgemeine Zeitung mitder kostenpflichtigen Smartphone-App „Mein 96“ ei-ne Plattform für Fußballfans des Vereins Hannover 96etabliert. Möglich sind aber auch App-Angebote ohnepublizistische Inhalte. Deshalb beteiligten sich vier re-gionale Zeitungshäuser im vergangenen Jahr am Start-up Simply local, dessen App Kunden anzeigt, welche

    lokalen Händler bestimmte Produkte führen. Zum In-vestoren-Quartett gehören die Weser-Kurier Medien-gruppe (Bremen), die Aschendorff Medien GmbH &Co. KG (Münster), die Nordwest-Zeitung Verlagsge-sellschaft mbH & Co. KG (Oldenburg) und die RheinMain Digital GmbH (Mainz). Aus Sicht der Verlage bil-det die Simply-local-App eine ideale Brücke zu den lo-kalen Werbemärkten, aus denen traditionell der Groß-teil ihrer Anzeigenerlöse stammt.

    Zwei von drei deutschen Zeitungsverlagen pla-nen, so ergab die Schickler-Umfrage, noch in diesemJahr neue digitale Produkte zu lancieren. Um Erfah-rungen mit Smartwatches sammeln zu können, arbei-ten die Verlage des Weser-Kuriers, der Frankfurter All-gemeinen Zeitung und der Neuen Osnabrücker Zeitungan Inhalten für die neue Apple Watch. Die am Hand-gelenk tragbaren Wearables gelten für viele als lukra-tiver Zukunftsmarkt, vor allem aber liefern die mitSensoren ausgestatteten Computeruhren den Anbie-tern von Applikationen jede Menge Kundendaten.

    Während Apps und andere Anwendungen desmobilen Internets bei den meisten Zeitungshäusernderzeit auf großes Interesse stoßen, begegnen Print-manager anderen Formen der digitalen Ökonomieeher abwartend. Dies gilt beispielsweise für sogenann-te Aggregationsmodelle, die nach dem Vorbild des er-folgreichen Musik-Streamingdienstes Spotify gegenZahlung eines Festbetrages (Flatrate) Zugang zu Inhal-ten unterschiedlicher Anbieter gewähren. So könnenetwa Kunden des schwedischen Unternehmens Read-ly mit ihrem Smartphone oder Tablet für 9,99 Europro Monat Zeitschriftenartikel von etwa 900 Titelnnutzen, darunter etwa hundert deutschsprachige.

    Ein Aggregationssystem, das auch Zeitungen be-rücksichtigt, bietet das Berliner Start-up Newscase. Für9,99 Euro verspricht das Unternehmen, das unter demNamen Niiu gestartet war, den Kunden individuali-sierte Nachrichten, die per Tablet oder Smartphoneimmer und überall verfügbar sind. Noch aber hält sichdas Angebot in Grenzen: Zu den wenigen deutschenZeitungsverlagen, die ihre Inhalte zur Verfügung stel-len, gehören Axel Springer (Bild, Die Welt, B.Z.), M.DuMont Schauberg (Berliner Zeitung, Berliner Kurier,Kölner Stadt-Anzeiger, Kölnische Rundschau, Express,Mitteldeutsche Zeitung, Hamburger Morgenpost), dieFunke Mediengruppe (Hamburger Abendblatt, BerlinerMorgenpost), die Verlagsgruppe Ippen (Münchner Mer-kur, tz) und die Dieter von Holtzbrinck Medien GmbH(Der Tagesspiegel, Potsdamer Neueste Nachrichten). Ei-nerseits können Zeitungshäuser durch Aggregations-modelle neue Einnahmen erzielen, andererseits aberdrohen eine Kannibalisierung des eigenen Paid Con-tent, der Verlust des direkten Kundenkontaktes oderdie Verwässerung einzelner Marken, wenn deren Pro-dukte in einem riesigen News-Pool untergehen.

    Bei der Suche nach digitalen Geschäftsmodellenwerden die Verlage noch viel experimentieren müs-sen. Ob und wie sich Paid Content im Internet durch-setzen wird, ist kaum absehbar. Während der BDZVnach der Schickler-Umfrage die Branche auf dem rich-tigen Innovationskurs sieht, äußert sich der Dortmun-der Zeitungsforscher Horst Röper (FORMATT) skepti-scher. „Die Online-Bepreisung von Journalismus istwichtig, aber es gibt keinen Königsweg“, sagt Röper,und Springer-Vorstandschef Döpfner warnt, wennJournalismus an sich kein profitables Geschäftsmodellmehr darstelle, dann habe er keine Zukunft. n

    TITEL | PAID CONTENT

    Deutsche Zeitungen mit Paid ContentEntwicklung der kostenpflichtigen Zeitungswebsites

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  • 12 M 2.2015

    Lage Hörste

    Auf der Konferenz wurden spontanSpenden für den Erhalt der ver.di-Bildungsstätte in Lage-Hörste gesam-melt. Es kamen 625,70 Euro zusam-men. Der aktuelle Stand (27. April)auf dem Konto des Vereins der Freun-de und Förderer wies 136.032,12Euro aus. www.imk.verdi.de

    Die kämpferisch-kollegiale Diskussionskultur gefalleihm. Er käme gern zu den Medienschaffenden, Künst-lern und Industriegewerkschaftern in ver.di, versicher-te Frank Bsirske den 90 Delegierten. Die Rede desver.di-Chefs bildeten ein Highlight, doch nur einenPunkt auf der umfangreichen Agenda der 4. Bundes-fachbereichskonferenz Medien, Kunst und Industrieam 25. und 26. April 2015 in Berlin.

    Als „selbstbewusst, aber nicht selbstgerecht, streitbarund konfliktfähig“ charakterisierte ver.di-Vize undBundesfachbereichsleiter Frank Werneke die Mitglie-der aus Medien, Kunst und Industrie und ihre Aktivi-täten in der vergangen Wahlperiode. So gehöre derFachbereich in ver.di zu denen mit der höchsten Zahlvon Arbeitskämpfen. Sie betrafen in den vergangenJahren Redakteurinnen und Redakteure ebenso wieBeschäftigte in der Druckindustrie und der Papierver-arbeitung. ver.di-Mitglieder in Theatern und Bühnensowie aus Musikschulen hätten sich zu wichtigenStützen in Tarifkämpfen des öffentlichen Dienstesentwickelt. Eine Besonderheit: Die „Anzahl der Strei-kenden im Verhältnis zu den Beschäftigten liegt vielhöher“ als anderswo. Dennoch gebe es im Bereich lei-der „noch unzählige gewerkschaftsfreie Zonen“. De-nen werde mit speziellen ver.di-Projekten wie in derPapier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Indus-trie entgegengewirkt, aber auch mit verstärkten Akti-vitäten in Kinos und Senderverbänden. Das Mitglie-derprojekt „Perspektive 2015“ mit verschiedenenWerbe- und Mitgliederbindungsangeboten, auch derEinrichtung von Mitgliedercentern, sei „Mittel zumZweck“. Es ziele auch auf jene Teile der Arbeitswelt,wo betriebliche Bindung und tarifliche Absicherungnicht gegeben seien, etwa auf Selbständige. Dochauch angestammten Bereichen wie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk gelte mehr Augenmerk. 900Neueintritte in diesem Jahr seien hier das Ziel.

    Werneke sprach sich energisch gegen alle Versu-che aus, das Streikrecht einzuschränken. Aktuell: DerVorstandsbeschluss der CSU in Bayern, der viertätigeAnkündigungsfristen, ein Zwangsschlichtungsverfah-ren vor jedem Streik und weitere Zumutungen ent-hält. Sofern das Gesetz zur Tarifeinheit am 7. Mai imBundestag durchgehe, werde ver.di – so die Empfeh-

    lung an den Gewerkschaftsrat – Ver-fassungsbeschwerde dagegen einle-gen. Ein solches Gesetz verschärfenicht zuletzt die Konkurrenz unterGewerkschaften und Berufsverbän-den. Zersplitterung verschlechtereEinkommensverhältnisse. Risikendrohten aber auch von einem „Bünd-nis für Industrie“, in dem die vierDGB-Gewerkschaften IG Metall, IGBCE, IG BAU und EVG kooperieren und einen Allein-vertretungsanspruch für Industriebeschäftigte ablei-ten. „Druckindustrie und Papierverarbeitung sind tra-ditionell Teil von ver.di, wir werden keinerlei Bodenpreisgeben“, versicherte der Vize-Vorsitzende.

    Würde kennt keine Ausnahmen. In der Diskussionsprach Robert Stauffer (Bayern) zur kulturpolitischenArbeit und betonte die Rolle der Gewerkschaftspresse.Zu den „Printmedien im Umbruch“ meldete sich Hol-ger Artus (Hamburg) zu Wort. ver.di müsse Begleiterder Beschäftigten in der „digitalen Businesstransfor-mation“ sein. Abwehrkämpfe seien nötig, noch wich-tiger seien strategische Über legungen, um Gegen-macht aufzubauen. Peter Stark, stellv. Betriebsratsvor-sitzender bei Giesecke & De vrient in München, be-richtete vom über viermonatigen Kampf derBelegschaft gegen die Streichung und die Verlagerungvon 800 Arbeitsplätzen beim Banknotendrucker, vonbereits 17 Streiktagen und öffentlichkeitswirksamenAktionen. Die Konferenz erklärte ihre Solidarität undverurteilte die Eigentümer, die sich „ihrer sozialenVerantwortung gegenüber den Beschäftigten in un-verantwortlicher Weise entledigt haben“. Rainer Bu-tenschön (Niedersachsen-Bremen) kritisierte die Hal-tung mehrerer DGB-Gewerkschaften zur Tarifeinheitund die „Blockbildung“ innerhalb der Dachorganisa-tion als eine „fundamentale Fehlentwicklung derdeutschen Gewerkschaftsbewegung“. Gewerkschaftendürften sich nicht gegenseitig „kannibalisieren“.

    Folgen der Agenda 2010 und aktuelle Entwick-lungen in der Arbeitswelt seien ohnehin geeignet, dieBeschäftigten in diesem Lande weiter zu „entsichern“,wie es durch Minijobs, Scheinselbständigkeit, Leihar-beit und Werkverträge bereits Alltag sei, sagte ver.di-

    Streitbar und konfliktfähigKonferenzaufträge: Jugend fördern, Mindestlohn und Streikrecht stärken

    Fotos: Ka

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    rschelman

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    Debatte in der Antragskommission,der 39 Anträge vorlagen.

    Ulrich Janßen (l.) ist der der neueVorsitzende des Bundesfachberei-ches. 85,1 Prozent der Delegiertenentschieden sich für Frank Wernekeals Bundesfachbereichsleiter undnominierten ihn damit für den ver.di-Bundesvorstand, der auf dem Kon-gress im September gewählt wird.

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    Vorsitzender Frank Bsirske. Lohndrückerei gehöre eingrundsätzlicher Riegel vorgeschoben. Der gesetzlicheMindestlohn bedeute deshalb einen „historischen Er-folg der Gewerkschaftsbewegung“, zu dem ver.di tat-kräftig beigetragen habe. Doch gelte: „Würde kenntkeine Ausnahmen!“ Das Gerede vom „Bürokratie-Monster“ gehöre zur Arbeitgebertaktik, den Mindest-lohn auszuhöhlen. Bsirske regte an, der Kampagneum den Mindestlohn nun eine Kampagne gegen Al-tersarmut folgen zu lassen. Er kündigte Großkonfliktebei der Postbank, der Deutschen Post AG und im Ki-ta-Bereich an. Für die Auseinandersetzungen „brau-chen wir die Solidarität der gesamten Organisation“.ver.di werde sich verstärkt auch um die Digitalisierungvon Arbeitsprozessen, um Cloudworker (S.16) und di-gitale Transparenz kümmern. Nach wie vor hängegewerkschaft licher Erfolg aber von Verankerung undStärke im Betrieb ab, schloss der Redner.

    Zukunftsdebatten. Mit gesellschafts-, medien- undtarifpolitischen Anträgen brachte sich die Konferenzin die Zukunftsdebatten zum ver.di-Kongress ein, be-zog Stellung, übermittelte Forderungen, Ideen undAnregungen. Um mehr Gerechtigkeit in der gesetzli-chen Kranken- und Pflegeversicherung ging es in sol-chen Anträgen ebenso wie um die Rücknahme derRente mit 67. Der gesetzliche Mindestlohn sollschnellstmöglich auf zunächst 10 Euro steigen unddanach jährlich orientiert am Lohnindex angepasstwerden. Sachgrundlose Befristungen von Arbeitsver-trägen müssen abgeschafft, Werkverträge gesetzlich ge-regelt und eingeschränkt werden. Einstimmig be-schlossen wurden auch die For derung nach uneinge-schränktem Streikrecht für jede und jeden sowie ein

    Nein zu Vorratsdatenspeicherung.Mit einem Antrag „Pressevielfalt

    sichern – Presseförderung ausweitenund an Bedingungen knüpfen, diedem Erhalt journalistischer Qualitätdienen, Pressestatistik wieder bzw.Medienstatistik einführen“ mischtsich die Konferenz in aktuelle me-dienpolitischen Debatten ein. Einweiterer Antrag soll Urheberrecht undangemessene Vergütung auf nationa-ler und europäischer Ebene gewähr-

    leisten. Personalvertretungsrechte für arbeitnehmer-ähnliche Freie wurden ebenso gefordert wie Arbeit-nehmervertretungen in Töchtern öffentlich-rechtli-cher Sender. Ein umfangreicher Antrag behandelte dieTarifpolitik in der Medienwirtschaft. Er zielt auf eineTrendwende bei Entgeltsteigerungen, da „Menschenund nicht Technik“ für Qualität sorgen.

    Ein Leitantrag zur „Perspektive 2015 – ver.diwächst“ sorgte für teils kontroverse Debatten. Die„Stärkung der kollektiven Gewerkschaftsarbeit, insbe-sondere der Betriebs- und Tarifarbeit setzt eine engeVerzahnung“ zur individuellen Mitgliederarbeit vo-raus, heißt es darin. Unnötige Fronten zwischen indi-vidueller und kollektiver Mitgliederbetreuung sahenRedner. Frank Werneke bekräftigte als Ziel, dass „diepolitische Arbeit im Fachbereich und in den Landes-bezirken besser werden soll“. Die Nachwuchsförde-rung und der Stellenwert der Jugendarbeit im Fachbe-reich wurden ebenfalls durch einen Antrag hervorge-hoben und mit Statistik bekräftigt. Eine umfangreicheDiskussion rief der Antrag „Bildungsmaßnahmen ge-hören in Bildungsstätten – Lage-Hörste als unser Haussichern“ hervor. Delegierte griffen auf, was ConstanzeLindemann (Berlin) bereits am ersten Konferenztagbeschworen hatte: Gewerkschaftliche Bildungsarbeitsei es, die Konfliktfähigkeit und gewerkschaftlichesHandeln begründe. Heidrun Abel (NRW) verlangte,Hörste eine Chance zu geben, Brigitte Praetorius(NRW) setzte die Forderung hinzu, die Arbeitsplätzedort zu erhalten. Heinrich Hartmann (Hessen) sprachsich dafür aus, die „Zeitschiene zu strecken“. Für seineAussage „Eine Lösung jenseits der Schließung ist mög-lich“, erhielt er tosenden Applaus. Helma Nehrlich n

    FACHBEREICHSKONFERENZ

    Die Berliner Konferenzdelegierteund Ex-Tänzerin Miriam Wolf (amPult) setzte sich für ihre kämpfen-den Kolleginnen und Kollegen amhauptstädtischen Staatsballett ein.Dass ein gesamtes klassisches Ballettensemble inzwischen mehr-fach streikte, sei mutig und bislangeinmalig. Die Konferenz begrüßte eine Dele-gation der Tänzerinnen und Tänzermit Standing Ova tions und stelltesich geschlossen hinter ihre Forde-rungen nach einem modernen Tarifvertrag. ver.di sei auch die Gewerkschaft der Künstlerinnenund Künstler.

    Das Tagungspräsidium hatte alleHände voll zu tun neben der eigenenStimmabgabe für die Anträge oderbei der Gremienwahl

  • In der zweiten Verhandlungsrunde für einen Gehalts-bzw. Honorartarifvertrag legte der NDR am 24. Aprilin Hamburg ein Angebot vor. Es lehnt sich an den Ab-schluss des Tarifvertrags der Länder im Öffentlichen-Dienst (TDL) an. Weitere ARD-Anstalten und auch dasZDF stehen vor dem Verhandlungsbeginn.

    Für die Freien bot der NDR die uneingeschränkteÜbernahme des Länderabschlusses im Öffentlichen-Dienst an: Für eine Laufzeit von zwei Jahren (nachzwei Leermonaten) 2,1 Prozent auf die tatsächlich ge-zahlten Honorare plus weitere 2,3 Prozent im zweitenJahr. Für die Angestellten und Rentner reduzierte erdas Angebot jeweils um 0,2 Prozentpunkte. Das sinddann 1,9 Prozent ab Juni 2015 und eine weitere Erhö-hung um 2,1 Prozent ab Juni 2016. Zu anderen Punk-ten, etwa zu einer sozialen Komponente, der Azubi-Vergütung oder einer Übernahme-Garantie für diejungen Menschen, gibt es keine Aussagen. Die Forde-rung der Sender nach einer Abkoppelung der Rentenals Vorbedingung für die aktuelle Gehaltsrundescheint damit vom Tisch.

    ver.di fordert für alle sechs Prozent mehr Geld –für fest Angestellte, Freie und sowie für die Beziehervon Betriebsrenten. Die Tarifforderung enthält dabeisenderindividuelle Komponenten wie zum Beispiel ei-nen Sockelbetrag für Geringverdienende oder dieÜbernahme von Auszubildenden.

    Viele Kolleginnen und Kollegen aus den Rund-funk-Anstalten hatten sich an den Protestaktionen imöffentlichen Dienst beteiligt. So marschierten die Be-schäftigten des NDR im März mit durch Hamburg(unser Foto). Ende März kam dann der TdL-Abschluss.

    Die Verhandlungen beim NDR werden am 10. Ju-ni fortgesetzt. Der WDR verhandelt am 28. April(nach Andruck der M), am 11. Mai der BR, am 13. Maidas ZDF und am 26. Mai der SWR. wen n

    Lokalredaktionen geschlossenIm März wurde bekannt, dass ab Mai zwischen demSchwarzwälder Boten (Schwabo) und der Konkurrenz-zeitung Südkurier Gebietsbereinigungen geplant seien.So sollen beim Schwabo die Lokalredaktionen in Do-naueschingen und Blumberg geschlossen werden,während sich der Südkurier aus Triberg und Furtwan-gen zurückzieht. In den beiden Redaktionsgebietensollen Kooperationen beider Blätter stattfinden, in-dem Inhalte dem jeweiligen Konkurrenzblatt zur Ver-fügung gestellt werden. Offenbar sollen auch Perso-nalkosten eingespart werden. So könnten alleine inden Schwabo-Redaktionen bis zu sieben Arbeitsplätzezur Disposition stehen.

    ver.di kritisiert in diesem Zusammenhang auchdie Art und Weise, wie der zuständige Betriebsrat indieser Angelegenheit (nicht) informiert wurde unddass die betroffenen Beschäftigten bereits signalisierensollen, ob sie freiwilligen Aufhebungsverträgen zu-stimmen oder nicht. „Den Betriebsrat und die Be-schäftigten erneut vor vollendete Tatsachen zu stel-len, ist „Schwabo-like“ und erinnert stark an die Vor-gehensweise aus 2011“, erklärt ver.di-KonzernbetreuerUwe Kreft. „Nachdem man bereits durch Kooperatio-nen im Zustellerbereich zwischen Schwabo und Süd-kurier zur Auffassung gelangen konnte, dass derSchwabo in diesem Teilgebiet keine Zukunft mehr hat,ist dies nun bittere Realität geworden.“ nwww.sverdimh.de

    Frankenberger Zeitungsoll eingestellt werdenDie fortschreitende Pressekonzentration in Hessenführt voraussichtlich zur Schließung einer weiterenTageszeitung. Am 16. April wurde bekannt, dass dieFrankenberger Zeitung aus dem Bing-Verlag (Korbach)wohl zum 30. September geschlossen werden soll.Von den rund 80 Beschäftigten des Verlags, der auchdie Waldeckische Landeszeitung herausgibt, könnten 40ihren Arbeitsplatz durch Kündigung verlieren. Betrof-fen von den Plänen sind Verlagsangestellte, Redakteu-rinnen und Redakteure. Die Frankenberger Zeitung hateine Auflage von 5.300 Exemplaren. Erst im Januarhatte die Verlagsgruppe Madsack (Hannover) denBing-Verlag an die zur Ippen-Gruppe gehörende MBG(Medien Beteiligungsgesellschaft) in Bad Hersfeld ver-kauft. Bereits wenige Wochen später wurde Ende Märzdie ebenfalls zur Ippen-Gruppe gerechnete Waldecki-sche Allgemeine, eine Ausgabe der in Kassel erscheinen-den Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen (HNA),eingestellt. Dabei gingen 20 Arbeitsplätze verloren.

    Monopolist in Nordhessen war die Ippen-Gruppebereits seit Januar durch die Übernahme der Madsack-Zeitungen in der Region Waldeck-Frankenberg. „Of-fenbar sieht man bei Ippen aber jetzt auch keine Not-wendigkeit mehr, wenigstens ein Minimum an Zei-tungsvielfalt zu erhalten. Von den bisher jeweils zweimiteinander im Wettbewerb stehenden Zeitungenwird die jeweils kleinere einfach vom Markt genom-men“, kritisiert Manfred Moos vom Fachbereich Me-dien der ver.di Hessen. PM n

    14 M 2.2015

    TARIFE + BERUF

    NDR legt einerstes Angebot vorTarifverhandlungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk

    Aktuell

    Hamburg, März 2015

    Foto: B

    ernd

    Kittendo

    rf

  • M 2.2015 15

    dju-Hochschulgruppenin Gießen und MainzSeit Jahresbeginn sind zwei neue dju-Hochschulgrup-pen aktiv, an der Uni Gießen und an der Uni Mainz.

    Das Angebot der dju-Hochschulgruppe in Gießenrichtet sich an alle Studierenden vor Ort und umfasstNetzwerkabende oder Medienstammtische mit erfah-renen Medienmachern, um sich perfekt auf einen Jobin den Medien vorzubereiten. Zusätzlich soll dieHochschulgruppe den journalistischen Nachwuchsfür gewerkschaftliche Interessen sensibilisieren.

    Die dju-Hochschulgruppe Mainz will ebenfallsein Forum zum Austausch bieten. Dabei stehen die ge-genseitige Beratung über journalistische Themen undInhalte sowie berufliche Belange im Vordergrund. DieKontakte und das Knowhow der Deutschen Journalis-tinnen- und Journalisten-Union als Teil der ver.di wer-den den Studierenden, die sich in Redaktionen aufdem und außerhalb des Campus engagieren, helfen,sich über Strukturen und Arbeitsbedingungen imJournalismus zu informieren. Dazu plant die dju-Hochschulgruppe in Mainz im nächsten Semester ei-ne Infoveranstaltung für alle interessierten Studieren-den und hat sich das Ziel gesetzt, in der vorlesungs-freien Zeit des Sommersemesters ein Journalismus-Wochenende zu veranstalten.

    Voraussetzung für die Nutzung von Uniräumenist die offizielle Registrierung an der Uni. Dabei konn-ten beide neuen Gruppen von der guten Satzungsar-beit der früheren dju-Hochschulgruppe in Münsterprofitieren, die den Generationswechsel leider nichtgeschafft hat. Ähnlich ging es auch schon anderenHochschulgruppen wie etwa an der Freien Uni Berlin.Als seit Jahren stabil hat sich die dju-Hochschulgrup-pe in Hannover erwiesen sowie die Hochschulgruppe„Mediennachwuchs“ an der Uni Bonn, die in Zusam-menarbeit mit der dju Bonn das studentische Online-Magazin „campus-web.de“ gestaltet. sus nKontakt Website „Junge dju“: http://tinyurl.com/lpekpt8

    Fuß fassen Tour in Frankfurt Welche Voraussetzungen müssen junge Erwachsenemitbringen, um in das Berufsfeld Journalismus hi-neinzukommen? Zum dritten Mal organisieren diedju Hessen und die Jugendpresse Hessen am 12. Junidie Info-Veranstaltung über Einstiegswege in denJournalismus. Zielgruppe sind Schüler/innen und Stu-dierende. Als Referenten sind diesmal die Chefredak-teure der Frankfurter Rundschau, Bascha Mika undArnd Festerling, eingeladen. Sie zeigen die Erwartun-gen von Chefredakteuren an den Berufsnachwuchsauf, aber auch die Perspektiven, die junge Menschenim Journalismus haben. Im Anschluss berichtet diefreie Journalistin Düzen Tekkal unter anderem überihre Arbeit als Investigativjournalistin im Team Wall-raff und wie ihr der Einstieg in den Beruf gelungen ist.

    Wann: 12. Juni, 14 bis 18 Uhr. Wo: DGB-Jugend-club, Wilhelm-Leuschner-Straße 69–77, 60329 Frank-furt. Die Veranstaltung ist kostenlos, Anmeldung zurbesseren Planung bei: [email protected] n

    Engagierte Medien abseitsdes Mainstreams sind

    hochinteressant, aber wenig bekannt. Deshalb stellt M mit

    dieser Rubrik in jedem Heft eines davon vor.

    Schon entdeckt?

    TARIFE + BERUF

    Fernsehkritik-TVDas Studio der Alsterfilm GmbH liegt in einem kleinem Indus-triegebiet im Osten Hamburgs, Von Bargen Straße 18, Haus F,1. Stock: Links Regie und Aufnahmeraum, daneben eine kleineBühne und ein ebenso kleiner Zuschauerraum, der gekonnt mitStühlen und Sesseln vom Sperrmüll ausgestattet ist. Einige Studiogäste lümmeln herum und trinken Flaschenbier oder Bio-nade. Das Ambiente passt zur Sendung. Locker und unkonven-tionell, aber höchst professionell wird hier zweimal im Monatdas medienkritische Online-Magazin „Fernsehkritik-TV“ pro-duziert. Und recht erfolgreich. Ende April lief die 155. Folge.

    Produzent und Moderator Holger Kreymeier seziert gleicher-maßen Beiträge der öffentlich-rechtlichen und der privaten-kommerziellen Sender, stellt Fehlleistungen der „Systempresse“an den Pranger und zeigt schon einmal auf, wo das Wort „Lügenpresse“ durchaus seine Berechtigung haben könnte.Und das schon seit dem 5. April 2007, als „das Bewegtbild imNetz noch in den Kinderschuhen steckte“, so Kreymeier rück-blickend. „Wir arbeiteten damals mit einfacher Kamera,schlechtem Mikro und noch schlechterem Bluescreen.“

    Bevor sich Kreymeier selbstständig machte, war er als Autor beim Norddeutschen Rundfunk beschäftigt. Auch damalsging es ihm schon um den Qualitätsanspruch des Fernsehens.In einer Kampagne „Dafür zahl ich nicht“ parodierte er die Werbespots der GEZ, damit die Öffentlich-Rechtlichen sich nichtimmer an der Quote orientieren sollten. Es kam zu einem Zer-würfnis mit dem NDR und Kreymeier machte sich selbstständig.Auf diesem Weg halfen ihm, zumindest was die öffentliche Auf-merksamkeit betraf, zahlreiche Rechtsstreitigkeiten, unter an-derem mit Super Nanny Katharina Saalfrank und RTL. Etwa200.000 Zuschauer sahen die Folge mit der Super Nanny, dop-pelt so viele wie normalerweise.

    Mittlerweile ist „Fernsehkritik-TV“ eins von acht Web- Formaten, die unter der Dachmarke „Massengeschmack-TV“laufen. Neben der bissigen Fernsehkritik werden bei „Pantof-fel-TV“ aktuelle Neuerscheinungen auf dem DVD- und BluRay-Markt besprochen, geht es im Format „Netzprediger“ um aktuelle und skurrile Themen und Trends im World Wide Webund das Magazin „Pressesch(l)au“ widmet sich den Auswüch-sen und Verfehlungen der gedruckten Medienwelt.

    Alle acht Online-Magazine können einzeln oder als Gesamtpa-ket abonniert werden. Das Achter-Pack gibt es für 6,99 Europro Monat, jeweils nur ein Magazin kostet 2,99 Euro. Kosten-lose Schnupperangebote gibt es unter www.massenge-schmack.tv. Kreymeier ist optimistisch, was die finanzielle Zu-kunft angeht: „Wir kommen über die Runden. Etwa 4.000Abonnenten haben wir jetzt.“ Seine Firma Alsterfilm arbeitethauptsächlich mit freien Mitarbeitern, die mit den gezahltenHonoraren recht zufrieden seien. Kreymeier: „Klagen habe ichnoch nicht gehört, der Mindestlohn wird bei uns überschritten.“www.fernsehkritik.tv Wulf Beleites n

    Illu: Alsterfilm GmbH

  • 16 M 2.2015

    „Die vier Botschaften einer Äußerung“ – wer kenntdieses Kommunikationsmodell nicht aus Schule oderStudium? Der Hamburger Psychologe FriedemannSchulz von Thun entwickelte damit bereits 1981 eindifferenziertes Werkzeug zur Analyse von Kommuni-kation, indem er nicht nur den Sachinhalt, sondernauch Selbstkundgabe, Beziehungsaspekt und Appellin den Blick nimmt. Diesem Kommunikationsquadratfolgten weitere Modelle zu Verständlichkeit, Bezie-hungsdynamik, vielstimmigem Ich und Werten –basierend auf dem Bild eines Menschen, der sich zwi-schen Gegensätzlichem positionieren muss. Schulzvon Thun liefert keine Rezepte oder allgemeingültigeNormen für gelingende Kommunikation, sondernsensibilisiert für die „Stimmigkeit“ der persönlichenLösung in einer gegebenen Situation.

    Im Gespräch mit dem MedienwissenschaftlerBernhard Pörksen werden diese Denkmodelle leben-dig. Die beiden setzen durch empathisches Frage- undAntwortspiel, gewürzt mit klugen Zitaten, biografi-schen Anekdoten und veranschaulicht durch Grafi-ken und kurze Erklärstücke ein Kommunikationspuzz-le zusammen, das zur wohl ausbalancierten Lebens-kunst wird. Eindrücklich belegen das Kostproben viel-fältiger Anwendungen – in Arbeitswelt, Pädagogik,interkultureller Kommunikation: Für Medienprofis„keine schlechte Grundschule“ – wie der „Kommuni-kationspapst“ bescheiden anmerkt. Bärbel Röben n

    Mehr Geld für Reuters-BeschäftigteDie Einkommen der Beschäftigten der Nachrich-tenagentur Reuters steigen zum 1. April 2015 um1,8 Prozent. Nach drei Verhandlungsrundenkonnte dieses Tarifergebnis erzielt werden. Gleich-zeitig wurden nach Leistungsstufen gestaffelte Sockelbeträge von 600 Euro, 1.050 Euro bezie-hungsweise 1.500 Euro vereinbart, die dauerhafteTarifbestandteile bleiben. Je nach Leistungsstufeerhöhen sich die Gehälter für die etwa 120 Be-schäftigten durchschnittlich um drei Prozent. DerTarifvertrag hat eine Laufzeit von April 2015 bisEnde März 2016.

    Dem Tarifabschluss waren Protest-Aktionender Beschäftigten an den Standorten Frankfurt/Main und Berlin unter dem Motto „Wir sind mehrwert!“ vorausgegangen. „Nach einer Personalre-duzierung im Jahre 2014 und als Ausgleich fürstarke Arbeitsverdichtung waren die Beschäftigtendiesmal entschlossen, spürbar mehr durchzu -setzen, als die Arbeitgeber-Angebote bis zuletztvorsahen.“ So habe die gewerkschaftliche Ver-handlungskommission diese Tariferhöhung er -reichen können, erklärte ver.di-Tarifsekretär Mat-thias von Fintel. Red. n

    ver.di-Beratung fürCloudworker onlinever.di hat seit dem 15. April ein Beratungsangebotfür sogenannte Cloudworker online geschaltet.„Wir gehen mit einem sehr konkreten Beratungs-angebot auf Cloudworker zu, damit diese ihre Po-sition auf dem Arbeitsmarkt verbessern können.Dies geschieht auch, um hier Wettbewerbsunter-schiede auszugleichen“, erklärte ver.di-Bundesvor-standsmitglied Lothar Schröder in Berlin. Das Be-ratungsangebot ist unter www.cloudworker-bera-tung.de und über die Website www.ich-bin-mehr-wert.de erreichbar.

    Cloudworking ist eine seit einigen Jahren zu-nehmende Form der Erwerbsarbeit. Sie ist gezeich-net von extremer Flexibilität und zumeist unsi-cheren Rahmenbedingungen. Das PhänomenCloudworking und dessen Auswirkungen auf Ar-beitswelt und Gesellschaft ist zunehmend Gegen-stand von wissenschaftlichen Untersuchungen.Unter dem Dach des ver.di-Beratungsnetzes fürSolo-Selbständige „mediafon“ (www.mediafon.net)organisiert ver.di Cloudworker, bietet ihnen Infor-mationen und Beratung, damit sie gemeinsam ih-re Interessen durchsetzen können.

    Im Mittelpunkt steht dabei der fachliche Aus-tausch etwa über Honorare, Vertragspraxis undWeiterbildung. Außerdem leistet ver.di politischeLobbyarbeit für Cloudworker und die schon heuterund 30.000 solo-selbstständigen Gewerkschafts-mitglieder. Für spezielle Fragestellungen, die zuden Cloudworkern erwartet werden, ist das Bera-tungsteam eigens erweitert worden. PM n

    TARIFE + BERUF

    Kommunikation als Lebenskunst

    Bernhard Pörksen, Friedemann Schulz von Thun: Kommunikation als Lebens-kunst. Philosophie und Praxisdes Miteinander-Redens.

    Carl Auer Verlag, Heidelberg 2014. 217 Seiten.24,95 EuroISBN 978-3-8497-0049-2

    Die junge österreichische Journalistin Ingrid Brodnigist in ihrem Buch „Der unsichtbare Mensch – Wie dieAnonymität im Internet unsere Gesellschaft verän-dert“ der Frage nachgegangen, wie es kommt, dassanonyme Kommentare im Internet zuweilen in hass-erfüllte Zügellosigkeit ausarten und was man dagegentun könne. Brodnig konstatiert: Augenkontakt hat eine aggressionshemmende Wirkung, der fehlt hier.Und sie überlegt, ob man Online-Signale einbauenkönne, die non-verbale Zeichen ersetzen?

    Hass hat im Internet eine extrem ansteckendeWirkung, sieht Brodnig und beobachtet ein Umden-ken in der Medienbranche: Immer mehr Medien undOnline-Dienste wollen die Störer und Trolle nicht län-ger hinnehmen, schließen ihre Kommentarspalten.Doch die Autorin ist nicht dafür, die Anonymität ab-zuschaffen, sondern als User mehr Verantwortung zuübernehmen. Ihre These: Nicht die Anonymität istdas Kernproblem der Aggressivität im Netz, sonderndas Gefühl der Unsichtbarkeit. „Zunehmend geht esum die Frage, welche Regeln und Normen die Com-munity braucht und wie die Bedürfnisse des Einzel-nen mit denen der Gemeinschaft zu vereinbaren sind.Das ist der Grund, warum die Klarnamendebatte mitso viel Leidenschaft und Vehemenz geführt wird, gehtes doch dabei um das Miteinander und um die Macht-verhältnisse zwischen Individuum, Gesellschaft undStaat.“ Ein spannendes, lesens- und nachdenkenswer-tes Buch mit vielen interessanten Beispielen.

    Susanne Stracke-Neumann n

    Die Klarnamendebatte

    Ingrid BrodnigDer unsichtbare Mensch. Wie die Anonymität im Internet unsere Gesellschaftverändert.

    Czernin Verlag. Wien 2013. 176 Seiten.

    Buch 18,90 Euro; ISBN: 978-3-7076-0483-2; E-Book 14,99 Euro; ISBN: 978-3-7076-0484-9

  • M 2.2015 17

    Im März 2015 erklärte das Bundesarbeitsgericht(BAG) die Kündigung von Renate Wähnelt vom März2011 für unwirksam. Damit endet für die ehemaligeVolksstimme-Redakteurin und langjährige Betriebs -rätin ein vier Jahre währender Rechtsstreit mit einerTochterfirma der Magdeburger Verlags- und Druck-haus GmbH.

    Die zum Bauer-Verlag gehörige Volksstimme war schonEnde der 1990er Jahre durch ihre Zersplitterungstaktikzu trauriger Berühmtheit gelangt. So wanderte zumBeispiel das Anzeigengeschäft in Regionalverlage, al-lesamt hundertprozentige Töchter des MagdeburgerVerlags- und Druckhauses. Später kamen auch die Lo-kalredaktionen dazu. Damit versuchte der Verleger,die Tarife zu unterlaufen, auf die viele kraft „Bezug-nahmeklausel“ im Arbeitsvertrag Anspruch hatten.Neu eingestellte Redakteure steigen schon seit Jahrenzu deutlich niedrigeren Gehältern ein.

    Ab Sommer 2010 wur-de in den Regionalverlagenweiter ausgegliedert, neueTochter- und Enkelfirmenals haftungsbeschränkte UGoder GmbH gegründet. Die-se erhielten nun den Auf-trag, den redaktionellen Teilzu erstellen. Die Regional-verlage „brauchten“ keineJournalisten mehr und bo-ten den meisten Redakteu-ren an, einen Aufhebungs-vertrag abzuschließen undsich nahtlos bei einer derUnterfirmen für deutlichweniger Geld zu verdingen,teils als Angestellte, teils alsFreie. „Man muss sich dasmal vorstellen!“, sagt RenateWähnelt. „Die Kolleginnenund Kollegen arbeiten andenselben Arbeitsplätzen

    und an denselben Computern und müssen eine fest-gelegte Anzahl von Seiten produzieren.“ Das Gehaltblieb vorerst gleich, wurde über die Jahre nach untengestaffelt; Jahresleistung, Urlaubsgeld, Presseversor-gungswerk und Sonntagszuschläge entfielen. DieMantelredaktion wurde nach demselben Muster auf-gelöst. Heute besteht die Volksstimme aus mehr als 40Firmen.

    Der Betriebsrat des Mutterhauses MagdeburgerVerlags- und Druckhaus, dessen Vorsitzende RenateWähnelt bis 2006 war, hatte versucht, solchem Trei-ben Einhalt zu gebieten, indem er seine Zuständigkeitfür alle Firmen reklamierte. Das scheiterte letztlichbeim Bundesarbeitsgericht.

    Die erfahrene Lokalredakteurin war beim Regionalver-lag Medien-Service Harz-Börde gelandet. Mit derGründung der neuen Unterfirma Repräsentanz Volks-stimme Börde UG sah der Arbeitgeber die Chance, dieunbequeme Gewerkschafterin zu schassen: Im März2011 flatterte ihr die Kündigung zu Ende September2011 ins Haus, mit sofortiger Befreiung von denDienstverpflichtungen. Sie wehrte sich, reichte mitHilfe des ver.di-Rechtsschutzes Kündigungsschutzkla-ge ein. Das Arbeitsgericht Magdeburg gab ihr im No-vember 2011 Recht: Die Kündigung sei unwirksam.Einen Betriebsübergang zu der neuen Firma sah dasGericht jedoch nicht.

    Berufung bis zum Bund. Renate Wähnelt ging in Be-rufung. Im Juni 2013 urteilte das Landesarbeitsgericht(LAG): Die Kündigung sei wirksam, aber es müsse einNachteilsausgleich erfolgen wegen fehlender Beteili-gung des Betriebsrats bei der Entscheidung, im Regio-nalverlag alle Redakteursstellen zu streichen. Die Re-vision vorm BAG sei nicht zugelassen. Dagegen legteWähnelt mit Hilfe von ver.di Nichtzulassungsbe-schwerde ein. Wiederum mit Erfolg: Im März 2015entschied das BAG wie zuvor schon die erste Instanz:Die Kündigung sei unwirksam, aber es bestehe keinAnspruch auf Weiterbeschäftigung in der neuen Firma(Az: 8 AZR 119/14). Das heißt, Renate Wähnelt hatAnspruch auf Gehaltsnachzahlung seit Oktober 2011und ist weiter beim Regionalverlag als Redakteurin an-gestellt. Der schrieb ihr jedoch umgehend, dass es kei-ne Redakteursstelle gebe, kündigte erneut betriebsbe-dingt und stellte sie frei.

    Rechtsschutz exzellent funktioniert. Wenn RenateWähnelts Arbeitsverhältnis am 30. September 2015endgültig ausläuft, ist sie 54 Jahre alt. Eine neue An-stellung zu finden, wird schwierig sein. Dennoch wür-de sie alles wieder genauso machen: „Es war eine psy-chisch belastende Zeit, obwohl ich materiell abgesi-chert war. Auch wenn ich mein Hauptanliegen nichterreichen konnte, beweist das Urteil, dass der Verlageben nicht alles machen kann: Verhindern, dass mitausgetüftelten Firmenkonstruktionen ein Betriebs-übergang umgangen wird und Arbeitnehmerrechtegeschmälert werden. Dennoch – der Rechtsschutz derGewerkschaft hat exzellent funktioniert, ich bin dafürsehr dankbar“, sagt sie. „Auch die Anteilnahme undmoralische Unterstützung der Kolleginnen und Kol-legen haben mir sehr geholfen.“

    Nun will Renate Wähnelt nach vorn schauen,sich nach neuer Arbeit umsehen. Sie hofft auf ihrelangjährigen Kontakte und ihre Bekanntheit als guteJournalistin. Nur eins steht für die couragierte Ge-werkschafterin fest: „Als Freie für eine der Unterfir-men der Volksstimme arbeiten werde ich nicht.“

    Gundula Lasch n

    MEDIEN + RECHT

    Am Ende gewonnen und doch verloren Volksstimme Magdeburg: Vier Jahre Kampf um den Arbeitsplatz

    Betriebsrätin Renate Wähneltbewies, dass Verlage nicht mitallem durchkommen

    Foto: B

    irgit Trag

    sdorf

  • 18 M 2.2015

    Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg arbeitenderzeit beide an einem Transparenzgesetz, das denZugang zu Verwaltungsinformationen vereinfachensoll. Doch während die rot-grüne Landesregierung unter Malu Dreyer dafür einen breiten öffentlichenBeteiligungsprozess mit klarem Zeitplan nutzt, kommtdas Projekt ausgerechnet im grün-rot regierten Ba-den-Württemberg nicht voran.

    Baden-Württemberg gehört zu den fünf verbliebenenBundesländern ohne Informationsfreiheitsgesetz. Esgibt somit im Südwesten keinen allgemeinen An-spruch der Bürger und der Journalisten, Zugang zu Ak-ten der Verwaltung zu erhalten. Zwar können sich dieMedienvertreter auf das Landespressegesetz berufen.Doch dem kommt die Pressestelle in der Regel durcheine mündliche Auskunft am Telefon nach, nichtdurch Akteneinsicht oder Zusendung von Kopien. DieEinführung eines Informationsfreiheitsgesetzes ist imKoalitionsvertrag in Baden-Württemberg verankert.Aber vier Jahre später liegt noch nicht mal ein Refe-rentenentwurf als Diskussionsgrundlage vor – und derSprecher des SPD-geführten Innenministeriums wagtauch keine Prognose, wann sein Haus etwas präsen-tieren kann. Es sieht daher so aus, als ließen sich dieGrünen, die eigentlich mit dem Versprechen vonTransparenz und Bürgerbeteiligung angetreten sind,von einem eher unwilligen Koalitionspartner aus-

    bremsen. Mittlerweile wird es daher immer fraglicher,ob ein so weitreichendes Reformprojekt in dieser Le-gislaturperiode, die in einem Jahr endet, überhauptnoch abgeschlossen werden kann. Dabei sind die Grünen den Gegnern der Transparenzim Südwesten schon sehr weit entgegen gekommen –zu weit, wie Journalistenorganisationen und Bürger-rechtsverbände finden: Die Eckpunkte der Landesre-gierung für einen Gesetzentwurf fallen eher restriktivaus. Sie enthalten breite Ausnahmeklauseln, etwa zum

    Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, dieabsolut gesetzt werden, ohne Abwägung mit dem öf-fentlichen Interesse, wie es eigentlich Standard ist.Auch die Selbstverwaltungsorgane der Wirtschaft unddie Landesbanken sollen pauschal ausgeklammertwerden. Durch die Möglichkeit für die Kommunen,kostendeckende Gebühren zu erheben, wird der Ver-waltung nach diesen Plänen zudem ein Weg eröffnet,unliebsame Fragesteller mit der Gebührenkeule abzu-schrecken. Vor allem aber sollen die aktiven Veröf-fentlichungspflichten, die die Behörden zwingen, vonsich aus Unterlagen ins Netz zu stellen, so schwachgeregelt werden, dass der Nutzen gering sein dürfte.

    Wie man ein Transparenzgesetz auch anders aufden Weg bringen kann, demonstriert zeitgleichRheinland-Pfalz. Dort gibt es zwar schon ein Informa-tionsfreiheitsgesetz. Aber es hat Schwächen und wirdnun in der Koalition mit den Grünen zu einem Trans-parenzgesetz in Anlehnung an die fortschrittlichenRegelungen in Hamburg weiterentwickelt. Ähnlichwie im Norden sollen bald auch in Rheinland-Pfalzviele Informationen der Verwaltung automatisch ineinem Transparenzregister im Internet veröffentlichtwerden, zum Beispiel alle Verträge der öffentlichenHand sowie Gutachten und Studien. „Die Entschei-dungen von Politik und Verwaltung sollen nachvoll-ziehbarer werden. Dadurch verbessert die Landes -regierung die Möglichkeiten zum Mitreden und Mit-gestalten“, versprach Ministerpräsidentin Dreyer beimStart eines breit angelegten Beteiligungsverfahrens zurGesetzeseinführung. Alle Bürger und Verbände kön-nen den Referentenentwurf online nachlesen und aufeiner eigenen Plattform kommentieren. Begleitendfanden in den letzten Wochen Bürgeranhörungenund Diskussionsveranstaltungen statt, die auch imNetz dokumentiert sind. Ab Juni sollen sich dann dieParlamentarier mit dem Gesetzentwurf befassen.

    Noch weist der Entwurf eine Reihe von Schwä-chen auf, denn die Kommunen bleiben von der akti-ven Veröffentlichungspflicht ausgeklammert undmüssen nur auf Antrag ihre Informationen freigeben.Auch die Handwerkskammern blieben nach derzeiti-gem Stand außen vor, genauso wie der Landesrech-nungshof. Ein zivilgesellschaftliches Bündnis ausnetzwerk recherche, dju in ver.di und DeutschemJournalistenverband zusammen mit mehreren Bürger-rechtsorganisationen hat daher bereits Nachbesserun-gen gefordert.

    Warum es in Rheinland-Pfalz besser vorangehtals in Baden-Württemberg, hängt sicherlich auch mitdem Engagement auf höchster Ebene zusammen: Mi-nisterpräsidentin Dreyer hat die Transparenzoffensivezu ihrem persönlichen Anliegen gemacht und stelltsich bei den öffentlichen Veranstaltungen der Diskus-sion. Von ihrem Amtskollegen Winfried Kretschmannhört man bisher wenig zu diesem Thema. Die Gegnerder Transparenz, die es in der Verwaltung zahlreichgibt, haben es daher leicht, im Südwesten auf Zeit zuspielen und auf das Ende der Legislaturperiode zu war-ten. Manfred Redelfs n

    MEDIEN + POLITIK

    Transparenz per Gesetz Gute Beteiligung in Rheinland-Pfalz – Sendepause in Baden-Württemberg

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    Mehr zum Thema:

    http://www.datenschutz.rlp.de/infofreiheit/

    https://netzwerkrecherche.org/blog/informationsfreiheitsge-setz-baden-wuerttemberg-eckpunktepapier-der-landes-regierung-laesst-nichts-gutes-ahnen/

    http://www.hohenlohe-unge-filtert.de/?p=18819

  • M 2.2015 19

    Die Telekommunikationsdaten jedes Bürgers werdenper se gespeichert – ohne jeden Anlass. Das ist der erklärte Wille der Regierungskoalition für ein neuesdeutsches Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung. EinEingriff in die Grundrechte der Bürger: Protest for-miert sich bundesweit.

    Zunächst die wichtigsten Fakten aus den „Leitlinienzur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspei-cherfrist für Verkehrsdaten“ aus dem Hause des Bun-desjustizministers Heiko Maas. Sie bilden die Basis fürdas Gesetz, das noch bis zur Sommerpause ins Parla-ment gebracht werden soll. Es soll zur Aufklärung vonStraftaten dienen, nicht zur Vorbeugung derselben.Gespeichert werden die Rufnummern aller beteiligtenAnschlüsse, Zeitpunkt und Dauer des Anrufs, bei Mo-bilfunk auch die Standortdaten. Dazu kommen die IP-Adressen und auch hier Zeitpunkt und Dauer der Ver-gabe einer Adresse. Inhalte der Kommunikation, we-der per Telefon noch übers Internet, dürfen nicht er-fasst werden. Die Standortdaten können vier Wochenfestgehalten werden, für das Übrige gilt eine Frist vonzehn Wochen.

    Der nach wie vor auch innerhalb der Koalitions-parteien umstrittene „Kompromiss“ zwischen CDUund SPD wird mit vorgesehenen Einschränkungenzum Schutze der Bürger verfassungskonform geredet.So soll die Erstellung von Bewegungs- und Persönlich-keitsprofilen, was mit Hilfe von Standorten möglichist, verboten sein. Das werde ohnehin bereits mit derkurzen Speicherfrist von vornherein ausgeschlossen,heißt es. Auch soll auf die Daten nur bei schwerstenStraftaten zugegriffen werden. Das stehe zudem „un-ter einem strengen Richtervorbehalt“.

    Grundsätzlich von der Speicherpflicht ausge-nommen sind lediglich Notruf-Telefone in sozialenund kirchlichen Bereichen. Bei „zeugnisverweige-rungsberechtigten Personen“, wie etwa Rechtsanwäl-te, Ärzte oder Journalisten, dürfen gespeicherte Ver-kehrsdaten nicht abgerufen werden. „Zufallsfundeunterliegen einem Verwertungsgebot.“ – Hier scheintes noch einen großen Spielraum bei der Fixierung dergenauen Regelungen im Gesetz zu geben!

    Demzufolge bleibt es noch ein wenig spannendwie der genaue Wortlaut und damit die inhaltlichenDetails des neuen Gesetzes aussehen werden. Jedoch:

    „Ein Grundrechtsverstoß bleibt ein Grundrechtsver-stoß auch dann, wenn er künftig nur noch vier bezie-hungsweise zehn Wochen dauern soll“, kommentierteHeribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung. Dem isteigentlich nichts hinzuzufügen! Schließlich wurdenbisherige rechtliche Vorstöße zur anlasslosen Vorrats-datenspeicherung sowohl vom Bundesverfassungsge-richt in Karlsruhe 2010 als auch vom EuropäischenGerichtshof in Luxemburg 2014 vom Tisch gefegt.Folglich wurden von den deutschen Verfassungsrich-tern für eine Speicherung und Auswertung von Bür-gerdaten enge Grenzen gesetzt worden. Dem werdemit dem neuen Gesetz entsprochen, versichert HeikoMaas. „Wir bringen die Ziele der Verbrechensbekämp-f