von der way biographie

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Bettina Hackländer-von der Way BIOGRAPHIE UND IDENTITÄT STUDIEN ZUR GESCHICHTE, ENTWICKLUNG UND SOZIOLOGIE ALTÄGYPTISCHER BEAMTENBIOGRAPHIEN

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Bettina Hackländer-von der Way

BIOGRAPHIE UND IDENTITÄT

STUDIEN ZUR GESCHICHTE, ENTWICKLUNG UND SOZIOLOGIE

ALTÄGYPTISCHER BEAMTENBIOGRAPHIEN

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dissertation.de - Verlag im Internet GmbH Sonderausgabe des Werkes mit der ISBN / Special edition of the book with the ISBN: 3-89825-251-5 Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich im Wintersemester 1999/00 auf Antrag von Herrn Prof. Dr. Peter Kaplony als Dissertation angenommen. dissertation.de - Verlag im Internet GmbH Fritschestr. 68 10 585 Berlin E-Mail: [email protected] URL: http://www.dissertation.de

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VORWORT

Die vorliegende Arbeit ist in den Jahren 1989 bis 1999 in Kairo entstanden und überarbeitet worden. Sie geht u. a. zurück auf Anregungen von Prof. Dr. Jan Ass-mann, der meine erste Studienzeit in Heidelberg begleitet und ägyptologisch ge-prägt hat.

In der Absicht, mich den Stelen des Mittleren Reiches mit biographischen Texten zuzuwenden, konnte ich dank eines Stipendiums des DAAD ein halbes Jahr lang im Ägyptischen Museum in Kairo arbeiten und mich mit Stelen des Mittleren Reiches vertraut machen. Ohne die großzügige und unkomplizierte Begleitung des Direktors des Ägyptischen Museums in Kairo, Dr. Mohammed Saleh, wäre diese Orientierungsarbeit nicht denkbar gewesen.

Viele Gespräche und Anregungen bezüglich altägyptischer Biographien habe ich mit Dr. Heike Guksch in Heidelberg geführt. Sie hat mir von der Seite der ägyptologischen Texterschließung und Bearbeitung viele Anregungen und Hinweise gegeben und Einsicht in ihre eigene Dissertation gewährt, wofür die ich ihr sehr danke.

Ausschlaggebend jedoch dafür, daß ich mein Studium schließlich zu Ende bringen konnte, war die konstruktive Offenheit meines Doktorvaters Prof. Dr. Peter Kaplony in Zürich. Er hat über all die Jahre, trotz meines Auslandsaufent-haltes und meiner familiären und beruflichen Verpflichtungen, meine Arbeit ge-duldig begleitet und betreut. Er hat mir seine Türe stets offengehalten und mit mir in und außerhalb der Seminare Texte gelesen und Themen erarbeitet. Er hat mich über das Lizentiat zum Doktorat geführt und sich in vorzüglichster Weise als mein ‚Doktor-Vater‘ erwiesen. Ihm verdanke ich eine oft aufregende, aber schöne letzte Studienzeit. Er hat mich mit detaillierten Nachfragen immer wieder ermutigt, Dinge noch einmal zu überdenken und anders zu formulieren, er hat sich mir und dieser Arbeit mit großem persönlichem Einsatz zugewendet und mir doch stets die Freiheit als Autorin gelassen. Unsere gemeinsame Seminararbeit hat mich viel gelehrt, und wir haben uns in vielen Gesprächen wunderbar ver-standen.

Eine große Stütze war auch meine Freundin Renate Siegmann, die mich in Zürich offen und herzlich aufgenommen hat. Sie hat mir geholfen, mich im Zür-cher Universitätsbetrieb zurecht zu finden und hat manches für mich erledigt,

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wenn ich nicht da sein konnte. Es hat immer gut getan, eine zuverlässige und frohe Freundin in Zürich zu haben. Vielen Dank!

Rückblickend habe ich mich literarisch schon immer für Autobiographien inter-essiert. Seit 1989 bin ich durch meinen Einstieg in den Beruf des Lehrers noch weiter mit Literatur und den hinter ihr stehenden Autorenbiographien vertraut geworden. Als ich dann 1991 das Studium an der Universität Zürich wieder auf-nahm, wurde mir besonders durch die ‚historische Pädagogik‘ viel soziologi-sches und philosophisches Material zum Thema ‚Biographieschreibung‘ be-kannt, welches in diese Arbeit eingeflossen ist. Für die vielen Anregungen, die ich aus den Seminaren und Vorlesungen immer wieder nach Kairo mitnehmen konnte, habe ich besonders meinem Lehrer im Seminar für Pädagogik, Herrn Prof. Dr. Fritz-Peter Hager zu danken.

Meinen Kairener Freunden Richard und Ricarda Künzel, Hansjochen und Inge Steinbrecher, die mein Leben und meine Arbeit begleitet haben, sowie un-serer Freundin Luise Junqué, meiner Schwester Dr. Nele Hackländer und nicht zuletzt meinem Freund Karl Lackner, der sich von jeder Ecke der Welt immer wieder eingeschaltet hat, danke ich für ihre Unterstützung und ihre Ermutigun-gen.

Meinem Mann Thomas hat diese Arbeit ihre Form und viele Details zu ver-danken. Seine Unterstützung, Geduld, Kritik und viele Diskussionen waren wichtig und haben mir im Großen wie im Kleinen weitergeholfen.

Ich möchte an dieser Stelle betonen, daß ich mir der Tatsache bewußt bin, daß diese Arbeit die Arbeit eines ‚einsamen Denkers‘ ─ im guten, wie im schlechten Sinne ─ ist. Die Diskussionen, die das Plenum eines Doktorandenkolloquiums führt, habe ich nie geführt. Ich weiß, daß die breite und wirklich korrigierende Kritik dieser Arbeit fehlt. Auch die Entscheidung, die Biographien in ihrer gan-zen Entwicklung zu beschreiben, sie zu interpretieren und sie zudem von der So-ziologie her zu kommentieren, geht ganz auf meine eigene Neigung zurück. Die-ses Thema sollte neu aufgegriffen und weiter ausgeführt werden. Detailfor-schungen müssen folgen, und durch fachübergreifende Bezüge sollten schließ-lich auch die altägyptischen Autobiographien einen festen und wohldefinierten Platz innerhalb der allgemeinen historischen Sozialforschung erhalten können.

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Ich habe diese Arbeit für mich geschrieben und durch sie vieles gedacht, durchdacht und denken gelernt. Ich habe Impulse aufgenommen, um sie weiter-zugeben, und es wäre schön, neue Überlegungen in Gang zu setzen.

Meine Mutter hatte sich immer gewünscht, daß ich mein Studium abschließe. Ihr Wunsch hat mich über ihren und über den Tod unseres Sohnes Maximilian hin-aus begleitet. Meine eigene Biographie ergänzt sich durch den Abschluß dieser Arbeit.

Derjenige, der in den letzten Jahren des Studiums, des Familien─ und Be-rufslebens immer für mich da war, war mein Vater Friedrich K. Hackländer. Er hat mir mit seiner großen Bildung selbst die erste Bildung vermittelt. Er hat mein Herz für das Leben anderer Menschen, für Kultur und Geschichte geöffnet und teilt mein Verständnis von der individuellen Verantwortung im Handeln, die den Lebenslauf prägt und verändert. Ihm möchte ich für alles danken, indem ich ihm diese Arbeit widme.

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INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort .................................................................................................... III

Inhaltsverzeichnis..................................................................................VII

Verzeichnis der Abbildungen ................................................................XI

Literaturverzeichnis..............................................................................XIII ÄGYPTOLOGISCHE LITERATUR .................................................................... XIII ABGEKÜRZT ZITIERTE ÄGYPTOLOGISCHE LITERATUR .............................. XXIX SOZIOLOGISCHE UND ANDERE WEITERFÜHRENDE LITERATUR ................XXXIII

1. Die Autobiographien in den historischen Kontexten pharaonischer Zeit ........................................................................... 1

1.1. DIE BEAMTEN DES ALTEN REICHES ........................................................ 5 1.1.1. Der Beamte im Königsdienst:

Der ‚selbstbewußt werdende‘ Beamte........................................... 5 1.1.2. Das Selbstbewußtsein der Beamten ............................................ 11

1.2. DIE BEAMTEN DER ERSTEN ZWISCHENZEIT UND DES MITTLEREN REICHES............................................................... 17

1.2.1. Der Beamte in eigener Verantwortung (1. Zwischenzeit) ........... 20 1.2.2. Der ‚intellektuelle‘ Beamte (11. und Anfang 12. Dynastie) ........ 25 1.2.3. Der ‚etablierte‘ Beamte (späteres Mittleres Reich) ..................... 37

1.3. DIE BEAMTEN DES NEUEN REICHES...................................................... 50 1.3.1. Der ‚loyale‘ Beamte der 18. Dynastie (vor und nach Amarna) ... 50 1.3.2. Der ‚niedrige‘ Beamte (Amarna) ................................................ 57 1.3.3. Der ‚fromme‘ Beamte (Ramessidenzeit)..................................... 63

1.4. DIE BEAMTEN DER DRITTEN ZWISCHENZEIT UND DER ÄGYPTISCHEN SPÄTZEIT ......................................................... 68

1.4.1. Der ‚gottergebene‘ Beamte ......................................................... 68

2. Anbringungsorte von Autobiographien....................................... 81 2.1. AUTOBIOGRAPHIEN IM GRAB ................................................................ 81

2.1.1. Grabgedanke ............................................................................... 81 2.1.2. Totendenksteine und Stelen im Grabinneren und im Vorhof.... 102 2.1.3. Statuen im Grab ........................................................................ 105

2.2. AUTOBIOGRAPHIEN AUSSERHALB DES GRABES................................... 108 2.2.1. Stelen......................................................................................... 108 2.2.2. Kenotaphe ................................................................................. 110 2.2.3. Statuen....................................................................................... 111 2.2.4. Expeditionsinschriften............................................................... 113

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2.3. ZUSAMMENFASSUNG: DIE ENTWICKLUNG VON TOTENDENKSTEIN UND SCHEINTÜR. ..................................................................................116

3. Identität und Biographie im alten Ägypten................................119 3.1. SCHRIFT UND IDENTITÄT......................................................................119

3.1.1. Poetik und Erfindung.................................................................126 3.2. DIE IDENTITÄTSPRÄSENTATION ...........................................................129 3.3. DER PERSONALITÄTS─ UND PERSÖNLICHKEITSBEGRIFF ......................135

3.3.1. Personalität ................................................................................137 3.3.2. Personalität und Persönlichkeit ─ reales Ich und soziales Ich ...142

4. Soziologische Aspekte der Biographieschreibung ..................147 4.1. KONSTITUIERUNG VON BIOGRAPHIE

UND KONSTITUENTEN DER GESCHRIEBENEN AUTOBIOGRAPHIE...........147 4.1.1. Theoriegeschichte ......................................................................162

4.2. BIOGRAPHIEFORSCHUNG......................................................................163 4.3. HISTORISCHE BIOGRAPHIESCHREIBUNG ─

GESCHICHTE UND IDENTITÄT ...............................................................167 4.4. SOZIALE ZEIT.......................................................................................173 4.5. IDENTITÄT............................................................................................181 4.6. ZUSAMMENFASSUNG ...........................................................................186

Index......................................................................................................189 ARBEITSSPEZIFISCHE FACHBEGRIFFE ............................................................189 ÄGYPTOLOGISCHE / ARCHÄOLOGISCHE FACHBEGRIFFE ................................189 GÖTTERNAMEN .............................................................................................189 KÖNIGSNAMEN..............................................................................................190 NAMEN VON PRIVATPERSONEN .....................................................................190 PHILOSOPHEN UND ANTIKE AUTOREN...........................................................191 ETHNIEN / VÖLKERSCHAFTEN .......................................................................191 SCHRIFTZEUGNISSE .......................................................................................191 TOPONYME....................................................................................................192 AMARNA-GRÄBER.........................................................................................192 THEBANISCHE GRÄBER .................................................................................192 CHRONOLOGISCHE EINTEILUNGEN ................................................................193 REGISTER ZU MUSEEN UND PUBLIKATIONEN ................................................194

Abbildungen .........................................................................................197 ABB. 1. ..........................................................................................................198 ABB. 2. ..........................................................................................................199 ABB. 3. ..........................................................................................................199 ABB. 4. ..........................................................................................................200 ABB. 5. ..........................................................................................................200

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ABB. 6. .......................................................................................................... 200 ABB. 7. .......................................................................................................... 201 ABB. 8. .......................................................................................................... 202 ABB. 9. .......................................................................................................... 202 ABB. 10......................................................................................................... 203 ABB. 11......................................................................................................... 203 ABB. 12......................................................................................................... 204 ABB. 13......................................................................................................... 204 ABB. 14......................................................................................................... 205 ABB. 15......................................................................................................... 205 ABB. 16......................................................................................................... 206 ABB. 17......................................................................................................... 207

Lebenslauf ............................................................................................ 209

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VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN

Abb. 1. Höflingsgräber im Bestattungskomplex des Königs Horus Aha, 1. Dynastie, Abydos............................................................................... 198

Abb. 2. Unterbau im Galerie-Grab des Ruaben, 2. Dynastie, Saqqara .............................................................................. 199

Abb. 3. Grab des Hesire, 3. Dynastie, Saqqara .............................................................................. 199

Abb. 4. Standard-Mastaba, frühe 4. Dynastie, Giza........................................................................... 200

Abb. 5. Grab des Chentika, 6. Dynastie, Saqqara .............................................................................. 200

Abb. 6. Grab des Anchtifi, 1. Zwischenzeit, Mo’alla ........................................................................ 200

Abb. 7. Pfeilergrab des Dagi, 1. Hälfte der Regierung Mentuhoteps II., 11. Dynastie, Theben TT 103...... 201

Abb. 8. Korridorgrab, spätere Regierungszeit Mentuhoteps II., 11. Dynastie, Theben MMA 813 .. 202

Abb. 9. Grab Sarenputs I., 12. Dynastie, Qubbet el-Hawa Nr. 36 ...................................................... 202

Abb. 10. Grab des Amenemhet, 12. Dynastie, Beni Hasan Nr. 2 ............................................................... 203

Abb. 11. Gräberfeld der 2. Zwischenzeit, Dra Abu en-Naga, Theben K 93.11 ......................................................... 203

Abb. 12. Grab des Ramose, 18. Dynastie im Übergang zur Amarnazeit, Theben TT 55 ........................ 204

Abb. 13. Grab des Panehsy, Amarnazeit, Amarna Nr. 6...................................................................... 204

Abb. 14. Oberbau des Grabes des Paser, Ramessidenzeit, Theben TT 106 ............................................................. 205

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Abb. 15. Begehbare unterirdische Anlage im Grabe des Paser, Ramessidenzeit, Theben TT 106 .............................................................205

Abb. 16. Grab des Bakenrenef, Saïtenzeit, Saqqara ................................................................................206

Abb. 17. Grab des Anch-Hor, Saïtenzeit, Theben TT 414......................................................................207

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LITERATURVERZEICHNIS

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„Les romans les plus touchants sont des études autobiographi-

ques ou des récits d’événements enfouis dans l’océan du monde.“ 1

1. Die Autobiographien in den historischen Kontexten pharao-nischer Zeit

Beabsichtigt ist im folgenden, die Stellung der Beamten in ihren gesellschaftli-chen und historischen Kontexten zu untersuchen. Dazu sollen die einzelnen Epo-chen der pharaonischen Geschichte nach ihrer religiösen, politischen und sozial-strukturellen Relevanz charakterisiert und interpretiert und zu den autobiographi-schen Texten in Beziehung gesetzt werden. Status und Selbstverständnis der Be-amtenschaft ─ so die These ─ waren unmittelbar abhängig von Religions─ Kul-tur─ und Sozialgeschichte des ägyptischen Staates und wirkten gleichsam her-meneutisch auf sie ein. So werden Aussagen der Beamten zu eigenem Tun und Denken nicht nur individuell, sondern auch politisch und sozial bedeutsam. Sie scheinen daher besonders geeignet, die altägyptische Geschichte quasi von unten nach oben als Sozialgeschichte zu beschrieben. In den formalen und inhaltlichen Umbrüchen und auch Kontinuitäten autobiographischer Texte zeigen sich ─ ebenso wie in den Texten offizieller, also königlicher Verfasserschaft ─ präg-nante, kulturhistorische Entwicklungen, die zurückwirkten auf die Möglichkeiten individueller Existenz in dieser Gesellschaft. Der Zusammenhang zwischen der Herausbildung von kultureller und individueller Identität steht im Vordergrund des Interesses dieser Arbeit, die sich der, für die Ägyptologie primär von GEORGE POSENER entfalteten, von JAN ASSMANN und anderen weitergeführten Diskussion sozialpolitischer, religionstheoretischer und letztlich geistesge-schichtlicher Entwicklung verbunden fühlt.

In diesem Sinne geht es nicht um die Sicherung und Erläuterung aller histo-rischen Zusammenhänge, sondern um die so pragmatisch wie möglich und aus-führlich wie nötig gehaltene Erläuterung bestimmter, jedoch wichtig erscheinen-

1 H. DE BALZAC, zitiert nach G. MISCH, Begriff und Ursprung der Autobiographie, in: G. NIGGL,

Die Autobiographie, Zu Form und Geschichte einer Literarischen Gattung, in: Wege der For-schung, Bd. 565, Darmstadt 1989, 35—36.

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der Sachverhalte und Zusammenhänge, aus denen sich die Relation zwischen Autobiographie und Identität, also zwischen Text und Person, aber auch zwi-schen Schriftlichkeit und Fixierung der Bedingungen der eigenen Existenz in-nerhalb eines sich entwickelnden und verändernden Sozialsystems ergibt.

Die in das ägyptologische Vokabular bereits eingeführten und von JAN

ASSMANN im Lexikon der Ägyptologie definierten Begriffe ‚Personalität‘ und ‚Persönlichkeit‘ 2 können in diesem Zusammenhang aufgegriffen werden und dienen insbesondere der Beschreibung der Auffassung der alten Ägypter von in-dividuell fixierenswerter Biographie in den gegebenen Denk─ und Handlungs-spielräumen der einzelnen historischen Zeiträume. Biographische Persönlichkeit wurde beispielsweise im Alten Reich mit der Stiftung des Grabes, das der Be-amte als Belohnung für seine Tätigkeit erhielt und dem daraus resultierenden Selbstverständnis erst hervorgebracht. Aus der ‚persona privata‘ machte dieser eine ‚persona publica‘, wobei der ‚persona‘-Begriff allerdings erst um 520 n. Chr. von dem römischen Staatsmann und Philosophen BOETHIUS überdacht und in mindestens fünf Bedeutungen erläutert worden ist 3.

Mit den Charakterisierungen der Beamten zu den verschiedenen Epochen wird die in der jeweiligen Epoche am prägnantesten erscheinende Benennung der existentiellen und ideellen Situation der Beamten zugegebenermaßen plakativ in die Überschrift gestellt. Sie wird der Charakterisierung einer anderen Zeitstufe entwicklungsgeschichtlich gegenübergestellt, um den Autobiographien ─ als Texte der privaten Historisierung ─ ihre illuminierende Funktion als Indikatoren für die „Entwicklungsgeschichte des menschlichen Selbstbewußtseins“ zuzuwei-sen.

Einige charakteristische Merkmale der Textgattung ‚Autobiographie‘ sollen hier kurz konstatiert und durch Aussagen ergänzt werden, die der Forschung an-derer entstammen. Sie werden wichtig, um auf der Basis der bereits vorhandenen Kenntnisse von der altägyptischen Autobiographieschreibung Aussagen im Hin-

2 J. ASSMANN, s. v. Persönlichkeitsbegriff und ─bewußtsein, in: LÄ IV, Wiesbaden 1982,

Sp. 963 ff. 3 Hierzu u. a. soziologisch weiterführend A. BORST, Findung und Spaltung der öffentlichen Per-

sönlichkeit (6. bis 13. Jahrhundert), in: O. MARQUARD - K. STIERLE (Hgg.), Identität, in: Poetik und Hermeneutik VIII, München 1979.

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blick auf das soziologische Potential der Autobiographien zusammenfassen zu können:

1. Nur Beamte haben Autobiographien verfaßt. Der König schrieb seine Ge-schichte in den Annalen.

Die Endlichkeit des menschlichen Lebens stand der königlichen göttlichen Existenz kontrastiv gegenüber. Der König hatte keine mit dem Tod en-dende, daher auch keine resultative und thematisierungsbedürftige Ge-schichte und schrieb deshalb auch keine Autobiographie. Er fixierte statt dessen Ereignisse 4.

2. Im Hinblick auf alle anderen literarischen Werke ist die Autobiographie die einzige altägyptische literarische Textgattung nicht offizieller Autoren-schaft 5.

3. Autobiographien sind vergangenheitsbezogen-resümierend, während alle andere königliche Literatur gegenwartsbezogen-aktualisierend ist 6.

4. Die Aufzeichnung der Autobiographien ist eng an das Grab gebunden, das den Toten gleich einem Wohnort aufnahm und in dessen Raum sich der Übergang vom Diesseits zum Jenseits vollzog.

5. Den Autobiographien des alten Ägypten liegt ein eigener Diskurs 7 ─ ein Aufzeichnungsbedürfnis ─ zugrunde, der als „Gedächtnis und Fortdauer der Person“ kurzgefaßt werden kann 8.

6. Altägyptische Autobiographien überliefern die Identität 9 einer Person, be-stehend aus Personalität und Persönlichkeit 10.

7. Die Autobiographien sind einem ständigen historischen Wandel unterwor-fen, der maßgeblich von der sozialen Geschichte des Landes und der Politik der Könige abhängig war, sie geben aber während ihrer gesamten Entfal-

4 J. ASSMANN, s. v. Persönlichkeitsbegriff und ─bewußtsein, loc. cit. 5 Ich möchte auch die Liebesdichtung ausschließen, von der die Autoren bzw. Initiatoren nicht

bekannt sind. Siehe dazu D. MEEKS, s. v. Liebeslieder, in: LÄ III, Wiesbaden 1979, Sp. 1048 ff. 6 J. ASSMANN, s. v. Persönlichkeitsbegriff und ─bewußtsein, loc. cit. 7 M. FOUCAULT, Die Ordnung des Diskurses, Frankfurt a. M. 1974; J. ASSMANN, Sonnenhymnen

in thebanischen Gräbern, Theben Bd. I, Mainz 1983, Kap. X und XI. 8 J. ASSMANN, Schrift, Tod und Identität, Das Grab als Vorschule der Literatur im alten Ägyp-

ten, in: A. und J. ASSMANN (Hgg.), Schrift und Gedächtnis, München 1983, 64—93. 9 H. LÜBBE, Zur Identitätspräsentationsfunktion der Historie, in: O. MARQUARD - K. STIERLE

(Hgg.), Identität, op. cit., 277 ff. 10 J. ASSMANN, s. v. Persönlichkeitsbegriff und ─bewußtsein, loc. cit.

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tungsgeschichte weder ihre thematische noch ihre formale Grundstruktur auf 11.

8. Autobiographien könnten dem Königtum eventuell als ‚Barometer‘ gedient haben, weil sie rezeptiv waren. Sie zeigten an, inwieweit königliche Vorga-ben in Politik und Literatur im privaten Schriftgebrauch reflektiert und ak-zeptiert worden sind.

9. Die in der ägyptologischen Literatur gepflegten Unterscheidungen von ‚Ideal─ und Laufbahnbiographie‘ können als Grobcharakterisierungen von ‚privat‘ und ‚öffentlich‘ bestehen bleiben, sie können jedoch in dem Sinne noch weiter modifiziert und differenziert werden, den A. M. GNIRS jüngst vorgeschlagen hat als: „Handlungs─ und Ereignisbiographie, Reflexions─ und Bekenntnisbiographie und die enkomiastische Biographie (Kunst-prosa)“ 12.

„…Vertraue nicht auf die Länge der Jahre! sie (die Götter) sehen die Lebenszeit als eine Stunde an. Wenn der Mensch übrigbleibt nach dem ‚Landen‘ werden seine Taten neben ihn gelegt als Endbetrag. Das Dortsein aber ist ewig. Ein Tor, der tut, was sie tadeln. Wer zu ihnen gelangt ohne Übertretung, der wird dort sein als ein Gott, frei schreitend wie die Herren der Ewigkeit…“ 13

11 Zur Definition und neueren Diskussion des Gattungsbegriffes ‚Autobiographie‘ s. A. M. GNIRS,

Die ägyptische Autobiographie, in: A. LOPRIENO (Hg.), Ancient Egyptian Literature: History and Forms, PÄ 10, Leiden-New York-Köln 1996, 191—241.

12 A. M. GNIRS, Die ägyptische Autobiographie, op. cit., 20 ff. Die Unterscheidung der Texttypen in den verschiedenen Zeiten ist allerdings nicht immer möglich, wobei das Auftreten eines neuen Typs allerdings sicherlich immer einen entwicklungsgeschichtlich signifikanten Punkt markiert, wie es auch im folgenden nachgezeichnet wird.

13 Aus der Lehre für Merikare, zitiert nach J. ASSMANN, Zeit und Ewigkeit im Alten Ägypten, AHAW, Phil.-hist. Kl., 1975, Abh. 1, Heidelberg 1975, 12 f.

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1.1. Die Beamten des Alten Reiches 1.1.1. Der Beamte im Königsdienst Der ‚selbstbewußt werdende‘ Beamte

Autobiographische Texte und Textteile, in denen Beamte mehr als nur ihren Namen und Titel nannten und selbst Aussagen über sich und ihre Umgebung machten, gibt es erst seit der 4. Dynastie. In dieser Zeit entstehen für den Toten-kult Texte über Grab und Begräbnis, verbunden mit Drohungen an Grabschän-der, Anreden an Grabbesucher und Bitten um Totenopfer.

Es sollen nun die wichtigsten Lebensumstände des Beamtenlebens im Alten Reich zusammengefaßt und mit derjenigen geistigen Entwicklung in Zusam-menhang gebracht werden, die in dieser Zeit vollzogen wurde. Aus ihr konnte die Beamtenschaft zu einem Selbstverständnis auf breiter gesellschaftlicher Ba-sis kommen, dem fortan das Bedürfnis entsprang, Autobiographien aufzuzeich-nen. Dieses Bedürfnis möchte ich in Übereinstimmung mit den Vorarbeiten be-sonders MICHEL FOUCAULTS und JAN ASSMANNS als Diskurs 14 bezeichnen, der der Gattung Autobiographien zugrunde liegt 15. Die altägyptischen Autobiogra-phien werden als Textgattung primär durch ihren Diskurs definiert, und er setzt sie von anderen Gattungen textpragmatisch ab. Die Forschung, soweit bislang für die Ägyptologie erschlossen und relevant, eröffnet die Möglichkeit für die altägyptische Literatur, eine Unterscheidung in „Diskurs ─ Gattung ─ Literatur“ zu konstatieren 16. Die für gewöhnlich zur Arbeit mit Texten notwendige Klä-rung der Textgattungsfrage kann textpragmatisch dahingehend entschieden wer-den, daß der Unterscheidung einer Gattung von der anderen ein voneinander ver-schiedenes Aufzeichnungsbedürfnis zugrunde liegt. Das der Autobiographien lautet: „Gedächtnis und Fortdauer“. Das der Klagen und Lehren dagegen mag

14 Dazu J. ASSMANN, Schrift, Tod und Identität, loc. cit., DERS., Sonnenhymnen in thebanischen

Gräbern, op. cit., XI. 15 Dazu J. ASSMANN, Der literarische Text im Alten Ägypten, in: OLZ 69, Berlin-Leipzig 1974,

Sp. 117—126. 16 Siehe dazu die Definition der ‚belles lettres‘ durch G. POSENER, Les Richesses Inconnues de la

Littérature Égyptienne, in: RdE 6, Kairo 1951, 28 ff., sowie die differenzierte und vielfältige Behandlung des Themas ‚Ägyptische Literatur‘ u. a. von P. KAPLONY, Die Definition der Schönen Literatur im Alten Ägypten, in: J. ASSMANN ET ALII (Hgg.), Fragen an die altägypti-sche Literatur, Gs OTTO, Wiesbaden 1977, 289 ff., sowie die oben zitierten Beiträge von M. FOUCAULT und J. ASSMANN.

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man als: „Legitimation und Dauer des Königs“, das der Göttergeschichten als „Lob und Fortdauer göttlicher Herrschaft“ usw. formulieren 17. Der Gattungsbe-griff führt dann inhaltlich noch weiter, wie an anderer Stelle gezeigt worden ist und worauf hier verwiesen sei 18. Die Verwendungssituation der literarischen Aufzeichnungsform bestimmt die Gattung inhaltlich, strukturell und funktional und setzt hauptsächlich die Gattungen in Bezug zueinander, womit die Stufe der Literatur erreicht wäre 19. Sie läßt sich dann erst in den Punkten, die PETER

KAPLONY 20 vorgeführt hat, als mdt nfrt ─ „schöne Literatur“ ─ bezeichnen. Charakteristisch für die Anfänge der autobiographischen Texte der Beamten

des Alten Reiches ist, daß die dynamische Produktivität des Textverfassens an-fangs erst langsam in Gang kam, dann jedoch konsequent zum Entstehen der Gattung Autobiographien führte. Autobiographien sind zunächst individuell di-stinktiv, jedoch inhaltlich und formal noch sehr ‚fest‘ und ‚gebunden‘. Aussagen von Beamten der Zeit der 4. und 5. Dynastie sind im Vergleich zu den späteren Texten durchwegs so allgemein, daß sie in dieser Art signifikant für die frühe Form der Textgattung Autobiographie sind 21. Zum Vergleich können die auto-biographischen Texte der Folgezeit herangezogen werden 22. Die Mehrzahl der textlichen Aussagen von biographisch sozialem und ethischem Inhalt sind erst ab der 6. Dynastie entstanden. Sie bleiben formal z. T. weit über das Alte Reich hin-aus erhalten.

17 Siehe dazu M. FOUCAULT, Die Ordnung des Diskurses, op. cit. Ihn zitiert auch J. ASSMANN, in:

Sonnenhymnen in thebanischen Gräbern, loc. cit. 18 Hier möchte ich besonders verweisen auf J. ASSMANN, Der literarische Text im Alten Ägypten,

op. cit. 19 Siehe dazu J. ASSMANN, Fest des Augenblicks ─ Verheißung der Dauer, in: J. ASSMANN ET

ALII (Hgg.), Fragen an die altägyptische Literatur, Gs OTTO, op. cit., Anm. 63, und J. ASSMANN, Der literarische Text im Alten Ägypten, op. cit.

20 P. KAPLONY, Die Definition der Schönen Literatur im Alten Ägypten, loc. cit. 21 E. EDEL, Untersuchung zur Phraseologie der ägyptischen Inschriften des Alten Reiches,

MDAIK 13, Berlin 1944, 55. Eine Differenzierung der Biographien in Autobiographie und Biographie und eine Klassifizierung in Entwicklungsstufen nimmt N. KLOTH, Beobachtungen zu den biographischen Inschriften des Alten Reiches, in: SAK 25, Hamburg 1998, 189—205, vor. Danach lassen sich unterscheiden: 1. Grabschutzinschriften in der 1. Person mit ‚idealbio-graphischen Phrasen‘, 2. Paraphrasierend-berichtende Biographien, 3. Laufbahn-Autobiogra-phien, 4. Ethische Biographien.

22 B. VAN DE WALLE, s. v. Biographie, in: LÄ I, Wiesbaden 1974, Sp. 815 ff.

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1.1.1.1. Die Bedeutung des Königs für den Beamten

Seit der Frühzeit hatte sich die Vorstellung entwickelt: der König ist Gott 23. Der König wird in autobiographischen und königlichen Texten 24 als ntr nfr 25 oder ntr c 26 bezeichnet. In seiner monumentalen Grabarchitektur manifestierte sich massiv die Größe und Überlegenheit der Person und die Einheit mit den Göttern, als deren Gleicher er sich zunächst, als deren Sohn er sich dann ─ ab dem späte-ren Alten Reich 27 ─ präsentierte. Die Bezeichnung des Königs durch den Be-amten als ntr c 28, als „großer Gott“, hat womöglich nicht nur das im Dogma festgelegte Verständnis vom König als dem identitären Gott benannt 29, sondern mag durchaus identisch gewesen sein mit der Bedeutung des Königs für den Einzelnen. Die Pyramidenzeit, von J. ASSMANN als „identitäre Theokratie“ cha-rakterisiert, zeichnete sich dadurch aus, daß in ihr der König als Gott, bzw. Gott als König herrschte. Es lassen sich verschiedentlich Beispiele von Äußerungen aus dem persönlichen Bereich finden, die zeigen, daß der König nicht nur im Alten Reich, sondern auch später stets die Aura des Göttlichen, der „Despotie“,

23 Siehe dazu auch H. GOEDICKE, Die Stellung des Königs im Alten Reich, ÄA 2, Wiesbaden

1960. 24 Die Göttlichkeit des Königs des Alten Reiches wird vor allem in den Pyramidentexten behan-

delt. Siehe dazu H. KEES, Pyramidentexte, in: HdO I. 1, 2, 52—60. Außerdem möchte ich auch die weiteren beiden Textgruppen nicht ausschließen, obwohl sie uns erst ab späterer Zeit im Original erhalten sind: Das „Denkmal Memphitischer Theologie“, siehe dazu A. ERMAN, Ein Denkmal memphitischer Theologie, SPAW, Phil.-hist. Kl., 43, Berlin 1911, ─ wobei ich die hier aufgezeigte Datierung des Textes durch H. ALTENMÜLLER, s. v. Denkmal Memphitischer Theologie, in: LÄ I, Wiesbaden 1974, Sp. 1065 ff., in das Ende des Alten Reiches für sinnvoll halte; möglicherweise kommt auch der „Dramatische Ramesseumspapyrus“ in Frage, wenn man die Vorlagen zu diesem Ritualtext als aus dem Alten Reich stammend in Betracht zieht. Siehe dazu H. ALTENMÜLLER, s. v. Dramatischer Ramesseumspapyrus, in: LÄ I, Wiesbaden 1975, Sp. 1132 ff.

25 K. SETHE, Urkunden des Ägyptischen Altertums. Abt. I, Urkunden des Alten Reichs, Leipzig 1932—33, 96, 10; ntr nfr gehört nach P. KAPLONY, Die Rollsiegel des Alten Reiches II, in: Monumenta Aegyptiaca 3A, Brüssel 1981, 31 ff., hauptsächlich zum Ringnamen des Königs.

26 Urk. I, 8, 7 und z. B. in der biographischen Inschrift des Kagemni, Teil B, Zeilen 5, 6, 9, nach E. EDEL, Inschriften des Alten Reiches II, Die Biographie des Kj-gmjnj (Kagemni), in: MIO 1, 220 f., Taf. II, Berlin 1953; und H. GOEDICKE, Die Stellung des Königs im Alten Reich, op. cit., 40—42; ntr c gehört hauptsächlich zum Horusnamen des Königs; siehe dazu P. KAPLONY, Die Rollsiegel des Alten Reiches II, loc. cit.

27 J. VON BECKERATH, s. v. Königsnamen und ─titel, in: LÄ III, Wiesbaden 1979, Sp. 540 ff. 28 Urk. I, 8, 7. 29 J. ASSMANN, Politik zwischen Ritual und Dogma, loc. cit .

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der unerreichbaren Hervorgehobenheit und Überhöhung dem Einzelnen gegen-über verbreitete 30.

Im Handeln des Königs lag aller Sinn für Ägypten und für den Einzelnen. Auf die Person des Königs konzentrierte sich das Leben und Arbeiten der Be-amten und Menschen des Landes in jeder Hinsicht. Die Beamten des Alten Rei-ches verwalteten von der Residenz aus das ganze Land, das Besitz des Königs war, für dessen Wohlergehen der König zuständig war 31. Arbeit, Amtsführung und Handeln formulierten die Beamten zunächst, indem sie sich rühmten, alles zu tun, was der König liebte 32. Der Wille des Königs 33 und das Tun des Beam-ten 34 waren Ma’at (m ct). So z. B. auch in der Autobiographie des Wesirs Ka-gemni aus der Zeit des Teti, gefunden vor seinem Grab nördlich der Tetipyra-mide in Saqqara, wo er spricht:

[„…Oh ihr…! Tut das Re]chte dem König, (4) (denn) das Rechte ist das, was der Gott liebt! Sagt das Rechte dem König, (denn das, was) der König (liebt), ist das Rechte!“

Ma’at war alles, wofür der König sorgte. Ein Ausformulieren vom Inhalt der Ma’at-Ordnung und ihrer Wirksamkeit gab es im Alten Reich noch nicht 35. Man kann lediglich ein verschieden ‚starkes Hervortreten‘ des Begriffes m ct in den autobiographischen Grabinschriften feststellen. Durch die absolute Autorität, die der König war, der alle Ordnung in sich vereinte, gab es auch kein Bedürfnis nach einer textlichen Spezifizierung der Bereiche, aus der die festgelegte Welt-ordnung bestand. Der königliche Totenkult mit der Vorstellung vom Jenseits des Königs wurde im Verlaufe des Alten Reiches zu einer Art von Staatsreligion. Er ist uns aber erst ab dem Ende der 5. Dynastie in schriftlicher Form durch die Py- 30 J. ASSMANN, Politik zwischen Ritual und Dogma, op. cit., 102. 31 W. HELCK, Zur Verwaltung des Mittleren und Neuen Reiches, PÄ 3, Leiden-Köln 1958,

1. Kap., 1. 32 S. a. J. ASSMANN, Ma’at, München 1990, 54, Urk. I, 57; 46 f.; 194; 198 ff. 33 J. ASSMANN, Ma’at, op. cit, 55. 34 Übersetzung und Kommentar nach E. EDEL, Inschriften des Alten Reiches II, Die Biographie

des Kj-gmjnj (Kagemni), op. cit., 212 f. 35 Siehe dazu E. EDEL, Inschriften des Alten Reiches I, Die Biographie des Kj-gmjnj (Kagemni),

op. cit., 222 ff. Den ganzen Ma’at-Komplex in den Biographien betreffend siehe M. LICHT-HEIM, Maat in Egyptian Biographies and Related Studies, OBO 120, Fribourg-Göttingen 1992.

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ramidentexte überliefert. Den Menschen der früheren Zeit war er massiv schon durch die monumentale königliche Grabarchitektur präsent.

Während sich das Individuelle in der ganz frühen Zeit des Alten Reiches zu-nächst vor allem in den Bildern der Mastabas herausbildete, wurde bald darauf die verbale Selbstdarstellung auf verschiedenen Textträgern ─ z. T. auch in Kombination mit dem Bild ─ selbständiges Identitäts─ und Kulturzeugnis der Beamten. Sie kontrastierte die dogmatisierte Selbstdarstellung der Könige durch eine eigene Form von großer inhaltlicher Produktivität und Dynamik.

Die Anfänge der Autobiographieschreibung liegen daher vor allem in der Zuweisung von Grabbauten an Beamte durch den König. Beamte, die im Dienste des Königs für die Verwaltung und den Pyramidenbau dringend gebraucht wur-den, mußten ab der 3. Dynastie in größerer Zahl vom König versorgt und auch materiell belohnt werden 36. Die ideale Belohnung für Beamte im Königsdienst mußte ein Grab sein, denn ihm konnte man sowohl den materiellen als ─ analog zum Königsgrab ─ auch einen ideellen Wert beimessen. So war das Grab ─ be-sonders das in Mastabaform ─ für den Beamten des Alten Reiches Ausdruck mehrerer Dinge:

1. Es bedeutete Belohnung von Leistung und Anerkennung des Beamten durch den König.

2. Es verband die Dauerhaftigkeit des Grabbaus mit der Fortdauer der Per-son 37.

3. Es bedeutete Nähe zum König und Fürsprache, die man sich für die nach-todliche Existenz dadurch erhoffte, daß man sein Grab in der Nähe der kö-niglichen Grabanlage anlegte 38.

4. Es wurde ‚Wohnhaus‘ des Verstorbenen. Es nahm nach seinem Tode den Leichnam auf und sicherte dem Toten Fortbestehen im Diesseits über den Kontakt zu den Nachlebenden. Im Jenseits gab es ihm die ideelle Möglich-keit physischer Fortexistenz 39.

36 W. HELCK, s. v. Versorgung, in: LÄ VI, Wiesbaden 1986, Sp. 1014 ff. 37 E. SCHOTT, Die Biographie des Ka-em-Tenenet, in: J. ASSMANN - E. FEUCHT - R. GRIESHAM-

MER (Hgg.), Fragen an die altägyptische Literatur, Gs OTTO, op. cit., 455. 38 So wie der Hofstaat des Re, den man sich wie den Hofstaat des Königs auf Erden vorstellte,

vgl. H. KEES, Totenglaube und Jenseitsvorstellungen, Leipzig 1926, 81. 39 Der wohl älteste Beleg einer Grabanlage, die die diesseitige Hausform imitiert haben dürfte

und das ‚Wohnen im Grab‘ belegen kann, ist das Königsgrab der Zeit Negade IIIa2 aus Aby-

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5. Es bot die Möglichkeit, in eigenem Interesse dekorierend und schreibend tätig zu werden. Das Grab veranschaulichte die fortdauernde Anwesenheit des Grabinhabers durch Bilder und Texte 40. Identität und Persönlichkeit 41 des Beamten konnten dauerhaft fixiert werden.

6. Durch die Auszeichnung mit dem Grab fand die offizielle Belobigung des Beamten manifesten Ausdruck, und in Bild und Schrift wurde er in den bei-den für ihn dann wichtigsten Lebensbereichen präsentiert: im Amt und im Privatleben.

Die Beamten des Alten Reiches hatten durch die Zuweisung ihrer Gräber, die die Aussicht auf nachtodliche Fortexistenz implizierten, erstmals einen eigenen Sta-tus für sich erworben. Damit verbindet sich die Generierung einer als Gruppe und als Individuum prägnanten Identität, die mit dem Grab einen ersten Präsen-tationsrahmen und ─modus gefunden hatte. Im solidarischen Dasein dieser spe-ziellen gesellschaftlichen Gruppe scheint somit erstmals auch kulturelle Identität auf, die an späterer Stelle zusammenfassend zu beschreiben sein wird. Die ersten ausführlicheren Autobiographien von Beamten, die sich aufgrund ihrer Fähig-keiten und Möglichkeiten selbstbewußt gaben, sind uns ab der 5. Dynastie er-halten. In diesen Texten haben Grabherren im biographischen Kontext erstmals resümierend über ihr Leben geschrieben. Anfänglich nur der Sicherung des To-tenkultes und der Illumination des Königs gewidmet, finden die Autobiographien ab der 5. Dynastie eine neue Wendung. In kurzen persönlichen Stellungnahmen ─ dann nicht mehr vom König als Protagonisten in der 3., sondern von sich selbst in der 1. Person sprechend ─ wird die eigene Charakterfestigkeit betont. So heißt es beispielsweise in der Inschrift des Nianchsachmet:

dos, das noch vor der Zeit des Jrj-Hor mit 12 Kammern verschiedener Größe angelegt worden ist; siehe G. DREYER, Umm el-Qaab I. Das prädynastische Königsgrab U-j und seine frühen Schriftzeugnisse, AV 86, Mainz 1998. Zu Jrj-Hor bzw. ‚Horus-Mund‘ als Lesung des Königs-namens siehe zuletzt W. HELCK, Untersuchungen zur Thinitenzeit, ÄA 45, Wiesbaden 1987, 90 f. Das Wohnen im Grab im privaten Kontext ist als Vorstellung wohl in ältester Form mit den frühen kleinen Mastabas des Talfriedhofes von Tarchan zu belegen, (siehe dazu W. M. F. PETRIE, Tarkhan II, BSAE 26, London 1914, 2 ff., Taf. 12 ff.). Paarweise in ihnen vor-handene Löcher können wohl nur den Zweck gehabt haben, dem Verstorbenen die Opferspei-sen zugänglich zu machen.

40 G. HAENY, s. v. Scheintür, in: LÄ V, Wiesbaden 1983, Sp. 563 ff. 41 J. ASSMANN, s. v. Persönlichkeitsbegriff und ─bewußtsein, loc. cit., DERS., Schrift, Tod und

Identität, op. cit., 73.

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„Möget ihr jeden Gott für Sahure anbeten, der dies für mich gemacht hat. Ich bin sein Versorgter, niemals habe ich etwas Schlechtes gegen einen Menschen getan.“ 42

Hier dürfte im Bezug auf die Formulierung und Entwicklung individueller Iden-tität und die Entwicklung eines soziokulturellen Bewußtseins der Anfang ge-macht sein. Der Entfaltung des biographischen Diskurses war damit der Boden geebnet im Hinblick auf die individuelle sprachliche und inhaltliche Gestaltung der Texte.

1.1.2. Das Selbstbewußtsein der Beamten

Die Beamten des Alten Reiches haben ihre gesellschaftlich angesehene Stellung und ihr Selbstverständnis aus eigener Initiative und Leistung erst erarbeiten, er-denken und durchsetzen müssen. Die Beamten haben schließlich trotz der Domi-nanz des Gott-Königs, über die Forderung nach Anerkennung ihrer Leistung, ih-ren eigenen Lebens─, vor allem aber Grab─ und Jenseitsbereich, sowohl bean-sprucht als auch erhalten. In der Folgezeit verlieh ihnen ihr Amt Macht, die nun nicht mehr ausschließlich vom König ausging 43, wie es die biographischen Texte besonders ab der 5. Dynastie 44 belegen (z. B. Metjen, Ka-em-Tenenet, Methethi).

PETER KAPLONY stellt im Verlaufe seiner Behandlung der Inschriften des Methethi 45 aus der Zeit des Unas, d. h. der ausgehenden 5. Dynastie, die Frage, ob es im Ägypten des Alten Reiches den Gedanken vom Staat als „lebendem

42 Urk. I, 40, 1—3. 43 W. HELCK, Geschichte des Alten Ägypten, in: HdO I. 1, 3, 63 f.; in diesem Sinne nachzulesen

auch bei A. M. GNIRS, Die ägyptische Autobiographie, op. cit., 220—223. 44 So auch W. HELCK, Geschichte des Alten Ägypten, op. cit., 66 f. 45 P. KAPLONY, Studien zum Grab des Methethi, Monographien der Abegg-Stiftung Bern 8, Bern

1976.

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Körper“, dessen „Zentralorgan“ der König war, gegeben hat 46. Die positive Antwort mit einiger Brisanz für das Königtum liegt wohl in der historischen und geistigen Entwicklung der Zeit, und zwar in der Beziehung zwischen König und Beamten begründet:

Mit dem Ende der 4. Dynastie war die Zeit zu Ende gegangen, in der man sich als Beamter und Arbeiter auf die Fürsprache des Königs hat verlassen kön-nen. Es ist wegen des zahlenmäßigen Anwachsens der Beamten und der Vergrö-ßerung der Verwaltung wahrscheinlich, daß die persönliche Bekanntschaft des Königs nicht mehr für alle selbstverständlich zu gewinnen war 47. Bekanntschaft und damit verbundene Versorgung, Belobigung und Belohnung hatten zuvor aber die funktionierende „vertikale Solidarität“ 48 des Königs für seine Beamten impliziert. Im Gegensatz zu Loyalität (dem Respektverhältnis von unten nach oben gerichtet) soll mit „vertikaler Solidarität“ das besondere Versorgungs─ und Belobigungsverhältnis (vom König ─ oben ─ zu seinen Beamten ─ nach unten ─ gerichtet) bezeichnet werden. Fehlte vertikale Solidarität, so mußte vor allem der Glauben an den eigenen Wert der Beamten, der durch Solidarität von seiten des Königs geäußert worden war, verloren gehen.

Etwa gleichzeitig mit dieser Entwicklung vollzog sich im Übergang von der 4. zur 5. Dynastie deutlich eine rasche Entwicklung im privaten Grabbau und in den Autobiographien. Ab dieser Zeit kommen zu Namen und Titeln konkrete Aussagen über Ma’at-Tun und Taten für die Mitmenschen.

Warum mußten oder konnten jetzt solche Texte entstehen?

Bis zur 4. Dynastie war Ma’at der Wille des Königs gewesen. Er war garantiert und fest gewesen. Nach der 4. Dynastie aber war die große Zeit des Pyramiden-baus vorbei. Der Sonnengott Re wurde neben dem König in Sonnenheiligtümern verehrt 49. Beamte begannen in die Provinzen abzuwandern und strengten sich an, sich eigene Bereiche zu schaffen. Sie ließen sich dann auch dort, und nicht mehr in der Residenz, begraben 50. Es ist anzunehmen, daß der König dem Wil- 46 P. KAPLONY, Eine neue Weisheitslehre aus dem Alten Reich. (Die Lehre des Mettj in der alt-

ägyptischen Weisheitsliteratur), in: Or 37, Rom 1968, 1—62, und P. KAPLONY, Eine neue Weisheitslehre aus dem Alten Reich, Zusätze und Nachträge in: Or 37, Rom 1968, 342.

47 P. KAPLONY, Eine neue Weisheitslehre aus dem Alten Reich, Zusätze, op. cit., 342 f. 48 J. ASSMANN, Ma’at, op. cit., 257 f. 49 Siehe dazu W. HELCK, Geschichte des Alten Ägypten, op. cit., 62 ff. 50 W. HELCK, Geschichte des Alten Ägypten, loc. cit.

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len der Beamten mehr als zuvor nachgeben mußte. Ebenso muß man wohl an-nehmen, daß die Beamten im eigenen Interesse die Ma’at für alle eigenen Dienst─ und Lebensbereiche vom König übernahmen, die sie nun selbst organi-sierten. Der König war der Garant der staatstragenden Ordnung. Der Beamte in-tegrierte sich in diese Ordnung und war auf Ma’at angewiesen. Sie wurde nach dem Alten Reich zunehmend fundamentales Prinzip der sozialen Integration 51.

Die Beamten ─ nicht der König ─ mußten nun im Amt und der Lebensfüh-rung ausgleichend wirken. Sie mußten, wenn die soziale und wirtschaftliche Ordnung gehalten werden sollte, durch ihr Handeln die Harmonie zwischen dem politisch-wirtschaftlichen und dem gesellschaftlichen Leben herstellen 52. Das fordert z. B. ausdrücklich die Lehre des Djedefhor. Durch Ma’at konnte die vor-gegebene jsft-Unordnung überwunden werden, was nach dem Ende des Alten Reiches ─ so die Schlußfolgerung ─ nur in der Polarität von König und dem Be-amten geschehen konnte. Denn der König war dann im sozialen Leben passiv, jedoch auch sozial unabhängig. Er war Garant lediglich für das Funktionieren der kosmischen Ordnung und verantwortlich für die Staatsordnung. Die Beam-tenschaft hingegen war der sozial aktive Part, sie war jedoch in ihrer Initiation vom König abhängig. Es oblag den Beamten qua Einsetzung durch den König, die soziale Ordnung durch ihr Tun am Funktionieren zu halten. Die Beamten wa-ren verpflichtet, Ma’at zu tun, indem sie z. B. Zuwendungen an sozial Schwache wie Witwen, Waisen, Arme etc. gaben. Die Erfüllung dieses wesentlichsten kö-niglichen Auftrages an die Beamten wurde anerkannt durch die Ausstattung des Beamten mit materiellem Wohlstand und seinem eigenen Grab.

Damit waren schließlich die wesentlichen Voraussetzungen geschaffen, daß sich zu der vormals allein wirksamen „vertikalen Solidarität“ eine „horizontale Solidarität“ 53 fundamentierte. Horizontale Solidarität als „Glauben des Staates an den Menschen“ und „Glauben des Menschen an den Staat“ beinhaltet wesent-lich die Solidarität, die innergesellschaftlich zwischen nicht-königlichen Perso-nen wirksam wird 54. Sie kommt in den Autobiographien der Beamten als Taten

51 J. ASSMANN, Ma’at, op. cit., 200 f. 52 W. HELCK, Die Lehre des Djedefhor und die Lehre eines Vaters an seinen Sohn, KÄT, Wiesba-

den 1984. 53 J. ASSMANN, Ma’at, op. cit., 257 f. 54 Siehe L. BAECK, Das Wesen des Judentums, Berlin 1905, Nachdruck Wiesbaden o. J., 231—

233 in: J. ASSMANN, Ma’at, op. cit., 249.

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des Beamten für seine Mitmenschen zur Sprache, außerdem in denjenigen bio-graphischen Aussagen, die der Beamte anführt, um die positive Beurteilung der eigenen Aktivitäten für andere zu erlangen. Eine Gesellschaft die (horizontal) solidarisch ist, ist die erstrebenswerteste Gesellschaft überhaupt, denn sie kennt keine Ungleichheit 55. Auf Ägypten bezogen, möchte ich den Begriff jedoch dif-ferenzierter verwenden:

Horizontale Solidarität gibt es im Staat dort, wo Ma’at als die Einheit von kosmischer und sozialer Ordnung erst durchgesetzt wird. Ma’at bedurfte in der ägyptischen Gesellschaft des Königs als Garanten und des Beamten, der die per-sönliche Aktivität aufbrachte, der in seinem Umfeld aktiv wurde, um die von Natur aus gegebene und gesellschaftlich feststellbare Ungleichheit zu mildern. Die einzelnen Taten bringen den innergesellschaftlichen Prozeß, der zur Durch-setzung von Ma’at notwendig ist, in Gang, und sie erhalten ihn aufrecht.

Horizontale Solidarität ist von der Solidarität und persönlichen Bekannt-schaft zwischen Dienstherrn und Beamten zu unterscheiden. Diese ist „vertikale Solidarität“. Der Begriff „vertikale Solidarität“ verweist immer auf die Richtung: von oben nach unten, vom Herrscher zum Untergebenen, auch vom Reichen zum Armen 56. Vertikale Solidarität wurde u. a. auch erklärt als „der Geist des Staa-tes“, der „größeren Respekt vor der Kraft des Gesetzes hat, als vor der Kraft des Menschen“ 57. Das in der ägyptischen Gesellschaft vorhandene Bewußtsein von der Ungleichheit, gleichzeitig mit dem Abscheu vor der Unterdrückung des Menschen, verpflichtete den König und die Beamten Unterdrückung zu mildern. Dies geschah durch die Festschreibung von Ma’at, das Wachen über sie und das Ma’at-Tun der Beamten.

Mit dieser Übernahme von Verantwortlichkeit für das Funktionieren der Ma’at im gesellschaftlichen Kontext durch gut gestellte Beamte, war die Entpri-vilegisierung des Königs eingeleitet, die zum Ende des absoluten Königtums beitrug. Das Verhältnis von König zu Beamten unterstand bis zum Ende des Al-ten Reiches einer strengen Kontrolle durch den König (Zwang zur Loyalität),

55 Dabei möchte ich inhaltlich vor allem auf das Kap. VIII, Ursprung und Krise der Ma’at bei

J. ASSMANN, Ma’at, op. cit., 237 ff., verweisen. Dort wird L. BAECK, Das Wesen des Juden-tums, op. cit., 231—233, auch zitiert mit der Erklärung horizontaler Solidarität: „Das Wort vom Sozialen ist nicht das vom Staate, sondern das vom Bruder.“

56 Siehe dazu J. ASSMANN, Ma’at, op. cit., 237 ff., Kap. VIII, Ursprung und Krise der Ma’at. 57 L. BAECK, Das Wesen des Judentums, loc. cit.

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was dann nicht mehr unbedingt die Belohnung und Versorgung aller sicherge-stellt hat, wie es Ma’at aber erfordert hätte 58. Loyalität ist dabei als die Umkeh-rung der vertikalen Solidarität, nämlich von unten nach oben zu sehen, wobei man hier definieren müßte: man ist sich ─ wenn man loyal handelt ─ bereits der Kraft des Menschen im Bezug auf den Herrscher bewußt. In dem Moment, wo Ma’at nicht mehr alleinige Sache des Königs war, war der König für das Volk nicht mehr oberste Instanz zur Sicherung des Lebens. Er war für den Versor-gungsempfänger insofern nicht notwendig, als ─ wie vielfach von den Gaufür-sten belegt ─ andere lokale Fürsten oder Verwaltungsbeamte Arbeiten und Löhne verteilten und Bittstellungen bearbeiteten. Als solcher konnte der König nur dann der ‚Gott‘ des Einzelnen sein und bleiben, wenn von ihm initial Ma’at ausging und wenn für die Menschen und die Beamten, die sich ihm verpflichtet hatten, das System funktionierte.

Als Schwäche des Königtums des Alten Reiches kann wohl angesehen wer-den, nicht realisiert zu haben, daß Herrschaft nur in einem System der Solidar-gemeinschaft erhalten werden konnte. Wer mit der Masse der Menschen solida-risch handelte, konnte auch herrschen. Taten es die Beamten untereinander und gegenüber den Untergebenen, so war ihnen alte und neue Macht in demselben Maße sicher, wie der König sie abgab, weil er sich nicht aktiv solidarisch zeigte. Die Aufgabe, die fortan und vorerst der König exklusiv für sich behielt, war seine Verpflichtung dem Gott gegenüber als Sohn.

Zusammenfassen läßt sich die Situation der Beamten zum Ende des Alten Reiches wie folgt: Die mächtiger gewordenen Beamten hatten zum Ende des Alten Reiches die Verantwortung für das Funktionieren von Ma’at selbst in die Hand genommen und damit noch mehr an Macht gewonnen. Das Selbstbewußt-sein der Beamten ab dem späten Alten Reich gründete sich wesentlich auf eige-nes Tun, Eigenverantwortung, und selbstinitiierten Erfolg. Dieser entsprang nicht nur ihrer beruflichen Betätigung, sondern auch der Fürsorge für Mitmenschen, denen man selbst gemäß Ma’at als Versorger diente. Mit der Erfahrung eines schwachen Königtums machte man am Ende des Alten Reiches und in der 1. Zwischenzeit die Erfahrung, daß auch andere Autoritäten als der König solche

58 Siehe P. KAPLONY, Eine neue Weisheitslehre aus dem Alten Reich, op. cit., 34.

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Fürsorge übernehmen konnten 59. So trat neben die Loyalität der Beamten zum König im gesellschaftlichen und persönlichen Handlungskontext, den man sich durch eigene Initiative erwerben und ausbauen konnte, die Solidarität unterein-ander (horizontal) hinzu.

Im Zusammenhang mit dieser Entwicklung darf sicherlich die Entstehung der loyalistischen Lehren gesehen werden. Sie liegt wohl in der Zeit des ausge-henden Alten Reiches 60. Sie kommen von höchster Stelle und werben um das Volk. Die erste Autoritätskrise des ägyptischen Königtums durch die nun man-gelhaft zu vermittelnde Fürsorge des Königs für alle und seine graduelle Entpri-vilegierung durch Beamte dürfte hier eine wesentliche Rolle gespielt haben. Mit der Bewilligung von Privilegien an den Stand der Beamten und dem Aufbau der Administration war das Königtum relativ weit gegangen: man konnte nicht wie-der zurücknehmen, was einmal als status quo galt. Das Ideal der Loyalität hatte zur Zeit der noch jungen (sozialen) Geschichte Ägyptens ganz deutlich „die per-sönliche Verantwortung des Einzelnen, einschließlich der des Königs, überfor-dert“ 61.

Das Beamtentum hat nach meiner Ansicht zum Ende des Alten Reiches das Königtum als ‚kranken Körper‘ aufgeben müssen, um dafür die wichtigere in-nergesellschaftliche Solidarität zu erhalten. Den Zusammenbruch des Alten Rei-ches sollte man auf der sozialen Ebene primär mit dem neuen Einfluß und der neuen Selbständigkeit der Beamten in Verbindung bringen. Die Beamten über-nahmen die Verantwortung für die innergesellschaftliche Solidarität ohne den König 62. In diesem Sinne haben sich mit KAPLONY die Beamten als außeror-dentlich selbständige, ‚lebende Glieder‘ verstanden. Nicht aber hat man die zwingende Verbindung dieser Glieder zu einem nicht in gleicher Weise aktiven und solidarischen Zentralorgan gesehen, wie es die Könige der 5. und 6. Dyna-stie wohl waren. Die Zusammenarbeit der Partner König und Beamte hat solange funktionieren können, wie beide Partner ihre Aktivitäten miteinander verbunden sahen und sie ohne Autoritätsverlust auch flexibel delegieren konnten. Das Ausscheiden des Königs als Partner auf der sozialen Ebene löste weder die

59 Auch für die Armen; so J. ASSMANN, Ma’at, op. cit., 103. 60 P. KAPLONY, Eine neue Weisheitslehre aus dem Alten Reich, Zusätze, op. cit., 342 f. 61 P. KAPLONY, Eine neue Weisheitslehre aus dem Alten Reich, Zusätze, op. cit., 343. 62 J. ASSMANN, Ma’at, op. cit., 97 ff.

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politischen, noch die sozialen Probleme des Staates, es gab den Beamten jedoch auch die Gelegenheit, im Rahmen ihrer jeweiligen individuellen Möglichkeiten die Sozialstrukturen, einschließlich der eigenen Einflußbereiche, den ge-sellschaftlichen Vorgaben und Bedürfnissen anzupassen. Diese Adaptionen, auch Versuche in dieser Richtung, vollzogen sich überall im Land in der 1. Zwischenzeit. Sie mündeten schließlich in die neue Form des Königtums des Mittleren Reiches, wieder zentralisiert und alle sozialen Bereiche umfassend.

1.2. Die Beamten der ersten Zwischenzeit und des Mittleren Reiches

In den autobiographischen Texten der 1. Zwischenzeit (7.—10. Dynastie) ist von Ma’at nicht die Rede 63. Der Grund liegt auf der Hand: Das Tun von Ma’at hat im Alten Reich Solidarität als Ausgleich sozialer Ungleichheit bedeutet. In der-jenigen Literatur, die Ma’at als Hauptthema erkennen läßt, weisen viele Aussa-gen darauf hin, daß es vor allem gut war, für solche Leute zu handeln, die in schwächerer sozialer Position waren. Damit war verschiedener gesellschaftlicher Status offiziell fixiert. Ma’at war zunächst vom König ausgegangen. Der König hatte durch Besitz und Macht Verantwortung und Sorgepflicht für niedriger Ge-stellte getragen 64. Weil Ma’at der Wille des Königs gewesen war 65, konnte es sie in der alten Form nicht mehr geben, sobald lokale Machthaber eine zentrale Herrschaft ersetzten. Die Könige der 1. Zwischenzeit teilten Ma’at mit mehreren Gaufürsten, so daß es neben ihrer Ma’at auch noch die Ma’at der Gaufürsten

63 J. ASSMANN, Ma’at, op. cit., 55 f. Die beiden bei J. JANSSEN angeführten Textstücke aus den

Hatnub-Graffiti sind nach meiner Belegdurchsicht die einzigen Ma’at-Belege aus dem frühen Mittleren Reich. Siehe J. JANSSEN, De traditioneele egyptische Autobiografie voor het Nieuwe Rijk, Leiden 1946, 42, Abt. F, Nr. 39 und 40. Im Prinzip muß man wohl einer Datierung der Hatnub─ und Berscheh-Texte in das Ende der 11. bzw. den Beginn der 12. Dynastie zustim-men, wie ihn H. O. WILLEMS, The Nomarchs of the Hare Nome and Early Middle Kingdom Hi-story, in: JEOL 28, Leiden 1983—1984, 80—102, erschloß. Meine Aussage gründet sich auf die Gegenüberstellung von lediglich zwei einem Herkunftsort zuzuschreibenden Belegen und eine Vielzahl von anderen Aussagen, die man offenbar sehr geschätzt hat, in denen es in der 1. Zwischenzeit und im frühen Mittleren Reich besonders um Versorgung und materielle Zu-wendungen geht. Siehe dazu beispielsweise J. JANSSEN, op. cit., 43, Abt. F, Nr. 59, 68, 69, 70, 75, u. a. m.

64 J. ASSMANN, Ma’at, op. cit., 102 f. 65 J. ASSMANN, Ma’at, op. cit., 56.

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gab. In der ‚geteilten Ma’at‘ und Macht der Gaufürsten der 1. Zwischenzeit lag für das Königtum des auf die 1. Zwischenzeit folgenden Mittleren Reiches ‚Chaos‘, das es dann gezielt topisch beschrieb 66.

Chaos bedeutet hier die Abkehr von der ursprünglich durch das Dogma ge-regelten Ordnung. Aus ihr hatte sich wenigstens ein entscheidender Teil, der so-ziale, herausgelöst und lag nun nicht mehr beim König, sondern bei lokal ein-flußreichen Beamten und Gaufürsten, die sich für ihr Gebiet zuständig fühlten. Den Autoren von Autobiographien ist vor allem die Selbstüberhöhung aus eige-ner Initiative zuzuschreiben. Ebenso ist Stolz auf die eigene Person und Leistung üblich und Selbstherrlichkeit in der Darstellung, z. B. des Erwerbes von Verdien-sten und Eigentum aus eigener Kraft. Im Gegensatz dazu war früher alles Gut vom König übereignet worden. Die Perspektive, aus der Chaos erkannt und in den Klagen und Lehren erstmals beschrieben wird, ist die des ägyptischen Kö-nigtums des Mittleren Reiches, von dem die Ma’at ausgeht und das sich allein befugt sah, göttliche Ordnung aufrechtzuerhalten und zu interpretieren 67. ‚Ge-teilte Macht‘, wie sie aus der 1. Zwischenzeit bekannt war, dürfte sich demnach den zentralistisch regierenden und denkenden Königen des Mittlern Reiches zur Beschreibung als ‚Chaos‘ unbedingt angeboten haben. Der Gegenbegriff zu Ma’at ist jsft oder grg 68. Sie zu überwinden, war Aufgabe des Königs. Die ge-rechte Ordnung mußte die natürliche Unordnung der Welt durchdringen, wozu der König des Mittleren Reiches für den Einzelnen die Vorgaben lieferte 69. Für das Volk muß Chaos dann auch hauptsächlich aus den Auswirkungen politischen Handelns bzw. naturbedingter Unordnung bestanden haben, die da sein konnten: Mißwirtschaft, Mißernte und Bürgerkrieg, woraus sich Hunger, Armut und so-ziale Ungerechtigkeit ergaben.

Ab der 5. Dynastie hatten sich die Beamten in einer Art von Rückzug auf sich selbst befunden und alles, was vormals Ma’at des Königs gewesen war, ent-

66 D. B. REDFORD, Pharaonic King-Lists, Annals and Day-Books. A Contribution to the Study of

the Egyptian Sense of History, SSEA Publication IV, Mississauga 1986, 259 ff. 67 So J. ASSMANN, Vergeltung und Erinnerung, in: FS WESTENDORF, Bd. 2, Göttingen 1984,

697 f., zudem auch E. MARTIN-PARDEY, s. v. Zwischenzeit, Erste, in: LÄ VI, Wiesbaden 1986, Sp. 1437 ff.

68 Zu den Unrechtsbegriffen siehe auch R. GRIESHAMMER, Das Jenseitsgericht in den Sargtexten, ÄA 20, Wiesbaden 1970, bes. Kap. I.

69 Siehe dazu J. ASSMANN, Ma’at, op. cit., 200 f.; ferner H. H. SCHMID, Gerechtigkeit als Weltord-nung, in: G. EBELING (Hg.), Beiträge zur historischen Theologie 40, Tübingen 1968, 53 ff.

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faltete sich nun in ihrem persönlichen Bereich. Gab es in der Feudalzeit einen Gaufürsten, dem der Beamte zu Diensten war, oder war ein Beamter selbst zum Gaufürsten aufgestiegen, so wurde Ma’at vorübergehend dessen Wille und des-sen Handeln. Das Selbstverständnis der Gaufürsten war, verglichen mit dem von Beamten der Pyramidenzeit, außerordentlich hoch. Ein Anchtifi hat sich mit un-angefochtenem Selbstbewußtsein als „Anfang und Ende der Menschen“ 70 be-zeichnen können, weil er für seine ihm Unterstellten tatsächlich Schutzherr (nb rmtw, nb sh r, nb qd, nb h ps ) und Arbeitgeber (beispielsweise: nb h bsw, nb jt, nb snd w, nb kw, nb t, nb h t, nb jz, nb qrs) war 71. Er war „Hirte“ 72, wobei die Bezeichnung mnjw im beschriebenen Zusammenhang in einer auf den Be-amten übertragenen Bedeutung gebraucht wird. Sie gewinnt ihre übertragene Bedeutung durch die konkrete Herleitung aus den Aufgaben des Hirten für seine Herde. Auf der Seite des Hirten liegt die Aufgabe zu beschützen. Die ‚Herde‘ hat dagegen den Anspruch beschützt zu werden und sich dem Willen und den Fä-higkeiten des Beschützers zu unterwerfen. Die Ägypter wendeten den Begriff „Hirte“ zuerst auf Gott und den König an, was überdenkenswert ist, weil in der Bezeichnung „Hirte“ zumindest auch der für den biographischen Kontext eine große Rolle spielende, soziale Anspruch an den König als Versorger von Beam-ten zum einen und als Wohltäter für schlechtergestellte Leute impliziert ist 73. Über diese, von denen wir bestenfalls durch ‚Bildstelen‘ bzw. durch ihre Bestat-tungen in den Provinzfriedhöfen informiert sind, wissen wir nicht viel. Als einfa-che Landarbeiter haben sie zu den Themen der Höhergestellten keinen Zugang gehabt.

70 Anchtifi von Mo’alla; siehe W. SCHENKEL, Memphis ─ Herakleopolis ─ Theben (MHT), ÄA 12,

Wiesbaden 1965, Nr. 37. 71 Die Belege sind u. a. bei J. JANSSEN, De traditioneele egyptische Autobiografie voor het

Nieuwe Rijk, op. cit., 140—143, Abt. Ac zu finden. 72 Siehe dazu W. HELCK, s. v. Hirt, in: LÄ II, Wiesbaden 1977, Sp. 1220 ff., und D. MÜLLER, Der

gute Hirte, in: ZÄS 86, Berlin-Leipzig 1961, 126—144. Die Belege für mnj sind hier J. JANSSEN, De traditioneele egyptische Autobiografie voor het Nieuwe Rijk, op. cit., 139, u. a.: Nr. V1, 11. Dynastie, Kairo CG 20503, jnk mnjw n mrwt-f ─ „ich bin ein Hirte wegen seiner Beliebtheit“, was man wohl im Sinne von gesellschaftlichem Ansehen verstehen darf ─ wie auch immer zustandegekommen; V2 und V3, mnjw cswt, „ein Hirte von Vielen“ ─ Belege aus der 12. und 13. Dynastie, wo sich Beamte bedingt durch anderen gesellschaftlichen Kontext in anderer Form und zu anderen Themen äußern. Siehe dazu im folgenden, Kap. 1.2.3.: „Der eta-blierte Beamte“, und „Beredter Bauer“ 177, „du bist ein Hirte…“, zitiert bei W. HELCK, s. v. Hirt, op. cit., Sp. 1220 ff.

73 Siehe W. HELCK, Altägyptische Wirtschaftsgeschichte, in: HdO I. 1, 5, 41 ff.

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1.2.1. Der Beamte in eigener Verantwortung (Erste Zwischenzeit)

Die Zeit mit vielen voneinander unabhängigen Zentren war die Zeit, in der Be-amte im wesentlichen als Bauern, somit Selbstversorger oder als Versorger von anderen auftraten, sofern sie in der Position von Gaufürsten oder lokalen Herren waren. Die einzelnen Gauverwaltungen funktionierten jeweils nach dem Willen ihres Stärksten ─ des Gaufürsten, dem man sich nach Bedarf und Nutzen unter-geordnet hat. Eine Selbständigkeit und Autonomie ist auf der Beamten─ bzw. Gauherrenebene konsequent weitergeführt worden.

Lange Zeit ist als historische Tatsache 74 akzeptiert worden, daß es in Ägypten während der 1. Zwischenzeit landesweite Hungersnot, Chaos und Ver-wüstung gegeben habe 75. Aufgrund der Selbstzeugnisse der Beamten ist es an-gezeigt, sich den neueren Auffassungen anzuschließen, die ausreichend belegen, daß es Mißstände in dieser Form nicht gegeben hat 76. Statt dessen ist aus dem Vorhandensein lokaler Versorgungsschwierigkeiten literarisch der Topos ‚Hun-ger‘ entstanden, der sich im Diskurs der Autobiographien als „Gedächtnis und Fortdauer“ eingefügt hat. Es ist wahrscheinlich, daß das Thema ‚Versorgung‘ mit den damit verbundenen organisatorischen, politischen und sozialen Konse-quenzen die Menschen nach dem Ende der Zentralstaatlichkeit des Alten Reiches besonders betroffen und beschäftigt hat. So findet man in der 1. Zwischenzeit Aussagen des Tenors, einer habe andere vor Hunger bewahrt, sei also ein guter Versorger von anderen, vor allem in den Autobiographien der Gaufürsten und Beamten. Man wird jedoch, wenn man die Texte beim Wort nimmt und die 1. Zwischenzeit als Zeit von ‚Hungersnot‘ behandelt, weder den archäologischen Erkenntnissen, noch dem Textbestand gerecht. Armut als mögliche Manifesta-tion von gesellschaftlichen Mißständen, Hunger inbegriffen, ist den Grabbeiga-ben zufolge, wie es sich aus Befunden von Bestattungen der 1. Zwischenzeit er-

74 So z. B. drastisch D. O’CONNOR, A Regional Population in Egypt to ca. 400 B. C., in:

B. SPOONER (Hg.), Population Growth, Cambridge-Massachusetts 1972, 78 ff. 75 Z. B. H. H. SCHMID, Wesen und Geschichte der Weisheit, Berlin 1966, 46 ff. 76 Dazu ausführlich ST. SEIDLMAYER, Wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung im

Übergang vom Alten zum Mittleren Reich, in: J. ASSMANN - G. BURKARD - V. DAVIES (Hgg.), Problems and Priorities in Egyptian Archaeology, Studies in Egyptology, London-New York 1987, 175—217.

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gibt, nicht nachzuweisen 77. Man darf in diesem Zusammenhang weder die Bio-graphien, noch die Lehren oder Klagen, die sich durch den königlichen Diskurs von diesen auch stark unterscheiden, heranziehen, um historische Wahrheit aus ihnen herauszulesen. Es ist primär der Diskurs, der die Biographieschreibung konstituierte und er war immer zuerst Fortdauer und Gedächtnis verpflichtet. Der verbalen und literarischen Ausführung des Diskurses ordneten sich zeitgemäße Topoi unter, die natürlich besonders ausgewählt sein und im Idealfall dem Dis-kurs besonderen Nachdruck verleihen konnten 78. Es ist zu berücksichtigen, daß es neben den Interessen der lokal tätigen Beamten und Gaufürsten auch die der-jenigen gab, die wieder eine politische Zusammenführung anstrebten. Hier verei-nigten sich vor allem die Topoi Herrschaft und Versorgung, für die ein reicher Diskurs in einer variationsreichen historischen Wirklichkeit erschlossen wurde. In diesem Kontext, in dieser Zeit und in der Folgezeit werden in gleicher Inten-tion, mit stärkerer politischer Bedeutung, die Klagen und die Lehren verfaßt. Auch sie thematisieren ‚Hunger‘. In der Lehre für Merikare heißt es:

nfr.w n-k h n c c.w rsj jww n-k h r g.wt h r jnj.w jw jr n-j mj.tt n tpj.w- c.w nn jt-f dj-j sw jm n-k gnn[w]-sn n-k sj.w.tw m t-k h nk.t-f

„Sei freundlich zum Südteil, der mit Steuern und Abgaben zu dir kommt. Ich handelte gleich den Vorfahren: Hatte er (der Südteil) kein Getreide, so gab ich es.

77 ST. SEIDLMAYER, Wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung im Übergang vom Alten

zum Mittleren Reich, loc. cit. 78 Neben der erwähnten fundierten Analyse ST. SEIDLMAYERs sei hier besonders hingewiesen auf

die Ausführungen von D. FRANKE, Erste und zweite Zwischenzeit ─ Ein Vergleich, in: ZÄS 117, Berlin 1990, 119—129, die Überlegungen von L. MORENZ, Hungersnöte in der Ersten Zwischenzeit zwischen Topos und Realität, in: DE 42, Oxford 1998, 82—97, sowie auf die Ar-beit von J. C. MORENO GARCIA, Études sur l’administration, le pouvoir et l’idéologie en Égypte, de l’Ancien au Moyen Empire, Aegyptiaca Leodiensia 4, Lüttich 1997.

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Sei nett, weil sie dir gegenüber schwach sind und man sich an deinem Brot und Bier sättigt.“ 79

In geschickter Rhetorik ging es für die Autoren darum, zu unterstreichen, daß nur solche Autorität von qualitativer Dauer sein konnte, die die sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse erkannte und sie bediente. Leistungen in diesem sozialen Bereich wurden uneingeschränkt auf eine Person bezogen, gefeiert und im Text verewigt 80. In der 1. Zwischenzeit ist es wahrscheinlich zu Naturereig-nissen, die zu Versorgungsschwierigkeiten geführt haben dürften, und auch zu regionalen Kampfhandlungen gekommen und diese haben natürlich auch wirt-schaftliche und soziale Notlagen geschaffen. So kann man in den Autobiogra-phien auch Berichte über militärische Aktionen lesen, zusammen mit Berichten, daß es soziale Bedürftigkeit, aber auch Hilfe gab. Gaufürsten und Potentaten wa-ren gefordert, sich um die Mißstände in ihrer nächsten sozialen Umgebung zu kümmern und bezeugen dies in ihren Autobiographien 81.

Ich möchte zusammenfassen: Durch den Topos ‚Hunger‘ gelang es in der 1. Zwi-schenzeit, die Selbstpräsentation der Gaufürsten und Gaubeamten auf eine neue, den Einzelnen interessierende Ebene zu heben. Sie scheint dem intellektuellen Niveau der Zeit genau zu entsprechen, wenn man der These zustimmt, daß der Topos von den Lebensumständen derjenigen Menschen, die dem Gaufürsten unterstellt waren, abstrahiert. Dies geschah nicht, um eine politische Realität zu beschreiben, sondern um die persönlichen Interessen der Gaufürsten nach eige-ner Macht und Autonomie zu befriedigen, die Identitätspräsentation mit neuen aktuellen Elementen zu füllen und im Hinblick auf größtmögliche Autonomie voranzubringen. Die Bedeutung des Beamten als Autoritätsperson lag in seinem Auftreten als Autorität, als Helfer, Versorger und Retter im sozialen Bereich. Er mußte sich gesellschaftlich bewähren und konnte sich damit eine historische, der Epoche gemäße eigene Identität geben, die sich deutlich von der Existenz und den Aufgaben der Vorfahren abhob.

79 Übersetzung nach W. HELCK, Die Lehre für König Merikare, KÄT, Wiesbaden 1977, 46 f.

HELCK emendiert das Suffix-f zu Suffix-j. 80 D. B. REDFORD, Pharaonic King-Lists, op. cit., 259 ff. 81 Zu Inschriften kriegerischen Inhalts, teilweise mit Berücksichtigung sozialer Not, siehe auch

MHT § 39, § 49 ff., § 60, § 64, § 69, § 72, § 75, § 78, § 116 und § 83, § 177, § 225.

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Der neue Diskurs der autobiographischen Texte in den Gräbern der Gaufür-sten läßt sich in engem Zusammenhang mit dem Persönlichkeitsbegriff definie-ren 82. Dabei ist es angebracht, den Gegensatz zum Selbstverständnis der Beam-ten des späten Alten Reiches hervorzuheben und den Diskurs der Autobiogra-phien der 1. Zwischenzeit zu charakterisieren als: „Jeder ein Phoenix“ 83, was hervorheben soll, daß das Gedächtnis der Beamten und Gaufürsten aus der re-naissanceartigen Selbstherrlichkeit des Gaufürsten oder Beamten hervorging 84. Der Verlust hoher Autorität eines Königs, der Verlust von persönlicher Sicher-heit, veranlaßte die Beamten, selbst als Autoritäten zu agieren und selbst für so-ziale Sicherheit zu sorgen. „Und außer ihm selbst gibt es keinen anderen, der ihm gleiches tut.“ Diese Überlegung wird ─ phraseologisch in dieser Zeit auf-kommend ─ für das Mittlere Reich bereits und darüber hinaus fixiert:

mjtj w c jm-sn „ein Gleicher, Einzigartiger unter ihnen,“ 85 und: jwtj mjtj-f „ohne seinesgleichen.“ 86

Die Beamten steigen aus der wenig eigenständig handelnden Beamtenschaft des Alten Reiches auf und übernehmen Funktionen des Königs, die zuvor in der Ma’at des Königs begründet gewesen waren. Ma’at in der 1. Zwischenzeit ging vor allem von den Gaufürsten aus, aber auch von Beamten, wodurch die innerge-sellschaftliche ─ „horizontale“ ─ Solidarität deutlich neu hervortritt. Die Haupt-aussage zu der Stellung der Gaubeamten in der 1. Zwischenzeit möchte ich fol-genderweise beschreiben:

82 J. ASSMANN, s. v. Persönlichkeitsbegriff und ─bewußtsein, loc. cit. 83 M. BOTTRALL, Every Man a Phoenix. Studies in Seventeenth Century Autobiography, London

1958. 84 J. ASSMANN, Schrift, Tod und Identität, op. cit., 82. 85 BM 96, übersetzt in: W. SCHENKEL, MHT, op. cit., Nr. 497, Zeit: späte 11. Dynastie. 86 In: HTBM 96, Bd. I, Taf. 47, Zeit: 11. Dynastie; W. SCHENKEL, MHT, op. cit., Nr. 378, Zeit:

Mentuhoteps III.; usw. Vgl. auch J. ASSMANN, When Justice fails: Jurisdiction and Impreca-tion in Ancient Egypt and the Near East, in: JEA 78, London 1992, 152.

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1. Ihre Autobiographien bezeugen die Festigung des Diskurses der Biogra-phien: Fortdauer und Gedächtnis.

Der Diskurs unterscheidet sich von dem des Alten Reichs dadurch, daß sich Individuen, bedingt durch die sozialen oder wirtschaftlichen Betätigungen der Gaufürsten, als Autoritäten anstelle eines Königs darstellen lassen kön-nen.

2. Der neue Topos ‚Hunger‘ dient der Hervorhebung der Taten von Individuen und der Erfüllung ihrer Aufgaben als Versorger. Ein historischer Sachver-halt ‚Hunger‘ kann archäologisch nicht nachgewiesen werden.

3. Selbstherrlichkeit mancher Gaufürsten führte dazu, daß in der 1. Zwischenzeit von existentieller Bedrohung geschrieben wurde, jedoch nur, um die eigene übersteigerte Selbstpräsentation zu legitimieren, z. B. auch in der Phrase: sps h cw ntrj m: „mit herrlichem Leib, göttlich anzu-sehen“ 87.

4. Die Folge war, daß sich in der 1. Zwischenzeit die Phraseologie z. T. be-zeichnend verändert hat: Ma’at im Alten Reich hatte die Funktion der tra-genden Ideologie. Man findet Formeln wie:

„Ich sagte die Ma’at, ich tat die Ma’at“ und: „denn die Ma’at ist, was Gott (oder der König) liebt.“ 88

In der 1. Zwischenzeit jedoch findet man persönliche Bezeugungen, die auf umfassende innergesellschaftliche Solidarität hinweisen, ohne jedoch den Begriff Ma’at zu verwenden 89.

Die autobiographischen Texte sind mit Aussagen zu Initiative und Charakter 90 des Beamten ausgefüllt, was zur Vorlage für die endgültige Formulierung der Maximen von Ma’at im Mittleren Reich wurde. Aus der 1. Zwischenzeit findet man z. B. Aussagen wie 91:

87 CG 20543 a 4, Zeit: 1. Zwischenzeit. 88 Urk. I, 57; 46 f.; 194; 198 ff. 89 J. ASSMANN, Ma’at, op. cit., 51 ff. 90 J. ASSMANN, Schrift, Tod und Identität, op. cit., 80 f. 91 W. SCHENKEL, MHT, op. cit., Nr. 20, 28, 34, 37 (Anchtifi).

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jnk sm h qr nn h t-f w d rt n nd sw

„ich bin einer, der für den Hungrigen, den ohne Habe, sorgt, der dem Geringen die Hand entgegenstreckt.“

jnk rh n ntj n rh -f sb z jh tjsj n-f jnk mtr nt pr nswt

„ich bin ein Wissender für den, der nicht weiß, der einen Mann das für ihn Nützliche lehrt. Ich bin ein Zuverlässiger des Königshauses…“ 92

Zum Thema Freundlichkeit ( h d h r), zur Nützlichkeit (h .t), zur Großzügigkeit, dem Hungernden zu essen und zu trinken geben, dem Nackten Kleider, dominie-ren in der 1. Zwischenzeit solche Phrasen, die soziale Initiative bezeugen; im Mittleren Reich wurden sie dann feste Formeln. Die Aussagen zur Hilfe des Be-amten für Arme und Schlechtergestellte haben im Mittleren Reich eine etwas an-dere Gewichtung bekommen, denn sie werden mehr in das Repertoire der die Autobiographie ausschmückenden Aussagen aufgenommen, während ihr Kern sich dem Berufsleben und der Ausführung von Ma’at zuwendet.

1.2.2. Der ‚intellektuelle‘ Beamte (11. und Anfang 12. Dynastie)

Die Beurteilung der Situation der Beamten des frühen Mittleren Reiches 93 ist insofern nicht ganz einfach, als die Übergänge zwischen 10. und 11. Dynastie, aber auch zwischen 11. und 12. Dynastie undeutlich sind. Mit dem Sieg der The-baner endet die Herakleopoliten-Zeit, und die Dynastie der Thebaner einigt Ägypten und beginnt das Land neu zu organisieren und zu beherrschen. Ab die-ser Zeit kann man von einer innenpolitischen Veränderung ausgehen, die zu-

92 Aus: Stele des Antef, HTBM 197 {581}, wohl aus der Zeit Sesostris’ I., Bd. II, Taf. 23, A. 93 Siehe dazu G. POSENER, Littérature et Politique de l`Égypte de la XIIe dynastie, Paris 1956.

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nächst schwach ist, dann aber deutlich neue Phraseologie, neue Texte und Inhalte hervorbringt 94. Als frühes Mittleres Reich soll dieser Zeitabschnitt bezeichnet werden, der von der 11. bis in die 12. Dynastie, die Zeit Amenemhets I., hinein-reicht. Er soll mit dem Titel ‚der intellektuelle Beamte‘ charakterisiert und als ‚Aufbauzeit‘ separat behandelt werden. Beamte sind dabei solche Mitglieder der ägyptischen Gesellschaft, die vom König nach ihren besonderen Fähigkeiten oder ihrer Herkunft mit Befehlsgewalt ausgestattet und mit bestimmten Aufga-ben in verschiedenen Funktionsbereichen (z. B. in der Verwaltung als Schreiber oder im Tempel als Priester) betraut worden sind 95.

Zwei Überlegungen sollen vorangestellt werden: 1. Beamte gingen aus dem lokal von den Gaufürsten organisierten Versor-

gungssystem der 1. Zwischenzeit hervor und befanden sich in einem gesell-schaftlichen Kontext, der sozial, wirtschaftlich und politisch neu organisiert werden mußte.

2. Beamte mußten für das neue zentrale Staats─ und Gesellschaftssystem des Mittleren Reiches gewonnen werden, denn sie wurden dringend gebraucht, wie das Beispiel der Handwerker von Herakleopolis belegt, die nach dem Sieg der Thebaner als Fachleute nach Theben geholt wurden 96.

Vom Alten Reich und der 1. Zwischenzeit unterschieden die Beamten jetzt: a) Im Alten Reich: Dienstherr der Beamten war der König. Lenker ih-

rer Lebensführung war auch der König. b) In der 1. Zwischenzeit: Dienstherr war ein Gaufürst. Soweit die Be-

amten sich selbst sozial für andere betätigen konnten, waren sie für ihr Ergehen im Leben selbst zuständig.

3. Im Mittleren Reich: Dienstherr der Beamten war der König, verantwortli-cher Lenker ihrer Lebensführung waren sie selber.

94 Dies betont W. SCHENKEL, MHT, op. cit., 1 ff. Ich möchte mich bei der Zeiteinteilung an die

bekannte Zeitrechnung im Lexikon der Ägyptologie halten; siehe J. VON BECKERATH, s. v. Kö-nigsnamen und ─titel, loc. cit.

95 Dazu W. HELCK, s. v. Beamtentum, in: LÄ I, Wiesbaden 1975, Sp. 672 ff. 96 Diesen Hinweis verdanke ich P. KAPLONY. Siehe hierzu P. KAPLONY, Die Handwerker als

Kulturträger Altägyptens, in: Asiatische Studien 20, Bern 1966, 116 und Anm. 42.

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In initialer ‚sozialer Schöpfung‘ entband der Reichseiniger Mentuhotep die Be-amten von ihrer Versorgungsabhängigkeit von einem Gaufürsten, und gab ihnen Selbständigkeit in ihren Ämtern. Er „machte“ ( jrj, sh pr) 97 oder „erwählte“ (stp) 98 sie.

Auf breitester gesellschaftlicher Ebene verband sich mit dem Amt für Be-amte wieder die Möglichkeit, sich nicht nur Wohlstand und ein Grab, sondern auch einen (angesehenen) Namen zu erarbeiten. Dies war für Leute aus dem Volk unter der Herrschaft der Gaufürsten weder möglich noch nötig gewesen. Jetzt wird die „Denkmalhaftigkeit“ (mnw) der Leistung der Beamten in neuen Begriffen wie „Tugend“ (nfrw) und „guter Charakter“ (qd nfr, bj nfr) und in einer Verinnerlichung von Werten, die ihren Sitz im Herzen ( jb) haben, be-tont 99. Bewertung von Leistung setzte jetzt nicht mehr nur die Selbstpräsenta-tion nach außen voraus, wie beispielsweise in einer Grabanlage möglich, sondern auch die Wertschätzung der Beamten ─ zu denen nun auch die ehemaligen Gau-fürsten gehörten ─ durch den König und Mitmenschen. Die positive Formulie-rung dieser Wertschätzung und Bewertung von Taten oblag den Beamten nun weitestgehend selbst, denn sie konnten jetzt das Abfassen und den Inhalt ihrer Autobiographien selbst organisieren.

Die Verwaltung war, wie man aus allen historischen Quellen schließen kann, mit der 12. Dynastie ─ der Zeit Sesostris’ I. ─ installiert. Die Beamten wa-ren in ihre Aufgaben eingeführt. Sie waren sich sowohl ihrer Bildung, als auch

97 Z. B. CG 20539 I b 4: „(einer,) dessen Obhut dieses Land anvertraut ist, wie es der Gott (=

König) befiehlt, der ihn schuf“(= Wesir Mentuhotep), Zeit: Sesostris’ I.; W. C. HAYES, Career of the Great Steward Henenu under Nebhepetre Mentuhotpe, in: JEA 35, London 1949, 43—49, Taf. 4, hier: New York 26.3. 217/3: „er machte mich (Gütervorsteher Henenu) zu seinem Kammerherrn, zu seinem Diener seines Wunsches“, Zeit: Mentuhotep Nebhepetre.

98 J. COUYAT - P. MONTET, Les inscriptions hiéroglyphiques et hiératiques du Ouadi Hammamat, Kairo 1912, hier: Hammamat 113,10: „er wählte mich (Wesir Amenemhet) aus vor seiner Stadt, indem ich geehrt wurde vor seinem Hofstaat“, Zeit: Mentuhotep Nebtauire; A. H. GARDINER, Notes on the story of Sinuhe, Paris 1916, hier: Sinuhe B 309: „nicht gibt es einen Armen, dem Gleiches getan worden wäre“, Zeit: Sesostris’ I.

99 J. ASSMANN, Gibt es eine „Klassik“ in der Ägyptischen Literaturgeschichte? Ein Beitrag zur Geistesgeschichte der Ramessidenzeit, in: XXII. Deutscher Orientalistentag, ZDMG Suppl. VI, Leipzig-Wiesbaden 1985, 35—52; sowie DERS., Zur Geschichte des Herzens im Alten Ägypten, in: J. ASSMANN - TH. SUNDERMEIER (Hgg.), Studien zum Verstehen fremder Religionen 6, Die Erfindung des inneren Menschen, Studien zur religiösen Anthropologie, Gütersloh 1993, 95—106, und: H. BRUNNER, Das hörende Herz, in: ThLZ 79, Leipzig-Berlin 1954, Sp. 697—700, Neudruck in: W. RÖLLIG (Hg.), Das hörende Herz. Kleine Schriften zur Religions─ und Gei-stesgeschichte Ägyptens, OBO 80, Fribourg-Göttingen 1988, 3—11 und 23—41.

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ihres Standes und damit ihrer Möglichkeiten bewußt. Das Mittlere Reich darf zu dieser Zeit wohl als politisch stabil betrachtet werden.

Um Stabilität zu erhalten, verfaßten Autoren im Auftrage des Königs be-sonders solche Literatur, die Maximen aufstellte. Sie wurde Vorgabe des Lebens und der Bildung der Beamten. Ihnen sind die Lehren, Hymnen und Klagen zum einen während ihrer Ausbildung schriftlich bekannt gemacht worden 100, wäh-rend zum anderen eine breitere Bevölkerung diese Geschichten in der Erzählung gehört und kennengelernt haben mag 101. Es gab nun im wesentlichen die beiden Diskurse:

1. Legitimierung des Königtums und 2. Installation der Weltordnung ‚Ma’at‘.

Interessanterweise sind die sich im Mittleren Reich zuerst etablierenden Lehren, wie die Lehre für Merikare und die Lehre Amenemhets I. sowohl formal als auch inhaltlich stark autobiographisch 102. Und besonders die soziale Fürsorge, deren man sich in der Biographie rühmt, wird von den Lehren zur Sprache gebracht, bzw. von diesen sogar auf die Ebene des politischen und sozialen Diskurses ge-hoben 103. Das Königtum des Mittleren Reiches war eine aus der bisherigen pha-raonischen Geschichte gewachsene Institution. Die historisch begründete Legi-timität des Amtes legitimierte auch den König. Ma’at war das Prinzip der gesell-schaftlichen Ordnung für Ägypten, das festgeschrieben und propagiert werden mußte. Ma’at wurde dem Volk vom König gegeben; sie legitimierte ihrerseits

100 G. POSENER, Littérature et Politique, op. cit., 7; H. BRUNNER, Altägyptische Erziehung,

2. Aufl., Wiesbaden 1991, 13—17. 101 Man kann davon ausgehen, daß dem Bedürfnis nach Fixieren von Maximen eine mündliche

Tradition zugrundeliegt. „Literatur befördert zivilisatorisch orientierte Bedürfnisse und drängt zur Autonomie in bewußter Sprachgestaltung“; ich zitiere A. ASSMANN, Schriftliche Folklore, in: A. und J. ASSMANN - CHR. HARDMEIER (Hgg.), Schrift und Gedächtnis, op. cit., 177, aus H. KUHN, Zur Typologie mündlicher Sprachdenkmäler, SBAW, Heft 5, München 1960.

102 Dazu M. LICHTHEIM, Ancient Egyptian Autobiographies chiefly of the Middle Kingdom, OBO 84, Fribourg-Göttingen 1988, sowie: J. BERGMANN, Gedanken zum Thema „Lehre ─ Testament ─ Grab ─ Name“, in: E. HORNUNG - O. KEEL, Studien zu Altägyptischen Lebenslehren, OBO 28, Fribourg-Göttingen 1979, 87.

103 Besonders in der Lehre des Ptahhotep, s.: Z. ŽÁBA, Les Maximes de Ptahhotep, Prag 1956 und auch: A. ROCCATI, La Littérature historique sous l'ancien Empire égyptienne, Paris 1982, 91, bzw. J. BERGMANN, Gedanken zum Thema „Lehre ─ Testament ─ Grab ─ Name“, loc. cit.

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den einen zentralen König als Herrscher und Verwalter der gottgewollten Ord-nung 104.

Im Gegensatz zur Herrschaftsform des Alten Reiches, einem ‚Gottkönig-tum‘, hatten das Mittlere und Neue Reich die Herrschaftsform des ‚repräsentati-ven Königtums‘, in denen der transzendente Gott sich auf Erden durch den Kö-nig vertreten ließ 105. Ma’at zu tun war nicht mehr, wie zur Pyramidenzeit, der Wille des Königs, sondern im Mittleren Reich die Ordnung des transzendenten Gottes für die Welt und Gottes Wille. Der König wachte über Ma’at, indem er der Vorbildlichste unter den Menschen und Ausführenden von Ma’at selber war. So wird mit den Termini znn, mjtj, mjtt, tjt Wesen und Handeln des Königs durchaus mit dem Gottes verglichen und Gottähnlichkeit ausgedrückt 106.

Mit dem Mittleren Reich wurde Ma’at der Begriff für konsolidierende ge-sellschaftliche Solidarität. Sie wurde zwischen König und Beamten festgeschrie-ben und setzte voraus, daß Loyalität und Solidarität zwischen den Beamten und dem König in einem funktionierenden Wechsel standen. In diese Betrachtungs-weise des frühen Mittleren Reiches, wo der König seine Identität der des Beam-ten formal ähnlich darstellen läßt, paßt außerdem, daß auch das Königtum als Amt betrachtet wurde, das verliehen wurde und vererbbar war, wie das Amt des Beamten 107. Dies bedeutete, daß die Herrschaftsausübung von oben, vom Kö-nig, nach unten, zu den Beamten, nach streng hierarchischen Strukturen vor sich ging. In den Beamtenbiographien wurde die Beziehung des Beamten zum König ab dieser Zeit zum Topos mit fester Phraseologie. Es waren dies „Gunst“ ( h zwt) und „Liebe“ (mrwt) des Beamten beim König.

Die relevante königliche Literatur legte durch die loyalistische Lehre fest, daß die Beziehung zwischen Beamten und König eine sehr enge zu sein hatte. Der Beamte sollte dem König persönlich und dienstlich direkt verpflichtet sein 108. Die Ordnung des Beamten war mit der genannten neuen sozialen Kon-stellation des Mittleren Reiches dieselbe wie die des Königs: Tun der Ma’at.

104 Siehe dazu J. ASSMANN, Ma’at, op. cit., 257 f. 105 J. ASSMANN, Politik zwischen Ritual und Dogma, op. cit., 102. 106 Siehe dazu B. OCKINGA, Die Gottesebenbildlichkeit im Alten Ägypten und im Alten Testament,

ÄUAT 7, Wiesbaden 1984, 128. 107 In diesem Sinne siehe H. BRUNNER, Die Lehre vom Königserbe im frühen Mittleren Reich, in:

W. RÖLLIG (Hg.), Das hörende Herz, OBO 80, Fribourg-Göttingen 1988, 273—280. 108 G. POSENER, L’Enseignement Loyaliste, Sagesse Égyptienne du Moyen Empire, Genf 1976;

bes. 12.

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Zwischen König und Beamten gab es, dies zeigt sich sehr deutlich in der 12. Dynastie, zwar eine existentielle, aber keineswegs eine soziale Gleichheit. Ihre Gemeinschaft war eine hierarchische, in der es dementsprechend „vertikale Solidarität“ gab. Für den Beamten war es besonders im Dienst selbstverständli-che Maxime, das Königswort zu befolgen. Die Aussage des Königs Neferhoteps I.:

„Ich sage Großes (wr.t) und lasse (es) euch hören,“ 109 verlangte von den Beamten das „Hören“ und „Gehorchen“ (sd m) auch im

Sinne der Anerkennung der Überlegenheit des Königs als Vorbild 110. Eine be-sonders konkrete und repräsentative Form findet der Gedanke in der Form der königlichen Vorbildhaftigkeit. Dies manifestiert sich terminologisch in der Zeit Sesostris’ III., u. a. in den Texten der Stelen von Semna und Uronarti. Interes-santerweise greifen gerade diese königlichen narrativen Texte, wie auch andere ihres Genres formal auf die Autobiographien zurück. Sie dürften aus der narrati-ven Erzählstruktur der Autobiographien entstanden sein, vor allem, um als Texte königlicher Selbstrepräsentation besondere Authentizität zu beanspruchen und damit zum Zwecke der Sicherung von Autorität und Loyalität möglichst nahe an die Leserschaft herantreten zu können 111. Im Mittleren Reich ist z. B. auch der Sohn nicht mehr nur Erbe seines Vaters, sondern diesem auch untergeordnet und verantwortlich 112. Daraus wurde die grundsätzliche, für alle verbindliche Be-amten-Ethik des Mittleren Reiches: gr m c „der wahre Schweigende“, gr alleine auch als: „der Ruhige, der Leidenschaftslose, der schweigend

Duldende, der Bescheidene“ 113.

Sie ging nicht nur aus dem geordneten Dienst-Verhältnis hervor, sondern ─ so legte es Ma’at fest ─, auch aus dem von Grund auf geordneten Verhältnis von

109 Neferhotep 10. 110 Siehe dazu E. BLUMENTHAL, Untersuchungen zum ägyptischen Königtum des Mittleren Rei-

ches, I. Die Phraseologie, ASAW, Phil.-hist. Kl., Bd. 61, Heft 1, Berlin 1970, 404. 111 In diesem Sinne s. M. A. GNIRS, Die ägyptische Autobiographie, op. cit., 212 ff. 112 Siehe dazu B. OCKINGA, Die Gottesebenbildlichkeit, op. cit., 135. Zum Zusammenhang von

Rede und Befolgung und dem Verhältnis von Vater und Sohn, siehe J. ASSMANN, Das Bild des Vaters im Alten Ägypten, in: H. TELLENBACH (Hg.), Das Vaterbild in Mythos und Geschichte, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1976, 12—49.

113 So in A. ERMAN - H. GRAPOW, Wörterbuch der Ägyptischen Sprache, Bd. 5, Leipzig 1931, 180.

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Mensch zu Mensch vor dem König und vor Gott 114 in Form von Ma’at. Wichtig ist in diesem Zusammenhang für das Mittlere Reich, daß man den ideologischen Überbau wie folgt differenziert:

─ Herrscher-(Gott) ist der König, ─ Schöpfergott ist Amun, ─ Gott der Menschen, des Königs und der Ethik ist Ma’at 115.

Die Beamten, die ihre gesellschaftliche Stellung sichern und verbessern wollten, mußten Vorteile aus ihrem Amt und aus ihrer Macht über andere ziehen. Sie mußten ihre alltäglichen und dienstlichen Taten als persönliche Verdienste be-schreiben. Sie mußten die Alltäglichkeit also zum herausragenden Ereignis kon-vertieren 116, das äquivalent mit der Ideologie, dem Tun von Ma’at, und als sol-ches festgeschrieben war. Ma’at war auch die „soziale Erwartung“ 117; z. B. wurde vielfach herausgestellt, daß der Beamte sich als Wohltäter erwies für Arme, Nackte, Witwen, Bittsteller. Dies waren aber Taten, die in Ma’at festge-schrieben waren, und die selbstverständlich solidarisch auch erwartet wurden. Der Nutzen, den der Beamte anstrebte, lag in seinem Aufstieg in der Erlangung der Gunst des Königs. Mit Prädikationen wie jqr („vortrefflich“), m c („recht-schaffen“) oder nfr („freundlich“) und ähnlichen, paßte man sich gesellschaft-lich in die der Ma’at verpflichtete Schicht der Beamten ein und gab dies nach außen auch zu erkennen. Damit konnte das ‚Chaos‘, für das Königtum des Mitt-leren Reiches der Topos für die 1. Zwischenzeit, letztlich gesellschaftlich über-wunden werden 118. Es muß ganz wesentlich für das Verhältnis König-Beamte gewesen sein, daß man erkannt hat, daß das Mittlere Reich nicht mit der Rück-kehr zum Königtum allein installiert werden konnte, sondern nur, indem sich dieses für eine höhere Ordnung ─ Ma’at ─ verbürgte und diese selbständig in der Gesellschaft installiert wurde. Nicht ein neues Königtum ist zuerst eingesetzt worden, sondern Ma’at erneuerte gleichsam das soziale System. Daß dieser Ge-

114 In der Spätzeit gilt dies nur noch vor Gott; siehe dazu E. OTTO, Die biographischen Inschriften

der ägyptischen Spätzeit, PÄ 2, Leiden-Köln 1956, 78 f. 115 So J. ASSMANN, Re und Amun, OBO 51, Fribourg-Göttingen 1983, 193. 116 Siehe dazu auch A. LOPRIENO, Topos und Mimesis, Wiesbaden 1988, 86 ff. 117 Dazu A. LOPRIENO, Topos und Mimesis, op. cit., 16. 118 A. LOPRIENO, Topos und Mimesis, op. cit., 88.

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danke verstanden worden ist, bezeugen die Autobiographien der Zeit durch Auf-nahme ma’atlicher Phraseologie. Über Ma’at ist auch das Königtum gesell-schaftlich gefestigt worden. Die Ordnung Ma’at des Mittleren Reiches war die einzig mögliche Ordnung, denn sie stand der Ma’at des Königs des Alten Rei-ches fern und hatte sich gewandelt. Ebenso stand sie der gaufürstlichen Privat-wirtschaft der 1. Zwischenzeit fern, weil sie Willkür und Chaos gesellschaftlich und individuell durch ihre ‚Maximen‘ ausschloß.

‚Gunst‘ wurde im Mittleren Reich der Terminus für die größtmögliche ge-sellschaftliche Anerkennung bei der obersten gesellschaftlichen Instanz, dem König. Auf der persönlichen Seite nutzten die Beamten ihre Bildung in der in-tellektuellen und selbstbezogenen Form des Strebens nach „Wissen“ (rh ) 119. Wissen war, Ma’at zu lernen und zu befolgen, indem man Ma’at tat. Das Herz nahm durch Ma’at den Willen Gottes und damit Gott selber in sich auf 120. „Sich Gott ins Herz geben“ (rdj m jb), bezeichnete die persönliche Verantwortung des Beamten Ma’at gegenüber. Der Ausdruck sms jb, „dem Herzen folgen“ bedeu-tete, daß der Wille Gottes in jeder Situation auch vermittelbar war, wenn man in der Lage ─ d. h. weise genug ─ war, auf sein Herz zu hören 121.

Die Beamten des Mittleren Reiches wurden zu Wissenden, indem sie zu-nächst ohne Wissen, durch Erziehung und Ausbildung neu-geboren werden. Nach Ptahhotep 41, „ein Weiser wird nicht geboren“, machte Erziehung weise 122. Die Lehre des Ptahhotep könnte verfaßt worden sein, weil akuter Be-darf an lernbarem Basiswissen zu Ma’at bestanden hat. Solches konnte aus der Lehre des Ptahhotep aufgrund seiner Gedanken-Paar-Struktur (‚thought-cou-plet‘) einfach von den zukünftigen Beamten auswendig gelernt, geschrieben und verinnerlicht werden. Diese Lehre kann ich mir besonders gut als in dieser Zeit

119 jnk rh sb sw rh ─ „ich bin ein Wissender, der sich selbst Wissen lehrt“, aus: HTBM 197

{581}, Bd. II, Taf. 23, A., Col. 19, Zeit: Sesostris’ I., und weitere Belege bei J. JANSSEN, De traditioneele egyptische Autobiografie, op. cit., 73—77.

120 H. BRUNNER, Das hörende Herz, loc. cit. 121 H. BRUNNER, Das Herz im ägyptischen Glauben, in: Das Herz im Umkreis des Glaubens I,

Bieberach 1965, 81—106. 122 Eine Datierung ins Alte Reich vertreten G. FECHT, Der Habgierige und die Maat in der Lehre

des Ptahhotep (5. und 9. Maxime), Glückstadt-Hamburg-New York 1958, 49 f. und G. POSENER, L’apport des textes littéraires à la connaissance de l’ histoire égyptienne in: S. DONADONI (Hg.), Fonti indirette de la storia egiziana, Studi Semitici 7, Rom 1963. Eine Datierung ins Mittlere Reich befürwortet P. SEIBERT, Die Charakteristik. Untersuchungen zu einer Sprechsitte und ihren Ausprägungen in Folklore und Literatur, ÄA 17, Wiesbaden 1967.

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erstellten Übungstext für die Schreiberschulen der 12. Dynastie vorstellen. Es paßt durchaus in das Bild der 12. Dynastie, daß das Verhalten gegenüber Höher-gestellten, Gleichrangigen und Niedrigeren so ausführlich, wie es erst im Mittle-ren Reich für Ma’at als staatstragende Ordnung charakteristisch war, differen-ziert worden ist. Die geistes─ und sozialgeschichtliche Leistung, die die Lehre aufgrund ihrer Konzeption als Lehre in sich tragen mußte, entsprach genau den Bedürfnissen und Anforderungen des Mittleren Reiches und hätte aufgrund die-ser Argumentation denen des späten Alten Reiches als Entstehungszeit noch nicht dienen können. Es hat auch bei der Abfassung der Lehren mit Sicherheit ein ganz eindeutiges politisches und soziales Bedürfnis, ein Diskurs, zugrunde gelegen, der wie der Diskurs der Biographien dominant und auch für die Abfas-sungszeit charakteristisch gewesen sein muß.

Wie GEORGE POSENER gezeigt hat, sind die Beamten des Mittleren Reiches in Schreiberschulen erzogen und ausgebildet worden 123. Anliegen der Herrscher der 12. Dynastie war es, eine straffe Verwaltung und einen technisch wie ethisch durchgeformten Beamtenapparat zu schaffen 124. Aufgrund ihres Wissens ─ ge-genüber ursprünglichem Nicht-Wissen ─ bauten sie ihr Ansehen und ihren Sta-tus 125 selbständig und selbstbewußt aus. Die Schreiber und Beamten waren sich ihrer Wichtigkeit im Staatsapparat bewußt, und das Königtum bestätigte ihnen dieses Bewußtsein z. B. durch das „Kemit“ und die „Berufssatire“. Sie wurden die Träger einer eigenen intellektuellen und gesellschaftlichen Identität, die ne-ben die ‚soziale Schöpfung‘ des Beamten durch den König die eigene intellektu-elle Kraft setzten 126. Die freie intellektuelle Betätigung der Beamten wird vom König honoriert. So durfte der erfolgreiche Beamte außerdem mit Rangtiteln glänzen, demjenigen bevorzugt, der weniger erfolgreich nur seinen Amtstitel verliehen bekommen hatte und führte 127.

123 G. POSENER, Littérature et Politique, op. cit., 7 f. 124 H. BRUNNER, Altägyptische Erziehung, op. cit., 14. 125 G. POSENER, Littérature et Politique, op. cit., 4 f. 126 Im Vergleich von göttlichen mit menschlichen Eigenschaften liegt die Dynamik des Strebens

nach Wissen des Mittleren Reiches, die erst in den Ma’at-Maximen für den Beamten faßbar gemacht worden sind. Siehe B. OCKINGA, Die Gottesebenbildlichkeit, op. cit., 88.

127 Siehe dazu die Überlegungen und Aufstellung zu Amts─ und Rangtiteln von D. FRANKE, Pro-bleme der Arbeit mit altägyptischen Titeln des Mittleren Reiches, in: GM 83, Göttingen 1984, 103—124. Daß die Rangtitel vor allem die soziale Stellung der Beamten bezeichnen und damit auch bekunden, daß ein Beamter seine Verpflichtungen gemäß der Sozialordnung im Sinne

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Die intellektuelle Freiheit, die den Beamten dabei zugestanden werden mußte, wurde ihnen in der königlichen Literatur auch deutlich zugesprochen, in-dem Wissen und Kunst als individuelle Kompetenzen ( jh w „kompetent“, cpr „vollkommen“) beschrieben wurden, nach denen man zu streben und zu suchen hatte:

„Die Grenzen der Kunst können nicht erreicht werden: es gibt keinen Künstler, dessen Kompetenz vollkommen ist. Die schöne Rede ist verborgener als der Malachit: sie kann auch bei den Dienerinnen am Mahlstein gefunden werden.“ 128

Die Sinuhe-Geschichte behandelt schließlich exemplarisch einen solchen Men-schen, für den charakteristisch ist, ohne Ende, aber mit dem Herzen ( jb) nach Weisheit zu streben und seinem Herzen zu folgen. Sinuhe ist ein überragendes Beispiel für einen strebenden und denkenden Ideal-Menschen des Mittleren Rei-ches 129, der seine Identität findet, indem er „seine soziale Funktion und zugleich seine persönliche Selbstachtung erst durch die Erfahrung mit der ‚Größe‘ Aus-land zurückerobert“ 130. In ihm manifestiert sich das gesamte intellektuelle Le-ben der Gesellschaft. In der Person Sinuhe ist Krise und Fortschritt implizit und deshalb beispielhaft für andere. Ihm ist der soziale Aufstieg gewiß. Mit Sinuhe gibt das Königtum den Beamten ihr persönliches Vorbild. Sinuhe vertritt ihre Ethik, er kennt seine Aufgabe und ist wie sie dem König verpflichtet, nicht nur von Amtes wegen, sondern auch aus innerem Bedürfnis (Ma’at). Trotz der schwierigen Lebenssituation in der Fremde ist er ein frei denkender Mann, der über sein Tun und auch über sein (loyales) Denken der Erzählung nach frei ent-scheidet. So wird Sinuhes Loyalität dem Gott seines Schicksals gegenüber im Zweikampf erst geprüft, bevor sein Weg zurück in die Heimat wieder frei wird. Verlangt ist in dieser Zeit schon eine ganz persönliche Stellungnahme des Ein-zelnen zu Gott und dem König 131. In der richtigen Wahl, der der Ma’at nämlich,

von Ma’at nachgekommen ist, hat H. GOEDICKE, Dienstanträge im Alten Reich? in: SAK 25, Hamburg 1998, 101—111, dargelegt.

128 Z. ŽÁBA, Les Maximes de Ptahhotep, op. cit., 55—59. 129 So auch A. LOPRIENO, Topos und Mimesis, op. cit., bes. Kap. 5 und 8. 130 A. LOPRIENO, Topos und Mimesis, op. cit., 90. 131 Siehe dazu auch G. FECHT, Sinuhes Zweikampf als Handlungskern des Dritten Kapitels des

Sinuhe-‚Romans‘, in: FS WESTENDORF, op. cit., 465.

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liegt die Lehre der Sinuhe-Geschichte für die Beamten, daß unabhängig von äu-ßeren Umständen Ma’at wirkt und mit ihr das Recht Gottes auf des Königs, auf Ägyptens und auf jedermannes Seite ist, der nach Ma’at handelt. Belohnung er-folgte durch den König persönlich, durch Heimholung aus der Fremde, Gunst, sozialen Aufstieg, den der König gewährte. Dieser Aufstieg ist nicht der, den der gewöhnliche Beamte in der Ämterlaufbahn erreicht, sondern es ist der Aufstieg durch Bevorzugung und Erhebung durch den König. Der Weg des Sinuhe ist ein anderer als der eines Beamten im Dienste des Königs. Der Aufstieg selbst steht jedem Beamten jedoch in Analogie zu dem des Sinuhe offen 132.

Das Schlußbild der Erzählung, des Sinuhe vor dem König, ist besonders dramatisiert, um den König hervorzuheben und um das Königtum Sesostris’ I. ideologisch von dem Königsbild des Alten Reiches abzugrenzen. Dort hatte aller Wahrscheinlichkeit nach gerade persönliche Bekanntschaft des Königs mit den Beamten und ihre Auszeichnung zuletzt nicht mehr funktioniert. König Ägyp-tens war im Mittleren Reich Amun, den der König auf Erden vertrat. Der König hatte eigene Aufgaben. Er erkannte seine soziale Sorgeverpflichtung an, worin wiederum der Beamte seine persönliche Verantwortung dem König gegenüber erkannte.

Das Selbstbewußtsein des Beamten im Mittleren Reich beruhte auf dem Versorgt-Sein durch sein Amt, womit er sein Diesseits gesichert hatte. Und es beruhte auf seiner intellektuellen Ausbildung und Bildung, die ihm neben seinem Fachwissen auch dasjenige religiöse Wissen gab, mit dem er ins Jenseits treten würde 133. Die erst in dieser Zeit im Kontext von Ma’at ausformulierte Vorstel-lung vom Ba und vom Totengericht hob den Beamten aus der Einfachheit der bloßen Identität heraus. In diesem Sinne sollten die Jenseitswünsche und Verklä-rungen wirken, die seit dem frühen Mittleren Reich Eingang in die Autobiogra-

132 Siehe J. ASSMANN, Die Rubren in der Überlieferung der Sinuhe-Erzählung, in: ÄUAT 5, Fest-

gabe für H. BRUNNER, Wiesbaden 1983, 37 f.; und inhaltlich zur Sinuhe-Erzählung als Ganzes J. ASSMANN, Die Erzählung des Sinuhe als literarisches Kunstwerk. Skizze einer „Literarizi-tätsanalyse“. Vortrag zum Kolloquium „Archäologie der Literarischen Kommunikation“, Bielefeld 1978/79.

133 Siehe dazu auch die Ausführungen zur Bedeutung der Amts─ und Rangtitel von D. FRANKE, Probleme der Arbeit mit altägyptischen Titeln des Mittleren Reiches, op. cit., 103—124, bes. 106 ff.

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phien gefunden haben 134. Bereits zu Lebzeiten war der Beamte übrigens Teilha-ber an dem über den Tod dauernden ewigen Leben. „Seine Teilhaberschaft wird aber erst durch die Verklärung nach dem Tod, beim Eintritt in die Ewigkeit, ge-sichert. K-f ist sein (des Individuums) Anteil am ewigen Leben“, h rj-k bezeich-net als Komplementärbegriff für einen Verstorbenen, daß ihm die Ewigkeit (zu seinem Heil) schon begegnet ist 135. Der Beamte war jetzt als ein in seiner Per-sönlichkeit 136 ganzer Mensch erkannt, und hatte sich vor dem Totengericht ver-antwortet.

Mit den Zugeständnissen an die Beamten des Mittleren Reiches: ─ der Teilnahme an den, ab der 11. Dynastie in Abydos gefeierten Osiris-My-

sterien durch Stelen, die sie entlang der Prozessionsstraße aufstellten durf-ten und

─ der Erlaubnis, besonders in der 12. Dynastie, ihre Statuen in den Göttertem-peln aufzustellen 137, wurde den Beamten auch ein gewisser Zutritt zum Bereich der Götter zuge-

billigt.

Das Streben des Beamten nach Berücksichtigung beider Bereiche, Diesseits und Jenseits, Amt und Wissen, wurde in den autobiographischen Texten mit dem Terminus „dem Herzen folgen“ ( sms jb) 138 ausgedrückt.

Die sms jb-Haltung als geistesgeschichtliches und kulturhistorisches Cha-rakteristikum des Menschen des Mittleren Reiches implizierte erstmals auch den möglichen Rückzug des Menschen aus der sozialen Gesellschaft in die ideelle Gesellschaft und Nähe des Gottes. Das „Herz, das der Genosse seines Herrn in der Zeit der Not“ 139 war, hatte eine äußere und eine innere Bedeutung. Not war 134 Z. B. in den Abydosstelen des Mittleren Reiches, s. M. LICHTHEIM, Ancient Egyptian Autobio-

graphies chiefly of the Middle Kingdom, op. cit., 55—128. 135 Diesen Hinweis verdanke ich P. KAPLONY. Siehe P. KAPLONY, Leben „sub specie aeternitatis“

als h rj-k, in: Mélanges ADOLPHE GUTBUB, Montpellier 1984, 118. 136 J. ASSMANN, s. v. Persönlichkeitsbegriff und ─bewußtsein, loc. cit. 137 Dies gab es auch schon zum Ende des Alten Reiches vereinzelt. Zu einem Text, der die Auf-

stellung der Statuen für die 1. Zwischenzeit belegt, siehe P. KAPLONY, Die wirtschaftliche Be-deutung des Totenkultes im Alten Ägypten, in: Asiatische Studien 18/19, Bern 1965, 297 und Anm. 35; und E. HORNUNG, Grundzüge der ägyptischen Geschichte, 2. Aufl., Wiesbaden 1978, 54 ff.

138 D. LORTON, The expression sms jb, in: JARCE 7, Boston 1968, 41—54; und A. LOPRIENO, Topos und Mimesis, op. cit., Kap. 8, bes. § 26.

139 Z. B. Chacheperreseneb rto. 13—14.

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hier nicht materieller, äußerlicher Mangel, sondern stand als Anstrengung, Aus-einandersetzung und Selbstrechtfertigung des Individuums dem ‚inneren Men-schen‘ gegenüber. So ist auch das „Gespräch des Lebensmüden mit seinem Ba“ zu verstehen 140. Herz und Ba waren die Bezeichnungen für die Vollständigkeit des persönlichen Seins durch die Hinzufügung des religiösen Aspektes 141. Aus ihnen formierte sich die ‚Persönlichkeit‘ des Beamten, die im Jenseits durch den Ba und die Unsterblichkeit der Person und ihre Aufnahme in die Götterwelt kon-kretisiert wurde 142. Nun wird man ‚m c h rw‘, „gerechtfertigt“ aufgenommen in die Götterwelt. Jmh w, ein „ehrwürdiger, angesehener Verstorbener“ war man nach dem Tode bereits im Alten Reich durch die Versorgung des Königs. In die-sem Sinne nannte sich Methethi „angesehener“ ( jmh w) Zeitgenosse des Kö-nigs 143.

Die Fortdauer der Person war im Alten Reich in die starre Statuenform des Ka, in die engen Grenzen der wenigen individuellen diesseits-orientierten Mög-lichkeiten und Vorstellungen eingepaßt. Im Mittleren Reich bedeutete Fortdauer der Person, sich als denkende, sich in sich selbst zurückziehende, sich selbst im Diesseits befreiende Ba-Persönlichkeit darzustellen. Sie ‚existierte‘ nicht mehr nur ‚fort‘, sondern wurde mit Ba-Vorstellung und Totengericht auch ‚unsterb-lich‘ und ‚m c h rw‘, „gerechtfertigt“ 144.

1.2.3. Der ‚etablierte‘ Beamte (späteres Mittleres Reich)

Versucht man die Dynamik, die das Denken der Beamten im Mittleren Reich entwickeln konnte, zu fassen, so fällt auf, daß es gegen Ende des Mittleren Rei-ches in der Literatur und der Kunst sichtbar werdende besondere Initiativen von

140 Vgl. als neuere Diskussion des Textes K. LOHMANN, Das Gespräch eines Lebensmüden mit

seinem Ba, in: SAK 25, Hamburg 1998, 207—236. K. Lohmann hält übrigens ─ aufgrund der Aussagen, die geistesgeschichtlich persönliche Frömmigkeit aufscheinen lassen ─ eine Abfas-sung des Textes in späterer Zeit für möglich.

141 A. LOPRIENO, Topos und Mimesis, op. cit., 92 f. 142 Siehe J. ASSMANN, Ma’at, op. cit., 114 ff. 143 Siehe dazu P. KAPLONY, Eine neue Weisheitslehre aus dem Alten Reich, Zusätze, op. cit., 345. 144 Siehe dazu auch P. KAPLONY, Rollsiegel des Alten Reiches II, op. cit., 347 f.; DERS., Zur Proso-

pographie des Alten Reiches, in: MIO 14, Berlin 1968, 197 und Anm. 15; DERS., Eine neue Weisheitslehre aus dem Alten Reich, op. cit., 37.

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seiten des Königtums gegeben hat, während die Stimme der Beamten sich dem-gegenüber nicht mehr sehr expressiv erhob. Offenbar hat sich in dieser Zeit so-wohl das Bild des Königs bei den Beamten noch einmal verändert, als auch die Identitätspräsentation des Königs und die der Beamten. Dies geschieht in einer Art, die es angebracht erscheinen läßt, die Befindlichkeit der Beamten ─ wäh-rend der Zeit des Mittleren Reichs ─ der Befindlichkeit des Königtums gegen-überzustellen. Diese läßt sich u. a. anhand der Äußerungen des Königs zu seiner eigenen Person feststellen.

Die Einflüsse des späten Mittleren Reiches sollen hier von denen des frühen Mittleren Reiches unterschieden und extra behandelt werden, da sich sozialpoli-tische Veränderungen bemerkbar machen, die signifikant für Wandel sind und damit einmünden in historische Veränderung, wie sie zum Ende des Mittleren Reiches nicht nur innenpolitisch eingeleitet wird. Für den Kontext der Autobio-graphien gibt es, wie bereits im Übergang vom Alten zum Mittleren Reich fest-gestellt, eine signifikante Neugestaltung, die im folgenden beschrieben werden soll. Von größerer Bedeutung ist die Zeit ab Sesostris III., weil sich hier deutlich solche Veränderungen fassen lassen, die auf der Seite der Herrscher in besonders eindrucksvollen Texten und Kunstwerken mündeten und die bei den Beamten zur Zurücknahme der selbstlobenden und umfangreichen Textkomposition führte.

1.2.3.1. Das neue Bild des Königs

In der Literatur ließ sich besonders Sesostris III. mehrfach in Wesen und Han-deln in stilistisch exquisiten Texten hymnisch besingen und als Herrscher glori-fizieren 145. In den beiden Grenzstelen von Semna und Uronarti ließ er sich in seinem 16. Jahr als göttlicher Herrscher beschreiben, als Vorbild auch für die folgenden Generationen von Königen 146. Durch demonstrative Selbsterhöhung

145 So in der „loyalistischen Lehre“, Kairo CG 20538 und in den Liedern auf Sesostris III.,

pKahun ed. F. LL. GRIFFITH, Hieratic Papyri from Kahun and Gurob, 2 Bde., London 1897—1898, Taf. I—III. Übersetzungen in: J. ASSMANN, Ägyptische Hymnen und Gebete (ÄHG), Zü-rich-München 1975, 226 und 228—231. Zur loyalistischen Lehre siehe besonders G. POSENER, L’Enseignement loyaliste. Sagesse égyptienne du Moyen Empire, Genf 1976.

146 P. KAPLONY, Das Vorbild des Königs unter Sesostris III., op. cit., 403—412.

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kommt es zum einen zur Hervorhebung der königlichen Individualität vor der Identität der Beamten, und zum anderen gelingt eine erneute Fixierung und Pro-pagierung der Göttlichkeit der Könige.

Die Kunst bringt unter Sesostris III. zahlreiche Portraits neuen Stils hervor, die die Individualität des Königs deutlich mit eigenen Zügen versehen. Nicht so ebenmäßig und voll, wie beispielsweise Portraitköpfe Sesostris’ I., zeigen dieje-nigen Sesostris’ III. und Amenemhets III. pragmatisch geformte kantige Ge-sichtszüge mit expressiv realistischem Ausdruck 147. Diese Art der Selbstdar-stellung wurde in ähnlicher Weise auch von Beamten in ihrer Plastik nachge-ahmt. Die Politik vorsichtiger Zurückhaltung der Könige der frühen 12. Dynastie im Hinblick auf königliche Göttlichkeit und Hervorgehobenheit wurde nicht weitergeführt. Der König wurde in der späten 12. Dynastie als Herrscher-Gott kriegerisch und autoritär in göttlicher Art über andere triumphierend 148 be-schrieben. Während des angehenden Mittleren Reiches war es das Bild des ge-genüber seinen Beamten weisen, gerechten und kraftvollen Königs gewesen, welches literarisch und ikonoplastisch hervorgehoben wurde. Der neuerliche Wandel weist auf eine veränderte Situation der Institution Königtum und eine neue Befindlichkeit der Person des Königs im politisch sozialen Kontext des späteren Mittleren Reiches hin.

Zu Beginn der 12. Dynastie hatte für das Königtum die Notwendigkeit be-standen, sich in seiner sozialen Funktion zu profilieren, und innenpolitisch waren die Könige der frühen 12. Dynastie sowohl ideologisch als auch wirtschaftlich erfolgreich gewesen. Sie hatten die Beamten und mit ihnen eine breite Masse des Volkes in das neue System integriert und versorgt. Aus einem neu gewonnenen Selbstbewußtsein fundierten sich die Könige der späteren 12. Dynastie in abso-luter Herrschaft, wie sie dem König von je her dogmatisch zugestanden hatte. Im Zuge dieser neuerlichen Dominanz wurde unter Sesostris III. das Königtum der-art attraktiv, daß dem König die vormalige Macht der Gaufürsten zufiel, so daß sowohl die Beamtenschaft als auch das Militär loyal hinter dem König stan-

147 Zu Portraits der 12. Dynastie siehe J. BOURRIAU, Pharaohs and Mortals, Cambridge 1988/89,

1—53. 148 G. POSENER, La Divinité du Pharaon, Cahier de la Société Asiatique 15, Paris 1960, 50 ff. und

77 ff.

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den 149. Die Beamten schlossen sich dem neuen Trend an und lobten den König in gottähnlicher Weise. In ihren Autobiographien benutzten sie zur Beschreibung ihrer Taten in Anlehnung an königliche Ausdrucksformen bisweilen sogar die Sprechweise der königlichen Eulogie 150. Diese Beobachtung, wenn auch nicht die Regel, erscheint geeignet zu sein, Folgendes die Autobiographien der Zeit betreffend zu formulieren:

─ Loyalität wurde offenbar dadurch ausgedrückt, daß man sich in Kenntnis der königlichen Schriften, diesen entsprechend ausdrückte und

─ es kam weniger darauf an, Texte neu zu verfassen, biographisch etwas Ei-genes zu resümieren, als vielmehr zu zeigen, daß man sich in dem gängigen Schrift─ und Phraseologiekanon auskannte und sicher bewegte.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß Ma’at jetzt als Ordnung, die vom Herr-scher ausging, Autorität und Solidarität des Königs sicherte. Mit Hinweis auf Ma’at wurde königliches Handeln geschickt dem Vorwurf der Willkür 151 entzo-gen, denn es war erklärbar. Auf der Basis innenpolitischer Stabilität konnte das Königtum auf seine Funktionsträger, die Beamten, zurückgreifen, die in die Ver-antwortung für das Funktionieren von Ma’at genommen worden waren. Mit der Zeit Sesostris’ III. einsetzend, scheint es ─ an den verschiedenen Identitätsprä-sentationen zu erkennen ─ zu einem neuen Verhältnis zwischen König und Be-amten gekommen zu sein. Wie aber sieht in dieser ideologischen Neuorientie-rung des Königtums die Selbstpräsentation des Beamten aus?

149 I. MATZKER, Die letzten Könige der 12. Dynastie, Europäische Hochschulschriften, Reihe III,

Bd. 297, Frankfurt a. M.-Bern-New York 1986, 103 ff.; D. FRANKE, The Career of Khnumhotep III of Beni Hassan and the so-called „decline of the nomarchs“, in: ST. QUIRKE (Hg.), Middle Kingdom Studies, New Malden 1991, 51 ff.

150 Z. B. Ichernofret auf seiner Stele Berlin 1204, Zeit Sesostris’ III., die stilistisch an die Stelen-texte des Königs selbst erinnert. Zuletzt übersetzt von M. LICHTHEIM in: Ancient Egyptian Au-tobiographies chiefly of the Middle Kingdom, op. cit., Nr. 42, 98—100.

151 J. ASSMANN, Politik zwischen Ritual und Dogma, op. cit., 112.

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1.2.3.2. Die Identität der Beamten

Unter Neferhotep I. und Sebekhotep IV. (13. Dynastie) entstehen neben der höfi-schen Residenzelite die regionalen Eliten mit städtischer Kultur und Macht, so z. B. in Edfu und Elkab belegbar, wobei die Königsfamilie durch Heirat mit den lokalen Beamten verbunden war. Ortsansässige Stadtherren scharen militärisches und verwaltendes Beamtengefolge um sich und bilden neue lokale Machtposten, und die jeweiligen Stadtgottheiten gewannen an Einfluß, wie z. B. für Edfu, für Dendara und für Achmim zu belegen ist 152. Legitimation eines städtischen Für-sten wurde nicht primär über königliche Herkunft geführt, sondern, ähnlich wie zuvor in der 1. Zwischenzeit, kam dem Stadtgott die entscheidende Rolle bei der Herrschaftslegitimation der Stadtherren zu 153. So steht gegen Ende der 13. Dy-nastie dem anbetenden Grabherren vielfach der Gott Min-Hor oder Upuaut direkt gegenüber. Es beginnt sich ein direktes Verhältnis von Gott zu Mensch zu ent-wickeln, das in des Neue Reich hinein tradiert werden wird. Es war damit auch diejenige Situation geschaffen, die eine Legitimation eines Fürsten und eines Be-amten durch göttliche Erwählung voraussetzte. Nicht der Grabherr ist in diesem Falle der die Initiative ergreifende, aktive Partner eines Gottes, sondern dieser greift ein, weil er gerufen wird 154. Im Gegensatz zu den Möglichkeiten des Königs wurde von seiten des Beamten inhaltlich keine neue Seite der Persön-lichkeitspräsentation eingeführt, außer dieser Hinwendung zu einem ‚eigenen‘ Gott.

Die Vermehrung von Autoritäten, nämlich König und Lokalgott, und Privi-legienverlust charakterisieren also die Situation der Beamten im späten Mittleren Reich. Der Privilegienverlust der Beamten dürfte dabei wohl in direkte Verbin-dung zu setzen sein zu der Autorität, die das Königtum für sich gewann. Die textliche Reaktion von seiten der Beamten war ein Rückzug aus der expressiven

152 Siehe dazu N. KANAWATI, New biographical inscriptions from the First Intermediate Period,

in: GM 89, Göttingen 1986, 43—51, mit der Inschrift des Rehu-rausen, der sich für Min von Achmim um seine Mitmenschen bemüht und sich als Helfer bewährt; ferner D. FRANKE, Erste und zweite Zwischenzeit ─ Ein Vergleich, op. cit., 122 ff.

153 Siehe dazu auch R. MÜLLER-WOLLERMANN, Krisenfaktoren im ägyptischen Staat des ausge-henden Alten Reiches, Darmstadt-Tübingen 1986.

154 Ich habe in diesem Falle meine eigene Formulierung an diejenige angeglichen, die dieses Thema zuletzt ausführlich behandelt hat: D. FRANKE, Erste und zweite Zwischenzeit ─ Ein Ver-gleich, in: ZÄS 117, Berlin 1990, 119—129.

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Persönlichkeitspräsentation der unmittelbar vorausgegangenen Zeit. Die Auto-biographien zeigen, daß die Beamten von der vormaligen Art der Selbstpräsen-tation in der späteren 12. Dynastie absahen und sich statt dessen in eine neue (mit Totengericht und Ba-Vorstellung mögliche) Innerlichkeit zurückzogen. Als Bei-spiel-Konvolut für solche Stelen des späten Mittleren Reiches möchte ich dieje-nigen Stelen herausgreifen, die man in Edfu gefunden hat. Diese zeigen deutlich, wie ausführlich der für Edfu zuständige Horus genannt wird, der auch immer wieder dort auftritt, wo es um die i. d. R. sehr knappen, im Amt ausgeführten Be-fehle geht, z. B. gegenüber einem Schiffskapitän 155. Sodann wird die Versor-gungsformel angefügt, gefolgt von der abschließenden Filiationsangabe. Die Fi-liation in schriftlicher Form kann dabei durch ausgedehnte bildliche Darstellung ersetzt oder ergänzt werden. Diese ‚Familienbildstelen‘ werden zu den in der späten 12. und 13. Dynastie typischen Stelen autobiographischen Gehalts 156. Ob zudem die überwältigende Größe des Staatsapparates 157 und die Komplexität der Weltanschauung, die die Beamten im dienstlichen─ und persönlichen Be-reich zu bewältigen hatten, dazu beigetragen haben, den Rückzug aus dem text-produktiven Dasein anzutreten, liegt m. E. im Bereich des Möglichen. Die im frühen Mittleren Reich gemachten Aussagen von Beamten über ihre Erwählung

155 Die Stele M. M. A. accession No. 35.7.55, besprochen von: W. C. HAYES, Horemkhauef of Ne-

khen and his trip to It-Towe, in: JEA 33, London 1947, 3—11. 156 1984/85 durfte ich mit Unterstützung des DAAD, besonders aber mit der des Direktors des

Kairener Museums, Dr. MOHAMMED SALEH, im Ägyptischen Museum die besagten Stelen und andere in Augenschein nehmen und sie photographisch bzw. den Inventarbüchern nach auf-nehmen. Zu diesem Konvolut gehören neben anderen veröffentlichten Stelen aus Edfu u. a.: CG 20329, 20499, 20530, 20537, 20623, sowie Stele 16/2/22/21, besprochen bei R. ENGELBACH, Steles and tables of offerings of the late Middle Kingdom from Tell Edfû, in: ASAE 22, Kairo 1922, 115; Stele 16/2/22/23, ASAE 22, 116; Stele JE 43363, besprochen von G. DARESSY, Monuments d’ Edfou datant du Moyen Empire, in: ASAE 17, Kairo 1917, 242 f.; Stele JE 46199, in: ASAE 17, 240 f.; Stele JE 46200, in: ASAE 17, 237 f.; Stele JE 46784, be-sprochen von R. ENGELBACH, Report on the Inspectorate of Upper Egypt from April 1920 to March 1921, in: ASAE 21, Kairo 1921, 64; Stele JE 46786, in: ASAE 21, 65; Stele JE 46988, in: ASAE 21, 189 f.; Stele JE 48229, besprochen von R. ENGELBACH, Two Steles of the late Middle Kingdom from Tell Edfû, in: ASAE 23, Kairo 1923, 183; Stele JE 48230, in: ASAE 23, 185; Stele JE 52456, besprochen u. a. von B. GUNN, A Middle Kingdom Stela from Edfu, in: ASAE 29, Kairo 1929, 5 ff.; Stele JE 63949, besprochen von R. ENGELBACH, Steles and tables of offerings, in: ASAE 22, 114; weitere Stelen sind in den genannten Aufsätzen erwähnt. Eben-falls nennen möchte ich hier die von G. ALLEN bearbeitete Stele des Ibsinisutya aus Edfu, Nr. 31664, in: Egyptian Stelae in the Field Museum of Natural History, Chicago 1936 und die Stele M. M. A. accession No. 35.7.55, besprochen von W. C. HAYES, Horemkhauef of Nekhen and his trip to It-Towe, loc. cit., 3—11.

157 In diesem Sinne äußert sich W. HELCK, Geschichte des Alten Ägypten, op. cit., 130.

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durch den König bleiben in der späteren 12. Dynastie in ihren Aussagen gleich. Es gibt keine phraseologischen Hinzufügungen. Es heißt z. B.:

„Die Siegler, die im Königshaus sind und die Lebenden des Palasttores sahen, daß ich ins Königshaus eingeführt wurde und daß ich zu einem gemacht wurde, der Zutritt (zum König) hat, ohne daß er gerufen wird.“ (Zeit: Sesostris’ I. / Amenemhets II.) 158

Oder man findet: „Ich wurde zu einem Großen der Zehn aus Oberägypten gemacht…, (bin) einer, der zum Vorlesepriester gemacht wurde, zu einem Großen…, (und) ich wurde zu einem Genossen gemacht, der die Füße des Königs befeuchtet beim Jahresfest.“ (Zeit: Amenemhets III.) 159

Mit sh pr findet man aus späterer Zeit: „Der Sohn des Grafen (Chnumhotep II.), der älteste Sohn, den der Gott (= König) entstehen ließ, Chnumhotep (III.).“ (Zeit: Sesostris’ II.) 160

Und ähnlich ist: „Den der Horus, Herr des Palastes, entstehen ließ…“ (Bezirksvorsteher Diusobek, Zeit: Sesostris’ III.) 161

und: „Der, den er hat entstehen lassen, ist es, der existieren wird.“ (Zeit: Amenemhets III.) 162

158 Zu jrj und sh pr K. DYROFF-PÖRTNER, Ägyptische Grabsteine und Denksteine aus süddeutschen

Sammlungen 2, München-Straßburg 1904, 2—7, Taf. 2, hier: 3/15—16. 159 HTBM 101, Bd. II, Taf. 2. 160 Urk. VII, 40, 7. 161 HTBM 1213/8, Bd. III, Taf. 12. 162 CG 20538 II c 15.

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Zu stp finden wir: „Nicht war etwas Gleiches den (anderen) Dienern geschehen, die ihr Herr gelobt hatte…“ (Zeit: Amenemhets II.) 163

und ähnlich: „Niemals war etwas gleiches mit irgendeinem Aufseher geschehen…“ (Zeit: Amenemhets II.) 164

und auch: „Den er vor den beiden Ländern ausgewählt hat, um ihm (die Arbeiten) an dem Kanal im Gau von Abydos zu leiten.“ (Palastvorsteher Cheperkare, Zeit: Amenemhets II.) 165

Man kann wohl davon ausgehen, daß bereits die Anwesenheit von Stelen an be-stimmten Kultorten wie Abydos das reale Erscheinen des Beamten textlich vor-wegnahm, es eventuell sogar überflüssig gemacht hat. Die magische Präsenz-funktion der Stele dürfte hier eine wichtige Rolle gespielt haben. Die Autobio-graphien des späteren Mittleren Reiches lassen insgesamt die folgenden, von de-nen der früheren Zeit verschiedenen, äußerlich eher unproduktiven Tendenzen erkennen 166:

163 K. SETHE, Historisch-biographische Urkunden des Mittleren Reiches, Leipzig 1935, hier:

Urk. VII, 30, 12—13. 164 HTBM 569, Bd. II, Taf. 19. 165 CG 20531 c. 166 Als Beispiele für solche, ‚unproduktiv‘ aufgestellten Stelen von Privatleuten soll aus der Zeit

Amenemhets II., Jahr 13, die Stele BM 567 zusammen mit ihrem Pendant CG 20040 mit nur minimalem biographischem Text herausgegriffen werden (M. LICHTHEIM, Ancient Egyptian Autobiographies chiefly of the Middle Kingdom, op. cit., Nr. 49 und 50, 114—118), sowie aus der Zeit Sesostris’ III. (hier: Jahr 7) die beiden Stelen BM 575 und BM 559, von denen M. LICHTHEIM, Ancient Egyptian Autobiographies chiefly of the Middle Kingdom, op. cit., 121, schreibt: „crudely carved, and with the biographical content reduced to a minimum, texts and representations concentrate on the essential purpose: participation in the Osirian afterlife“; siehe zusammenfassend 114—124.

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─ Es gibt zahlreiche Beispiele von abydenischen ‚Familienstelen‘ der 13. Dynastie mit geringem autobiographischen Inhalt, jedoch ausgiebigem Titulatur─ oder Formular-Text 167.

─ Es wird die Regel, daß Beamte nicht nur einen Text, sondern weitere Texte an verschiedenen Orten hinterlassen; abgesehen von Grabinschriften sind dies meist kürzere Texte auf einer, oft auch mehreren Stelen, z. B. in Aby-dos 168.

─ Mit Würfelhocker und Mantelstatue kamen zwei Statuentypen in den per-sönlichen Verwendungsbereich der Beamten, die für die Aufstellung in Tempeln benutzt wurden und sich durch ihre komprimierte geschlossene Form auszeichneten 169.

Die Identitätspräsentation der Beamten im Alten und frühen Mittleren Reich konzentrierte sich auf die Darstellung der Person und wurde ab der späten 12. Dynastie vielfach zugunsten einer räumlich begrenzteren, starreren Form zu-rückgenommen. Es fällt auf, daß die starre und uniforme Festigkeit der abgebil-deten Personen der frühen 12. Dynastie, die sorgfältige Darstellung ihrer Tracht, ihrer Haltung und Gestik, die die Plastizität der Personen in der Szene der Stele geradezu rundbildlich hervorhebt, der späteren gröberen und flachbildlicheren Darstellungsweise z. T. qualitativ stark überlegen ist. Die Bildfläche wird dann kleinteiliger, die Szenen scheinen den Text geradezu zu ersetzen, so als sprächen sie für sich. Man findet die bildliche Darstellung nun quasi anstelle des Textes, der Erläuterung. Es liegt nahe anzunehmen, daß man vom Betrachter nun vor-aussetzte, daß dieser die vormals den Texten entstammenden Informationen und

167 Z. B. die Stelen BM 575 und BM 559; siehe auch vorausgehende Fußnote, sowie die Stelen

Inv.-Nr. 7603, 2520, 2529 des Museo Archeologico di Firenze in: S. BOSTICCO, Le Stele Egizi-ane dall’ Antico al Nuovo Regno, Rom 1959, Taf. 43, 47, 48.

168 Beispiele dieser Art gibt W. K. SIMPSON, The Terrace of the Great God in Abydos, PPYE 5 (ANOC), New Haven-Philadelphia 1974, nach Aufstellung 17 ff.; z. B. ist in die Zeit Sesostris’ III. datiert ANOC 1. Die meisten der Stelen, die zu ANOC 1 gehören, würde ich als ‚Familien-stelen‘ und stilistisch typisch für die spätere 12. Dynastie bezeichnen. Ebenso gehören m. E. nach ANOC 7 und 10, ANOC 15 und 16, ANOC 17 und 19, ANOC 22, ANOC 26 (datiert: Amenemhet III.), ANOC 28 und 32, ANOC 36, ANOC 38 und 46, ANOC 50 und 52, ANOC 63, ANOC 64 und 66 stilistisch und typologisch in die späte 12. oder schon 13./14. Dynastie. Zu den ‚Familienstelen‘ siehe auch J. BAINES, Society, Morality and Religious Practice, 3. Kap. in: B. E. SHAFER (Hg.), Religion in Ancient Egypt, London 1991, 156 f.

169 J. ASSMANN, Die Gestalt der Zeit in der pharaonischen Kunst, in: J. ASSMANN - G. BURKARD (Hgg.), 5000 Jahre Ägypten, Nußloch 1983, 14 ff.

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Belobigungen des Steleninhabers nun den Bildern entnehmen sollte und dabei die Legitimität der Stele für ihren Inhaber wohl oder übel als bereits zuerkannt zu akzeptieren hatte 170. Die Verehrung des Grabherren sollte so wohl auch leichter schon vorweg als Tatsache subsumiert und in ihrer Abgeschlossenheit fixiert werden. Dagegen lassen andere Stelen 171 zwar auch Familie, aber doch den Text deutlich hervortreten und drücken mit ihm die Erwartungshaltung des Steleninhabers an den Nachfahren und Besucher offen aus. Der ursprüngliche Sinn der Stelen und autobiographischen Texte, den Verstorbenen immer wieder in Erinnerung zu bringen, hat sich offenbar mit der Beamtengesellschaft der satu-rierten 12. Dynastie auf eine Art figurative Darstellung ─ bisweilen vielleicht gewollt abstrahierend, bisweilen wohl eher sorgfältige Arbeit ersparend ─ redu-ziert. Der Text hatte seine vormals i. d. R. vor dem Bild hervorgehobene kom-memorative Funktion verloren. Er hatte dann vielmehr nur noch eine das Bild stützende Funktion: Präsentieren des Steleninhabers und Kommunizieren mit dem Betrachter.

Dies bedeutete, daß sich die Beamten ─ quasi meditativ (Würfelhocker, Mantelstatue) ─ im Tempel oder an einem anderen Kultort auf sich selbst zu-rückgezogen haben. Häufiger wurden Amt und Identität eulogisch kommentarlos fixiert, was eine komprimierte Form der Biographie war. Doch werden auch Hymnen an Osiris oder den König (anstelle autobiographischer Phrasen) in die Biographie aufgenommen 172, oder es wird die Verbindung Gottes zum Beamten betont. Dies gilt z. B. außer für Horus von Edfu und Hathor von Dendara auch für Upuaut von Assiut und Hor-Min von Achmim und Koptos als Partner von Beamten auf deren Stelen, zunächst besonders in Abydos, dann auch in Edfu und Elkab, ergänzt durch die Tatsache, daß in der Zeit Amenemhets III. noch einmal

170 Wie z. B. ANOC 15.1 = CG 20055. 171 Wie ANOC 30.1. 172 Z. B. die Stelen BM 101, Zeit Amenemhets III., BM 1367, 13. Dynastie und CG 20086,

12./13. Dynastie; übersetzt und kommentiert von M. LICHTHEIM in: Ancient Egyptian Autobio-graphies chiefly of the Middle Kingdom, op. cit., Nr. 56, 58, 59, 121—128. Diese Beobachtung wird u. a. ergänzt von den Erkenntnissen zum Wandel der Baustruktur der ägyptischen Pyrami-den, bei der zunehmend Rücksicht auf den sich ausweitenden Osiriskult genommen wird. Siehe dazu D. ARNOLD, Das Labyrinth und seine Vorbilder, in: MDAIK 35, Mainz 1979, 1 ff., und R. STADELMANN, Die ägyptischen Pyramiden. Kulturgeschichte der Antiken Welt 30, Mainz 1991, 230 ff.

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Beamten-Lehren entstanden 173 und aus der Verwaltung Dokumente erhalten sind, so die Dienstvorschrift für den Wesir 174 und die Einsetzung des Wesirs 175, die betonen, daß Grundlage für die gesellschaftliche Stellung des Beamten aus-schließlich das Amt war 176.

Die Beamten müssen sich darauf verlassen haben, daß ebenso, wie Ma’at naturgesetzlich funktionierte, auch Tun und Erfolg zwangsläufig und selbstver-ständlich aufeinander folgten. Das System von Herrschaft und Gefolgschaft, von Leistung und Gegenleistung, hat auch weiterhin sicher funktioniert, wenn auch das Machtgefälle zwischen Herrscher und Beamten größer geworden ist. Die Be-amten konnten sich mit ihrer ‚verdeckten‘, weil hinter Formeln oder Bildern re-lativ verborgenen Persönlichkeits-Präsentation in dieser Zeit ohne eigenen Scha-den hinter eine gesellschaftlich sichere Fassade zurückziehen, denn Ma’at galt und hat das soziale Leben in Gang gehalten. Der Einzelne wurde in jedem Fall solidarisch von der Gesellschaft aufgenommen und versorgt ─ auch wenn er hinter die Versorger zurücktrat, sich nicht individuell äußern wollte.

173 Nach der zusammenfassenden Abhandlung von H. BRUNNER, s. v. Lehren, in: LÄ III, Wiesba-

den 1979, Sp. 964 ff., sind einige der Lehren in dieser Zeit verfaßt und eingesetzt worden. An-dere mögen bereits im frühen Mittleren Reich verfaßt worden sein, ihren Gebrauch haben wir jedoch erst in der späteren Zeit ─ aus treffendem Grunde ─ belegt. Zu diesen Texten gehören sicherlich auch die Wundererzählungen des pWestcar, wie H. JENNI, Der Papyrus Westcar, in: SAK 25, Hamburg 1998, 132, schlüssig darzustellen vermochte. Entstanden vermutlich als po-litische Propaganda unter Sesostris I. , wurde der Text gegen Ende des Mittleren Reiches ─ im Bewußtsein ähnlicher politischer Zusammenhänge und auch im Bewußtsein wirksamer könig-licher Selbstkritik ─ gerne noch einmal aufgenommen und reproduziert: Eine lockere Rahmen-erzählung spricht narrativ eine breitere Schicht von Beamten an und behandelt doch Heikles in verhüllter Form. Nach außen konnte somit deutlich gemacht werden, daß so, wie Sesostris I. sich bemüht hatte, „in innenpolitischer Krise das schlingernde Staatsschiff auf geradem, maat-gemäßem Kurs zu halten“, auch ein Nachfolger, der den Text einsetzte, in dieser Hinsicht be-strebt war. Ohne hier die gesamte, die Datierung diskutierende Literatur zitieren zu wollen, möchte ich als mögliche Beispiele für spätere Texte des Mittleren Reiches die Lehre des Cha-cheperreseneb, die Admonitions, die Loyalistische Lehre und die Erzählung vom „Beredten Bauern“ nennen. Zur Spätdatierung dieses Werkes mit Verweis auf die, wie ich denke, zutref-fende Argumentation des Sinnes des Einsatzes dieser Schriften in der späten 12. und 13. Dyna-stie sei genannt W. K. SIMPSON, The political background of the Eloquent Peasant, in: GM 120, Göttingen 1991, 95—99.

174 So in: TT 131, TT 29, Jmn-m-jpt, TT 100, Rh -mj-R c; siehe auch N. DAVIES, Paintings from the Tomb of Rekh-mi-re at Thebes, New York 1935, Taf. 24—32, TT 106, P-sr. Dazu auch G. P. F. VAN DEN BOORN, The Duties of the Vizier. Civil Administration in the Early New Kingdom, in: Studies in Egyptology, London-New York 1988 und W. HELCK, Zur Verwaltung des Mittleren und Neuen Reiches, op. cit., Kap. 4, 29 ff.

175 R. O. FAULKNER, The Installation of the Vizier, in: JEA 41, London 1955, 18—29. 176 J. MATZKER, Die letzten Könige der 12. Dynastie, op. cit., 184 ff.

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Zusammenfassend ist zu konstatieren, daß das Bedürfnis nach innergesellschaft-licher Solidarität, das dem frühen Mittleren Reich charakteristisch war, etwa mit dem Ende der Regierung Sesostris’ I. auf breiter Basis gesättigt gewesen zu sein scheint. Das Verbot, der Verlust ─ oder auch bewußte Verzicht ─ auf die indivi-duelle Identitätspräsentation in Form des ausführlichen autobiographischen Textes scheint im späteren Mittleren Reich deshalb immer dann die Folge gewe-sen zu sein, wenn ein Beamter in persönlichen Kontakt mit einem ‚eigenen‘ Gott trat und dann zugunsten der Darstellung dieser Gottesbeziehung auf das ausführ-liche Darstellen von Leben und Leistung verzichtete. Dies ist besonders für die Provinzen nachweisbar. Die Beamten mußten ab der 2. Hälfte der 12. Dynastie auf die Beschneidung ihrer Privilegien reagieren und taten dies offensichtlich, indem sie die Darstellung ihrer Biographie textlich und ikonographisch redu-zierten und stilisierten. Sie profitierten von den im ganzen Lande installierten lo-kalen Kultbetrieben in Tempeln und stellten den Erwerb von Gunst und Fortle-ben nach dem Tode nicht mehr nur als Erfolg ihres Beamtenberufes dar, sondern als Resultat ihrer persönlichen Beziehung zu einem Lokalgott und Amun.

1.2.3.3. Die abzusehende Identitätsentwicklung der Beamten

Soweit uns der Vergleich der autobiographischen Texte des Mittleren Reiches mit denen des Neuen Reiches zeigen kann, gab es bereits ab dem Mittleren Reich ─ stärker werdend ab der späten 12. Dynastie durch die steigende Bedeutung des Osiris-Kultes, besonders in Abydos ─ die persönliche Hinwendung zum religiö-sen Leben. Für die Beamten endete das Mittlere Reich im Bewußtsein von Si-cherheit, eigener Bedeutung und Macht ihres Amtes 177. Damit verbunden war die Sicherheit eines eigenen Platzes in einem inzwischen konkret definierten Jenseits, so daß die 13. Dynastie eigentlich nur noch ‚stattfinden‘ konnte, weil Beamte selbstzufrieden und mit sich selbst beschäftigt waren, und weil die Ver-waltung inzwischen unabhängig von den Königen funktionierte.

TELCOTT PARSONS unterscheidet zwischen Prozessen, die zur Aufrechter-haltung des Systems und solchen, die seiner Veränderung dienen. Für das späte

177 J. MATZKER, Die letzten Könige der 12. Dynastie, loc. cit.

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Mittlere Reich trifft zu, daß es in ihm sowohl den Prozeß der Aufrechterhaltung durch die Verwaltung gegeben hat, die das Königtum über die 12. Dynastie hin-aus getragen hat, als auch den Prozeß der Veränderung, besonders im Hinblick auf das Karriere─ und Standesbewußtsein, aber auch im Hinblick auf das reli-giöse Leben. Die interne Solidargemeinschaft der Beamten wurde so lange es möglich war geschützt, wie zuvor schon zum Ende des Alten Reiches 178. Die Legitimation der Könige der 13. Dynastie wurde dann schon deshalb ein Pro-blem, weil man auf der einen Seite gewisse Beamtenstellen hat stark werden las-sen, z. B. das Wesirat, wohingegen auf der anderen Seite die Familientradition und damit dynastische Legitimation der Könige der 13. Dynastie gegenüber der der Herrscher der 12. Dynastie deutlich schwächer wurde.

Die Vorstufe zur ‚persönlichen Frömmigkeit‘ des Neuen Reiches war deut-lich die Haltung der Beamten, sich auf den persönlichen Bereich zurückzuziehen. Der errungene und erreichte Status der Beamten im Bereich der Amts─ und Le-bensführung war die Voraussetzung für viele neue Entwicklungen, die sich zwar schon im frühen Neuen Reich ankündigten, die aber erst nach der Amarnazeit zum Durchbruch kamen und schriftlich fixiert worden sind. Es geht hierbei nicht um die faktische Trennung des amtlichen vom persönlichen Bereich, die es schon im Alten Reich gegeben hat 179, sondern um die über den Tätigkeitsbe-reich eines Beamten hinausgreifende Bedeutung des Amtes. Es ‚machte‘ ihn zu einem, von dem es wert war, laufbahn─ und idealbiographisch zu schreiben. Der Verweis des Neuen Reiches auf das Mittlere Reich als ‚klassische Epoche‘ 180 setzte bei den Beamten voraus, was sich im Verlaufe des Mittleren Reiches (maßgeblich durch Ma’at) erst ausgebildet hatte:

─ Reflexivität und rationales Denken, ─ Differenzierung zwischen dem Amt und dem persönlichem Bereich, ─ Auseinandersetzung, d. h. Wichtiges wird in Sprache gefaßt oder verklau-

suliert,

178 T. PARSONS, Gesellschaften. Evolutionäre und komparative Perspektiven. 1. Aufl., Frankfurt

a. M. 1975, 38. 179 P. KAPLONY, Die Rollsiegel des Alten Reiches, Bd. II, op. cit., 10 ff. 180 J. ASSMANN, Die Entdeckung der Vergangenheit, in: H. U. GUMBRECHT - U. LINK-HEER

(Hgg.), Epochenschwellen und Epochenstrukturen im Diskurs der Literatur─ und Sprachhisto-rie, Frankfurt a. M. 1985, 484—499.

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─ Individualität, zur Wahl stehen expressives Auftreten oder religiöser Rück-zug,

─ Geschichtsbewußtsein 181, ─ innere Freiheit und intellektuelle Fähigkeit, sich das eigene Jenseits zu er-

schließen.

Für die Jenseitsvorstellungen des Mittleren Reiches maßgeblich sind die Sarg-texte, die hauptsächlich aus dem persönlichen Totenglauben stammen. Ab der Zeit Sesostris’ III. findet man die bestehenden Jenseitsvorstellungen, das Zwei-wegebuch, die Opfergefilde und die Binsengefilde vollständig in die Sargtexte integriert. Der Tote ist selbständig in der Lage, unabhängig vom König ein Osiris NN oder Ba zu werden. Die bildlich-schriftliche Form der Darstellung der Un-terwelt und der sich dem Toten stellenden Gefahren dramatisiert das dort vorge-stellte Geschehen in einer Weise, die mit der Dramatik der in derselben Zeit ver-faßten Lehren korrespondiert 182.

In der Theologie konnte damit auch die Trennung Gottes vom Menschen auf breiter gesellschaftlicher Basis installiert, intellektuell bewältigt und schrift-lich fixiert werden. Dieses hatte im Neuen Reich in allen Bereichen des Lebens Bestand, und man kann es in den autobiographischen Texten deutlich feststellen.

1.3. Die Beamten des Neuen Reiches 1.3.1. Der ‚loyale‘ Beamte der 18. Dynastie (vor und nach Amarna)

Die Beamten der 18. Dynastie vor und nach Amarna sprechen von ihrer Erwäh-lung durch den König in der Gewißheit der königlichen Würdigung ihrer Quali-täten. Diese liegen in ihrer Herkunft, vor allem aber in ihren Leistungen, auf die der König reagierte 183. Die Erwählung fand im Rahmen des Amtes und der be-gonnenen Karriere statt, die zur Beamtenlaufbahn gehörte und stellte nicht, wie

181 Analog zur JASPERS’schen Achsenzeit Symptomatik, in: J. ASSMANN, Ma’at, op. cit., 26. 182 Siehe dazu auch U. RÖSSLER-KÖHLER, s. v. Jenseitsvorstellungen, in: LÄ III, Wiesbaden 1978,

Sp. 252 ff. 183 Ausführlich mit Textbeispielen beschrieben von A. M. GNIRS, Die ägyptische Autobiographie,

op. cit., 228—232.

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unter Echnaton, den ‚Anfang‘ der Beamten überhaupt dar, der ihn vom Nichts zum Beamten erhob 184.

1.3.1.1. Gunst und Erwählung des Beamten durch den König

Das persönliche Vertrauen des Königs zum Beamten heißt im Neuen Reich ge-nerell „Erwählung“ ( jrj, sh pr, qd, d cr, stp, sh nt) oder „Gunst“ ( h zwt) 185.

Für den Status der Beamten des frühen Neuen Reiches und der Zeit unmit-telbar nach der Amarnazeit ist festzuhalten, daß der König laut Beamtenbiogra-phien zum einen die Erledigung der Amtsgeschäfte ( jrj m ct, jrj jwt, jrj kt) 186 und zum anderen Loyalität im Sinne von Gefolgschaft ( smsw, md dw, hj, wnn h n c) 187 der Beamten belohnt hat. Loyalität wird hier im Sinne der Gegenseitig-keit von König und Beamten, jedoch in der strengen vertikalen Solidarität ver-standen. Dies propagiert z. B. die wohl in die 12. Dynastie datierbare „Lehre ei-nes Mannes an seinen Sohn“ 188. Der Tätigkeitsbereich, in dem die Beamten die „Gunst“ des Königs hauptsächlich erwarben, war das Amt. In ihm mußten sie Leistung erbringen und Ma’at für den König tun.

1.3.1.1.1. Gunst und Erwählung durch das Erbringen von Leistung: „Vertrauen“ zum Beamten (mh jbmh jbmh jbmh jb, jmj jbjmj jbjmj jbjmj jb)

Biographisch relevant und beliebt war besonders die Beschreibung der Würdi-gung der Beamten durch den König in Form von persönlichem Vertrauen des Königs zu den Beamten in Verbindung mit dem Herzen ( jb). Im Mittleren Reich

184 H. GUKSCH, Königsdienst. Zur Selbstdarstellung der Beamten in der 18. Dynastie. SAGA 11,

Heidelberg 1994, 31. 185 H. GUKSCH, Königsdienst, op. cit., 31—33. 186 Z. B. Statue des Ht-R c, Louvre E 25550; W. HELCK, Historisch-biographische Texte der

2. Zwischenzeit und neue Texte der 18. Dynastie, KÄT, Wiesbaden 1975, Nr. 145, rechts, Z. 1—4, Zeit: Amenophis’ II.

187 S. auch die Belege (070)01—(084)05 in : H. GUKSCH, Königsdienst, op. cit., 185—202. 188 Siehe G. POSENER, s. v. Lehre eines Mannes an seinen Sohn, in: LÄ III, Wiesbaden 1979,

Sp. 984 ff., und DERS., Littérature et Politique dans l’ Égypte de la XIIe Dynastie, op. cit., 125, und Anm. 4., bzw. 126 f.

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war das Herz besonders mit Ma’at verbunden worden. Als Sitz des Bewußtseins und des Gewissens des Menschen sprach der Beamte von ihm als „mein Herz“ ( jb-j), „das etwas bewirkte“, weil er „gemäß seinem Herzen handelte“ ( sms jb). Die Belohnung für gutes Handeln und ma’atgemäßes Denken kam im Mittleren Reich vom „Herrn der Ma’at“, vom König in Form von Vertrauen, von Gunst und von Liebe des Königs und zusätzlich von den Mitmenschen in Form von „Liebe“ (mrwt). Sie wurde vereinzelt auch schon im Alten Reich genannt, je-doch ohne Differenzierung derjenigen Handlungen der Beamten, die zu mrwt führen 189.

Der Erledigung zugewiesener Aufgaben verpflichtet, konnte der Beamte zu einem „Vertrauensmann“ (mh jb) des Königs werden190. Das Herz steht im Neuen Reich in erster Linie für die Ordnungs─ und Organisationsfähigkeit der Beamten im Bereiche ihrer Ämter und für das Lob der Beamten als ‚zuverläs-sige‘ Beamte. Durch ihr Herz werden sie in die Lage versetzt, aus sich heraus das Beste für den König zu erkennen und zu tun. Sie werden zu zuverlässigen Ver-trauten des Königs. Vor und nach Amarna bezeichneten sich Beamte in dieser Weise. In der Amarnazeit fehlen derartige Bezeichnungen der Beamten für sich selbst und Bezeugungen von seiten des Königs für die Beamten gänzlich 191.

1.3.1.1.2. Gunst und Erwählung durch das Tun von Ma’at und Lei-stung für den König: „Liebe“ (mrwtmrwtmrwtmrwt) und „Gunst“ ( h zwth zwth zwth zwt)

Der König der 18. Dynastie war in der Zeit vor und nach der Amarnazeit, wie ganz vereinzelt auch im Alten und Mittleren Reich, der „Herr der Ma’at“ 192. Er lebte und regierte auf der Basis der Ma’at. Der König der Amarnazeit dann „lebte von der Ma’at“ 193, und der Beamte lebte vom Ma’at-Tun. Neben gefälli-

189 So bei P. KAPLONY, Studien zum Grab des Methethi, op. cit., 27. 190 So auch P. KAPLONY, Die Symbolik des Leibes und der Glieder im Alten Ägypten, in: Schriften

zur Symbolforschung Bd. 10. Symbolik des menschlichen Leibes, Bern-Berlin-Frankfurt-New York-Paris-Wien, 1995, 21 und 31 f.: die Beamten sind Augen und Ohren des Königs, die ihm Bericht erstatten. Auch der Schöpfergott hat somit Millionen von Augen und Ohren, wie die sog. Ohrenstelen, die als Votivgaben für erhörte Gebete viele Ohren darstellen, bezeugen.

191 H. GUKSCH, Königsdienst, op. cit., 37. 192 Urk. IV, 1531, 14. 193 Urk. IV, 1531, 15.

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ger Leistung im Amt war Ma’at-Tun die andere Möglichkeit, die Gunst des Kö-nigs auf den Beamten zu ziehen. Innerhalb der zugewiesenen Aufgaben tat der Beamte Ma’at zum einen für seinen Herrn 194 im Rahmen einer Dienstleistung, zum anderen für die Mitmenschen, wie es aus dem Mittleren Reich bekannt und populär war. Dafür wurde er vom König gelobt. Der Ma’at-Begriff des Alten Reiches ist dabei noch in der Art eines Namens verwendet. Er war ein starrer, an König, Gott oder die von ihnen getragene Ordnung gebundener Begriff 195. Im Mittleren Reich geht Ma’at in vielfacher Weise im rechten Handeln sichtbar werdend vom König aus und wird von den Beamten in gleicher Weise verstan-den und im eigenem Handeln aufgegriffen. Die Verbindung der königlichen Namensgebung mit Ma’at ist hier deshalb nicht starr, sondern programmatisch bekennend. Ich möchte an dieser Stelle die von J. ASSMANN zusammengefaßte Behandlung von Ma’at nicht zusätzlich referieren, sondern vielmehr darauf ver-weisen, daß die von KARL JASPERS aufgezeigte Symptomatik der Achsenzeit-Kultur deutlich einen Durchbruch und eine Entwicklung beschreibt, wie sie im Komplex ‚Ma’at‘ für Ägypten charakteristisch geworden ist: JASPERS nennt „Achsenzeit“ diejenige historische Zeit oder auch Zeitenwende, in der sich Au-ßerordentliches zusammendrängt, in der der Mensch sich seines Daseins im Ganzen, seiner selbst und seiner Grenzen bewußt wird und in der er auch neue Ziele steckt und in bewußter Reflexion soziokulturelle Wandlungen einleitet oder vollzieht 196. Im Alten Reich war noch nicht der Durchbruch zu Reflexivität und Rationalität vollzogen. Diese Entwicklung begann erst gegen Ende des Alten Reiches, setzte sich im Mittleren Reich forciert fort und fand im Neuen Reich ein konzeptionelles Ende 197.

Das Ma’at-Tun für die Mitmenschen scheint allerdings im Neuen Reich be-reits vor Amarna sehr viel enger der Amtstätigkeit für den König untergeordnet worden zu sein, als dies im Mittleren Reich der Fall war. Damals hatte man für

194 Z. B. Statue des Amenophis, Sohn des Hapu, BM 103, Urk. IV, 1830, 9—10, Zeit: Amenophis’

III. 195 Im Alten Reich gibt es in der 4. Dynastie einen Prinzen Nfr-m ct; der Horus-Name des Snofru

ist Nb-m ct. Im Mittleren Reich lautet dann der Herrinnenname Amenemhets II. Hqn-m-m ct, der Sesostris’ II. Sh cj-m ct, der Thronname Amenemhets III. lautet Nj-m ct-R c.

196 K. JASPERS, Vom Ursprung und Ziel der Geschichte, 9. Auflage, München 1988. 197 Siehe J. ASSMANN, Ma’at, op. cit, 26 und 260 ff.; K. JASPERS, Vom Ursprung und Ziel der Ge-

schichte, loc. cit.

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den Armen, Nackten, Hungrigen, die Witwe direkt Ma’at getan, jetzt tat man Ma’at für den König:

„[Ich gab dem Armen] der um Korn bat, weil ich die Ma’at tat für den Herrn der Ma’at. Denn ich wußte, daß er von ihr lebte…“ 198

Geändert hatte sich, daß sich die Beamten der 18. Dynastie vor Amarna offenbar dem König eng persönlich anschließen wollten, möglicherweise bedingt durch die 2. Zwischenzeit. Die ursprünglich doppelte Ma’at-Belohnung durch König und Mitmenschen wurde der Dominanz und der neuerlichen Stärke und Bedeu-tung des Königs für die Beamten ganz untergeordnet. An die erste Stelle trat nun der König.

Die Belohnung für Ma’at-Tun, für einen guten Charakter und für das Er-bringen von Leistung kam daher im frühen Neuen Reich fast ausschließlich vom König. Die Begriffe h zwt und mrwt wurden dabei für die Wertschätzung der Lei-stung der Beamten verwendet: h zwt war hauptsächlich Beförderung, Belohnung durch Güter, Altersversorgung, Ehrengold und Begräbnisausstattung 199, und mrwt war die Liebe zu den Beamten, zu ihren Leistungen und ihrem Charakter (Ma’at), die der König ihnen jetzt zusätzlich und anstelle der Mitmenschen ent-gegenbrachte. Der König der 18. Dynastie stellte für die Beamten nach ihrem Tode aufgrund von h zwt und mrwt deren ‚h tp dj nswt‘, das „Totenopfer“, si-cher 200.

198 TT 181 (7,1) Nb-Jmn / Jpwkj, Zeit: Amenophis’ III. / IV.: …dbh jt jrj n-j m c[t] n nb m ct

jw rh .kwj cnh -f… 199 H. GUKSCH, Königsdienst, op. cit., mit Graphik zum mrwt-h zwt-Gefüge, 43. 200 H. GUKSCH, Königsdienst, loc. cit.

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1.3.1.2. Belohnung von Ma’at-Tun des Beamten durch Gott: ‚Liebe‘

Noch vor der Amarnazeit wurde jedoch die Belohnung des Beamten auch durch Amun möglich. Sehr deutlich ist die Verbindung, die das Ma’at-Tun zu Amun herstellt, auf der Stele der Baumeister Suti und Hor aus der Zeit Amenophis’ III. / IV. Dort heißt es im autobiographischen Teil:

„Mein Herr machte [m]ich zum Leiter deiner (= Amun-Re’s) Bauten, weil er wußte, daß ich sorgfältig war, und weil ich ein tatkräftiger Leiter deiner Bauten war, der die Ma’at tat für dich. Du machst groß den, der sie tut auf Erden. Ich tat sie, und du hast mich groß gemacht.“ 201

Gott tritt als entscheidende Instanz der Beurteilung neben den König. Die Götter loben den Beamten für sein Ma’at-Tun. In der Amarnazeit gibt es dann über-haupt keine Aussagen, daß ein Beamter die Ma’at für Aton tut. Nach der Amar-nazeit rückte Gott in diesem Bereich zu der Instanz auf, an die die Beamten sich direkt wandten. In dieser stufenweisen Entwicklung spiegelt sich der theologi-sche Diskurs des Neuen Reiches in den drei Phasen:

1. Primat, eigenverantwortliches Gegenübertreten des Beamten dem Gott und der Welt,

2. neue Sonnentheologie mit der einen Gestalt des Sonnengottes ─ und dessen einer Rolle als Lebens─ und Schöpfergott und

3. Transzendenz, der Vielheit in der Einheit, oder dem Göttlichen und seinem sich Verbergen in der Welt 202.

201 Urk. IV, 1946, 13—19. 202 Siehe dazu J. ASSMANN, Arbeit am Polytheismus. Die Idee der Einheit Gottes und die Entfal-

tung des theologischen Diskurses in Ägypten, in: H. VON STIETENCRON, Theologen und Theo-logien in verschiedenen Kulturkreisen, Düsseldorf 1986, 68 f., und J. ASSMANN, Ägypten. Theologie und Frömmigkeit einer frühen Hochkultur, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1984, 221 ff.

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Der König belohnte die Leistung des Beamten durch Gunst und sein gesell-schaftliches Wohlverhalten durch Wertschätzung, die auch als persönliche Wert-schätzung mit ‚jb‘ und ‚mrwt‘ in Verbindung gebracht wurde. Er beurteilte den Beamten, soweit er ihn innerhalb seiner dienstlichen Aufgaben kannte 203. Die Beurteilung von Ma’at-Tun und Lebensführung wurde nach Amarna konsequent dem Königsurteil entzogen und der Autorität Gottes überlassen. Im Zuge dieser neuen Kompetenzverteilung zwischen König und Gott nach der Amarnazeit kam es langsam ab der Ramessidenzeit zur Auskoppelung der ‚Liebe‘ aus dem Be-reich des Königs und Verlegung in den Aktions─ und Reaktionsbereich Gottes.

Ma’at als Weltordnung, wie sie im Mittleren Reich noch verbindlich gewe-sen war, wurde nach Amarna nicht mehr weitergeführt, schon weil die Instanz, die dem Menschen das persönlich verbindliche Vertrauen und seine existentielle Sicherheit gab, anstelle des Königs nach der Amarnazeit Gott persönlich wurde. Dem König nach der Amarnazeit blieb vorerst die für die Beamten biographisch wichtige Rolle, sie durch Wertschätzung ihrer Leistungen ideell und materiell zu belohnen und sie zu besten Leistungen im Amt zu motivieren, ihnen damit auch eine gesellschaftliche Existenz zu sichern. Besondere Formen konnte die könig-liche Gunst im Neuen Reich z. B. unter Hatschepsut und Thutmosis III. anneh-men, wo es Beamten gelang, mit Genehmigung der Könige Anteile am königli-chen Totenkult für ihre Gräber in Anspruch zu nehmen 204. Die Hierarchisierung der Beamtenschicht in dem großem Stile des Neuen Reiches mit seiner großen Verwaltung und seinen mächtigen Beamten in der Verwaltung und den Tempeln nahm hier ihren Anfang. Mit Ramses I. als Gründer der 19. Dynastie stieg im-merhin ein Militär-Beamter auf den Thron.

203 Z. B. Stele des Jw.f aus Edfu, Urk. IV, 30, 13—31, Zeit: Ahmose / Thutmosis’ I. 204 So Senmut, der sich unter dem Tempel von Deïr el-Bahari ein eigenes Grab (TT 353) analog

zur Anlage der Königin anlegen durfte, bzw. der Wesir Useramun (TT 61 und 131 ─ Zeit: Thutmosis’ III.), der in seiner Grabkammer königliche Texte anbringen und sich unter den Göttern der Sonnenbarke darstellen ließ; dazu E. HORNUNG, Die Grabkammer des Vezirs User, NAWG, Phil.-hist. Kl., 1961, Heft 5, Göttingen 1961.

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1.3.2. Der ‚niedrige‘ Beamte (Amarna)

In der Amarnazeit gibt es keine Biographien!

Sie haben als Textgattung in dieser Zeit ihre Eigenständigkeit verloren und wur-den in biographische Textelemente aufgelöst, die zu Texten einer anderen Textgattung gehören. Der ihnen zugrunde liegende Diskurs war ausschließlich die Verehrung des Königs. Die sich in der Amarnazeit zweifellos findenden Äu-ßerungen autobiographischen Inhalts sind der Bearbeitung durch HEIKE GUKSCH zufolge nicht als ‚Biographien‘ zu bezeichnen. Diese Meinung wird unterstützt durch die meiner Arbeit zugrundegelegte Definition von ‚Diskurs‘ als: Das auto-biographische Aufzeichnungsbedürfnis, das da lautet: ‚Gedächtnis und Fortdauer der Person‘. Es ist in der Amarnazeit aufgelöst und wird von einem völlig neuen Diskurs überdeckt, der lautet: ‚Lobpreisung Echnatons‘. Es gilt, daß die Textträ-ger von Biographien in der Amarnazeit, die Grabwände, dem Grabinhaber nur einen der Darstellung des Königs untergeordneten Raum zugestehen. Die den Texten und Bildern zugrundeliegende Aussage war vor Amarna sinngemäß:

„handelt so wie ich, dann werdet ihr ein erfolgreiches Leben und Nachleben führen.“

Die Aussage der Amarnatexte lautete hingegen: „verehrt den König, dann werdet ihr gedeihen.“

Die Aussagen variieren inhaltlich von denen der Voramarnazeit beachtlich, u. a. dadurch, daß der Beamte, in Herkunft und Leistungen passiv und ‚gering‘, einem übermächtigen König entgegentritt. Beamte sind gänzlich vom König abhängig. Die Gunsterweise in Form von h zwt und mrwt gehen in der Amarnazeit vom Kö-nig aus, während vor Amarna auch die Götter diese Belohnungen geben konnten. In der Amarnazeit tritt zu h zwt und mrwt der Begriff der nfrw hinzu, mit dem die soziale Schöpfung, die Aufnahme unter die königlichen Beamten bezeichnet wird.

[sd ]mw d d[t]-j jrt nbt cw mj srjjw sd d-j n-tn n nfrw jr n-j p h q k d [d]-tn cwj s<t> n jrjj n pjj nmh

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k h ///-tn n-f h h h b d t m nb twj k jrjj-f n-tn [m]j jr[-f] r-j

„[Hört], [was] ich jedem sage, Großen wie Kleinen! Ich will euch von den Wohltaten erzählen, die mir der Herrscher erwies. Dann sollt ihr sa[gen]: ‚Wie groß ist das, was gemacht wurde für diesen Armen‘. Dann sollt ihr für ihn (den König) Millionen von Ewigkeitsfesten /// als Herr der beiden Länder. Dann wird er für euch handeln, [w]ie [er] mir gegenüber handelte.“ 205

j w c nb ntj m h t-Jtn /// [sd d-j n-tn n] nfrw jr n-j p h q pjj-j nb djt-f n-j nbw m h zwt sp…

„Oh jeder einzelne, der in Achet-Aton (Amarna) ist ///: [Ich will euch erzählen von d]en Wohltaten, die mir der Herrscher, mein Herr, erwies: Was er mir gab, war Gold als Gunsterweis…“ 206

Anrufe an die Nachlebenden werden ersetzt durch Aufforderungen zur Vereh-rung des Königs u. a. m. 207. Die Präsentation des Beamten diente in der Amar-nazeit nur der Verherrlichung des Königs und darf auch nur zu diesem Zweck überhaupt geführt werden 208.

Man muß rekapitulieren, daß die Beamten mit Errungenschaften für sich selbst überwiegend wohlsituiert waren. Sie wurden für die Verwaltung des Lan-des gebraucht und sind in ihren Ämtern erfolgreich ins Neue Reich gegangen. Die Fremdherrschaft der Hyksos hatten sie ohne größere Veränderungen über-standen 209, und in der 18. Dynastie hatten sie sich eng und loyal an den König

205 H. GUKSCH, Königsdienst, op. cit., Beleg (061)03, 176 f. 206 H. GUKSCH, Königsdienst, op. cit., Beleg (061)01, 176. 207 H. GUKSCH, Königsdienst, op. cit., 49. 208 Dieses ist eines der Ergebnisse der Untersuchung biographischer Texte der 18. Dynastie und

der Amarnazeit von H. GUKSCH, Königsdienst, op. cit., 48—51. 209 W. HELCK, Geschichte des Alten Ägypten, op. cit., 135.

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angeschlossen. Echnaton greift nun eine ihrer eigenen alten Tugenden aus dem alten Weltbild der Beamten heraus: er fordert ihre totale Loyalität 210. Als Ge-genleistung wurden Beamte im Amt materiell ausgezeichnet und haben im gün-stigsten Falle ihre Gräber im Felsen von Amarna zugewiesen bekommen, wobei der Totenkult relativ nichtssagend geblieben ist. Andere Privilegien außer Eh-rengold, die die Beamten schon vor der Regierung Echnatons genossen hatten, waren jedoch nicht vorgesehen 211. Auch an andere alte Traditionen wie die der initiativen Amtsführung der Beamten ─ wofür sie den Dank des Königs erhielten und den Dank der Mitmenschen oder Götter ─ und an ihre Anrufe an die Nachle-benden durften sie in ihren Autobiographien nicht anknüpfen. Der König der Amarnazeit war der Gott und Schöpfer 212 des Einzelnen 213. Die Loyalität des Beamten wird Voraussetzung für alles. Nur sein Verhältnis zum König konnte eine Zuwendung des Königs für sich selbst bewirken und über ihn konnte er Gottes Willen kennenlernen. Fazit der oben genannten Untersuchung über das Selbstbewußtsein der Beamten der Amarnazeit ist, daß es:

─ keine Beamten mit dem Selbstbewußtsein der alten ersten Familien Thebens mehr im Dienste Echnatons gab,

─ daß die Beamten der Amarnazeit wahrscheinlich aus dem zweiten Rang von Beamten der alten Verwaltung rekrutiert worden sind, die in die von den alten Familien freigemachten Ränge aufrücken konnten 214,

210 J. ASSMANN, Die „Loyalistische Lehre“ Echnatons, in: SAK 8, Hamburg 1980, 1—32. 211 Dazu TH. VON DER WAY, Überlegungen zur Jenseitsvorstellung in der Amarnazeit, in: ZÄS

123, Berlin 1996, 157—164. 212 Die Ausdrücke qd, jrj und sh pr bezeichnen diese Neuschöpfung und setzen sie gegenüber der

vormaligen Auswahl (stp, d cr, tnj), durch die der König den Beamten vor anderen hervorhob, ab; siehe H. GUKSCH, Königsdienst, op. cit., 27 ff. und Belegstellen.

213 Anstelle der Versorgung (des Ka) des Beamten mit Nahrung, Versorgung und Reichtum, geht es in der Amarnazeit um die Schöpfung generell durch die kreative Kraft des Königs (Ka); so Mrj-R c, Amarna Grab 4, N. DE G. DAVIES, The Rock tombs of El Amarna I, ASE 13, London 1903, Taf. 38, Z. 3 und 5: p h q nfr qd [w]j jr wj sh pr [w]j.. jr n nb twj m k-f ─ „der voll-kommene Herrscher, der [m]ich baute, der [m]ich entstehen ließ…, den der Herr der beiden Länder macht durch seinen Ka“; zitiert nach H. GUKSCH, Königsdienst, op. cit., 31.

214 So wird die Unsicherheit, ob man die Aussagen der Beamten, ihre Stellung und Herkunft be-treffend, wörtlich nehmen soll, zufriedenstellend gelöst. H. GUKSCH, Königsdienst, op. cit, 28—31, schließt aus der Tatsache, daß die genealogischen Linien der großen Beamtenfamilien der Zeit Amenophis’ III. nicht durchzuziehen sind, daß sie keine aktive Rolle mehr im Amarnastaat gespielt haben. Da man aber die Amarnaverwaltung keinesfalls mit Neulingen be-setzt haben wird, können z. B. Beamte vormals zweiten Ranges in diese Funktionen aufgerückt

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─ daß sich die Beamten häufig als „gering“ (nmh ), „ein Armer“ ( h wrw), „der letzte“ ( h rj ph wj ) u. ä. beschrieben haben und damit ihre Herkunft und Stellung vor der Berufung durch Echnaton meinten.

─ Sofern sie vor ihrer Berufung einen theophoren Namen getragen haben, der nunmehr nicht mehr im Einklang mit der monotheistischen Amarnareligion stand, mußten sie ihn ablegen und durch Kunstnamen ersetzen. Nur so sind Namen wie Twtw oder Jjj zu erklären, die fast keinerlei Tradition besitzen und inhaltslos zu sein scheinen 215.

Damit sollte aber nicht nur der eigene soziale Aufstieg angesprochen, sondern auch ein Lob auf den König angestimmt werden, dessen Rolle als ihr Schöpfer festgeschrieben wurde 216. In der Amarnazeit diente die Biographie nicht mehr dem Diskurs und der Fixierung der Identität des Grabherrn, sondern der Fixie-rung der ‚Schöpfung des Beamten‘ durch den König. Erst durch die ausdrückli-che Bezugnahme auf den König „wird aus dem Niemand ein Jemand“, über den es sich zu erzählen lohnt 217. Aber man erfährt praktisch nichts über die Leistun-gen und Eigenschaften der Beamten. Das zeigt, daß das alte Ideal von Loyalität und des systemkonformen Verhaltens der Beamten in der Amarnazeit überstei-gert worden ist. Später war es dann offenbar nicht mehr möglich, zu den alten

sein, für die es dann sowohl zutreffend als auch opportun gewesen ist, den König als ihren Schöpfer und Gott zu beschreiben, und ihre niedere Herkunft festzustellen.

215 Nach H. RANKE, Die Ägyptischen Personennamen, Bd. I, Verzeichnis der Namen, Glückstadt, 1935, I, 8, 8 ist der Name Jjj verschiedentlich aus dem Mittleren Reich bekannt, Twtw wird in H. RANKE, Die Ägyptischen Personennamen, Bd. II, Einleitung, Form und Inhalt der Namen…, Glückstadt 1952, 329, 11, als Name babylonischen Ursprungs angegeben und ist lediglich bei N. DE G. DAVIES, The Rock Tombs of El-Amarna VI, The Tombs of Parennefer, Tutu, and Ay, ASE 18, London 1906, 7—15, belegt.

216 Die ägyptologische Diskussion befaßte sich bereits mit der Wörtlichkeit der Aussagen zum ‚Gering-Sein‘ der Beamten. Die Aussagen als Schmeichelei des Königs bezeichnen zu sollen, meinen v. a. C. ALDRED, Akhenaten, London 1968, 104, DERS., Egypt: The Amarna-Period and the end of the 18th dynasty, in: CAH II, chapter 9, Cambridge 1971, 4 ff., sowie H. KEES, Das alte Ägypten. Eine kleine Landeskunde, 1. Aufl., Berlin 1955, 169, und E. OTTO, in: HdO I. 1, 2, 187. Die Texte wörtlich zu nehmen, vertreten u. a. A. H. GARDINER, Egypt of the Pharaohs, Oxford 1961, 223, W. HELCK, Zur Verwaltung des Mittleren und Neuen Reiches, op. cit., 539, und E. HORNUNG, Grundzüge der ägyptischen Geschichte, op. cit., 101. Diese Angaben stam-men aus der Dissertation von H. GUKSCH, Königsdienst, op. cit., 28. Der Diskussion der be-schriebenen Zusammenhänge mit HEIKE GUKSCH bis etwa zum Jahre 1990 verdanke ich ei-gene Ideen und Erkenntnisse, wofür ich ihr an dieser Stelle sehr danke.

217 jnk bk sh pr n h m-f ─ „ich bin ein Diener, den SM entstehen ließ“ (Jjj, Amarna Grab 25), N. DE G. DAVIES, The Rock Tombs of El-Amarna VI, op. cit., Taf. 24,5; zitiert nach H. GUKSCH, Königsdienst, op. cit., Belegstelle (005) 02, 108 f.

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Idealen zurückzukehren. Gleichzeitig mußte dann nämlich eine gewisse Revision und Neudefinition der Beamtenaufgaben und ─tugenden vorgenommen werden, um die Positionen des Königs und der Beamtenschaft abzusichern und sie in eine der Tradition angemessene und das Geschichtsbewußtsein befriedigende Rela-tion zueinander zu stellen.

In diesem Sinne kann man das Auskommen fast ohne Genealogie, ohne die traditionellen Elemente der Autobiographie mit einer vom König ideologisch verordneten, unumgehbaren Änderung des Diskurses der Biographien gleichset-zen. Das Besondere an diesem Vorgang war, daß der ursprüngliche Diskurs der Biographien, „Gedächtnis und Fortdauer“, der ein von den Beamten selbst defi-nierter Diskurs ihrer Textgattung war, in der alten Form nicht mehr existierte. Damit soll nicht gesagt werden, daß Fortdauer nicht mehr stattfand. Sie ist durch die Amarnagräber gesichert 218. Das Aufzeichnungsbedürfnis lag nun nicht mehr primär bei den Beamten, sondern diente dem König, den der Beamte loben mußte. Damit griff der König für seine Zwecke in die Textkonstituierung der Beamten ein. Die Biographien der Beamten der Amarnazeit formulierten nicht mehr die Welt─ und Jenseitsanschauung des Beamten, sondern reproduzierten die königliche Lehre. Das bedeutet: ebensowenig wie es in der Amarnazeit Au-tobiographien gab, gab es den biographischen Diskurs und ein durch ihn gesi-chertes Fortleben der Beamten nach dem Tode. Echnaton benutzte den Diskurs, indem er sein Aufzeichnungsbedürfnis in ihn hinein verlegte, das lautete: ‚Lob-preis dem König‘. Das Selbstverständnis der Beamten der Amarnazeit kann da-mit nicht mehr anhand der eigenen Textgattung Autobiographie festgestellt wer-den.

Auch die Unterweltsvorstellungen der Beamten sind aus der Amarnazeit nicht greifbar. Es ist anzunehmen, daß damit auch die Bedrohung, die der Tod für Beamte dargestellt hat, die während des Mittleren Reiches durch die Zulas-sung der Beamten zum Totengericht bereits überwunden war, latent wieder vor-handen war. Die Ma’at-Konzeption und die Osiris-Religion mit Ba-Vorstellung hatten sich seit dem Mittleren Reich der Überwindung der persönlichen Bedro-

218 Zu dieser Frage auch TH. VON DER WAY, Überlegungen zur Jenseitsvorstellung in der Amar-

nazeit, loc. cit.

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hung durch den Tod gewidmet. In den Texten der Amarna-Beamten wird das Thema Tod nun jedoch in einer ganz abstrakten Art abgehandelt:

Die Beamten betonten aufgrund der Königsbeherzigung, mit der sie einem gesegneten Alter ruhig entgegensehen konnten, nicht „elend“ zu sein.

bn nmh n rdjw.tw m jb-f bw d d.n-f h.n-j wnn-f h r mtn nfr r ph- f jmh

„Der ist nicht elend, der dich in sein Herz gegeben hat, der nicht sagt ‚Hätte ich doch…!‘ sondern währt auf dem richtigen Weg, bis er die Ehrwürdigkeit erreicht.“ 219

Nähe zum König durch die Befolgung seiner Lehre 220 vermittelte „Seligkeit“ (wd ) 221, „Feststimmung“ (sw m h b) 222, „Beruhigung für das Alter“ ( jwt nfr.t m h zwt) 223. Auch Ma’at fand nur im Zusammenhang mit dem König statt. Man brachte sie ihm, machte sie für ihn, füllte seine Ohren mit Ma’at, indem man sie im Amte tat, denn der König war nach wie vor der, „der von der Ma’at lebte“. Echnaton wurde sogar zu demjenigen, der Ma’at geboren hatte 224.

Die völlige Abhängigkeit der Beamten vom König und die ihnen in den Mund gelegte persönliche existentielle Niedrigkeit, die ohne den König nicht zu überwinden war, machte die Situation, in der sich die Beamten während der

219 J. ASSMANN, Weisheit, Loyalismus und Frömmigkeit (WLF), in: E. HORNUNG - O. KEEL, Stu-

dien zu Altägyptischen Lebenslehren, OBO 28, Fribourg-Göttingen, 1979, 56, A 17; siehe fer-ner A 16, B 4, B 6, B 7.

220 Der König wird sogar als persönlicher Lehrer des Beamten genannt, z. B. Twtw, Amarna Grab 8, N. DE G. DAVIES, The Rock Tombs of El-Amarna VI, op. cit., Taf. 15, Z. 10: jw dww-f r sb-j r c nb n cw n jrj-j sbjjt-f ─ „er (der König) stand früh auf, um mich täglich zu unterwei-sen, weil ich seine Lehre tun sollte“. Ähnlich auch: Jjj, Amarna Grab 25, N. DE G. DAVIES, The Rock Tombs of El-Amarna VI, op. cit., Taf. 25, Z. 14; zitiert nach H. GUKSCH, Königsdienst, op. cit., Belegstelle (070)02, 183.

221 J. ASSMANN, WLF, op. cit., B 6. 222 J. ASSMANN, WLF, op. cit., B 5: „selig, wer dem Herrscher folgt, er ist im Fest Tag für Tag.“ 223 H. GUKSCH, Königsdienst, op. cit., 41 f. und Belegstellen (029)02, (038)05 und (050)01.02,

152. 224 Twtw, Amarna Grab 8, N. DE G. DAVIES, The Rock Tombs of El-Amarna VI, op. cit., Taf. 15,

Z. 8: „nicht tat ich, was SM haßt. Mein Abscheu ist Lüge in meinem Leib als große Abscheu des Königs. Ich hob die Ma’at empor zu SM, weil ich wußte, daß er von ihr lebt. Denn er ist Re, der die Ma’at geboren hat“.

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Amarnazeit befunden haben, in fast keiner Weise vergleichbar mit dem, was sie zuvor bereits für sich errungen hatten.

1.3.3. Der ‚fromme‘ Beamte (Ramessidenzeit)

„Das Ende der Ma’at ist der Anfang der persönlichen Frömmigkeit“ 225. Ma’at gibt es in der 19. Dynastie nur noch in der Einheit mit Göttern, im besonderen in der synkretistischen Form des Amun-Re. Besonders deutlich tritt diese Verände-rung in den Hymen des Neuen Reiches zutage. Ma’at existiert nicht mehr als Wertinstanz. Die Ma’at-Lehre des Mittleren Reiches wird vielmehr in die Theo-logie des Neuen Reiches transformiert und erweitert. Amun-Re wird der „Herr der Ma’at“. Er hat und tut die Ma’at. Hymnen und Gebete werden in die Auto-biographien integriert, oder Biographien nehmen selbst die Formen von Hymnen an 226. Gleichzeitig wird das Vokabular, das für die Beamtenbiographien bezüg-lich des Ma’at-Tuns aus dem Mittleren Reich verbindlich war, nun in die andere Textgattung der Hymnen übernommen. „Überall, wo Amun-Re ‚Herr der Ma’at‘ genannt wird, erscheint er als ethische Instanz, die über die soziale Gerechtigkeit auf Erden ─ und nicht über die kosmische Ordnung! ─ wacht“ 227:

„Der sich nähert, der erhört, der freundlich ist, wenn man zu ihm ruft…, der kommt auf die Stimme dessen, der zu ihm spricht, der den Schwachen rettet vor dem Gewalttätigen,

225 J. ASSMANN, Ma’at, op. cit, 236, 260 ff. und H. BRUNNER, Der freie Wille Gottes in der ägypti-

schen Weisheit, in: Les sagesses du Proche-Orient ancien, Paris 1963, 103—120. 226 Beispiele wären: die biographische Steleninschrift des Mai als Hymnus an Osiris formuliert.

Mai war Opferschreiber im Tempel Sethos’ I. in Abydos, (KRI I, 343,7—344,9), oder bei Ne-ferabu in seiner Stele BM 589, verso Zeile 1 (KRI III 771,15), wo der Anfang in der traditio-nellen Form der Hymneneinleitung als sd d b.w „Verkündigung der Macht“ eines Gottes ge-staltet wird: h .t- c m sd d.wt bw n Pth rsj jnb-f jn…„Anfang der Verkündigung der Macht des Ptah, der südlich seiner Mauer ist, seitens des…“, oder in den Inschriften des Hui, Stele Turin N 50044, KRI III 795,4—8, vgl.: J. ASSMANN, ÄHG, Nr. 151 und des Qen, Stele DeM 320, KRI III 687,3—8, vgl.: J. ASSMANN, ÄHG, Nr. 159; so auch zitiert und genannt bei A. M. GNIRS, Die ägyptische Autobiographie, op. cit., 234 f.

227 J. ASSMANN, Ma’at, op. cit, 261 und Anm. 72 ─ Zitat des pBoulaq 17, nach J. ASSMANN, ÄHG, op. cit., Nr. 75, Hymnus C.

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der das Waisenkind aufzieht…. Er verabscheut das Böse, er, der Rechtschaffene, der die Übeltäter vernichtet in diesem seinem Namen ‚Herr der Ma’at‘.“ 228

Die Maxime „Gott liebt den, der ihn liebt“ 229 bestimmte mit anderen ähnlichen Aussagen seit dem Ende der 18. Dynastie mehr und mehr das Denken der Be-amten. Die vertikale Solidarität vom König zu den Beamten, wie sie im frühen Alten Reich kraft Autorität des Königs funktioniert hatte, wie sie im Mittleren Reich vom König durch Ma’at durchgesetzt worden war, und wie sie in der 18. Dynastie durch den König wiederaufgenommen worden war, verlegte sich jetzt stark auf die persönliche Beziehung zwischen Gott und Mensch. Es wird der Versuch gemacht, Gott aus der jenseitigen, fernen Dimension in die diesseitige, konkret faßbare Welt zu transponieren und einem neuerlichen eventuellen Auto-ritätsverlust eines Königs, verbunden mit dem Verlust von Solidarität des Kö-nigs, durch persönliche Nähe zu Gott vorzubeugen 230.

Die Trennung von mrwt und h zwt setzte sich nun weiter durch. Während h zwt in der Ramessidenzeit weiterhin „Wertschätzung“ der Leistung des Beam-ten durch den König wie in der 18. Dynastie bedeutete, wurde mrwt ganz aus dem Bereich des Königs ausgekoppelt. Es bezeichnete nun die „Liebe“ Gottes für den Beamten. Die mrwt des persönlichen Gottes ist, wie zuvor die mrwt des Königs, die Reaktion Gottes auf verschiedene Leistungen des Beamten. „Liebe“ bedeutete in der Ramessidenzeit das persönliche Verhältnis der zwei Partner 231, Gott und Mensch. Für den Beamten der Ramessidenzeit bedeutete das, daß er sich für sein Verhalten im Amt und in der Gesellschaft persönlich vor Gott zu verantworten hatte. Gott würde Liebe dem Beamten nur dann erwidern, wenn er Ma’at in seinem Tun erkennen konnte. 228 Pap. Leiden J 344 vso. V 1—4 nach J. ZANDEE, Gott ist König. Königssymbolismus in den

antiken Gottesvorstellungen, besonders in der Religion des alten Ägypten, in: C. J. BLEEKER - G. WIDENGREN (Hgg.), Proc. XIIth Congress of the International Association for the History of Religion = Studies in the History of Religion, Suppl. to Numen XXXI, Leiden 1975, 167—178; zitiert auch in: J. ASSMANN, Ma’at, op. cit, 261.

229 E. DRIOTON, Maximes relatives à l’amour pour les dieux, Anal. Biblica 12 (= Studia biblica et orientalia III), Rom 1959, 57 ff.

230 S. dazu J. ASSMANN, Re und Amun, loc. cit. und DERS., Weisheit, Loyalismus und Frömmigkeit (WLF), loc. cit.

231 H. BRUNNER, Der freie Wille Gottes in der ägyptischen Weisheit, op. cit., 108.

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„Die Ma’at ist die große Gabe Gottes: er gibt sie, wem er will.“ 232

Durch die Trennung der Zuständigkeiten von König und Gott gab es nun für den Beamten vertikale Solidarität 233 von zwei Seiten:

1. vom König als Dienstherren, dem man loyal ergeben war und 2. von Gott als Lenker des eigenen Schicksals, der sich dem zuwandte, den er

liebte.

Als weiter in der nachtodlichen Zukunft liegend unterschied sich auch die Hal-tung des Beamten zum König von der zu Gott. Während die typische Haltung der Beamten der Ramessidenzeit zum König die des „Hörens und Folgens“ war, war diejenige zu Gott „Glauben und Beten“. Kontrastiv wurde in der 19. Dynastie gelegentlich der ‚Unglaube‘ der Amarnazeit beschrieben:

„Die Unterwelt und ihre Verfassung war unbekannt geworden durch Ver-gessen“ heißt es im Denkstein Sethos’ I. 234 und gibt zu erkennen, daß das ideologi-

sche Manko des Aton-Glaubens bereits erkannt war. Derjenige, der sich in die Hand Gottes gibt, entzieht sich und sein Tun der Beurteilung durch den König. Sie findet in letzter Instanz nach seinem Tode statt. Für den Gott zu handeln be-deutete jedoch selbstverständlich, gesellschaftlich und dienstlich gut zu handeln, so wie der Gott der Ma’at es von dem Beamten erwartete. In diesem Sinne für die Zeit charakteristisch, wenn auch in dieser Konsequenz nur einmal geäußert, bekennt der Beamte Samut (Kyky) 235 in seiner formal der Erzählung nahekom-menden Autobiographie seine persönliche Verbindung und existentielle Abhän-gigkeit von der Göttin Mut 236:

232 Amenemope 21, 5—6. 233 Siehe hierzu J. ASSMANN, Ma’at, op. cit, 256 ff. 234 Siehe dazu S. SCHOTT, Der Denkstein Sethos’ I. für die Kapelle Ramses’ I. in Abydos, NAWG

1, Göttingen 1964, 38. 235 TT 409, Zeit Ramses’ II. 236 P. VERNUS, Littérature et Autobiographie. Les inscriptions de S-Mwt surnommé Kyky, in: RdE

30, Paris 1978, 115—146. Formal ähnlich auch Amenemhet in TT 82; siehe dazu A. HERMANN, Die Stelen der thebanischen Felsgräber der 18. Dynastie, ÄF 11, Glückstadt-Hamburg-New York 1940, 123 ff.

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cq-j h r jh wt-j wsr-s r d b tw n-cnh , „Daß ich zu meinem Besitz kam, war durch ihre (der Göttin) Kraft und durch (ihren) Odem.“ 237

Dreierlei soll mit diesem Zitat deutlich gemacht werden: 1. Die vormals aus Ma’at gewonnene Solidarität innerhalb der Gesellschaft

wurde zugunsten der persönlichen mrwt-Beziehung zu Gott zurückgenom-men.

2. Ma’at konnte nunmehr in der Einheit ─ hier mit der Göttin ─ getan und er-fahren werden. Im Mittleren Reich war der Beamte aus eigener Kraft zu Be-sitz (Belohnung) gekommen.

3. Scheitern des Lebens wird denkbar, denn ebenso wie die Zuwendung eines Gottes in seinem Ermessen möglich ist, ist auch die potentielle Abkehr Gottes von einem Beamten möglich.

In der Herrschaft Gottes lag alle Möglichkeit. In der bloßen Existenz des Beam-ten lag grundsätzlich keinerlei Berechtigung auf eine angemessene Fortexistenz. In der Ramessidenzeit ist großes standesbedingtes Selbstbewußtsein kultiviert worden. Dieses entsprang einerseits der den Beamten zugestandenen Freiheit des Umganges mit Gott und andererseits dem im Neuen Reich ausgebildeten kultu-rellen Traditionsbewußtsein, besonders der gebildeten Beamten. Beamter zu sein, war ein gesellschaftlicher Status, der sich in vielfacher Weise nutzen ließ. Materiell bot er Belohnung und Versorgung, außerdem bot er soziale Sicherheit, wenn man sich die Gunst des Königs erhielt, er bot Stellung und die Möglichkeit des Aufstieges. Auch war die Stabilität des Status’ der Beamten in der Ramessi-denzeit theologisch so gesichert, daß sie noch nicht einmal fürchten mußten, mit einem schwachen König ihre Stellung zu verlieren. Auch wenn hier die fehlende persönliche Bekanntschaft des Beamten mit dem König wie zum Ende des Alten Reichs eine Rolle gespielt haben dürfte, war der Status, den die Beamten der 19. Dynastie hatten, doch ein anderer. Der Verwaltungsapparat war zum einen sehr groß geworden, so daß einzelne Beamte nicht ohne weiteres auffielen, und zum anderen war es primär der König, der substantiellen Autoritätsverlust

237 P. VERNUS, Les inscriptions de S-Mwt surnommé Kyky, op. cit., 122.

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fürchten mußte. Sobald sich auf seiner Seite Schwächen einstellten, gingen diese zu Lasten des Ansehens des Königs und förderten die Aufwertung Gottes für den Beamten.

Die Größe des Beamtenapparates mag die Entwicklung in dieser Richtung entscheidend vorangetrieben haben. Denn wieder, wie zum Ende des Alten Rei-ches, stützte den König maßgeblich die Loyalität der Beamten und legitimierte ihn. Mit dem Verlust von Ma’at aus der Hand des Königs hatte die irdische Herr-schaft ihre klassische Legitimationsbasis verloren 238. Die Gegenleistung war persönliche Anerkennung. Wurde die Anerkennung jedoch zunehmend unper-sönlich, dann wurde ein anderer Partner gebraucht und dieser konnte in Gott ge-funden werden. Diese Entwicklung ist von den Beamten nach ihren eigenen Be-dürfnissen durchgesetzt worden, besonders als nach den Regierungen Ramses’ II. und Ramses’ III. deren autoritär und personell stark geführte Regierungen von schwächeren und dann fremden Herrscherpersönlichkeiten abgelöst worden sind.

Bewußtseinsgeschichtlich vollzieht sich bis zur Ramessidenzeit diejenige Entwicklung, durch die schließlich die Verbindung zwischen alt und neu ge-knüpft werden konnte. Die Vergangenheit wurde kanonisiert und Memphis, die erste Hauptstadt Ägyptens, wurde zum Ursprungsort des ‚Goldenen Zeitalters‘, wo alle religiöse und politische Tradition ihren Ausgang genommen hatte. Deut-lich nachvollziehbar wird die Rückbesinnung auf die Vergangenheit bei gleich-zeitiger Konzentration auf vorzeigbar religiöse Betätigung. In dieselbe Richtung weist auch die Aufspaltung in die Zweisprachigkeit. Den archaisierenden Ten-denzen der Spätzeit 239, die im folgenden zur Sprache kommen werden, wird hier ein Raum geschaffen, den manche Beamten außerordentlich schöpferisch zu nut-zen wußten 240, und in dem sich die Beamten vor allem für ihre persönliche Gottesverehrung weiterhin entsprechende Freiheit verschafften.

Mit dem Ende der 20. Dynastie ─ um 1100 v. Chr. ─ zerfällt die politische Einheit sicherlich auch aufgrund der inneren, sozialen Lösungsprozesse. Die 3. Zwischenzeit, in der zunächst der Norden und der Süden von Tanis und The-ben aus verwaltet und regiert werden, und in der dann die Libyer und Kuschiten 238 Siehe J. ASSMANN, Ma’at, op. cit, 262 ff. 239 Siehe dazu auch J. ASSMANN, Gibt es eine „Klassik“ in der ägyptischen Literaturgeschichte,

loc. cit. 240 Zusammenfassend: J. ASSMANN, Stein und Zeit. Mensch und Gesellschaft im alten Ägypten,

München 1991.

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herrschen, stellt eine Zeit des Übergangs und auch der Konsolidierung eigener Kräfte im Hinblick auf den sich im ganzen äußeren Umfeld des Mittelmeerrau-mes abzeichnenden geschichtlichen und ethnischen Umbruch dar.

1.4. Die Beamten der Dritten Zwischenzeit und der ägyptischen Spätzeit

1.4.1. Der ‚gottergebene‘ Beamte

Im Jahr 19 Ramses’ XI. übernimmt ein seiner Herkunft nach nicht näher be-kannter Herihor unter Vereinigung der Ämter des Hohenpriesters des Amun, des Wesirs und des Generalissimus’ die Königsherrschaft. Diese Aktion ist zum ei-nen Zeichen des Willens zur Wiederherstellung der inneren Ordnung gegen das äußere Chaos und zum anderen eine absolute Neuerung insofern, als ein Priester auch die weltlichen Ämter an sich reißt. Politisch, theologisch und autobiogra-phisch bricht Herihor damit mit den Traditionen und Dogmen der Vergangenheit und setzt gleichzeitig neue Maßstäbe für individuelles Auftreten. Die Konzen-tration der Ämter in einer Hand sollte dazu dienen, königliche Kontrolle zu de-monstrieren und eine neue territoriale Ordnung zu ermöglichen. Sie führte aber auch dazu, daß die zwischen König und Individuum zu wahrenden Grenzen nun willkürlich variabel erschienen. Es setzte sich eine Ämtervergabe durch, die nicht länger Leistung, sondern Familienzugehörigkeit und Abstammung als Maßstab nahm, was in der Folgezeit die bemerkenswerten autobiographischen Selbstdarstellungen und ─überhöhungen einzelner Amtsträger nach sich zog.

Ein der Literatur der 3. Zwischenzeit und der Spätzeit eigenes Merkmal ist, daß in ihr die rein historischen Quellen, Denkmäler, Annalen der Taten der Kö-nige, königliche Erlasse und Dekrete zunächst seltener zu werden scheinen, wo-hingegen die Autobiographien besonders der Priester und Militärs ab der 22. Dynastie eine zentrale Rolle bei der Fixierung und Überlieferung von persönli-cher und kultureller Identität einnehmen 241. Während aus der 21. Dynastie keine Autobiographien bekannt geworden sind, belegen die Tempelstatuen die neue Art der Selbstpräsentation, aus dem Grab herausgelöst, an der Seite der Götter

241 E. OTTO, Die biographischen Inschriften der ägyptischen Spätzeit, PÄ 2, Leiden-Köln 1954, 4.

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im Tempel am Kult teilnehmend 242. Die Mehrzahl der uns überlieferten Texte stammt von solchen Offizieren und von Priestern, die die Repräsentanten ihrer Zeit sind 243. Diese beiden Berufe, die neben den Verwaltungsbeamten ebenfalls dem König verantwortlich dem Wohle der Gemeinschaft verpflichtet waren244, repräsentierten Status und Kompetenzen. Sie traten ab der 18. Dynastie aus der größeren Undifferenziertheit der Masse von Beamten immer stärker hervor. In der 3. Zwischenzeit und der Spätzeit kamen dann jedoch besonders die Priester durch ihr „Gottesdienertum“ zu besonderem Ansehen 245. Im ganzen Land, be-sonders in Theben, herrschte Amun. In der Art einer identitären Theokratie war Gott mit der 21. Dynastie der Geber aller Dinge und Schöpfer geworden. Amun regierte den thebanischen Gottesstaat nun allein durch Orakel 246. Dies impli-zierte in der Spätzeit erstmals auch das schlechte Ergehen des Menschen. Es konnte sich aus der Abhängigkeit des Beamten von Gott ergeben und gibt zu er-kennen, daß man die Vergänglichkeit der menschlichen Existenz als große exi-stentielle Bedrohung empfunden hat, wie es schon in den Harfnerliedern des Neuen Reiches Ausdruck gefunden hat 247. Dagegen stand das Aufgenommen-werden bei Gott. Neben schlechtem Ergehen des Beamten wurde auch ‚Haß des Gottes‘ gegen einen, den er zurückweist deutlich ─ besonders in Lehrtexten ─ angesprochen:

„Der Gott ist es, der es (= schlechte Gedanken) in das Herz dessen gibt, den er haßt, um seine Güter einem anderen zu geben, den er liebt.“ 248

Dieser und Belege ähnlicher Art dokumentieren für die Zeit charakteristisch Gottes Werk am Menschen. Er führte ihn nach seinem Willen. Dies ist schon seit

242 K. JANSEN-WINKELN, Ägyptische Biographien der 22. und 23. Dynastie, ÄUAT 8, 1. Bd. 1,

Wiesbaden 1985. 243 E. OTTO, Die biographischen Inschriften der ägyptischen Spätzeit, op. cit., 9. 244 Siehe auch B. V. D. WALLE, s. v. Berufsbewertung, in: LÄ I, Wiesbaden 1973, Sp. 715 ff., und

H. BRUNNER, s. v. Berufsethik, in: LÄ I, Wiesbaden 1973, Sp. 717 ff. 245 Siehe auch W. HELCK, s. v. Priester, in: LÄ IV, Wiesbaden 1982, Sp. 1084 ff. 246 J. ASSMANN, Politik zwischen Ritual und Dogma, op. cit., 102. 247 J. ASSMANN, Fest des Augenblicks ─ Verheißung der Dauer, loc. cit. 248 G. LEFEBVRE, Le Tombeau de Petosiris, 3 Bde., Kairo 1923/24, 127,6.

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der 20. Dynastie, der vermutlichen Entstehungszeit der Lehre des Amenemope verbreitet 249, verstärkt sich als Tendenz jedoch noch und dort heißt es u. a.:

„Die Zunge des Menschen ist das Steuer, Gott aber ist sein Pilot.“ 250

Auch solch wichtige Funktion wie das Erweisen von Gunst, die vormals der Kö-nig gegenüber den Beamten wahrgenommen hatte, lag nun in den Händen Got-tes. Damit war auch im Bereich der Amtsführung nicht mehr der König der pri-märe Kommunikationspartner, sondern der Reichsgott Amun.

„Wer sein Herz auf Gottes Weg hält, hält seine Lebenszeit auf Erden. Wem die Gottesfurcht im Herzen groß ist, dessen Gunst auf Erden ist auch groß!“ 251

Das Handeln der Beamten ist nach wie vor auf Gunsterwerb ausgerichtet. Er nimmt jedoch hin, daß Vergeltung von einer nicht weltlichen, an die Lebenszeit gebundenen Instanz vorgenommen wird. Die Verbindlichkeit dieser Vergeltung wurde offensichtlich als zufriedenstellender erachtet, als königliche Belohnung. Während in der 18. Dynastie durch Liebe das persönliche Verhältnis des Beam-ten zum König betont worden war 252, wurde nun die „Gunst“ ( h zwt) dem Gott zugewiesen und trat zu seiner „Liebe“ (mrwt) für den Beamten hinzu.

„Mein Gott liebt mich“ 253 und: „denn ich war der Ma’at befreundet auf Erden, indem ihre Liebe mich umgab…“ 254, nennt nun auch mrj (lieben) und mrwt (Beliebtheit) nicht mehr als: a) vom Beamten ausgehend (Mittleres Reich) und

249 I. GRUMACH-SHIRUN, s. v. Lehre des Amenemope, in: LÄ III, Wiesbaden 1979, Sp. 971 ff. 250 Amenemope XX 5/6. 251 G. LEFEBVRE, Le Tombeau de Petosiris, op. cit., 62,2. 252 In der 18. Dynastie bleibt die Häufigkeit der Erwähnungen der h zwt bzw. mrwt von seiten der

Götter stark hinter denen seitens des Königs zurück (so H. GUKSCH, Königsdienst, op. cit., 39 ff.) und mrwt bezeichnet das „persönliche Moment“, das das Verhältnis des Beamten zum König kennzeichnet.

253 K. JANSEN-WINKELN, Ägyptische Biographien, op. cit., Teil 3, 390, 4.2.25. 254 K. JANSEN-WINKELN, Ägyptische Biographien, op. cit., Teil 3, 376, 3. 10. 17.

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b) auch nicht von den Mitmenschen ausgehend (besonders während des Mittleren Reiches)

c) und auch nicht mehr vom König in Form von persönlicher Wertschät-zung oder Vertrauen (während der 18. Dynastie) ausgehend 255,

sondern einzig in Form von Liebe Gottes für den Beamten. Die soziale In-teraktion ist, auch wenn es Belege gibt, die eine Beliebtheit des Beamten im Land, in seiner Stadt noch nennen 256, praktisch nicht mehr vorhanden. Sie findet fast ausschließlich zwischen den Beamten und Gott statt und ersetzt die gesell-schaftliche Solidarität stiftende Beziehung von Beamten zu ihren Mitmenschen vollständig. In dieser Form religiösen Denkens, das die Aussagen autobiographi-scher Texte der Zeit dominiert hat, verbirgt sich vermutlich, daß der Einzelne, der die Autorität eines Königs geschätzt hat, sie dann in dem persönlichen Gott wiederfand 257. Die Haltung ‚persönlicher Frömmigkeit‘ intensiviert sich in der religiösen Betätigung der Beamten einerseits, sie wandelte sich aber noch, indem Gott noch mehr privatisiert wurde.

Besonders auffällig sind im Bezug auf die Selbstpräsentation und im Ge-gensatz zum gängigen theologischen und kulturellen Pessimismus die großen Grabanlagen der thebanischen Beamten. Sie profitierten, indem sie sich selber ─ anstelle eines Königs ─ monumentalisierten. Die Tatsache, daß die Beamten von Amtes wegen neben den Pflichten auch große gesellschaftliche Rechte und Pri-vilegien hatten, die sie gesellschaftlich stark machten, impliziert, daß andere zu den gesellschaftlich Schwachen gehörten.

Der Kenntnis des sozialen Gefälles lag weiterhin die für die Beamten ver-bindliche Standes-Ethik zugrunde, daß man als Starker für die Schwächeren zu sorgen hatte. Man kann jedoch davon ausgehen, daß die vormals als so wichtig erkannte gesellschaftliche Solidarität nur noch dem Bekenntnis nach vorhanden und bekannt war. Die gängige ‚Ethik‘ in der Spätzeit richtete sich vielmehr vor-dringlich darauf, daß die Beamten sich ihrer Traditionen und Verpflichtungen noch bewußt waren: Sie gaben ein entsprechendes Bekenntnis zu gesellschaftli-cher Solidarität formal ab und sicherten für sich selbst damit den Diskurs ihrer

255 Siehe dazu H. GUKSCH, Königsdienst, op. cit., 39 ff. 256 Siehe dazu die Belege im Vergleich und in der Aufstellung bei K. JANSEN-WINKELN, Ägypti-

sche Biographien, op. cit., Teil 3, 594, s. v. mrj und mrwt. 257 Dazu insgesamt E. OTTO, Die biographischen Inschriften der ägyptischen Spätzeit, loc. cit.

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Biographien im Sinne der Tradition. In der sozialen Realität dürfte es jedoch we-nig auf das persönliche soziale Handeln angekommen sein. Vielmehr ordnete sich das soziale und persönliche Leben der Gottesverehrung unter, dies zeigt die Lehre des Papyrus Insinger deutlich, und Gott richtete in oberster Instanz 258. Somit dürften wahrscheinlich die ethischen, vormals Ma’at-orientierten Grund-sätze nur noch am Rande in eine unmittelbare soziale Versorgungs-Realität um-gesetzt worden sein. Primär war, daß die Kenntnis des sozialen Wohlverhaltens ─ durch Zitat der gängigen Formeln und Texte in der Autobiographie zu erwei-sen ─ eine wohlgefällige Beurteilung des Charakters eines Beamten durch Gott zur Folge hatte.

Die Struktur der Diskurskommunikation hatte sich grundlegend verändert: Der biographische Diskurs im Mittleren Reich hatte die Fortdauer der Beamten im Gedächtnis der Mitmenschen angesiedelt. Fortdauer hatte man durch Ma’at-Tun im sozialen Bereich erlangt. In der Spätzeit wurde nun Wert auf das bei Gott zu erlangende Gedächtnis gelegt, und die Fortdauer sollte ebendort erfolgen. Beides war durch gute Taten für den Gott zu erreichen, die durchaus ─ gemäß den alten Ma’at-Regeln ─ im Bereich der Fürsorge für Mitmenschen liegen soll-ten 259. Der soziale Partner war jedoch nicht mehr der Arme oder Bedürftige, sondern Gott, denn mit ihm findet nun die kommunikative Auseinandersetzung um die Anerkennung der guten Taten, die die Autobiographie nennt, statt. Alle Belohnung lag also bei Gott und offenbarte seinen Willen. Verdienstvoll war in der Spätzeit demnach für alle, die Lehre Gottes gehört zu haben. Sie wurde in den Lehren der Zeit publiziert und verbindet das ethisch-moralische Verhalten des Gottesfürchtigen nun mit Gottgefälligkeit und nicht mit sozialer Anerken-nung. Hier zeigt sich wohl deutlich, daß das Individuelle jetzt in der Zeit größe-rer äußerer Orientierungslosigkeit in die Lehre, die den Gott als Autorität vor den König stellte, eingeflossen ist. In der Konsequenz lag nun auch die Verantwor-tung des Menschen nicht mehr in der Übernahme der Initiative zum Handeln, sondern nur noch in der Verantwortung für die Konsequenz des Handelns: man

258 Siehe dazu: M. LICHTHEIM, Late Egyptian Wisdom Literature in the International Context,

OBO 52, Fribourg-Göttingen 1983, 107 ff. 259 E. OTTO, Die biographischen Inschriften der ägyptischen Spätzeit, op. cit., 26.

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hatte die Folgen seines Handelns vor Gott selbst zu tragen und zu verantwor-ten 260.

Das jrj m ct des Mittleren Reiches unterlag der Eigeninitiative des Beamten gerade im sozialen Bereich. Damit hatte er h zwt (beim König) und mrwt (bei den Menschen) erlangt. In der Spätzeit zählte dagegen das Erlangen der h zwt und mrwt Gottes. Die mrwt wird in der 22.—23. Dynastie als ‚Beliebtheit auf Erden‘ in dem Bewußtsein formuliert, daß man sie später (bei Gott) wiederfinden würde 261. Gab Gott dem Beamten seine Liebe, konnte dieser alles in einem glücklichen Leben tun und erreichen. War der Beamte jedoch Opfer des Gottes-hasses, so war er theoretisch (weil es keine Betroffenen gibt, die mit negativen Auswirkungen auf sich selbst autobiographische Texte verfaßt haben) völlig ausgeliefert und seiner Existenz beraubt, denn er gefiel Gott nicht.

Der grundsätzliche Wandel lag im Wandel des Verständnisses von gesell-schaftlicher Verantwortung. Sie war eigentlich nur noch der Lehre nach relevant und in ihr existent. Inwieweit real noch von Beamten Versorgung von Schlech-tergestellten übernommen wurde, ist nicht belegbar. Die Augenfälligkeit der Hinwendung zu Gott in Politik, Architektur, Literatur, in autobiographischen Kontexten läßt erkennen, daß der soziale Akt, den die Ma’at des Mittleren Rei-ches forderte, und der Akt des Glaubens, den die Ramessidenzeit neben das Handeln im Amt stellte, sich in der Spätzeit weitgehend aufgelöst hat. Die fatali-stische Gottgläubigkeit, die zwar hin und wieder noch von Beamten zur eigenen Selbstdarstellung eingefügt worden ist, schloß das intellektuell aktive Eingreifen des Beamten in seinen biographisch relevanten Lebensplan weitgehend aus bzw. erkannte es nur im Rahmen der Lehre an. Das Befolgen von Lehren anderer Au-toritäten, etwa der eines Königs, wurde demnach gleichsam als nutzlos hinge-stellt. Der Verlust der äußeren Ordnung wurde kompensiert durch eine über-mächtige Autorität Gottes, eine innere Ordnung. Das traditionell gewachsene Regelsystem sozialen Handelns wurde weitgehend irrelevant durch die Ablösung des Sozialpartners. Der Diskurs jedoch konnte erhalten bleiben, weil omnipotent nun Gott auch die Funktion des Sozialpartners übernahm und damit sowohl Ge-

260 K. JANSEN-WINKELN, Ägyptische Biographien, op. cit., Teil 3, 414, 5.7.7. 261 Belege zu der Initiative, die der Beamte an den Tag legt, weil er von Gott gelenkt wurde, findet

man bei K. JANSEN-WINKELN, Ägyptische Biographien, op. cit., Teil 3, z. B. 4.1.9, 4.1.18, 4.1.21, 4.1.29, 4.1.30, 4.1.34, 4.1.38, 4.2.1, 4.2.4, 4.2.6—4.2.9.

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dächtnis als auch Fortdauer sichern konnte. Nachweislich waren die Maximen der Lehren und die Formeln des Mittleren Reiches in der Spätzeit noch bekannt, sie wurden jedoch nur noch reproduziert. In der Phraseologie der Beamtenbio-graphien sind daher in dieser Zeit auch kaum neuere Wendungen erkennbar, die die Überarbeitung der älteren Themen erkennen ließen.

Die genannten äußeren und inneren sozialen und politischen Mißstände der Zeit prangert u. a. die bereits in der 20. Dynastie entstandene Beamtenlehre des Amenemope an. Ihre Verbreitung in der Spätzeit ist gesichert und um so ge-wichtiger, als sie vorausblickend schon in der Ramessidenzeit die sich abzeich-nende Entwicklung erkennen läßt. Neben den alten Tugenden, die sie rühmte, prangerte sie an, daß Beamte ihre Stellung gegen Schwächere ausnutzten, daß sie korrupt waren und einen Reichen wegen seines Reichtums vor dem Schwachen bevorzugten. Amtsmißbrauch und Korruption oder Begünstigung von Rei-chen 262 thematisierte und verbot die Lehre folgendermaßen:

„Verdirb nicht einen Mann im Gericht und schiebe nicht den beiseite, der im Recht ist, indem sich dein Blick der reichen Kleidung zuwendet und du den fortjagst, der ärmlich angezogen ist. Nimm keine Bestechung von einem Reichen und unterdrücke nicht in seinem Interesse den Schwachen. Gerechtigkeit ist eine große Gabe Gottes, er gibt sie dem, den er liebt.“ 263

Es ging um das Verhalten jedes einzelnen Beamten und um das des ganzen Stan-des, der sich einen Kodex erstellt hatte, den man als eine ‚Ethik‘ durch ‚Soll-Be-stimmungen‘ beschreiben kann. Der Unterschied zur Ma’at des Mittleren Rei-ches lag neben der neuen, starken Überzeugtheit von der Bestimmtheit des Men-schen durch die Einwirkung des Willens Gottes, in der direkten Kommunikation mit Gott. Daraus folgte die prinzipiell andere Orientierung sowohl der autobio-graphischen Texte, wie auch der Lehren dieser Zeit. Die Lehren sollten, wie von 262 H. BRUNNER, Zum Verständnis der archaisierenden Tendenzen in der ägyptischen Spätzeit, in:

Saeculum 21, Freiburg-München 1970, 160 f. 263 Amenemope 20.21—21.6, s. dazu I. GRUMACH, Untersuchungen zur Lebenslehre des Amenope,

MÄS 23, München-Berlin 1972.

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alters her, das notwendige Durchgreifen gegen äußere schlechte politische Zu-stände oder die Ordnung störende Personen seitens der Herrscher stützen. Den Autoren bzw. Initiatoren der Lehre ging es dabei auch um die Verbreitung der neueren Gottes-Lehre ─ durch Betonung des Eingreifens Gottes in alle zu re-gelnden menschlichen und gesellschaftlichen Belange, jedoch nur zu dem Zweck, mit Gott als Richter den Forderungen der Lehre ─ Wiederherstellen der äußeren und inneren Ordnung ─ zusätzlichen Nachdruck zu verleihen und eigene Macht zu sichern. Daß dies nicht nur den Königen von Tanis und Theben zu Wohlstand und Monumentalität gereichte, belegen die Biographien der mächti-gen Priesterbeamten Thebens. Dabei wird der Verfall der sozialen Kommunika-tion während der ganzen 3. Zwischenzeit und der Spätzeit monumental und bio-graphisch offenkundig.

Die letzten Lehren in altägyptischer Tradition, die des Anchscheschonqi, des Papyrus Insinger und anderer Weisheitstexte 264 belegen zum einen, daß die Nützlichkeit didaktischer Texte erkannt worden ist, die dann auch in der klassi-schen Form abgefaßt worden sind. Sie belegen ferner das Vorhandensein oder die Wiederaufnahme des alten Lehren-Diskurses, der lautete: ‚Festschreibung und Festigung der Autorität des Königs‘. Die Verantwortung der Wiederherstel-lung innerer und äußerer Ordnung konnte somit auch nach dem traditionellen Verständnis weitergeleitet werden an die Beamten. Sie waren sowohl für die Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung wie auch für ihre Umkehrung, nämlich Mißstände verantwortlich. Als augenfällige Indikatoren für soziale Ungleichheit in der ägyptischen Gesellschaft seien die Prachtgräber der thebanischen Beamten genannt. Sie haben gleich Herrschern über Privilegien und Wohlstand verfügt und ihn zur Schau gestellt. Man kann wohl annehmen, daß sich die Beamten ihre Gräber nicht allein durch arbeitsame Dienstausführung und Belobigung durch den König verschafft haben, sondern daß sie ihre Eigeninitiative zum eigenen Nutzen umgewandelt haben und ihr Amt vordringlich für die privaten Belange benutzt haben. Dabei mußten sie offenbar auch nicht befürchten, unter eine re-striktive Kontrolle der aus dem Delta regierenden Könige zu fallen.

264 Zuletzt siehe zusammenfassend und in diesem Sinne M. LICHTHEIM, Late Egyptian Wisdom

Literature in the International Context, loc. cit.

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Die Lenkung des Menschen durch die aus dem Herzen wirkende Gottheit der Spätzeit steht äußerlich der „Lehre vom Herzen“ 265 des Mittleren Reiches zwar nahe, sie setzt jedoch anstelle des Herzens auch Gott und läßt den Men-schen völlig fremdbestimmt, sogar ohne eigene Verantwortung zurück. Dann ist es der Gott, der den Beamten ihr Handeln eingegeben hat. Die Situation der Be-amten kann vor solchem sozial─ und geistesgeschichtlichen Hintergrund als:

a) passiv / schicksalsergeben gegenüber Schwächeren und / oder: b) selbstbezogen und dadurch im sozialen Tun passiv gegenüber den Kö-

nigen bezeichnet werden. Ein persönliches Verhältnis zum Dienstherren und Kö-

nig hat es i. d. R. nicht mehr gegeben, und das einzig ‚wertvolle‘ persönliche Verhältnis war das zu Gott. Die eigenen Texte wurden in archaischer Form re-produziert, womit man sie ─ und sich mit ihnen ─ in den traditionellen, sicheren Kontext hat stellen wollen 266.

Bei den Neuerungen, gerade im religiösen Bereich, den die Spätzeitbiogra-phien gegenüber denen der vorangegangenen Zeiten offenlegen, dominiert die Suche nach festen Formen. Es ist bemerkenswert, daß eine persönliche Meinung zu Vorgängen des täglichen und sozialen Lebens nur noch sehr selten geäußert und dennoch die Selbstpräsentation selbstbewußt und selbstüberhöhend geführt worden ist. Betrachtet man die für die Spätzeit in dieser Form repräsentativen Belege nur zu den Autobiographien der 22. und 23. Dynastie, die KARL JANSEN-WINKELN gesammelt hat, so finden sich unter den 359 Belegen in den Kapiteln „Öffentliche Tätigkeiten“ und „Eigenschaften und Verhalten“ nur etwa 40 Äuße-rungen, die als Äußerungen gewertet werden können, die konkret soziales Tun benennen 267. So war es z. B. auch nicht zu hoch gegriffen, daß der Beamte durch sein Handeln eine Göttern gleiche Stellung erlangte. Er wurde Gott sogar gleichgesetzt 268. Dies zeugt von einer äußerst selbstgefälligen Haltung der Auto-ren solcher Texte, die nur in höchsten Ämtern stehen konnten. In der Tat gehör-ten die in der Spätzeit biographisierenden Leute einer gehobenen sozialen

265 J. ASSMANN, Ma’at, op. cit, besonders 119 ff. 266 Dazu H. BRUNNER, Zum Verständnis der archaisierenden Tendenzen in der Spätzeit, op. cit.,

151—161. 267 Siehe K. JANSEN-WINKELN, Ägyptische Biographien, op. cit., Teil 3, 335—380, z. B.: 340 f.,

2.3.6, 2.3.10; 344, 2.6.1, 2.6.3, 2.6.8; 364 f., 3.7.1—3.7.4, 3.7.8—3.7.10, usw. 268 E. OTTO, Die biographischen Inschriften der ägyptischen Spätzeit, op. cit., 36.

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Schicht an, die sich anstrengte, ihre geistigen Vorfahren in den Feudalherren der 1. Zwischenzeit bzw. Herakleopoliten-Zeit zu sehen 269. Dies gab ihnen die Möglichkeit, die alte Werteordnung zwar zur Grundlage ihrer Ethik zu machen, jedoch auch zu postulieren, daß sich infolgedessen auch die geordneten dama-ligen Verhältnisse von Mensch zu Mensch vor Gott jetzt wieder einstellten, bzw. daß sie vorhanden waren 270.

Die Autobiographien der 25. und 26. Dynastie führen nun in letzter Instanz die Tradition zu ihrem Abschluß und greifen teilweise auf die Themen und Phra-seologie der Autobiographien der 1. Zwischenzeit und des Mittleren Reiches zu-rück 271, weitgehend ohne die eigene Zeit und die Existenz in dieser Zeit zu kommentieren. Dies ist um so erstaunlicher, als sich das Ende der langen eigenen Kulturgeschichte deutlich abgezeichnet haben muß durch die zunehmenden Fremdherrschaften ab der Mitte des 1. Jts. v. Chr.

In der Spätzeit wird eine Art „Sehnsucht nach dem Ursprung“ deutlich und „verbindet sich mit gewisser Aversion gegen die eigene jüngere Geschichte“ 272. Eine solche Aversion mußte entstehen, wenn die geschichtliche Progression merkwürdigerweise nicht mit eigenen neuen Inhalten gefüllt und gesellschaftlich mitvollzogen werden konnte. Hier ist wohl auch nicht jene Rezeption der Ge-schichte gemeint, die uns in den Priesterstammbäumen oder der posthumen Ver-ehrung der alten Könige oder in dem Geschichtswerk des MANETHO aus der Ptolemäerzeit überliefert ist. Vielmehr geht es um die sozial-geschichtliche Pro-gression der Gesellschaftsgruppe der Beamten in der historischen Geschichte und daraus folgernd um die Produktion von eigener Geschichte und Identität. Besonders Identität ist in den Spätzeitbiographien nur als reproduziert erkennbar. Sie ist nicht neu produziert worden.

Kommunikation innerhalb des kulturellen Systems hat nicht mehr stattge-funden, da das individuelle Gedächtnis den Bereich der Kommunikation nicht

269 E. OTTO, Die biographischen Inschriften der ägyptischen Spätzeit, op. cit., 41. 270 E. OTTO, Die biographischen Inschriften der ägyptischen Spätzeit, op. cit., 78 f. 271 S. auch die Biographie des Ibi bei: K. P. KUHLMANN - W. SCHENKEL, Das Grab des Ibi, Ober-

vermögensverwalters der Gottesgemahlin des Amun. Thebanisches Grab Nr. 36, Bd. 1, 73—75, Taf. 25—26, Mainz 1983 und besonders behandelt bei: P. DER MANUELIAN, Living in the Past. Studies in Archaism of the Egyptian Twenty-sixth Dynasty, London-New York 1994, 7—10 und Doc. 2—3.

272 Zu diesen Phänomenen siehe M. ELIADE, Kosmos und Geschichte. Der Mythos der ewigen Wiederkehr. Wiederabdruck, Frankfurt a. M. 1986, besonders Kap. III. 3., 169 f.

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mehr betroffen hat. Das bedeutet, daß es nicht mehr zu Innovationen ─ Brüchen ─ Restaurationen kam, sondern, daß lediglich das Vorhandene rezipiert und re-produziert, nicht aber Neu-Errungenes produziert worden ist 273. Man kann wohl davon ausgehen, daß man sich in der Spätzeit der eigenen Unproduktivität ─ zu-mindest latent ─ bewußt war. Denn im Rückgriff auf die alten Formen und In-halte von Autobiographie zeigte sich dem Beamten, wenn er sich eine biographi-sche Geschichte zusammensetzte, das Alte, nicht das Eigene. Dies entsprach sei-ner spätzeitlichen Lebenssituation und ist charakteristisch für die Autobiogra-phien dieser Zeit. Die Beamten der Spätzeit waren selbstbewußt genug, sich dennoch biographisch zu präsentieren. Das Ende der autobiographischen Tradi-tion der Beamten ist auch das Ende ihrer gesellschaftlichen Identitätsentwick-lung. Status und Selbstbewußtsein hatten sich in linearer Form immer auf der Basis des Vorausgegangenen aufgebaut. Sie hatten sich so lange immer weiter entwickelt, bis sich Identität und Präsentation der Persönlichkeit gegen das Fremde nicht mehr durchsetzen konnten. Die Kontinuität der Entwicklung des Selbstbewußtseins und der Beamtenidentität kam ab jenem Zeitpunkt zu einem Ende, ab dem jeder Einzelne nicht mehr in der Solidarität der Gesellschaft ge-borgen und versorgt war. Dies trat ein, als die traditionell vom König ausgege-bene Ordnung nicht mehr für alle in gleicher Weise galt und damit auch nicht mehr gesamtgesellschaftlich verbindlich war.

273 Siehe dazu J. ASSMANN, Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identi-

tät in frühen Hochkulturen, München 1992, 22 f.

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2. Anbringungsorte von Autobiographien 2.1. Autobiographien im Grab 2.1.1. Grabgedanke

Ich möchte bei der Beschreibung der Entwicklung des Grabgedankens die Mei-nung für sehr wahrscheinlich halten, daß zunächst „die Autobiographie nicht der Fortdauer der Person, sondern der Fortdauer des Grabes gedient hat“. Es wird deutlich, daß das Grab als sakraler Raum dadurch, daß der Grabinhaber versi-chert, er habe durch sein wohlgefälliges Tun beim König in hoher Gunst gestan-den, eine vor den Bildern und Texten hervorgehobene Stellung einnimmt. Der Tote weist sich dort als trefflicher Verklärter aus, dem Opfergaben zu spenden sind und der den Spendern und Grabbesuchern von Nutzen sein kann, ebenso, wie Grabschänder strenge Strafen zu erwarten haben 274. Die Nennung des Na-mens und dann auch die Bitte um Totenopfer als früheste Partien der Autobio-graphien weisen das Grab einer Person zu und die Person dem Grab. Das Grab selbst war funktional als Raum, der die Bestattung aufnehmen sollte, später dann als Wohn─ und Kommunikationsraum des Verstorbenen mit den Göttern und Nachlebenden definiert. Durch die Bilder und dann auch die Inschriften nahm der ursprünglich undekorierte Grabraum weitere Diskursträger in sich auf und stellte sich der Rezeption der Autobiographie zur Verfügung. Texte und Bilder waren dem Diskurs des Grabes untergeordnet. Erst ab etwa der 6. Dynastie ist die Autobiographie zur persönlichen Selbstdarstellung und Selbstverewigung konzipiert worden. Erst dann wurde das Grab Textträger und Rahmen für die Biographie. Von ihm lösten sich später Stele und Statue ab. Das Grab diente der individuellen Selbstdarstellung und Konservierung. Es war aber auch „Ausdruck der Identifikation des ‚Ich‘ mit einem überindividuellen Menschenbild, sowie mit dem Status und der Rolle eines ‚Grabherren‘ ( jmh w)“ 275.

Das Grab ist im alten Ägypten zunächst gedacht gewesen als der irdische Aufenthaltsort des Toten. Dem irdischen Wohnraum nachgebildet, ist es seiner Ausstattung nach ─ mit Hallen, Höfen und Vorratsräumen ─ speziell für die Be-dürfnisse des Toten angelegt 276. „Das Grab als Wohnhaus“ 277 kommt gerade in

274 E. SCHOTT, Die Biographie des Ka-em-Tenenet, op. cit., 72. 275 J. ASSMANN, Sonnenhymnen in thebanischen Gräbern, op. cit., XI. 276 D. ARNOLD, s. v. Grab, in: LÄ II, Wiesbaden 1976, Sp. 826 ff.

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der frühen dynastischen Zeit semantisch der Vorstellung des Ägypters von der Fortexistenz seines irdischen Lebens sehr nahe und entwickelt sich von da aus zu demjenigen Ort, der im Neuen Reich schließlich als „Haus der Ewigkeit“ (pr d t) bezeichnet wird und als Abbildung des Jenseits verstanden werden will.

Schon ab frühdynastischer Zeit legten Beamte ihre Gräber in die unmittel-bare Nähe der Grabanlage des Königs, so vor allem in Saqqara, wo der private Grabbau sich ab der 2. Dynastie ausgeprägt entwickelt hat. Die Mastabas tragen auf ihren Innenwänden Darstellungen von Grabbeigaben sowie in einer Kultka-pelle Reliefs und Inschriften 278. Die Thematik dieser Reliefs, gerade in der Kultkapelle, in der der Tote seine Beziehung zu den Lebenden fortsetzen wollte, erweiterte sich fortan beachtlich, was man besonders an den Darstellungen und der Architektur der Mastabas ab der 5. Dynastie verfolgen kann. In der 5. Dynastie nahm in den meisten Fällen noch das Grab die Person auf und prä-sentierte sie architektonisch und durch die Reliefs. Nur kurze Zeit später fand der deutliche und generelle Wandel in der Bewertung des Individuellen statt. Dann nämlich diente das Grab mit der Autobiographie der Fortdauer der Person 279. Der geschriebene Text trug alles Wichtige des Lebens des Beamten in das Grab, die Wohnwelt des Verstorbenen hinein und an diejenigen heran, die es besuch-ten. Das Grab sollte dem Toten Aufenthaltsstätte sein, die so reich und lebendig zu sein hatte wie irgend möglich. Dabei war nunmehr die Persönlichkeit eines Grabherren weder an die Räumlichkeit noch an die Materialität der Grabarchi-tektur gebunden. Sie generierte sich aus der eigenen Leistung, aus der eigenen Initiative, die zur „Ehrwürdigkeit“ führte. Diese strebte ein Grabherr im Laufe des Lebens an.

Der ab der 5. Dynastie wichtiger werdende, auf den Fassaden 280 und in den Gräbern plazierte autobiographische Text war eingebettet in den Kontext der Szenen des Grabes. Diese Szenen betrafen Darstellungen aus dem diesseitigen Leben des Grabherrn. Hier ist besonders die Präsentation der Familie zu nennen.

277 A. SCHARFF, Das Grab als Wohnhaus in der ägyptischen Frühzeit, SBAW, Phil.-hist. Kl.,

1944—46, Heft 6, München 1947. 278 W. S. SMITH, A History of Egyptian Sculpture and Painting in the Old Kingdom, 2. Aufl., Bo-

ston 1946, 148 ff. 279 Dazu E. SCHOTT, Die Biographie des Ka-em-Tenenet, op. cit., 455, wo ebenfalls wie folgt be-

zweifelt wird: „Inwieweit das Grab seinerseits der Fortdauer der Person diente, (…) steht auf einem anderen Blatt.“

280 Siehe dazu auch P. KAPLONY, Studien zum Grab des Methethi, op. cit., 43 ff.

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Ebenso wichtig waren die Darstellungen des täglichen Lebens, die sich gleich-sam auf das gewünschte jenseitige Leben bezogen. So beispielsweise die Szenen von Fisch─ und Vogelfang, Brotbäckerei, Bierbrauen, etc. Für diese Dinge zu Lebzeiten gesorgt zu haben, rühmte sich ein Grabherr in seiner Autobiographie, ebenso wie er sie sich für seine Jenseitsexistenz erhalten wollte (Beispiel: die genannten Mastabas des Alten Reiches und das Grab des Anchtifi in der 1. Zwischenzeit).

Die Ergänzung der Grabdekoration durch autobiographische Inschrift ist ab der 4. Dynastie im Grab des Beamten Metjen in Saqqara zu belegen 281. Beson-ders aber wird diese Kombination ab der 6. Dynastie üblich, von wo ab autobio-graphischer Text und Szene gemeinsam fest zum Dekorationsprogramm des Grabes gehörten. Ab dieser Zeit setzte sich das Felsgrab als die den örtlichen Gegebenheiten angepaßte Grabvariante immer stärker durch. Solche Verschie-bung fällt zeitlich mit dem Ende des Alten Reiches zusammen. Sie steht auch in Zusammenhang mit der Abwanderung von Beamten aus den Zentren Memphis, Giza und Saqqara in die Provinzen. Es kommt zur Errichtung von Provinzver-waltungen unter Aufsicht entsandter Personen, die sich den lokalen Gegeben-heiten anpassen und Gräber dort anlegen mußten, wo geeigneter Raum war. In Mittel─ und Oberägypten bot der Felsen Raum für die Vorhöfe, Kammern und Schächte entsprechend repräsentativer Grabanlagen 282.

Die Felsgräber der 1. Zwischenzeit und des frühen Mittleren Reiches weisen in Architektur und Dekoration die Eigenheiten der Persönlichkeiten der Grabbe-sitzer auf. Sie sind untereinander kaum verwandt, da es keinen Kanon, keine festgelegten Repertoires gab. Dafür sind sie in einer geradezu einzigartigen Weise frei in Formen und Inventar und z. T. ausladend in ihrer Selbstpräsenta-tion.

In der Schwäche des Königs des Alten Reiches wird der individuelle Frei-raum erkannt. Es entsteht unter den Fürsten der Provinzialverwaltungen der 1. Zwischenzeit eine Art Wettbewerb, der die Blüte nun fast ‚explosiv‘ hervor-bringt, und der bis in die 12. Dynastie hineinreicht 283. Der Ehrgeiz, einander zu 281 K. GÖDECKEN, Eine Betrachtung der Inschriften des Meten im Rahmen der sozialen und recht-

lichen Stellung von Privatleuten im ägyptischen Alten Reich, ÄA 29, Wiesbaden 1976. 282 H. BRUNNER, Die Anlagen der ägyptischen Felsgräber, ÄF 3, Glückstadt-Hamburg-New York

1936. 283 H. BRUNNER, Die Anlagen der ägyptischen Felsgräber, op. cit., 74 ff.

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übertrumpfen, wird sowohl in der Grabarchitektur als auch in den autobiographi-schen Texten deutlich. Auch die Form des Grabes ändert sich. Die Rechteckform des Alten Reichs-Grabes wird aufgegeben, und man baut die Gräber mehr in die Tiefe 284. Man orientiert sich an der Tempelarchitektur, in der das Prinzip des Weges dominant wirkt 285. Auf diese Weise zeigt sich das schon in der 1. Zwischenzeit aufkommende neue Selbstbewußtsein der Beamten, die jetzt oftmals Nähe zu einer lokalen Gottheit in einem Stadttempel zeigen und pflegen wollten.

Das Grab in dieser Zeit vor dem Mittleren Reich war ─ auch aufgrund sei-ner Lage in der Provinz ─ Zeichen der Unabhängigkeit, Herrschaft und Tatkraft des Grabherrn. Durch ihre Größe war die Grabanlage der äußerlichen Welt be-sonders in den Provinzen sehr verbunden. Sie hat meiner Meinung nach für die Residenzen der Gaufürsten eine Art Zentrum anstelle des Königspalastes darge-stellt. Sowohl Grabvorplätze als auch die Innenräume von Gräbern dürften ge-eignet gewesen sein, lokale Versammlungen aufzunehmen, Feste zu feiern, Han-del zu treiben, oder aber auch Rechtsangelegenheiten besprechen zu lassen. Des Gaufürsten Grab könnte in einem Gau ein solch angemessener und besonderer Ort gewesen sein, der gesellschaftlichen Ereignissen einen repräsentativen Rah-men gegeben hat.

Hier bereits hat sich nach der Reichseinigung der erste epochale Wandel in Bedeutung und Konzeption des Grabes vollzogen: Vom Symbol der Auszeich-nung eines zur Umgebung des Königs gehörenden Beamten zum Statussymbol des Gaufürsten der Zeit ohne Zentralverwaltung. Außer der Macht der Gaufür-sten entwickelte sich auch ihr Selbstbewußtsein und ihre Hinwendung zu Gott. Dies manifestierte sich in Architektur und Schrift gleichermaßen auffällig und als Novum. Die Autobiographie trat semantisch expressiv in den Vordergrund. Sie wurde in der Halle angebracht oder trat aus dem Grabinneren heraus. Sie wurde dann u. a. an den Grabfassaden präsentiert (z. B. Assiut) 286.

284 H. BRUNNER, Die Anlagen der ägyptischen Felsgräber, op. cit.; 74 ff., ferner D. ARNOLD, Gra-

bungen im Asasif 1963—1970, Bd. 1., Das Grab des Jnj.jtj.f. Die Architektur, AV 4, Mainz 1971.

285 J. ASSMANN, Sonnenhymnen in thebanischen Gräbern, op. cit., XVII. 286 H. BRUNNER, Die Anlagen der ägyptischen Felsgräber, op. cit., 74 ff., und E. EDEL, Die In-

schriften der Grabfronten der Siut-Gräber in Mittelägypten aus der Herakleopolitenzeit, ARWAW 71, Opladen 1984.

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Eine weitere Wende im Grabbau zeichnet sich mit Etablierung der Residenz in Theben ab 287. Dort wurden die Saff-Wohnhaus-Gräber von Beamten in den Felsen oberhalb und in der Nähe des Mentuhoteptempels der 11. Dynastie von Deïr el-Bahari mit bekanntem Dekorations─ und Textprogramm angelegt 288. In den Provinzen des Bereiches von Herakleopolis, in Assiut und auch in Assuan z. B., gewannen die Gräber der lokalen Fürsten an Größe und entwickelten sich palastähnlich mit ausgedehnter Außenanlage 289 und hallenartigen Innenräumen. In den Grabanlagen der 12. Dynastie unterstützte, wie schon bei den Saff-Grä-bern, das ‚Prinzip des Weges‘ die Architektur. Die dazugehörende Dekoration wirkte dabei in der für die weitere Grabentwicklung ab dem Mittleren Reich ty-pischen Weise, nämlich als Komplementierung von Architektur und Schrift. Es bildete sich ─ neben dem der lokalen Tradition folgenden Felsgrab ─ das monu-mentale Fürstengrab im Zeichen des Aufschwunges und der Festigung des Kö-nigtums heraus. Das sind z. B. die Anlagen der drei Gaufürsten mit Namen Dje-faï-hapi in Assiut 290 oder diejenigen der Fürsten von Qau el-Kebir 291. Die Bau─ und anderen Denkmäler des Heqa-ib auf Elephantine zeigen, daß dem Grab auch noch weitere Kult─ und Verehrungsstätten lokaler Potentaten angegliedert sein konnten 292. In den Aufwegen zu den Fürstengräbern möchte man die Nachah-mung der Außenanlagen der königlichen Pyramiden erkennen 293. Besonders sichtbar wird der ‚Weg‘ dort, wo der Fußboden zu einem Sanktuar hin ansteigt. In diesem Merkmal fand ab dem Mittleren Reich die Tempelarchitektur Eingang in das Beamtengrab. Es gab nun außerdem auch solche Gräber, deren Architek-tur und Dekoration sich intensiv dem Ausdeuten des Jenseits widmeten 294. Es

287 Zu den Gräbern der 11. Dynastie siehe auch D. ARNOLD, Das Grab des Jnj.jtj.f, op. cit.,

Kap. IX, 36 ff. 288 Zur Entwicklung der thebanischen Nekropole siehe auch D. EIGNER, Die monumentalen Grab-

bauten der Spätzeit in der thebanischen Nekropole, Österreichische Akademie der Wissen-schaften, Bd. VIII, Wien 1984, 21 ff. und auch D. ARNOLD, Gräber des Alten und Mittleren Reiches in el-Tarif, AV 17, Mainz 1976.

289 Z. B. Siut I, 317, nach H. BRUNNER, Die Texte aus den Gräbern der Herakleopolitenzeit von Siut, ÄF 5, 1937.

290 H. BRUNNER, Die Texte aus den Gräbern der Herakleopolitenzeit von Siut, loc. cit. Zur Bio-graphie des Djefaï-hapi I. aus der Zeit Sesostris’ I.; siehe besonders Urk. VII, 53 ff.

291 H. STECKEWEH, Die Fürstengräber von Qaw. Veröffentlichung der E. VON SIEGLIN-Expedition in Ägypten 6, Leipzig 1936.

292 L. HABACHI, Elephantine IV. The Sanctuary of Heqaib, AV 33, 2 Bde., Mainz 1985. Zum Grab siehe PM V, 237 und Text in: Urk. I, 131 ff.

293 Diesen Hinweis verdanke ich Herrn Prof. KAPLONY. 294 H. BRUNNER, Die Anlagen der ägyptischen Felsgräber, op. cit., 74 ff.

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fanden die Sargtexte Eingang in das Grabinnere und bezeugen u. a. die Wand-lung des Toten in der jenseitigen Existenz und sein Fortleben in jetzt genau zu beschreibenden Jenseitsgefilden 295.

Hier kam es nach der Entscheidung des Einzelnen über den Ort und die Art seiner Grabanlage erstmalig auch zu einer ‚Privatisierung‘ der Theologie: Kö-nigliches Privileg der Jenseitsbeschreibung der Pyramidentexte wird nun auch für den Beamten verfügbar und seinem Ermessen anheimgestellt. Das Jenseits steht damit allen möglichen Ausdeutungen offen. Für die autobiographischen In-schriften war jede Form der Veränderungen des äußeren Rahmens und des inne-ren Gehalts dieses Textträgers von Bedeutung. Die Architektur des Grabes hatte auf Form und Inhalt der Biographien unmittelbaren Einfluß. Mit der Regierung Sesostris’ III. wurde die Macht der Gaufürsten erheblich beschnitten, und die Anlage prunkvoller Gräber kam vorerst zum Ende. Dem gewöhnlichen Resi-denz-Beamten der 12. und 13. Dynastie war es wichtig geworden, in Abydos, dem Zentrum der Osiris-Verehrung, ein Grab oder einen Kenotaph mit Stele zu bauen 296. Auf den Stelen sind z. T. ausführliche und komplexe autobiographi-sche Texte zu finden 297. Ihr Nebeneinander ─ Grab mit Stele oder Kenotaph mit Stele ─ zeugt von einer Loslösung des autobiographischen Textes aus dem festen Rahmen des Grabbaus. Diese ‚Mobilität‘ ist eine Neuerung, die sich gehalten und weiter entwickelt hat. Die Entwicklung im privaten Grabbau ging dahin, daß man sich einer großen Fülle von Elementen bedienen können wollte, um selbst-gefundene Themen zu erweitern.

Es bestand offenbar das Bedürfnis seitens der Beamtenschaft ─ und das mit einiger Aussicht auf Erfolg ─ Themen und Formen früher oder später aus dem Rahmen königlichen Privilegs herauszulösen und zu privatisieren 298. Als Bei-spiel seien hier besonders die Jenseitsführer genannt. Wichtig war vor allem, daß sich nun auch der nicht königliche Mensch mit dem Götterkult in Verbindung

295 Zu den Einflüssen des königlichen Totenkultes und königlicher Architektur auf den privaten

Grabbau s. a. U. RÖSSLER-KÖHLER, s. v. Jenseitsvorstellungen, in: LÄ III, Wiesbaden 1978, Sp. 252 ff., und D. ARNOLD, s. v. Grab, in: LÄ II, Wiesbaden 1976, Sp. 826 ff.

296 W. K. SIMPSON, The Terrace of the Great God at Abydos, loc. cit. 297 Z. B. s. bei W. K. SIMPSON, The Terrace of the Great God at Abydos, op. cit.: ANOC 5. 1 und

5. 3 (BM 562), pl. 12; ANOC 6. 2 (Louvre C1) und 6. 3 (Louvre C3), pl. 19; ANOC 42. 2 (BM 574), pl. 61.

298 Auf die Vorbildfunktion des Königsgrabes weist schon D. ARNOLD, op. cit., AV 4, Mainz 1971, 36—48, hin.

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brachte. Ihm wollte er kraft vorhandener Stele, im Grab, im Kenotaph oder im Tempel oder durch die Statue im Tempel beiwohnen. Damit erweiterten sich die Möglichkeiten der Beamten, ihre Selbstpräsentation zu variieren und selbst fest-zulegen, noch einmal erheblich.

Die Gräber vom Ende des Mittleren Reiches und der Hyksoszeit in The-ben 299, Elkab 300 und Qantir / Auaris 301 stehen in den lokalen Traditionen.

Mit der 18. Dynastie wurde die thebanische Nekropole das Zentrum des privaten Grabbaues. Sie blieb es für das Neue Reich und die Spätzeit insofern, als sich in Theben eine kontinuierliche, repräsentative und großflächige Belegung bis in die Spätzeit nachweisen läßt 302. Die Bestattungsaktivitäten in den Nekropolen von Saqqara oder auch in Saïs in der Spätzeit sind ihrerseits den lokalen Tradition verhaftet und können nicht als repräsentativ für die Zeit angesehen werden, wie dies in der thebanischen Nekropole nachweisbar ist 303.

Das ägyptische Felsgrab des Neuen Reiches gliedert sich in die beiden Bereiche ─ zugänglicher Kultteil und ─ unzugänglicher, unterirdischer Bestattungsteil, der zur Sargkammer

führt 304.

Diese räumliche Aufteilung entsprach der dann gängigen Vorstellung vom Über-gang aus dem Diesseits in das Jenseits. Der Bestattungsteil nahm z. B. die Bilder der Königsgräber des Neuen Reiches auf und reproduzierte sie. J. ASSMANN hat für den zugänglichen Teil der Grabanlage des Neuen Reiches 4 Funktionen ge-

299 H. E. WINLOCK, The Tombs of the Kings of the Seventeenth Dynasty at Thebes, in: JEA 10,

London 1924, 217 ff. 300 J. J. TYLOR, Wall drawings of El Kab. The Tomb of Sebeknekht, London 1896. 301 M. BIETAK, Vorläufiger Bericht über die erste und zweite Kampagne der österreichischen

Ausgrabungen auf Tell Ed-Dab’a im Ostdelta Ägyptens (1966, 1967), in: MDAIK 23, Berlin-Wiesbaden 1968, 90 ff.

302 Ausdrücklich sei hier verwiesen auf die grundlegende Untersuchung zur Architektur der theba-nischen Gräber in ihrem historischen Wandel vom Mittleren Reich bis zur 20. Dynastie von FRIEDERIKE KAMPP, bes. auf Bd. 1 und das Kap. IV, 82—94: F. KAMPP, Die thebanische Ne-kropole: zum Wandel des Grabgedankens von der XVIII. bis zur XX. Dynastie, Theben 13, Mainz 1996.

303 Vgl. dazu D. ARNOLD, s. v. Grab, in: LÄ II, Wiesbaden 1976, Sp. 826 ff., und H. S. SMITH, s. v. Saqqara, Nekropolen, SpZt, in: LÄ V, Wiesbaden 1983, Sp. 412 ff.

304 J. ASSMANN, Sonnenhymnen in thebanischen Gräbern, op. cit., XV.

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nannt, die den Grabgedanken und den der Autobiographie im Grab verdeutli-chen:

1. die kultische Funktion des Grabes, als Totenopfer─ und Verehrungsstätte für den Grabherrn;

2. die kommemorative Funktion, die die Form und Summe des Lebens des Grabherrn festhält, in der er in der Erinnerung der Nachwelt fortleben möchte;

3. die Tor-Funktion des Grabes als des Ortes, in dem der Tote in die Unterwelt eingehen, und den er nach ägyptischem Totenglauben am Tage verlassen kann;

4. die religiöse Funktion des Grabes, als des Ortes, an dem der tote Grabherr die Götter verehrt 305.

Diesen Funktionen mußte die Grabanlage architektonisch und von der Dekora-tion her gerecht werden. In ihr läßt sich die bewußte Trennung zwischen Dies-seits und Jenseits nachvollziehen, zwischen Oberwelt und Unterwelt, zwischen Lebensgeschichte und nachtodlicher Fortdauer 306. Die Gräber zielten vor der Amarnazeit stark auf äußere Wirkung ab und waren auf Besucher ausgerich-tet 307. Sie wurden nach der Amarnazeit, wo die diesseitigen Texte und der ent-sprechend dekorierte Eingangsbereich verschwanden, jenseitig orientiert. Dies wirkte sich auch auf den Bestand und die Form der autobiographischen Texte in den Gräbern deutlich aus und charakterisiert sie im Verlaufe der nachzuvollzie-henden geschichtlichen Entwicklung. Diese begann nach Amarna mit einem neuen Bewußtsein und in einer neuen Anschauung des ‚Seins‘ in der Welt und der Existenz jedes Einzelnen. Die Autobiographien wandelten sich in der 19. Dynastie zu Texten mit völlig neuer Thematik. Sie wurden religiös, das In-nere der Person referierend, sie generierten und entwickelten sich in einem neuen Sinne.

305 J. ASSMANN, op. cit., XVI. 306 J. ASSMANN, ÄHG, op. cit., 13 ff. 307 J. ASSMANN, Die Gestalt der Zeit, op. cit., 28 ff.

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Das Grab der 18. Dynastie in Theben war jedoch immer noch das ‚Wohn-haus‘ des Verstorbenen 308, und es war auch das Jenseits. Sein Grundriß hat die Form eines auf dem Kopf stehenden ‚T‘. In der Querhalle werden zumeist Sze-nen aus dem diesseitigen Leben, insbesondere berufsbezogene Themen, gezeigt. An Stelle der Scheintüren des Mittleren Reichs-Grabes stehen jetzt die autobio-graphischen Text tragenden Stelen, und hier haben aller Wahrscheinlichkeit nach die Beterstatuen gestanden.

Der diesseitige Bereich wird mit der Querhalle verlassen. Mit der tiefen überwölbten Längshalle führt der Weg ins Grabinnere, zur Statuenkammer. Auf diesem Weg in das Grabinnere können sich Szenen der Abydosfahrt 309, der Be-stattung 310, der Mundöffnung 311 und des Totenmahls 312 befinden. Während die Mundöffnung und das Totenmahl als Riten für den Toten real im Grab selbst stattgefunden haben, waren die Abydosfahrt und das Bestattungsritual inhaltlich nicht grabgebundenen Ursprungs. Sie fanden extern statt. Es ist davon auszuge-hen, daß die genannten Rituale, wenn überhaupt real, dann in der Nekropole oder möglicherweise auch am Kultort Abydos abgehalten wurden 313. Andererseits dürfte die Abbildung im Grab magisch genügt haben, um Verklärung zu errei-chen. Die Möglichkeit des Auffüllens des Grabes mit den Szenen aller vier The-men zeigt die Integration des außerhalb des Grabes stattfindenden, rituellen Ge-schehens in den Kontext des Grabes, über das der Grabbesitzer frei verfügen konnte.

Das Grab war damit zum expressiven Schauplatz von Kult geworden. Und zwar fand in den Gräbern nicht nur Totenkult, sondern auch Götterkult und die Kommunikation des Grabherrn mit Gott 314 statt, z. B. mit Osiris, den der ver-storbene Beamte in den Osiris-Hymnen zum Bestattungsritual begrüßte 315. Dazu war der Tote befähigt, da er sich durch die Reinigungsriten zum ‚verklärten‘ Toten gewandelt hatte. Ziel aller persönlichen Kommunikation mit den Göttern

308 A. SCHARFF, Das Grab als Wohnhaus, op. cit., hat diesen Begriff geprägt, der nicht nur für die

Grabarchitektur der Frühzeit zutrifft. 309 H. ALTENMÜLLER, s. v. Abydosfahrt, in: LÄ I, Wiesbaden 1972, Sp. 42 ff. 310 H.ALTENMÜLLER, s. v. Bestattungsritual, in: LÄ I, Wiesbaden 1973, Sp. 745 ff. 311 R. GRIESHAMMER, s. v. Mundöffnungsritual, in: LÄ IV, Wiesbaden 1980, Sp. 223 f. 312 U. VERHOEVEN, s. v. Totenmahl, in: LÄ VI, Wiesbaden 1985, Sp. 677 ff. 313 H. ALTENMÜLLER, s. v. Abydosfahrt, in: LÄ I, Wiesbaden 1972, Sp. 42 ff. 314 J. ASSMANN, ÄHG, op. cit., 13 ff. 315 J. ASSMANN, Sonnenhymnen in thebanischen Gräbern, op. cit., XV.

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wurde es, im Verlaufe des Neuen Reiches zunehmend, in die Götterwelt aufge-nommen zu werden. In den Beamtengräbern der Epoche dominierte zwar der Sonnenkult, es entstand aber ein Kultbetrieb ─ gleichsam eine Bühne für den Kult ─ und ein Raum für die Gemeinschaft des Toten mit den Göttern. Das Grab wurde der kleine persönliche Tempel des Grabherrn, denn mit den Szenen, die ihn im kultischen Verkehr mit den Göttern zeigten, realisierte, privatisierte und modifizierte er für sich den Ort zu seinem Tempel 316.

Die thebanischen Gräber ab Mitte der 18. Dynastie (Zeit der Hatschepsut und Thutmosis’ III.) werden dominiert von der hymnischen Sonnenanbetung des Grabherrn, die besonders im Eingangsbereich des Grabes stattfindet. So sind bei-spielsweise sogar die der Autobiographie zugehörigen Opferformeln für den Grabherrn durch viele Titel eulogisch erweitert. Die Tendenz zur Religiosität wurde tragende Idee des Lebens in der Zeit des Neuen Reiches 317. Die Grabar-chitektur der Gräber in dieser Zeit wurde z. T. tempelartig ausladend, palastar-tig 318 und repräsentativ angelegt.

Die Amarnazeit unterbrach die Kontinuität des thebanischen Grabbaus für etwa 20 Jahre. In den 5 thebanischen Gräbern der Amarnazeit (TT 40, TT 55, TT 181, TT 188 und TT 192) und in den etwa 45 Gräbern in Amarna kam von der Grabarchitektur her nichts Neues hinzu, wohl aber in der Dekoration:

Immer wurde der König in den Szenen des Grabes abgebildet, der Beamte trat hinter ihn zurück. Im Mittelpunkt stand die Verehrung des Königs und des Sonnengottes. Der Grabherr stellte sich im Palast und am Hofe dar. Es gibt nur wenige persönliche Szenen in den Amarnagräbern. Solche vor allem, die den Beamten mit Ehefrau abbildeten, traten gegenüber den Szenen, die den König in den Mittelpunkt stellten, stark in den Hintergrund. Die rückwärtigen Bereiche der Amarnagräber sind alle unfertig geblieben und entziehen sich somit der Deutung. Die Frage, was sich in dem vormals so massiv jenseitig bezogenen Teil denn hat befinden können, muß spekulativ bleiben 319. Während im Mittleren

316 D. ARNOLD, Wandrelief und Raumfunktion, MÄS 2, München 1962, 3 ff. 317 J. ASSMANN, Sonnenhymnen in thebanischen Gräbern, op. cit., XIV. 318 L. BORCHARDT, Allerhand Kleinigkeiten, Leipzig 1933, 23 ff. 319 Dazu TH. VON DER WAY, Überlegungen zur Jenseitsvorstellung in der Amarnazeit, op. cit.:

eventuell sind es solche privaten Szenen gewesen, die für den rückwärtigen Teil des Grabes vorgesehen waren. So gibt es z. B. im Durchgang zur 2. Kammer bzw. in der Kultbildkammer des Panehsy-Grabes (Nr. 6) die Abbildung von Frauen seiner Verwandtschaft (Schwester, Tochter, 2 Nichten), siehe N. DE G. DAVIES, The Rock Tombs of El-Amarna II, The Tombs of

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Reich der Bestattungsteil der Gräber aus Schächten und Sargkammern bestand, war insbesondere ab der Zeit Amenophis’ III. auch begonnen worden ‚sloping passages‘ als Zugänge zu einem unterirdischen, vormals nicht begehbaren Be-stattungsteil anzulegen. Auch in Amarna haben einige Gräber solche Abstiege (Nr. 4, 6, 8, 9, 13, 14, 16, 25).

In der folgenden Ramessidenzeit wurde die Bedeutung dieser Passagen als begehbare Übergänge in ein gedachtes Jenseits anhand von Dekorationen der Bestattungsräumlichkeiten mit Unterweltsthemen deutlicher und zeigt die Hin-wendung der Beamten zu ihrer Jenseitsexistenz in einer immer realer gedachten und in den Raum des Grabes verlegbaren Unterwelt 320.

In Amarna wurde auch diejenige Entwicklung den Grabbau betreffend un-terbrochen, die das Denken selbständiger und konkreter nachtodlicher Fortexi-stenz der Beamten gewährleistet hatte. Bedeutsam für die Amarnatheologie, so-weit sie in dem uns interessierenden Zusammenhang in das Leben eines Beamten eingriff, war zusammenfassend:

─ Das Jenseits gab es in der Form des Mittleren Reiches nicht mehr. ─ Die Konzeption der Aton-Religion sah nur den Sonnen ─ besser: Lichtkult

─ und diesen nur durch den König ausgeübt vor. ─ Osiris wurde in der Amarnazeit geleugnet. Damit gab es keine Unterwelt.

Der Untergang der Sonne an jedem Abend senkte die Welt in einen todähn-lichen Schlaf, den der sogenannte ‚kleine Hymnus‘ von Amarna so be-schreibt:

„Wenn du untergehst im westlichen Lichtland des Himmels, dann schlafen sie wie im Zustand eines, der tot ist.“ 321

Panehesy and Meryra II., ASE 14, London 1905, 28, Taf. 22 f. Auch Totenkultszenen sind denkbar, wie sie im Grabe des Huya (Nr. 1) in Vorzeichnung in der Kultbildkammer erhalten sind, siehe: N. DE G. DAVIES, The Rock Tombs of El-Amarna III, ASE 15, London 1905, Taf. 22.

320 Siehe dazu auch: K.-J. SEYFRIED, Zweiter Vorbericht über die Arbeiten des Ägyptologischen Instituts der Universität Heidelberg in thebanischen Gräbern der Ramessidenzeit, in: MDAIK 40, Mainz 1984, 269 ff.

321 Übersetzung nach J. ASSMANN, ÄHG, op. cit., Nr. 91, 213—215; Text bei M. SANDMAN, Texts from the Time of Akhenaten, BAe VIII, Brüssel 1938, 10—16.

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─ Mit der Nichtexistenz des Osiris wurde den Beamten in der Amarnazeit ihr Leben nach dem Tod entzogen. Sie wurden ihrer Unsterblichkeit beraubt, wobei man einschränken kann, daß es

─ in der Amarnazeit wahrscheinlich nach außen hin so etwas wie eine Um-polung von Diesseits zum Jenseits gegeben hat: die Toten ruhen nicht mehr in einem unterweltlich gedachten und in der Grabarchitektur versuchsweise nachgebildeten Jenseits, sondern sie ruhen in ihren Gräbern, die sie morgens als Ba verlassen, um sich im Diesseits neu umzutun 322.

Das Dasein und die Tätigkeit der Beamten im Leben war einseitig auf den dies-seitigen Dienst für den König beschränkt, der sich in Loyalität und Glauben an die Wirkkraft des Königs beweisen mußte. Die Lebenssituation des Amarna-Be-amten betreffend und damit zusammenhängend hinsichtlich des privaten Grab-baus ist folgendes zu vermuten:

Von Echnatons Seite gab es keine kanonisierbare Lösung für das Problem der Grabdekoration der rückwärtigen, vormals jenseitige Bereiche 323. Seitens der Beamten hätte sie dann auch nicht persönlichkeitsrelevant sein können. Die nicht vorhandene Dekoration mag somit der ‚status quo‘ des Disputes und der Entscheidungslosigkeit beider Seiten gewesen sein und muß als solcher unkom-mentiert bleiben.

Die Gräber der Nachamarnazeit und der Ramessidenzeit knüpften an die Tradition der frühen 18. Dynastie in jeder Hinsicht an. Während sich die Königs-gräber des Neuen Reiches in Architektur und Dekoration durch die Gleichset-zung der Grabanlagen mit der Unterwelt auszeichneten, und diese Form und Ausdeutung auch exklusives Vorrecht der Könige blieb, waren die Gräber der Beamten architektonisch in Ober─ und Unterbau gegliedert. Sie zeichneten sich durch die Pyramide über dem Eingang, sowie durch die zahlreichen Statuen des Grabbesitzers und seiner Familie vor und im Grab aus. Neben den Darstellungen und Texten aus dem Totenbuch war das zentrale Thema die Verehrung des Son-nengottes. Sie ist teilweise auch im rückwärtigen Teil des Grabes zu finden (so

322 Vgl. E. HORNUNG, Zur Struktur des ägyptischen Jenseitsglaubens, in: ZÄS 119, Berlin 1992,

124—130. 323 Keine Schlußfolgerungen den königlichen Totenkult betreffend zieht auch G. T. MARTIN, The

Rock Tombs of El-Amarna VII, The Royal Tomb at el Amarna Bd. I, ASE 35, London 1974 und Bd. II, ASE 39, London 1989.

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z. B. in TT 218 aus der 19. Dynastie, im unterirdischen Teil, der Vorkammer zur Sargkammer 324). Wichtig für die Beamten war die Dominanz des Themas Son-nenverehrung, die auch das Denken des gesamten Neuen Reiches bestimmte. Autobiographische Texte wurden nach dem Ende der 18. Dynastie, in der Ra-messidenzeit, immer mehr zugunsten theologischer Themen und Darstellungen zurückgedrängt 325. Die Expressivität des individuellen, selbstverantwortlichen Handelns in der Gesellschaft, als dominierendes Thema des Biographien-Reper-toires des Mittleren Reiches ging zurück. Das ältere Thema wurde architekto-nisch, ikonographisch und epigraphisch religiös überlagert. Dafür bestimmte die Unsterblichkeitsthematik die Gräber und Autobiographien der Nachamarnazeit um so nachhaltiger. Der Übergang ins Jenseits stand mit Totengericht und Göt-terverehrung im Mittelpunkt des Grabbaus. Das Grab in der 19. Dynastie wurde an den beiden Bestattungsorten Theben und Saqqara mehr zu einer Kultstätte des Grabherrn für die Götter als zum Ort der Verehrung des Grabherren durch die Nachwelt 326. Diese Hinwendung zum Jenseits zeigte sich in der Grabarchitektur in zweierlei Formen abhängig vom Bestattungsort.

So wird in Theben die vor der Amarnazeit, etwa ab der Zeit Amenophis’ III. / Amenophis’ IV. begonnene Tradition des Felsengrabes mit unterirdisch begeh-baren Bestattungsanlagen und gewundenem Abgang weitergeführt 327, wie sie z. B. schon in TT 192, Cheruef belegt waren. Für zahlreiche solcher Grabbauten liegen ausgezeichnete ausführliche Dokumentationen und Interpretationen der Architektur und Dekoration durch das Heidelberger Ägyptologische Institut vor. Die thebanischen Felsgräber der Ramessidenbeamten suchen hier die Nähe zu den Kultstätten der Könige und imitieren ihre Architektur, bzw. betonen zudem noch die Zugänglichkeit des Jenseits durch die z. T. elaborierte unterirdische 324 PM I, 1, 1960, 318—320. 325 So z. B. in Grab TT 373 des königlichen Schreibers Jmn-msw (Zeit Ramses’ II.), in dem man

das Überwiegen der „Jenseits“-Thematik gerade im Vergleich mit dem nahen, früheren Grab TT 49 des Nfr-h tp (Zeit des Eje) deutlich feststellen konnte; siehe dazu K.-J. SEYFRIED, Zwei-ter Vorbericht, op. cit., 269 ff.

326 Diesen Aspekt innerhalb des Wandels des Grabgedankens arbeitet neben F. KAMPP, Die theba-nische Nekropole, op. cit., auch E. HOFMANN für die Grabplastik heraus: E. HOFMANN, Typen ramessidischer Plastik in thebanischen Privatgräbern, in: SAGA 12, Heidelberg 1995, 271—279. Im selben Kontext bewegen sich die Ausführungen von: J. ASSMANN, Geheimnis, Ge-dächtnis und Gottesnähe: zum Strukturwandel der Grabsemantik und der Diesseits-Jenseitsbe-ziehungen im Neuen Reich, in: SAGA 12, Heidelberg 1995, 281—293.

327 J. ASSMANN, Das Grab mit gewundenem Abstieg. Zum Typenwandel des Privat-Felsgrabes im Neuen Reich, in: MDAIK 40, Mainz 1984, 277—290.

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Anlage. Damit wird schon deutlich, daß ─ in Anknüpfung an die ‚Umpolung‘ der Funktionen der Grabanlagen in der Amarnazeit vom Diesseits zum Jenseits ─ die Gräber der Nachamarnazeit die konsequente architektonische Realisation eines religiös geprägten Raumes sind, in dem der Grabherr sich für die Ewigkeit zu bewegen hoffte 328.

An den memphitischen Gräbern der 19. und 20. Dynastie läßt sich eine Ent-wicklung hin zu einem begehbaren Jenseits nicht nachvollziehen, wohl aber be-tonen sie durch ihre tempelartige Architektur den Kult des Grabherren für die Götter.

Seit der Zeit Tutanchamuns bis etwa in die 20. Dynastie ließen sich die Re-sidenzbeamten und Tempelangehörigen bevorzugt in Saqqara bestatten 329. Als sogenannte memphitische Grabkapellen, südlich des Unas-Aufweges und nahe der Teti-Pyramide, weisen die Anlagen einen Oberbau mit Dreikapellenbereich und davorliegendem Hof, bisweilen einer Vorhalle und Pylon auf. Die eindeutige Hinwendung zum Ptah-Sokar-Osiris-Kult Saqqaras, die als Reaktion auf die in der Amarnazeit ausgeblendete Jenseitsthematik zu verstehen ist, zeigt zweierlei:

─ zum einen, daß sich die Beamten bewußt von dem in Theben gepflegten königlichen Totenkult und der Lokalität des königlichen Grabes und To-tentempels lösen wollten,

─ zum anderen, daß sie sich von dem thebanischen Felsgrab der eigenen Ge-sellschaftsschicht und dem des Königs durch die Wahl einer eigenen Grabarchitektur absetzen wollten 330.

In die Nekropole von Saqqara wurde damit die Bauform ‚Totentempel‘ thebani-scher Provenienz importiert und zugleich mit einem Diskurs versehen, der lau-tete: ‚kultische Verehrung der Götter durch den Grabherrn‘. Die Gräber des Neuen Reiches in Saqqara bleiben der Grabbautradition des Ortes wie den geo-

328 Vgl. auch: J. ASSMANN, Geheimnis, Gedächtnis und Gottesnähe: zum Strukturwandel der

Grabsemantik und der Diesseits-Jenseitsbeziehungen im Neuen Reich, op. cit., 288. 329 So besonders J. VAN DIJK, The Development of the Memphite Necropolis in the Post-Amarna

Period, in: A.-P. ZIVIE (Hg.), Memphis et ses nécropoles au Nouvel Empire, Paris 1988, 37—46. Zur Architektur und Bedeutung der memphitischen Beamtengräber des Neuen Reiches, bzw. der Bedeutung des Nekropolenortes Saqqara s. D. RAUE, Zum memphitischen Privatgrab im Neuen Reich, in: MDAIK 51, Mainz 1995, 255—268.

330 So auch bei J. VAN DIJK, op. cit., 40 ff.

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logisch-geographischen Gegebenheiten verbunden. Die hier interessierenden theologischen und politisch-sozialen Zusammenhänge betreffend, soll aus-schnittsweise vor allem auf die Untersuchungen zu den Gräbern der thebanischen Beamten der Ramessidenzeit verwiesen werden 331, um ergänzende Überlegun-gen zur Sozialentwicklung anzuschließen und diese zu kommentieren.

Die großen Gräber des Paser (TT 106 ─ Zeit Sethos’ I. / Ramses’ II.) und des Neb-wenenef (TT 157 ─ Zeit Ramses’ II.) zeigen monumentale Realisierun-gen eines Spiralsystems aus Treppen und Kammern. Am Beispiel von Grab TT 373 332 ließ sich zeigen, daß dies in der Ramessidenzeit nicht ein Privileg rei-cher, gutgestellter Grabherren war, sondern daß es einen grundlegenden allge-meinen Wandel des Grabgedankens gab, der eine Neugliederung des Grabes mit einer anderen Thematik in jedem der Teile des Grabbaus zur Folge hatte. Diese Entwicklung des ägyptischen Grabgedankens im Übergang zur 19. Dynastie ist nach J. ASSMANN „eine Revolution“, was im Bezug auf die Konsequenz der Aus-formulierung der Persönlichkeitspräsentation zu unterstreichen ist 333. An die Stelle des in einen zugänglichen, dekorierten Kultteil und in einen unzugängli-chen, manchmal auch dekorierten Bestattungsteil zweigegliederten Grabes trat jetzt das dreigegliederte Grab. Es hatte neben dem zugänglichen, dekorierten Eingangsbereich einen undekorierten Übergangsteil und schließlich den begeh-baren, jedoch vermauerten und dekorierten unterirdischen Bestattungsteil 334. Die Richtung, die die Entwicklung des Grabbaus und der Grabdekoration vom Neuen Reich an bis in die Spätzeit einschlagen wird, zeichnet sich in der Domi-nanz der Jenseitsthematik in den Gräbern der Ramessidenzeit bereits ab. In den Gräbern der 25. und 26. Dynastie tritt sie besonders hervor 335. In den palastarti-

331 Siehe zu Saqqara u. a. J. MÁLEK, s. v. Saqqara, Nekropolen, NR, in: LÄ V, Wiesbaden 1983,

Sp. 410 ff.; DERS., Two problems connected with New Kingdom tombs in the memphite area, in: JEA 67, London 1981, 156—165; ferner B. GESSLER-LÖHR, Bemerkungen zur Nekropole des Neuen Reiches von Saqqara vor der Amarna-Zeit, Teil 1, Die Gräber der Wesire von Un-terägypten auf dem Westfriedhof in: D. KESSLER - R. SCHULZ (Hgg.), Gedenkschrift für W. BARTA, h tp dj n h zj, MÄU 4, Frankfurt 1995, 133—157, sowie DIES., Bemerkungen zur Ne-kropole des Neuen Reiches von Saqqara vor der Amarna-Zeit, Teil 2, Gräber der Bürgermei-ster von Memphis, in: OMRO 77, Leiden 1997, 23—71.

332 J. ASSMANN, Das Grab mit gewundenem Abstieg, op. cit., 282. 333 J. ASSMANN, Sonnenhymnen in thebanischen Gräbern, op. cit., XVII f. 334 J. ASSMANN, Das Grab mit gewundenem Abstieg, op. cit., 282. 335 Zu den Gräbern der ägyptischen Spätzeit im Asasif allgemein und zusammenfassend

D. EIGNER, Die monumentalen Grabbauten der Spätzeit, loc. cit.

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gen Anlagen sind die unterirdischen Bestattungsräume vorzugsweise nach Vorla-gen aus dem Totenbuch und den königlichen Unterweltsbüchern dekoriert 336.

Solcher Wandel bedarf nach der Erfahrung der Amarnazeit kaum der Erklä-rung. Das völlige Ausgeliefertsein an Echnaton und seine Festlegung auf ihr Heil in der diesseitigen Existenz reflektierend, haben sich Beamte nach Amarna auf keinerlei Abhängigkeiten und Gefahren für die Fortexistenz und ihre Unsterb-lichkeit mehr einlassen wollen. Dies konnte am besten durch die völlig Ich-be-zogene Wendung zum Gott gesichert werden. In diesem Sinne wurden in den Gräbern die Aufnahme des Beamten ins Jenseits und in die Gemeinschaft der Götter dargestellt. Sie wurde begründet mit dem Vertrauen in Gott, der den Be-amten kannte. Statt auf die Gemeinschaft der Mitmenschen und den Königs-dienst zu vertrauen, die das individuelle Fortbestehen sicherten, trat das Indivi-duum, das nur an eigener Unsterblichkeit interessiert war, in die Gemeinschaft der Götter ein. Die Beamten entzogen sich der sozialen Gemeinschaft durch ihre Gemeinschaft mit den Göttern ─ dargestellt und somit realisiert noch in dem diesseitigen Teil des Grabes. Die Distanz zum Repertoire der Dekoration des Königsgrabes wurde von der Ramessidenzeit zur Spätzeit immer geringer, und die Nähe des Beamten zu Gott, vormals Privileg des Königs, wurde immer deut-licher hervorgehoben 337.

Während die Gräber der 3. Zwischenzeit sich an den Tempelbezirk anglie-derten 338, zeichnet die Beamtengräber der Spätzeit, besonders die der 25. und 26. Dynastie in Theben, ein architektonisch sehr komplizierter Grundriß aus. Diese Großgräber wurden entlang dem Prozessionsweg der thebanischen Nekro-pole gebaut. Sie haben Pylone und führen mit einer Treppe in die unterirdischen Bereiche der Grabkammern. Vor diese war allerdings noch einmal ein Licht- 336 J. ASSMANN, Grabungen im Asasif 1963—1970, Bd. 6., Das Grab der Mutirdis, AV 13, Mainz

1977, bes. 64 ff. 337 Wesentliche ideelle Übereinstimmungen zwischen Königsgräbern in Theben-West, für die

spätere Zeit dann in Tanis und den Gräbern von Beamten in Theben und Saqqara lassen sich im einzelnen u. a. an den hier zitierten Publikationen von thebanischen Spätzeitgräbern zeigen. Siehe z. B. die zusammenfassenden Bemerkungen zu den Königsgräbern in Tanis von M. RÖMER, s. v. Tanis, in: LÄ VI, Wiesbaden 1985, Sp. 194 ff., bzw. auch die Ausführungen zu den Saqqaragräbern von E. BRESCIANI - S. PERNIGOTTI - M. P. GIANGERI SILVIS, Tombe d'età saitica a Saqqara I. La tomba di Ciennehebu capo della flotta del Re, Bibliotheka degli Studi classici e orientali 7, Pisa 1977.

338 Siehe dazu E. B. SMITH, Egyptian Architecture as Cultural Expression, New York 1938, 114 ff., und: U. HÖLSCHER, The Excavations of Medinet Habu V. Post-Ramesside Remains, OIP 66, Chicago 1954, 16 ff.

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schacht oder ein nach oben offener Hof gelegt, der der Verehrung des Re-Osiris gedient hat 339. Auch hier entwickelt der thebanische Grabbau gegenüber dem der memphitischen Nekropole an Konzeption, d. h. Umsetzung von theologisch-typologisch relevanter Zeitgeschichte in Architektur besondere Formen, die her-vorzuheben sind.

Es sollen an dieser Stelle einige wichtige Aspekte der spätzeitlichen Grabarchi-tektur Thebens und Saqqaras einander gegenübergestellt werden, wie sie für Saqqara u. a. am Beispiel des Grabes des Wesirs Bakenrenef, Beamten unter Psammetich I., zu nennen sind 340 und wie sie auf der andern Seite durch die Großgräber der thebanischen Nekropole anschaulich dargestellt werden. Die Beleglage ist für Saqqara dabei ungleich spärlicher als für Theben. Dabei darf man jedoch, den zeitgleich angelegten und (wenigen) dokumentierten Gräbern Saqqaras nach zu urteilen, für die Anlage des Bakenrenef von einer gewissen Repräsentativität ausgehen. Dies erweist sich auch in der Berücksichtigung der lokalen Kultorttradition 341. Das Grab des Bakenrenef ist ein repräsentatives Großgrab der Nekropole von Saqqara. Es liegt nördlich des Unas-Aufweges die Straße überblickend, die von Memphis in die Nekropole hinaufführt, gleich süd-lich des Bastettempels. Es hatte einen ummauerten Hof, zwei Pfeilerhallen mit Nebenkammern, zwei große Grabschächte und ist reich dekoriert. In der gesam-ten Dekoration des Grabes, soweit erhalten, wird die Familie des Bakenrenef nicht abgebildet. Lediglich einmal ist der Grabbesitzer in einem Durchgang dar-gestellt und seine Frau in geringer Größe hinter ihm, jedoch ohne Namen oder Inschrift 342. Die bildliche Dekoration greift stilistisch und thematisch auf dieje-nige der Mastabas des Alten Reiches in Saqqara zurück und reproduziert sie. Die Texte wurden kopiert. Es gibt keine autobiographischen Texte.

339 J. ASSMANN, Grabungen im Asasif 1963—1970, Bd. 2. Das Grab des Basa (Nr. 389) in der

thebanischen Nekropole, AV 6, Mainz 1973, 45 f. Zur Typologie der Spätzeitgräber ibidem, II. Abschnitt, Die Grabanlage: Versuch einer typologischen Beschreibung, 23 ff.

340 E. BRESCIANI ET ALII, op. cit.; S. EN-NAGGAR, Etude préliminaire d’un ciel voûté de l’hypostyle de Bakenrenef (L24) à Saqqara, in: EVO 9, Pisa 1986, 15 ff.

341 Siehe dazu H. S. SMITH, s. v. Saqqara, Nekropolen, SpZt, in: LÄ V, Wiesbaden 1983, Sp. 412 ff. 342 J. E. QUIBELL, Excavations at Saqqara (1908—9, 1909—10), The Monastry of Apa Jeremias,

Excavations at Saqqara 4, Kairo 1912, 30.

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Im Unterschied dazu stellt sich das thebanische Großgrab der Spätzeit wie folgt dar. Es gibt in Theben eine strikte Einteilung in drei Bereiche:

1. Den oberirdischen Bereich mit Pylonen, die in ihren Durchgängen auf Sandsteinverkleidung vorzugsweise Anrufe an die Lebenden (Besucher) enthielten. Dieser Überbau markierte das parallel angelegte, etwa 6 m tiefer gelegene, eigentliche Grab als Tempel .

2. Den Übergangsbereich, der durch eine überdachte Treppe zugänglich wird. Hier wird der Besucher an den Kultbereich herangeführt, ohne den diessei-tigen Bereich sofort zu verlassen. Die Treppe führt zunächst in eine häufig mit Autobiographien oder Totenbuchkopien dekorierte Vorkammer. Aus dieser tritt der Besucher hinaus in den pfeilerbestandenen Lichthof, in dem der Grabherr seine Prunkbiographie hat anbringen lassen. Dort hat er sich selbst in Ausübung seiner irdischen Pflichten in die architektonische und optisch ideelle Mitte des Grabes gestellt ─ sonnenbeschienen, hell, reprä-sentierend. Damit endet der dem Diesseits zugeeignete Bereich und man gelangte von hier aus über die Torhalle in das eigentliche Grab, den Kultbe-reich. Er wurde mit Totenbuch─ und Pyramidentexten dekoriert und endete in einer Osirisnische. Noch weiter in die Tiefe gelangt man von hier aus in:

3. den betretbaren Unterweltsbereich. Eine ‚sloping passage‘, ein gewundener Abstieg führt in meist mehrere, letztendlich nicht mehr zugängliche Kam-mern, die mit Unterweltstexten dekoriert sind, und die die Reise des Toten durch die Unterwelt veranschaulichen.

Das Textrepertoire der thebanischen Gräber ist sehr vielfältig, die Dekoration ist aufwendig und detailreich.

Die (wenigen) vergleichbaren Grabbauten in Saqqara, die des Bakenrenef beispielsweise, stehen in der architektonischen und theologischen Tradition des lokalen Ptah-Sokar-Osiris-Kultes. Die thebanischen Grabbauten huldigen aus-schließlich Osiris. Dies zeigt, daß die religiöse Tradition eines Nekropolenortes deutlich auf die Architektur der Grabbauten einwirkte. Der jenseitige Bereich eines Bakenrenef-Grabes beginnt eigentlich schon mit dem Eintritt in den über-bauten, in den Felsen hineingebauten Teil des Grabes, also viel früher als in the-banischen Gräbern der Zeit. Der Grabherr widmet sich hier offensichtlich aus-

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schließlich dem Kult und Verkehr mit den Göttern, und die Autobiographie ent-fällt. In Saqqara zeichnet sich damit eine sehr viel reinere ─ auch pragmatische oder puristische Form der spätzeitlichen Frömmigkeit, des Ausgeliefertseins des Beamten an den Gott und seinen Willen ab. Eine andere Hinwendung des Be-amten als die zu seinem Grab und in ihm zu seinem Gott scheint es dort nicht zu geben 343.

Die Gräber Thebens beziehen dagegen Besucher stark ein. Sie halten diese lange in einem offenen, diesseitigen Bereich. Dies mag z. B. zeigen, daß in The-ben das soziale Leben mehr in das Realisieren der nachtodlichen Existenz einge-bracht worden ist ─ man denke an die Feste, die in der thebanischen Nekropole gefeiert worden sind, und die die Lebenden und die Toten zusammenbrachten. Dagegen war Saqqara vornehmlich Tempel─, Kult─ und Begräbnisort und hat dies in reiner architektonischer Form erhalten 344. In Theben dagegen nimmt die Grabanlage das theologische Konzept vollständig in sich auf und setzt es um.

Die Dominanz der religiösen Thematik in allen Gräbern an beiden Kultorten blieb von der Ramessidenzeit herkommend bestehen. Das Grab war mehr als je zuvor damit der Ort des in das Diesseits integrierten und sichtbaren Jenseits ge-worden. Die sichtbare Dominanz der Grabanlagen dürfte zudem den Lebenden das Dasein ─ soziale und politische Bedeutungsverluste ausgleichend ─ aufge-wertet oder sogar sakralisiert haben 345. Das Dekorationsprogramm der Spätzeit-gräber war dem der ramessidischen Gräber insofern ähnlich, als der größte Teil der Szenen und Texte ‚biographischen‘ Charakters unterdrückt wurde 346. Trotz mancher Archaismen fanden keine neuen Themen Eingang in das Repertoire der autobiographischen Texte thebanischer Spätzeitgräber. Elemente wie ‚Prunkre-lief‘ und ‚Zierinschriften‘ hoben in der Spätzeit, besonders in Theben, die auto-biographische Repräsentation neu hervor 347, ließen sie jedoch formal erstar-

343 Dies trifft übrigens auch auf die Schachtgräber der Spätzeit in Saqqara zu. Sie waren aus-

schließlich auf die Funktion ‚Bestattung‘ hin angelegt, haben keine Biographien, keine Anrufe an Lebende und keinen vergleichbar zugänglichen Grabbereich.

344 H. S. SMITH, s. v. Saqqara, Nekropolen, SpZt, in: LÄ V, Wiesbaden 1983, Sp. 412 ff. 345 In diesem Sinne vgl. auch J. ASSMANN, Geheimnis, Gedächtnis und Gottesnähe: zum Struk-

turwandel der Grabsemantik und der Diesseits-Jenseitsbeziehungen im Neuen Reich, op. cit., 293.

346 J. ASSMANN, Das Grab des Basa, op. cit., 41. 347 J. ASSMANN, loc. cit.

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ren 348. Die Zierinschriften beispielsweise ordneten die Titel des Grabherrn und die Kartuschen des Königs, dem der Grabherr gedient hat, in ornamentaler und besonders ästhetischer Form an, was Amt und Königsdienst betonen sollte. Dies ist um so auffälliger, als zu der Zeit Könige in Theben wohl geringen Einfluß hatten, weil die Priester neben Amun als Herrscher selber die Macht ausübten. Als Institution, um die eigene Position zu stützen, hatte sich das Königtum aber seinen traditionellen Anspruch auf Monumentalität und Größe behalten, der für die Gräber genutzt werden konnte. Gerade im Grabbau zeigen sich dann die konträren Erscheinungsbilder: Beharren auf äußerlicher Größe vs. inhaltlicher Armut, Prunk vs. Standard, Relief und bildliche Darstellung vs. Text der Auto-biographie. So zeichnen sich Prunkreliefs durch ihre qualitätvolle Feinheit aus und sind exemplarisch in den Gräbern des Ibi, Anch-Hor, Pabasa, Montemhet, Harwa, und Basa erhalten. Sie vergegenwärtigen den Toten als Grabherrn. Sie zeigen ihn in seiner Tracht und mit den Amtsabzeichen inmitten repräsentativer Szenen aus dem Leben, welches die einzige bildliche Form der Autobiographie in den Gräbern der Spätzeit bleibt 349.

Als Sonderform eines Spätzeitgrabes mit Götter─, Toten─ und Ahnenkult ist das Grab des Petosiris anzusehen 350. Petosiris, Hohepriester des Thot von Hermopolis, hat sich in der Perserzeit 351 sein Grab in Tuna el-Ğebel als Famili-engrab in besonderer Monumentalität, mit großen Anleihen an die Tempelarchi-tektur und den damit verbundenen Kult anlegen lassen. Die Architektur der Grabanlage zeigt, vergleichbar wohl den ramessidischen Gräbern in Saqqara, daß der Verkehr des Grabherrn mit den Göttern stark betont werden sollte. Die tem-pelartige Architektur, verbunden mit den zahlreichen stilistischen Anleihen an die griechische Kunst, spricht zudem für eine repräsentative Funktion des Grabes ─ ebenfalls ähnlich der Art der ramessidischen Grabbauten in Saqqara. Laut au-tobiographischem Text hat sich der Grabherr vornehmlich durch gottgewollten Einsatz in der Rolle des Restaurators und Bauherrn sakraler Gebäude bzw. als

348 Manch gute Beispiele hierzu entnehme man den Ausführungen von E. A. E. REYMOND, From

the Records of a Priestly Family from Memphis, Bd. 1, ÄA 38, Wiesbaden 1981. 349 J. ASSMANN, Das Grab des Basa, op. cit., 41 f. 350 Siehe dazu: G. LEFEBVRE, Le Tombeau de Petosiris, loc. cit., B. MENU, Le tombeau de Pétosi-

ris. Nouvel examen, in: BIFAO 94, Kairo 1994, 311—327, sowie C. PICARD, Les influencies ètrangéres au tombeau de Petosiris: grèce ou perse? in: BIFAO 30, Kairo 1931, 201—207.

351 So: B. MENU, Le tombeau de Pétosiris. op. cit., 326 f.

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Erneuerer von Kulten im Raum von Hermopolis betätigt 352. Ein Grabtempel nach ägyptischer Tradition scheint daher das angemessene Denkmal für einen lo-kalen hohen Beamten. Die hohen Stellung, die den Erfolg der Biographie be-zeugt, gibt dem Grabherren auch die Möglichkeit, mit monumentalisierter Ar-chitektur und einem vielfältigen Bildprogramm den Kontext für den eigenen Götterkult und die ─gemeinschaft zu errichten, wobei darauf geachtet wurde, diese stilistisch zeitgemäß der Kultur der neuen Herrscher anzupassen 353.

Damit ist der reflektierende und kreativ wirkende autobiographische Text, wie er am Beginn des Mittleren Reiches zu voller Blüte gereift war und in gro-ßem Umfang zu den Gräbern der Beamten gehörte, fast vollständig verschwun-den. Vielmehr ersetzte bildliche ─ auch rundbildliche ─ Präsentation des Grab-herrn den Text, der in seiner Form erhalten bleibt. Als sogenannte ‚Spätzeitbio-graphien‘ legen diese Texte das ‚dauernde Spannungsverhältnis‘ zwischen Idee und Wirklichkeit offen und sind allen Erkenntnissen zufolge vor allem Formeln, die beliebig reproduziert werden konnten 354. Man könnte die Entwicklung und den Zusammenhang zwischen Grabbau und Autobiographie in folgender Weise formulieren: Je mehr sich der Grabgedanke vom Profanen ab─ und den religiö-sen Themen zugewandt hat, desto mehr ist die textliche Präsentation des Indivi-duums hinter diejenige durch das Bild zurückgetreten. Und um so mehr hat das Bild auch die Funktion der Repräsentation der Person übernommen.

Am Wandel des Grabgedankens mit Architektur─, Text─ und Bildpro-gramm lassen sich die Veränderungen auf der biographischen Bedeutungsebene zeigen und in stark abstrahierter Form auch die lange und periodische Entwick-lung: vom Bild zum Text und zurück zum Bild. Dieses hat gegen Ende der Tra-dition eine semantisch nur geringfügig andere Form als zu Beginn der biographi-schen Geschichte: Die Abbildung oder dreidimensionale Darstellung eines Grabherren der Spätzeit trägt in sich jedoch die Biographie nun als Konstituente der ─ in Texten und Bildern ─ fixierten und in der Grabarchitektur manifesten Identität eines Grabherren. Sie auszudrücken wurde in der Spätzeit offenbar auch als architektonisches Unternehmen angesehen, wodurch die Bedeutung des Gra-

352 So bei: S. NAKATEN, s.v. Petosiris, in: LÄ IV, Wiesbaden 1982, Sp. 995 ff. 353 C. PICARD, Les influencies ètrangéres au tombeau de Petosiris, loc. cit. 354 E. OTTO, Die biographischen Inschriften der ägyptischen Spätzeit, loc. cit. Der Verfasser be-

nutzt den Begriff „Idealbiographie“ und deutet deren leichte Reproduzierbarkeit ebenfalls an.

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bes selbst als ‚biographisierend‘ in derart monumentalem Umfang wohl als die entscheidende, von den Beamten selbst gesteuerte Entwicklung der Spätzeit an-gesehen werden kann.

2.1.2. Totendenksteine und Stelen im Grabinneren und im Vorhof

Totendenksteine ─ bzw. Stelen ─ lösen sich in eigener Funktion von der Räum-lichkeit des Grabes ab. Die Totendenksteine von Beamten gaben im frühen Alten Reich zunächst nur Namen und manchmal Titel der Toten wieder.

Es erscheint sinnvoll, die frühesten Steintafeln mit Namen und manchmal Titulatur eines Beamten zunächst als ‚Totendenksteine‘ zu bezeichnen 355. Man findet in der ägyptologischen Literatur für dieselben frühen Totendenksteine aber auch die Bezeichnung ‚Stelen‘ und umgeht dabei die Beschreibung der Ent-wicklung, vom fest an die Grabanlage gebundenen Textträger, dem Totenge-denkstein, hin zu dem funktional freien Textträger, der Stele 356. Dies soll im fol-genden versucht werden.

Kurz vorgreifend zusammengefaßt, bildete sich im Alten Reich im semanti-schen Kontext der Gräber und Mastabas, neben den Totendenksteinen zunächst die Scheintür als Kultstelle für die Beamten heraus. Die Scheintür konnte den Totendenkstein integrieren, oder aber er existierte unabhängig neben der Scheintür 357. Während für die Scheintüren in allen Zeiten die Funktion der Kultstelle am Über─ und Durchgang vom Diesseits zum Jenseits grundsätzlich geklärt ist, diente die ‚Stele‘ als Textträger der Aufnahme des biographischen Diskurses, der dann bereits nicht mehr nur Titel und Namen einbegreift wie an-fänglich. Die Stele, die den diskursiven Schriftgebrauch impliziert, reflektiert ihn gleichzeitig und gehört somit in den Bereich des „kulturellen Gedächtnisses“. Das kulturelle Gedächtnis wird als der Raum des überlieferten und vergegen-wärtigten Sinnes einer Kultur bezeichnet 358. Es schafft in der Vergegenwärti-

355 K. MARTIN, s. v. Stele, in: LÄ VI, Wiesbaden 1985, Sp. 1 ff. 356 Abweichend P. KAPLONY, Die Inschriften der ägyptischen Frühzeit, Bde. 1—3 und Supple-

ment, ÄA 8—9, Wiesbaden 1963—64, 357 ff. 357 Siehe auch S. WIEBACH, Die ägyptische Scheintür, HÄS 1, Hamburg 1980. 358 Zu diesem Komplex J. ASSMANN, Das kulturelle Gedächtnis. op. cit, hier besonders 20 f.

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gung gleichsam neue gesellschaftliche und kulturelle Rahmenbedingungen und setzt diese hermeneutisch durch fortgesetzte Reflexion in immer neue komple-xere Sinnzusammenhänge, die die Tradition einer Kultur aufbauen und auch ver-anschaulichen. Die Stele ist der Träger solcher Vergegenwärtigung und gewinnt als Textträger Eigenständigkeit, wenn:

1. er als Objekt ─ als Stein ─ vom Grab losgelöst selbständiger Träger autobiographischen Textes ist,

und wenn 2. dieser Textträger den Diskurs der Biographien in sich aufnimmt. In die-

ser Funktion manifestiert sich dann auch die funktionale Selbständigkeit des Diskurses.

Totendenksteine als Vorläufer der Stelen waren zunächst in den Oberbau der Grabtumuli der Frühzeit, z. B. in Abydos eingesetzt 359. Mit der Entwicklung der Graboberbauten, besonders in Saqqara, wurde der Totendenkstein in eine Nische der Außenwand des Grabes eingelegt 360. Er gab dem Anbringungsort eine neue semantische Bedeutung, nämlich die der Hauptopferstelle an der Fassade. Diese wurde als Scheintüre bekannt und entwickelte sich eigenständig fort. Die Scheintüre dominierte den Bau als Hauptkultstelle 361. Sie kommemorierte und vergegenwärtigte den Grabherrn. Scheintüre und Statue wurden im Alten Reich i. d. R. vom König für den Grabherrn mit der Grabausrüstung gestiftet 362. Davon verschieden sind Stelen. Sie sind unabhängig von ihrer Form i. d. R. freistehende, textlich und bildlich erweiterte, funktional eigenständige Totendenksteine gewe-sen. Sie sollten das Wichtigste über eine Person auf engem Raum zusammenge-faßt an einem beliebigen Ort präsentieren, jedoch mehr als nur Titel und Namen. Die Stele in diesem Sinne entwickelte sich aus und neben den Scheintüren der

359 W. M. F. PETRIE, The Royal Tombs of the First Dynasty I, EEF 18, London 1900, 27 und

Taf. XXXIII—XXXVI. Zur Entwicklung der Stelen siehe auch R. HÖLZL, Die Giebelfelddeko-ration von Stelen des Mittleren Reiches, Veröffentlichungen der Institute für Afrikanistik und Ägyptologie der Universität Wien, Beiträge zur Ägyptologie 10, Wien 1990.

360 H. FRANKFORT, The Origin of Monumental Architecture in Egypt, in: AJSL 58, Chicago 1941, 350.

361 Vgl. hierzu auch F. KAMPP, Die Thebanische Nekropole, op. cit., Bd. I, Kap. II.5, 51—57 und Kap. III.6, 74—81: Stelen und Scheintüren werden hier als architektonische Gestaltungsele-mente, die eigenem Wandel unterliegen und gleichzeitig auf ihn hinweisen im Hinblick auf die Veränderung der Grabkonzeption von der XVII. zur XX. Dynastie behandelt.

362 Urk. I, 18 ff.

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Gräber des Alten Reiches noch gegen Ende des Alten Reiches. Sie wurde dann in der 1. Zwischenzeit in den Ziegelmastabas erstmals eigenständig zum Einsatz gebracht. Den Totendenksteinen, den Stelen und den Scheintüren ist das kom-memorative Element gemeinsam. Die Zusammenfassung des autobiographisch relevanten überlieferungswürdigen Textes auf knappstem Raum außerhalb des Grabes übernehmen jedoch nur die Stelen.

Mit der vermehrten Anlage von Grabbauten in den Provinzen gegen Ende des Alten Reiches wurden Totendenksteine in die Wände von Ziegelgräbern ein-gelassen 363. Sie stellen die Vorstufe zu den Stelen des Mittleren Reiches dar, wurden nun auf Initiative der Grabherren selbst erworben und angefertigt wie das Grab selbst auch. Sie waren also auch nicht mehr vom König zugeteilt 364. Sie konnten bereits Opferformeln, Gebete zu Göttern, Anrufe an die Lebenden, autobiographische und genealogische Angaben sowie Darstellung tragen 365. Daneben kommen auf ihnen die Darstellungselemente: Speisetischszene, Abbil-dung des Verstorbenen, der Betende, Gabenträger und / oder Dienerfiguren, An-gehörige und Götterfiguren vor 366. Die genannten Elemente stellen Kombinati-onselemente dar, aus denen schon in der 11. Dynastie, aber besonders im Mittle-ren Reich die aufzustellenden Stelen individuell komponiert wurden 367. Die Stelen (außer der Scheintüre), die im Kontext des Grabes blieben, zeichnen sich durch zweierlei charakteristisch aus:

1. Sie sind, sowohl im Grabraum als auch im Vorhof angebracht, und sie sind Nebenkultstellen 368 für den Grabherrn. Sie dokumentieren das Bedürfnis des Grabherrn, Anwesenheit im Grab nicht nur am Kultort Scheintüre zu dokumentieren. Stelen repräsentieren den Grabherrn in diesem Sinne im Grab als überall anwesend.

2. Sie boten sich den Grabbesuchern als Versammlungs─ oder Andachtsstätte an und forderten sie nachdrücklich zur Kommemoration des jeweiligen Be-

363 D. DUNHAM, Naga ed-Dêr Stelae of the First Intermediate Period, Oxford-London 1937. 364 Urk. I, 51, 2. 365 K. MARTIN, s. v. Stele, op. cit, Sp. 1 ff. 366 H. W. MÜLLER, Die Totendenksteine des Mittleren Reiches, ihre Genesis, ihre Darstellungen

und ihre Komposition, in: MDAIK 4, Wien 1933, 193. 367 Siehe dazu auch die neuere Veröffentlichung von R. HÖLZL, Die Giebelfelddekoration von

Stelen des Mittleren Reiches, op. cit. 368 K. MARTIN, s. v. Stele, op. cit, Sp. 1 ff.

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amten auf. Der Grabherr war Empfänger von Kulthandlungen und Zuwen-dung der Nachlebenden.

In der 18. Dynastie findet man Stelen auch an der Hauptkultstelle in Gräbern 369. Sie tragen vor allem Darstellungen des Grabherren, der Opfer empfängt, oder die Darstellung des Königs bzw. Anbetungsszenen der Totengötter Osiris und Anu-bis und andere Götterdarstellungen. In den Textfeldern sind dann Hymnen ange-bracht, womit der Götterverehrung klar Vorrang vor der Selbstpräsentation des Grabherren eingeräumt wird. Damit kommt der Stele im Grabkontext an einer solchen Hauptkultstelle in dieser Zeit auch eine andere Funktion zu, die dem hi-storischen Wandel des Selbstverständnisses der Person des Grabherren vom Mittleren zum Neuen Reich entspricht 370.

In der Spätzeit wurde besonders die Sargkammer der Ort, an dem Totenste-len aufgestellt waren. Ihre Thematik war eine weitgehend jenseitige und stellte besonders bildlich die Verbindung des Toten zu den Göttern im Jenseits her 371.

2.1.3. Statuen im Grab

Schon in der ägyptischen Vorgeschichte, in der Negade-Zeit, hat es menschliche, figürliche Darstellungen gegeben, die auch dem Kontext von Gräbern entstam-men dürften 372. Im Alten Reich wurden dann Statuen des Grabherrn in den Grä-bern von Beamten üblich, die zunächst wohl der König gestiftet hatte, die sich

369 So F. KAMPP, Die Thebanische Nekropole, op. cit., Kap. I, 54. Es sind dies Stelen in den Grä-

bern TT 249, A 21, TT 194, TT 189 und TT 306. 370 Siehe dazu mein Kap. 1.1.3. 371 P. MUNRO, Die spätägyptischen Totenstelen, ÄF 25, Glückstadt-Hamburg-New York 1973. 372 W. M. F. PETRIE, Prehistoric Egypt, BSAE 31, London 1917, 6 ff. und Taf. II—III; nos. 22—24,

Taf. II, stammen von einem Händler und sind angeblich in Balat gefunden worden. Menschli-che Köpfe aus Ton und Idole fanden sich des weiteren innerhalb der unterägyptischen Kulturen von Merimde und Maadi (J. EIWANGER, Zweiter Vorbericht über die Wiederaufnahme der Grabungen in der neolithischen Siedlung Merimde-Benisalâme, in: MDAIK 35, Mainz 1979, 53; DERS., Die neolithische Siedlung von Merimde-Benisalâme. Vierter Bericht, in: MDAIK 38, Mainz 1982, 74, Taf. 10; I. RIZKANA - J. SEEHER, Maadi III, The Non-Lithic Small Finds and the Structural Remains of the Predynastic Settlement, AV 80, Mainz 1989, 11 f., Taf. 1, 1), doch brauchen diese ─ angesichts der vergleichsweise sehr einfachen Grabausstattung ─ sicherlich nicht unbedingt zum Repertoire der Bestattungsbeigaben gerechnet zu werden.

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später der Grabherr aber auch selbst erwerben konnte 373. Die Vielzahl der aus dem Alten Reich erhaltenen Statuen stammt aus den Beamtengräbern der Resi-denzfriedhöfe. Sie datieren zeitlich zum überwiegenden Teil in die 5. und 6. Dynastie. Ihre Funktion war es naheliegenderweise, die Teilnahme des Grab-herrn, und oft auch seiner Angehörigen, aus dem Statuenraum der Gräber, dem Serdab heraus, am Totenkult im Grab zu sichern. Der Grabbesitzer wohnte der Statue nicht nur abstrakt ein, wie der Scheintüre oder den Reliefs, sondern wollte in natürlicher Gestalt im Grab Opfer entgegen nehmen 374. Zusammen mit den Reliefs und Inschriften trugen Statuen verstärkt dazu bei, die Anwesenheit des Grabherrn in seinem ‚Wohnhaus‘-Grab zu demonstrieren. Durch bestimmte pla-stische Formungen wurden dann die besonders zu betonenden Haltungen des Beamten zum Ausdruck gebracht, wie im Mittleren Reich dann üblich: opfern, beten, schreiben 375. Die im Mittleren Reich entstehenden neuen Statuentypen Mantelstatue und Würfelhocker 376 waren sowohl Grabstatuen als auch zum gro-ßen Teil Tempelstatuen. Sie waren zur Aufstellung auch außerhalb des Grabes bestimmt. Statuen wurden bei ihrer Aufstellung in den Gräbern nun nicht mehr in einem separierten Statuenraum abgeschlossen, sondern waren den Besuchern sichtbar, die sich zum Zwecke des Totenkultvollzuges im Grab mit dem Grab-herren einfanden 377.

Mit dem Mittleren Reich gewann die Statue Offenheit und Selbständigkeit, die aus der gebundenen königsergebenen Existenz des Beamten im Alten Reich weit hinausweist. Die stelophore, naophore und sistrophore Statue des Neuen Reichs schließlich setzte den Dargestellten zu einer Gottheit direkt in Bezie-hung 378. In der plastischen Kunst wird damit eine neue Semantik sichtbar: Die rundplastische Umsetzung der Sonnenanbetungsszene am Grabeingang. Als Bei-spiel seien die stelophoren Beterstatuen genannt, die mit der Zeit der Hatschep-

373 W. HELCK, Altägyptische Wirtschaftsgeschichte, op. cit, 74 f. 374 J. ASSMANN, Die Gestalt der Zeit in der pharaonischen Kunst, loc. cit. 375 Angaben zu dergestaltigen Statuen bei D. WILDUNG, s. v. Privatplastik, in: LÄ IV, Wiesbaden

1982, Sp. 1118, Anm. 18—20. 376 Siehe dazu R. SCHULZ, Die Entwicklung und Bedeutung des kuboiden Statuentypus. Eine Un-

tersuchung zu den sogenannten „Würfelhockern“, 2 Bde., HÄB 34, Hildesheim 1992. 377 J. ASSMANN, Die Gestalt der Zeit in der pharaonischen Kunst, op. cit., 17. 378 J. ASSMANN, Die Gestalt der Zeit, op. cit., 19. Die Elemente Stele, Naos und Sistrum sollen

dabei keineswegs figürlich gesehen werden. Sie gewinnen nur eine neue zusätzliche Bedeutung durch ihre Verbindung mit der Figürlichkeit einer Statue.

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sut und Thutmosis’ III. erstmals auftraten. Sie sind nie in situ gefunden worden, stammen wahrscheinlich aber aus Beamtengräbern 379. Sie tragen zunächst auf ihrem Schurz, dann auf einer Stele Sonnenhymnen 380. Damit haben sie mit den Autobiographien insofern zu tun, als sie mit der Sonnenanbetungsszene die Handlung des Beamten ─ der Sonnenanbetung ─ implizierten, die ansonsten im Kontext des autobiographischen Bekenntnisses zur ‚persönlichen Frömmigkeit‘ in den Biographien des Neuen Reiches erscheinen müßte. Sie haben mit der Szene der Sonnenanbetung durch den Grabherrn auf den Grabfassaden drei Ele-mente gemeinsam:

a) sie zeigen den Grabherrn in anbetender Haltung, b) sie nennen den Grabherrn mit Titeln und Namen und c) sie tragen den Sonnenhymnus 381.

Die Haltung des Beamten, z. B. die anbetende Haltung, ging mit der persönlich relevanten Biographie eine Verbindung ein und stellte den Beamten mit Titel und Namen vor (siehe b)). Vergleichbar sind die Verbindungen des Beamten zu seinem Naophor und Sistrophor. Auch sie realisierten eine besondere Verbin-dung des Beters zu seinem Gott, der in allen Fällen der Dargestellte war. Sie ge-ben biographisch relevant zu erkennen, daß dessen berufliches Werden von dem mit ihm in der Plastik dargestellten Gott abhängig war 382. In der Spätzeit fand man keine neuen Typen mehr, griff vielmehr, wie in vielem anderem, besonders auf die Formen des Mittleren Reiches zurück 383.

Die Entwicklung der Textträger von Biographien führt, ausgehend vom Totendenkstein, und von der an das Grab gebundenen Scheintür, über die sich mit dem Selbstbewußtsein der Beamten des Mittleren Reiches verselbständi-

379 J. ASSMANN, Sonnenhymnen in thebanischen Gräbern, op. cit., XIII. 380 Siehe dazu H. M. STEWART, Stelophorous Statuettes in the British Museum, in: JEA 53, Lon-

don 1967, 34—38 und J. ASSMANN, Sonnenhymnen in thebanischen Gräbern, op. cit., XIII. 381 J. ASSMANN, Sonnenhymnen in thebanischen Gräbern, op. cit., XIII. 382 Für die Statuen in den Gräbern des Neuen Reiches konnte E. HOFMANN die Entwicklung ver-

schiedener Statuentypen in Zusammenhang mit dem Wandel des Grabgedankens von der Stätte privaten Totenkultes hin zur Verehrungsstätte für Götter herausarbeiten: E. HOFMANN, Typen ramessidischer Plastik in thebanischen Privatgräbern, op. cit., 271—279.

383 J. ASSMANN, Die Gestalt der Zeit, op. cit., 19; siehe ferner den Würfelhocker des Anch-pache-red im Museum von Kairo, JE 36993 aus der 25. Dynastie, veröffentlicht in: M. SALEH - H. SOUROUZIAN, Das Ägyptische Museum Kairo, Mainz 1986, Nr. 247.

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gende Stele, bis schließlich hin zur Rundplastik des Neuen Reiches, wo sie einen Höhepunkt findet. Durch sie sicherte sich der Beamte seine Teilnahme am Göt-terkult, wollte jedoch auch den Schutz der Gottheit für sich selber unmittelbar physisch in Anspruch nehmen.

2.2. Autobiographien außerhalb des Grabes 2.2.1. Stelen

Ab dem Mittleren Reich wurde Beamten erlaubt, Stelen außerhalb ihrer Gräber aufzustellen. Sie sind dann an verschiedenen Orten zu finden 384:

─ an die Tempelumfassungsmauer gelehnt (Abydos), ─ in Grabhöfen, ─ in Scheingräbern und Stelen-Kapellen 385.

Die Stele setzt sich zu Beginn des Mittleren Reiches mit neuer Funktion durch: sie repräsentiert den Verstorbenen, was besonders für Abydos gilt. Die Stele sollte dort dem Verstorbenen „Zugehörigkeit zum Kreise des Osiris sichern“ 386. In derselben Funktion trifft dies für andere Kultorte und die dort verehrten Gott-heiten zu, an denen Stelen vermehrt gefunden wurden, z. B. in Dendara, in Naga ed-Deïr und im späten Mittleren Reich besonders in Edfu. Die Masse der sich in Museen befindenden Stelen stammt allerdings aus unklaren Fundzusammenhän-gen. Es gibt keine in situ-Lokalisation, die Aufschluß über die Beziehung des Steines zu dem sie umgebenden, umbauten oder freien Raum geben könnte. Deutlich ist jedoch, daß seit dem Mittleren Reich die Stele lokal und semantisch unabhängig vom Grab existiert und ihre eigene Bedeutung erlangt hat. Mit der Loslösung der Stelen aus dem Kontext des Grabes wird der Gedanke der fort-dauernden Anwesenheit eines Beamten bei den Nachlebenden nach seinem Tode ebenfalls aus dem Rahmen des Grabes gelöst. Nicht mehr nur die Räumlichkeit des Bestattungsortes beherbergte nun den Toten, sondern er konnte sich an je-

384 Zur Entwicklung der Totendenksteine, ihrer geographischen Verteilung und ihres Aussehens

H. W. MÜLLER, Die Totendenksteine des Mittleren Reiches, op. cit., 165—206, mit Tafeln. 385 Siehe dazu auch W. K. SIMPSON, The Terrace of the Great God at Abydos, op. cit., 1974, 2—5. 386 H. W. MÜLLER, Die Totendenksteine des Mittleren Reiches, op. cit., 192.

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dem Ort, an dem seiner gedacht werden sollte, mit einer Stele aufhalten. Das Sich-Aufhalten bedeutete in diesem Falle, daß er sowohl im Grab als auch dort präsent war, wo Kultbetrieb stattfand, also in den Tempeln und an den Prozessi-onsstraßen. Und es bedeutete zudem, daß der Steleninhaber an diesen Orten selbst aktiv sein wollte. Es wurde für Beamte des Mittleren Reiches wichtig, sich gegebenenfalls an anderer Stelle als im Grabe aufhalten zu können. Während man im Grab hauptsächlich Kultempfänger war, wollte man nun selber Teilneh-mer am kultischen Geschehen sein. Stelen repräsentierten den Grabherrn in die-sem Sinne außerhalb des Grabes in aktiver Teilnahme am jeweiligen Kultbetrieb. Deutlich zeigt sich in diesem Schritt, den auch die Privatplastik mitvollzieht, das Selbständig-Werden und das initiative und innovative Handeln und Denken der Beamten im Mittleren Reich. Mit der historischen, politischen und individuellen Entwicklung im Mittleren Reich kam es zu einer größeren Verbreitung der Ste-len besonders in Oberägypten. Mit der 2. Hälfte der 12. Dynastie kommt es zu-dem zu einem quantitativen Rückgang des Textes zugunsten der großflächigen Speisetischszene und der h tp dj nswt-Formel 387. Daran wird deutlich, daß schon zu diesem Zeitpunkt der Gebrauch von Stelen so populär war, daß allein die eine ‚Hauptformel‘ ausreichte, um zusammen mit einer oft vorhandenen Abbildung des Beamten im Bildfeld die ganze Semantik der zuvor oft reichhaltig kombi-nierten und betexteten Stelen zu implizieren. In diesem Sinne wurden die Stelen zu Semen für das ursprünglich mit dem Grab verbundene, in der Autobiographie realisierte Bedürfnis nach Gedächtnis und Fortdauer des Beamten, das sie meta-phorisierten. Die Stele veranschaulichte durch ihre Existenz das Genannte und führte aus dem Grab heraus, indem sie dem Bedürfnis nach Teilhabe, besonders aber Teilnahme des Verstorbenen am Götterkult Ausdruck verlieh, sowie seinem Bedürfnis, sich unabhängig vom architektonischen Raum zu orientieren.

Ab der 12. Dynastie, und manchmal in der 13. Dynastie, kamen in den Bildteilen der Stelen auch Götterdarstellungen 388 und Nennung des Königsna-

387 H. W. MÜLLER, Die Totendenksteine des Mittleren Reiches, op. cit., 203. 388 Dazu siehe besonders die Aufstellung von Stelen mit Götterdarstellungen bei M. MALAISE,

Inventaire des Stèles Divines du Moyen Empire Porteuses de Representations Divines, in: SAK 9, Hamburg 1981, 259—283.

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mens in Kartusche nicht mehr nur vereinzelt vor 389. Diese Entwicklung geht zeitlich einher mit der neuerlichen Überhöhung des Königs ab der 12. Dynastie und etwa auch mit der Erlaubnis, in Tempeln Privatstatuen aufzustellen. Hier hat nicht nur eine Neuorganisation und ─definition der Kult─ und Gedenkstelle stattgefunden, sondern, wie die Anzahl an Stelen ab der 12. Dynastie belegt, auch ein offenbar populärer und großzügiger Gebrauch von Denksteinen einge-setzt 390. Beides waren Reaktionen der Beamten auf königliche und geistige Be-wegungen des Mittleren Reiches.

Im Neuen Reich und der Spätzeit änderte sich nichts mehr an der grund-sätzlichen Bedeutung der Stele für den Beamten. Besonders an den Kultorten sowie in den Kenotaphen, den Stelenkapellen vor den Tempeln und in den Tem-peln und Gräbern repräsentierten Stelen ihren Besitzer, veranschaulichten dessen Teilnahme am Kultritual und den Prozessionen und riefen zum Gebet für den Verstorbenen auf. Die größere Religiosität des Neuen Reiches und der Spätzeit dokumentieren Stelen auch dadurch, daß es besonders häufig Szenen gibt, in de-nen der Beamte sich im Bildfeld der Stele opfernd darstellen ließ. Für diese Dar-stellungen gilt, daß das Bild in der Regel das Komplement zum Text ist, wobei der Text der Stele Priorität vor der Abbildung hat 391. Das Bild komplementierte den Text, indem es die ‚Gebetshandlung‘ durch den Beamten sichtbar machte. Das Bild realisiert damit die Bedingung für die Gabe der Opfer an den Verstor-benen und gab dem Betrachter die Rechtmäßigkeit seines Gedenkens an den Verstorbenen und dessen Verehrung zu erkennen.

2.2.2. Kenotaphe

Kenotaphe sollten an anderem Ort als dem Bestattungsort ein Denkmal für den Verstorbenen setzen. Ab dem Mittleren Reich verbreitete sich die Sitte von Be-amten, sich besonders in Abydos Stelen oder Kenotaphe zu errichten. Diese

389 Beispiele und Beschreibung bei H. W. MÜLLER, Die Totendenksteine des Mittleren Reiches,

op. cit., 197 ff. Einzelbeispiele aus der frühen 12. Dynastie sind belegt, hier jedoch nicht aussa-gerelevant.

390 Dazu auch Z. E. SZAFRANSKI, Some Remarks about the Process of Democratization of the Egyptian Religion in the Second Intermediate Period, in: ET 12, Warschau 1983, 54—66.

391 J. ASSMANN, Die Gestalt der Zeit, op. cit., 27.

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Textträger vertraten ihren Grabherrn vor Ort und sicherten seine Teilnahme am lokalen Kult. Der Kenotaph trug den Namen m ch ct, „Gebäude“, was abzuleiten ist von der Bezeichnungen für „Stele“ ( ch cw), wörtlich daher: „Aufstellungsort der Stele“. Die Funktion der Kenotaphe kann folgendermaßen umrissen werden:

Der Kultort Abydos als gleichzeitiger Fundort für Stelen und Kenotaphe zeigt, daß beiden Textträgern die gleiche Funktion vor Ort zukommen sollte. Sie wurden aufgestellt oder gebaut, um die Teilnahme des Beamten am lokalen Kult zu sichern. Die Kenotaphe und Stelenkapellen gaben, wie aus der Publikation WILLIAM KELLY SIMPSONS 392 hervorgeht, einem Beamten gleichermaßen die Möglichkeit, sich in repräsentativerer und stabilerer Form eine oder sogar meh-rere Stelen zuzugestehen und diese angemessen einzubauen, bzw. zu umbauen. Man kann sich wohl für die Kenotaphe eine Art privaten Kleinkultbetrieb den-ken, den man wohl als ‚geschlossen‘ im Bezug auf die eine betreffende, zu ver-ehrende Person bezeichnen kann. Die Repräsentation des Beamten am Kultort und seine Anwesenheit ─ also auch Beteiligung am Kultgeschehen ─ sollten mit der Errichtung von Kenotaphen betont werden und fanden eine architektonische Form, die den kommemorativen Sinn der Stele mit der Repräsentativität des um-bauten Raumes zusammenbrachte.

2.2.3. Statuen

Privatplastik ist im Alten Reich mit der Biographie eines Beamten in Verbindung zu bringen. Sie erscheint wie die Autobiographie in den Gräbern. Im Mittleren Reich entstanden neu besonders die beiden Typen Würfelhocker und Mantelsta-tue 393. Sie stehen typologisch und historisch-geistesgeschichtlich, mehr noch als die Stelen, für das Unabhängig-Werden des Individuums vom Grabraum im Mittleren Reich: beide Typen repräsentieren einen Grabherren. Er wohnt dem Kult als Statue in den Tempeln in einem Körper bei, der die Individualität se-mantisch-ikonoplastisch in sich geschlossen hält 394. Hier hat sich sowohl die

392 W. K. SIMPSON, The Terrace of the Great God at Abydos, op. cit., besonders 6—10. 393 Dazu F. JUNGE, Die Provinzialkunst des Mittleren Reiches in Elephantine, in: L. HABACHI,

Elephantine IV, The Sanctuary of Heqaib, op. cit., 117 ff. 394 J. ASSMANN, Die Gestalt der Zeit, op. cit., 15 ff.

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Entwicklung vom Flachbild zur Plastik, als auch die von der Gebundenheit des Individuums hin zu seiner Repräsentation außerhalb des Grabraums bereits voll-endet. Mit dem Mittleren Reich war der Grabherr nicht mehr der passive Emp-fänger von Kulthandlungen in seinem Grabe. Er verstand sich vielmehr aktiv als Teilnehmer an Götterkult und ─festen in den Tempeln. Hier läßt sich das, für das Mittlere Reich charakteristische, neue Verständnis von der festen Eingebunden-heit des Beamten in die Jenseitswelt, in ein konkret vorgestelltes Leben nach dem Tode fassen. Der Umgang mit der Idee eigener Repräsentativität durch die Plastik zeugt vom Selbstbewußtsein dieser Gesellschaftsschicht. Darin wird das Bewußtsein und Bedürfnis nach Eigenverantwortlichkeit für das eigene Ergehen erkennbar. Dies konnte dadurch positiv gestaltet werden, daß ein Grabherr auch an Götterfesten und am Tempelkult teilnahm. Deshalb wollte er aus der Enge seines eigenen Grab─ und Denkbereiches heraus an den Raum des Königs und der Götter herantreten. Zu diesem konnte er sich zunächst zwar nur begrenzt, dann aus eigener Initiative immer mehr Zutritt verschaffen. Im Neuen Reich kam es zu einer „geradezu explosionsartigen Erweiterung des Typenrepertoires“. Statuen werden in den Tempeln des ganzen Landes aufgestellt 395. Die Betersta-tuen der Beamten, besonders die im Neuen Reich neu erscheinenden Typen Ste-lophor, Naophor und Sistrophor zeigen u. a. die enge Bindung an den Gott und die mit abgebildeten Götter. Diese Haltung sollte nach außen präsentiert werden und dem eigenen Gedächtnis dienen. Für besondere Dauerhaftigkeit (d t) bürgte dabei, mehr noch als dies für die Stelen gilt, das Material, häufig ein Hartgestein. Das Individuum, das dem Träger Stein einwohnte, nahm am Kult teil 396.

Gerade in den Beterstatuen ist ikonographisch wohl die letzte Stufe der Umsetzung biographisch relevanter Information in plastische Darstellung zu se-hen. Seit dem Ende des Alten Reiches, als erstmals Privatstatuen in Göttertem-peln auftauchten, gab es eine kontinuierliche Entwicklung, die zunächst das Flachbild und dann die Statuenform dem Text vorzieht. Auch war die Statue dann nicht als Textträger wichtig, sondern mehr als Abbildung der Person, als Repräsentant des Stifters. Die Verbindung des Betenden zu dem mit ihm abge-

395 J. ASSMANN, Die Gestalt der Zeit, op. cit., 19. 396 Siehe hierzu H. KAYSER, Die Tempelstatuen ägyptischer Privatleute im mittleren und im neuen

Reich, Heidelberg 1936, und H. SOUROUZIAN, s. v. Tempelstatuen, in: LÄ VI, Wiesbaden 1985, Sp. 411 ff.

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bildeten Gott und zu dem Kult, an dem er seine Teilnahme durch die Plastik zu dokumentieren wünschte 397, zeigt seine Abhängigkeit vom Gott, von dem er lebte, der ihn schützen und leiten sollte. Der Rahmen des Tempels statt dem des Grabes ─ bzw. zusätzlich zu diesem ─, war für den Beamten des Neuen Reiches die adäquate Bühne, sich Gott zu nähern ─ nun auch im großen Rahmen des Tempelkultes. Die Vorstellung von der Kommunikation zwischen Mensch und Gott konnte sich neben dem Grab in diesem Kontext am wirkungsvollsten reali-sieren 398. In dieser Hinsicht sind die Tempelstatuen auch Ausdruck des biogra-phisch relevanten Eigeninteresses an der Göttergemeinschaft zum Nachteil der gesellschaftlichen Solidarität, die hinter den religiösen Ambitionen der Beamten in dieser Zeit erheblich zurücktreten mußte.

2.2.4. Expeditionsinschriften

Innerhalb der Textgattung Autobiographie stellen die Expeditionsinschriften ei-nen besonderen Typus dar, schon insofern, als sie aus der speziellen Situation eines reisenden Beamten an exponierter und nicht funerärer Stelle angebracht worden sind. Als Inschriften, die den Beamten in einer ganz spezifischen Tätig-keit kommemorieren, sind die Expeditionsinschriften, wie Stelen und Statuen, oft auch Kurzfassungen von Autobiographien. Sie beleuchten besondere Aspekte der Beamtentätigkeit und präsentierten und repräsentierten den Beamten vor Ort. Herausragend unter den Expeditionsinschriften sind die (meist) autobiographi-schen Texte aus dem Sinaï, dem Wadi Hammamat, dem Wadi el-Hudi und aus Hatnub, die entweder auf den Felsen geschrieben oder auf Stelen an den Expedi-tionsorten hinterlassen oder in einem lokalen Tempel (Serabit el-Chadim) aufge-stellt worden sind. Sie erinnern an einen Beamten als einen Expeditionsteilneh-mer bzw. ─leiter, als den sie ihn verewigen. Im Zusammenhang mit der Aufstel-lung in der Nähe eines lokalen Kultbetriebes stehen sie den Abydosstelen typo-logisch nahe. Felsinschriften und Tempelstelen sind durch ihre spezielle Lokali-

397 Dies gilt seit dem Ende des Alten Reiches, seit dem Aufstellen der Privatplastik in den Götter-

tempeln. Vorerst gab es noch keine ikonoplastische Verbindung von Götter─ und Privatstatue, wie sie erst das Neue Reich im Rahmen der Persönlichen Frömmigkeit hervorgebracht hat.

398 J. ASSMANN, Die Gestalt der Zeit, op. cit., 19.

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sation und durch ihre inhaltliche Konzentration auf die eine beschriebene Tätig-keit des Beamten unmittelbare autobiographische Zeugnisse sowohl dienstlicher Tätigkeiten der Beamten, als auch ihrer inneren Haltung zum Gott oder zu dem König, dem sie verpflichtet waren. Die die Sinaïinschriften kennzeichnenden Merkmale lassen sich auf andere Expeditionsstelen in Ägypten übertragen 399. Drei hauptsächlich semantische Merkmale der Inschriften vom Sinaï sollen ge-nannt sein, die geeignet erscheinen, die Bedeutung der Expeditions-Biographie hinsichtlich Charakteristik und Diskurs für den Typus, wie er in ganz Ägypten geläufig gewesen ist, zu interpretieren:

1. Inschriften sind z. B. in den Felsen am Rande des Weges, der zum Tempel von Serabit el-Chadim oder von diesem zum Meer hin führte, eingeritzt worden 400. Sie können von allerlei Tierdarstellungen oder Skizzen von Booten begleitet sein, die während des Weges ins Blickfeld des Reisenden gekommen sind, oder die bei der Bewältigung von Auf─ und Abstieg mit Lasten von Bedeutung waren 401.

Das Bild kann in diesem Falle selbst anstelle von Schrift als Sinnganzes 402 gemeint gewesen sein. Es kann vielleicht anstelle eines Satzes in einer Au-tobiographie eingesetzt worden sein, der gelautet haben könnte: „Ich reiste zu Schiff und mit Lastvieh und führte einen Transport an Verpflegung für den Tempel NN durch“. Besonders unter den gegebenen Bedingungen des schwer zu beschriftenden Felsens und der begrenzten Schreibfläche er-scheint diese von der eigentlichen Bedeutung des Bildes abweichende Funktion des Bildes als Zeichen / Sema anstelle des Textes einleuchtend. Felsinschriften und Stelen sind in diesem Falle kaum funktional zu unter-scheiden, zumal erstere häufig stelenartig beschriftet und / oder bebildert sind.

399 Besonders berücksichtigt wurde die Arbeit von K.-J. SEYFRIED, Beiträge zu den Expeditionen

des Mittleren Reiches in der Ostwüste, HÄB 15, Hildesheim 1981 und Publikationen, deren bi-bliographische Angaben zusammengefaßt sind bei E. BLUMENTHAL, s. v. Expeditionsberichte, in LÄ II, Wiesbaden 1975, Sp. 59 ff., und DIES. s. v. Expeditionsinschriften, in: LÄ II, Wiesba-den 1975, Sp. 61 f.

400 A. H. GARDINER - T. E. PEET, The Inscriptions of Sinai, Oxford 1952 und J. ČERNÝ, The In-scriptions of Sinai, Bd. II, Translations and Commentary, EEF 45, London 1955

401 A. H. GARDINER - T. E. PEET, The Inscriptions of Sinai, op. cit., z. B. nos. 518 und 520. 402 Siehe dazu J. ASSMANN, ÄHG, op. cit., 6—8.

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2. Viele der Stelen im Tempel von Serabit el-Chadim tragen nur autobiogra-phischen Text 403, jedoch keine Darstellung. Allein die Schrift wies dann den Beamten aus. Jedermann, der sich ihrer zu bedienen wußte, konnte sich vor Ort verewigen und seine Präsenz der Billigung der Gemeinschaft aller anwesenden Menschen und vor allem der Ortsgötter anheim stellen.

3. Einige Stelen tragen neben dem Text nicht nur die Darstellung des Ste-leninhabers, sondern auch solche der lokal verehrten Götter und / oder des Königs 404. Diese Merkmale rücken die auf solche Weise komponierten Stelen in die Nähe derjenigen anderen Textträger, die andernorts in der Nähe eines Kultbetriebes aufgestellt worden sind. Solche Expeditionsin-schriften gibt es auch in anderen Gegenden Ägyptens, z. B. in Hatnub, im Wadi el-Hudi und im Wadi Hammamat.

Autobiographischer Text in Verbindung mit der Abbildung des Königs oder Gottes, verbindet Götter und König direkt mit der Expeditions─ oder anderen Tätigkeit eines Beamten und damit mit ihm persönlich. Dem Expeditionsteil-nehmer mag dabei besonders daran gelegen haben, daß er sich mit Hilfe des Ab-bildes eines Gottes oder des Königs deren Beistand, gerade am abgelegenen Orte, besonders motivierend ins Gedächtnis rufen konnte. Physische und kulti-sche Anwesenheit der schützenden Autorität konnte durch das Bild quasi reali-siert werden, auch wenn am jeweiligen Arbeitsort, dem lokalen Steinbruch, kein Kultort geschaffen worden war. In der Herstellung dieser kausalen Relation von Gott / König und Tätigkeit für Gott / König rechtfertigte sich die Autobiogra-phie. Sie mußte zu einem Bekenntnis des Beamten zum Gott / König werden. Im Mittleren Reich lag das Gewicht der Aussagen der Expeditionsinschriften mehr auf der Betonung der Loyalität zum Dienstherren und König und damit auf der Betonung der guten Leistungen des Beamten selbst 405. Im Neuen Reich wird mehr Wert auf das Zeugnis ‚persönlicher Frömmigkeit‘ gelegt, das durch die Verbindung der Tätigkeit mit dem Gott des Ortes hervorgebracht worden ist. Durch die Sichtbarmachung gemeinschaftlicher Anwesenheit vor Ort wurde im-mer auch gemeinschaftliche Solidarität der beauftragten Beamten an einem be-

403 J. ASSMANN, ÄHG, op. cit., z. B. Nr. 53 und 54. 404 J. ASSMANN, ÄHG, op. cit., z. B. Nr. 58 und 72. 405 J. ASSMANN, Die Gestalt der Zeit, op. cit., 29.

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stimmten Ort betont. Sie sicherte den Platz des Beamten in nächster Nähe der Götter und des Königs während des Kultvollzuges, beispielsweise im Tempel von Serabit el-Chadim.

2.3. Zusammenfassung: Die Entwicklung von Totendenkstein und Scheintür zu Stele und Statue. Die unterschiedlichen Funktionen autobiographischer Texte innerhalb und außerhalb des Grabes.

An dieser Stelle soll noch einmal die Entwicklung zusammengefaßt werden, die für das Verständnis der Konzeption der Autobiographien maßgeblich war und von den Beamten selber herbeigeführt worden ist.

Folgende Schritte bleiben uns nachvollziehbar: 1. Beamte im Alten Reich waren mit dem Königsdienst eng an den Dienst-

herrn König gebunden. Er stiftete ihre Grabausstattung mit Stelen und Scheintür für die Mastabas. Es kam für die Präsentation der Person eines Verstorbenen kein anderer Ort in Frage als das eigene Grab. Zweck beson-ders der Scheintür war es, dem Grabherrn Totenkult zukommen zu lassen und dadurch seine Fortexistenz im Jenseits zu sichern.

2. Mit dem Ende des Alten Reiches legten sich die Beamten Statuen und Ste-len selbständig zu. Sie wurden aus den vormals für sie festgelegten Orten (Serdab und Scheintürnische) herausgelöst und konnten zusätzlich zu diesen separat aufgestellt werden 406.

3. Ab der 1. Zwischenzeit, als sich Provinzbeamte Ziegelmastabas errichteten, wurden Stelen als Inschriftenträger in deren Wände eingesetzt. In Erman-gelung großflächiger Beschriftungsoberflächen mußten auf den Stelen rela-tiv knapp die wesentlichen Dinge zu einer Person fixiert werden. Dazu ge-hörte bereits der autobiographische Text, der den Beamten Gedächtnis und Fortdauer sicherte.

406 H. JUNKER, Schlußband mit Zusammenfassung und Gesamt-Verzeichnissen von Bden. I—XII,

Giza XII, DÖAW 75. Bd., 2. Abh., Wien 1955.

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4. Mit dem Beginn des Mittleren Reiches wurden die Beamten i. d. R. wohlha-bend durch ihr Amt. Auf Initiative des Königs hin blühten die lokalen Göt-terkulte auf. Als angemessene Form der Beteiligung sahen die Beamten das Aufstellen von eigenen Stelen und Statuen in den Göttertempeln an. Ihre Funktion wurde nun eine von der der Biographie im Grabraum verschie-dene. Die auf der Stele kurzgefaßte autobiographische Angabe zu dem Be-amten mußte ihn im Tempel als berechtigten Teilnehmer am Götterkult ausweisen. Die Kultstelle im Grab blieb die Scheintür und wies ihn mit ei-ner dort angebrachten Minimalbiographie (Titel und Name) als berechtigten Empfänger von Totenopfern aus.

5. Ab dem Ende des Alten Reiches gestand man den Beamten von königlicher Seite zu, sich Statuen in die Göttertempel zu stellen. Dies, wie die Aufstel-lung von Stelen außerhalb des Grabes, besonders ab dem Mittleren Reich, weist auf ein bei den Beamten vorhandenes Bedürfnis nach geistiger und religiöser Beteiligung am Kultgeschehen hin, wie es die Könige vorgegeben hatten. Dabei konnte man für sich selber eine persönliche Aufwertung er-hoffen. Man war sich offenbar auch der Tatsache bewußt, daß man in den Tempeln bei den Götterfesten eine aktivere Rolle bei der Bezeugung von Frömmigkeit und Götterverehrung einnehmen konnte, als dies im bloßen Kontext des Grabes zu der Zeit möglich gewesen wäre. Die Stelen, wie auch die Statuen, waren Repräsentanten ihrer Auftraggeber, indem sie textlich und physisch den Verstorbenen in den lokalen Kult hineinbrachten und dies auch autobiographisch umsetzten. Sie brachten den Beamten auf diese Weise unmittelbar mit Gott in Verbindung. Die Idee von der Vergel-tung guter Taten bestimmte das Handeln des Menschen, ließ eigene Initia-tive aufkommen, die wir im gegenseitigen solidarischen Handeln bezeugt finden. Eingebunden in Ma’at, die sinnstiftende Denkkonzeption der ägypti-schen Welt, wird das selbständige Denken charakteristisch für die Beamten des Mittleren Reiches 407.

6. Im Neuen Reich mit der ‚persönlichen Frömmigkeit‘ gewann die Idee der Nähe zu Gott im Tempel noch zusätzlich an Bedeutung. Während die Grä-ber Bühnen des Toten─ und Götterkultes mit religiösem Gepräge waren,

407 Diese Zusammenhänge findet man erläutert in: J. ASSMANN, Ma’at, loc. cit.

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kam den Tempeln in erster Linie Bedeutung für die Beamten wegen ihres Kultraumes zu, der die Teilnahme an der Verehrung des Gottes auch nach außen weit und langfristig sichtbar werden ließ. Gerade die Tempelstatuen implizierten durch ihre Transformation der Person in Rundplastik, daß sie die Person der Endlichkeit der Zeit durch die ikonographische Umformung in den dauerhaften Stein entzogen. Sie präsentierten und repräsentierten den Menschen vollständig. Ihre Anwesenheit im Tempel dokumentierte die Haltung, das Wesen, den Charakter, die Frömmigkeit, das ganze Leben ei-nes Menschen für den Gott, aber auch für alle bei den Festen Anwesen-den 408. Die Statue zeigte vor allem das Nach-Innen-Gerichtet-Sein, wie es charakteristisch für die 19. Dynastie wurde. Die Solidarität, die darin zum Ausdruck gebracht werden konnte, daß der Beamte mit seiner Statue als Beter im Tempel dastand, zeigt gemeinschaftliches Handeln in den Tempeln nebeneinander und ideelles Handeln füreinander im Sinne des organisierten Sozialsystems. Die Art der Entwicklung der Autobiographie im Grab und außerhalb des Grabes und ihre voneinander deutlich verschiedenen Funk-tionen bezeugen das intellektuelle Selbständig-Werden der Beamten nach dem Ende des Alten Reiches. Die historische und geistige Entwicklung um sie herum wird präzise erkannt und weiter vollzogen. Dem Gedächtnis der Nachlebenden hat man sich dabei auf zweierlei Weise anempfohlen: als Kultempfänger den Nachfahren und als Kultteilnehmer dem Gott nach des-sen Beurteilung. Um die Präsentation zu sichern, wählte man zusätzlich zum autobiographischen Text im Grab die neue Präsentationsform Kurztext auf der Stele zum einen und zum anderen die Statue in ihrer ikonoplasti-schen Form als Träger aller autobiographischen Information bezüglich der dargestellten Person.

408 Siehe auch E. GRAEFE, s. v. Talfest, in: LÄ VI, Wiesbaden 1985, Sp. 187 ff.

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3. Identität und Biographie im alten Ägypten 3.1. Schrift und Identität

TELCOTT PARSONS bezeichnete die geschriebene Sprache als „Kernstück der schicksalhaften Entwicklung aus der Primitivität“ 409. Durch Schrift werde die Differenzierung zwischen dem sozialen und dem kulturellen System gesteigert und die Macht des kulturellen und sozialen Systems erheblich erweitert. Schrift gebe ferner die Möglichkeit, Botschaften, sowohl an ein breites, wie auch zeit-lich ungebundenes Publikum zu senden: „Die geschriebene Sprache, das Kern-stück der schicksalhaften Entwicklung aus der Primitivität hinaus, steigert die fundamentale Differenzierung zwischen dem sozialen und dem kulturellen Sy-stem und erweitert erheblich den Bereich und die Macht des letzteren.“ 410 Der altägyptische Staat gedieh durch seine Beamten, und er gewann im Verlaufe der Geschichte religiös, ökonomisch, politisch und sozial erheblich an Substanz. Ebenso wuchs das Selbstbewußtsein der Beamten, wie anhand der autobiogra-phischen Texte nachzuvollziehen ist.

„Durch die Schrift ist es möglich, den wichtigsten symbolischen Inhalten einer Kultur Formen zu verleihen, die unabhängig von den konkreten Kontexten der Interaktion sind“. In den Beamtenbiographien sind dies z. B. die Themen der Ideal─ und Laufbahnbiographie, die unabhängig von der vom Beamten real er-lebten Situation in der Autobiographie aufgezeichnet werden.

„Dies ermöglicht eine ungemein größere und intensivere Diffusion ─ so-wohl räumlich (z. B. im Hinblick auf Bevölkerungen) als auch zeitlich. Sie be-gründet das Phänomen der ‚Publikation‘ ─ d. h. die Richtung von Botschaften an ein undefinierbares Publikum, an jeden, der die geschriebene Sprache beherrscht und den das Schriftstück erreicht.“ Autobiographien waren Botschaften, ‚Publi-kationen‘, an die Nachkommen, die je nach Textträger räumlich unabhängig sein konnten.

Die eine soziale Gruppe ─ die der Beamten ─ entwickelte maßgeblich durch die Schrift ihre Identität und installierte mit der Schrift ein den eigenen Bedürf-nissen angepaßtes Zeichen─ und Kommunikationssystem. In ihm ist quasi kano-nisch die Phraseologie verankert, die der Selbstdarstellung diente und auf deren 409 T. PARSONS, Gesellschaften, op. cit., 46 ff. 410 Im folgenden zitiere ich aus T. PARSONS, Gesellschaften, op. cit., 46 f.

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Basis auch Neuschöpfungen als Erweiterungen verstanden werden können 411. Daraus entstand die eigene Textgattung Autobiographie, die als Überlieferungs-form von ethischen und sozialen Gehalten die Basis für eine eigene Berufsethik und Texttradition schuf. Man kann anhand der Texte historisch einen Weg nach-zeichnen, der aus einer relativen Unselbständigkeit und Abhängigkeit zu erfolgs-orientiertem eigenem Selbstverständnis und Selbstbewußtsein führte. Bezogen auf das Individuum formuliert weiter GEORGE H. MEAD, „daß der Sprachprozeß für die Entwicklung der Identität maßgeblich ist“ 412. „Identität entwickelt sich innerhalb des gesellschaftlichen Erfahrungs─ und Tätigkeitsprozesses, d. h. im jeweiligen Individuum als Ergebnis seiner Beziehungen zu diesem Prozeß als Ganzem und zu anderen Individuen innerhalb dieses Prozesses.“ 413 Dabei schafft das Individuum eingebunden in sein Sozialsystem das kulturelle System, das ALEIDA und JAN ASSMANN in dieser Weise als „kulturelles Gedächtnis“ be-schrieben haben 414. Diesen dynamischen Prozeß reflektieren und dokumentieren für die altägyptische Kultur am unmittelbarsten die Autobiographien der Beam-ten.

Autobiographien sind Identitätspräsentationen. Biographie und Identität können für die altägyptische Kultur und Geschichte modifiziert werden, wie im folgenden zu zeigen sein wird.

Wie man an der Entwicklung des Beamten-Daseins und ─Bewußtseins se-hen kann, bringen gerade die Einzelpersonen, die Beamten ─ jeder einzelne und die ganze Gemeinschaft ─ das kulturelle System in einen dynamischen Prozeß von Gesellschaftsentwicklung, der sich mit der sich vollziehenden Geschichte, auch mit der Theologie, im Vollzug verbindet 415. „Der Einzelne erfährt sich (…) aus der besonderen Sicht anderer Mitglieder der gleichen gesellschaftlichen Gruppe oder aus der verallgemeinernden Sicht der gesellschaftlichen Gruppe als

411 ‚Kanon‘ möchte ich dabei in der von J. ASSMANN in: Das kulturelle Gedächtnis, op. cit., 18,

beschriebenen Weise verstehen als: „Prinzip (…), das die konnektive Struktur einer Kultur in Richtung Zeitresistenz und Invarianz steigert. Kanon ist die ‚mémoire volontaire‘ einer Gesell-schaft, die geschuldete Erinnerung (…).“

412 G. H. MEAD, Geist, Identität und Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1988, Kap. III, 177 ff. 413 G. H. MEAD, Geist, Identität und Gesellschaft, op. cit., 177. 414 Siehe dazu J. ASSMANN, Das kulturelle Gedächtnis, op. cit., 24 und 21 ff. 415 Mit diesem Thema befaßt sich als Ganzes N. ELIAS, Über den Prozeß der Zivilisation, 2 Bde.,

Frankfurt a. M. 1976.

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Ganzer, zu der er gehört“ 416. Der Einzelne, der gebildete Beamte, der hier die gesellschaftlich zentrale ‚Rolle‘ spielte, bediente sich der Schrift in kreativ ver-antwortlicher und intellektuell fundierter Weise. PARSONS formuliert: „Auf frü-heren Stufen, besonders in sogenannten archaischen Gesellschaften, beschränkt sich das Schreiben auf die ‚handwerkliche‘ Schriftbeherrschung kleiner Grup-pen, die sie für spezialisierte, häufig esoterische religiöse und magische Zwecke verwenden. Eine zweite wichtige Entwicklung, wahrscheinlich ein Kriterium für die fortgeschrittene intermediäre Gesellschaft, ist die volle Institutionalisierung der Schriftbeherrschung bei erwachsenen Männern der Oberklasse. Solche Ge-sellschaften organisieren für gewöhnlich ihre Kultur aufgrund einer Reihe von besonders wichtigen, normalerweise heiligen Schriften, deren Kenntnis von allen ‚gebildeten‘ Männern erwartet wird.“ 417

Schrift stellt als Resultat, laut PARSONS, die „Quelle der Flexibilität und eine Chance der Neuerung dar“ 418. Dies ist in der altägyptischen Kultur mit den Autobiographien möglich gewesen, insbesondere trifft es jedoch für die politi-schen, also vom König eingeführten Schriften zu. Man denke z. B. an Klagen und Lehren, die ab dem Ende des Alten Reiches Ma’at fixierten 419 oder an die ‚Loyalistische Lehre‘ von Amarna. Mit ihr hat Echnaton die dann verordnete Doktrin in den wesentlichen Prinzipien eingeführt und festgeschrieben. Auch hier kommt es zu dem erwähnten Phänomen der ‚Publikation‘: zu Botschaften an ein undefinierbares Publikum, „an jeden, der die geschriebene Sprache be-herrscht und den das Schriftstück erreicht“ 420.

Beamte fixierten ihre Erfahrung als Identität oder Persönlichkeit innerhalb einer gesellschaftlichen Umwelt oder eines Erfahrungs─ und Verhaltenskontex-tes, in den sie ebenso wie die anderen eingeschaltet waren 421. Schrift ist das Mittel, mit dem Beamte kommunikativ wurden. Sie ist nicht nur an andere, son-dern auch an sich selbst gerichtet und führte gleichsam Identität ein 422. Schrei-

416 G. H. MEAD, Geist, Identität und Gesellschaft, op. cit., 180. 417 T. PARSONS, Gesellschaften, op. cit., 47. 418 T. PARSONS, Gesellschaften, op. cit., 47 f. 419 In diesem Sinne sei auf die Überlegungen zum Einsatz und Bewußtsein der Möglichkeiten von

Schrift in altägyptischem Kontext verwiesen, wie sie G. POSENER in: Littérature et Politique dans l’Egypte de la XIIe Dynastie, op. cit., ausgeführt hat.

420 T. PARSONS, Gesellschaften, op. cit., 47. 421 G. H. MEAD, Geist, Identität und Gesellschaft, op. cit., 180. 422 G. H. MEAD, Geist, Identität und Gesellschaft, op. cit., 180 f.

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ben (Schrift) und Identität sind zwei in einem kausalen Zusammenhang stehende, bzw. gestellte 423 Bezeichnungen von kulturellen, voneinander zunächst unab-hängigen auf die Person bezogenen Phänomenen. Während Schrift ein System von Zeichen ist, bezeichnet Identität ein System von Personalcharakteristika. Identität ist das Zusammenspiel und das Nach-Außen-Treten der im folgenden zu beschreibenden Elemente ‚Personalität‘ und ‚Persönlichkeit‘, die zu einer Per-son gehören. Schrift ist als Zeichensystem etwas objektiv-statisches. Identität ist als Struktur etwas subjektiv-dynamisches. Beides vereint sich im Intellekt der Person, die zur Schrift greift und sich ihrer zu eigenem Nutzen bedient. Der stati-sche Begriff verbindet sich hier mit dem dynamischen und aus den Schriftzei-chen wird die ‚lebendige‘, an die Person gebundene Identitätspräsentation als Teil der ganzen Kultur formuliert 424.

Durch die Herausbildung von Themen, die fixiert werden sollten, und ihre Weiterentwicklung, entstand auch bei denjenigen, die für die Fixierung dieser Themen verantwortlich waren, ein neues intellektuelles Bewußtsein. Ein alt-ägyptischer Schreiber der Frühzeit und der ersten Dynastien des Alten Reiches ist an Schrift und Scheiben erst herangeführt worden. Es war noch keine ge-wachsene gesellschaftliche Tradition, die er vorfand, über die er verfügen konnte. Er mußte sich Neues einprägen, ebenso wie er Neues für die ganze Kul-tur nach seiner Einschätzung der soziokulturellen Notwendigkeit hervorbrachte.

Der sich in den Autobiographien des ausgehenden Alten Reiches ent-wickelnde narrative Diskurs wurde im Mittleren Reich weiter ausgebaut und wirkte gleichzeitig auf die erzählende Literatur der Lehren, Klagen und königli-chen Texte 425. Mit der Institutionalisierung und Kanonisierung von Schrift und kulturellen Inhalten, etwa mit dem Ende des Alten Reiches auf breiterer Basis sichergestellt, wurde der Beruf des Schreibers immer komplexer und erforderte

423 J. ASSMANN erweitert die Konstellation durch den Aspekt Tod. Tod steht wegen der Determi-

nation der Texte auf die Jenseitsrealisierung zwischen Schrift und Identität; siehe J. ASSMANN, Schrift, Tod und Identität, loc. cit.

424 Siehe auch J. ASSMANN, Stein und Zeit, loc. cit. 425 Zur Entwicklung des narrativen Diskurses in historischen Texten s. J. BAINES in: J. OSING -

G. DREYER (Hgg.), Form und Mass. Beiträge zur Literatur, Sprache und Kunst des alten Ägypten, Fs. G. FECHT, ÄUAT 12, Wiesbaden 1987, 57—61 und C. J. EYRE, The Semnah Ste-lae. Quotation, Genre, and Functions of Literature, in: S. ISRAELIT-GROLL (Hg.), Studies in Egyptology presented to M. LICHTHEIM, Jerusalem 1990, 144—148.

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somit auch eine immer längere Lernzeit, in der notwendigerweise die Identitäts-fixierung noch zurückstehen mußte.

Es sind jedoch vor allem die komplexer werdenden gesellschaftlichen Zu-sammenhänge, durch die auch in Ägypten, wie in anderen Kulturen, das zuneh-mende Bedürfnis entstand, zu schreiben ─ und dann auch über sich selber zu schreiben. Exponiert und besonders ausgewiesen waren Schriftgelehrte, die es in Ägypten vereinzelt in der Person von Weisen gab. Sie stammten soziokulturell aus dem gebildeten und gleichzeitig kreativen Potential der altägyptischen Ober-schicht, zu der auch der König als Planer und Kenner von Texten und Textge-brauch zu rechnen ist. Die Entwicklung und Institutionalisierung der geschriebe-nen Sprache und Schriftkenntnis in Stufen beschreibt PARSONS in den drei zivili-satorischen Stufen:

1. die handwerkliche Beherrschung des Schreibens durch kleinere Gruppen, 2. die Institutionalisierung der Schriftbeherrschung bei Männern der Ober-

klasse und 3. die Beherrschung der Schrift von der gesamten erwachsenen Bevölkerung,

besonders in modernen Gesellschaften 426.

Die Schrift war als Träger und Übermittler von Kultur und Inhalten ab dem Ende des Alten Reiches, in ihrer ganzen Bedeutung und mit allen Möglichkeiten er-kannt worden, so sieht es jedenfalls der Qualität, dem Inhalt und der Verbreitung der Texte nach aus. Mit dem Ende des Alten Reiches nämlich dienten die schriftlich abgefaßten und wohl auch weithin mündlich verbreiteten Lehren der Popularisierung von Ma’at und Stabilisierung des Königtums des Mittleren Rei-ches.

In dem ramessidischen Text des Papyrus Chester Beatty IV vso. 6 werden in paarweiser Anordnung 8 Autoren genannt, die als Weise, „Gelehrte“ und „Ex-perten“, als rh w jh t, angesehen wurden:

Djedefhor, Imhotep, Neferti, Cheti, Ptahemdjehuti, Chacheperreseneb, Ptahhotep und Kaïres.

426 T. PARSONS, Gesellschaften, op. cit., 47.

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Die Schreiberlehrlinge sollten sie sich zum Vorbild nehmen, denn sie haben Un-sterblichkeit durch ihre Schriften erlangt:

„Gibt es einen Djedefhor? Gibt es einen zweiten Imhotep? Unter uns lebt kein Neferti, oder Cheti, der erste unter ihnen. Ich nenne Dir nur Ptahemdjehuti oder Chacheperreseneb. Gibt es einen zweiten Ptahhotep oder Kaïres?“ 427

Während das Schreiben auch Spielraum freier Betätigung des Individuums sein konnte, war es im Rahmen des Diskurses der altägyptischen Autobiographien, der lautet: „Gedächtnis und Fortdauer der Person“, abgegrenzt und festgelegt. Die biographischen Grabinschriften waren inhaltlich auf bestimmte Formeln und Themen festgelegt. Daraus befreiten sich die Beamten mit wachsender histori-scher und epigraphischer Tradition immer mehr. Ebenso lösten sie den Schrift-gebrauch aus dem engen funerären Rahmen des Grabraumes. Das Verfassen von Briefen, Ostraka, das Beschreiben von Stelen, Statuetten und Statuen macht dies deutlich. Die soziale Emanzipation der Person ging mit dieser Entwicklung ein-her. Der Rahmen für das Schreiben der Autobiographie blieb jedoch eng abge-steckt, schon dadurch, daß sich an der Definition der Funktion der Biographie als Lebensresümee und des vorgegebenen Diskurses als Fortbestehen des Individu-ums nach dem Tode niemals etwas änderte.

Autobiographien in den aufeinanderfolgenden Epochen der altägyptischen Kultur bezeugen z. T. große Phantasie und innovative Kreativität der Autoren über einen langen Zeitraum hinweg. Themen wandelten sich zwar, und Diskurse wurden zu verschiedenen Zeiten individuell unterschiedlich geführt, die Autoren folgten jedoch stets konsequent dem vorgegebenen biographischen Diskurs, wo-durch die Phraseologie immer wieder aufgenommen und weiter tradiert worden ist. Sowohl die festen schriftlichen Formen der Textgattung waren in ihm dau-erhaft fixiert, als auch alle individuellen Zeugnisse von Personen, die sich neue Texte generierten. So treten die besonders individuellen, bekannten autobiogra-

427 A. H. GARDINER, Hieratic Papyri in the British Museum, Third Series. Chester Beatty Gift, Teil

I, Text, London 1935.

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phischen Texte primär dadurch hervor, daß sie ‚aus dem Rahmen fallen‘, den phraseologischen Diskursrahmen stark erweitern. Sie generieren z. T. neue Phra-seologie und fügen diese dem Repertoire hinzu. In diesem Sinne war der Diskurs zwar erweiterbar, jedoch nicht neu definierbar. Der Diskurs der Biographien war inhaltlich stets in der Weise vorgeprägt, daß er die sozialen Zusammenhänge aufzeigt, die den Beamten die Sicherheit gegeben haben, vor sich und anderen zu bestehen, wie es auch HERRMANN LÜBBE erkannt und beschrieben hat 428. Um so expressiver treten solche Äußerungen hervor, die zunächst außerhalb des Formulars liegen, z. B. der Exkurs eines Beamten über sich selbst. Dieser ge-winnt rezeptiv sogar Vorrang vor dem Formular und stellt eine besondere Ver-bindung von Schrift─ und Identitätspräsentation her. In Exkursen dieser Art tritt das Merkmalhafte einer Person hervor, das wir gerne als ‚Persönlichkeit‘ be-zeichnen. In zweierlei möglichen Formen wird demnach Individualität in der Kultur der alten Ägypter textlich hervorgebracht: durch herausragende Persön-lichkeiten, die herausragende autobiographische Texte verfaßt haben und durch Autobiographien solcher Beamten, die einfache, sich streng an das Formular haltende Texte verfaßt haben. Letztere haben sich als Persönlichkeit mit ihren individuellen Merkmalen, im wesentlichen mit ihrer Physis und ihrer Rolle prä-sentiert 429.

Durch Schreiben, durch die autobiographischen Inschriften und durch an-dere Textgattungen, ist innerhalb der altägyptischen Kultur sowohl die Identität einzelner Personen als auch die Identität der Kultur fixiert worden. Im Sinne von MEAD kann man für die altägyptische Schriftkultur zusammenfassend formulie-ren:

Der Sprachprozeß war für die kulturelle Entwicklung maßgebend. Kultu-relle Identität entwickelte sich; sie war bei der Entstehung der Kultur anfänglich nicht vorhanden. Sie entstand innerhalb des gesellschaftlichen Erfahrungs─ und Tätigkeitsprozesses jedes einzelnen Individuums und aller Individuen zusam-men. Identität der Kultur war das Ergebnis der Reflexion der einzelnen Kultur-träger über die vollzogenen Prozesse und über das eigene Verhältnis zu anderen

428 H. LÜBBE, Zur Identitätspräsentationsfunktion der Historie, in: O. MARQUARD - K. STIERLE

(Hgg.), Identität, in: Poetik und Hermeneutik VIII, München 1979, 284. 429 Zur begrifflichen Erläuterung von Personalität und Persönlichkeit siehe im folgenden sowie

J. ASSMANN, s. v. Persönlichkeitsbegriff und ─bewußtsein, loc. cit.

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Individuen und zu neu entstehenden kulturellen, sozialen, politischen und theo-logischen Prozessen 430.

3.1.1. Poetik und Erfindung

…wie sie RAOUL SCHROTT definiert „bedeutet nichts anderes als das Verfertigen und Hervorbringen von bisher nicht Vorhandenem“ 431. Die nachfolgenden Überlegungen möchten interkulturelles Wissen an den ägyptologischen Befund anknüpfen und die altägyptische Autobiographieschreibung auf der sozialge-schichtlichen Basis in die sozialwissenschaftliche Biographieforschung integrie-ren. Autobiographieschreibung ist kulturkonstituierende ‚Dichtung‘ im Sinne von: Produktion, Erfindung, Fertigkeit, wie sie durch die Lied─, Lyrik─ oder Ependichtung in anderen vorchristlichen Kulturen generiert worden ist. Die Chronologie der Dichtung ─ und hier gibt es zum altägyptischen Denken analoge Strukturen ─ setzt mit dem intuitiven Akt der Inspiration ein, löst sich dann ir-gendwann von ihrem rezeptiven, religiös definierten Kontext, um schließlich ihre eigenen Bilder zu entwerfen. Das Finden, im Sinne einer unbewußten Einge-bung, weicht dem Erfinden von eigenständigen Aussagen im Bewußtsein der ei-genen formalen Möglichkeiten 432. Damit ist die Identitätsfindung vermittels des Gebrauchs von Schrift in dem besonderen, nun Kreativität und Bewußtsein her-vorhebenden Aspekt im Bezug auf allgemeine Biographieschreibung gewährlei-stet. Identität wird nur dort sichtbar, wo sich eine Selbstpräsentation vom an-fänglich engen kultischen und gesellschaftlichen Rahmen löst, die Phraseologie und die Inhalte erweitert und Distanz findet zu ihrem ursprünglich sakralen Ur-

430 Nach G. H. MEAD, Geist, Identität und Gesellschaft, op. cit., 180 f. Man kann diese Überlegun-

gen auch auf die propagandistische Literatur anwenden. Propaganda kann dann aus der Text-sorte hervorgehen, die aus der Reflexion des Königs über die bereits vollzogenen und die noch zu vollziehenden gesellschaftlichen und politischen Prozesse entstanden ist. Propaganda wen-det sich an die Individuen, die daraufhin ihre Tätigkeit in einer gewünschten Weise zu ändern haben. Dadurch wiederum können sie in einer neuen eigenen Erfahrung die Wirksamkeit und Sorge des Königs für sie erfahren und setzten dies in Biographie um.

431 R. SCHROTT, Die Erfindung der Poesie. Gedichte aus den ersten viertausend Jahren, Frankfurt a. M. 1997, 9.

432 R. SCHROTT, Die Erfindung der Poesie, op. cit., 10 und J. HENNINGSEN, „Jeder Mensch erfin-det sich eine Geschichte“. MAX FRISCH und die Autobiographie, in: Literatur in Wissenschaft und Unterricht 4. 3, Würzburg 1971.

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sprung 433. Dann wird auch der Übergang geschaffen von einem kollektiv defi-nierten zu einem Rahmen, der das individuelle Ich erkennbar werden läßt 434. Die zu diesem Prozeß notwendigen Freiräume, in denen sich manche Persönlich-keiten besonders entfalten und auch darstellen konnten, stellte auch die altägypti-sche Beamtengesellschaft bereit. Die Texte sind zunächst im ‚Sakralen‘ verhaf-tet. Sie reflektieren nicht die Gegenwart, sondern vielmehr die durch die jensei-tige Verheißung ersehnte nachtodliche Zukunft bzw. die persönliche Ewigkeit. Daneben werfen sie ein Licht auf ökonomische und politische Verhältnisse. Schrift ist sowohl sakral als auch profan 435.

In der griechischen Dichtung, in der Odyssee des HOMER, kann man nach-verfolgen, wie sich der Übergang vom kultur─ und gesellschaftsbezogenen Sprachgebrauch zu der sich dem Spielraum für das Bewußtsein öffnenden, sub-jektiv-introspektiven Dimension der flexiblen Intelligenz vollzieht. Der Mensch wird zu eigenständigen Entscheidungen fähig in dem Maße, „wie auch die Götter selbst in den Hintergrund treten und menschliche Züge annehmen“ 436. Die Welt wird zu diesem Zeitpunkt immer unberechenbarer und das menschliche, literari-sche Bewußtsein zeigt dann ebenso die Fähigkeit zur Abstraktion und Reflexion. Auch das weiträumige Denken und die Wahrnehmung signifikanter Details, bzw. „die Vorstellung eines hypothetischen Ichs und die Einbettung all dieser Katego-rien auf einer narrativen Ebene“ kann die Kausalitäten zwischen den einzelnen Eindrücken herstellen 437. Es kommt zum Reflektieren, dem ständigen geistigen Sich-hin-und-her-Bewegen zwischen figurativer und wörtlicher Auslegung der Welt und damit zu einer Dynamik, die vor allem große Dichtung hervorbringt und auf der biographischen Ebene die reflexive Biographieschreibung.

433 Solche formalen Distanzierungen findet man immer wieder. So ist beispielsweise auch das

Totenbuch Kapitel 125 entsakralisiert in der Form, daß der Text eine als große Autobiographie gesprochene Rede ist, oder auch die Biographie des Sinuhe, bzw. die Rede des „Beredten Bau-ern“, die eigentlich loyalistische Lehren sind, bezeugen Entsakralisierung wohl zum Zwecke wirksamerer sozialer Rezeption.

434 R. SCHROTT, Die Erfindung der Poesie, op. cit., 13. 435 Die sogenannte „schöne Rede“, md.t nfr.t, kann als die Verfeinerung des Profanen bezeichnet

werden und findet Eingang in die Lehren, die „allgemeingültig“ sein sollten. Auch die Biogra-phien auf Grabwänden, Stelen und Tempelstatuen suchen Allgemeingültigkeit: „je individuel-ler die ideale Autobiographie ist, desto mehr nähert sie sich der schönen Literatur…“ so bei: P. KAPLONY, Die Definition der schönen Literatur im Alten Ägypten, op. cit, 297 ff.

436 R. SCHROTT, Die Erfindung der Poesie, op. cit., 16 f. 437 R. SCHROTT, Die Erfindung der Poesie, op. cit., 17.

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Sowohl auf der großen politisch-literarischen als auch auf der begrenzteren individuell-biographischen Ebene läßt sich dann dort eine besondere Reflexion und Dynamik feststellen, wenn Eingriffe in die politische Struktur des Staates und seine Kultur ─ durch Kunst und Literatur noch zusätzlich propagiert ─ vor-genommen worden sind. So ist beispielsweise die Neufestlegung des Weltbildes im Mittleren Reich, das durch die Lehren propagiert worden ist, auf Ma’at als das Leben und die Welt ordnendes Prinzip ein besonderer Eingriff gewesen, der die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Landes reflektiert und zugleich auch ordnet. Auch das Auftauchen von Statuen in den Tempeln oder das Aufstellen von Stelen sind solche Eingriffe, die Reflexion demonstrie-ren und gleichzeitig Veränderungen nach sich zogen. Auch die Tempelgräber, die ab dem Neuen Reich von Beamten gebaut wurden, demonstrieren nach außen bereits königsähnliche Privilegien, Reichtum und Macht. Dadurch wurde die Überlegenheit des Königs zumindest herabgesetzt, wenn nicht sogar, wie in der sich anschließenden Spätzeit, durch solche selbstherrlichen Beamten zum eige-nen Vorteil mit weitreichenden Folgen unterwandert.

Reflexion königlichen wie individuellen Handelns setzte die Reflexion des sozialen und politischen Systems voraus und führte in der Regel zu politisch-so-zialer Neuorientierung, sowohl des Königtums wie auch der in ihr Amt einge-bundenen Beamten. Die ‚flexible Intelligenz‘ hatte sich bereits bis zum Ende des Alten Reiches entwickelt und bildete sich weiter. Die eigenen Entscheidungen waren fortan gefragt, und es zeigte sich, daß besonders Amun und den übrigen Göttern neue Bedeutungen zukamen. Amun, der Gott der ‚persönlichen Fröm-migkeit‘ und mit ihm andere ‚persönliche‘ Götter wurden als Kommunikations-partner in menschliche Sphären herabgezogen. Wenn man schließlich die Auto-biographien der ägyptischen Spätzeit im Kontext der thebanischen Gräber heran-zieht, fällt die Realisierung des Religiösen in der Grabarchitektur, verbunden mit der Repräsentation des Individuums durch das Bild auf. Das Bild tritt neben den Text, es hat ihn bisweilen sogar ersetzt. Reflexion und Abstraktion hatten als er-worbene Fähigkeiten eigene individuelle Ausdrucksmöglichkeiten gefunden, die narrativ und figurativ den kausalen Zusammenhang individueller Selbstdarstel-lung demonstrierten.

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3.2. Die Identitätspräsentation

„Je suis mon passé.“ 438

So konstatierte JEAN-PAUL SARTRE pragmatisch den Rückblick, von jedem be-liebigen gegenwärtigen Zeitpunkt, auf den Werdegang der Person. Oder: „die Geschichte steht für den Mann“, schreibt der Phänomenologe und HUSSERL-Schüler WILHELM SCHAPP über den Ursprung der Identität aus Geschichten 439. Die Lebensgeschichte des Individuums ist die bis zu diesem gegenwärtigen Zeit-punkt reichende Kette von Ereignissen und Erfahrungen und mündet im bewuß-ten ‚Sein‘, das besonders die Existentialisten beschrieben haben. Und von dem Mann erfahren wir in der Regel zuerst seinen Namen. In ihm werden die die Biographie real konstituierenden Merkmale auf ein pragmatisches Minimum re-duziert. In dieselbe Richtung weist die Empfehlung, die Namen von Personen als ‚Überschriften von Geschichten‘ zu betrachten, durch die man den Zugang zu den dahinterstehenden Personen erhält 440. Im alten Ägypten findet man als die einfachste Form biographischer Repräsentanz nur den Namen des Beamten, bis-weilen mit Filiation oder auch mit Titel. Der Name ist demnach der Zugang zur eigentlichen Geschichte einer Person. Aus dem ‚Werden‘ des Beamten war seine Geschichte abzuleiten, die ihrerseits die Identität dieser Person fixierte. Das war diejenige Geschichte des Beamten, die von seiner Geburt an bis in die Gegen-wart reichte, in der er seine Biographie erlebt und verfaßt hat. Ebenso leitete sich aus der Geschichte des Beamten sein ‚Sein‘ ab. „Ohne eine ‚Geschichte‘ kann ein Subjekt seine Homöostase nicht herstellen, aus Vergangenem nicht seine Ge-schichte machen.“ 441

Die Gesamtheit der individuellen Identitäten bildet in einer Gesellschaft die kulturelle Identität. Diejenigen Texte, die solche Identität der Kultur besonders

438 J.-P. SARTRE, L’être et le néant ─ Essai d’ontologie phènoménologique, Bibliotèque des Idées,

18. Aufl., Paris 1943, 159. 439 W. SCHAPP, In Geschichten verstrickt – Zum Sein von Mensch und Ding, Wiesbaden 1976,

103. 440 U. a. auch von W. SCHAPP, Philosophie der Geschichten, Leer, 1959, 20. Auf SARTRE und

SCHAPP verweist in demselben Zusammenhang H. LÜBBE, Zur Identitätspräsentationsfunktion der Historie, op. cit., 279.

441 M. FRISCH, Ausgewählte Prosa, Frankfurt a. M. 1968, 9—11.

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bezeugen, sind die im einzelnen überlieferten Geschichten der einzelnen Perso-nen dieser Gesellschaft.

Der Ägyptologie ist das Feld der Biographieforschung wohl zuerst durch GEORG MISCH erschlossen worden 442, und die Geschichte der Autobiographie ist dem Ägyptologen wahrscheinlich namentlich vertraut. Dies kann von den Beiträgen, die in der sich weiter verzweigenden, allgemeinen Biographiefor-schung erarbeitet worden sind, nicht in gleicher Weise angenommen werden. Biographieforschung ist heute ein eigenständiger und umfangreicher Teil der Psychologie, Soziologie und der allgemeinen Geschichtswissenschaften. Einige Beiträge und wichtige Gedanken werden die vorliegende Arbeit abschließen und sollen die Verbindung zwischen der Auswertung historischer Autobiographien und der kulturübergreifenden Sozialforschung herstellen. Die Phänomenologie mancher Entwicklungen in der altägyptischen Zeit und Kultur kann nicht nur von innen heraus, also aus dem Fach kommend, beschrieben werden. Durch die Be-schreibung und den Vergleich mit anderen späteren Gesellschaften wird es viel-mehr möglich, Normalzustände beispielsweise von solchen zu unterscheiden, die durch besondere Ereignisse oder Erkenntnisse bewirkt worden sind, bzw. in de-nen man auf solche Ereignisse reagiert hat. Die allgemeine historische Sozialfor-schung betreibt Ursachen─ und Folgeforschung gleichzeitig. Sie erlaubt Inter-pretationen von sozialen Strukturen in antiken Gesellschaften auf der Basis einer empirisch vergleichenden Forschung. Für die Ägyptologie ergibt sich eine grö-ßere Sicherheit und Allgemeingültigkeit der Interpretation und ein Basisplatz in-nerhalb der Sozialforschung überhaupt. HERMANN LÜBBE definiert Identität als Resultat einer Geschichte: „Identität ist kein Handlungsresultat. Sie ist das Re-sultat einer Geschichte, das heißt der Selbsterhaltung und Entwicklung eines Subjekts unter bestimmten Bedingungen.“ 443 LÜBBE schreibt weiter ─ und darin muß zwischen altägyptischer und neuzeitlicher Biographieschreibung differen-ziert werden: „Bei Personen ist das ohnehin klar: niemand verdankt ja seine Exi-stenz einem Akt der Zustimmung zu ihr (…).“ 444

442 G. MISCH, Geschichte der Autobiographie, 1. Bd., Das Altertum, 1. Hälfte, 3. Aufl., Frankfurt

a. M. 1949. 443 H. LÜBBE, Zur Identitätspräsentationsfunktion der Historie, op. cit., 280. 444 H. LÜBBE, Zur Identitätspräsentationsfunktion der Historie, loc. cit.,

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Die Identitätspräsentation, wie sie in der altägyptischen Kultur üblich war, sah ebenfalls nicht die authentische Geschichten-Schreibung vor, sondern sie forderte einen Akt der Zustimmung zu der von den Verfassern geschaffenen au-tobiographischen Existenz und zur Existenz von anderen Verfassern, die eben-falls in eigenen Schaffens-Akten ihre Autobiographien verfaßt haben. Jeder Au-tor war sein eigenes Referenzsubjekt und gab sich selbst mit seiner Autobiogra-phie Zustimmung 445, forderte sie gleichsam auch von den Nachlebenden ein. Eine berücksichtigenswerte Besonderheit bei den Ägyptern ist dabei, daß ihre Existenz zweigeteilt war: Es gab neben der diesseitigen Existenz die noch zu er-reichende, in Aussicht gestellte jenseitige Existenz, die der Beamte aufgrund sei-nes ─ in der Autobiographie geschilderten ─ mustergültigen Lebenswandels an-zuschließen hoffte. Zustimmung zur eigenen Existenz bedeutete im Bezug auf das Verfassen eines autobiographischen Textes dann, daß der Verfasser sich mit dem Text vor allem konform zum übrigen biographischen Repertoire zu verhal-ten hatte und konform zu den kulturellen und religiösen Vorgaben seiner Zeit.

Es liegt auf der Hand, daß die überlieferten Texte „Erfolgs-Biographien“ 446 sein mußten. Sie handeln von den Rollen, die die Beamten erfolgreich über-nommen haben. Sie beschreiben die Möglichkeiten, die altägyptische Beamte hatten, sich zu entfalten, und sie präsentieren die Beamten innerhalb ihrer Mög-lichkeiten. In der ägyptischen Kultur waren Rolle, Handlungsspielraum und mögliche Taten mit Handlungsspielraum (Taten) auf einen relativ engen Rahmen begrenzt und festgeschrieben. Daher liegen uns nicht die wahrheitsgetreuen Be-schreibungen individueller Identitäten vor, sondern die Beschreibungen indivi-duell ausgefüllter Rollen. Sie sind die ‚Ideal-Biographien‘. Sie dokumentieren das individuelle, möglichst vollständige ─ eben ideale ─ Ausschöpfen allen Handlungsspielraumes eines Beamten, wobei es klar ist, daß biographisch ‚Rolle‘ und ‚Identität‘ in unseren Texten nicht auseinanderzuhalten sind. Anders in modernen Biographien, wo die Rolle sich mühelos von Identität unterscheiden läßt, einfach schon dadurch, daß eine Persönlichkeit bekannt, und ihr ganzes Le-bensbild nachprüfbar ist. Von den Verfassern altägyptischer Autobiographien 445 S. H. LÜBBE, Zur Identitätspräsentationsfunktion der Historie, loc. cit.: „Eben deswegen ist das

Subjekt im Verhältnis zu der Geschichte, durch die es seine Identität hat, auch nicht deren Handlungssubjekt, sondern lediglich das Referenzsubjekt der Erzählung dieser Geschichte.“

446 Dieser Begriff fällt in diesem Zusammenhang bei H. LÜBBE, Zur Identitätspräsentationsfunk-tion der Historie, op. cit., 284.

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wurde gewiß keine authentische und schon gar nicht eine verifizierbare Autobio-graphieschreibung anvisiert. Niemand hätte etwa Biographieschreibung im be-wußtseinserweiternden Sinne betrieben oder wäre dokumentierend, im Sinne der Herstellung geschichtlich-biographischer Zusammenhänge tätig geworden. Ähn-lich zur modernen Biographieschreibung ist allerdings damals wie heute die Ab-sicht der Illumination der Person. Damals war die Rolle im Bezug auf Beruf, Karriere, soziales Handeln, Familie identitätsstiftend, heute ist es mehr der Le-bensweg als Ganzes, Ereignisse, Erlebnisse, Erfahrungen, Begegnungen mit an-deren Zeitgenossen, etc. Um den Unterschied also noch einmal zu formulieren: früher war Identität das Ausfüllen der mit ganz genau definierten Aufgaben und Auflagen verbundenen offiziellen Rolle, heute bedeutet Identität das Sich-Er-kennen im Leben, Zustimmung zur eigenen Existenz auch mit den negativen Seiten, vor allem mit vielen Betätigungsmöglichkeiten. Umfassendes Bewußt-sein ist heute in Biographie und Identität implizit. Bewußtsein früher war aus-schließlich das richtige Rollenverständnis. Die altägyptische Identitätspräsenta-tion läßt ─ aus dem Blickwinkel der modernen Forschung ─ die entscheidende Prägung der Individualität durch die kulturelle Identität erkennen, und die sol-chermaßen schreibenden Beamten prägten ihrerseits die Kultur. Man findet ein großes und variables Spektrum an phraseologischen Möglichkeiten bei der Rol-lenpräsentation des Beamten und hat dieses zur individuellen Disposition ge-stellt. Anhand der autobiographischen Texte können wir feststellen, welcher Art die Erwartungen waren, auf die hin ein Beamter seine Rolle formuliert hat. Er hat im Rahmen seiner Kultur und Gesellschaft und der religiös fundamentierten Vorgaben seinen eigenen Text und damit auch seine eigene Identität generiert und präsentiert.

LÜBBE stellt in Bezug auf Rolle und Identität fest, daß man sich aus der Rolle im Unterschied zur Identität zurückziehen kann: „…denn eine Rolle ist im Unterschied zu Identität etwas, woraus Rückzug möglich ist…“ 447 Da es ─ wie gerade festgestellt ─ für die autobiographischen Texte Altägyptens schwierig ist, Rolle von Identität zu trennen, kann man diese Aussage nicht ohne weiteres auf 447 H. LÜBBE, Zur Identitätspräsentationsfunktion der Historie, op. cit., 280. Ähnlich wurde auch

in einem Nachruf auf den Schriftsteller MAX FRISCH als dessen Lebensphilosophie beschrie-ben: das gelebte Leben war nur eine unter vielen möglichen Varianten von Identitäten (Rollen), jedoch im Gegensatz zur Literatur unwiderruflich; so beschrieben in: Nachruf auf MAX FRISCH, Der Spiegel, Heft 15, Hamburg 1991, 264 f.

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die hier interessierenden Texte anwenden. Es ist jedoch deutlich feststellbar, daß es immer bei politischen-sozialen auch zu biographischen Veränderungen ge-kommen ist. Autobiographien zeigen, daß Beamte sowohl neue Rollen konstitu-ierten als auch, daß sie hinter eine ‚Fassade‘, hinter eine Idee oder ihren bloßen Namen zurücktraten und sich damit aus ihren alten Rollen auch zurückgezogen haben.

Man denke etwa an das spätere Mittlere Reich, wo sich die Autobiographien immer mehr mit idealbiographischen Formeln füllten. Dieses Abtauchen der Be-amten in einen persönlichen, dem heutigen Betrachter stumm bleibenden Raum, steht ebenso für Rückzug wie die Amarnazeit, wo Beamte als Biographen in ei-gener Sache nicht auftreten durften. Ihre Identitätspräsentation mußte hinter die des Königs zurücktreten, was ─ wie man weiß ─ nicht bedeutet haben kann, daß es Identität nicht gegeben hat. Nur war die Identitätspräsentation anders organi-siert worden, sie war anderen Prioritäten untergeordnet worden, die später wieder neu organisiert worden sind. Daraus leitet sich die Folgerung ab, daß, wenn sich die Rahmenbedingungen für die Aufzeichnung von Identität veränderten, sich die Beamten tatsächlich zurückzogen. Sie haben die Präsentation ihrer individu-ellen Identität ─ als Abgrenzung zu einem anderen ─ in der Biographie weitge-hend aufgegeben. Das zeigt, daß Fixierung von Biographie und Identität zwar grundsätzlich erstrebenswert war, zumindest jedoch nicht als existentiell not-wendig erachtet wurde. Zur Not reichten einfachste Formeln oder auch nur Bil-der aus, um eine Person zu memorieren und damit ihre Fortexistenz zu sichern. Die altägyptische Autobiographie ist eine Rollenpräsentation auf der personalen Ebene. Sie trägt die Präsentation des ganzen jeweiligen Sozialsystems in sich, das diese Rollen gefordert hat und präsentiert somit auch die Identität der ganzen altägyptischen Kultur.

LÜBBE schreibt, daß sich die Identitätspräsentation in erster Linie an den Erwartungen an die Person mißt: „Wie orientieren wir uns in diesen Räumen? Wir orientieren uns an der Pragmatik von Situationen und Interaktionen, die das Ensemble von Möglichkeiten bestimmen, Geschichten, durch die wir wer sind, fortzusetzen. Jede Identitätspräsentation erfolgt im Horizont solcher Möglich-

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keiten, und wie man dabei ihre Bestimmbarkeit zum Ausdruck bringt, ergibt sich aus dem Verhältnis von eigener Absicht und fremder Erwartung.“ 448

Die Absicht des altägyptischen Beamten lag darin, sich mit seiner Biogra-phie als einer zu präsentieren, den die Gesellschaft und Nachwelt als fortlebens-wert würde akzeptieren müssen. Erwartung und eigene Absicht treffen sich und schließen sich im erfolgreichen Leben ab, das gleichsam zum Verfassen der Au-tobiographie berechtigte. Vielleicht kann dies als status quo des feststellbaren, altägyptischen Bewußtseins festgehalten werden, ist Erwartung und Absicht doch stets klar formuliert und auch heute noch erkennbar. Die Erwartungen an einen Beamten, der „Gedächtnis und Fortdauer“ erhalten wollte, waren, nach der autobiographischen Phraseologie zu urteilen, generell hoch. Sie implizierten eine Vollkommenheit, die wir als unrealistisch empfinden und als ‚ideal‘ beschreiben. Die wichtigste Basis für die Festschreibung der vorhandenen Erwartungen war für den Ägypter Ma’at, die in den Lehren definiert ist. So finden die Lehren dann auch, wie sich an zahlreichen Beispielen ─ von den Ursprüngen der Auseinan-dersetzungsliteratur in der 1. Zwischenzeit bis in die 26. Dynastie hinein ─ bele-gen läßt, sowohl formal als auch inhaltlich Eingang in die Autobiographien. Als deutliche intertextuelle Bezüge nennt A. M. GNIRS beispielsweise die Verbin-dung der beiden Texte der Einnahme von Joppe 449 und dem Prinzenmärchen 450 und den narrativen historischen Inschriften der 18. Dynastie 451 u. a. zu der Au-tobiographie des Amenemheb 452, ebenso wäre zu nennen die Wirkung des Rei-seberichtes des Wenamun 453 auf den fragmentarisch erhaltenen des Senne-feri 454 Auch die Verbindung zwischen dem Einleitungstext des „Beredten Bau-

448 H. LÜBBE, Zur Identitätspräsentationsfunktion der Historie, op. cit., 280. 449 H. GOEDICKE, The Capture of Joppa, in: CdE 43, Brüssel 1968, 219—233. 450 W. HELCK, Die Erzählung vom Verwunschenen Prinzen, in: J. OSING - G. DREYER (Hgg.),

Form und Mass. Beiträge zur Literatur, Sprache und Kunst des alten Ägypten, Fs. G. FECHT, ÄUAT 12, Wiesbaden 1987, 218 ff.

451 Die folgenden Literaturangaben entstammen dem Aufsatz von A. M. GNIRS, loc. cit.: P. LACAU, Un Stèle du Roi «Kamosis», in: ASAE 39, Kairo 1939, 245—271, A. H. GARDINER, The Defeat of the Hyksos by Kamose: the Carnarvon tablet No. I, in: JEA 3, London 1916, 95—110, L. HABACHI, The Second Stela of Kamose and his Struggle against the Hyksos Ruler and his Capital, ADAIK 8, Glückstadt-Hamburg-New York 1972, 82—97, H. S. SMITH - A. SMITH, A Reconsideration of the Kamose Texts, in: ZÄS 103, Berlin 1976, 48—76.

452 Urk. IV, 890, 6—897, 17. 453 H. GOEDICKE, The Report of Wenamun, Baltimore-London 1975. 454 Urk. IV, 534, 11—535, 16.

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ern“ und der zur fiktionalen Grabinschrift des Samut-Kyky 455, oder des biogra-phischen Essays des Anhurmose aus dem Text der „Berufssatire“ 456, bzw. die Autobiographie des Hornacht aus dem „Streit zwischen Horus und Seth“ 457 weist auf gezielte literarischen Transformation hin.

Auch der Beamte hatte seinerseits an andere Mitmenschen, Beamtenkolle-gen, auch an den König im festgelegten Ma’at-Sinne Erwartungen. Diese Er-wartungen wurden zu Aufgaben, wodurch sich ein wichtiges innergesellschaftli-ches, an Konvention und Leistung gebundenes persönliches Netz von Beziehun-gen gebildet hat, das den ganzen kommunikativen Bereich impliziert. Von der kommunikativen Seite aus variabel, konnten die Autobiographien dann zwar in-haltlich ebenfalls variabel gestaltet werden, der Diskurs der Biographien ist wäh-rend des gesamten Zeitraumes, in dem sie verfaßt worden sind, jedoch unverän-dert geblieben. Die Schriftbenutzung in der altägyptischen Autobiographie sollte, trotz aller Einschränkungen, als ‚individuell‘ (und nicht etwa als normativ) be-zeichnet werden, weil sie bezeichnenderweise nicht nur Reproduktionen hervor-gebracht hat, sondern auch neue Texte mit neuen Phrasen, neuen Feststellungen und Wertungen produziert hat. Sie zeigen, daß in gewissen politischen und histo-rischen Situationen nicht nur in Automatismen agiert und dann geschrieben wor-den ist, sondern daß es möglich war, auch kreativ und dynamisch zu reagieren, wenn schon nicht offen, so doch in verdeckter Form durch die Autobiographie.

3.3. Der Personalitäts─ und Persönlichkeitsbegriff

In den vorausgegangenen Kapiteln ist zum einen die Theorie, Soziologie und Philosophie des Fixierens der Identitätspräsentation (Schrift und Identität) sowie zum anderen die Praxis der altägyptischen Autobiographieschreibung erläutert und diskutiert worden. Im folgenden soll abschließend auf die beiden die Identi-tätspräsentation semantisch und sozialanthropologisch bestimmenden Begriffe

455 P. VERNUS, Littérature et Autobiographie. Les inscriptions de S-Mwt surnommé Kyky, in: RdE

30, Paris 1978, 117. 456 KRI VII, 226, 14—16, wo es um die Schreiberausbildung geht. 457 K. JANSEN-WINKELN, Ägyptische Biographien der 22. und 23. Dynastie, op. cit., Text A 22, In-

schrift B, 2—6, Wiesbaden 1985.

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‚Personalität‘ und ‚Persönlichkeit‘ 458 eingegangen werden. Diese Begriffe wer-den in der sozialwissenschaftlich-anthropologischen Literatur u. a. mit den Ter-mini ‚Rolle‘ (persona) und ‚Ich‘ belegt 459.

Im altägyptischen Kontext erscheint es durchaus sinnvoll, in Personalität das durch Namen, Familie, Rolle, also Berufstätigkeit, relativ pragmatisch faß-bare ‚empirische Selbstbewußtsein‘ eines Individuums zu trennen von der auto-biographischen Beschreibung, die ein Beamter im Bezug auf sein ethisches Ver-ständnis und seinen Charakter, resümierend als seine ‚ausgereifte Endgestalt‘ gegeben hat. Das Resultat von Herkunft, von Tätigkeit im Amt und von Reifung im Leben also, wird als Persönlichkeit verstanden. Die entsprechende ägyptolo-gische Überlegung geht auf J. ASSMANN im Lexikon der Ägyptologie zurück 460.

Auf der Basis soziologischer Deutungsbegriffe wie ‚Identität‘ und ‚Identi-tätspräsentation durch Biographien‘ erscheint es daher sinnvoll, ‚Personalität‘ und ‚Persönlichkeit‘ in die Interpretation und Diskussion altägyptischer Auto-biographieschreibung mit einzubeziehen.

Zwei Ebenen berührt die altägyptische Biographieschreibung: historische, politische und soziale Realität einerseits und die Realität des Lebens in dem vor-gegebenen Sozialsystem andererseits. Die Definition von ‚Personalität‘ und ‚Per-sönlichkeit‘, wie sie aus den altägyptischen autobiographischen Texten hervor-gegangen ist, beziehen das Sozialsystem so auch als unabdingbaren Kontext in die Definition mit ein. Das Sozialsystem wiederum definiert sich u. a. durch die jeweilige Epoche und läßt die persönliche Eigenart eines Biographen aus ihr her-vorgehen. In den Autobiographien geht es in der Beschreibung des Beamtenle-bens um einen schrittweise und in Stufen zurückzulegenden Weg, auf dem das Individuum zu seiner Rolle, zu ‚Personalität‘ findet, dort tritt jedoch schlußend-lich die in Zeit und Leben gereifte ‚Persönlichkeit‘ vor den Leser. Entsprechend der genannten Differenzierung werden die innerhalb der altägyptischen autobio-

458 So seien sie nach J. ASSMANN, s. v. Persönlichkeitsbegriff und ─bewußtsein, loc. cit., vonein-

ander unterschieden als: Personalität = die grundlegende Daseinsform aller Menschen und Per-sönlichkeit = ihre Eigen-Art.

459 Siehe dazu die Ausführungen von H. R. JAUSS, Poetik und Problematik von Identität und Rolle in der Geschichte des Amphitryon, in: O. MARQUARD - K. STIERLE (Hgg.), Identität, in: Poetik und Hermeneutik VIII, München 1979, 213—253; ferner zum Persona-Begriff M. FUHRMANN, Persona, ein römischer Rollenbegriff, in: O. MARQUARD - K. STIERLE (Hgg.), Identität, in: Poetik und Hermeneutik VIII, München 1979, 83—106.

460 J. ASSMANN, s. v. Persönlichkeitsbegriff und ─bewußtsein, loc. cit.

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graphischen Texte ‚Laufbahn─‘ und ‚Idealbiographie‘ unterschieden, die einan-der komplementierten und je nach politisch-sozialer Lage auch verschieden kombiniert, ausgespart oder ersetzt worden sind. Im folgenden sollen neben die vorgegebene Deutung von J. ASSMANN 461 die eigenen Feststellungen und Deu-tungen gestellt werden, die ergänzt werden sollen durch einzelne mir bekannt gewordene weiterführende soziologische Informationen und Überlegungen zum Thema ‚Biographieschreibung‘.

3.3.1. Personalität

Personalität bezeichnet biographisch die grundlegende Daseinsform des Men-schen, sie bezieht mit ein: seinen Namen, seine Herkunft, Familie, seine Rolle, die ihm sein empirisches Selbstbewußtsein, seine Existenz verschafft, durch die er sich in sein soziales System erst eingebunden fühlen konnte. In diesem Rah-men von eigenen Merkmalen und zugewiesenen Aufgaben konnte ein Indivi-duum bewußt gemäß den Aufgaben handeln, die es sich durch Denken (intel-lektuell), Fühlen (intuitiv-spontan) und Tun (initiativ) selbst geschaffen hat und für die es befähigt war. Das Sozialsystem, in dem der Mensch somit auftrat und seine Aufgaben ausfüllte, sah die Erledigung der in ihm gestellten Aufgaben da-bei als obligatorisch vor, es ermöglichte darüber hinaus aber auch die Erlangung charakterlicher Reife beispielsweise durch Lernen, durch Religionsausübung, durch soziales Handeln und soziale Erfahrung durch Verantwortung, wodurch ein solcher Beamter schließlich als „gesellschaftliche Persönlichkeit“ 462 auftrat.

Personalität war zunächst aber in den Autobiographien der eher pragmatische Teil der Identitätspräsentation und läßt sich festmachen anhand von:

a) Bewußtsein der Physis, z. B. in Ausdrücken, die die ‚Person‘ in ihrer Leib-lichkeit nennen ( h c, d t, h t, m h c-f („selbst“)) und

b) Erklärungen zum Bestehen des Beamten in der Gemeinschaft.

461 Aus J. ASSMANN, s. v. Persönlichkeitsbegriff und ─bewußtsein, loc. cit. 462 T. PARSONS, Gesellschaften, op. cit., bes. 17 ff., und G. H. MEAD, Geist, Identität und Gesell-

schaft, op. cit., bes. 244 ff.

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Zu a) Das Bewußtsein der Physis tritt beispielsweise stark hervor, wo die Bemü-hungen der alten Ägypter um die Erhaltung ihres Leibes nach dem Tode durch die Balsamierung stattgefunden haben; ebenfalls dort, wo Idealbild-lichkeit der Personen auf Grabreliefs, in Dekorationen und in der rundpla-stischen Darstellung angestrebt und erreicht worden ist. Das Menschenbild des alten Ägypters hat in hohem Maße ein im Äußeren ideales Bild sein sollen. In besonders idealer Weise paßt der Typus von Mensch, dessen Er-scheinung und Leben auch äußerlich abbildens─ und erhaltenswert war, in den die Ordnung herstellenden und sie garantierenden Diskus Ma’at, der in den Autobiographien reproduziert wurde. Die Physis des Individuums mußte, den bildlichen Darstellungen zufolge, so sein, daß sich aus ihr alles im zugehörigen Text Behauptete beweisen konnte und sie dem Bild ent-sprach, das einen ‚ehrwürdigen‘ Toten darstellte. Die Abbildung ordnete sich dem Diskurs der Biographien zwar unter, sie komplementierte ihn aber auch in der von dem Beamten gewünschten Weise. Sie mußte vor allem die erhoffte Rezeption garantieren, nach der der Beamte des Gedächtnisses und der Fortdauer würdig sein sollte 463. Das Bild als ein zeitloses Gesehenes, das Neues ausschließt und etwas anderes als das Geforderte (den idealen Menschen) nicht zuläßt, wird der Schrift beigegeben 464. Es kann aber, man denke an die Flachbilder der Giza─ und Saqqara-Mastabas des Alten Rei-ches, auch für sich allein stehen und aussagen. Physische Vollkommenheit entsprach besonders auch dem Bedürfnis nach Positivismus des biographi-schen Diskurses 465. Dies gilt auch für Altersportraits, in denen man glei-chermaßen Zeitlosigkeit, Weisheit und Würde ausgedrückt sehen mag, wie sie den Quellen nach dem alt gewordenen Menschen in Ehrfurcht bezeugt wurde 466.

Die Abbildung der Physis und ihre gedanklich herstellbare Verbindung mit der Personalität des Menschen vermochte bei den Ägyptern immerhin

463 Zur Bedeutung und Anschauung des Bildes sei verwiesen auf M. IMDAHL, Überlegungen zur

Identität des Bildes, in: O. MARQUARD - K. STIERLE (Hgg.), Identität, in: Poetik und Herme-neutik VIII, München 1979.

464 M. IMDAHL, Überlegungen zur Identität des Bildes, op. cit., Abschnitt II, 191. 465 Mit dem Verfassen und Fixieren des Textes war das Fortleben des Grabherrn schon gesichert. 466 V. WESSETZKY, s. v. Alter, in: LÄ I, Wiesbaden 1972, Sp. 154 ff.

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eine Seite der Identitätspräsentation vollständig abzudecken. Daneben kann „Leib“ (m h c-f ), bezeichnenderweise auch als „selbst“ übersetzt werden, was die These stützt, daß die Physis real oder in bildlicher Darstellung durchaus als pars pro toto für die ganze Personalität angesehen wurde. Die Erhaltung des Leibes über den Tod hinaus war eine Maßnahme, mit der ge-rade auf der Ebene des Leiblichen das Leben über die Realität und Unge-wißheit des Todes transzendiert werden sollte. Das Fortbestehen des Be-amten bezog sich, wie wir wissen, aber nicht nur auf den Leib. Vielmehr wurde dem Fortbestehen im Mittleren Reich eine die Transzendenz reprä-sentierende Gestalt zugeordnet, der „Ba“ des Toten, der im Jenseits der Göttergemeinschaft gegenübertrat467. Durch den Ba konnte der Beamte seine Existenz im Jenseits in ihrer Gemeinschaft fortsetzen. Dem Leben mit der eigenen Physis schloß sich die Fortexistenz in einer den Toten weiterhin identifizierenden, physischen Ba-Gestalt an, die ihm seine Personalität er-möglichte.

Zu b) Mit der anderen Seite von Personalität tauchte der Beamte in seiner schrift-lich fixierbaren Identität in die diesseitige Gemeinschaft ein und überließ sich ihrem Urteil. Er bezog seine Identifikation (wie wir sie besonders an Namen und Titeln sehen) aus zwei ‚Pfeilern‘: aus dem Dienst für den König und aus Ma’at-Tun. Innerhalb beider Bereiche spielten sich auch sämtliche biographisch möglichen Sozialbeziehungen ab. Daraus ergab sich die ‚Rol-len‘-Identität 468.

Die Phraseologie, durch die die soziale Rolle ausgedrückt werden konnte, sieht vor, den Terminus und die Bedeutung des „Herzens“ ( jb) besonders hervorzu-

467 Interessanterweise bezeichnet das Wort h t in der ursprünglichen Abstraktion (um 3000 v. Chr.)

selbst die Körperschaft der Götter. Siehe dazu: P. KAPLONY, Die Symbolik des Leibes und der Glieder im Alten Ägypten, op. cit., 22 f. Die Person in ihrer Leiblichkeit bezieht sich also auf ihre göttliche Herkunft und bettet Personalität in diese Sphäre ein.

468 Das altägyptische Wort für ‚Rolle‘ entspricht in modernen soziologischen Abhandlungen i. d. R. dem ‚Sein‘. Die entscheidende moderne Definition des ‚Sein‘ stammt bekanntlich von E. FROMM in Haben oder Sein, Stuttgart 1976: die Gesellschaftlichkeit einer Person erweist sich heute materiell im ‚Haben‘, während sie sich in der Antike auf das ‚Sein‘, also die Person, ihr Selbstbewußtsein und ihre Tugend, bzw. ihren Charakter gründete.

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heben, wie er nach dem Alten Reich infolge der Ausformulierung von Ma’at be-deutsam geworden ist. Das Herz gehört zum Leib, durch es wurde der Mensch verstandesmäßig und willentlich zum rechten Tun für andere angeleitet. Das Herz koordinierte und erhielt den Körper am Leben (s. a)). „Seinem Herz fol-gend“ ( sms jb) tat der Beamte besonders im Mittleren Reich Ma’at und erwies sich als ein angenehmer Genosse, Versorger und Beamter für seine Mitmen-schen469. Er erfüllte die sozialen Erwartungen an ihn. Damit konnte der Beamte einen Teil seiner Autobiographie, die Idealbiographie füllen, die ihn in besonde-rer Weise dem sozialen Gedächtnis anempfahl. Er lebte im Einklang mit der Gemeinschaft und mit sich selbst und erwarb sich Ehre. Dieses Verständnis von der Person, die vorbildhaft und weise in der Gesellschaft lebte und die für andere in idealer Weise wirkte, wie es vom Beamten erwünscht war, ist in den Lehren ausführlich als Vorgabe für die Terminologie der Autobiographien beschrie-ben 470.

Als Ergänzung muß hier auch noch der Begriff des „hörenden Her-zens“ 471, der für das altägyptische Denken von HELMUT BRUNNER beleuchtet worden ist, berücksichtigt werden. Das Herz war bei den Ägyptern Sitz des Ver-standes 472. Das Herz ‚denkt‘, was Augen, Ohren, Mund und Nase wahrnehmen und gibt an die Zunge weiter, was daraufhin zu tun ist. Physis und Verstand ver-schmelzen. Daraus ergibt sich die Fähigkeit zu lernen, was ein erfolgreiches Le-ben gewährleistete 473. Dem Prozeß des Lernens gehört auch die Beherrschung der Gefühle an. Während auf der positiven Seite „Freude“ und „Frohmut“ (wt jb, wnf jb, nd m jb) und Liebe (mrwt) am Herzen erfahren werden, muß auf der den Menschen reglementierenden Seite jedoch z. B. Beherrschung (sq jb, d r) gelernt werden 474. Alle Erziehung des Menschen, ihn bildend oder ihn in seine gesellschaftlichen Grenzen weisend, mündete in seiner existentiell notwen-

469 S. auch: P. KAPLONY, Die Symbolik des Leibes und der Glieder im Alten Ägypten, op. cit, 31 ff. 470 Sehr deutlich in der Lehre des Ptahhotep. 471 H. BRUNNER, Das hörende Herz, op. cit.; DERS., Das Herz als Sitz des Lebensgeheimnisses,

op. cit., 140 f. 472 H. BRUNNER, Das Herz im ägyptischen Glauben, in: Das Herz im Umkreis des Glaubens I,

Bieberach 1965, 81—106. 473 Zu diesem Thema siehe auch P. KAPLONY, Das Büchlein Kemit, in: E. KIESSLING -

H. A. RUPPRECHT (Hgg.), Akten des 13. Internationalen Papyrologenkongresses, Münchner Beiträge zur Papyrusforschung und Antiken Rechtsgeschichte, 66. Heft, München 1974, 179 ff. und besonders 190.

474 H. BRUNNER, s. v. Erziehung, in: LÄ II, Wiesbaden 1975, Sp. 22 ff.

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digen Verankerung in der Gesellschaft. Und zwar gerade dadurch, daß mit dem Begriff ‚Herz‘ von der ‚Innerlichkeit‘ des intellektuellen, intuitiven und initiati-ven Vermögens der Person gesprochen werden kann, das die Komplementierung zur bloßen äußeren Existenz oder Präsenz darstellte. Das Ideal des vom Herz-Verstand bestimmten Menschen im Mittleren Reich war eines der großen so-zialanthropologischen Ereignisse der altägyptischen Geschichte, die für die Epo-chenstruktur wie für die geistesgeschichtliche Entwicklung der Autobiographien und der ganzen Kultur eminent wichtig waren. Personalität steht dabei für die Entstehung der äußerlichen und inneren Selbstbestimmtheit, für die Selbstdeter-minierung des Individuums besonders im Mittleren Reich, für seine Initiative und seinen loyalen Einsatz für König und Ma’at, durch die Akzeptanz der zuge-wiesenen Rolle. Liebe und Solidarität der Gemeinschaft für den Beamten konn-ten entstehen, wo der Einsatz des Beamten gesellschaftlich erfolgreich war. Die Sozialgemeinschaft machte den Beamten zu einem „Geehrten“ ( jmh w). Als solcher erwarb er sich Anrecht auf Grab, Totendienst und Erinnerung 475. Die Liebe des Königs kam mit h zwt und mit der Fürsprache im Jenseits, dem m c h rw, auf den Beamten 476. Die „Lehre vom Herzen“ der Biographien und die Lehren des Mittleren Reiches stellen die erste entscheidende Lösung aus der Au-ßenbestimmung des Beamten durch den Königsdienst im Alten Reich dar. Der Beamten war auch seiner personalen Rolle nach frei, selbst zu entscheiden, selbst zu handeln und Verantwortung zu übernehmen. Erst durch die in der 1. Zwischenzeit gemachte Erfahrung aber, gewisse Dinge selbst regeln zu müs-sen und zu können ─ und durch die Institutionalisierung von Ma’at als tragender Sinnkonzeption des Königtums und der Lebensordnung im Mittleren Reich ─ waren der Personalität neue Rahmenbedingungen gegeben, innerhalb derer ein Beamter über das Diesseits hinaus im Jenseits auch in einer festen personalen Form als „Ba“ weiterbestehen konnte.

Eine weitere Stufe des Bewußtseins von Personalität wurde mit der Rames-sidenzeit in der ‚persönlichen Frömmigkeit‘ erreicht. Die personale Beziehung zwischen Gott und dem Individuum (besonders das „sich (Gott) ins Herz geben“ ─ rdj (ntr) m jb), bestätigte dessen Einbindung nicht mehr nur in das soziale Sy-

475 J. ASSMANN, Ma’at, op. cit., Kap. IV. 476 Siehe dazu wie oben auch P. KAPLONY, Die Lehre des Mttj in der altägyptischen Weisheitslite-

ratur, op. cit., 37, und P. KAPLONY, Die Rollsiegel des Alten Reiches, op. cit., Bd. II, 347 f.

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stem, sondern auch in das übergreifende kosmisch göttliche Ordnungsgefüge. Auf dieses stützte sich die Theologie des Neuen Reiches. Durch individuelle Frömmigkeit wurde die gefestigte Personalität mehr und mehr aus ihrer Bindung an das gesellschaftliche Sozial─ und Solidaritätssystem entlassen. Es entstand diejenige Offenheit und Ergebenheit gegenüber dem Willen Gottes, wie sie be-sonders ab der 20. Dynastie aus den Lehren (Amenemope, pInsinger) und in den Autobiographien dieser Zeit deutlich wird (z. B. Basa, Mutirdis, Anch-Hor). Mit den Eigenarten des Menschen prägten sich die autobiographischen Texte der Epochen in gesellschaftsspezifischer Art. Ihr Sinn ergab sich nicht aus der An-einanderreihung von Details, sondern lag in dem eigentlichen Aufzeichnungsbe-dürfnis, dem Diskurs der Gattung Autobiographie begründet. Der Begriff der Personalität impliziert somit den gesamten Diskurs in allen einzelnen Schritten und Stufen des zurückzulegenden Weges. Die einzelnen autobiographischen Äu-ßerungen sind personale Schritte auf dem Wege der Annäherung an das Ideal ei-nes jeden Beamten, welches vor allem das einer beliebten und im Gedächtnis der Welt weiterexistierenden ‚Persönlichkeit‘ gewesen ist.

3.3.2. Personalität und Persönlichkeit ─ reales Ich und soziales Ich

Während wir Personalität in Begriffen feststellen und diese in den autobiographi-schen Texten lesen können, liegt der Begriff der Persönlichkeit, wie zuvor be-reits angedeutet, auf einer anderen semantischen Ebene. Er schließt Personalität gleichsam mit ein und soll seinerseits abschließend kommentiert und in das Thema eingebunden werden.

In ‚Persönlichkeit‘ realisiert sich und resultiert die gesamte Entwicklung des Beamten nach dem Verlaufe seines ‚Daseins‘. Erst mit vorhandenem Selbst-Be-wußtsein aus der Personalität kann sich Persönlichkeit herausstellen ─ eigentlich also erst ab der 5. Dynastie. Persönlichkeit entsteht, wo aus der Initiative des in-neren Menschen (in unserem historischen Kontext besonders die 1. Zwischenzeit und das Mittlere Reich) nicht nur Geltung in der Gemeinschaft, sondern eine ei-gene Gestalt resultierte. Dadurch wurde die zeitspezifisch eigene biographische Präsentation erst möglich. Persönlichkeit verhilft der Identitätspräsentation zum

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Durchbruch, dadurch daß das Selbstbewußtsein es den Beamten erlaubte, einen eigenen Weg textlicher Präsentation zu beschreiten. Persönlichkeit bezieht auch deshalb alle Merkmale, die den Beamten als Personalität kennzeichnen, mit ein.

Auch erweist sich Persönlichkeit nicht in den verschiedenen physischen Ausformungen ( jb, h t, h c, jmh w, b), sondern sie wird in den Texten und gegen-über anderen im Verhalten von Mensch zu Mensch sichtbar. Als resultative Per-sönlichkeit, als ausgereifte Endgestalt, nicht aber in bloßen Einzeltaten wollte sich ein Beamter als Teilhaber des kulturellen Systems präsentieren. In demsel-ben Maße wie der Beamte für dieses System arbeitete, führte es ihn zum Erfolg, wobei der König, Ma’at, bzw. die gerade vorherrschende religiöse Haltung und die Götter die Vorgaben lieferten. Persönlichkeit konnte sich nur aus den Inter-aktionen ─ im einzelnen als ‚Taten‘ der Personalität in den Autobiographien faß-bar ─ entwickeln. Sie mußten im sozialen System integriert werden und waren das ‚Persönlichkeits-System‘, von dem aus der kulturelle Bezug zu dem ganzen Überbau, der sogenannten „allgemeinen Ebene des Handelns“, hergestellt wer-den konnte 477.

Den als Persönlichkeit auftretenden Beamten dürfte man ─ im heutigen Sprachgebrauch ─ wohl als einen ‚kultivierten‘ Menschen bezeichnen können. Nämlich als einen, der sich innerhalb des eigenen kulturellen und sozialen Sy-stems, mit den Merkmalen seiner Personalität, an seinen Platz im Leben gebracht hat. Von dort aus war er authentischer und dynamischer Teil des gesellschaftli-chen und politischen Lebens. Der Persönlichkeit erwies die Gemeinschaft ihre Ehrerbietung, wie es der biographische Diskurs forderte. Gerade den Erwerb und die Verinnerlichung der Tugenden, denen ab dem Mittleren Reich in den Bio-graphien hervorgehobene Bedeutung zukam 478, bildete sich Persönlichkeit im ägyptischen Menschenbild heraus. Man wandte sich besonders in der 1. Zwischenzeit und im Mittleren Reich in dieser Hinsicht deutlich und bewußt von der ausschließlichen Außenbestimmung durch den Königsdienst ab und ge-stand sich eigenes Handeln zu, das als soziales Handeln aus eigenem Antrieb wichtiges Thema der autobiographischen Texte wurde. Das Resultat für die Be-amten, faßbar in der persönlichen geistigen Entwicklung, sollte Weisheit, Be-

477 T. PARSONS, Gesellschaften, op. cit., 50 f. 478 Dazu besonders: J. JANSSEN, De traditioneele egyptische Autobiografie voor het Nieuwe Rijk,

loc. cit.

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sonnenheit, Tugend sein, wie es der verehrungswürdigen Persönlichkeit zukom-men mußte. Der „verehrungswürdige“ ( jmh w) Tote sollte sein Leben angesehen durchschritten haben bis zum glücklichen Ende. Er wurde als angesehener Be-amter, wie es gerade auch die loyalistischen Lehren des Mittleren Reiches propa-gieren, durch die Grabstiftung des Königs belohnt und in ihr als jmh w bei Gott NN verewigt 479. Die Persönlichkeitspräsentation im Mittleren Reich war der selbstbestimmte, ausgereifte Mensch. Er trug die einzelnen, selbständigen und für die Zeit neuen Handlungsideale (zur Personalität gehörig) in sich.

Biographisch finden sich die beiden Begriffe nicht immer reibungslos trennbar wieder, man findet aber, daß Taten entweder einzeln aufgezählt und ge-sellschaftlich bewertet werden konnten, oder, daß sie, z. B. als Nennungen von Tugend und Charakter, resultativ zusammengefaßt werden konnten. Auch die Unterscheidung von Laufbahn─ und Idealbiographie entspricht weitestgehend dem Bedeutungsunterschied zwischen Personalität und Persönlichkeit.

Während in der Amarnazeit der Persönlichkeitsbegriff mit der Nieder-drückung allen biographisch relevanten Inhaltes ebensowenig zum Tragen kam, wie der ganze biographische Diskurs, war es in der Ramessidenzeit der ‚fromme‘ Mensch, der als Persönlichkeit hervortrat und in der Spätzeit der ‚gottergebene‘ Mensch, wobei man sich auf das Amt und den Königsdienst zwar formal bezog, den eigenen Status nach eigenen Möglichkeiten und Vorstellungen jedoch selbst bestimmte, bzw. aus eigeninitiiertem Handeln selbst herleitete 480. Für das Indi-viduum bedeutet Persönlichkeit vorrangig: Träger einer überlieferungswürdigen Geschichte 481, und zwar in allen individuellen und gesellschaftlichen Kontexten aller altägyptischer Epochen. Diese Festlegung erkennt zwei Tatsachen an:

a) Der Mensch hat eine Geschichte, die existentiell endlich ist, die mit seiner Geburt beginnt und mit seinem Tod endet.

b) In dieser Bestimmung unterscheidet sich der Mensch vom König. Der Kö-nig hat keine solche endliche Lebens-Geschichte, die durch Geburt und Tod

479 P. KAPLONY, Eine neue Weisheitslehre aus dem Alten Reich, op. cit., 6, Anm. 1. 480 E. OTTO, Die biographischen Inschriften der ägyptischen Spätzeit, op. cit., 70 ff. 481 J. ASSMANN, s. v. Persönlichkeitsbegriff und ─bewußtsein, loc. cit.

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begrenzt ist. Der König ist bereits „König im Ei“ 482, von Anbeginn an, und er wird im Tode zu Osiris.

Daraus ergibt sich die Notwendigkeit für den nicht-königlichen Menschen, sich seine Fortexistenz durch einen mustergültigen Lebenswandel zu erwerben. Dies fixiert er in der Biographie. Sie ist die einzige Form altägyptischer Geschichts-schreibung, die sich auf Vergangenheit bezieht, während alle offizielle Ge-schichtsschreibung gegenwartsbezogen und punktuell war 483. In diesem Sinne verband sich mit jedem Individuum eine spezifische Persönlichkeit. Sie kontra-stierte die Äußerungen, die der König über sich verfassen ließ, und hob die „Tu-genden“ (nfrw), das „Wissen“ (rh ), den „guten Charakter“ (qd nfr) und die „Loyalität“ ( smsw-Gefolgschaft) des Beamten hervor.

Die Beamten selbst entwickelten sich im Laufe der Zeit ihr Formular, das geeignet war, sie ihrem physischen Aussehen nach und ihren Eigenschaften nach als Personalitäten und ihrem Charakter und Lebenslauf nach als Persönlichkeiten ganzheitlich zu beschreiben. Mit seinen Tugenden wurde der Mensch zum Trä-ger von Geschichte und zum Träger des ganzen Sozialsystems, das ihm Liebe und Ehrerbietung über die Begrenzung des Lebens hinaus erwies.

482 Z. B. K. A. KITCHEN, Ramesside Inscriptions V, Oxford 1983, 239,5; Übersetzung nach

J. ASSMANN, Eine Traumoffenbarung der Göttin Hathor, in: RdE 30, Paris 1978, 42—43. 483 J. ASSMANN, s. v. Persönlichkeitsbegriff und ─bewußtsein, loc. cit.

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4. Soziologische Aspekte der Biographieschreibung

„Wann weiß ich, daß ein Stück zu Ende gegangen ist?“

„Wenn das Ende im Anfang ist.“

„Die Materialisierung des Endes ist, was der Anfang mir verspro-

chen hat. Zusammenhang heißt nicht, von einem Augenblick zum

nächsten, sondern: nachdem ich durch soundsoviele Augenblicke

gegangen bin, die Zeitlosigkeit zu erfahren; da, wo Anfang und

Ende zusammenliegen, in dem Jetzt, die Struktur als Ganzes zu er-

kennen ─ Anfang und Ende und den absoluten Bezug der Teile zu-

einander. Wenn ich das Ende im Bezug auf den Anfang empfinde,

dann ist es meins.“ 484

4.1. Konstituierung von Biographie und Konstituenten der geschriebenen Autobiographie

Das Leben ist ein Prozeß in der Zeit. Nach WILHELM DILTHEY ist der ‚Lebens-verlauf‘ eine Einheit, in die die Fülle einzelner Erfahrungen und Ereignisse ─ vergangenen wie gegenwärtigen Lebens ─ eingefügt ist; eine auf Kontinuität an-gelegte Wechselbeziehung aller Teile eines Lebens zu einem Ganzen 485. In der Zeit unseres Lebens nehmen wir teil an einem unwiederholbaren und irreversib-len Prozeß, in welchem unser individuelles Dasein als Teil der gesellschaftlichen Entwicklung verläuft. Wir erleben einen Teil der Geschichte ─ erleben ge-schichtliche Zeit 486. Und Menschen schreiben ihre Autobiographien in Bezie-hung zu der historischen Entwicklung ihrer Zeit. In der soziologischen Literatur

484 SERGIU CELIBIDACHE in einer Lehrveranstaltung mit Schülern bei seinen Seminaren zur Mu-

siktheorie; zitiert aus dem Portraitfilm „Celibidache“ von J. SCHMIDT-GARRE, Orion Pictures, 1995.

485 So bei A. LEHMANN, Erzählstruktur und Lebenslauf. Autobiographische Untersuchungen, Frankfurt a. M.-New York 1983, 13, und W. DILTHEY, Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften (Gesammelte Schriften Bd. 7), 5. Aufl., Stuttgart-Göttingen 1968, 95; ebenso DERS., Die geistige Welt. Einleitung in die Philosophie des Lebens (Gesammelte Schriften Bd. 5), 6. Aufl., Stuttgart-Göttingen 1974, 211 ff.

486 A. LEHMANN, Erzählstruktur und Lebenslauf, loc. cit.

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findet man daher u. a. auch die Erläuterung, Biographieschreibung sei die „sozial und kulturell formulierte lebensgeschichtliche Chronologie“ in Übereinstim-mung mit subjektiven Vorstellungen einer Mehrzahl der Kultur angehörenden Individuen 487. Die Geschichte des Lebens ist an persönlichen und sozialstruktu-rellen Ordnungskriterien orientiert, nämlich an historischer Zeit, an Naturzeit, biologisch und sozial vorgegebenen Altersgruppenzuordnungen oder individu-ellen Einzelereignissen des Lebenslaufs. Einzelereignisse des Lebens, die aus Autobiographien ersichtlich werden, stehen in strukturellem Gesamtzusammen-hang sowohl der eigenen Lebensgeschichte, als auch der historisch gesellschaft-lichen Geschichte. Die Selbstreflexion, die ─ mehr oder weniger abhängig von Formeln ─ auf der Ebene des Planens der Autobiographie stattgefunden hat, bil-det im Erzählvorgang die Basis der Geschichtschreibung und damit der Ge-schichte als Ganzes. Denken und Sprechen, Planen und Schreiben, Konstruieren und Fixieren finden in der Autobiographieschreibung originär statt und geben sowohl die makrohistorische als auch die lebensgeschichtliche und die individu-elle Dimension von Geschichte wieder 488.

DILTHEY hat im VII. posthum veröffentlichten Band seiner gesammelten Schriften, insbesondere in den Kapiteln über „Selbstbiographie“ 489 und die „Kategorien des Lebens“ 490 wichtige Grundlagen für das Verständnis von der Geschichtlichkeit des Subjekts unter dem Einfluß von subjektivem Erleben, hi-storischem Prozeß und im Hinblick auf die Stadien individueller Lebenszeit be-schrieben. Er beschreibt die Subjektivität der Autobiographie als „individuelle Selbstschöpfung“ und verweist auf die gesellschaftlichen ─ dem ‚Milieu‘ zuge-wiesenen ─ Grundlagen der Lebensgeschichte 491.

Dies trifft auch für den Kontext und die Gattung altägyptischer Autobiogra-phien zu. Es soll im Rahmen dieser Arbeit vor allem auf eine gewisse Allge-meingültigkeit der in der Sozialforschung vorgefundenen Feststellungen zur

487 A. LEHMANN, Erzählstruktur und Lebenslauf, op. cit., 16 f. 488 M. HALBWACHS, Das kollektive Gedächtnis, Stuttgart 1967, 91; hier soll vor allem auf das

Beispiel der gedanklichen Vorbereitung einer erzählten Geschichte hingewiesen werden. 489 W. DILTHEY, Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften, op. cit.,

191—204. 490 W. DILTHEY, Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften, op. cit.,

228—245. 491 W. DILTHEY, Die geistige Welt. Einleitung in die Philosophie des Lebens (Gesammelte Schrif-

ten Bd. 5), 6. Aufl., Stuttgart-Göttingen 1974, 212.

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Philosophie und Konzeption autobiographischer Texte verwiesen werden. Mit der Zusammenstellung der nachfolgenden Überlegungen und Kommentare sollen solche Argumentationen und Überlegungen vorgestellt werden, die geeignet er-scheinen, die altägyptische Biographieschreibung in den Kontext der allgemei-nen Biographieschreibung zu stellen. Diesen in vielerlei Hinsicht auszuleuchten, hat sich die moderne Sozialforschung zur Aufgabe gemacht.

DILTHEYS Lebensphilosophie bringt die Begriffe „Gestaltung“ und „Entwick-lung“ zusammen, auf die auch in dieser Arbeit im Sinne biographischer Kreati-vität als Reaktion auf Geschichte hingewiesen wird. Die in der altägyptischen Kulturgeschichte immer weiter fortschreitende Ausformulierung autobiographi-scher Texte von Beamten wurde an ein Fortschreiten im historischen und sozia-len Bereich geknüpft, welches das Individuum selbst nachzuvollziehen und gleichsam gestaltend zu fixieren hatte. Gerade bei DILTHEY ist zum einen der gestalterische, planende Aspekt der Biographieschreibung betont, andererseits auch der individuelle lebenszeitliche, und schließlich der Aspekt der sozialen Zeit ─ Zeit einer Gesellschaft mit allen historischen und kulturspezifischen Zu-sammenhängen und den entsprechenden Veränderungen und Umbrüchen.

Jedes Leben enthält soziologischer Festlegung zufolge Elemente der Gestal-tung. Grundlage der Gestaltung ist ‚Bedeutung‘. Bedeutung ist aber die subjek-tive Form des Begreifens von Leben, das der einzelne als rastloses Vorrücken der Gegenwart erlebt 492. Die Realität der Gegenwart resümiert die individuellen Erfahrungen der Vergangenheit zum einen und verweist andererseits bereits auf die Zukunft, die es zu gestalten und zu bewältigen gilt. So kann durch die schriftliche Fixierung in der Autobiographie bestimmten Momenten der Vergan-genheit oder der erwarteten Zukunft als subjektiver Akt von der Gegenwart aus individuelle Bedeutung verliehen werden. Diejenigen Ereignisse, welche zur Be-schreibung kommen, strukturieren das Leben und lassen eine individuelle dar-stellungswürdige Gestaltung erkennen.

Ein Beispiel besonderen historischen und individuellen Bewußtseins ist in-nerhalb der altägyptischen Biographieschreibung sicherlich immer wieder die Autobiographie des Gaufürsten Anchtifi aus Mo’alla aus der 1. Zwischenzeit 493. 492 W. DILTHEY, Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften, op. cit., 192. 493 J. VANDIER, Mo’alla. La tombe d’Ankhtifi et la tombe de Sébekhotep, BdE 18, Kairo 1950.

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Hier verbinden sich idealbiographische Vorgaben mit historisierender Biogra-phieschreibung, die in der expressiven Hervorhebung individueller Taten und Leistungen münden, welche zweifellos von starkem Gestaltungswillen und ─be-wußsein des Anchtifi für sein Leben und seine Biographie sprechen. Dort heißt es u. a.:

„Ich gab Brot dem Hungrigen und Kleider dem Nackten; ich salbte den, der kein Öl hatte, ich beschuhte den Barfüßigen, ich gab dem eine Frau, der keine hatte. Ich beschaffte Mo’alla und Her-mer den Lebensunterhalt (bei jeder Hun-gersnot). Der Himmel ist bewölkt und die Erde ausgedörrt, jeder stirbt vor Hunger auf dieser ‚Sandbank des Apophis‘.

Der Süden kam an mit seinen Leuten, der Norden traf ein mit seinen Kindern und brachte dieses erstklassige Öl für Getreide. Ich ließ mein oberägyptisches Getreide eilen: südwärts erreichte es Unternubien, nordwärts erreichte es This, während sonst ganz Oberägypten Hungers starb und jedermann seine Kinder auffraß. Ich aber ließ nicht zu, daß in diesem Gau einer verhungerte.“ 494

Den interpretatorischen Erfordernissen der altägyptischen Biographieschreibung kommt entgegen, daß auch in der modernen Sozialforschung immer wieder an-gemerkt wird, daß der Anschauung und dem Bewußtsein vom Tod eine beson-ders unmittelbare Bedeutung zukommt. Der Tod als „unleugbare Erfahrungstat-sache“ wird vom modernen Menschen eher vom Leben getrennt und im Tod des

494 W. SCHENKEL, , MHT, op. cit., 53 f. und J. ASSMANN, Schrift, Tod und Identität, op. cit., 81 f.

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Anderen realisiert 495. Bei den alten Ägyptern jedoch wurde der Tod a priori am Ende des eigenen Lebens thematisiert und das ganze Leben wurde auf die ver-meintlichen Bedürfnisse des Menschen nach seinen Tod hin umgedeutet. Vor allem die Existenzphilosophie lehrt in diesem Sinne, und man muß insbesondere auf MARTIN HEIDEGGERS Untersuchung des Todes als „Sein zum Ende“ verwei-sen, die unmittelbar an DILTHEYS Philosophie des Lebens anschließt 496.

Analog gaben diejenigen Elemente, die in den alten Texten zur Beschrei-bung gekommen sind, sowohl den unmittelbar Nachlebenden, als auch späteren Generationen Kunde von der Lebensstruktur der ganzen Gesellschaftsschicht. Die Aufschlüsse, die wir vermittels der zur Beschreibung gebrachten ─ also für bedeutsam erachteten ─ Ereignisse im Hinblick auf die Vorstellungen von Tod und Jenseits erhalten, geben der altägyptischen Kultur im soziologischen Sinne einen existenzphilosophischen Rahmen.

Die Autobiographie als subjektive Form des Beschreibens von Leben ist zu allen Zeiten verbunden mit der Bewertung der Stellung des Autors in der ihn umgebenden Gesellschaft. Durch die Autobiographie erfährt der Soziologe und Leser über das Umfeld und die Vorgeschichte beobachteter oder erfragter Be-funde. Es wird z. B. deutlich, wie oder in welchem Ausmaß Individuen im Laufe der Zeit in Lagen geraten, in denen sie der Gesellschaft oder dem sozialen Um-feld ‚gegenüberstehen‘. Dies kann die Person sowohl als Rollenträger als auch im nicht rollenbezogenen Zusammenhang als Privatperson ohne gesellschaftliche Aufgaben (Kinder, Alte) meinen 497. Es wird bedeutsam, inwieweit sie dabei auf gruppen─ und schichtspezifische Muster zurückgreift bzw. wie weit ihre zur Handlung und Niederschrift motivierende Kraft überhaupt reicht. Erzählen der Lebensgeschichte hat für die Person vor allem die Funktion im Leben, daß der Erzählende Selbstbestätigung und Identität sucht. Er kann die Geschichte seines Lebens so gestalten, daß sie geschlossener wirkt, als sie tatsächlich war, daß sie womöglich unterhaltsam ist, so daß er deshalb mit der Zustimmung des Lesers rechnen kann. Während der Autor dabei die ‚Tatsachenwahrheit‘ ─ also die

495 M. HEIDEGGER, Sein und Zeit. Das kollektive Gedächtnis, 13. Aufl., Tübingen 1976, 237—241. 496 M. HEIDEGGER, Sein und Zeit. op. cit., 249; ferner: A. LEHMANN, Erzählstruktur und Lebens-

lauf. op. cit., 20 f. 497 H.-P. BAHRDT, Autobiographische Methoden, Lebenslaufforschung und Soziologie, in:

W. VOGES, Methoden der Biographie─ und Lebenslaufforschung, Opladen 1987, 82 f.

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Möglichkeit der Authentizität ─ wahren muß, muß der Leser die realen Bezüge herstellen können, um die Biographie akzeptieren zu können 498. Biographisches Material ist aus diesen Gründen für die Interpretation durch den Soziologen bzw. den Geisteswissenschaftler besonders geeignet. Er kann beispielsweise erkennen, ob es gruppenspezifische Sprechweisen gibt oder gegeben hat, mit denen man mit gruppentypischen Erlebnissen zurechtgekommen ist 499, welche dies waren, wie lange sie benutzt wurden, etc.

So findet man im Formular autobiographischer Texte dann auch, sprachlich klassifizierbar, die für sich selbst vorgenommene Zuweisung des Individuums zu der sozialen Gruppe, die es aufgenommen hatte, in der es als Autor agieren konnte, und der es sich durch den Text verschrieben hat. In den altägyptischen Autobiographien wurden solche Selbstzuweisungen begründet mit guten Taten für die Mitmenschen (z. B. Anchtifi) oder Gefolgschaft und Loyalität zum König oder zu einem Gott, die ihrerseits Erinnerung in der Form des Grab mit der Bio-graphie stifteten 500:

„Ich folgte dem guten Gott, und der Herr der beiden Länder erkannte meine [Vor]trefflichkeit“ 501, oder der Beamte Haremhab, wirklicher Schreiber des Königs, Vorsteher

aller königlichen Schreiber der Armee, Rekrutenschreiber, Vorsteher der Ka-vallerie, schreibt zur Zeit Thutmosis’ IV/ Amenophis’ III. über sich:

„Ich war im Gefolge des guten Gottes und Herrn der beiden Länder, Amenophis’ II., dem Leben gegeben sei, seines geliebten Sohnes, Herrn [der Kronen], Thutmosis’ IV., dem Leben gegeben sei, und seines geliebten Sohnes, Herrn des Fremdlandes, [Amenophis’ III.], geliebt von Amun, ohne zuwiderzuhandeln [irgendeinem (Auftrag), den sie äußerten. Ihre (= die zur Zeit lebenden) Menschen sagten nicht]:

498 I. AICHINGER, Probleme der Autobiographie als Sprachkunstwerk, in: G. NIGGL, Die Autobio-

graphie. op. cit., 189 f. 499 Siehe auch H.-P. BAHRDT, Autobiographische Methoden, Lebenslaufforschung und Soziologie,

op. cit., 84. 500 S. H. GUKSCH, Königsdienst, op. cit., 60. 501 Stele des Nh t aus dem Tempel von Serabit el-Chadim, Urk. IV, 1377, 11 zitiert nach:

H. GUKSCH, Königsdienst, op. cit., Beleg (076)07, 195, Zeit: Hatschepsut, Thutmosis’ III.

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‚Seht, was uns angetan ist.‘ Es gab kein Unrecht. Es bestand kein Ankläger. Ich ließ mir keine Lüge zuschulden kommen seit meiner Geburt.“ 502

In diesen Prozeß, der soziologisch interaktiv ist, fließen immer ganz unter-schiedliche Erwartungen, Einstellungen und Interessen ein. Er offenbart auch unterschiedliche Bewertungen bereits abgelaufener Prozesse 503. Dies wird in der Literatur verschiedentlich weiter ausgeführt, indem die Teilnahme an einem sol-chen Prozeß der Verständigung u. a. als Sinnverstehen und ‚kommunikative Er-fahrung‘ gekennzeichnet wird 504. Das heißt, der Erzähler wählt aus einer mögli-chen Anzahl von Handlungsalternativen vor dem Hintergrund von Erwartungen, Deutungen, Bewertungen, Präferenzen und Ressourcen, also eigenen Lebenser-eignissen, diejenige Handlung oder dasjenige Ereignis zur Erzählung aus, das ihm als das „vernünftigste“, d. h. für sich selbst günstigste erscheint 505. Zur Be-schreibung kommt also, was individuell ausgewertet als von Bedeutung erkannt worden ist. Bedeutung aber erlangt, an was das Individuum sich erinnert, was nämlich durch das Zusammenleben mit anderen als prägende Erfahrung verbucht werden konnte. Durch die Interaktion der sich erinnernden Menschen in deren vergesellschafteten Verhältnissen spiegelt sich soziale Wirklichkeit in der erin-nerten Vergangenheit 506. Es ist also wahrscheinlich, daß man historische Ereig-nisse und Prozesse aus Autobiographien herausfiltern und wenigstens im Kern erkennen kann, auch wenn sie durch die Einbindung in Biographie subjektiviert oder sogar verfälscht sind. Die altägyptischen autobiographischen Texte sind in-zwischen in dieser Hinsicht recht gut aufgenommen und bearbeitet, so daß man textpragmatisch und durch die Kenntnis der jeweiligen historischen Kontexte zu relativ objektiven Festlegungen typischer Formeln und Formen von Autobiogra-

502 Zitiert nach H. GUKSCH, Königsdienst, op. cit., Beleg (076)10, 196, TT 78, ferner: A. und

A. BRACK, Das Grab des Haremhab, Theben Nr. 78, AV 35, Mainz 1980. 503 F.-J. BRÜGGEMEIER, Aneignung vergangener Wirklichkeit ─ Der Beitrag der Oral History, in:

W. VOGES, Methoden der Biographie─ und Lebenslaufforschung, op. cit., 148. 504 J. HABERMAS, Theorie des kommunikativen Handelns Bd. 1: Handlungsrationalität und gesell-

schaftliche Rationalisierung, Frankfurt a. M. 1981, 165. 505 H. ESSER, Zum Verhältnis von qualitativen und quantitativen Methoden in der Sozialforschung,

oder: Über den Nutzen methodologischer Regeln bei der Diskussion von Scheinkontroversen, in: W. VOGES, Methoden der Biographie─ und Lebenslaufforschung, op. cit., 93.

506 F.-J. BRÜGGEMEIER, Aneignung vergangener Wirklichkeit, op. cit., 158.

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phien kommt. Es sind auch hier die Lebensereignisse, die primär zur Beschrei-bung kommen und die die Autobiographie steuern.

Lebensereignisse bewirken, daß sich Menschen verändern, und daß sie auch ihre Umwelten permanent verändern. D. h. die Anstöße zu gesellschaftlichen Veränderungen kommen aus der eigenen Biographie 507, die sich mit verändert. Lebensereignisse verändern einmal eingeschlagene Wege und schaffen das her-meneutisch permanente Erzeugen und Verändern biographischer Befindlichkeit. Damit konstituiert sich das Leben durch sich selbst immer neu. Lebensereignisse sind auch an Altersstrukturen gebunden, d. h. sie werden innerhalb des Rahmens einer sozialen und / oder einer nach Alter differenzierten Gruppe erlebt. Le-bensereignisse sind frei über den gesamten biographischen Verlauf verteilt. Es gibt Phasen mit gehäuft auftretenden markanten Lebensereignissen. Sie können überraschend auftreten. Veränderungen durch das Eintreten von Lebensereignis-sen sind individuell verschieden. Sie unterliegen Deutungen, die individuell oder zeitspezifisch unterschiedlich sein können. Lebensereignisse sind immer auch Prozesse. Sie haben eine Vorgeschichte und leiten Lebenswege ein, die sich ohne diese Vorgeschichte nicht ergeben hätten. Lebensereignisse können dazu führen, daß alte und neue Inhalte strukturiert werden. Lebensereignisse haben innerhalb des Lebensverlaufs eine unterschiedlich altersabhängige Bedeutung. Die Distanz zu vorangegangenen Ereignissen eröffnet neue Handlungsperspektiven. Le-bensereignisse tangieren mehr oder weniger stark das soziale Umfeld 508. Für die Begutachtung von Autobiographien wird vor dem Hintergrund der möglichen konstituierenden Faktoren generell gefragt, in welchem Ausmaß Lebensereig-nisse biographische Verläufe beeinflussen 509. Im Hinblick auf die Biographie-schreibung, also die bewußte Sortierung und Fixierung des Diskurses, fragt man: in welchem Ausmaß sind die genannten, den biographischen Verlauf beeinflus-senden Lebensereignisse in den Texten (noch / überhaupt) erkennbar?

Dabei spielt der Begriff der ‚Lebenszeit‘ eine wichtige Rolle. Lebenszeit meint in der sozialhistorischen Terminologie nicht etwa das erreichte Alter, son-dern die Einbindung eines Lebens in einen bestimmten, historisch geprägten Le-

507 E. M. HOERNING, Lebensereignisse: Übergänge im Lebenslauf, in: W. VOGES, Methoden der

Biographie─ und Lebenslaufforschung, op. cit., 233. 508 E. M. HOERNING, Lebensereignisse: Übergänge im Lebenslauf, op. cit., 233—236. 509 E. M. HOERNING, Lebensereignisse: Übergänge im Lebenslauf, op. cit., 237.

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bens─ oder Gesellschaftskontext. Er kann durch die Zeit, in der das Leben statt-findet explizit werden, oder er wird durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Generation ausgedrückt 510. Dies wird in der Biographieschreibung immer dann bedeutsam, wenn sich aus der Gemeinsamkeit gesellschaftlicher Erfahrung im Lebensprozeß Gemeinsamkeit des Erinnerns ergibt. Daraus konstituiert sich ─ anhand autobiographischer Texte von altägyptischen Beamten ebenfalls zu bele-gen ─ Gemeinsamkeit des Erzählens 511.

Die in den Autobiographien genannten Ereignisse, Fakten oder Handlungen sind durch ihre Auswahl als solche vor anderen herausgehoben. Im biographi-schen Diskurs haben sie Richtpunktcharakter. In der soziologischen Dimension muß die Lebensbeschreibung in der uns gegebenen Weise in vollem Umfange ernst genommen und toleriert werden, auch wenn ein Verfasser objektiv die Un-wahrheit sagen sollte. Es zeigt sich, daß es für eine bestimmte Darstellungsweise jeweils eine einleuchtende lebensgeschichtliche oder gesellschaftliche Begrün-dung gibt, wie z. B. die idealisierte Präsentation von Gerechtigkeit, Charakter, Tugend, Wissen und Können besonders durch die Beamten des Mittleren Rei-ches. Sie ordnet sich dem in dieser Zeit staats─ und gesellschaftstragenden Prin-zip Ma’at unter und unterstützt damit die Restauration der Zentralgewalt des Kö-nigs nach dem Ende des Alten Reiches und der 1. Zwischenzeit. Die Darstellung selbst wird in diesen Fällen aus der sekundären Ideal─ / Wunschebene in die pri-märe Erzählebene vorgeschoben, weil eine Person von ihrer eigenen Geschichte am stärksten betroffen ist und unter bestimmten Zwängen steht 512. Zwischen dem reflektierten oder erzählten Erlebnis und der Gegenwart des Erzählens liegt in der Regel eine lebensgeschichtliche Zeitspanne und auch eine ‚offizielle‘ hi-storische Bewertung der Vergangenheit als Bestandteil der Kultur 513. Dabei werden solche Erzählungen, in denen Individuen einer Gruppe oder auch der ganzen Gesellschaft in ihren kulturellen und den individuellen Erfahrungen

510 Vgl. H. RENN, Lebenslauf ─ Lebenszeit ─ Kohortenanalyse. Möglichkeiten und Grenzen eines

Forschungsansatzes, in: W. VOGES, Methoden der Biographie─ und Lebenslaufforschung, op. cit., 261.

511 Vgl. P. L. BERGER - TH. LUCKMANN, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt a. M. 1970, 72.

512 A. LEHMANN, Erzählstruktur und Lebenslauf, op. cit., 28. Es dürfte sich vor allem um den Zwang handeln, sich ins beste Licht zu rücken, und dabei gleichzeitig auf die jeweiligen gesell-schaftlichen Gepflogenheiten und persönlichen Beziehungen Rücksicht zu nehmen.

513 A. LEHMANN, Erzählstruktur und Lebenslauf., loc. cit., 28.

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übereinstimmen, als Typ „Wie-Wir-Geschichte“ bezeichnet 514, was auf das Ideal kollektiver Ordnung hinweist, das in der soziologischen Bewertung vor der Darstellung von Individualität rangiert. Überhaupt spielt es bei der Beurteilung von Autobiographien keine Rolle, ob oder wie antagonistische Begriffe, z. B. wahr ─ unwahr, verteilt werden könnten. Sondern es geht für den Sozialforscher darum, Zugang zum Wissens─ und Deutungssystem eines anderen zu gewinnen. Dies ist ein hermeneutisches Verfahren, in welchem das Gegenüber durch Daten und Interpretation gleichsam erfaßt wird. Das Gegenüber muß in diesem Verfah-ren akzeptiert werden als ‚im Mittelpunkt des Weltgeschehens stehend‘, was hernach in der Analyse durch Distanz zum Subjekt wieder zurückgenommen werden muß. Für die Auswertung antiker Autobiographien bestätigt die Sozial-forschung somit nichts anderes, als daß der historische Kontext einer Gesell-schaft, der zumeist einfacher geklärt werden kann als der soziale, vorrangig be-wertet werden muß, um aufgrund der Kenntnis der historischen Zusammenhänge die autobiographischen Texte auszuwerten, eventuell zu verifizieren und ab-schließend ihrer sozialgeschichtlichen Relevanz nach zu beurteilen.

Es ergibt sich aus solcher Analyse eine Gesamtheit von Erklärungen, die nach normativen Regeln einer Gesellschaft zustande gekommen sind. Sie bilden die Basis des Erzählens und des Verstehens. Die Welt wird als Erzählgemein-schaft gekennzeichnet, ebenso wie sie eine Lebensgemeinschaft, eine Ernäh-rungs─ oder eine wirtschaftliche Gemeinschaft ist 515. Innerhalb des Lebenslaufs, also im aufeinanderfolgenden Ablauf des gesamten Lebens und auch innerhalb der zu betrachtenden Lebenszeit, der zurückgelegten Zeit insgesamt oder einem zusammenhängenden Ausschnitt aus der Gesamtzeit, steht damit vor allem das soziale, kommunikative Element im Vordergrund. Die soziale Welt ist, in der Sprache der phänomenologischen Philosophie ausgedrückt, eine „intersubjektiv gegebene Welt“ 516. Besonders PETER L. BERGER und THOMAS LUCKMANN wei-sen immer wieder auf den Lebenslauf als Rahmen für den Vollzug von Ge-

514 A. LEHMANN, Erzählen eigener Tatbestände im Alltag. Tatbestände, Situationen, Funktionen,

in: Zeitschrift für Volkskunde 74, Tübingen 1978, 210. 515 A. LEHMANN, Erzählstruktur und Lebenslauf., op. cit., 36. 516 E. HUSSERL, Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänome-

nologie, Husserliana Band VI, 2. Aufl., Den Haag 1976, 146—151.

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schichtlichkeit der subjektiven Situation ohne Ansehen seiner Gültigkeit oder Ungültigkeit hin 517.

Für den Ägyptologen ergibt sich aus der Summe subjektiver Situationen von Beamten mit Autobiographien eine gesellschaftlich interpretierbare Realität, die die historische Geschichte reflektiert. Sie verifiziert oder modelliert abschlie-ßend die aus anderen Quellen zusammengetragene Deutung der Geschichte und Kultur der altägyptischen Gesellschaft, wobei hervorgehoben werden muß, daß durch die Untersuchung des Selbstverständnisses von Gesellschaftsmitgliedern von ihrer Welt auf der Ebene der Untersuchung autobiographischer Texte in er-ster Linie Wissenssoziologie betrieben wird, die primär Bewußtseinsforschung, dann erst Geschichtswissenschaft sein kann. In der Psychologie werden diesel-ben autobiographischen Aussagen übrigens für die Persönlichkeitsanalyse ge-nutzt. Dabei werden verstärkt die Begriffe ‚Identität‘ und ‚soziale Rolle‘ mitdis-kutiert.

Für Biographieschreibung und deren Beurteilung in allen möglichen Kon-texten und Zeiten ist es soziologisch und entwicklungspsychologisch markant, die Auseinandersetzung eines Menschen mit seiner Gesellschaft und Kultur als einen lebenslangen Entwicklungsvorgang zu berücksichtigen. D. h. die Soziolo-gie bemüht sich, wenn möglich, zu erfassen, daß während der vollen Zeit eines Daseins ─ selbst noch dann, wenn körperliche Kräfte und manche psychischen Leistungen nachlassen ─ Entwicklung geschieht. Entwicklung wird als der Pro-zeß verstanden, in dem sich alle Einzelheiten miteinander zu einer Ganzheit ver-binden und zwar innerhalb der gesamten Lebenszeit. Diesen Zusammenhang zu erkennen, der den einzelnen mit seiner Kultur und Gesellschaft verstrickt, gesteht die Soziologie als intellektuelle Leistung erst dem autobiographisch tätig wer-denden Subjekt zu, als Interpretation im Bewußtsein des erlebenden Menschen. Dadurch ist dann er selbst gefordert, durch die Analyse und Beschreibung eine adäquate Interpretation des vorgefundenen Geschriebenen zu liefern. In diesem Sinne war die These DILTHEYS vom Leben als „Einheit des Bewußtseins“ die Grundlage von ALBRECHT LEHMANNS Untersuchung. Alle zurückgelegte Zeit eines Lebens ─ Lebenszeit ─ wie sie sich für das reflektierende und sein Leben

517 P. L. BERGER - TH. LUCKMANN, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, op. cit., 3,

72, 99. Siehe auch A. SCHÜTZ - TH. LUCKMANN (Hgg.), Strukturen der Lebenswelt, Neuwied-Darmstadt 1975, 73 f.

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erzählende Subjekt darstellt, wird ins Auge gefaßt. Erzählforschung ist ─ und sollte ─ Bewußtseinsforschung sein 518. Aus der subjektiv gewählten Chronolo-gie eines erzählten Lebens ergeben sich die Leitlinien des autobiographischen Erzählens. Leitlinien zeigen sich zugleich als Ergebnisse übereinstimmender Er-fahrungen und Deutungen innerhalb beruflicher Gruppierungen und innerhalb historischer Generationen 519. Lebenszyklisch vorgegebene Richtpunkte struktu-rieren die Autobiographie, durch die der Lebensprozeß vom einzelnen als Ganz-heit beschrieben, weil er im Rückgriff so empfunden wird 520.

Soziologie des Lebenslaufs meint daher im Blick auf das ganze Leben auch die Thematisierung des Verhältnisses der Gegenwart zur lebensgeschichtlichen Vergangenheit und Zukunft unter differenziertem Einbezug historischer Pro-zesse. Subjektivität tritt bevorzugt vor methodische Objektivität, persönliche Aussagen in Interviews und deren Auswertungen werden wichtiger als statisti-sche Erhebungen, die auf Datensammlungen beruhen, wodurch dem Einfluß der Entwicklungspsychologie auf die Soziologie in den letzten Jahren Rechnung ge-tragen wird. Die Soziologie hat u. a. die Begriffe Lebenslauf, Lebenszyklus, Le-bensgeschichte, Biographie einzeln definiert.

Und zwar wird unter ‚Lebensgeschichte‘ in weitesten Sinne die aus dem Vergangenen in sinnhafter Form rekonstruierte Ereignisgeschichte verstanden, während ‚Biographie‘ besonders den Aspekt der schriftlichen Aufzeichnung her-vorhebt 521.

In der soziologischen Terminologie geht es bei der Rekonstruktion des Le-benslaufs um dessen sozialstrukturelle Determinanten, und schon für die alt-ägyptische Gesellschaft kann man ohne weiteres die heute noch übliche Lei-stungsideologie nachweisen, nach der es eine Zusicherung des Aufstieges durch individuelle Leistung nach äußeren Laufbahnmustern und nach Zeitökonomie gibt. D. h. der Lebenslauf wird nach dem Bewußtsein von verflossener Zeit strukturiert, in der bestimmte Aufgaben erledigt worden sein müssen.

Das Zentrum dieser Aufgaben war für die Ägypter der König, was bedeu-tete, daß der Beamte durch dessen Anerkennung in seinem Lebensvollzug bestä- 518 A. LEHMANN, Erzählstruktur und Lebenslauf., op. cit., 279. 519 A. LEHMANN, Erzählstruktur und Lebenslauf., op. cit., 279 f. 520 A. LEHMANN, Erzählstruktur und Lebenslauf., op. cit., 284. 521 M. KOHLI, Erwartungen an die Soziologie des Lebenslaufs, in: DERS. (Hg.), Soziologie des

Lebenslaufs, Darmstadt-Neuwied 1978, Kap. 1, 9—12.

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tigt wurde. Der König gab ihm mit dem Grab den „Übergang ins Resultative, Bleibende, Aufzeichnungs─ und Überlieferungswürdige“ 522. Das Verfassen der Autobiographie, später auch auf Textträgern außerhalb des Grabes, setzte somit immer auch die Zustimmung des Königs zum Lebenslauf voraus. Die Autobio-graphie stellte das Leben in der zeitlichen Dimension als abgeschlossen dar und gab ihm durch den vielfältigen Inhalt diejenige Struktur, durch die erkennbar wurde, daß der Autor seine Zeit bewußt und gewissenhaft mit der Erledigung seiner Aufgaben verbracht hat.

Angestrebt wird heute wie damals eine gewisse Stabilität der Laufbahn, was einen sozialintegrativen Effekt hat und zur Voraussagbarkeit von Handeln führt, bzw. das System nicht zu aufwendigen Anpassungen an neue Zustände zwingt. Stabilität wird als ein idealer Zustand solcher Systeme fixiert.

Autobiographien ihrerseits kommen im modernen Alltag in vielerlei Spiel-arten vor: als mündlich erzählte Lebensgeschichten, als schriftkonstituierende Texte (z. B. auch Bewerbungen, Personalakten in Firmenverwaltungen, etc.). D. h. die Bedingungen ihrer Produktion, das Verhältnis von Diskurs und Text spielt bei der Beurteilung der Texte als Repräsentation von Wirklichkeit eine entscheidende Rolle 523. Autobiographien fixieren Leistungsgeschichten. Ihnen liegen Lebensgeschichten zugrunde, die zwar ebenfalls auf Leistung verweisen können, die hauptsächlich jedoch von der Verarbeitung der konkreten Lebenser-fahrung zeugen. Menschen bilden im Umgang mit anderen, innerhalb ihres enge-ren Interaktionskreises, in dem sie sich bewegen, Lebensgeschichte aus und ma-chen sie zu Leistungsgeschichte. Sie wird im Umgang miteinander an den Tag gelegt. Menschen gelingt es, primär innerhalb der Lebensgeschichte ihre Le-benserfahrung so zu ordnen, daß sie sich selber in die Lage versetzen, sie zu ih-rer Autobiographie zu strukturieren. Diese wird ─ durch solches Verfahren ge-ordnet ─ nicht nur für sie selber, sondern auch innerhalb ihres engeren Interakti-onskreises verständlich und kommunizierbar 524. Die Erzeugung von lebensge-schichtlicher Kontinuität ist zu allen Zeiten wohl eine zentrale Funktion von Autobiographien gewesen. Autobiographie sichert die Vergangenheit für die Ge-

522 J. ASSMANN, Schrift, Tod und Identität, op. cit., 73. 523 A. V. CICOUREL, Discourse and text, in: Versus 12, München 1975, 33—83. 524 J. MATTHES, Volkskirchliche Amtshandlungen, Lebenszyklen und Lebensgeschichte, in:

M. KOHLI (Hg.), Soziologie des Lebenslaufs, op. cit., 207.

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genwart. Das schließt ein, daß aktuelle Diskontinuitäten wie Alter, Krankheit, soziale Krisen etc. durch Autobiographie ausgeglichen oder nivelliert werden. In der Soziologie wird bisweilen erwähnt ─ und dies mag man auch für die alt-ägyptischen Autobiographien im Kontrast zu modernen Texten in Betracht zie-hen ─, daß die Bedeutung von Biographie durch die sozialen Anforderungen von Kontinuität verstärkt oder vermindert werden: konservative Anforderungen an Kontinuität messen der Biographieschreibung große Bedeutung bei, liberale Ge-sellschaftsordnung stellt an die Biographieschreibung nur wenig Anforderungen, mißt ihr weniger Bedeutung bei.

In konformistischen Gesellschaften, d. h. in Gesellschaften, die durch Texte nur statisch zu erfassen sind, wie auch der Gesellschaft des alten Ägypten, ist mit der Institutionalisierung des Lebenslaufs den Einzelnen die Autobiographie als einzig sinnvolle Fixierung der Deutung des Lebenslaufs in kollektiver Selbstver-ständlichkeit vorgegeben 525. Gibt es dagegen Bewegungen oder individuelle Mobilitäten, die in Lebensläufen offenbar werden, so muß i. d. R. eine Neustruk-turierung des gängigen Lebenslaufsmodells erfolgen, denn Mobilitäten verlangen ihrerseits nach dem Eingebunden-Werden in gesamtgesellschaftliche Tendenzen sozialen Wandels. Man ist also bestrebt, solche Mobilitäten erneut zu institutio-nalisieren und verleiht ihnen damit in ihrer Fixierung durch die Texte statischen Charakter.

Den Soziologen interessieren in diesem Zusammenhang aufgrund seiner Fragestellung, der nach der Genese der Ich-Identität, besonders diejenigen Ver-änderungen in Personen und ihrem Identitätsgefühl, die sich als Folge von hori-zontalen Bewegungen zwischen und vertikalen Bewegungen in Sozialstrukturen ergeben 526. Es geht um die Zuweisung von Rollen und Status innerhalb einer Sozialstruktur.

Für das alte Ägypten dürfte dies besonders im Hinblick auf den Aspekt der sozialen Verschiedenheit von Beamten gegenüber anderen Gesellschaftsmitglie-dern relevant gewesen sein. Der Aspekt der soziologischen Schichtung und Un-gleichheit wird soziologisch nach zugeschriebenem (ascribed) und erworbenem (achieved) Status differenziert. Es dominieren normalerweise Zuschreibungen

525 Ähnlich M. KOHLI, Erwartungen an die Soziologie des Lebenslaufs, op. cit., Kap. 1, 24—29. 526 A. L. STRAUSS, Spiegel und Masken. Die Suche nach Identität, Frankfurt a. M. 1968, 95.

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über Statusmerkmale wie Geschlecht, ethnische Herkunft oder das Hineingebo-renwerden in eine Familie und daraus abgeleitet die sich ergebenden Lebens─ und Karrierechancen, die im politischen Diskurs und Handeln je nach individu-eller Kampf─ und Durchsetzungsbereitschaft weiter ausgebaut werden kön-nen 527. Es werden aber auch solche Individuen genannt, die aufgrund gesteiger-ter moralischer Sensibilität und dem Wunsch nach Selbstverwirklichung sehr aktiv alternative Lebensformen austesten, die sich nicht in ‚Nischen‘ verkrie-chen, sondern die darum bemüht sind, Karrierevorgaben so mit Inhalten anzu-füllen, daß sie darin leben können. Solche Individuen greifen in die Gestaltung ihrer Rollen aktiv ein 528.

Die Auswertung der altägyptischen autobiographischen Texte ist sozial und politisch besonders dort interessant, wo Abweichungen von der Norm ins Auge fallen. Da nämlich, wo inhaltlich mehr und / oder anders formuliert worden ist als üblich, fallen einzelne Texte aus der Masse heraus und geben Individuelles oder Allgemeines preis, das inhaltlich hervorgehoben werden sollte. Inwieweit sich die erreichten Resultate wahrheitsgemäß mit den individuell erstrebten Be-mühungen decken, ist für uns anhand der alten Texte nicht feststellbar. Genauso bleibt zumeist unklar, inwieweit Ansprüche unerfüllt geblieben sind, oder wo es Defizite an Identifizierung eines individuellen Lebens gegeben hat. 529.

Es ist interessant, daß es fast immer bei der Lebensbilanzierung die feste psychische Barriere zu geben scheint, die es nicht erlaubt, sein Leben nachträg-lich als erfolglos zu bezeichnen und ihm damit gleichsam den Sinn abzuspre-chen 530. Das Erreichte, wie bescheiden es auch sein mag, dient heute befragten Menschen zur Kennzeichnung von Wohlstand 531. Und auch der Begriff der ‚Zu-friedenheit‘, der als Bilanz auftaucht, wird im allgemeinen nicht für das Selbst-verständliche gehalten, sondern er wird als individueller Erfolg interpretiert, der

527 So auch bei E. M. HOERNING, „Zweiter Bildungsweg“ ─ eine Statuspassage?, in: M. KOHLI

(Hg.), Soziologie des Lebenslaufs, op. cit., 259. 528 E. M. HOERNING, „Zweiter Bildungsweg“ ─ eine Statuspassage?, op. cit., 253 f. 529 Siehe dazu auch M. OSTERLAND, Lebensbilanzen und Lebensperspektiven von Industriearbei-

tern, in: M. KOHLI (Hg.), Soziologie des Lebenslaufs, op. cit., 287 f. 530 M. OSTERLAND, Lebensbilanzen und Lebensperspektiven von Industriearbeitern, op. cit., 275. 531 Siehe bei M. OSTERLAND, Lebensbilanzen und Lebensperspektiven von Industriearbeitern,

op. cit., 276 und 280, wobei sich offenbar die Erfahrung gesellschaftlicher Ungleichheit bei al-len Zufriedenheits─ und Erfolgsäußerungen als virulent herausstellt.

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durch persönlichen Einsatz im Leben für sich selbst erworben worden ist und dann in der Autobiographie als Resümee fixiert wird.

4.1.1. Theoriegeschichte

Wie bereits beschrieben, ermöglichen autobiographische Formeln dem Soziolo-gen, Ereignisse zu kategorisieren und Erwartungen zu fixieren, indem sie indivi-duelle und überindividuelle Erfordernisse in einer Sinnstruktur integrieren. Ver-änderungen werden als Verknüpfungen von zusammenhängenden politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen über Zeiträume hinweg thematisiert und in ihrer Dynamik interpretiert ─ im Gegensatz zu Rolle und Status 532.

Zur Theoriegeschichte ist zusammenzufassen, daß erst in den letzten Jahren in den verschiedenen Teildisziplinen der Soziologie die Voraussetzungen ge-schaffen wurden, Form und Funktion von Autobiographien methodisch zu er-schließen. Die Erschließung der biographischen Dimension sozialen Wissens entstammt dabei maßgeblich den Arbeiten der in den 70er und 80er Jahren ent-wickelten modernen Wissenssoziologie (P. L. BERGER - TH. LUCKMANN 533, A. SCHÜTZ 534, A. SCHÜTZ - TH. LUCKMANN 535); temporale und biographische Dimensionen der Lebensweltanalyse werden ebenso separat behandelt 536 wie die an MEAD anknüpfende pragmatische Diskussion der Identität im späten sym-bolischen Interaktionismus (vgl. L. KRAPPMANN 537, O. MARQUARD - K. STIER-LE 538, A. L. STRAUSS 539). Personale und soziale Elemente der Identitätsbildung und ihrer temporalen Ordnung (vgl. B. G. GLASER - A. L. STRAUSS 540) sind im Zusammenhang von berufssoziologischen Studien und Biographietheorie erar-

532 W. FISCHER, Biographische Methode, in: Methoden der Erziehungs─ und Bildungsforschung.

Enzyklopädie Erziehungswissenschaft 2, Stuttgart 1984, 480. 533 P. L. BERGER - TH. LUCKMANN, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. loc. cit. 534 A. SCHÜTZ, Gesammelte Aufsätze, Den Haag 1962—1964. 535 A. SCHÜTZ - TH. LUCKMANN (Hgg.), Strukturen der Lebenswelt, loc. cit. 536 R. H. GRATHOFF, The structure of social inconsistencies, Den Haag 1970. 537 L. KRAPPMANN, Soziologische Dimensionen der Identität, Stuttgart 1971. 538 O. MARQUARD - K. STIERLE (Hgg.), Identität, in: Poetik und Hermeneutik VIII, München

1979. 539 A. L. STRAUSS, Spiegel und Masken. loc. cit. 540 B. G. GLASER - A. L. STRAUSS, Time for dying, Chicago 1968; DIES., Status passage, Chicago

1971.

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beitet worden 541. In erzählanalytischen Untersuchungen 542 und solchen zur lin-guistischen Pragmatik 543 wurden weitere Beiträge geliefert, die in der Analyse der Soziologie des Lebenslaufs (M. KOHLI 544) eine gewichtige Rolle spielten. Jugend─ und Alterssoziologie (L. ROSENMAYR 545), Kulturanthropologie und Kohortenanalyse 546 beschäftigten sich mit weiteren sozialen Differenzierungen, die im Rahmen der Biographieanalyse und ─forschung heute relevant sind.

4.2. Biographieforschung

„Sozialer Wandel ist Geschichte.“ 547

In Geschichte eingebettet finden sich, wie diese Arbeit zu zeigen versucht, bio-graphische Abläufe. Die sie repräsentierenden Texte reflektieren sozialen Wan-del und unterliegen ihrerseits wieder stetem geschichtlichen Wandel. In der So-ziologie geht man sogar so weit festzustellen, daß biographische Abläufe Bio-graphien zu sozialen Tatsachen machen. „Das bedeutet, nach typischen Ver-laufsmustern, ihren Institutionalisierungsformen und deren sozialen Determi-nanten zu fragen.“ 548 Soziologische Biographieanalyse setzt daher auf verschie-denen Ebenen an. Biographie beinhaltet die Ambiguität vorgegebener Regelhaf-

541 W. FISCHER, Legitimationsprobleme und Identitätsbildungsprozesse bei evangelischen Theolo-

gen, Münster 1976; M. KOHLI, Studium und berufliche Laufbahn, Stuttgart 1973; W. MARHOLD ET ALII, Religion als Beruf, 2 Bde., Stuttgart 1977.

542 A. N. APPLEBEE, The childs concept of story, Chicago 1978; W. L. CHAFE, The Pear Stories. Cognitive, cultural and linguistic aspects of narrative production, Norwood 1980; W. LABOV - J. WALETZKY, Erzählanalyse: mündliche Versionen persönlicher Erfahrung, in: J. IHWE (Hg.), Literaturwissenschaft und Linguistik, Bd. 2, Frankfurt a. M. 1973, 78 ff.; F. SCHÜTZE, Zur so-ziologischen und linguistischen Analyse von Erzählungen, in: Internationales Jahrbuch für Re-ligions─ und Wissenssoziologie Bd. 10, Opladen 1976, 7 ff.

543 W. FISCHER, Struktur und Funktion erzählter Lebensgeschichten, in: M. KOHLI (Hg.), Soziolo-gie des Lebenslaufs, op. cit., 311—335.

544 M. KOHLI, Erwartungen an die Soziologie des Lebenslaufs, op. cit., 9—31. 545 L. ROSENMAYR, Lebensalter, Lebensverlauf und Biographie, in: G. KLINGENSTEIN (Hg.), Bio-

graphie und Geschichtswissenschaft, Wien 1979, 47—67. 546 W. MÜLLER, Der Lebenslauf von Geburtskohorten, in: M. KOHLI (Hg.), Soziologie des Le-

benslaufs, op. cit., 54 ff. Unter der Geburtskohorte ist im wesentlichen eine Generation zu ver-stehen. Menschen einer Generation erfahren ein oder mehrere zentrale Ereignisse in ihren Le-benszyklen oder in einer Lebensphase zum ungefähr gleichen historischen Zeitpunkt.

547 R. DAHRENDORF, Pfade aus Utopia, München 1967, 279. 548 R. LEVY, Der Lebenslauf als Statusbiographie, Stuttgart 1979, 6.

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tigkeit und ihre differenzierte Entwicklung (Emergenz) gleichermaßen. Soziolo-gische Biographieanalyse kann dementsprechend sowohl dem Anliegen subjek-tiver als auch objektiver Analyse gerecht werden, sofern sie im Handlungsbegriff Intention und Erfahrung enthüllen kann. Handlung ist immer schematisiert und typisiert, also auch strukturiert und konsistent 549. Handeln findet in der Gegen-wart statt und bezieht sich auf einen lebendigen, d. h. gegenwärtigen Ablauf. Er-fahrung bildet sich demgegenüber erst post eventum und stellt im Kern ein Per-fektum dar 550.

Es wird in der Soziologie allgemein berücksichtigt, daß Handeln mit einem doppelten Zeitbezug, dem der Vergangenheit (vollzogenes Handeln) und der Zu-kunft (Handlungsentwurf) behaftet ist. Aufgrund der gemachten Erfahrung wird der inhaltliche Entwurf gemacht, der Zweck der Handlung löst das „voluntative fiat“ aus, wobei der realitätsverändernde Aspekt entscheidend ist 551. Vollzoge-nes Handeln nimmt in der Biographie den Aspekt des Irreversiblen an 552, was in den altägyptischen Autobiographien zusätzlich noch formal durch die starre Formelhaftigkeit laufbahnbiographischer Textteile unterstrichen wird. Phrasen wie solche des nachstehenden Typs lassen das aktive Handeln im Kern der Aus-sage deutlich erkennen, bannen die eigentliche Handlung aber in die starr struk-turierte Formel. Sie resümiert Festigkeit und Charakterstärke des Autors zum ei-nen, sie scheint aber auch individueller Handlungsvariation, bzw. deren Darstel-lung kaum Spielraum gelassen zu haben:

„Ich bin aus meiner Stadt gekommen, ich bin aus meinem Gau herabgestiegen, nachdem ich ‚Ma’at‘ darin gesagt habe, nachdem ich ‚Ma’at‘ darin getan habe … Niemals habe ich einen Prozeß angestrengt gegen jemand, niemals habe ich verursacht, daß einer die Nacht im Zorn gegen mich verbrachte wegen irgend etwas, seit meiner Geburt.

549 W. FISCHER - M. KOHLI, Biographieforschung, in: W. VOGES, Methoden der Biographie─ und

Lebenslaufforschung, op. cit., 34—35. 550 W. FISCHER - M. KOHLI, Biographieforschung, op. cit., 35—36. 551 Siehe auch W. FISCHER - M. KOHLI, Biographieforschung, op. cit., 36. 552 Siehe auch W. FISCHER - M. KOHLI, Biographieforschung, loc. cit.

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… Ich bin einer, der Opfer darbringt und Totenversorgung gewährleistet, ein Geliebter seines Vaters und seiner Mutter, geehrt von seinen Mitmenschen, freundlich zu seinen Brüdern, geliebt von seinen Bediensteten, der niemals mit irgendeinem Menschen Streit anfing.“ 553

Das Ziel der Biographieforschung kann es also nicht sein, den individuellen Le-benslauf in seiner Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit aufzuzeigen, sie legt es vielmehr darauf an, auf einem sozioökonomischen Hintergrund die Genese sub-jektiven Handlungspotentials zu rekonstruieren 554. Die Soziologie geht davon aus, daß die soziale Lebenspraxis in unserer Kultur immer weniger institutionell zwingend geregelt, also ‚gelöst‘ wird. Es tritt vielmehr die Notwendigkeit in den Vordergrund, sich für Handlungsalternativen zu entscheiden 555. In der altägypti-schen Gesellschaft ─ und in ihren autobiographischen Texten ─ hat es diesbe-züglich lediglich Darstellungsalternativen gegeben. Die Autorschaft als solche setzte vielmehr eine Handlungsvorgabe voraus, die keiner weiteren Entscheidung über ‚Beamter-Sein‘ oder nicht bedurfte. Der biographisierende Beamte hat im-mer institutionell gehandelt, auch wenn er sich im Rahmen des Amtes und im Verlaufe der sozialpolitischen Evolution eigene Handlungsspielräume geschaffen hat. Durch ihre Aufdeckung in autobiographischen Texten wird insbesondere die Lösung oder Veränderung der traditionellen Abhängigkeitsverhältnisse in den Konstellationen König ↔ Beamter oder Gott ↔ Beamter angezeigt und läßt eine evolutive Deutung sozialer Lebenspraxis im obigen Sinne zu.

Es sei die These von MAURICE HALBWACHS zitiert, wonach die individuel-len Erinnerungen durch ein kollektives Gedächtnis oder einen gesellschaftlichen Rahmen geprägt sind. HALBWACHS’ Theorie besagt u. a., daß die individuellen Erinnerungen dem kollektiven Gedächtnis entspringen, das in Orten, Sprachen,

553 K. SETHE, Urkunden des Ägyptischen Altertums, Abt. I, Urkunden des Alten Reiches, Leipzig

1933, 46—47. 554 Siehe auch W. VOGES, Sozialforschung auf der Grundlage einer Lebenslaufperspektive, in:

W. VOGES, Methoden der Biographie─ und Lebenslaufforschung, op. cit., 13. 555 Siehe auch W. FISCHER - M. KOHLI, Biographieforschung, op. cit., 40.

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Gebäuden, Normen, Sitten und Institutionen festgeschrieben ist 556. Die dement-sprechend vorkommende Zuordnung von institutionellen Ablaufmustern zu Indi-viduen und Gruppen zur Sicherstellung institutioneller Ziele, in der allgemeinen Autobiographieschreibung als ‚careers‘ also ‚Laufbahnen‘ bezeichnet, wird in der Soziologie als „biographische Methode“ bezeichnet. Die interaktive Leistung in den pragmatisch variierenden Kommunikationstexten besteht dabei in der Verknüpfung dieser autonomen und heteronomen Konstrukte zu Verlaufskurven, die z. B. einzelne Aspekte, wie Kindheit, Erwachsenenalter, Alter in ihrem spezi-ellen Ablauf komparativ darstellen, zu Lebensläufen oder Lebensgeschichten, was man als „biographische Gesamtkonstruktion“ bezeichnet 557. Gesamtkon-struktion in unserem Fall meint, autobiographische Beschreibungen von Hand-lungen, wie beispielsweise gute Amtsführung oder Versorgung von Untergebe-nen oder Durchführung einer Expedition, werden einem Beamten, einer Person als mögliche Elemente zugeordnet. Aus der Menge der in einer Autobiographie beschriebenen Handlungen oder aus deren inhaltlichen Besonderheit wird so-dann auf den individuellen Lebenslauf als ganzes geschlossen, er kann in groben Zügen zumindest rekonstruiert werden. Die Menge von Beschreibungen, die nach dieser strukturalistischen Methode ausgewertet werden, ergibt ein sozialge-schichtliches Gesamtbild, aus dem eventuell einzelne der Lebensgeschichten auf-fällig hervortreten und damit auch auf besondere Möglichkeiten individueller Lebensführung verweisen.

Der die Theorie mit der Realität verknüpfende Bereich der Biographiefor-schung liegt in der Reflexion über den alltäglichen Gebrauch von Autobiogra-phien und ihre empirische Zugänglichkeit. Der Soziologie geht es um ‚rekon-struierende‘, sinndeutende Begriffsbildung, in der die Sache selbst zum Sprechen kommt, und nicht um kategorisches Unterordnen der sozialen Realität unter vorab konstruierte soziologische Begriffe. Alle diese Konzepte implizieren, daß jede Biographie als Einzelfall analysiert wird, daß Hypothesen zu ihrer Einord-nung aus der Art und Weise der autobiographischen Beschreibung gewonnen werden und sie anhand der Kenntnis der allgemeinen historisch und sozialge-schichtlich bekannten Tatsachen überprüft werden. Damit werden sowohl die

556 Vgl. M. HALBWACHS, Das kollektive Gedächtnis, op. cit. 557 W. FISCHER, Biographische Methode, op. cit, 478.

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allgemeinen Strukturen und konkreten Wahrnehmungen berücksichtigt, als auch die Entscheidungen, die biographisch individuell getroffen worden sind 558.

4.3. Historische Biographieschreibung ─ Geschichte und Identität

JAEN-JACQUES ROUSSEAU forderte in seinen Bekenntnissen 559, Tat und Wort nach ihren Motiven und den Mann nach seinen inneren Qualitäten zu beurteilen.

Als Motivationen, historische und moderne Autobiographien zu verfassen, werden von Soziologen Gründe genannt wie: die Kluft zwischen dem Selbst und der umgebenden Wirklichkeit zu überbrücken; daneben der Wunsch nach éter-nité des Subjektes seinen Mitmenschen gegenüber und auch Angst des Schrei-benden vor dem Alleinsein. Diese Gründe spielten, soweit erkennbar, auch in der historischen Biographieschreibung eine gewichtige Rolle: an die altägyptischen Beamten beispielsweise wurden gesellschaftliche und berufliche Ansprüche ge-stellt, die sie zumindest in ihren Autobiographien erfüllt zu haben vorgaben. Der Wunsch des Subjektes nach Fortdauer im Gedächtnis der Mitmenschen und Nachkommen integrierte den Beamten vollständig in sein soziales Umfeld und verhinderte die soziale Isolation eines Individuums praktisch völlig. Im positiven Sinne diente dies der Sozialisation fast aller Gesellschaftsmitglieder, im negati-ven Sinne aber hat es individuelle Entscheidungsfreiheit über die eigene Lebens-konzeption auch total verhindert, da im Falle der Nichtunterordnung unter die normierten Anforderungen an Beamte, die schwerwiegende Folge des Verges-sen-Werdens eingetreten wäre, die im Sinne des biographischen Diskurses unbe-dingt zu vermeiden war.

Der mögliche Gegensatz von der Position als schreibendes Subjekt und der Position des Lesers, der in dem Moment zutage tritt, in dem der Leser auf das Geschriebene mit Zustimmung oder Ablehnung reagiert, tritt hinter den eigentli-

558 U. OEVERMANN, Zur Sache. Die Bedeutung von ADORNOs methodologischem Selbstverständnis

für die Begründung einer materialen soziologischen Strukturanalyse, in: L. VON FRIEDEBURG - J. HABERMAS (Hgg.), ADORNO-Konferenz 1983, Frankfurt a. M. 1983, 258 ff.

559 J.-J. ROUSSEAU, Les Confessions, Neuausgabe, Frankfurt a. M. 1971, Übersetzung von A. SEMERAU, Berlin 1921.

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chen kommunikativen Prozeß zurück. Im kommunikativen Prozeß versucht der Autor vielmehr, durch den Wechsel von der Perspektive des Lesers zu der des Autors unablässig zu neuer Selbstauffassung zu kommen, die den Leser natürlich ebenso betrifft wie den Biographen. Die Wirklichkeit des Schreibers, wie des Lesers, und ihre persönlichen Identitäten als Interagierende bleiben für die For-schung nach MEAD auf jeden Fall hinter der sich in den Handlungsentwürfen und ─abläufen verbergenden Wirklichkeit als unerforschbar zurück. In der Regel werden Sachverhalte oder Geschichten geschrieben, die einen Leser als Kommu-nikationspartner einbeziehen. Der Autor muß im Schreiben immer wieder die Perspektiven wechseln. Einmal schreibt er ganz von seiner Position aus, dann wieder muß er sich in die Position des lesenden Anderen versetzen, sein Werk auf Verständlichkeit und Aussageklarheit überprüfen. In diesem Positionswech-sel muß zugunsten der Kommunikation zwangsläufig vieles von der Identität des Autors hinter das Geschriebene zurücktreten. Die Wirklichkeit des Autors ist damit nicht mehr identisch mit der Wirklichkeit der Geschichte, was sich mit der Erzählsituation altägyptischer Biographen weitestgehend deckt.

Für das alte Ägypten ist Permanenz und Kontinuität sowohl individuellen Handelns als auch der gesamten Ordnung vorauszusetzen. Wechsel und Variabi-lität stellen hier die Abweichung von der Regel dar. Nach SIEGFRIED MORENZ wird Geschichte durch das jrw, das „immer wieder zu Tuende“ wiedergegeben, das den Vollzieher weitgehend auf zeremonielle Wiederholung festlegt. Wirk-lichkeit ist das, was sich in der Wiederholung archetypischer Vorgänge manife-stiert. Die Abweichung von Archetypen hat keine oder doch eine mindere Art von Wirklichkeit 560.

Die altägyptischen Beamtenbiographien auch in soziologischer Hinsicht zu betrachten, erscheint u. a. deshalb sinnvoll, weil sie dem Anspruch gerecht wer-den, den jeweiligen historischen und sozialen Kontext einzubeziehen, und weil davon ausgegangen werden kann, daß die Texte immer unter annähernd gleichen Bedingungen gewonnen wurden, und eine repräsentative Auswahl darstellen, vor

560 CH. MEIER, Die Entstehung der Historie, in: R. KOSELLECK - W.-D. STEMPEL (Hgg.), Ge-

schichte ─ Ereignis und Erzählung. Poetik und Hermeneutik, Arbeitsergebnisse der For-schungsgruppe V, München 1973, 291 ff., zitiert hier S. MORENZ, Prestige-Wirtschaft im alten Ägypten, SBAW, München 1969, 11, Anm. 13.; E. HORNUNG, Geschichte als Fest, Darmstadt 1966; H. FRANKFORT, Before Philosophy, London 1949, 22 ff.; M. ELIADE, Kosmos und Ge-schichte, Hamburg 1966, 77.

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allem, weil das Beamtentum eine in gesellschaftlichem und sozialem Status feste Einrichtung war. Die Texte sind soziologisch also für eine bestimmte Bevölke-rungsgruppe ebenso repräsentativ, wie es diejenigen sind, die in der Soziologie für die Studien von Zeugnissen bestimmter und / oder verschiedener Sozial─, Arbeits─, Altersgruppen o. ä. herangezogen werden 561.

Literaturgeschichte ist in diesem Sinne auch Sozialgeschichte und Mentali-tätsgeschichte. Literarische sind zugleich sozialwissenschaftliche Dokumente. In vielen Arbeiten der Soziologie geht es darum, einen Bezugsrahmen zu finden, „innerhalb dessen die historisch realisierten Chancen und Typen der Identitäts-konstitution und der darauf basierenden Lebenslaufinterpretationen verglichen werden können mit den evolutionsbedingten, strukturellen Möglichkeiten der Ausformung von Identität und Selbstbewußtsein“ 562.

Schreiben über sich selbst ist eine Problematisierung des Verhältnisses von Individuum, sozialen Rollen und Gesellschaft. Autobiographieschreibung ver-weist auf das soziale Wissen über historische Konzepte persönlicher Identität. Die Rekonstruktion dieser Sinnsysteme kann demzufolge auch Auskunft über den historischen Wandel der Deutung persönlicher Identität geben 563. Literari-sche Lebensläufe haben für den Rezipienten die Aufgabe des Nachvollzuges der Imagination, der Interpretation der Konzeptionalisierung des Imaginären und dienen somit als Quellen für Selbstdeutungsmöglichkeiten und Typisierungs-schemata historischer Alltagswelten 564. Elemente von Lebensläufen sind auch Stadien des Lebens, wie: Läuterung: Reifeprozeß; Vollendung: Autonomie; Er-leuchtung: Selbstreflexion. Am Ende steht das Bewußtsein oder die Realisation des gesellschaftlich Allgemeinen im Subjekt, wobei das Entwicklungsziel der

561 R. W. BREDNICH ET ALII (Hgg.), Lebenslauf und Lebenszusammenhang. Autobiographische

Materialien in der volkskundlichen Forschung. Vorträge der Arbeitstagung der Deutschen Ge-sellschaft für Volkskunde in Freiburg i. Br. vom 16. bis 18. März 1981, Freiburg i. Br. 1982, 58.

562 H.-G. SOEFFNER, Entwicklung von Identität und Typisierung von Lebensläufen. Überlegungen zu HANS-ULRICH GUMBRECHT: Lebensläufe, Literatur, Alltagswelten, in: J. MATTHES - A. PFEIFENBERGER - M. STOSBERG (Hgg.), Biographie in handlungswissenschaftlicher Per-spektive, Nürnberg 1981, 252.

563 J. E. MÜLLER, Qui donc est je ─ MICHEL LEIRIS’ „La règle du jeu“. Zur historischen Funktion autobiographischer Texte, in: J. MATTHES ET ALII, Biographie in handlungswissenschaftlicher Perspektive, op. cit., 366.

564 Vgl. H.-G. SOEFFNER, Entwicklung von Identität und Typisierung von Lebensläufen, op. cit., 261.

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menschlichen Gemeinschaft die rationale Kontrolle der eigenen Evolution sein könnte 565.

Wenn wir historischen Wandel anhand von Biographieschreibung festzuma-chen versuchen, gehen wir u. a. davon aus, daß neben den ‚Oberflächenstruktu-ren‘, wie spezifischen Denkinhalten, Sprachformen oder konformen Handlungs-sequenzen auch die Geschichte die Person formt. Historische Geschichte und persönliche Ereignisse in der Geschichte prägen den Lebenslauf einer Person nachhaltig. Es liegt nahe, daß die Person Formen finden möchte, diese Ereignisse und Erfahrungen adäquat darzustellen. In der Sprache kann sie schöpferisch und dokumentierend zugleich tätig werden und macht damit die Sprache zum Träger von Sozialstrukturen und zum Motor von Sozialisation: „die innere Form der Sprache stimmt mit den grundlegenden Orientierungs─ und Wertungsmustern der Weltauffassung überein. In der syntaktischen Gliederung und dem semanti-schen Inventar, bzw. den Gebrauchsstrategien der Sprache liegt die gesellschaft-lich relevante Anschauung fest.“ 566 In diesem Sinne ist eine historische Sprache also auch die Abgrenzung der durch die historischen Voraussetzungen be-schreibbaren biographischen Situation und der sich mehr oder weniger von die-ser unabhängig vollziehenden Entwicklung persönlicher Identität.

Der Ansatz des Literaturhistorikers (z. B. HANS ULRICH GUMBRECHT) ist, daß „Biographie in handlungswissenschaftlicher Perspektive“, d.h. nach Analyse der institutionellen biographischen Schemata: a) ein Repertoire von Textschemata enthält, das in verschiedener Weise Le-

bensläufe konstituiert und strukturiert, b) diese Textschemata sprachliche Konkretisierungen von komplexen Wis-

sensvorräten aus vergangenen Gesellschaften sind, die auf die Bewertung von Lebensläufen schließen lassen,

c) einen Fundus liefert, anhand dessen man Hypothesen bilden kann über die verschiedenen Interaktionsbedingungen, unter denen die Textschemata sich aus den Lebensläufen konstituiert haben 567.

565 Vgl. H.-G. SOEFFNER, Entwicklung von Identität und Typisierung von Lebensläufen, op. cit.,

267 f. 566 Vgl. TH. LUCKMANN, Lebenslauf und Sprache, in: J. MATTHES ET ALII, Biographie in hand-

lungswissenschaftlicher Perspektive, op. cit., 60 f. 567 H. U. GUMBRECHT, Lebensläufe, Literatur, Alltagswelten, in: J. MATTHES ET ALII, Biographie

in handlungswissenschaftlicher Perspektive, loc. cit.

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In der Autobiographie ist das erzählende Subjekt immer gegenwärtig als Subjekt seines Lebens, während es in der Wirklichkeit vielleicht nie tatsächliches Subjekt (Held, Akteur) gewesen ist 568. So war ein sich selbst rühmender Beamter even-tuell in seinem sozialen Leben nicht der Wohltäter, als der er sich autobiogra-phisch beschrieb und im Hinblick auf seine Karriere nicht der angesehene Günstling des Königs, der er den Nachlebenden gerne zu sein vorgab.

Sprache überführt semantisch und syntaktisch ‚gesiebt‘ soziale Wirklichkeit in subjektiven Besitz und Formeln. Eingeschlossen sind alle in ihr befindlichen sozialen Raum─, Zeit─ und Kausalitätskategorien, ebenso wie alle typischen Motivzusammenhänge und Relevanzstrukturen 569, Verhaltensrezepte und Be-wertungshierarchien 570. Wenn dabei zum Ausdruck kommt, daß unvorhergese-hene Lebensereignisse individuelle Lebenspläne besonders stark verändert ha-ben, findet dies seinen Niederschlag in sprachlichen Exkursen über das, was die Identität besonders geprägt hat. Solches macht uns Autobiographie dann beson-ders aufschlußreich 571: Die soziale Wirklichkeit, die in der Biographie impliziert ist, die die Geschichte, die Identität schafft, wirkt zurück auf die Gesellschaft und spiegelt das Ganze im Individuellen. Für die Karriere, den Beruf bedeutet dies, daß sich der einzelne eine vorgegebene Typisierung zunächst spezifisch zu eigen machen muß, um daraus seine Geschichte zu formieren. Als Geschichte wird soziologisch insbesondere die symbolische Konstruktion verstanden, in der Ereignisse und Handlungen im Blick auf die Sinnstruktur interpretiert werden. Sie sind nicht Abbildungen der Realität, sondern Interpretationen, durch die Wirklichkeit sozial konstituiert wird. Die expliziten Deutungen innerhalb einer Geschichte, d.h. die dargestellte Auswahl der zeitverschiedenen Einzelereignisse müssen mit der aktuellen Intention des Erzählers übereinstimmen, in der die Ge-schichte als besondere Form der Erklärung gegeben wird. „Einzelne ‚wichtige‘ Interaktionsgeschichten können herausgegriffen werden, sie markieren ‚Trends‘, eine ‚persönliche Entwicklung‘, abgrenzbare Lebensphasen, sie belegen überge-

568 D. BERTAUX - I. BERTAUX-WIAME, Autobiographische Erinnerungen und kollektives Gedächt-

nis, in: L. NIETHAMMER ET ALII (Hgg.), Lebenserfahrung und kollektives Gedächtnis. Die Pra-xis der „Oral History“, Frankfurt a. M. 1985, 146—165.

569 Zu einer Definition von „Relevanzstruktur“ siehe auch F. SCHÜTZE, Prozeßstrukturen des Le-benslaufs, in: J. MATTHES ET ALII, Biographie in handlungswissenschaftlicher Perspektive, op. cit., 114.

570 Vgl. TH. LUCKMANN, Lebenslauf und Sprache, op. cit., 63. 571 W. VOGES, Sozialforschung auf der Grundlage einer Lebenslaufperspektive, op. cit., 15.

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ordnete Deutkategorien der eigenen Biographie (…). Lebensgeschichten sind (…) strukturierte Selbstbilder“, die die biographische Retrospektive als die letzte Interpretation nach kontinuierlicher Reflexion über das eigene Leben und die ge-eignetste Art seiner Darstellung ausweisen 572.

Wir werden in eine geschichtliche Gesellschaft hineingeboren. Geschichte wirkt auf Menschen über historisch gefestigte Institutionen, über hinterlassene Artefakte (von Werkzeugen bis Verkehrswegen) und über Kommunikation. Für Menschen sind historische Gesellschaften objektive Wirklichkeiten ihrer Le-benszeit und ihres Horizontes 573.

In der altägyptischen Gesellschaft wurde keine Referenz gegeben auf die Onthogenese des Kindes, seine natürliche Geschichte. Die uns zur Verfügung stehenden Quellen zu dem ‚Kind‘ stellen Kinder ausschließlich textlich, ikono-graphisch und ikonoplastisch in das biographische Umfeld ihrer Eltern, woraus man einen Eindruck über die Bedeutung von Kindern in dieser Gesellschaft, für ihre Eltern und zuletzt auch über das altägyptische Erziehungssystem gewinnen kann 574. Allein der historische Lebenslauf ist biographisch explizit darstel-lungswürdig. Inwieweit er auch natürlicher Realität entsprochen hat, ist nur par-tiell verifizierbar. Soziale Wirklichkeit wird in Prozessen sinnhaften Handelns konstituiert 575, wobei entscheidend ist, daß „soziale Wirklichkeit hervorgebracht wird in fortlaufenden Interpretationsvorgängen von sich abwickelnden Handlun-gen und Ereignissen“ 576.

ALFRED SCHÜTZ hat auf die Typisierung der Alltagswelt als das feste Strukturprinzip der Erfahrung und des Handelns verwiesen und auf den Lernpro-zeß, der in den herkömmlichen gesellschaftlichen Interaktionsprozessen dadurch hergestellt wird, daß anstehende Interaktionsvorgänge zum einen immer bekannt und definiert und zum anderen neu und der Veränderung unterworfen sind, d. h.:

572 W. FISCHER, Struktur und Funktion erzählter Lebensgeschichten, op. cit., 318 f. 573 Vgl. TH. LUCKMANN, Lebenslauf und Sprache, op. cit., 56. 574 Quellen und Ausführungen hierzu bei E. FEUCHT, Das Kind im Alten Ägypten: Die Stellung des

Kindes in Familie und Gesellschaft nach altägyptischen Texten und Darstellungen, Frankfurt a. M.-New York 1995. Zum Thema Erziehung: H. BRUNNER, Altägyptische Erziehung, loc. cit.

575 L. BERGER - TH. LUCKMANN, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. loc. cit.; G. H. MEAD, Geist, Identität und Gesellschaft, loc. cit.; A. SCHÜTZ, Gesammelte Aufsätze, loc. cit.; A. SCHÜTZ - TH. LUCKMANN (Hgg.), Strukturen der Lebenswelt, Neuwied-Darmstadt 1975.

576 W. FISCHER, Struktur und Funktion erzählter Lebensgeschichten, in: M. KOHLI (Hg.), Soziolo-gie des Lebenslaufs, op. cit., 312.

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ihre Geltung steht jeweils erneut zur Disposition, muß bestätigt oder gegebenen-falls verändert werden 577.

„Gesellschaftliche Institutionen wie Familie, Schule, Kirche tendieren zur Ausbildung allgemeingültiger absolut moralischer Idealbilder des individuellen Vollzugs des Lebenszyklus, zu dem der faktische Vollzug des Lebenszyklus stets mehr oder weniger im Kontrast steht.“ 578 Als solche Institutionen muß man auch die Berufskarrieren werten 579.

Im sozialen Geschehen gilt, wie soziologisch formuliert wird, das Verges-sen ebenso wie die gesellschaftliche Erinnerung. Im Rahmen von Generationen-wechsel bedingt das Absterben früherer Generationen die neueinsetzende Tat. Soziale Erinnerung lebt wesentlich von der aktuellen Produktion von kulturellen Inhalten. Vergangene Erlebnisse und Ereignisse können nur insofern relevant sein, als sie eine Orientierung (als Vorbilder) bieten oder als sie als den individu-ellen Spielraum erweiternde Handlungsmuster für die Entdeckung und Gestal-tung des Neuen herangezogen werden können 580. Gegenwärtige Problematiken erwachsen immer erst dem aktuellen Leben und werden erst zu einer späteren Zeit durch sozialen und geschichtlichen Abstand reflektierbar. Daraus folgt, daß auch die altägyptischen autobiographischen Texte, wie alle Autobiographien, erst als Texte einer Vergangenheit zur Geltung kommen können, da sie nicht durch Authentizität glänzen wollen, sondern durch ihre Historizität und die Er-leuchtung individueller Lebensgeschichten in dem bewußten Rückblick auf die in ihren historischen und sozialen Fakten bereits gesicherte Vergangenheit.

4.4. Soziale Zeit

Die Soziologie des Lebenslaufs verweist ausdrücklich auf die zeitliche Dimen-sion. Es geht bei Biographieforschung auch um Rekonstruktion der in einer Zeit

577 W. FISCHER, Struktur und Funktion erzählter Lebensgeschichten, op. cit., 314. 578 F. SCHÜTZE, Prozeßstrukturen des Lebenslaufs, op. cit., 68. 579 Siehe dazu insgesamt F. SCHÜTZE, Prozeßstrukturen des Lebenslaufs, op. cit., 67—130. 580 K. MANNHEIM, Das Problem der Generationen, in: M. KOHLI (Hg.), Soziologie des Lebens-

laufs, op. cit., 42—46.

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vollzogenen Handlungen bzw. der zwischen zwei Zeitpunkten eingetretenen Er-eignisse 581.

Zeit ist in Form von Lebenszeit kausales Bindeglied zu anderen Ereignis-sen, subjektive Perspektive und Maß für die Veränderungen in der Lebensge-schichte 582. „In Verbindung mit der historischen Zeit in Form von gesellschaft-licher Geschichte konstituieren die sozialen Zeitstrukturen Lebensmuster als in-stitutionalisierte Lebenslaufschemata, die präskriptiven Charakter für den indivi-duellen Lebensplan haben und die Grundlage für den Entwurf der Autobiogra-phie bilden.“ 583 Es wird öfters von ‚Biographisierung‘ der Lebensführung ge-sprochen, was aber auch bedeutet, daß selbst alltägliche Situationen lebensge-schichtlich bedeutsam werden, daß Lebenspläne als Bemühungen angelegt wer-den müssen, um die Irreversibilität der Lebenszeit zu unterlaufen 584. Dabei ist der Widerspruch offensichtlich zwischen der Einzigartigkeit der Person mit irre-versiblem Lebenslauf und der Forderung nach Generalisierung von Erkenntnis-sen. Sie werden in der Soziologie dadurch gewonnen, daß man der Ge-samtstrecke thematisierter Lebenszeit eine Struktur von Entwicklungsstufen und Phasen zugrundelegt 585. Als Beispiel wird die Berufsbiographie genannt, die als Ausdruck generationsspezifischer Erfahrungen gesehen wird, in denen sich gleichzeitig auch der Wandel historisch-konkreter Bedingungen widerspie-gelt 586.

Die großen gesellschaftlichen Veränderungen und politischen Entwicklun-gen haben stets auch ihre lokale Komponente. „Die Fragen unserer Kulturwis-senschaft müssen so formuliert sein, daß sie die politische und soziale Ge-schichte und den Lebenslauf in ihrer vielfältig verflochtenen Beziehung ein-schließen.“ 587 Das Problem der Generationen wird in der modernen Soziologie besonders behandelt, wo es um

─ die Einsetzung neuer Kulturträger, ─ den Abgang der früheren Kulturträger,

581 W. VOGES, Zur Zeitdimension in der Biographieforschung, in: W. VOGES, Methoden der Bio-

graphie─ und Lebenslaufforschung, op. cit., 125. 582 W. VOGES, Zur Zeitdimension in der Biographieforschung, op. cit., 126. 583 W. VOGES, Zur Zeitdimension in der Biographieforschung, op. cit., 127. 584 W. VOGES, Zur Zeitdimension in der Biographieforschung, op. cit., 129. 585 W. VOGES, Zur Zeitdimension in der Biographieforschung, op. cit., 136. 586 W. VOGES, Zur Zeitdimension in der Biographieforschung, op. cit., 137. 587 A. LEHMANN, Erzählstruktur und Lebenslauf. op. cit., 288.

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─ die zeitlich begrenzte Partizipation der Träger eines jeweiligen Kultur-zusammenhanges,

─ die Notwendigkeit ständigen Tradierens der akkumulierten Kulturgüter und

─ die Wahrung der Kontinuierlichkeit des Generationenwechsels geht 588.

Die Menschen, die einen ‚neuen Zugang‘ zum akkumulierten Kulturgut haben, verändern sich und ihre Kultur, wobei sich auch ihre schriftliche Fixierung ver-ändert.

‚Lebenszyklus‘ ist soziologisch definierbar als „die kontinuierliche Folge von durch Ereignisse abgegrenzte Phasen von der Geburt bis zum Tod eines In-dividuums“ 589, oder auch als „die gesamtgesellschaftlich geregelte und geltende Bestimmung des ‚normalen‘ Lebenslaufs mit seinen ‚typischen‘ Einschnitten, Höhepunkten und Krisen“ 590.

Man definiert ausgehend von der gesamten Lebensdauer unter rein zeitli-chen Aspekten zum einen die Altersstufen und dann die von jedem Individuum variabel erlebte Dauer von Einzelereignissen.

Differenzierungen ergeben sich in einer gegebenen Gesellschaft vor allem durch unterschiedliche soziale Schichten und Altersgruppen (Generationen), wo-bei eine autobiographische Fixierung jedoch keineswegs in allen diesen Schich-ten und Altersgruppen erfolgen muß.

In der ägyptischen Gesellschaft trat als biographisierende Schicht lediglich die der Beamten in ihren verschiedensten Tätigkeitsbereichen in Erscheinung. Das Alter spielte nur soweit eine Rolle, als ein Autor nach Erreichen eines hohen Lebensalters Weisheit und Reife erlangt hat und sich durch diese charakterlich zum Nutzen des Dienstherren, zum Nutzen der Mitmenschen hervorzutun rühmte. Damit allerdings diente er sich auch selber, denn nur so konnte der An-

588 K. MANNHEIM, Das Problem der Generationen, in: M. KOHLI (Hg.), Soziologie des Lebens-

laufs, op. cit., 38—53, hier besonders 43. 589 J. FRIEDRICHS - K. KEMP, Methodologische Probleme des Konzeptes „Lebenszyklus“, in:

M. KOHLI (Hg.), Soziologie des Lebenslaufs, op. cit., 176. 590 J. MATTHES, Volkskirchliche Amtshandlungen, Lebenszyklen und Lebensgeschichte, op. cit.,

207 f.

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spruch auf Fortdauer und Erinnerung durch eine Autobiographie und ein Grab gesichert werden 591.

Wenn man die autobiographische Phraseologie altägyptischer Biographien betrachtet, so sind auch hier die relevanten Kriterien vor allem solche sozialen Verhaltens. Soziales Verhalten aber war der Anspruch auf Erinnerung durch ak-tives, initiatives Verhalten im Leben:

1. Ereignisse sollen sozial bedeutsam sein, 2. Ereignisse sollen bei einer breiten Masse von Mitgliedern der Gesellschaft

auftreten können (den Beamten), 3. Ereignisse sollen möglichst eine Veränderung im Verhalten und der Ein-

stellung anderer bewirken (Gedächtnis, Erinnerung und Belohnung), 4. Ereignisse sollen singulär / originär sein, damit Abgrenzungen innerhalb der

Autobiographie phraseologisch folgerichtig bleiben, 5. Veränderungen, die aus den Ereignissen resultieren, beanspruchen von

Dauer zu sein (z. B. die Installation von Ma’at zu Beginn des Mittleren Rei-ches).

Einer der im Hinblick auf Selbstverewigung und Dauer eindringlichsten Texte ist wohl der Text des Pap. Chester Beatty IV vso. 6, der aus der altägyptischen Weisheitsliteratur stammt. Er verweist auf die Dauerhaftigkeit des Schreibens an sich. Sie wird in unterschiedlicher Form zwar ─ einmal als literarische Unterwei-sung, einmal als Selbstthematisierung in der Autobiographie ─ nicht nur den großen Autoren zuteil, wie Djedefhor, Imhotep, Neferti und Cheti ─ als dem größten ─ und Ptahemdjehuti, Chacheperreseneb, Ptahhotep und Kaïres, sondern auch jedem Grabherren und Autor. Er sichert sich durch die Autobiographie Er-innerung an seinen Namen und seine Taten und damit eine eigene Identität im kollektiven Gedächtnis 592.

Die Rekonstruktion des Lebenslaufs anhand der Autobiographie ergibt im pittoresken Sinne ein Bild des beschriebenen Lebens: „Die Analyse muß Le-benslauf und Biographie gleichsam ins Auge fassen (…); sie hat zu zeigen, wie Menschen ihre Identifikationen selber konstruieren, nach welchen Regeln sie das

591 Vgl. K.-J. SEYFRIED, Generationeneinbindung, in: SAGA 12, Heideberg 1995, 219—231. 592 J. ASSMANN, Schrift, Tod und Identität, op. cit., 68 f.

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tun und inwiefern diese Identifikationen sinnhafte Realitätskonstrukte sind.“ 593 Dabei wird die Lebenszeit und der Lebenslauf selbst, zum Horizont der Identifi-kation.

Autobiographien sind mimetische Texte, im Sinne ERICH AUERBACHS sind sie Darstellung von Wirklichkeit oder genauer Konstruktion von Wirklichkeit. Jede Erzählung konstruiert einen Sinnzusammenhang in drei Dimensionen: einer sozialen, einer handlungspragmatischen und einer zeitlichen Dimension zu-gleich 594.

Dauer der Wirklichkeit kann nur am Geschehen selber plausibel gemacht werden: Es muß kontinuierlich etwas geschehen, damit der Zusammenhang des Geschehens nicht zerfällt 595. Phraseologie und Formeln schaffen solche Konti-nuität in den alten Texten. GEORG MISCH weist darauf hin, daß in den archai-schen Autobiographien, die sonst durch eine „unendliche Armut an Individuel-lem“ gekennzeichnet seien, die Ich-Form des Berichts vor allem den Sinn habe, die Glaubwürdigkeit des Erzählten zu verbürgen 596. Alle Ereignisse und Doku-mente gewinnen ihren Sinn durch ihren Bezug auf ein Subjekt, das sie be-wirkt 597. Das Individuum ist „Referenzsubjekt“ der Biographie 598, d.h. der Autor gibt sich durch die Beschreibung als Persönlichkeit selbst seine Identität.

Vergangenheit und Zukunft werden aus der jeweiligen Gegenwartsperspek-tive immer neu konstruiert, so daß man von einem prinzipiell „offenen Horizont“ individuellen Lebens spricht 599. Diese Erwartung einer biographischen Ge-samtgestalt, die zwischen Lebensanfang und ─ende einen durchgeformten Sinn-zusammenhang konstruiert, kann empirisch allerdings nicht immer eingelöst

593 H. LEITNER, Lebenslauf und Identität. Die kulturelle Konstruktion von Zeit in der Biographie,

Frankfurt a. M.-New York 1982, 16. 594 E. AUERBACH, Mimesis. Dargestellte Wirklichkeit in der abendländischen Literatur, 5. Aufl.,

Bern-München 1971, 9—27; ferner N. LUHMANN, Das Phänomen des Gewissens und die nor-mative Selbstbestimmung der Persönlichkeit, in: F. BÖCKLE - E.-W. BÖCKENFÖRDE (Hgg.), Naturrecht in der Kritik, Mainz 1973, 223—243, hier 224; vgl. auch DERS., Sinn als Grundbe-griff der Soziologie, in: J. HABERMAS - N. LUHMANN, Theorie der Gesellschaft oder Sozial-technologie ─ was leistet Systemforschung?, Frankfurt a. M. 1971, 25 ff.

595 H. LEITNER, Lebenslauf und Identität. op. cit., 28. 596 H. LEITNER, Lebenslauf und Identität. op. cit., 34, und G. MISCH, Geschichte der Autobiogra-

phie, op. cit., 22 f. 597 H. LEITNER, Lebenslauf und Identität. op. cit., 38. 598 Vgl. H. LÜBBE, Wer kann sich Aufklärung leisten? Objektivität in der Geschichtswissenschaft,

in: W. BECKER - K. HÜBNER (Hgg.), Objektivität in den Natur─ und Geisteswissenschaften, Hamburg 1976, 183—188.

599 W. FISCHER - M. KOHLI, Biographieforschung, op. cit., 29.

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werden. Die Soziologie hat sich dabei nicht nur um die Konzepte sozialer Strukturen und Ordnungen zu kümmern, sondern auch um das Ungeordnete 600. Solches findet man in den ägyptischen Klagen thematisiert. Sie dürften aus der Zeit der etablierten 12. Dynastie stammen und wurden zum Zwecke der Propa-gierung von Ma’at als allumfassendem Ordnungsprinzip verfaßt:

Ein Lebensmüder klagt über den Verfall der Solidarität, daß niemand mehr für den anderen handle und man mit niemandem mehr sprechen könne 601. Ein Bauer klagt über Trägheit, Verstocktheit und Habgier, über Verlust von alten Werten:

„Es gibt kein Gestern für den Trägen, es gibt keinen Freund für den, der für die Ma’at taub ist, es gibt kein Fest für den Habgierigen.“ 602

Für die Biographien definierten die Klagen die Grenzen gesellschaftlicher Exi-stenz. In der Unordnung konnte keine Solidarität und damit auch keine persönli-che Fortdauer gefunden werden. Also resultierte aus der Unordnung die Er-kenntnis zur Neubesinnung auf die notwendige Ordnung, die gerade mit der Ma’at des Mittleren Reiches glänzend formuliert worden ist. Sie war für die Entwicklung der altägyptischen Autobiographien richtungsweisend und schuf für die Beschreibung der eigenen Persönlichkeit und Identität die eigentliche Basis. Somit sei das Ungeordnete dahingehend besonders erwähnt, als es gerade auto-biographischen Texten zu neuer Thematik verholfen hat.

„Die meisten Menschen (…) lieben das ordentliche Nacheinander von Tat-sachen, weil es einer Notwendigkeit gleichsieht, und fühlen sich durch den Ein-druck, daß ihr Leben einen Lauf habe, irgendwie (sogar) im Chaos gebor-gen.“ 603 Die phänomenologischen Analysen zur Konstitution der Sozialwelt weisen nach, daß Handeln nur auf der Grundlage der selbstverständlichen Konti-nuität der Welt und der Wirkensmöglichkeit des Individuums auf sie möglich

600 W. FISCHER - M. KOHLI, Biographieforschung, op. cit., 29 f. 601 A. ERMAN, Gespräch eines Lebensmüden mit seiner Seele, Berlin 1896, und R. O. FAULKNER,

The man who was tired of life, in: JEA 42, London 1956, 21—40 und andere Bearbeitungen. 602 B2, 109—111, F. VOGELSANG, Kommentar zur den Klagen des Bauern, UGAÄ 6, Leipzig

1913, Neudruck Hildesheim 1964, 225. 603 R. MUSIL, Der Mann ohne Eigenschaften, Hamburg 1952, 650.

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ist 604; Kontinuität kann sich vermitteln über Beruf, Familie, Haus (Besitz), Zei-tung, Fernsehen. Kontinuität in der Alltagszeit meint: nichts verändert sich. In der Lebenszeit meint Kontinuität: verläßliche Sequenzen, ein verläßlicher Zeithorizont. Die Frage nach der Diskontinuität stellt sich um so stärker, je mehr die zeitliche Kontinuität durch den Lebenslauf begründet wäre 605. Auf diesen Sachverhalt weist auch WOLFRAM FISCHER hin und darauf, daß es „Reparatur-strategien“ gibt für den Fall, sollte es zu einer Verletzung der Lebenszeitstruktur kommen 606, die im Bereich psychologischer Deutung liegen (Routinisierung der Alltagszeit, temporale Modifikation, Historisierung, Futurisierung, u. a. 607).

Alltagswelt ist die dem einzelnen gegebene, bereits geordnete und sich ihm auch entgegenstellende Wirklichkeit mit zeitlicher Dimension. Diese ‚soziale Zeit‘ verändert sich bemerkt oder unbemerkt und korreliert mit (gesellschaftli-cher) Geschichte, in der wiederum biographische Vorgaben enthalten sind. Sie drücken aus, was im Leben von Gesellschaftsmitgliedern nacheinander kommen muß oder soll, welche biographischen Bereiche gleichzeitig durchlebt werden können. Schemata, wie eine biographisch sinnvolle Entwicklung ablaufen sollte und Konzeptionen eines sinnvollen Lebens sind beim Publikum und bei den Autoren als bekannt vorauszusetzen. Unabhängig von der Realisierung der Bio-graphie durch einzelne unterliegt sie als soziale Institution historischem Wan-del 608. Die Biographie wird immer von konkreten Gegenwartsperspektiven her konstruiert, woraus zu folgern ist, wie die einzelnen anderen biographischen Ab-schnitte, die zu dieser Gegenwart geführt haben, ausgesehen haben dürften, un-abhängig davon, ob und wie es „wirklich war“ 609. Ein stabiles Maß ist immer ─ wenn vorhanden ─ auch das Lebensalter. Es macht den Lebenslauf ─ und damit

604 A. SCHÜTZ - TH. LUCKMANN (Hgg.), Strukturen der Lebenswelt, op. cit., 26. 605 Vgl. M. KOHLI, Gesellschaftszeit und Lebenszeit, in: J. BERGER (Hg.), Kontinuitätsbruch der

Moderne?, Sonderheft Soziale Welt 4, Göttingen 1986, 190 f. 606 W. FISCHER, Soziale Konstitution von Zeit in biographischen Texten und Kontexten, in:

G. HEINEMANN (Hg.), Zeitbegriff der Naturwissenschaften, Zeiterfahrung, Zeitbewußtsein, Freiburg 1986, 369 f.

607 Unter Routinisierung ist nach W. FISCHER, loc. cit. zu verstehen, daß der Alltag nach physi-scher oder psychischer Verletzung durch Routine relativ gut normalisiert werden kann, daß also Ersatzstrukturen geschaffen werden. Temporale Modifikation meint das Verlegen der Er-fahrungs- und Erlebnisschwerpunktes in die Vergangenheit (Historisierung) oder Zukunft (Futurisierung) zumeist zum Zwecke der Schaffung von Lebensperspektive.

608 W. FISCHER - M. KOHLI, Biographieforschung, in: W. VOGES, Methoden der Biographie─ und Lebenslaufforschung, op. cit., 27—28.

609 W. FISCHER - M. KOHLI, Biographieforschung, op. cit., 33.

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den Durchlauf der Individuen durch soziale Systeme durch die Distanz zu der bereits durchlebten Lebenszeit ─ regelhaft und berechenbar. Alter eignet sich da-her gut für Rationalisierung 610. MARTIN KOHLI weist auf den Aspekt „Lebens-zeit als Aufgabe“ hin, der z. B. in der protestantischen Ethik vertreten wird. Die Biographie bilanziert im Alter, was in der Jugend und in den Erwachsenenjahren an Erfolgen zu verzeichnen war und welchen Einfluß diese Erfolge auf das er-reichte Dasein im Alter hatten. Bei den Ägyptern findet man diese Bilanzierung auch, aber sie unterscheidet zwischen Alter und Leistung: man hat ein hohes Al-ter erreicht, bzw. man hat etwas im Leben erreicht. 611.

Zum einen kommt also die initiative Gestaltung individuellen gesellschaftli-chen Handelns als Schreibmotiv in Frage, zum anderen muß in der Autobiogra-phie die Bewältigung der allgemeinen Lebensprobleme erkennbar erfolgt sein oder ─ was dann mehr auf moderne Biographieschreibung zutrifft ─ Probleme werden erkannt und im Hinblick auf das Allgemeininteresse diskutiert. Die Kon-sequenzen individuellen Handelns sind immer auf die Gesellschaft als ganzes zu projizieren und als solche auch diskursfähig. KOHLI weist darauf hin, daß frühere Lebensformen überwiegend statisch, situational waren. Einzelne Ereignisse und Errungenschaften der Person waren darstellungswürdig. Heute sind sie über bio-graphische Ablaufprogramme geordnet, jedoch in größerer individueller Freiheit erlebbar und damit von dynamischer Struktur. Während heute jeder ein flexibler Konstrukteur der eigenen Biographie ist und sich seine Identität und Wertorien-tierungen aus Versatzstücken eigenverantwortlich zusammensetzt, wäre ein Aus-bruch früher nur um den Preis des Verlustes völliger sozialer Sicherheit möglich gewesen 612.

610 M. KOHLI, Die Institutionalisierung des Lebenslaufs, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und

Sozialpsychologie 37, Köln 1985, 14. 611 Vgl. M. KOHLI, Gesellschaftszeit und Lebenszeit, op. cit., 183. 612 Vgl. M. KOHLI, Gesellschaftszeit und Lebenszeit, op. cit., 190.

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4.5. Identität

Zur Bestimmung persönlicher Identität sind in der Vergangenheit zahlreiche Mo-delle entwickelt worden 613. Das am überzeugendsten überdauernde Modell scheint das von GEORGE H. MEAD zu sein, der den Zusammenhang der Bestim-mung von ‚Selbst‘ als historischen Prozeß der Interaktion von ‚Ich‘ und ‚Mich‘ herausarbeitet 614 und in Anlehnung an MEAD das von P. L. BERGER und TH. LUCKMANN in ihrer Wissenssoziologie entworfene Modell 615. Die Konsti-tution persönlicher Identität ist demnach eine subjektive Leistung. U. a. zählt SOKRATES’ Apologie zu den frühen Paradigmen autobiographischer Texte: er stellt seine Vita und Person seinen Zeitgenossen zur Beurteilung durch deren Wert─ und Normenvorstellungen anheim ─ implizit ist das Bedürfnis nach Rechtfertigung vor dem Leser. Auch ROUSSEAUS „Confessions“ weisen eindeu-tig in diese Richtung 616.

Identität verleiht gemäß diesem Modell dem Einzelnen vor allem seine Stellung als personales und als soziales Wesen. Man spricht von ‚sozialer Iden-tität‘ und meint die Stellung des Individuums gemessen an den gesellschaftlichen Normen und Erwartungen, wohingegen sich die ‚persönliche Identität‘ auf die Einzigartigkeit der Entwicklung bezieht. Der biographische Blickwinkel ist dabei als eine der vielen möglichen Sichtweisen der Beziehung von Individuum und Gesellschaft anzusehen 617.

Als Voraussetzung für das Herausbilden von Identität durch das Erzählen der Lebensgeschichte muß beim Autor das subjektive Gefühl der eigenen Konti-nuität in einem historischen, lebensgeschichtlichen und bewußtseinsbildenden Prozeß sein. Der Prozeß der Sozialisation und Identitätsbildung ist unmittelbar

613 Es sei z. B. verwiesen auf die Arbeiten von E. H. ERIKSON, Identität und Lebenszyklus, Frank-

furt a. M. 1971 und E. GOFFMANN, Stigma. Über Techniken beschädigter Identitäten. Frankfurt a. M. 1998, sowie L. KRAPPMANN, Soziologische Dimensionen der Identität, Stuttgart 1971.

614 G. H. MEAD, Mind, Self and Society, Frankfurt a. M. 1972, 135 ff. und 182 ff., es ist hier die Reflexion des Subjektes über sich selbst (Mich), also über sich als Objekt seiner Reflexion ge-meint.

615 P. L. BERGER - TH. LUCKMANN, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt a. M. 1970.

616 Siehe J. E. MÜLLER, Qui donc est je ─ MICHEL LEIRIS’ „La règle du jeu“. Zur historischen Funktion autobiographischer Texte, in: J. MATTHES ET ALII (Hgg.), Biographie in handlungs-wissenschaftlicher Perspektive, op. cit., 369 f.

617 E. H. ERIKSON, Identität und Lebenszyklus, op. cit., 124.

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verbunden bzw. sogar abhängig von Kontinuität der Lebenszeit. Kontinuität verleiht der Autor seiner Autobiographie durch Ereignisse, die zeitlich aufein-anderfolgen, wie in den Laufbahnbiographien der Ägypter geschildert. Konti-nuität kann aber auch durch die Schilderung einer hervorragenden charakterli-chen Entwicklung ausgedrückt werden, wie wir sie in den idealbiographischen Teilen der Autobiographien finden. Kontinuität erweist sich schließlich allein in dem Anspruch der Ägypter auf Fortleben nach ihrem Tode und in dem Gebrauch von Schrift, die diesem Anspruch Struktur und Form gibt und die Identität über das Lebensende hinaus bewahrt 618.

Im Bezug auf die Definition und Beschreibung von ‚Identität‘ tritt neben ‚Gesellschaft‘ ─ als Objekt soziologischen Denkens ─ ‚Biographie‘ als Un-terthema 619. Autobiographie ist das Konstrukt, das auf die fundamentale Dimen-sion der Sozialität verweist 620. Identität ist das Produkt der Selbstidentifikation in der Autobiographie; der Begriff impliziert ‚Zeit‘ als Dauer des Ich. Identität gibt dem Individuum diejenige Kontinuität, durch die es einen Platz in der Ge-meinschaft einnehmen kann. Damit definiert sich Identität in der Gegenwart. Identitätsaussagen sind synchrone Aussagen, die eine diachrone Temporalstruk-tur implizieren 621.

Eigenes Handeln, welches in den Autobiographien besonders hervorgeho-ben wird und in hohem Maße identitätsstiftend ist, wird i. d. R. nicht aus dem autonomen Ich motiviert, sondern aus den bekannten Sinnbezügen von Rang, Stellung und Rolle. Was Dinge bedeuten, steht in der Regel fest. In der Autobio-graphie werden daher Subjektivität des Erlebens und die bekannte Bedeutung zusammengeführt. Das Individuum beherrscht die Welt, zu der es gehört. ‚Indi-vidualität‘ bezeichnet in den modernen Autobiographien den Terminus, den Code, der sich dynamisch auf Entfaltung und Verlauf bezieht, und auf keinen Fall auf die Festlegbarkeit auf einen Standard hin. Jeder schafft seine Autobio-graphie selbst und ist auch selbst der Inhalt seines Kunstwerkes. Dem wider-spricht im Alltagsleben sehr oft, daß strukturelle Arrangements das Individuum

618 Siehe dazu bezüglich moderner Texte: A. LEHMANN, Erzählstruktur und Lebenslauf. op. cit.,

37 f. 619 W. FISCHER - M. KOHLI, Biographieforschung, in: W. VOGES, Methoden der Biographie─ und

Lebenslaufforschung, op. cit., 25. 620 W. FISCHER - M. KOHLI, Biographieforschung, op. cit., 27. 621 Vgl. H. LEITNER, Lebenslauf und Identität. op. cit., 53—65.

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auf Stabilität festlegen 622. Auf die altägyptischen Texte lassen sich die Begriffe ‚Persönlichkeit‘ und ‚Personalität‘ anwenden, die freilich für die relativ statische und resümierende Art der Beschreibung biographisch relevanten Handelns und persönlicher Entwicklung stehen.

Die historische Sozialisation, Sprache, Kultur und Sozialstruktur leitet sich nicht von biologischen Prozessen her. In unterschiedlichen Wirklichkeitsaspek-ten verschränken die Elemente sich in subjektiv aus─ und verwertbarer Weise 623, und sie entziehen sich in der Subjektivität der analysierbaren Ab-straktion. Persönliche Identität bildet sich in der Fortsetzung ihrer Konstituierung in demjenigen ‚Gedächtnis‘ aus, das zu Synthese und Deutung fähig ist 624.

Aus der Perspektive der Ägypter lag die Synthese in der Auswahl der rele-vanten Terminologie für die Formulierung der Autobiographie. Damit deuteten sie sich selber, bzw. stellten ─ relativ restriktiv ─ die Möglichkeit der Deutung für andere her, woraus Gedächtnis und Erinnerung bei den Nachlebenden resul-tieren sollten. Man findet die wechselseitigen Spiegelungen (Kommunikation), die in der Soziologie als Grundbedingung für die Herausbildung persönlicher Identitäten gewertet werden. Auch wechselseitige Erinnerung an die Handlungen des anderen in der Vergangenheit ist den Texten implizit, wodurch sich das kommunikative System in der Art weiterentwickelt, daß man die sich im Laufe der Geschichte entwickelnden neuen Formen und Formeln in der Biographie-schreibung klar differenzieren und historisch klassifizieren kann. Als Strukturen sind sie die „sinnstiftenden und sinnmotivierten Steuerungsprinzipien subjekti-ven Bewußtseins“ 625. Während sie in relativ fester, endgültiger Form in die in-tersubjektiv festgelegte Organisation gesellschaftlichen Handelns eingegangen sind, sind die realen persönlichen Identitäten damit nicht unbedingt abgeschlos-sen und endgültig. Auch lassen die altägyptischen Autobiographien nicht immer darauf schließen, ob ein hohes oder höheres Lebensalter erreicht worden ist, aus dem ein Abschluß der Biographie real zu folgern wäre. Der realitätsbezogenen Analyse beugten die alten Ägypter vor allem dadurch vor, daß sie der Fixierung von historischer Sozialisation einen festen, wenig Spielraum vorsehenden,

622 Vgl. M. KOHLI, Gesellschaftszeit und Lebenszeit, op. cit., 188 f. 623 Vgl. TH. LUCKMANN, Lebenslauf und Sprache, op. cit., 57. 624 Vgl. TH. LUCKMANN, Lebenslauf und Sprache, op. cit., 58. 625 TH. LUCKMANN, Lebenslauf und Sprache, op. cit., 59.

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sprachlichen Rahmen gaben, der selbst weitgehend aus analytischen Abstrakten bestand (Terminologie, Formeln). Immer dort, wo die Vorgabe verlassen wird, scheint durch, was die reale persönliche Identität hinter der Fassade war. Zum Thema persönliche vs. vorgegebene, öffentliche Identität sind u. a. die als „mémoires“ und „confessions“ besonders im 18. Jahrhundert beliebten Diskurse zu erwähnen, die hervorgegangen sind aus der Diskrepanz dieser beiden Berei-che. Noch AURELIUS AUGUSTINUS wandte sich an Gott als Richter. Im 18. Jahrhundert wandte man sich dann an eine aufgeklärte Öffentlichkeit, die das individuell gelebte Leben im Vergleich zu den normativ vorgegebenen Lebens-lauf-Schemata zu bewerten hatte, was in diesen Fällen zumeist bewußt nicht in Einklang gebracht wurde. Dadurch mußte Identität gesellschaftlich neu definiert werden 626.

Identität erwächst aus Interaktionen, dem Gemeinschaftshandeln mehrerer Individuen, nicht aus den Anstrengungen eines um sich selbst bemühten Sub-jekts. Damit ist der fundamentale soziologische Hintergrund von Biographie-schreibung aufgezeigt, auf den besonders P. L. BERGER und TH. LUCKMANN u. a. in der jüngeren Vergangenheit der vergleichsweise noch ebenso jungen Disziplin Biographieforschung hingewiesen haben. Identität ist ein Interaktionsprodukt, das in einem Spiegelungsprozeß entsteht. Dabei repräsentieren die Identitäts-typen zugleich „Interpretationsschemata“ (GUMBRECHT), die alle in ihnen ent-haltenen Rollen, Erfahrungen, Handlungspläne und Statuspassagen sinnhaft und stimmig erscheinen lassen. „Identitätstypen sind Darstellungsschemata, symboli-sche Formen der Identitätszuweisung und ─übernahme in Interaktion.“ 627 Die Interaktionsgemeinschaft ist immer schon vorgegeben und mit ihr die Positionen der Individuen in ihr. Entstehung von Identität meint die Entstehung des Wissens eines einzelnen um seine Position in der Gemeinschaft. Voraussetzung im mo-dernen Sinne ist, daß ein einzelner Erzähler so aus sich heraustreten kann, daß er für sich selbst zum Objekt wird und damit Distanz zu sich und seiner Umwelt gewinnt. Voraussetzung von seiten der Interaktionsgemeinschaft ist, mittels si-gnifikanter Symbole zu agieren und zu reagieren, d. h. die Kommunikati-

626 H. U. GUMBRECHT, Lebensläufe, Literatur, Alltagswelten, op. cit., 248. 627 H.-G. SOEFFNER, Entwicklung von Identität und Typisierung von Lebensläufen. Überlegungen

zu HANS-ULRICH GUMBRECHT: Lebensläufe, Literatur, Alltagswelten, in: J. MATTHES ET ALII, Biographie in handlungswissenschaftlicher Perspektive, op. cit., 252.

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onsgemeinschaft muß in sich stimmig funktionieren, und es macht Sinn, Identität mit MEAD als Prozeß aufzufassen 628.

„Aus dieser Möglichkeit der Identitätsbildung erwächst auch die Chance, die organisierten Haltungen, Gesten, Symbole Typisierungsschemata der Be-zugsgemeinschaften einer ‚bewußten persönlichen Identität‘ zu ändern, d. h. mit den Mitteln der Vernunft und des Diskurses, die ins Bewußtsein gehobenen Möglichkeiten persönlicher Identität gegen die bestehende Gesellschaft und die in ihr repräsentierten organisierten Haltungen als Korrektiv einzusetzen.“ 629

Auf die altägyptischen Autobiographien übertragen bedeutet dies: 1. Selbst wenn es beim Abfassen der Autobiographie um das eigene Fortbe-

stehen ging, so ist sie doch erst zustande gekommen durch die soziale Inter-aktion, durch Beziehungen zu König und Mitmenschen oder zu Gott und damit aus demselben Spiegelungsprozeß, der auch heutigen Autobiogra-phien zugrunde liegt. Der Unterschied besteht freilich darin, daß die Wahr-heitstreue der Spiegelung heute leichter verifizierbar ist und einem dynami-schen Interaktionsprozeß unterliegt, die Spiegelung damals vielmehr in Formeln statisch festgelegt wurde und für uns nicht authentisch ist.

2. Die Autoren waren auch damals Identitätstypen, für die die Rolle, die sie sich zugewiesen haben, ebenso wie die beschriebenen Erfahrungen und Handlungen, sowie die Aussagen zum eigenen Status stimmig beschrieben sein mußten. So war es für einen einfacheren Höfling vordringlich, sich sei-ner Sachkenntnis und Kompetenz im Amt zu rühmen, auf den sein Dienst-herr sich verlassen konnte 630. Ein Gaufürst, also ein Verwalter von Land, würde sich hingegen seiner Loyalität, seiner persönlichen Erwählung durch den König und seiner Effektivität z. B. beim Eintreiben der Steuern rühmen. Daneben kann man erwarten, daß ein solch hochstehender Beamter, seines Ansehens und anzunehmenden Reichtums wegen, auch seine richterliche

628 H.-G. SOEFFNER, Entwicklung von Identität und Typisierung von Lebensläufen, op. cit., 253 ff. 629 H.-G. SOEFFNER, Entwicklung von Identität und Typisierung von Lebensläufen, op. cit., 255. 630 Z. B. Hnwn aus der 11. Dynastie auf seiner Stele Kairo JE 36346, W. SCHENKEL, , MHT,

op. cit., 228—230.

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Kompetenz und seine sozialen Taten hervorhebt 631. Damit bestätigte sich in der Autobiographie, was der Beamte als von der Gemeinschaft vorgege-ben, als Persönlichkeit in eigene Identität umgesetzt hat.

3. Der Beamte konnte also nur durch das Wissen um seine persönliche Be-deutung für die Gemeinschaft zur korrekten Formulierung seiner Autobio-graphie kommen.

4. In der Voreinschätzung der gesellschaftlichen Reaktion auf die Autobiogra-phie und in der Entscheidung für die erforderlichen Versatzstücke des Tex-tes liegt derjenige Prozeß, der auch damals schon Identitätsbildung zu-grunde lag.

4.6. Zusammenfassung

Die Merkmale altägyptischer Autobiographien reflektieren genauso wie heutige Biographien den gesellschaftlichen Prozeß, in dem sie sich erst konstituiert ha-ben und dann fixiert worden sind. Auch die altägyptischen Biographien doku-mentieren neben einer persönlichen Geschichte die soziale und historische Ge-schichte ihrer Epochen und der Kultur, der sie entspringen.

Die biographische Textgattung ist keine authentische oder objektive Geschichts-schreibung, sondern sie ist gefärbt von den soziokulturellen Ordnungskriterien, die gesellschaftlich vorformuliert sind. Die Allgemeingültigkeit dieser Feststel-lung für die Biographieschreibung kann durch die Soziologie bestätigt werden. Die persönlichen Geschichten altägyptischer Beamter sind den modernen Auto-biographien demnach zumindest strukturell ähnlich. Dieselben kontextuellen Zu-sammenhänge müssen für die Texte damals, wie für die heutigen, berücksichtigt werden. Die Konstituierung der Texte ergibt ─ damals wie heute ─ eine gleich-wertige, persönlich strukturierte und Geschichte reflektierende, als Ganzes je-doch objektivierbare Dokumentation. Die neuere Soziologie hat dabei dazu bei-getragen, die Textgattung Biographie vom Nimbus der Subjektivität zu befreien

631 Z. B. Amenemhet in der frühen 12. Dynastie in seiner Biographie in seinem Grab (Nr. 2) in

Beni Hassan. Siehe M. LICHTHEIM, Ancient Egyptian Autobiographies chiefly of the Middle Kingdom, op. cit., 135—141.

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─ und ihr damit den Anschein der Unauswertbarkeit im Bezug auf objektive Ge-schichtsschreibung zu nehmen.

Spätestens seit WILHELM DILTHEYS Forschungen ist die Geschichtlichkeit des Subjekts, auch mit seinem subjektiven Erleben, zentraler Bestandteil der Auswertung kulturell relevanter Texte. Gleichzeitig werden diese Texte zu rele-vanten Texten für die Historisierung der Kultur. DILTHEYS Arbeiten ─ sowie die zahlreicher anderer hier genannter Soziologen ─ geben die sozialwissenschaftli-che Basis für die Biographieforschung, welcher Zeit oder Kultur auch immer zu-gehörig. Diese kann somit auf eine allgemeine Basis gehoben werden und ge-winnt eine interkulturelle Objektivität. Biographien sind objektiv reflektierbar und sozialhistorisch auswertbar, wobei gleichzeitig die nationalhistorische Ei-genheit der Gattung und der sie konstituierenden Subjekte stets im Auge gehal-ten wird. Die Sozialforschung legitimiert auch den Ägyptologen, das Besondere eines autobiographischen Textes sowohl innerkulturell zu beschreiben wie auch, es als ein Textdokument allgemeiner kultureller Evolution zu beschreiben, aus dem möglicherweise weitere, die gesamte Geschichte konstituierende Doku-mente und Erkenntnisse über historische, politische, soziale und religiöse Zu-sammenhänge hervorgegangen sind.

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188

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189

INDEX Arbeitsspezifische Fachbegriffe Achsenzeit: 50, 53 Diskurs: 3, 5, 11, 20, 21, 23, 24, 28,

33, 55, 57, 60, 61, 71, 72, 73, 75, 81, 94, 102, 103, 114, 122, 124, 125, 135, 138, 142, 143, 144, 154, 155, 159, 161, 167, 180, 184, 185

Ich: 81, 96, 127, 136, 160, 177, 181, 182

Identität: 1, 2, 3, 9, 10, 11, 23, 29, 33, 34, 35, 39, 40, 45, 46, 48, 60, 68, 77, 78, 101, 119, 120, 121, 122, 125, 126, 129, 130, 131, 132, 133, 135, 137, 139, 142, 151, 157, 160, 162, 168, 169, 170, 171, 176, 178, 180, 181, 182, 183, 184, 185, 186

individuell: 1, 2, 6, 9, 11, 32, 37, 47, 48, 72, 77, 81, 82, 83, 93, 96, 104, 109, 124, 127, 128, 129, 131, 133, 135, 144, 147, 148, 149, 153, 154, 158, 160, 161, 162, 165, 166, 167, 171, 173, 174, 177, 180, 184

Individuum: 10, 37, 68, 82, 96, 101, 111, 112, 120, 124, 125, 128, 129, 136, 137, 138, 141, 144, 145, 149, 152, 153, 167, 169, 175, 177, 178, 181, 182

Kommunikation: 70, 72, 74, 75, 77, 89, 113, 128, 166, 168, 172, 183, 185

Personalität: 2, 3, 122, 136, 137, 138, 139, 141, 142, 143, 144, 145, 183

Persönlichkeit: 2, 3, 10, 23, 36, 37, 41, 47, 78, 82, 83, 92, 121, 125, 127, 131, 136, 137, 142, 143, 144, 145, 177, 178, 183, 186

Rolle: 60, 81, 100, 117, 121, 125, 131, 132, 133, 136, 137, 139, 141, 151, 157, 160, 161, 162, 169, 182, 184, 185

Selbstbewußtsein / selbstbewußt: 2, 10, 15, 19, 33, 35, 39, 59, 66, 76, 78, 84, 107, 112, 119, 120, 136, 137, 143, 169

Selbstverständnis: 1, 2, 5, 11, 19, 23, 61, 105, 120, 157

Solidarität / solidarisch: 10, 14, 15, 16, 17, 24, 29, 31, 40, 47, 48, 64, 66, 71, 78, 113, 115, 117, 118, 141, 142, 178

horizontale Solidarität: 13, 14, 23 vertikale Solidarität: 12, 13, 14,

15, 30, 51, 64, 65

Ägyptologische / archäologi-sche Fachbegriffe Ba: 35, 37, 42, 50, 61, 92, 139, 141 Ka: 37, 59 Mantelstatue: 45, 46, 106, 111 Naophor: 106, 107, 112 Sistrophor: 106, 107, 112 Stelophor: 106, 112 Totengericht: 35, 36, 37, 42, 61, 93 Würfelhocker: 45, 46, 106, 111

Götternamen Amun: 31, 35, 48, 55, 68, 69, 70,

100, 128, 152 Amun-Re: 55, 63 Aton: 55, 58, 65, 91 Bastet: 97 Hathor: 46 Hor-Min: 46 Horus: 42, 46, 135 Min-Hor: 41 Mut: 65

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190

Osiris: 36, 46, 48, 50, 61, 86, 89, 91, 92, 94, 97, 98, 105, 108, 145

Ptah: 94, 98 Re-Osiris: 97 Seth: 135 Sokar: 94, 98 Thot: 100 Upuaut: 41, 46

Königsnamen Aha: 198 Amenemhet I.: 26 Amenemhet II.: 43, 44, 53 Amenemhet III.: 39, 43, 45, 46, 53 Amenophis II.: 51, 152 Amenophis III.: 53, 54, 55, 59, 91,

93, 152 Amenophis IV. / Echnaton: 51, 54,

55, 57, 59, 60, 61, 62, 92, 93, 96, 121, 204

Apries: 207 Cheops: 200 Djoser: 199 Eje: 60, 62, 93 Hatschepsut: 56, 90, 107, 152 Herihor: 68 Jrj-Hor: 10 Mentuhotep II. Nb-h pt-R c: 27, 85,

201, 202 Mentuhotep III. S cnh -k-R c: 23 Mentuhotep IV. Nb-twj-R c: 27 Neferhotep I., König der 13. Dyn.:

30, 41 Ninetjer: 199 Psammetich I.: 97, 206 Psammetich II.: 207 Ramses I.: 56 Ramses II.: 65, 67, 93, 95, 205 Ramses III.: 67 Ramses XI.: 68 Sebekhotep IV., König der 13. Dyn.:

41

Sesostris I.: 25, 27, 32, 35, 39, 43, 47, 48, 85, 202, 203

Sesostris II.: 43, 53 Sesostris III.: 30, 38, 39, 40, 43, 44,

45, 50, 86 Sethos I.: 63, 65, 95 Teti: 8, 94, 200 Thutmosis I.: 56 Thutmosis III.: 56, 90, 107, 152 Thutmosis IV.: 152 Unas: 11, 94, 97

Namen von Privatpersonen Ahmose: 56 Amenemhet, Grab Nr. 2 in Beni

Hasan: 186, 203 Amenemhet, TT 82: 65 Amenemhet, Wesir: 27 Amenophis, Sohn des Hapu: 53 Anch-Hor, TT 414: 100, 142, 207 Anch-pachered: 107 Anchtifi: 19, 25, 83, 149, 150, 152,

200 Anhurmose: 135 Antef: 25 Bakenrenef: 97, 98, 206 Basa, TT 389: 100, 142 Chentika: 200 Cheperkare: 44 Cheruef, TT 192: 93 Chnumhotep II.: 43 Chnumhotep III.: 43 Ciennehebu (Tj-n-hbw): 96 Dagi, TT 103: 201 Diusobek: 43 Djefaï-hapi I.: 85 Harwa, TT 37: 100 H t-R c: 51 Henenu: 27 Heqa-ib: 85 Hesire: 199 Hor (Suti und ~): 55 Hornacht: 135

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191

Huya, Amarna, Grab Nr. 1: 91 Ibi, TT 36: 100 Ibsinisutya: 42 Imhotep: 123, 124, 176 Jmn-m-jpt, TT 29: 47 Jmn-msw, TT 373: 93 Jnj.jtj.f: 84, 85 Jpwkj: 54 Jw.f: 56 Ka-em-Tenenet: 9, 11, 81, 82 Kagemni: 7, 8 Kaïres: 123, 124, 176 Kyky: siehe Samut Mentuhotep, Wesir: 27 Merire, Amarna Grab Nr. 4: 59 Methethi: 11, 37, 52, 82 Metjen: 11, 83 Montemhet: 100 Mutirdis, TT 410: 142 Nebamun, TT 181: 54 Nebwenenef, TT 157: 95 Neferabu: 63 Neferhotep, TT 49: 93 Nefermaat (Prinz): 53 Nianchsachmet: 11 Paser, TT 106: 47, 95, 205 Pabasa, TT 279: 100 Panehsy, Amarna Grab Nr. 6: 90, 91

204 Petosiris: 69, 70, 100 Ptahemdjehuti: 123, 124 Ramose, TT 55: 204 Rechmire, TT 100: 47 Ruaben, S2302: 199 Samut (Kyky), TT 409: 65, 66, 135 Sarenput I.: 202 Senmut, TT 71 und TT 353: 56 Sobeknacht: 87 Suti (~ und Hor): 55 Tutu, Amarna Grab Nr. 8: 60, 62 Useramun, TT 61 und TT 131: 47,

56

Philosophen und antike Autoren Augustinus: 184 Boethius: 2 Homer: 127 Manetho: 77 Rousseau: 167, 181 Sokrates: 181

Ethnien / Völkerschaften Hyksos: 58, 87

Schriftzeugnisse Admonitions: 47 Amenemheb, Biographie des: 134 Bauer, beredter: 19, 47, 135, 178 Berufssatire: 33, 135 Ichernofret, Stele des: 40 Joppe-Geschichte: 134 Kemit: 33, 140 Klagen des Chacheperreseneb: 36,

47, 123, 124, 176 Lebensmüder: 37, 178 Lehre Amenemhets I.: 28 Lehre des Amenemope: 70, 74, 142 Lehre des Anchscheschonqi: 75 Lehre des Cheti, Sohn des Duauf:

123, 124, 176 Lehre des Djedefhor: 13, 123, 124,

176 Lehre des Ptahhotep: 28, 32, 34,

123, 124, 140, 176 Lehre eines Mannes an seinen Sohn:

13, 51 Lehre für Merikare: 21, 28 Liebeslieder: 3 Loyalistische Lehre: 16, 29, 38, 47,

121, 144 Neferti: 123, 124, 176 pChester Beatty IV: 123, 176 pInsinger: 72, 75, 142 pWestcar: 47

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192

Pyramidentexte: 9, 86, 98 Sargtexte: 50, 86 Senneferi, Biographie des: 134 Sinaïinschriften: 114 Sinuhe: 27, 34, 35 Streit zwischen Horus und Seth: 135 Totenbuch: 92, 96, 98 Unterweltsbücher: 96 Verwunschener Prinz: 134 Wenamun: 134 Wesir, Einsetzung des: 47 Wesir, Dienstvorschrift des: 47 Zweiwegebuch: 50

Toponyme Abydos: 10, 36, 44, 45, 46, 48, 86,

89, 103, 108, 110, 111, 113, 198 Achmim: 41, 46 Ägypten: 3, 8, 12, 14, 16, 20, 26, 29,

35, 53, 67, 81, 83, 114, 123, 129, 132, 160, 168

Amarna: 58, 59, 61, 90, 91, 121 Assiut: 46, 84, 85 Assuan: 85 Auaris: 87 Balat: 105 Beni Hasan: 203 Deïr el-Bahari: 56, 85 Delta: 75 Dendara: 41, 46, 108 Dra Abu en-Naga: 203 Edfu: 41, 42, 46, 56, 108 el-Bersheh: 17 Elephantine: 85 Elkab: 41, 46, 87 Giza: 83, 138, 200 Hatnub: 17, 113, 115 Herakleopolis: 26, 85 Hermopolis: 100, 101 Koptos: 46 Maadi: 105 Memphis / memphitisch: 67, 83, 94,

97

Merimde: 105 Mo’alla: 19, 149, 150, 200 Naga ed-Deïr: 108 Qantir: 87 Qau el-Kebir: 85 Qubbet el-Hawa: 202 Saïs: 87 Saqqara: 8, 82, 83, 87, 93, 94, 96,

97, 98, 99, 100, 103, 138, 199, 200, 206

Semna: 30, 38 Serabit el-Chadim: 113, 114, 115,

116 Sinaï: 113, 114 Siut: siehe Assiut Tanis: 67, 75, 96 Tarchan: 10 Tell ed-Dab’a: 87 Theben / thebanisch: 26, 59, 67, 69,

71, 75, 85, 87, 89, 90, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 128, 204, 205, 207

Tuna el-Ğebel: 100 Uronarti: 30, 38 Wadi el-Hudi: 113, 115 Wadi Hammamat: 113, 115

Amarna-Gräber Nr. 1: 91 Nr. 4: 59, 91 Nr. 6: 90, 91, 204 Nr. 8: 62, 91 Nr. 9: 91 Nr. 13: 91 Nr. 14: 91 Nr. 16: 91 Nr. 25: 60, 62, 91

Thebanische Gräber A 21: 105 K 93.11: 203 MMA 813: 202

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193

TT 29: 47 TT 36: 100 TT 40: 90 TT 49: 93 TT 55: 90, 204 TT 61: 56 TT 78: 153 TT 82: 65 TT 100: 47 TT 103: 201 TT 106: 47, 95, 205 TT 131: 47, 56 TT 157: 95 TT 181: 54, 90 TT 188: 90 TT 189: 105 TT 192: 90, 93 TT 194: 105 TT 218: 93 TT 249: 105 TT 306: 105 TT 353: 56 TT 373: 93, 95 TT 409: 65 (siehe auch Samut) TT 414: 207

Chronologische Einteilungen Negadezeit: 105 Frühzeit: 7, 103, 122 1. Dynastie: 198 2. Dynastie: 82, 199 3. Dynastie: 9, 199 4. Dynastie: 5, 6, 12, 83, 200 5. Dynastie: 6, 8, 10, 11, 12, 18, 82,

106, 142 6. Dynastie: 6, 16, 81, 83, 106, 200

1. Zwischenzeit: 15, 17, 20, 22, 23, 24, 25, 26, 31, 32, 41, 77, 83, 84, 104, 116, 134, 141, 142, 143, 149, 155, 200

Herakleopoliten-Zeit: 25, 26, 77 11. Dynastie: 25, 26, 36, 85, 104,

201, 202 12. Dynastie: 25, 26, 27, 28, 30, 33,

36, 39, 42, 45, 46, 48, 49, 51, 83, 85, 86, 109, 110, 178, 202, 203

13. Dynastie: 41, 42, 45, 48, 49, 86, 109

2. Zwischenzeit: 54, 203 18. Dynastie: 50, 52, 54, 58, 64, 69,

70, 71, 87, 89, 90, 92, 93, 105, 134, 204

Amarnazeit: 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 63, 65, 88, 90, 91, 92, 93, 94, 96, 133, 144, 204

Ramessidenzeit: 92 19. Dynastie: 56, 63, 65, 88, 93, 95,

118, 205 20. Dynastie: 67, 70, 74, 94, 142 3. Zwischenzeit: 67, 68, 69, 75, 96 21. Dynastie: 68, 69 22. Dynastie: 68, 73, 76 23. Dynastie: 73, 76 25. Dynastie: 77, 95, 96 26. Dynastie: 77, 95, 96, 134, 206,

207 Spätzeit: 67, 68, 69, 71, 72, 73, 74,

75, 76, 77, 78, 87, 95, 96, 98, 99, 100, 101, 105, 107, 110, 128, 144

Perserzeit: 100 Ptolemäerzeit: 77

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194

Register zu Museen und Publikationen ÄHG 53: 115 54: 115 58: 115 72: 115 75: 63 91: 91 151: 63 159: 63 ANOC 1: 45 5: 86 6: 86 7: 45 10: 45 15: 45, 46 16: 45 17: 45 19: 45 22: 45 26: 45 28: 45 30: 46 32: 45 36: 45 42: 86 46: 45 50: 45 52: 45 63: 45 64: 45 66: 45 BM 96: 23 101: 46 103: 53 559: 44, 45 562: 86 567: 44

574: 86 575: 44, 45 589: 63 1367: 46 CG 20040: 44 20055: 46 20086: 46 20329: 42 20499: 42 20503: 19 20530: 42 20531: 44 20537: 42 20538: 38, 43 20539: 27 20543: 24 20623: 42 HTBM 96: 23 101: 43 197: 25, 32 569: 44 1213: 43 JE 36346: 185 36993: 107 43363: 42 46199: 42 46200: 42 46784: 42 46786: 42 46988: 42 48229: 42 48230: 42 52456: 42 63949: 42 16/2/22/21: 42

16/2/22/23: 42 KRI I, 343,7—344,9: 63 III, 687,3—8: 63 III, 771,15: 63 III, 795,4—8: 63 VII, 226,14—16: 135 Louvre C1: 86 C3: 86 E 25550: 51 MHT § 39: 22 § 49ff.: 22 § 60: 22 § 64: 22 § 69: 22 § 72: 22 § 75: 22 § 78: 22 § 83: 22 § 116: 22 § 177: 22 § 226: 22 Nr. 20: 24 Nr. 28: 24 Nr. 34: 24 Nr. 37: 24 Nr. 49: 23 Nr. 378: 23 Sinaï 518: 114 520: 114

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195

Urk. I, 8, 7: 7 I, 18ff.: 103 I, 40,1—3: 11 I, 46f.: 8, 24 I, 51,2: 104 I, 57: 8, 24 I, 194: 7, 24 I, 131ff.: 85

I, 198ff.: 8, 24 IV, 30,13—31: 56 IV, 534,11—535, 16:

134 IV, 890,6—897,17:

134 IV, 1377,11: 152 IV, 1531,14: 52

IV, 1531,15: 52 IV, 1830,9—10: 53 IV, 1946,13—19: 55 VII, 30,12—13: 44 VII, 40,7: 43 VII, 53ff.: 85

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196

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197

ABBILDUNGEN

Die folgende Zusammenstellung von Grabgrundrissen ist primär zur Illustration des Textes an den Nicht-Ägyptologen gerichtet. Sie umfaßt eine kleine Auswahl repräsentativer Grabanlagen von Privatleuten aller Epochen der pharaonischen Kultur. Die Inhaber sind durchwegs dem oberen bis obersten Spektrum der Be-völkerung zuzuweisen. Ihre Anlagen spiegeln ─ neben den sich ändernden reli-giösen Erfordernissen und Vorstellungen von der nachtodlichen Fortexistenz ─ auch die unterschiedlichen technologischen und wirtschaftlichen Leistungsfähig-keiten im Grabbau wider.

Um einen leichten Vergleich der ausgewählten Gräber auch untereinander zu ermöglichen, wurde alle Pläne ─ mit Ausnahme der Abbildung 1 ─ im Maß-stab 1:400 abgebildet und mit einheitlicher Signatur versehen: Punktierungen =̂ Felsen; Punktierungen mit Schlangenlinien =̂ luftgetrocknete Lehmziegel, Schwärzungen =̂ Hausteine. Die Erläuterungen sollten wiederum in erster Linie zur Information des fachfremden Lesers dienen.

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198

Abb. 1. Bestattungskomplex des Königs Horus Aha, 1. Dynastie, Abydos. Grundriß der Grabunterbauten (Oberbau als ─ un-scheinbarer ─ Sandhügel von ca. 2,5 m Höhe zu er-gänzen); neben den 3 Hauptkammern für die Körper-bestattung des Königs und dessen Beigaben weitere Grabgruben für die ausschließlich jüngere, männliche Gefolgschaft (‚bodyguards‘) und Löwen (oben). Nach G. DREYER, Umm el-Qaab, Nachuntersuchun-gen im frühzeitlichen Königsfriedhof. 3./4. Vorbe-richt, in: MDAIK 46, Mainz 1990, 53—90, Abb. 1.

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199

Abb. 2. Galeriegrab des Ruaben, Zeit des Königs Horus Ninetjer, 2. Dynastie, Saqqara. Mastabagrab des Residenzfriedhofes; Grundriß des Unterbaus mit zimmerartiger Anordnung der Kammern; der Ober-bau besteht aus einer langrechteckigen Ziegelmastaba mit Seitenmaßen von 58 x 32,6 m und sicherlich über 3 m Höhe. Nach J. E. QUIBELL, Excavaions at Saqqara (1912—1914), Archaic Mastabas, Excavations at Saqqara 6, Kairo 1923, Taf. XXX. Abb. 3. Grab des Hesire, Zeit des Königs Djoser, 3. Dynastie, Saqqara. Mastabagrab des Residenzfriedhofes; Grundriß des Graboberbaus; Unterbau vergleichbar dem des Ruaben, s. Abb. 2. Nach J. E. QUIBELL, Excavations at Saqqara (1911—1912), The Tomb of Hesy, Excavations at Saqqara 5, Kairo 1913, Taf. I.

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200

Abb. 4. Rekonstruktion einer Standard-Mastaba auf dem Westfeld des Giza-Friedhofes, Zeit des Königs Cheops, 4. Dynastie, Giza. Massiver, steinerner Oberbau mit geböschten Seitenwänden; darin ausgemauerter Schacht zur Grabkammer; außen nahe der Südostecke Kultvorbau mit Opfernische. Nach H. JUNKER, Die Mastabas der IV. Dynastie, Gîza 1, DÖAW 69. Bd., 1. Abh., Wien-Leipzig 1929, Abb. 3. Abb. 5. Grab des Chentika, Zeit des Königs Teti, 6. Dynastie, Saqqara. Mastabagrab des Residenzfriedhofes; Grundriß des aus Hausteinen hergestellten Graboberbaus mit Kammern u. a. für den Kultvollzug, darunter ─ horizontal von Grabschächten abgehend ─ die unzugänglichen Bestattungskammern. Nach T. G. H. JAMES, The Mastaba of Khentika called Ikhekhi, ASE 30, London 1953, Taf. III. Abb. 6. Grab des Anchtifi, 1. Zwischenzeit, Mo’alla. Felsgrab der Provinz, Grundriß der zugänglichen Felskammer mit 30 z. T. sehr unregelmäßigen Stützen. Nach J. VANDIER, Mo’alla. La tombe d'Ankhtifi et la tombe de Sébekhotep, BdE 18, Kairo 1950, Taf. I.

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201

Abb. 7. Pfeilergrab des Dagi, 1. Hälfte der Regierung des Königs Mentuhoteps II., 11. Dynastie, Theben TT 103. Felsgrab der Provinz im ausgeprägten Regionalstil, Grundriß der zugänglichen Grabanlage. Nach D. ARNOLD, Grabungen im Asasif 1963—1970, Bd. I, Das Grab des Jnj-jtj.f. Die Architektur. AV 4, Mainz 1971, Taf. XVIII.

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202

Abb. 8. Korridorgrab, spätere Regierungszeit des Königs Mentuhoteps II., 11. Dynastie, Theben MMA 813. Felsgrab der neuen Residenz, Grundriß der zugänglichen Grabanlage. Nach D. ARNOLD, Grabungen im Asasif 1963—1970, Bd. I, Das Grab des Jnj-jtj.f. Die Architektur. AV 4, Mainz 1971, Taf. XX. Abb. 9. Grab Sarenputs I., Zeit des Königs Sesostris’ I., 12. Dynastie, Qubbet el-Hawa Nr. 36. Felsgrab eines Gaufürsten in der Provinz mit ausgeprägtem Regionalstil. Nach H. W. MÜLLER, Die Felsgräber der Fürsten von Elephantine aus der Zeit des Mittleren Reiches, ÄF 9, Glück-stadt-Hamburg-New York 1940, Abb. 2.

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203

Abb. 10. Grab des Amenemhet, Zeit des Königs Sesostris’ I., 12. Dynastie, Beni Hasan Nr. 2. Felsgrab eines Gaufürsten in der Provinz im ‚klassischen Stil‘. Nach P. E. NEWBERRY, Beni Hasan I, ASE 1, London 1893, Taf. 4. Abb. 11. Gräberfeld der 2. Zwischenzeit, Dra’ Abu en-Naga, Theben K 93.11. Ansicht der Oberbauten bescheidener Gräber der Provinz mit jeweils aus Ziegeln errichteten Hofmauern und Kapellen. Nach D. POLZ, Bericht über die 4. und 5. Grabungskampagne in der Nekropole von Dra' Abu el-Naga / Theben-West, in: MDAIK 51, Mainz 1995, 207—225, Abb. 1.

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204

Abb. 12. Grab des Ramose, 18. Dynastie im Übergang zur Amarnazeit, Theben TT 55. Felsgrab der Residenz; Grundriß des Graboberbaus (nur rückwärtiger Teil des Vorhofes wiedergegeben) mit quergela-gerter Säulenhalle sowie gewundenem Abstieg zur quadratischen Sargkammer mit 4 Pfeilern. Nach F. KAMPP, Die thebanische Nekropole, Theben Bd. XIII, Mainz 1996, Fig. 153. Abb. 13. Grab des Panehsy, Zeit des Königs Echnaton, Amarnazeit, Amarna Nr. 6. Felsgrab der Residenz, Grundriß des Graboberbaus mit zwei von jeweils 4 Säulen bestandenen Felskammern und dem gewundenen Abgang zur Grabkammer (unfertig). Nach N. DE G. DAVIES, The Rock Tombs of El Amarna II. ASE 14, London 1905, Taf. II.

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205

Abb. 14. Oberbau des Grabes des Paser, Zeit des Königs Ramses’ II., 19. Dynastie, Theben TT 106. Felsgrab der Residenz, errichtet für den höchsten Verwaltungsbeamten dieser Zeit; Grundriß des Graboberbaus (nur rückwärtiger Teil des Vorhofes wiedergegeben) mit quergelagerter Pfeilerhalle und Abgang zum Bestattungstrakt (markiert mit Pfeilen, vgl. folgende Abb.). Nach F. KAMPP, Die thebanische Nekropole, Theben Bd. XIII, Mainz 1996, Fig. 266. Abb. 15. Begehbare unterirdische Anlage im Grabe des Paser, Zeit des Königs Ramses’ II., 19. Dynastie, Theben TT 106 (s. o.) Grundriß des entwickelten Grabunterbaus mit dreifacher Knickung der Abgangsrampe (effektive ‚volle Umdrehung‘), daran anschließendem Vorraum mit 4 Pfeilern und nischenbesetzter Sargkammer. Nach F. KAMPP, Die thebanische Nekropole, Theben Bd. XIII, Mainz 1996, Fig. 267.

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Abb. 16. Grab des Bakenrenef, Zeit des Königs Psammetichs I., 26. Dynastie, Saqqara. Felsgrab in der Verwaltungshauptstadt, errichtet für den höchsten Verwaltungsbeamten dieser Zeit; Grundriß des Grab-oberbaus mit Pfeilerhalle und anschließendem Kultteil mit Umgang; Bestattungskammern auf tieferer, nicht darge-stellter Ebene, Zugang zu diesen über Schächte. Nach S. EN-NAGGAR, Etude préliminaire d’un ciel voûté de l’hypostyle de Bakenrenef (L24) à Saqqara, in: EVO 9, Pisa 1986, fig. 1.

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Abb. 17. Grab des Anch-Hor, Zeit der Könige Psammetichs II. und Apries, 26. Dynastie, Theben TT 414. Tempelgrab der Residenz, Grundriß des Graboberbaus mit Umfassungsmauer und den drei durch Ziegelpylone von-einander getrennten Höfen, welche die Lage der unter dem 2. und 3. Hof liegenden unterirdischen Grabanlagen markie-ren (Oberbau zur übersichtlicheren Darstellung z. T. weggelassen): nach Treppenabgang und Vorräumen der eingetieft liegende Lichthof (dunkles Karree), hinter diesem die ‚begehbare Unterwelt‘ mit Pfeilerhalle und der Sargkammer. Nach M. BIETAK - E. REISER-HASLAUER, Das Grab des Anch-Hor, Oberhofmeister der Gottesgemahlin Nitokris, Un-tersuchungen der Zweigstelle Kairo des Österreichischen Archäologischen Instituts, Bde. IV & V, Wien 1978—1982, Faltplan 1.

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LEBENSLAUF

Bettina Hackländer-von der Way geboren am 06.08.1959 in Windhoek/Südwestafrika

Eltern: Friedrich K. Hackländer, geb. am 19.07.1930, Kaufmann,

Ursula Hackländer, geb. am 14.05.1930, gest.13.05.1989, Fremd-sprachenkorrespondentin.

1961 Übersiedlung der Familie nach Stuttgart.

1962 * Schwester Cornelia.

1963 Übersiedlung der Familie nach Israel.

1964 Eintritt in die hebräische Vorschule in Ramat Gan/Tel Aviv, Erler-nen der hebräischen Sprache.

1965 Eintritt in die hebräische Jahalom-Schule in Ramat Gan.

1966 Übersiedlung nach Gerlingen/Stuttgart. Wechsel an die Breitwie-senschule.

1968 Umzug nach Tiengen am Hochrhein. Wechsel an die Hebelschule.

1970 Eintritt ins Klettgau-Gymnasium Tiengen, mit Latein als erster Fremdsprache.

1979 Abitur, Englisch, Französisch und Großes Latinum.

1979/80 Australienreise.

1980 Beginn des Studiums an der Universität Heidelberg.

1982 Erste Teilnahme an der Grabung des Heidelberger Ägyptologi-schen Institutes in Theben West/Ägypten.

1983 Teilnahme an der Grabung des Deutschen Archäologischen Insti-tutes Kairo in Buto.

1984 Heirat mit Dr. Thomas von der Way, Referent am DAI Kairo.

Übersiedlung nach Kairo.

1984 Stipendium des DAAD für 6-monatige Arbeiten im Ägyptischen Museum in Kairo, dabei Beginn der Materialaufnahme für die Dis-sertation zu den Biographien der altägyptischen Beamten.

1985—1988 Teilnahme an den Grabungen des DAI in Buto.

1986 Exmatrikulation von der Universität Heidelberg wegen Verlegung des ständigen Wohnsitzes nach Kairo.

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Fortsetzung der Dissertationsarbeiten zum Thema: „Biographie und Identität. ─ Studien zur Geschichte und Entwicklung altägyp-tischer Beamtenbiographien.“

1988 Honorarlehrkraft beim Goethe-Institut Kairo für Deutsch als Fremdsprache.

1989 Einstellung als Vertragslehrkraft des Goethe-Institutes.

Seit 1989 Fortsetzung der Ausarbeitung der Dissertation in Kairo.

1991 Sommersemester: Immatrikulation an der Universität Zürich in den Fächern Ägyptologie (Hauptfach), Erziehungswissenschaft (1. Nebenfach) und Allgemeine Sprachwissenschaft (2. Nebenfach) zur Vorbereitung des Lizentiatsabschlusses.

1991 Geburt von Viktoria und Maximilian.

1994 Unfalltod von Maximilian.

1997 Lizentiatsexamen.

1997 Geburt von Leonard.

WS 1999 Doktorat mit der Arbeit „Biographie und Identität ─ Studien zu Geschichte und Entwicklung altägyptischer Beamtenbiographien“.