verkörperung von landschaft in melanesien
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Verkörperung von Landschaft in Melanesien
Ethnologisches Institut derRheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Hauptseminar: Traumwelten & Naturräume im SS 2007Leitung: Prof. N. Grube
Referent: Adrian Pfahlsberger
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Quelle: BURENHULT(2000)
Mikronesien~ 2.200 Inseln3.040 km² Landmasse110.218 Einwohner
Polynesien~ 2.500 Inseln294.000 km² Landmasse~6 Mio. Einwohner
Melanesien>3.000 Inseln961.000 km² Landmasse(76.810 km² ohne Neu-Guinea)~6,5 Mio. Einwohner
31. Geschichte 2. Natur VS Kultur? 3. Anthropologie d. Landschaft 4. Malangan in Neuirland 5. Fazit 6. Literatur
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• 50-40.000 v.Chr.: Besiedlung Neuguineas
• 30.000 v. Chr.: Bewohner Neubritanniens, Neuirlands & Bougainvilles gehören zu den ältesten Fischern
• 8.000 v. Chr.: Einführung des Ackerbaus im Hochland von Papua-Neuguinea
• 4.000 v. Chr.: Einführung der Schweinehaltung & des Pflanzenanbau auf dem Festland Neuguineas
• 1.500 v. Chr.: Besiedlung der Fidschis durch Polynesier;Überfahrt zu den Santa-Cruz-Inseln
Besiedlungsgeschichte
1. Geschichte 2. Natur VS Kultur? 3. Anthropologie d. Landschaft 4. Malangan in Neuirland 5. Fazit 6. Literatur
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Natürliche Umwelt
1. Geschichte 2. Natur VS Kultur? 3. Anthropologie d. Landschaft 4. Malangan in Neuirland 5. Fazit 6. Literatur
Quelle: FOAYLE & MACINTYRE (2005)
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Natürliche Umwelt• Kontinentale Inseln (Musterbeispiel Neuguinea)
Hohe KomplexitätBerge, Flüsse & Schwemmbeckenhohe Artenvielfalt von Flora & Fauna
• Vulkanismus
• Korallenriffe (v.a. Neukaledonien)
Je weiter Richtung Osten, desto weniger für menschliche Besiedlung geeignet!
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Natürliche Umwelt
• Nützliche Pflanzenarten & Essbare Tiere werden nach Osten zunehmend seltener
• Wenig Landsäugetiere
• Je nach Größe & Entfernung der Inseln geht Landvogelfauna dramatisch zurück
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Ethnische Vielfalt
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Quelle: BURENHULT(2000)
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Politische Organisation
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Chief, Salomonen ~1920
Quelle: www.oceania-ethnographica.com
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Gesellschaftsmodell
• Im Gegensatz zu polynesischen Gesellschaften kleiner– Topographie: Gruppen oft durch Gebirgszüge getrennt
kleine Dörfer mit wenig Kontakt untereinanderv.a. Papua-Neuguinea
linguistische Vielfalt (~700-800 lokale Sprachen)
• i.d.R. informeller & einfacher strukturiert als in Polynesien
• Im Gegensatz zu Polynesien keine „geschichteten“ Gesellschaften
Status der Führung wird erworben
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Big-Man Gesellschaften
• Konkurrenz
• Fluktuation z.T. alle 2-3 Jahre Instabiles Politisches System
• Kriegshandwerk
• Rhetorische Fähigkeiten
• Akkumulation & Verteilung von Gütern (Nahrung, Grund & Boden)
Heute v.a. ökonomische Rolle
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Politische Organisation
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Quelle: www.oceania-ethnographica.com
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Vertreter
• Phillipe DESCOLA„Societies of Nature and Nature of Society“
• Barbara BENDER„Landscape Politics and Perspectives“
• T. INGOLDu.a. „The Temporality of the Landscape“
• Eric HIRSCH„The Anthropology of Landscape“
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Konzept nach HIRSCH
• Kritik an ‚black box‘ Landschaft– Konventionalisierter Rahmen welcher über die „objektive“
Sichtweise des Anthropologen informieren soll
– Verweis auf die Bedeutung für lokale Gruppen im Sinne von Beschreibungen über ihre kulturelle & physische Umgebung
– Klassische Monographien der „Britische Schule“ a la MALINOWSKI
Forderung nach Kontextualisierung der ‚black box‘
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Konzept nach HIRSCH
• Beziehung zwischen ‚Vordergrund‘ (Aktualität) & ‚Hintergrund‘ (Potentialität) sozialen Lebens
• ‚Ort‘ (Subjektivismus) & ‚Raum‘ (Objektivismus)Kulturlandschaft
• ‚innen‘ & ‚außen‘Bsp. Fiji: Übertragung westlicher InstitutionenLandschaft als Ergebnis der Verbindung von Mana
(Naturkräfte / Vorfahren) mit Christentum & Cash cropping
• ‚Bild‘ & ‚Repräsentation‘Landschaftsmalerei; „Paradiesierung“ ; Landkarten
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Konzept nach BENDER
• Komplexität & Macht der Landschaft– In westlichen Gesellschaften: nur Erdoberfläche– In anderen Gesellschaften: vertikale Bedeutung wichtiger
• Wahrnehmung & Bedeutung für Gesellschaften– abhängig von zeitlichem & räumlichem Maßstab– abhängig von Geschlecht, Alter, Klasse– abhängig von sozialen & ökonomischen Faktoren– abhängig von Geschichte– bewusst oder unbewusst
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Konzept nach BENDER
„Landscapes are […] not so much artefact as inprocess of construction and reconstruction.The landscape is never inert, people engage with it, re-work it, appropiate and contest it. It is part of the way in which identities are created and disputed, whether as individual, group, or nationstate.“
BENDER (1993), S. 3
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Konzept nach INGOLD
Landschaft als Prozess !
„The environment tells, or rather is, a story. It enfolds the lives and times of predecessorswho, over the generations have movedaround in it and played their part in itsformation.“
INGOLD (1993), S. 152; nach BAMFORD (1998)
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Fallbeispiel: Malangan – Skulpturen auf Neuirland
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Neuirland300 km lang – z.T. nur 5 km breitNW: schmaler KüstenstreifenN: landeinwärts 4-600 m hohe KalksteingebirgeZentrum: ~1.000 m hohes Lelet-Plateau
3 Sprachgruppen
3 Zeremonialsysteme (Tod & Initiation)N: MalanganZentrum: UliS: Tumbuan
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Ansatz nach KÜCHLER
• Landscapes of memory– (Kartographie & Fotographie)
• Landscapes as memory– (Verkörperung gehört zum Prozess des Erinnerns & Vergessens
und umgekehrt)
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Typologisierung
• 9 benannte Grundformen– 3 bei gewebten – 6 bei hölzernen Skulpturen
• Je Skulptur 2-7 aus insgesamt 27 Motiven
• Symbolische Elemente– Verschiedene Arten von Vögeln, Insekten, Fischen & Muscheln– Mythische Wesen & Musikinstrumente mit magischen Qualitäten
(Bsp.: Panflöte)
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Typologisierung
• Vertikale, horizontale oder bildliche Anordnung
• 1-3 Meter lang
• Skulptur wird von dünnen, parallelen Stäbchen umrahmt, die durch kleine Brücken miteinander verbunden sind
Erst seit kolonialer / post-kolonialer Zeit
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Malangan
Material: Holz (geschnitzt & bemalt)
Verwendung: Begräbniszeremonien
Ablauf: - Herstellung (2-3 Monate)
- Präsentation am Grab
- wird Naturgewalten überlassen
- Übergabe an Trauernde, die so
das Recht der Reproduktion erhalten
Quelle: gallery-visser.com
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Womara
Material: Fasern (gewebt & gefärbt)
Verwendung: Abschlusszeremonie für Frauen oder Jugendliche
Ablauf: …- wird verbrannt- keine Übergabe, d.h. bleibt am Ort
der Herstellung
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Ethnographische Konzepte
• Noman (‚Lebenskraft‘)
• Tak (‚Haut‘ Körper / äußere Erscheinung von nomanSkulpturkultiviertes Land (laten ‚Ort der Haut‘)Verwandtschaft (korok ‚aus einer Haut‘))
• Tetak (‚schaffen der Haut‘ Prozess des Schnitzens)– Skulpturen ersetzen zersetzten Körper der Beerdigten – Skulptur als Gefäß für die Lebensenergie der Verstorbenen
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Ethnographische Konzepte
• Musung (‚Rufen des Geruchs‘ & ‚Flammen‘Verbindung zw. Laten, Skulptur & Verwandtschaft durch Verrotten)
Auslöser von Erinnerungen geröstete Taro-Knollen Konsum während des Schnitzens
Herkunft: Meruli / Moroa (Insel hinter dem Horizont; Sitz von Kräften, die mit Erdbeben in Verbindung gebracht werden)
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Bild & Land
• Recht der Kultivierung von Land
– In unterschiedliche Kategorien des Besitzes eingeteilt– Über Dorfgrenzen hinweg möglich– Verwandtschaft Bezug zu geteiltem „Gedächtnis“ des
Austauschs
Präsentation & Übergabe von Muschelgeld bzw. Malangan-Skulpturen
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Bild & Land
• Skulptur visualisiert eine Anzahl von benannten Bildern, welche zwischen Individuen/Gruppen die sich den Anspruch auf Land teilen ausgetauscht werden
• Gestaltung der Skulptur ist untrennbar mit der Institutionalisierung von Landrechten und ihrer Übergabe nach dem Tod des Verstorbenen verbunden
• Art des Erinnerns dieser Bilder in Bezug auf das Schaffen einer Skulptur ist abhängig von Landnutzung
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Malangan als Verkörperung
• Oberfläche der Skulptur & Oberfläche der Landschaft
Unsichtbares, verborgenes & erinnertes Muster welches die mnemonische Reproduktion des Besitzes über Land & Bilder bestimmt
Untrennbare & komplexe Beziehung zwischen verkörperten Bildern & der Erinnerung an vergangene Landschaften
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Verkörperung der Landschaft
• Konzeption & Stilisierung der Malangan– Formt, visualisiert & überträgt den Prozess der
Landschaftsgestaltung
Erfahrbare Basis des Landrechte-Systems
1. Landschaft zirkuliert als bewegliche Ware – Kann geteilt, getrennt & geliehen werden– Übergabe von Malangan-Bildern als Vorrausetzung
2. Landschaft wird durch den Prozess ihrerÜbergabe geformt
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Verkörperung der Landschaft
• Malangan ≠ Landschaftskunst
• Nicht möglich direkt über die Anordnung von Formen & Motiven auf Ort / Besitzer zu schließen
Kontext: Zeremonien des Lebenszyklus
Thematisierung der Repräsentation & Erinnerung von Landschaft durch Verkörperung
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Fazit
„the Malangan material shows that the articulationof the process of landscape formation in visualmodes of representation is inseparable from theemergence of a political economy of memoryunder specific social and historical conditions.“
KÜCHLER (1993), S.104
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• BAMFORD, S. (1998): Introduction: The ground of melanesian sociality. In: Social Analysis 42/3, pp. 4-11.• BAMFORD, S. (1998): Humanized Landscapes, Embodied Worlds: Land and the Intergenetational Continuity
among the Kamea of Papua New Guinea. In: Social Analysis 42/3, pp. 28-50.• BENDER, B. (ed.)(1993): Landscape – politics and perspectives. Oxford.• BURENHULT, G. (Hrsg.)(2000): Illustrierte Geschichte der Menschheit – Naturvölker heute. Augsburg.• BURENHULT, G. (Hrsg.)(1994): Illustrierte Geschichte der Menschheit – Kulturen der Neuen und Pazifischen
Welt. Hamburg.• COPPET de, D. & A. ITEANU (eds.)(1995): Cosmos and society in Oceania. Oxford.• DAMON, F.H. (1998): Selective Anthropomorphization: Trees in the northeast kula ring. In: Social Analysis 42/3,
pp. 67-89.• ELLEN, R. (1998): Comparative natures in Melanesia: An external perspective. In: Social Analysis 42/3, pp. 143-
57.• FOAYLE, S. & M. MACINTRYE (2005): Green fantasies – photographic representations of biodiversity and
ecotourism in the Western Pacific. In: Journal of political ecology Vol. 12• HIRSCH, E. & M. O’HANLON (eds.)(1994): The Anthropology of Landscape – Perspectives on place and space.
Oxford.• HOROWITZ, L.S. (2001): Perceptions of nature and responses to environmental degradation in New Caledonia.
In: Ethnology 40/3, pp. 237-50.• KÜCHLER, S. (1987): Malangan – art and memory in a Melanesian society. In: Man (N.S.) 22, pp. 238-55.• KÜCHLER, S. (1988): Malangan – objects, sacrifice and the production of memory. In:American Ethnologist 15/4,
pp. 625-37• KÜCHLER, S. (1993): Landscape as memory: The mapping of process and its representation in a melanesian
society. In: BENDER, B. (1993)(ed.): Landscape – Politics and perspectives. Oxford.• MÜCKLER, H. (2000): Melanesien in der Krise – Ethnische Konflikte, Fragmentierung und Neuorientierung.
Wiener Ethnohistorische Blätter Heft 46.• TOREN, C. (1994): Seeing the ancestral sites: Transformations in Fijian notions of the land. In: HIRSCH, E. & M.
O’HANLON (eds.): The Anthropology of Landscape – Perspectives on place and space. Oxford.
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