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Page 1: VDI-Kongress Kunststoffe im Automobilbau

�VDI-KongressKunststoffe im AutomobilbAuZukünftige Elektrofahrzeuge werden auch den Kunststoffein­satz im Automobilbau nachhaltig verändern. Innovative Leichtbau­konzepte mit CFK, Verbund werk­stoffe, Kabelisolierungen für Hochvoltsysteme, Karosseriean­bauteile mit Folienüberzug und Verscheibungen mit integrierter Solartechnik erschließen für Kunststoffe völlig neue An wen­dun gen. Einen Überblick über den Stand der Entwicklungen gab die Jahrestagung 2011 der VDI­Gesellschaft Kunststofftechnik am 6. und 7. April in Mannheim.

Hintergrund

Innerhalb weniger Jahrzehnte haben sich Kunststoffe zu unverzichtbaren Konstruktionswerkstoffen für techni-sche und wirtschaftliche Innovationen im Fahrzeugbau entwickelt. Neue Interieurkonzepte für Pkw und Nutz-fahrzeuge sind wesentlich durch Kunststoffoberflächen geprägt. Je nach Entwicklungszielen kommen dabei Echtdekore, haptisch optimierte Bedienelemente oder auch kunststoff-basierte Anzeigeeinheiten mit integ-rierten tageslichtabhängigen Licht-techniken zum Einsatz.

Auch im Exterieur leisten Kunst-stoffe an vielen Anbauteilen Schritt-macherdienste für den werkstofflichen und konstruktiven Leichtbau. Das besondere Potenzial der Polymere bei diesen Anwendungen liegt vor allem in der flexiblen Formgebung auch für Kleinserien, der Integration von trans-parenten Teilstrukturen oder auch in der Gestaltung von Leuchten. Derlei

Einsatzgebiete für Kunststoffe prägten das Programmgeschehen des VDI-Kongresses in den vergangenen Jah-ren ebenso wie Kunststoffapplikatio-nen im thermisch anspruchsvollen Bereich unter der Motorhaube.

Steigende Anforderungen

Die Anforderungen an den Leichtbau moderner Automobile sind jedoch in den letzten Jahren massiv angestie-gen. Gilt es doch, die aufgrund von Sicherheits- und Komfortsteigerungen sowie gesetzlicher Reglementierungen gestiegenen Einzelgewichte zusätzli-cher Komponenten zu kompensieren.

Allein bei Fahrzeugen mit Hybrid- oder Elektroantrieb beträgt das Mehr-gewicht der Elektrifizierungskompo-nenten zwischen 120 und 400 kg. Um dem entgegenzuwirken, entdecken mehr und mehr Branchenunterneh-men das Leichtbaupotenzial von koh-lenstofffaserverstärkten Kunststoffen

(CFK). Doch damit das enorme Leichtbaupotenzial von CFK für den automobiltechnischen Großserienbau von morgen noch umfassender erschlossen werden kann, müssen sowohl die technischen als auch die gesamtwirtschaftlichen Kenngrößen dieser neuen Werkstoffklasse noch weiter gezielt verbessert werden.

ScHub für cfK-Anwendungen

Bei der Technik steht für Prof. Dr. Rudolf Stauber, Universität Erlangen, der großserientaugliche Herstellpro-zess von CFK besonders im Vorder-grund: „Kurze Zykluszeiten für die Bauteilherstellung erfordern ein voll-automatisches Gelege-Handling, eine rasche Harz-Injektion und ein unmit-telbares Aushärten des Verbundwerk-stoffs.“ Darüber hinaus seien Repara-turkonzepte und stoffliche Verwer-tungswege von CFK noch weiter zu entwickeln.

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Das konzediert auch Dr. Hubert Jäger, Entwicklungsvorstand des Faser-herstellers SGL Carbon. Der Ausgangs-stoff für die Herstellung von Carbonfa-sern, der sogenannte Precursor, basiert auf Erdöl. Der erste Schritt, die Herstel-lung der Carbonfasern selbst, ist ener-gieintensiv, aber weitgehend automati-siert. Dagegen ist die Weiterverarbei-tung noch häufig von manuellen Pro-zessen geprägt. Jäger: „Das heißt, der Schlüssel zur Kostensenkung liegt in der Prozessoptimierung und Automati-sierung, speziell der Bauteilfertigung.“

Erst mit der Automatisierung auch dieser Weiterverarbeitungsstufe sei eine Großserienproduktion möglich. Weiterhin müsse das Potenzial der Integration bisher einzelner Bauteile zu Bauteilgruppen ausgeschöpft werden, um Herstellungskosten und Zeit einzu-sparen. Das erfordert nach einhelliger Meinung von Jäger und Stauber noch einiges Umdenken in den Konstrukti-onsabteilungen.

Andere VerStärKungS-werKStoffe

Auch wenn in Mannheim viel über den CFK-Serieneinsatz diskutiert wurde, brachte Dr. Willy Hoven-Nievelstein, Senior Vice President Engineering Plas-tics Europe bei der BASF, einen weite-ren Gedankengang ins Spiel: „Bei den Verstärkungsmaterialien stehen die Kohlefasern aufgrund ihrer Steifigkeits-werte im Vordergrund.“ Schon gebe es aber auch erste Ansätze, Glasfasern mit Carbon-Nanotubes zu verstärken, damit leitfähig zu machen und auch die Mechanik in den Bereich der Leis-tungsmerkmale von Kohlenstofffasern zu schieben. Nicht zuletzt werde auch Glas noch einiges bieten können. Hoven-Nievelstein: „Die mechanische Leistungsstärke ist hier noch nicht aus-gereizt. In diesem Kontext dürfte die Kostenfrage, die derzeit in den Hinter-grund gerückt zu sein scheint, wieder an Brisanz zunehmen.“

Diese Botschaft ist zumindest bei Günter Deinzer, Leiter Technologie & Eigenschaftsentwicklung Faserverbund-kunststoffe von Audi, bereits angekom-men: „Wir verfolgen an dieser Stelle

Aufbau des cfK-dachs für den bMw M3

eine ganz klare Mission: Wir entwickeln in unserem neuen Technikum hochauto-matisierte wirtschaftliche Herstellungs-prozesse für faserverstärkte Kunststoffe, ohne dass wir uns auf eine spezielle Faser festlegen.“

Andere neuentwicKlungen

CFK waren zwar ein dominantes, aber nicht das einzige Thema auf der dies-jährigen Mannheimer Kunststofftagung. In einem gemeinsamen Vortrag berich-teten Rainer Protte von Bayer Material-Science und Andreas Gäns bacher von BMW über Fortschritte auf dem Gebiet der DirectScinning- und DirectCoating-Technik. Dieses Verfahren kombiniert den Spritzguss von Thermoplasten mit dem RIM-Verfahren der Polyurethan-Verarbeitung.

In einem Prozess, der mit dem Mehrkomponenten-Spritzgießen ver-gleichbar ist, wird das beschichtete Bauteil direkt auf der Spritzgießma-schine in nur einem Werkzeug gefer-tigt. Dabei können auch verschiedene Farben hergestellt werden. Eine Dekor-blende für ein kinematisches Schubfach in einem BMW-Modell wird bereits mit dieser Technik in Serie produziert.

Stefan Schlott

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MW

06I2011 113. Jahrgang 441

ZitAte

Prof. dr. rudolf StAuber, uniVerSität erlAngen: „CFK haben das Poten­zial, das Batterie­Mehr­gewicht von Elektrofahr­zeugen an nähernd zu kompen sieren.“

dr. willy HoVen-nieVelStein, bASf: „Die vielen Kooperationen auf der Landkarte des Leichtbaus, die in den letzten Monaten einge­gangen wurden, zeigen deutlich, wie attraktiv die Lösungsansätze für Kunst­stoff aus Sicht aller Markt­teilnehmer sind.“