v7 ungesättigte fettsäuren - chids.de · im nächsten schritt greift das iodid-ion in einem...
TRANSCRIPT
V7 Ungesättigte Fettsäuren
Fach Klasse Überthema Feinthema Zeit
Chemie Q2 Naturstoffe Fette 15 Minuten
Zusammenfassung
Bei dem Versuch werden Palmin und Sonnenblumenöl auf ihre Reaktion mit Iod-Lösung
hin überprüft, um so darauf zu schließen, ob sie aus ungesättigten Fettsäuren aufgebaut
sind.
Einordnung in den Unterricht1
Der Versuch ist nach dem hessischen Lehrplan G8 der Qualifikationsphase 2
zuzuordnen. Dort lässt er sich zum verbindlichen Unterrichtsinhalt 1. Naturstoffe zum
Unterthema Fette durchführen. Die Korrelation zwischen Bau und Aggregatzustand von
Fetten und der direkte Beweis dessen werden anschaulich gezeigt. Für das Verständnis
sollte den SuS aus Q1 die Addition an Doppelbindungen und der damit
zusammenhängende Nachweis durch Brom noch geläufig sein. Durch den Versuch kann
ein Bezug zur Ernährung, besonders zur Bedeutung von ungesättigten Fettsäuren,
geschaffen werden.
1 Vgl. Hirt, A.: Lehrplan Chemie (2010).
Der Versuch
Die Durchführung2
Abbildung 1: Für den Versuch benötigte Materialien.
Aus Betaisodona® oder Braunol-Lösung wird eine wässrige Lösung hergestellt. Dazu
wird eine Verdünnung von 1 (Betaisodona®/Braunol):5 (Wasser) hergestellt. Danach
werden in zwei Schnappdeckelgläser die gleichen Mengen von Sonnenblumenöl und
Palmin gegeben. Das Schnappdeckelgläschen mit Palmin wird in ein Wasserbad mit
kochendem Wasser gestellt, damit sich das Fett verflüssigt. Nun wird zu beiden
Fettproben tropfenweise verdünnte Iod-Lösung zugegeben. Nach jeder Zugabe werden
die Schnappdeckelgläschen verschlossen und kräftig geschüttelt.
Die Beobachtung
Das Sonnenblumenöl ist flüssig und hellgelb gefärbt. Dahingegen ist Palmin ein bei
Zimmertemperatur festes Fett, das weiß ist. Wird Palmin verflüssigt, so erscheint es
gelblich durchsichtig.
2 Vgl. Schwedt, G.: Experimente mit Supermarktprodukten – Eine chemische Warenkunde. S 85.
Abbildung 2: Schmelzen von Palmin im kochendem Wasser.
Abbildung 3: Geschmolzenes Palmin und Sonnenblumenöl nach Zugabe von einem Tropfen verdünnter
Braunol-Lösung (links im Bild).
Wird Iod-Lösung zu beiden Fetten gegeben, so verfärbt sich das Fett an der
Eintropfstelle bräunlich. Nach dem Schütteln ist diese Verfärbung jedoch verschwunden.
Nach Zugabe von 30 Tropfen der Iod-Lösung bleibt die braune Färbung auch nach
kräftigem Schütteln bestehen. Je mehr Iod zu den Fetten zugegeben wird, desto länger
dauert es, bis sich dieses entfärbt hat. Die Lösung von Palmin bleibt schon nach Zugabe
von 10 Tropfen braun gefärbt. Bei Sonnenblumenöl werden 30 Tropfen der Iod-Lösung
benötigt.
Abbildung 4: Nach Zugabe von 25 Tropfen Braunol-Lösung. Links: Das Palmin entfärbt sich nicht mehr. Überdies ist keine Phasentrennung von wässriger und organischer Phase mehr zu erkennen. Rechts: Die
wässrige untere Phase beim Sonnenblumenöl ist entfärbt; die organische Phase leicht bräunlich.
Entsorgung
Die Gläser können in den Abfluss ausgespült werden. Überschüssige Iod-Lösung kann
entweder in einem verschlossenen Gefäß aufbewahrt werden oder aber über den
Abfluss mit viel Wasser entsorgt werden.
Fachlicher Hintergrund
Täglich verwenden wir beim Kochen, Braten und Backen Fette oder Öle. Wie sind
Fette und Öle aufgebaut und worin unterscheiden sie sich?
Bei dem Versuch werden Öl und Fett auf ihre Reaktion mit Iod hin verglichen. Um zu
verstehen, welche Reaktion bei dem Versuch abläuft, sollte zuerst ein Überblick darüber
geschaffen werden, wie Fette und Öle aufgebaut sind und worin sie sich unterscheiden.
Sowohl Fette als auch Öle sind chemisch gesehen Triacylglycerine, auch Triglyceride
genannt. Sie bestehen aus dreifach veresterten Glycerinmolekülen, wobei die drei im
Glycerin enthaltenen Hydroxy-Gruppen mit unterschiedlichen Carbonsäuren, den
sogenannten Fettsäuren, verestert sein können. Fettsäuren sind Carbonsäuren mit
langen Kohlenwasserstoffresten.
OH
OH
OH
Glycerin
1,2,3-Propantriol
+
R1
O
OH
R2
O
OH
R3
O
OH
O
O
O O
R1
O
R2
O
R3
3 unterschiedliche Fettsäuren Triacylglycerin
Demnach sind Fette und Öle Gemische aus verschiedenen Triacylglycerinen.3
Je nachdem, in welchem Aggregatszustand sich ein Triacylglycerin bei Raumtemperatur
befindet, wird von einem Fett oder Öl gesprochen. Fette sind fest bis halbfest. Dies liegt
daran, dass sie sich aus überwiegend gesättigten Fettsäuren, also langen Carbonsäuren,
die nur gesättigte Alkylreste aufweisen, zusammensetzten. Die langen, gesättigten
Kohlenwasserstoffreste ordnen sich dicht aneinander an, was zu höheren
Schmelzpunkten führt.4
Öle hingegen sind flüssig, da sie zum größten Teil aus ungesättigten Fettsäuren
bestehen. Diese sind meist mehrfach ungesättigt, wobei bei den in der Natur
vorkommenden die Substituenten cis-ständig sind. Dies führt zu Knicken in den Resten
und dazu, dass sich die Kohlenwasserstoffreste schlechter aneinanderlagern können,
sodass eine nicht so dichte Packung entsteht. Dadurch können weniger gut Van-der-
Waals-Wechselwirkungen ausgebildet werden, was zu niedrigen Schmelzpunkten führt.
5
3 Vgl Bruice, P.Y., Lazar, T.: Organische Chemie. München 2007. S. 1341, 1344. 4 Vgl. Bruice, P.Y., Lazar, T.: Organische Chemie. München 2007. S. 1344. 5 Vgl. ebd.
Abbildung 5: Darstellung von zwei Triacylglycerinen. Links: Fett mit gesättigten Fettsäuren. Rechts: Öl mit ungesättigten Fettsäure. Deutlich wird die unterschiedliche Anordnung der Alkylreste. Rot eingezeichnet sind
die Sauerstoffatome. Der Alkylrest ist grau, wobei die Wasserstoffatome hellgrau dargestellt sind.
Finde die Inhaltsstoffe von Sonnenblumenöl und Palmin heraus. Worin
unterscheiden sie sich?
Bei Betrachtung des Etiketts von Sonnenblumenöl werden die beschriebenen Kriterien
eines Öls ersichtlich, da dieses einen hohen Anteil an einfach und mehrfach
ungesättigten Fettsäuren auflistet.
Tabelle Fehler! Kein Text mit angegebener Formatvorlage im Dokument.-1: Übersicht über Inhaltstoffe des Sonnenblumenöls von ja!.
Pro 100 mL 1 Esslöffel (10 mL)
Brennwert 3404 kJ 340 kJ
Eiweiß 0,0 g 0,0 g
Kohlenhydrate 0,0 g 0,0 g
Davon Zucker 0,0 g 0,0 g
Fett 92 g 9,2 g
Gesättigte Fettsäuren 10,5 g 1,0 g
Einfach ungesättigte Fettsäuren
26,5 g 2,7 g
Mehrfach ungesättigte Fettsäuren
55,0 g 5,5 g
Davon Omega 6 Fettsäuren 55,0 g 5,5 g
Cholesterin <2,0 mg < 0,2 mg
Ballaststoffe 0,0 g 0,0 g
Natrium 0,0 g 0,0 g
Vitamin E 50,0 mg 5,0 mg
Bei den ungesättigten Fettsäuren handelt es sich vor allem um bis zu 50 % Linolsäure
und 40 % Ölsäure.
O
OH
(C18H34O2)Ölsäure
O
OH
(C18H32O2)Linolsäure
Allgemein ist Sonnenblumenöl ein gelbes bei Zimmertemperatur flüssiges Öl. Es wird
aus den Samen von Helianthus anuus, der Sonnenblume, durch Pressen oder Extraktion
gewonnen.6
Palmin besteht zu 100 % aus Kokosfett. Als weiterer Inhaltsstoff wird noch Luft
angegeben. Diese wird in das Fett mit eingeschlossen, damit es brech- und schneidfähig
ist.7 Kokosfett wird, wie der Name schon sagt, aus dem Kernfleisch der Kokosnuss
hergestellt. Das Fett wird durch Abschöpfen aus kochendem Wasser oder durch
Auspressen aus dem getrockneten Kernfleisch bei 70-80 °C gewonnen. Durch
anschließende Raffination wird es länger haltbar gemacht. Zudem wird mithilfe von
fraktionierter Kristallisation hartes Kokossterin und durch Hydrieren ein erst bei 32 °C
schmelzendes Fett hergestellt. Mit einer weltweiten Produktion von über 30 Millionen
Tonnen jährlich zählt Kokosfett zu den wichtigsten Speisefetten. Es wird in der
Lebensmittelindustrie zum Beispiel bei der Margarineherstellung, zum Backen und
Braten aber auch in der Kosmetik zur Herstellung von Shampoo verwendet.8Es besteht
zum größten Teil aus folgenden gesättigten Fettsäuren.
6 Vgl. Ebermann, R., Elmadfa, I.: Lehrbuch der Lebensmittelchemie und Ernährung. Wien 2008. S. 525. 7 Vgl. Driftman, H.: Fragen und Antworten. In: Palmin, Qualität seit über 100 Jahren. URL: http://www.palminfett.de/. Letzter Zugriff am: 18.08.2011. 8 Vgl. Ebermann, R., Elmadfa, I.: Lehrbuch der Lebensmittelchemie und Ernährung. Springer Verlag Wien 2008. S. 525.
Tabelle Fehler! Kein Text mit angegebener Formatvorlage im Dokument.-2: Übersicht über die gesättigten Fettsäuren im Kokosfett.
Fettsäure Prozentualer Anteil Struktur9
Laurinsäure 45-48 % O
OH
(C12H24O2)
Myristinsäure 17-20 % O
OH
(C14H28O2)
Caprylsäure 5-8 % O
OH
(C8H16O2)
Caprinsäure 5-8 % O
OH
(C10H20O2)
Stearinsäure 2-5 % OH
O
(C18H36O2)
Ungesättigte Fettsäuren sind nur zu einem sehr geringen Anteil von 4-8 % Ölsäure
enthalten. Der hohe Anteil von 92 % gesättigten Fettsäuren erklärt auch die lange
Haltbarkeit, da eine gute Stabilität gegen Oxidation gegeben ist.
Wie reagiert Iod mit dem Fett bzw. mit dem Öl? Welche Reaktion läuft bei dem
Versuch ab?
Mithilfe von Iod kann die Menge an ungesättigten Fettsäuren in einem Fett erfasst
werden. Das Iod wird an die Doppelbindungen in einer elektrophilen Addition (AE)
addiert, wodurch sich durch den Verbrauch an Iod die Lösung entfärbt. Folgender
Mechanismus liegt dieser Reaktion zugrunde:
9 Vgl. Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. In: Gestis-Stoffdatenbank. URL: http://gestis.itrust.de/nxt/gateway.dll?f=templates&fn=default.htm&vid=gestisdeu:sdbdeu. Letzter Zugriff am: 28.10.2011.
Im ersten Schritt der Reaktion tritt das elektronenreiche Edukt, die -Elektronenwolke
der Doppelbindung, in Wechselwirkung mit dem Elektrophil, I2, unter Bildung eines
sogenannten -Komplexes. Dabei wird die I-I-Bindung polarisiert:10
I
I
Triacylglycerin mit ungesättigter Fettsäure
R
O
O
R1
-Komplex
Nun greift die elektronenreiche Doppelbindung in einer SN2-Reaktion am positiv
polarisierten Iodatom an, wodurch ein dreigliedriges Zwischenprodukt, ein Iodonium-
Ion entsteht. Gleichzeitig wird ein Iodid-Ion abgespalten:
I
I
R
O
O
R1
I+
R
O
O R1
cyclisches Iodonium-Ion
+ I-
Die Bildung des Iodonium-Ions stellt den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt der
Reaktion dar, sie läuft relativ langsam ab.
Im nächsten Schritt greift das Iodid-Ion in einem schnellen Rückseitenangriff an das
Iodonium-Ion an. Zum einen erfolgt der Angriff ausschließlich rückseitig aufgrund der
sterischen Hinderung, da das Iodonium-Ion relativ groß und starr ist, zum anderen, da
das antibindende p-Orbital von der Rückseite besser zugänglich ist. Diese Ringöffnung
entspricht einer SN2-Reaktion. Liegt ein symmetrisches Alken vor, so werden beide
Kohlenstoff-Atome des Rings mit gleicher Wahrscheinlichkeit angegriffen. Aufgrund des
Rückseitenangriffs durch das Iodid-Ion entsteht ein racemisches Gemisch als Produkt:11
10 Vgl. Vollhardt, K.P.C., Schore, N.E.: Organische Chemie. S. 574. 11 Vgl. Vollhardt, K.P.C., Schore, N.E.: Organische Chemie. S. 574.
I+
R
O
O R1
cyclisches Iodonium-Ion
+ I- R
1
I
R
O
O
I
+R
1
I
R
O
O
I
(S)(S)
(R)(R)
Bei Edukten in cis-Stellung, wie es bei ungesättigten Fettsäuren der Fall ist, wird immer
das syn-Produkt erhalten:12
H
R R1
HI2
I+
H
R R1
H
I-
II
R R1
Rotation um Einfachbindung R1
I
R I
syn Diiodid
Die Bildung des achiralen Iodonium-Ions gibt dem Mechanismus seinen Namen.
Während dieses Schrittes wird das Elektrophil an die Doppelbindung addiert
(elektrophile Addition). Im gebildeten Iodonium-Ion kann keine Rotation um die
Bindungsachse mehr stattfinden. Daher ist durch die anti-Addition des Iodid-Ions eine
stereospezifische Öffnung des dreigliedrigen Rings festgelegt. Das Iodonium-Ion kann
sich folgendermaßen vorgestellt werden:13
Ein freies Elektronenpaar des Iod-Atoms überlappt mit zwei p-Orbitalen der an der
Doppelbindung beteiligten Kohlenstoffatome. Dadurch entsteht die dreigliedrige Gestalt:
R
R R
R R
R R
R
I-
. . .. ..
I
I
12 Vgl. Clayden, J., Greeves, N., Warren, S., Wothers, P.: Organic Chemistry. Oxford 2009. S. 882. 13 Vgl. Vollhardt, K.P.C., Schore, N.E.: Organische Chemie. S. 574.
Da die Reaktion in dem nucleophilen Lösungsmittel Wasser erfolgt, läuft noch eine
weitere Reaktion ab, die zu einem anderen Produkt führt. Bei Verwendung nucleophiler
Lösungsmittel wird bei der Öffnung des Iodonium-Ions als Nucleophil ein
Lösungsmittelmolekül angelagert und nicht das zweite Halogenid-Ion. Diese
Nebenreaktion wird Halohydrinreaktion genannt. Obwohl Wasser ein schlechteres
Nucleophil ist als Iodid, läuft diese Reaktion in großem Maße ab, da die Konzentration
an Lösungsmittel sehr viel höher ist als die von Iodid. Das Reaktionsprodukt entspricht
einem halogenierten Alkohol:14
H
R R1
HI2
I+
H
R R1
H
OH
H
H
H
IO+
R R1
- H+ H IO
R R1
Durch Hydrinreaktionen kann die Regioselektivität bei anti-Additionen untersucht
werden. Bei Reaktionen an unsymmetrischen Alkenen erfolgt der Angriff des
Nucleophils am höhersubstituierten Kohlenstoffatom. Dies liegt daran, dass die Bindung
im Iodonium-Ion dort besser und schneller aufgelöst werden kann, denn
höhersubstituierte Kohlenstoffatome stabilisieren durch Hyperkonjugation die
entstehende positive Ladung besser. Das Iodonium-Ion kann daher in solchen Fällen
genauer charakterisiert werden, indem die C-I-Bindungslänge am höhersubstituierten C-
Atom länger dargestellt wird.
R1
R
H
R2
I
längere und schwächere Bindung
14 Vgl. Clayden, J., Greeves, N., Warren, S., Wothers, P.: Organic Chemistry. Oxford 2009. S. 512f.
Daher greift das Wassermolekül bevorzugt an diesem an, denn dort ist die Bindung
schwächer und somit leichter zu spalten.15
Da im Palmin weniger ungesättigte Fettsäuren enthalten sind, kann auch weniger Iod an
die Doppelbindungen addiert werden. Dies führt dazu, dass bei Zugabe von Iod zu
diesem Fett schon nach wenigen Tropfen keine Entfärbung der Lösung mehr auftritt.
15 Vgl. Clayden, J., Greeves, N., Warren, S., Wothers, P.: Organic Chemistry. Oxford 2009. S. 512f.