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Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät 90(2007), 257270 Uwe Meinberg Intelligente und nachhaltige Logistik Der Beitrag setzt sich mit gesellschaftlich induzierten Herausforderungen an Produktions- und speziell an Logistiksysteme auseinander. Neue Technologi- en und Techniken wie Radio Frequency Identification (RFID) und Service Orientated Architectures (SOA) können entscheidende Enabler für eine intel- ligente, d.h. schnelle und adaptive Logistik sein, die den Wertschöpfungssy- stemen die Flexibilität verleiht, die sie in einer zunehmend digitalisierten Welt benötigen. Darauf aufsetzende neue Ansätze der Verplanung von Res- sourcen können zudem zu einer ökologisch nachhaltigen Logistik führen. 1. Digitalisierung und Leistungsforderung Wir sind in einer Gesellschaft angekommen, in der aufgrund der zur Verfü- gung stehenden Technologie und Technik alles als möglich erscheint. Wir be- treiben Kommunikation global, jederzeit und überall. Wir sind ständig mit Informationen versorgt oder von diesen nur einen Klick entfernt. Auch kom- plexe Anwendungen, wie Simulation (Die Sims) oder Virtualität (Second Li- fe), haben in unserem fast täglichen Leben einen Platz gefunden – wir fühlen uns bereits weitgehend in der digitalen Welt zuhause. Damit sind auch die Ansprüche an Produkte und Dienstleistungen gewachsen. Auch hier erwarten wir eine Digitalisierung. Wenn das Produkt sich nicht digitalisieren lässt – die Pizza kommt auch in Zukunft nicht aus dem Internet – so erwarten wir doch wenigstens, dass die Verkaufsprozesse von der Informationsbeschaffung und dem Produktvergleich über den eigentlichen Kauf mit der dazugehörenden formalen Abwicklung (Vertrag, Zahlung) bis hin zum anschließenden Kun- denservice unserem aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungsstand entspre- chend digital erfolgen. Damit sind Änderungen in unseren Wertschöpfungssystemen verbunden. Wer hätte noch vor einigen Jahren gedacht, dass ein Klingelton ein Produkt sein könnte, mit dem sich auch noch herausragende Umsätze und Gewinne erzielen lassen. Die Musikindustrie hat vollkommen übersehen, dass nach der

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Sitzungsberichte der Leibniz-Sozietät 90(2007), 257–270

Uwe Meinberg

Intelligente und nachhaltige Logistik

Der Beitrag setzt sich mit gesellschaftlich induzierten Herausforderungen anProduktions- und speziell an Logistiksysteme auseinander. Neue Technologi-en und Techniken wie Radio Frequency Identification (RFID) und ServiceOrientated Architectures (SOA) können entscheidende Enabler für eine intel-ligente, d.h. schnelle und adaptive Logistik sein, die den Wertschöpfungssy-stemen die Flexibilität verleiht, die sie in einer zunehmend digitalisiertenWelt benötigen. Darauf aufsetzende neue Ansätze der Verplanung von Res-sourcen können zudem zu einer ökologisch nachhaltigen Logistik führen.

1. Digitalisierung und Leistungsforderung

Wir sind in einer Gesellschaft angekommen, in der aufgrund der zur Verfü-gung stehenden Technologie und Technik alles als möglich erscheint. Wir be-treiben Kommunikation global, jederzeit und überall. Wir sind ständig mitInformationen versorgt oder von diesen nur einen Klick entfernt. Auch kom-plexe Anwendungen, wie Simulation (Die Sims) oder Virtualität (Second Li-fe), haben in unserem fast täglichen Leben einen Platz gefunden – wir fühlenuns bereits weitgehend in der digitalen Welt zuhause. Damit sind auch dieAnsprüche an Produkte und Dienstleistungen gewachsen. Auch hier erwartenwir eine Digitalisierung. Wenn das Produkt sich nicht digitalisieren lässt – diePizza kommt auch in Zukunft nicht aus dem Internet – so erwarten wir dochwenigstens, dass die Verkaufsprozesse von der Informationsbeschaffung unddem Produktvergleich über den eigentlichen Kauf mit der dazugehörendenformalen Abwicklung (Vertrag, Zahlung) bis hin zum anschließenden Kun-denservice unserem aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungsstand entspre-chend digital erfolgen.

Damit sind Änderungen in unseren Wertschöpfungssystemen verbunden.Wer hätte noch vor einigen Jahren gedacht, dass ein Klingelton ein Produktsein könnte, mit dem sich auch noch herausragende Umsätze und Gewinneerzielen lassen. Die Musikindustrie hat vollkommen übersehen, dass nach der

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Musikkassette und der CD ein Standard namens MP3 zur weiten, nicht immerlegalen Verbreitung einst teurer Musik beiträgt. Die Digitalisierung von Pro-dukten hat den Anspruch entwickeln lassen, dass auch Produkte jederzeit undüberall verfügbar sein müssen. Und sind die Produkte nicht in digitaler Formerhältlich – wie das bei einer Pizza oder einem Automobil offensichtlich derFall ist – so spiegelt der Begriff „24-Stunden-Service“ deutlich eine weitereHerausforderung für die Wertschöpfungssysteme wider: Die Schnelllebigkeitunserer Gesellschaft erfordert eine schnelle Reaktion auf Kundenwünsche.Wir wollen die Pizza elektronisch bestellen und dann sofort und zwar heiß ge-liefert bekommen. Wir wollen unser Automobil im Internet konfigurieren, dieFinanzierung abklären, die Bestellung auslösen und das Wunschfahrzeug inkürzester Zeit geliefert bekommen. Damit sind große Herausforderungen anProduktions- und Logistiksysteme skizziert, die zu gravierenden Veränderun-gen in diesem Bereich geführt haben. Apropos „Wunschfahrzeug“: natürlichwollen wir ein Auto konfigurieren, das individuell auf unsere persönlichenBelange zugeschnitten ist und dies natürlich zu niedrigsten Preisen. „Geiz istgeil“ gilt in weiten Teilen der Gesellschaft als attraktive Mentalität und setztdamit die Wirtschaft weiter unter Druck; dies gilt zumindest für Produkte, fürdie durch die Globalisierung bedingt leicht Substitute zu finden sind. Elektro-nikgeräte, Kraftfahrzeuge, aber auch die so genannte weiße Ware zählen zudieser Kategorie.

Die Produktions- und Logistiksysteme müssen auf diese Herausforderun-gen ausgerichtet werden. Es müssen Organisationsformen für moderne Un-ternehmen gefunden und implementiert werden, die die Herstellung von hochindividualisierten Produkten, also von Produkten mit sehr hohen Varianten-zahlen, in kürzest möglicher Zeit erlauben. Dazu gehört eine Logistik, dienicht nur das Endprodukt schnell und kostengünstig zum Kunden bringt, son-dern auch die zur Herstellung benötigten Teile und Komponenten bedarfsori-entiert in der Produktion bereitstellt. Die Logistik digitalisierter Produkte istim Unterschied dazu nahezu trivial: der Klingelton kommt via UMTS auf dasHandy, der MP3-Song über das Internet auf den PC – Daten lassen sich jeder-zeit und global in verschwindend geringer Zeit distributieren. Physikalischexistente Produkte müssen transportiert, gehandhabt und umgeschlagen wer-den; diese Prozesse benötigen Zeit, die sich in vielen Fällen kaum noch redu-zieren lässt.

Die Distribution digitaler Produkte benötigt in einem vereinfachten Sze-nario lediglich einen einsamen Server, der die Verkaufs- und Verteilungspro-zesse mittels entsprechender Software autonom und ohne maßgeblichen

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menschlichen Aufwand abwickelt. Die Herstellung und die Verteilung phy-sikalischer Produkte benötigt dagegen weitaus mehr menschliches Zutun so-wohl im administrativen (z.B. Planung und Steuerung) wie auch imoperativen (z.B. Herstellung Handhabung) Kontext. Die optimale Abwick-lung dieser Prozesse setzt eine hohe Transparenz hinsichtlich ihrer dynami-schen Zustände voraus; die Komplexität der Koordination der vielschichtigenTeileströme und die Steuerung kundenorientierter Produktionsprozesse las-sen sich nur noch dann zeit- und kosteneffizient beherrschen, wenn jederzeitKenntnis über der Verlauf und den Zustand eines jeden Prozessschrittes beiden Prozessverantwortlichen vorliegt.

Auch hier kommen den Anforderungen Technologie- und Technikent-wicklungen entgegen, die grade im industriellen Umfeld zu erheblichen Effi-zienzsteigerungen führen werden: die Entwicklung von RFID (RadioFrequency Identification) und die Entwicklung serviceorientierter Strukturen(SOA: Service Orientated Architecture) bieten die Plattform, die hoch digita-lisierte Prozesse zur Unterstützung physischer Produktions- und Logistiksy-steme ermöglichen.

2. Transparenz durch Objektgebundene Datenflüsse

Die Operationalisierung von Maßnahmen zu Reaktionen auf die bereits ange-sprochenen Herausforderungen hat durch die Verlagerung von Fertigungs-schritten und durch eine Konzentration der Unternehmen auf ihreKernkompetenzen zu Wertschöpfungsnetzen geführt, in denen eine Vielzahlvon Unternehmen eng miteinander kooperiert, um gemeinsam Produkte zuentwickeln und diese zu fertigen. Die Logistik übernimmt bei der Umsetzungdieser Strategie eine tragende Rolle. Sie ist mit ihrer Organisation und deneingesetzten (technischen) Ressourcen dafür verantwortlich, die mit der Bil-dung von Wertschöpfungsnetzen einhergehenden Versorgungsstrategien –wie beispielsweise Kanban, just-in-time oder just-in-sequence – mit hoherZuverlässigkeit umzusetzen.

Dabei stellt insbesondere die kundenbezogene Individualisierung der Pro-dukte eine große Herausforderung dar. Gehört die Beherrschung einer großenVariantenzahl ohnehin zu einem der dauerhaften Probleme in der Industrie,so kommt noch hinzu, dass die herkömmliche Belegung von Fertigungslinienmit einem Produkt und seinen Varianten bei den heute vorherrschendenMarktbedingungen immer häufiger zu starken Schwankungen der Kapazi-tätsauslastungen führt. Daraus abgeleitet entwickelt sich die Notwendigkeit,Produktderivate und neue Modelle in bereits bestehende Fertigungslinien zu

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integrieren. So können hohe Investitionen für neue Linien vermieden und dieAuslastung vorhandener Linien harmonisiert werden. Offensichtlich ist, dassdiese Integration zu einer deutlichen Erhöhung der Anforderungen an ein ef-fizientes Teilemanagement bereits innerhalb eines einzigen Unternehmensführt; auch hier ist die Logistik gefordert

Somit ist die Logistik auf der operativen Ebene in besonderem Maße ge-fordert: aus dem Aufbau der Wertschöpfungsnetzwerke resultiert ein nahezuunvorstellbar großer und weit verzweigter Materialfluss. Bauteile, Kompo-nenten oder ganze Systeme müssen ebenso zeitpunktgenau gehandhabt undtransportiert werden, wie die entsprechenden Ladehilfsmittel (Behälter, Spe-zialladungsträger etc.). Die Bestands- und Bedarfspuffer moderner Ferti-gungssysteme sind als teure Ressourcen so knapp dimensioniert, dass sichMängel in den logistischen Prozessen unmittelbar auf die Auslastung der Puf-fer auswirken und ein Überlaufen (Bestand) bzw. ein Leerlaufen (Bedarf) alsFolge sofort zu Störungen in den vorhergehenden und nachfolgenden Ferti-gungssystemen führt.

Werden verschiedene Produkte auf einer Linie gefertigt, ergeben sichhohe Anforderungen an das linienbezogene Teilemanagement. Die Teileviel-falt steigt erheblich, die mengenbezogenen Volumina nehmen im gleichenZuge drastisch ab. Die Sicherstellung der optimalen Auslastung für Trans-port- und Ladehilfsmittel erfordert neben dem bedarfsorientierten und zeit-punktgenauen line-feeding eine neue Qualität der Planungs- undSteuerungssysteme.

Materialflüsse im Allgemeinen und erst recht im Zusammenhang mit dendargestellten Szenarien sind nur durch lückenlose und mit den dezidiertenMaterialflüssen synchronisierte Informationsflüsse beherrschbar. Diese Er-kenntnis begleitet die Logistik schon seitdem sie systematisch erforscht wirdals dogmatische These. Obgleich die heute eingesetzten Informationssystemesehr weit entwickelt sind, gelingt die Umsetzung dieser These nur bedingt;die zur exakten Planung und Steuerung erforderliche Informationsqualitätentlang der Lieferketten wird nach wie vor in vielen Fällen nicht erreicht. Beider Vielzahl der ineinander verzahnten Objektflüsse (Teile, Behälter etc.) inden Wertschöpfungsnetzen treten immer wieder Fehler auf, die in einfachenFällen zu Überlieferungen, in kritischen Fällen zu Bandstillständen durchFalsch- oder Unterlieferungen führen. Auf Folgeschäden durch Fehllieferun-gen, die sich erst im Markt beispielsweise durch Rückrufaktionen bemerkbarmachen, wird später noch einmal eingegangen. Die Informationsqualität isthäufig deswegen nicht ausreichend, weil eben die Synchronisation zwischen

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den Objektflüssen und den sie in Informationssystemen begleitenden Daten-flüssen nicht oder nur unzureichend erfolgt. Damit sind die Abbilder der Rea-lität in den Modellen, die den Planungs- und Steuerungssystemen als Basisdienen, zu ungenau oder sogar falsch, was schließlich zu korrekt errechneten,aber dennoch falschen Ergebnissen führt. Daraus abgeleitete Entscheidungensind folgerichtig ebenso falsch. Damit besteht die große Herausforderungnach wie vor darin, die Informationsqualität zu erhöhen, die Synchronisationzwischen Material- und Informationsfluss Realität werden zu lassen.

RFID weist das Potenzial zur Lösung dieser Problemstellungen auf. Beidieser Technik handelt es sich um Speicherchips (tags), die in nahezu belie-biger Bauform physikalisch an Objekten befestigt werden können. In denSpeichern abgelegte Daten bleiben dort auch ohne weitere Energiezufuhr er-halten und können aus größerer Distanz gelesen und verändert werden. DieTechnik ermöglicht die gleichzeitige sichtkontaktlose Identifizierung vonmehreren Objekten auf Distanz und zusätzlich auch das Speichern von Datenunmittelbar an Objekten. Die Schreib- und Lesefunktionen können währendder Objektbewegung ausgeführt werden, was damit ihre Integration in unter-schiedliche Prozessschritte in der Fertigung und in der Logistik erlaubt.

3. Material- und Datenflüsse

Das Management von Objekten ist insbesondere eine Aufgabe des Manage-ments von Daten und Datenflüssen. Daten, die physikalisch mit den Objektenverbunden die Produktions- und Logistiksysteme durchlaufen, sind zu jederZeit und an jedem Ort verfügbar. Aufgrund der besonderen Eigenschaften derRFID-Technik sind die Daten unaufwendig und, da kein Sichtkontakt not-wendig ist, sogar nach der Verbauung der Objekte zu lesen. Damit ergebensich gegenüber den heute zur Identifikation eingesetzten Systemen, wie bei-spielsweise Barcode, erhebliche Vorteile. Der Einsatz von RFID-tags ermög-licht die Realisierung von objektgebundenen Datenflüssen; objektbegleitendeDatenflüsse können reduziert oder eliminiert werden. Damit ist auch die Syn-chronisation zwischen Material- und Informationsfluss inhärent gegeben. DieObjekte bringen „ihre“ Daten physikalisch gebunden mit. ObjektgebundeneDatenflüsse bilden damit die Basis effizientere, reduzierte und kostengünsti-gere Prozesse zu implementieren.

Dabei sind allerdings noch einige Fragestellungen hinsichtlich der Gestal-tung des Datenmanagements der in den Wertschöpfungsnetzen zusammenge-führten Unternehmen zu beantworten. Die jeweiligen aus denunternehmensbezogenen Erfordernissen und Prozessabläufen resultierenden

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Datenhaushalte stellen sich inhaltlich und organisatorisch sehr unterschied-lich dar und werden sehr unterschiedlich organisiert. Die die Objektflüsse be-gleitenden Datenflüsse erfordern daher häufig hohe Aufwendungen imHinblick auf ihre Implementierung und ihre Administration. Dies trifft in be-sonderer Weise kleine und mittlere Unternehmen, die sich projektbezogensehr schnell in Wertschöpfungsnetze integrieren und laufend ihre Informati-onssysteme anpassen müssen.

Die objektbegleitenden Datenhaushalte sind heute zentral organisiert. Dasbedeutet, dass sämtliche Daten, die zu einem Objekt gehalten werden müssen,in entsprechenden Datenhaltungssystemen gespeichert sind; die Objekte sel-ber tragen lediglich identifizierende Referenzen (z.B. Teilenummer oder Be-hälternummer), die als Zugriffsschlüssel auf die in den Informationssystemenabgelegten Daten dienen. Diese Daten begleiten den Objekt- bzw. Material-fluss in den Informationssystemen. An ausgewählten Transaktionspunkten,wie beispielsweise an Fertigungseinrichtungen oder an Entscheidungspunk-ten in Materialflusssystemen, werden die Daten mit dem Objektfluss syn-chronisiert

Mit der Realisierung objektgebundener Datenflüsse entstehen dezentraleDatenhaushalte, welche dieselben Funktionen der Datenhandhabung (Schrei-ben, Ändern, Lesen, Löschen) zulassen, wie wir es bei zentralen Datenhaus-halten gewohnt sind. Die Objekte führen die für ihre Bearbeitung in denFertigungs- oder ihre Handhabung in Logistiksystemen benötigten Daten un-mittelbar physikalisch gebunden mit sich. In der Folge ergeben sich nunmehrvollkommen neue Möglichkeiten der Prozessgestaltung. Die Interaktionenzwischen der technischen Logistikebene und den Informationssystemen kön-nen deutlich reduziert werden. Allerdings müssen die installierten Software-systeme an die objektgebundenen Datenflüsse angepasst werden: woInformations- und Steuerungssysteme heute eine Referenznummer aus demProzess erwarten (z.B. Barcodelesung), können sie im Zusammenhang mitobjektgebundenen Datenflüssen zukünftig vollständige Datensätze erhalten.

Die allgemein anerkannten Gestaltungsebenen der Logistik (Administra-tion, Disposition, Steuerung und Operation) müssen hinsichtlich der ebene-bezogenen Datenhaushalte und der resultierenden Datenflüsse einer erneutenBetrachtung unterzogen werden. Den Ebenen sind Objekte bzw. Funktionenzugeordnet, die durch Modelle und dedizierte Datenhaushalte in Informati-ons- und Steuerungsebenen abgebildet werden. Theoretisch, d.h. zunächsteinmal ohne Betrachtung der Wirtschaftlichkeit (s.u.), erlaubt der Einsatz derRFID-Technik die aufwandsarme Identifikation jedes einzelnen Objektes auf

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der operativen Ebene. Zugleich können diesen einzelnen Objekten theore-tisch alle notwendigen Stamm-/Beschreibungs- und Bewegungsdaten unmit-telbar mitgegeben werden. Damit können Aufwendungen auf derSteuerungsebene reduziert werden. Die Disposition kann erheblich detaillier-ter auf Objektebene erfolgen, die administrativen Systeme könnten in einerIdealvorstellung möglicherweise sogar vollständig entfallen.

Diese theoretischen Denkmodelle müssen durch Forschungs- und Ent-wicklungsarbeiten jedoch noch weiter unterstützt werden. Die bislang im in-dustriellen Umfeld durchgeführten Pilotprojekte decken einen so geringenTeil der theoretischen Möglichkeiten ab, dass aus der Auswertung der Projek-te derzeit noch keine belastbaren und vor allem verallgemeinerbare Konzepteableitbar sind. Mit einer Reihe von Forschungsarbeiten widmet sich dasFraunhofer-Anwendungszentrum Logistiksystemplanung und Informations-systeme aktuell diesen Fragestellungen. Ein besonderer Fokus liegt neben dertechnischen und organisatorischen Gestaltung auf objektgebundenen Daten-flüssen basierender Logistiksysteme auf der Absicherung eines wirtschaftli-chen Einsatzes der RFID-Technik.

In diesem Zusammenhang entstehen auch vollständig neue Konzepte, dieMehrwertfunktionen und Mehrwertdienste, die unmittelbar mit dem Techni-keinsatz verbunden sind, zum Inhalt haben.MehrwertfunktionenAls wichtigste Mehrwertfunktion kann die Ergänzung der RFID-tags um Sen-soren angesehen werden. Die Integration von Mikrosensoren erlaubt die Er-fassung von Umgebungsbedingungen, denen die Teile während desDurchlaufens der Produktions- und Logistikprozesse oder aber nach ihrerVerbauung ausgesetzt sind. Dies ist im Zusammenhang mit den ökologischbedeutsamen Kreislauf- und Recyclingprozessen von großer Bedeutung. DieAuswertung von Betriebsdaten, die beispielsweise ein demontiertes Bauteilzukünftig mit sich führen kann, wird die Aufwendungen für heute noch not-wendige Qualitätssicherungsmaßnahmen vor der Wieder- oder Weiterver-wendung der Bauteile deutlich reduzieren.MehrwertdiensteIn den Wertschöpfungsnetzen und Lieferketten ist heute nicht in ausreichen-der Detailtiefe bekannt, wie einzelne Objekte durch die verschiedenen amWertschöpfungsprozess beteiligten Produktions- und Logistiksysteme flie-ßen. Zur Optimierung der Materialflüsse und um die Potenziale, die mit einemmedienbruchfreien durchgängigen objektgebundenen Datenfluss verbundensind, zu identifizieren, können Dienste zur Flussanalyse aufgesetzt werden.

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Auf der Basis der tag-Daten kann nicht nur der Fluss einzelner Teile durch dieWertschöpfungsnetze dargestellt werden. Es lassen sich auf der Basis dieserDaten auch strukturelle Aspekte, zugehörige Einflussfaktoren – z.B. Ferti-gungstechnologien und Entstehungs- sowie Bedarfs-orte für objektgebundeneDaten – transparent darstellen.

Die Analyse der objektgebundenen Datenflüsse kann dazu genutzt wer-den, Objekt- und Datenflüsse hinsichtlich Plausibilität, Vollständigkeit undBedarfsorientierung entlang der gesamten Produktions- und Logistikkette zubewerten. Von großem Interesse ist dabei, qualitative Aussagen hinsichtlichdes jeweiligen Nutzenpotenzials durch quantitativ nachvollziehbare und be-lastbare Kennzahlen zu ersetzen. Hier kommen somit technische, organisato-rische und wirtschaftliche Betrachtungsweisen zueinander. Der Simulationkommt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle zu. ObjektgebundeneDatenflüsse liefern eine bislang nicht erreichbare Datenqualität, die wieder-um zu einer neuen Qualität von Simulationsergebnissen führen wird.

4. Prozesse und Services – Agilität und Flexibilität durch IT

Die Transparenz in Produktions- und Logistikprozessen, die auf der Basis desRFID-Einsatzes erreicht werden kann, bildet die Grundlage für hoch flexibleAbläufe in den Unternehmen. Die Marktsituation, gekennzeichnet durch be-reits genannte Begriffe wie Globalisierung, Schnelllebigkeit, Kundenindivi-dualität etc. erfordert agile Unternehmen, die in kürzester Zeit aufVeränderungen in ihrem Umfeld, speziell in Wertschöpfungsnetzen, ange-messen reagieren können. Sie benötigen ihrerseits agile Informationssyste-me, die ebenso schnell angepasste werden können.

Die Entwicklung von objektorientierten Programmiersprachen und Werk-zeugen sowie Softwareentwicklungsmethoden, wie beispielsweise die Kom-ponententechnologie, erlauben es, die Geschäftsprozesse und die dezidiertenObjekte immer exakter im Rechner zu beschreiben. Es entsteht ein immervollständigeres digitales Abbild der Geschäftsprozesse.

Je exakter die Abbildungen und Modelle werden, je „intelligenter“ dieSoftwarelösungen hinsichtlich der Entscheidungsfindung werden, desto auto-nomer – also ohne Eingriff des Menschen – können Informationssysteme ar-beiten. Diese wachsende Autonomie beinhaltet selbstverständlich auch, dassder Mensch als Systemanwender letztlich keinen Einblick mehr in die Ent-scheidungsfindung hat; bei vernetzten Systemen fehlt ihm die Kenntnis überdie Eingangsparameter, die tatsächliche Prozessabbildung ist ihm genausounzugänglich wie die implementierten Optimierungs- und/oder Planungsme-

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thoden. Er wird mehr und mehr zum Beobachter, der schließlich die Entschei-dungen, die von Informationssystemen getroffen werden, hinnehmen und als„richtig“ ansehen muss.

Moderne Informationssysteme müssen unternehmerische Entscheidun-gen unter Berücksichtigung aller angesprochenen Facetten unterstützen. Diesin einem hoch dynamischen Umfeld, das eben durch schnell und häufigwechselnde Partnerschaften (z.B. Entwicklung, Produktion), technologischeInnovationen (z.B. Werkstoffe, IT) und durch laufend anzupassende Prozessegekennzeichnet ist.

Das Datenmanagement und das Prozessmanagement bekommen in demdargestellten Szenario eine besondere Bedeutung. Neben der technischenFertigkeit, die einem Unternehmen zugeschrieben werden muss, zeichnet essich dann als besonders kompetent aus, wenn es seine Geschäftsprozesse op-timal „im Griff“ hat – ein großer Wettbewerbsvorteil, der durch ein konse-quent eingeführtes und genutztes Prozessmanagement erreicht und gehaltenwerden kann. Prozesse können über Kennzahlen bewertet und letztlich einerlaufenden Optimierung zugeführt werden. Ein auf die Netzwerkbedürfnissezugeschnittenes Datenmanagement liefert hier die Basis. Klassische Datami-ning-Systeme werden den zukünftigen Anforderungen nicht mehr gerechtwerden, da sie zwar auf die Analyse schwach strukturierter Datenhaushalteausgerichtet sind, die durch die Interdisziplinarität bedingten verschiedenenSichtweisen einzelner Domänen auf das jeweilige Prozessobjekt jedoch nichtüberbrücken können.

Die Basis agiler Informationssysteme stellen die Prozesse der Produktent-stehung sowie die Prozesse der Entwicklung dezidierter Produktionssystemedar. In beide Prozesslinien finden unterschiedliche Kompetenzen mit wech-selnder Intensität und zeitlicher Abfolge Eingang. Da davon ausgegangenwerden kann, dass die notwendigen Kernkompetenzen in den Wertschöp-fungsnetzen verteilt sind, kommt der Nutzung von Wissen und Erfahrungeine bedeutende Rolle zu. Hier steht weniger die Frage im Vordergrund, wieWissen verfügbar gemacht wird, sondern welches verteilte Wissen wann un-ter welchen Konditionen in die Prozesse einfließt oder im Sinne einer push-Funktion propagiert wird. Agile Informationssysteme müssen also den be-darfsgerechten Abruf, die Bereitstellung aber auch den Schutz von Wissenund Erfahrung gleichermaßen unterstützen. In diesem Zusammenhang wer-den Systeme vermehrt Methoden und Verfahren der künstlichen Intelligenz(beispielsweise neuronale Netze zur Bedarfsanalyse und Agententechnologiezur Akquisition und geschützten Bereitstellung) nutzen müssen. Während das

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Prozess- und das Datenmanagement die Geschäftsprozesse in ihrer Operationzu treiben und zu optimieren sucht, werden die inhaltliche Qualität und Sta-bilität der Prozesse über das Wissensmanagement gestützt. Auch dies ist einkontinuierlicher Prozess, da nicht nur bereits vorhandenes Wissen genutzt,sondern auch laufend neu entstehendes Wissen zugänglich gemacht wird.Das Unternehmen muss über ein collaboration portal auch auf externes Wis-sen zugreifen können.

Gerade in den Bereichen, in denen Informationssysteme in starkem Maßeeine Realität zeigen sollen, ist die Gefahr eines Realitätsverlustes derjenigenMenschen, die mit diesen Systemen und den angebotenen Handlungsalterna-tiven arbeiten sollen, zu beachten.

Im Bereich Konstruktion und Entwicklung werden beispielsweise compu-teranimierte Simulationen verwendet (Digital Mock Up), um im virtuellenRaum zu überprüfen, ob bestimmte Montageprozesse realisierbar sind. Derfeste Glaube an die Richtigkeit der Simulation wirkt sich hier nur gering aus;spätestens bei der Aufnahme der prototypischen Produktion wird ein mögli-cher Fehler erkannt. Was ist, wenn mit ähnlichen Mitteln die Funktion sicher-heitsrelevanter Teile ermittelt wird? Auch das Verhalten von Märkten wird inInformationssystemen abgebildet, um beispielsweise die Absatzmöglichkei-ten von Produkten oder das Kaufverhalten in dezidierten Märkten simulativvorhersagen zu können. Entscheidungen, die auf der Basis rechnergestützt er-zeugter Informationen getroffen werden müssen, werden an rechnergestützteSysteme zwecks Validierung delegiert (Beispiel: Simulation). Schnell stelltsich hier die Frage nach der Rolle des Menschen in derart gestützten Ent-scheidungsprozessen – trifft er wirklich Entscheidungen, oder setzt er Vorga-ben der Informationssysteme letztlich nur um? Es besteht das grundsätzlichwachsende Risiko, dass die den Entscheidungen zugrunde liegenden Modellenicht korrekt sind, die Entscheidungen in der Modellwelt aber schon. Kom-plexe Produktionssysteme werden häufig mittels aufwändiger Informations-systeme, die einzelne Prozesszustände zu übersichtlichen Prozessabbildernaggregieren, gesteuert. Das Verhalten der Werker und Maschinen in der Pro-duktion wird anhand weniger aussagekräftiger Kennzahlen beurteilt. Immerhäufiger werden über Kameras Livebilder in die Steuerleitstände eingespielt,um dem Bedienpersonal neben den abstrakten Prozessschaubildern und kenn-zahlenorientierten Diagrammen auch einen Eindruck bezüglich des „echten“Prozessablaufes zu geben.

Aufgrund der wachsenden Fülle von Informationen, die als Grundlagevon Entscheidungen dienen müssen, werden die Entscheidungssituationen

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kontinuierlich komplexer. Schon die Selektion der „richtigen“ Informatio-nen, ihre Einordnung und die Beurteilung gegenseitiger Abhängigkeiten for-dern den entscheidenden Menschen mehr und mehr heraus.

Eine zentrale Aufgabe agiler Informationssysteme besteht somit darin,eine Konvergenz zwischen der Leistungsfähigkeit der modernen IT und derVerständnisfähigkeit der Anwender herzustellen. Erreicht werden kann diesdurch die Integration von coaching-Funktionen, die individualisierte Unter-stützung für unterschiedliche Benutzergruppen und Anwendungsszenarienanbieten.

5. Objektgebundene Datenflüsse und agile Informationssysteme

An dieser Stelle ist es hilfreich, die Potenziale objektgebundener Datenflüsseund die Anforderungen an agile Informationssysteme zusammen zu führen.

Wenn objektgebundene Datenflüsse zu einem hohen Maß an Transparenzauch und gerade durch die Dezentralisierung der Datenhaushalte führen, istder nächste folgerichtige Schritt, die Komplexität der Prozessabläufe und derentsprechenden Modelle in den Informationssystemen aufzulösen. Serviceori-entierte Strukturen bieten sich in diesem Zusammenhang als Lösungsraum an.

Die Prozessorientierte Denkweise ist mittlerweile fester Bestandteil derGestaltung von Produktions- und Logistiksystemen. Diesem Ansatz folgend,bezeichnet eine serviceorientierte Architektur (Service-Oriented Architec-ture, SOA) ein Architekturkonzept, das sich im Wesentlichen aus Dienstenzusammensetzt, die von den Prozessobjekten angefordert werden können.Konnektoren erlauben dabei die Interaktion zwischen den implementiertenund registrierten Diensten. Serviceorientierte Architekturen setzen konse-quent das Paradigma der Trennung von Dienstbeschreibung und seiner Rea-lisierung um und stellen damit ein hohes Maß an Transparenz sicher. Zujedem Dienst existiert eine separate Schnittstelle, über die der Dienst eindeu-tig adressiert und angefragt werden kannDas Konzept SOA weist im Wesentlichen drei Komponenten auf:• Service Provider

Diese Komponenten stellen Dienste (services) bereit;• Service Requestor

Anwendungen, oder in hier dargestelltem Zusammenhang Objekte, dieDienste anfordern;

• Service RegistriesHier werden die angebotenen Dienste zentral registriert und das Suchennach Diensten unterstützt.

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Hinzu kommen Basisinteraktionen, die zur Registrierung eines Dienstes,zum Suchen und Finden eines Dienstes, zum Herstellen der Bindung zu ei-nem Dienst und zur Anforderung an einen Dienst notwendig sind.

Das Konzept SOA führt damit unmittelbar zur Auflösung von Komplexi-tät, was für agile Informationssysteme von entscheidender Bedeutung ist. ImInformationssystem müssen nicht mehr die Prozessabläufe vollständig mit al-len Eventualfällen modelliert werden, sondern es sind lediglich die für dieeinzelnen Prozessschritte erforderlichen Dienste zu definieren und zu imple-mentieren. Die Abfolge ihres Abrufes ergibt sich nicht durch eine vorwegge-nommene Modellierung, sondern durch das jeweilige Prozessgeschehenunmittelbar.

Dieser konzeptionelle Ansatz lässt sich nun hervorragend mit dem Ansatzder objektgebundenen Datenflüsse kombinieren; die Leistungsobjekte in denProduktions- und Logistiksystemen führen ihren Datenhaushalt mit sich undrufen entlang der Prozessschritte die jeweils notwendigen Dienste ab. Diesewiederum beziehen die relevanten Daten unmittelbar vom anfordernden Ob-jekt. Da eine starre Modellbildung und -implementation entfällt, sind auf die-ser konzeptionellen Plattform agile Informations- und Steuerungssystemeaufzubauen, die den Anforderungen im Hinblick auf eine hohe Flexibilitätentsprechen.

6. Ökologie als Zukunftsthema der Logistik

Nicht unmittelbar ersichtlich, aber doch zwingend mit der Thematik agilerUnternehmen in Wertschöpfungsnetzen verbunden, ist das Thema Ökologie.

Aktuell nimmt die Diskussion um die durch den Menschen verursachteKlimaänderung an Eindringlichkeit und Schärfe zu. Der Logistik kommt indiesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle zu, wenngleich hier derzeiteher negative Aspekte im Vordergrund stehen. Die Themen der Atomisierungvon Warenströmen im Handel und die Unterstützung bestandsminimaler Pro-duktionsstrategien in Wertschöpfungsnetzen führen zwangsläufig zu einemhohen Aufkommen an Wirtschaftsverkehren. Die politischen und gesell-schaftlichen Diskussionen gehen verstärkt in die Richtung, Individualverkeh-re durch gesetzliche Regelungen, die im Nachgang einer strengen Kontrollehinsichtlich ihrer Umsetzung bedürfen, ökologischer zu gestalten. Ohne dieErfolgsträchtigkeit dieser Bemühungen in Zweifel zu ziehen, stellt sich aberdoch die Frage, ob eine stärkere Fokussierung auf die Logistik nicht schnellerund effizienter Beiträge zum Klimaschutz leisten kann.

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Die Gestaltung logistischer Prozesse ist seit langer Zeit Gegenstand derForschung und Entwicklung. Es sind hoch effiziente Methoden der Planungund Steuerung entwickelt worden, die zur Optimierung der Logistik in der Be-schaffung, der Produktion und der Distribution geführt haben und auch wei-terhin führen. Auch Bereiche der Logistik, die das tägliche Leben tangieren,wie die Entsorgungslogistik, sind umfassend erforscht. Auf dieser Basis kannnun unter ökologischen Gesichtspunkten bestens aufgesetzt werden. Es sindumfangreiche Kennzahlenwerke entstanden, die zur Analyse und Optimie-rung logistischer Prozesse herangezogen werden können. Alle diese Kenn-zahlenwerke haben eines gemeinsam: sie orientieren sich an ökonomischenAspekten. Die Minimierung von Durchlaufzeiten, die Sicherung einer hohenTermintreue oder die Reduzierung von Beständen sind typische Zielvorga-ben, deren Erreichen mittels der Kennzahlensysteme analysiert und optimiertwerden. Auch der Einsatz von Ressourcen wird dabei selbstverständlich in dieÜberlegungen und Optimierungsstrategien mit einbezogen. Zu den Ressour-cen gehören natürlich technische, wie Fahrzeuge oder Fördertechniken. AuchPersonal oder Flächen werden betrachtet. Dabei stehen jedoch ausnahmslosInvestitions- und Betriebskosten im Vordergrund.

Die ökologische Dimension bleibt nahezu vollständig außen vor. Am Bei-spiel der Herstellung eines Erdbeerjoghurts zeigte Stefanie Böge in ihrer Di-plomarbeit schon 1992, dass mehr als 9.000 LKW-Kilometer nötig sind,damit ein deutscher Joghurt im deutschen Ladenregal stehen kann. Die Erd-beeren stammen aus Polen, die Bakterien kommen aus Schleswig, das Glaswird in Bayern produziert, der Aluminiumdeckel wird im Rheinland gefertigt[BÖGE 1992]. Zwar wurde durch diese Arbeit ein gewisses Maß an Auf-merksamkeit erzeugt, nachhaltige Überlegungen, wie umweltbezogeneAspekte berücksichtigt werden können, sind daraus jedoch nicht entstanden.

Logistische Prozesse laufen zumindest in der Idealvorstellung geplant,koordiniert, gesteuert und kontrolliert ab. Es liegt also nahe, in die diesbezüg-lichen Planungs- und Steuerungssysteme ökologische Parameter zu integrie-ren, um auch unter diesem Gesichtspunkt zu optimierten Ergebnissen zukommen.

Dabei geht es nicht nur darum, Prozesse der Kreislaufwirtschaft logistischzu unterstützen, sondern die Forderung besteht darin, die Logistik selbst öko-logischer zu gestalten. Energieverbrauch, Schadstoffausstoß und Flächenver-brauch müssen in die Optimierungsstrategien eingebunden werden.

Betrachten wir als ein Beispiel in diesem Zusammenhang den Transportvon Biomasse, die zur Energieerzeugung eingesetzt werden soll: Bisher exi-

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stieren nur rudimentäre Ansätze und Modelle, um die zum Transport von En-ergieträgern aufzuwendenden Ressourcen vollständig in eine Berechnung derEnergiebilanz oder auch der Wirtschaftlichkeit (Volkswirtschaft!) aufzuneh-men. Der Wirkungsgrad der Energieträger wird sicher neu zu bewerten sein,wenn entsprechende Modelle den tatsächlichen Ressourcenaufwand transpa-rent werden lassen. Auch auf die Produktion lassen sich derartige Fragestel-lungen abbilden: über welche Distanzen und mit welchen Ressourcen istbeispielsweise eine JIT/JIS-Anlieferung ökologisch noch vertretbar. Und na-türlich kommt auch hier die Frage auf, in wie weit intelligente IT-Lösungenhier Unterstützung leisten können. Gerade diese Frage ist dann besonders kri-tisch zu stellen. Denn nicht alles, was technisch möglich ist, muss unbedingtVorteile – hier in ökologischem Zusammenhang – mit sich bringen. Bei-spielsweise ist zu hinterfragen, ob die Forschungsarbeiten, die sich mit intel-ligenten Objekte, die sich ihren Weg durch Produktions- und Logistiksystemeselbständig suchen, auseinandersetzen, wirklich zielführend sind. Oder obdiese Forschung nicht ein eher einen Weg ins Suboptimale beschreiten, da siezwar lokale respektive individuelle Optimierungen im Fokus haben, diesedem Gesamtzusammenhang also überordnen.

Literatur

[Böge 1992] Böge, Stefanie, Diplomarbeit an der Universität Dortmund: „Die Aus-wirkungen des Straßengüterverkehrs auf den Raum – Erfassung und Bewertungvon Transportvorgängen in einem Produktlebenszyklus“ am Beispiel von Milch-produkten („Der Weg eines Erdbeerjoghurts“)