unternehmen und verantworten: meister, manager oder mehr€¦ · noch mehrjahre, wie es der markt...

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Vor A Wochen hatte ich einen sehr schwierigen Beratungsfall : Ein selbstän- diger Handwerksmeister ist in große exi- stentielle Not geraten . Nicht nur für sei- nen Betrieb, sondern - wie es im Hand- werk üblich ]Ist - für seine gesamte Fa- milie, weil die gesamte Familie mithaftet . Ich konnte den Fall persönlich nicht lösen. Ich brauchte den Rat eines Exper- ten, eines Anwaltes, der für derartige Fra- gen das Wissen hat . Ich habe einen An- walt angerufen, den Fall geschildert und er sagte mir daraufhin : "Schicken Sie mir den Mann, am besten kommt direkt die Ehefrau mit, und ich werde mich darum kümmern . " Ich musste dann dem Anwalt sagen, da ist aber keine Masse mehr vorhanden . Sie, müssten dann umsonst arbeiten . Ich kann Ihnen kein Honorar zusagen . Da- raufhin sagte mir der Anwalt : "Wir haben jetzt September, ich kann absehen, dass mein Jahresergebnis einigermaßen zufrie- denstellend ausläuft . Ich habe ein Auto, ich habe ein Haus, meine Kinder studie- ren . Ich kann mir das leisten, und ich habe außerdem ein Sozialbudget jedes Jahr, das habe ich in diesem Jahr noch nicht ausge- schöpft . Wenn ich das nicht tun könnte, würde mir die Arbeit keine Freude berei- ten.Schicken Sie mir den Mann ." Ich habe ihn hingeschickt . Er hat den Fall hervor- ragend gelöst - ohne Honorarberech- nung . Warum erzähle ich diesen konkreten Fall? Es gibt sie also doch, die Menschen in unserer Wirtschaft, in unserer Gesell- schaft - vielleicht viel stärker als wir mei- nen -, die Eigenverantwortung wahrneh- men . Und ich habe ganz bewusst keinen Fall aus dem Handwerk gewählt, weil Sie Dr . Jürgen Hogeforster' -` Unternehmen und Verantworten : Meister, Manager oder Mehr sonst gesagt hätten, jetzt macht der Ho- geforster wieder Reklame fürs Hand- werk . Die kommt natürlich später noch! Zum anderen möchte ich daran die Frage knüpfen : Hat sich dieser Anwalt richtig verhalten? Ich meine jetzt nicht richtig im juristischen Sinne . Davon verstehe ich nichts, sondern mehr im Sinne der Be- triebswirtschaft . Hat er betriebswirtschaftlich richtig gehandelt, als Unternehmer? Denn er ist ja gleichzeitig selbständiger Unterneh- mer. Zunächst nein, denn in der Zeit, in der er kostenlos jemanden beraten und geholfen hat, hätte er anderes tun können, hätte er Umsatz machen können und damit einen höheren Gewinn . In unserem Staatssystem wird zwar dann der größte Teil des Gewinns weggenommen. Inso- fern könnte man dankbar sein, dass es sich nicht mehr lohnt, noch zusätzliche Gewinne zu machen, sondern etwas So- ziales zu tun . Ich möchte die These aufstellen und darüber ein wenig mit Ihnen Gedanken austauschen, dass sich dieser selbständige Anwalt auch betriebswirtschaftlich rich- tig verhalten hat, hundertprozentig rich- tig verhalten hat . Warum? Er hat mir nämlich gesagt : "Was wäre mein Beruf, wenn ich daran keine Freude habe . Ich kann nicht nur für Geld arbeiten ." Das hat mich wahnsinnig beeindruckt . Ich will Freude haben am Tun . Und wenn jemand beim Tun sehr viel Freude hat, wird ihm kostenlos eine Energie zuflie- ßen, wird er die Arbeit leichter machen können, er wird mehr Kunden bekom- men und damit ist es auch betriebswirt- schaftlich sinnvoll . Wir müssen nur Be- triebswirtschaft richtig definieren . Dr. Hogeforster ist Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Hamburg. Mitschrift eines frei gehalte- nen Vortrages auf dem 1 . PRO HONORE-Forum am 29 . Oktober 1998 im Albert-Schäfer-Sa<1 der Handelskammer ]Hamburg .

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Page 1: Unternehmen und Verantworten: Meister, Manager oder Mehr€¦ · noch mehrJahre, wie es der Markt er-möglicht. Immer mehr Kunden wollen mit der Bauleistung den Wert "Sicher-heit"

Vor A Wochen hatte ich einen sehrschwierigen Beratungsfall : Ein selbstän-diger Handwerksmeister ist in große exi-stentielle Not geraten . Nicht nur für sei-nen Betrieb, sondern - wie es im Hand-werk üblich ]Ist - für seine gesamte Fa-milie, weil die gesamte Familie mithaftet .Ich konnte den Fall persönlich nichtlösen. Ich brauchte den Rat eines Exper-ten, eines Anwaltes, der für derartige Fra-gen das Wissen hat . Ich habe einen An-walt angerufen, den Fall geschildert under sagte mir daraufhin : "Schicken Sie mirden Mann, am besten kommt direkt dieEhefrau mit, und ich werde mich darumkümmern . "

Ich musste dann dem Anwalt sagen,da ist aber keine Masse mehr vorhanden .Sie, müssten dann umsonst arbeiten . Ichkann Ihnen kein Honorar zusagen . Da-raufhin sagte mir der Anwalt : "Wir habenjetzt September, ich kann absehen, dassmein Jahresergebnis einigermaßen zufrie-denstellend ausläuft . Ich habe ein Auto,ich habe ein Haus, meine Kinder studie-ren . Ich kann mir das leisten, und ich habeaußerdem ein Sozialbudget jedes Jahr, dashabe ich in diesem Jahr noch nicht ausge-schöpft . Wenn ich das nicht tun könnte,würde mir die Arbeit keine Freude berei-ten.Schicken Sie mir den Mann." Ich habeihn hingeschickt . Er hat den Fall hervor-ragend gelöst - ohne Honorarberech-nung .

Warum erzähle ich diesen konkretenFall? Es gibt sie also doch, die Menschenin unserer Wirtschaft, in unserer Gesell-schaft - vielleicht viel stärker als wir mei-nen -, die Eigenverantwortung wahrneh-men. Und ich habe ganz bewusst keinenFall aus dem Handwerk gewählt, weil Sie

Dr. Jürgen Hogeforster'-`

Unternehmen und Verantworten:Meister, Manager oder Mehr

sonst gesagt hätten, jetzt macht der Ho-geforster wieder Reklame fürs Hand-werk . Die kommt natürlich später noch!Zum anderen möchte ich daran die Frageknüpfen : Hat sich dieser Anwalt richtigverhalten? Ich meine jetzt nicht richtig imjuristischen Sinne . Davon verstehe ichnichts, sondern mehr im Sinne der Be-triebswirtschaft .

Hat er betriebswirtschaftlich richtiggehandelt, als Unternehmer? Denn er istja gleichzeitig selbständiger Unterneh-mer. Zunächst nein, denn in der Zeit, inder er kostenlos jemanden beraten undgeholfen hat, hätte er anderes tun können,hätte er Umsatz machen können unddamit einen höheren Gewinn . In unseremStaatssystem wird zwar dann der größteTeil des Gewinns weggenommen. Inso-fern könnte man dankbar sein, dass essich nicht mehr lohnt, noch zusätzlicheGewinne zu machen, sondern etwas So-ziales zu tun .

Ich möchte die These aufstellen unddarüber ein wenig mit Ihnen Gedankenaustauschen, dass sich dieser selbständigeAnwalt auch betriebswirtschaftlich rich-tig verhalten hat, hundertprozentig rich-tig verhalten hat . Warum? Er hat mirnämlich gesagt : "Was wäre mein Beruf,wenn ich daran keine Freude habe . Ichkann nicht nur für Geld arbeiten."

Das hat mich wahnsinnig beeindruckt .Ich will Freude haben am Tun . Und wennjemand beim Tun sehr viel Freude hat,wird ihm kostenlos eine Energie zuflie-ßen, wird er die Arbeit leichter machenkönnen, er wird mehr Kunden bekom-men und damit ist es auch betriebswirt-schaftlich sinnvoll . Wir müssen nur Be-triebswirtschaft richtig definieren .

Dr. Hogeforster ist Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Hamburg. Mitschrift eines frei gehalte-nen Vortrages auf dem 1 . PRO HONORE-Forum am 29 . Oktober 1998 im Albert-Schäfer-Sa<1 derHandelskammer ]Hamburg .

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Zum anderen : ich mache überall Re-klame für diesen Anwalt . Er hat in mireinen richtigen Werber gefunden, und ichbin überzeugt, mit seinem Verhalten wirder neue, treue Kunden finden .

Also meine Aussage : Wertorientie-rung steht nicht gegen Betriebswirtschaft .Ich habe nur den Eindruck, dass in vielenUnternehmen der Teil Wertorientierungzu kurz kommt. Und ich möchte mitIhnen darüber nachdenken, dass wir füreine nachhaltig langfristig erfolgreicheUnternehmenspolitik Betriebswirtschaftund Wertorientierung, Unternehmens-ethik benötigen und uns an beiden aus-richten müssen . Dass dies kein Gegensatzist, dass eine Wertorientierung im Unter-nehmen keine Sozialdusselei darstellt,sondern ganz schlicht betriebswirtschaft-liche Notwendigkeit, um erfolgreich zusein . Um den materiell erreichten Wohl-stand zu sichern, brauchen wir Wert-orientierung oder noch etwas stärker aufden Punkt gebracht : Ich habe den Ein-druck, dass wir unseren Geist verwirt-schaftet haben und es gilt nun, nachzuho-len!

Warum ist diese Wertorientierung sowichtig, warum ist diese geistige Ent-wicklung so alles entscheidend für unsereZukunft? Dazu in Stichworten siebenGründe, warum es für ein Unternehmenso wichtig ist, sich an Werten - an wel-chen Werten werde ich dabei zum Aus-druck bringen - stärker zu orientieren :

Ich behaupte, der Wertverfall und diemangelnden Wertorientierungen führenzu roten Zahlen auf der betriebswirt-schaftlichen Ebene . Wir haben längst kei-nen '_Markt mehr des Verkäufers, sonderndie Käufer bestimmen, was zu geschehenhat . Und die Käufer wollen Qualität, siewollen Vertrauen mitkaufen, sie wollenvon dem Unternehmen mit dem Produktoder einer Dienstleistung zugleich Werteerhalten, die sie so dringend benötigen :Die Kunden wollen einen Mehrwert!

Ein konkretes Beispiel aus dem Hand-werk : Wenn ich eine schlechte Arbeit ma-che, beispielsweise im Baubereich, dannwerden zwangsläufig die Forderungender Kunden wachsen, höhere Garantie-leistungen zu erhalten. Nämlich ein Si-

cherungseinbehalt nicht nur für 2 Jahre,wie es die Vergabeordnung vorschreibtoder für 5 Jahre, -wie es das BürgerlicheGesetzbuch vorsieht, sondern für 10 odernoch mehr Jahre, wie es der Markt er-möglicht . Immer mehr Kunden wollenmit der Bauleistung den Wert "Sicher-heit" erhalten . Viele Auftraggeber verlan-gen mittlerweile 10-jährige Garantieleis-tungen . Das ist ein Ausdruck dafür, dasskein Vertrauen vorhanden ist, dass dieQualität nicht in dem Maße da ist, dasseben die Werte, die dort hinter stehen,nicht zu dementsprechenden Arbeitengeführt haben, also wird damit die Pro-duktion verteuert . Je höher die Garantie-leistungen, je höher die Einbehalte, je teu-rer wird die Produktion, je schlechter dasbetriebswirtschaftliche Ergebnis .

Ein zweiter Grund: ein dynamischerWandel verlangt eine Wertorientierung .Meine sehr verehrten Darnen und Her-ren, ich bin der felsenfesten Überzeu-gung, dass wir seit Beginn der 90er Jahrein eine neue Zeitepoche eingetreten sind,die etwa vergleichbar ist mit dem Beginnder Industrialisierung . Wenn wir in 10/15Jahren einmal zurückschauen, werdenwir feststellen, in dem letzten Jahrzehntdieses Jahrhunderts ist eine völlig neueZeitepoche angebrochen und je schnellerder Wandel, je dynamischer die Entwick-lungen sind, und wir alle erleben ja, wiedynamisch es weitergeht, je wichtiger isteine Wertorientierung . In dieser hekti-schen Welt, die weltweit vernetzt ist, fühltder Mensch sich nicht mehr zu Hause,sucht eine Orientierung, und die Orien-tierung erhalten wir in allererster Linie inunseren Werten . Je klarer wir die Werteleben für uns im Unternehmen, aber auchfür unsere Mitarbeiter - je besser ist unse-re Orientierung . Es kommt zunehmenddarauf an, als Unternehmer mit klarenWertvorstellungen durch diese chaotischeWelt das Unternehmen erfolgreich zusteuern .

Dritter Grund, warum wir mehrWertorientierung benötigen : Über eineausgeprägte Wertorientierung im Unter-nehmen erhalten wir eine starke Sozial-energie, die uns keinen Pfennig Geldkostet . Was meine ich damit? Wir allewissen, wenn jemand nur seine Pflicht tut

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- das ist zuwenig . Wir erwarten voneinem Mitarbeiter - ich jedenfalls -, dasser für sein Unternehmen brennt, sichdafür einsetzt, mit Leidenschaft dabei ist .Gleichzeitig ist jedoch bei vielen Un-ternehmen diese Emotionalität ausge-blendet . Wie kann ich denn erwarten,dass jemand leidenschaftlich arbeitet,wenn ich Emotionen nicht zulasse?Emotionen gehören zum Erfolg .Um welche Werte geht es dabei?Wenn ich im Unternehmen nur Angst

haben muss, bei jeder nächsten Gelegen-heit meinen Arbeitsplatz zu verlieren,dann wird dort nie eine große Leistungherauskommen, dann kann ich maximalPflichterfüllung erwarten . Pflichterfül-lung allein ist zu wenig . Wenn ich dage-gen erreichen . kann, mit meinen Mitar-beitern gemeinsam für das Unternehmenzu brennen, wenn wir eine gemeinsameWertorientierung haben und damit dieZiele vorgeben, die Wege der Zielerrei-chung jedoch dem Einzelnen stärkerselbst überlassen kann, erzeuge ichFreude, erzeuge ich eine kostenlose Euer-gie, die zu mehr Erfolg führt und zuKostensenkungen .

Vierter Grund für mehr Wertorien-tierung : Ich behaupte, überall dort, wo inunserer Gesellschaft starke Engpässe lie-gen, sind dort die allergrößten Chancen .Beispielsweise ; wenn Umweltgüter sehrknapp werden und einen Engpass darstel-len, ist das ein Zeichen dafür: da lohnt essich zu investieren, denn das wird einZukunftsmarkt . Es ist ganz klar, dennEngpässe sind dadurch gekennzeichnet,dass das Angebot im Verhältnis zurNachfrage zu gering ist, also sind Eng-pässe immer hoch interessante Signal-wirkungen für Zukunftsfelder. Und ichbehaupte, in unserer heutigen Zeit, unddas ist auch der Anlass dieser heutigenTagung, haben wir ausgeprägte Wertdefi-zite, also einen Engpass in der Wertorien-tierung. Und dann sind darin riesengroßeChancen für uns, die wir stärker nutzensollten, auch in unseren Unternehmen .

Fünfter Grund für mehr Wertorien-tierung und den mag der eine oder anderejetzt etwas kritisch betrachten : Ich be-haupte, wir erreichen durch Wertorientie-rung in den Unternehmen weniger Staat .

Wir haben eine gesellschaftlicheArbeitsteilung, die uns mittlerweile einenStaatsanteil von über 50 % beschert hat,und wir schimpfen darüber.

Aber, meine sehr verehrten Damenund Herren, einmal : der Staat sind wir,zum anderen, der Staat hat uns etwasabgenommen - aber wir haben es auchabgegeben! Wir haben es zugelassen . Undimmer wenn der Staat ein Gesetz macht,über das wir heute schimpfen, ist dies einZeichen dafür : wir haben selbst nicht ge-handelt . Unsere Verantwortung war nichtda!

Wenn wir im Unternehmen Umwelt-schutz ernst nehmen, und auf unsereUmwelt achten, und das ist eine Wert-orientierung, dann brauche ich keinenStaat, der Gesetze macht . Dann ist dasThema überflüssig . Also, wenn wir weni-ger Staat haben wollen, müssen wir beiuns selbst anfangen, wir müssen demStaat die Aufgaben "klauen", wegneh-men, und dies geht nur über eine entspre-chende Wertorientierung, nämlich überEigenverantwortung .

Und daraus leitet sich direkt meinsechster Grund ab, warum wir mehrWertorientierung benötigen : Wir werdendie notwendigen gesellschaftlichen Re-formen - unabhängig von irgendeinerparteipolitischen Färbung - aus meinerSicht nur bekommen, wenn wir selbst zumehr Wertorientierung bereit sind unduns in eine richtige Richtung hineinbege-ben . Denn das System ändert sich nicht,wenn wir uns nicht ändern . Auf einemApfelbaum wachsen keine Birnen! Wennwir sagen, wir wollen Reformen-haben,und ein wichtiges Ziel aller Reformen istja mehr Eigenverantwortung, mehrFreiheit, dann muss ich diese Eigenver-antwortung aber auch als Wert vorleben,muss sie realisieren, muss es tun . Wervom Staat Reformen will, muss sie selbstvorleben . Reformen in unserer Gesell-schaft sind nur möglich, wenn wir dieEigenverantwortung selbst auch tatsäch-lich ausfüllen . Alles fängt bei uns selbstan .

Letzter Grund, warum wir mehrWertorientierung benötigen . Das Grund-prinzip des Unternehmers ist, Verant-wortung zu tragen .

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Das Kernstück eines Unternehmensist für mich ein Mensch, der selbständig,eigenverantwortlich handelt und Verant-wortung trägt, für sich und für andere, fürdas Ganze, für seine Mitarbeiter, aberauch ein Stückchen für seine Umwelt .

Unternehmer müssen Gewinne ma-chen, das ist für mich gar kein Thema.Wir brauchen Gewinne in Unternehmen.Sie sind im Handwerk viel zu niedrig . Wirbrauchen eine höhere Eigenkapitalquote .Aber auch hier gilt, für Geld alleine lohntes sich nicht zu arbeiten . Wir müssenauch als Unternehmer, ich hatte es amBeispiel des Anwaltes schon gesagt,Freude, Energie, Erfüllung, Erfolg durchwahrgenommene Verantwortung errei-chen . -

Und meine Damen und Herren, Ver-antwortung ist die Kehrseite der Freiheit .Wer immer nur Freiheit fordert, undnicht bereit ist, die Verantwortung einzu-bringen, der ist nur frech . Ein klugerAmerikaner hat einmal gesagt, die Frech-heit ist die Freiheit der Sklaven, dieimmer nur gefordert wird, aber nichtdurch entsprechende Verantwortung ein-gelöst wird . Oder wie es mir einmal einMeister gesagt hat : Die Kasse muss so-wieso stimmen ; ich will höchste Qualitätund zufriedene Kunden . Das war seineWertorientierung . Deswegen ist er sehrerfolgreich .

Soweit 7 Gründe, warum ich meine,dass wir auch aus ganz simplen betriebs-wirtschaftlichen Gründen - ebenso ausgesellschaftspolitischen Gründen - eineverstärkte Wertorientierung brauchen,die nach meiner Vorstellung sehr starknach dem Prinzip der Verantwortung er-folgen muss . Der Verantwortung, diejeder einzelne wahrnehmen muss . Ichwerde dazu nachher noch einige Wortesagen .

Jetzt die Frage : Wie erreichen wirmehr Wertorientierung? Wie kann mandas bewerkstelligen? Es hat ja keinenZweck, Ihnen nur zu sagen, wir brauchensie . Können wir es auch bewerkstelligen?

Und hier eine kurze Vorbemerkung :Ich bin der Meinung, wir erleben in dieserneuen Zeitepoche einen sehr starkenParadigmawechsel, einen vollständigenWechsel der Verhaltensweisen . Früher ist

es so gewesen, dass die Wertorientierun-gen in erster Linie von "oben" vorgege-ben und "unten" gelebt wurde . Es war dieKirche, es waren die Wissenschaftler, eswar dann Politik, die Werte bestimmthaben in der Gesellschaft . Ich behaupte,in unserer heutigen Zeit und erst rechtmorgen, ist es immer weniger möglich,die Werte oben zu bestimmen und untenzu leben, sondern wir werden dazu ver-stärkt kommen müssen, dass der einzelneMensch für sich herausfindet, was für ihngut ist, was er verantworten kann . Also,es wird sehr stark zu einer Individual-ethik kommen . Das ist meine Grundaus-sage .

Was bedeutet dies für einen Unterneh-mer? Wenn der Unternehmer sich nebender Betriebswirtschaft auch an anderenWerten orientiert, wird ihm kein Pastor,kein Professor, kein Politiker, kein Be-rater sagen können, an welchen Wertensich dieser Unternehmer orientieren soll .Er wird es nur für sich selbst alleine ent-scheiden können und mit seinen Mit-arbeitern in Einklang bringen müssen .Also sehr stark eine individuelle Ethik .Und deshalb gibt es auch keine Patent-rezepte .

Ich möchte Ihnen einige grundlegendeWege und dann einige Beispiele abschlie-ßend aufzeigen : Mein erster grundlegen-der Weg lautet : den Geist entwickeln.

Es ist bereits angeklungen . Ich kannleider auch das aus Zeitgründen nicht ver-tiefen . Geist entwickeln bedeutet, die gei-stige Basis unserer Werthaltung stärker inden Vordergrund zu stellen durch All-gemeinbildung, in der beruflichen Bil-dung, in der Weiterbildung . :Dies wäre eineigenes, sehr spannendes und wichtigesThema! Aber geistige Entwicklung bein-haltet auch einen erweiterten Begriff derBetriebswirtschaft . Ich habe selbst in mei-nem Studium erlebt, wie eng Betriebs-wirtschaft definiert wurde . Ich habe Jahregebraucht, das zu vergessen. Da war ichrichtig dankbar, dass ich das vergessenhatte und dann zu einer vernünftigenDefinition der Betriebswirtschaft kam .Wir können den Geist entwickeln durchInformationen, Erfahrungsaustauschund Beratung, aber am aller stärksten

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durch das eigene Vorbild im Unter-nehmen . Und ich unterscheide im Un-ternehmen 4- Ebenen auf denen wir den-ken, handeln und auch Vorbild sein kön-nen.

Die erste Ebene ist die Ebene derBilanzen . Hier schlägt sich alles materiellnieder, sei es ; die Vermögensrechnung, seies die Einnahme- und Ausgabenrech-nung, sei es eine Materialbilanz . Wennhier etwas nicht in Ordnung ist, das über-schauen wir schnell und handeln . Nurdie Probleme liegen meistens auf einernächst tieferen Ebene .

Nach der Ebene der Bilanzen kommtdie Ebene der Bewegung . Das sind immerdann Themen, wenn wir uns um oderetwas zwischen zwei Orten bewegenmüssen, sei es zwischen Materiallager undVerkauf, zwischen Handwerksbetriebund Kunden. Haben wir hier Probleme,gehen wir auf die nächste Ebene und dasist die Ebene der Energie . Wie ist es mitder Energie im Unternehmen bestellt,nämlich der Sozialenergie, die ich bereitsangesprochen habe . Wird dort mit Freu-de, mit Begeisterung gearbeitet? Wir allewissen, wenn wir keine Lust haben, dannhat es gar keinen Zweck anzufangen . MitBegeisterung ; erreichen wir alles!

Letztlich entscheidend ist die vierteEbene, die des Geistes . Welche Werthal-tungen leben in dem Unternehmen? Ichbehaupte, letztlich werden die Erfolgeeines Unternehmens auf dieser Ebenebestimmt - und diese Ebene sollten wirverstärkt in den Mittelpunkt rücken .

Ein weiterer Weg, den ich wichtigempfinde und als wunden Punkt ansehe,trägt bei mir die Überschrift "Die Bi-lanzen ausgleichen" . Das Grundprinzipeines verantwortungsvollen - und ichstelle Verantwortung in den Vordergrund- , eines wertorientierten Handelns ist derdauerhafte Ausgleich der Bilanz zwischenGeben und Nehmen . Geben und Neh-men zwischen Menschen, Unternehmerzu Mitarbeitern, Unternehmer zu Kun-den, Kunden zum Unternehmer, aberauch im Verhältnis zu unserer Umwelt .Wir müssen die Bilanzen dauerhaft zumAusgleich bringen . Wer immer nur gibt,fühlt sich schlecht, fühlt sich ausgebeutet,

ist bestimmt unzufrieden, aber er machtauch andere Menschen von sich abhängig .Auch das sollten wir berücksichtigen,auch in unserem Sozialstaat . Wer immernur gibt, macht andere von sich abhängig,und er muss lernen, auch nehmen zu kön-nen, und muss dem anderen eine Chancezum Geben einräumen und es einfordern .jeder kann etwas geben und sei es noch soklein!

Wer immer nur nimmt, fühlt sich aus-gehalten, hat ein schlechtes Gewissen undwird zwangsläufig nur frech werden kön-nen, weil er nämlich ein schlechtesGewissen hat . Er muss die Chance zumGeben erhalten, und - meine sehr verehr-ten Damen und Herren -, wer in unsererGesellschaft alle Chancen zum Gebenablehnt, der sollte auch das Recht haben,nichts mehr nehmen zu müssen .

Ich wiederhole : Wer alle Chancenzum Geben ablehnt, wer nichts gebenwill, sollte auch das Recht haben, nichtsmehr annehmen zu müssen . Ich bin gernebereit, darüber mit Ihnen - auch imHinblick auf die Arbeitslosigkeit-in eineDiskussion einzutreten!

Also, unsere Aufgabe ist es ständig,eine ausgeglichene Bilanz zwischen Ge-ben und Nehmen herzustellen .

Eine weitere Frage : Gibt es eineChance zur Realisierung einer verstärk-ten Wertorientierung? Ich sage ja, sehr,sehr große . Denn bei allen Überlegungenzum Wertewandel, zum Werteverfall : Espassiert sehr, sehr viel in unserer Gesell-schaft, vielleicht vielmehr als wir sehen!Ich sehe insbesondere bei jungen Men-schen und bei sehr alten Menschen sehrviel Überlegungen zu Werten, einen Auf-bruch zu neuem Werteverhalten .

Ich erlebe in den Stadtquartieren inHamburg sehr, sehr viele Menschen, dienicht besonders auffallen, die den Wegder Verantwortung gehen, und ich be-haupte die Menschen können viel mehr,als wir ihnen vielfach zutrauen . Warumwir diese positive Entwicklung nichtwahrnehmen, mag ein kleines Gedichtvon Eugen Roth verdeutlichen :

Ein Mensch, der Zeitung liest, erfährtdie Lage völlig umgekehrt .Das ist seit Adam so gewesen,wozu denn da noch Zeitung lesen?

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Leider werden die positiven Fälle inden Medien nicht gebracht, die negativenmachen Schlagzeilen . Die negativen Entwicklungen will ich gar nicht herunter-spielen, lediglich anmerken, dass wir Zei-tungen mit dem Bewusstsein von EugenRoth lesen sollten . Denn es gibt vieleChancen.

Das gesamte Handwerk ist eine her-ausragende Chance . "Handwerk alsChance" ist der Titel einer EKD-Denk-schrift . Das Handwerk hat strukturelleBegünstigungen, nämlich kleine über-schaubare Betriebseinheiten, direktesMiteinander mit den Mitarbeitern, sehrenges Verhältnis zu den Kunden, hoheFühlbarkeit und ganz besonders einenstrukturellen Vorteil, das Prinzip desMeisters . Wenn gerade über die Meister-qualifikation, den großen Befähigungs-nacha"eis heute viel diskutiert wird, dannliegt für mich das wichtigste darin, ver-achtet mir die Tradition nicht . Der Hand-werksmeister, der in sich eine Verantwor-tung trägt, sie über Generationen in sichträgt, die Verantwortung zur Ausbildung,die Verantwortung für das Werk seinerHände, Verantwortung für die Umweltübernimmt, gehört zur Elite, die wirdringend benötigen . Meister ist viel mehrals nur eine absolvierte Fortbildungs-prüfung . Deshalb ist mir die Meisteraus-bildung so wichtig für unsere gesamteGesellschaft . Deswegen sollten wir sienicht infrage stellen . Das sind strukturel-le Vorteile des Handwerks, für dasHandwerk, für die gesamte Gesellschaft .

Angesichts der sehr knappen Zeit nurwenige Stichworte zu einer letzten Frage :Was tun wir in der Handwerkskammerselbst zur Förderung dieser Wertorien-tierung?

Einmal, wir wollen in der Hand-werkskammer Vorbild sein für unsereMitgliedsunternehmen und für die Mit-arbeiter in den Unternehmen . Ich sage,wir wollen, wir sind es nicht, wir habenuns auf den Weg gemacht . Wir haben inder Kammer mit unserer Vollversamm-lung eine Unternehmensethik erarbeitet,die unser Grundgesetz darstellt! Daranlassen wir uns messen . Es ist sehr, sehrschwierig . Wir bekommen dann vielfachAnrufe aus den Betrieben mit Kommen-

taren wie, "das habt Ihr aber gesagt, daswollt Ihr tun - ihr tut genau das Ge-genteil . "

Ein schmerzhafter Prozess . Aber esgeht nur so, es offen zu machen und sichauch kontrollieren zu lassen durch dieÖffnung . Wir fördern sehr stark dieMeisterausbildung sowie generell dieFortbildung, indem wir Themen derWertorientierung hineintragen . In derAus- und Fortbildung arbeiten wir miteinem stark erweiterten Betriebswirt-schaftsbegriff . Wir setzen uns sehr starkein für Umweltschutz und betreiben seitfast 15 Jahren ein Umweltzentrum .

Ein wichtiger Punkt unserer Kammerist auch : wir wollen eine neue Elite imHandwerk und fördern diese sehr stark .Was heißt neue Elite? Ich spreche dasWort "Elite" ganz bewusst in diesemRahmen aus?

Elite heißt für uns, wir wollen Men-schen haben, die Verantwortung über-nehmen. Das ist der Handwerksmeister,der seine Kunden nicht übervorteilt, dereine gute Qualität abliefert, der ausbildet,der die Umwelt schützt . Der Handwerks-meister lebt für mich sehr viel elitärer, alsviele der sogenannten herkömmlichenElite . Und quer zu allen Ebenen möchtenwir diese Menschen entwickeln, undhaben dazu auch spezifische Ausbil-dungsgänge geschaffen . Wir wollen dieseneue Elite im Handwerk haben .

Ein weiterer Weg: Wir haben überviele Diskussionskreise, Arbeitsgruppenusw. ein Selbstverständnis des Hand-werks entwickelt, indem wir die Selbst-verpflichtung des Handwerks beschrei-ben . Es befindet sich jetzt in einer inten-siven Diskussion, und wir planen, dassdie Betriebe auf freiwilliger Basis diesesSelbstverständnis in ihren Ladengeschäf-ten aushängen, auf der Rückseite ihrerRechnung abdrucken usw., damit dieKunden auch danach fragen können unddann kontrollieren können, wird dies ein-gehalten . Diesen Weg wollen wir auf frei-williger Basis gehen . In diesem Rahmensind wir mit den verschiedenen gesell-schaftlichen Gruppen im Gespräch .

Hauptpastor Adolphsen :hat die zehnGebote für das Handwerk speziell, sowiefür die gesamte Wirtschaft generell, ent-

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wickelt . Eine wunderbare Grundlage fürunsere Wertorientierung und für unsereweiteren Arbeiten an diesem wichtigenThema. Leider fehlt mir die Zeit, Ihnenunser Selbstverständnis und die zehnGebote von Hauptpastor Adolphsen vor-zutragen . Ich bedauere dies sehr undkann diesbezüglich nur auf das Buch"Horizonte" verweisen, das wir im Juniherausgebracht haben.

Meine sehr verehrten Damen undHerren, ich habe mir heute das Themagestellt "Unternehmen und Verantworten- Meister, Manager oder mehr ?"

Meine Antwort : Der Meister ist mehr.Der Meister ist auf dem Weg. Er ist nochnicht derjenige, der optimal alles erfüllt .Aber wir sind auf dem Weg, und das findeich sehr gut . Und da Bilder mehr haftenbleiben als viele Worte, lassen Sie michabschließen mit einer kurzen Geschichte :

Ein junj;er Mann kommt in einenLaden und fragt den Verkäufer : "Washaben Sie denn zu verkaufen?" Hinterder Ladentheke ein sehr freundlicher älte-rer Herr, der sagt ganz liebenswürdig :

"Alles was Sie wünschen, mein Herr" .Da sagt der junge Mann: "Dann hätte ichgern den Weltfrieden, Umweltschutz, dieGleichberechtigung der Geschlechterund . . ." - da unterbricht ihn der ältereHerr sehr freundlich und sagt : "Moment,Moment, ich habe nicht gesagt, dass wirfertige Pflanzen verkaufen, ich verkaufehier nur den Samen . "

Damit bin ich wieder beim Ausgang :Wir haben den Samen in uns, jeder einzel-ne . Wir haben ihn von Geburt an in uns,und für das Wachstum der Pflanzen dar-aus sind wir selbst verantwortlich . Jederist für sich selbst verantwortlich . DieseVerantwortung brauchen wir . Und dieseVerantwortung gilt auch heute!

Ich konnte Ihnen nur meine Sicht-weise vortragen, was Sie daraus machen,ist Ihre Verantwortung, nicht meine . Ichbin nun leider ein sehr schlechter Ver-käufer. Wenn aber nur ein Zuhörer heuteein Samenkorn mitnimmt, daraus einekleine Pflanze wächst, dann hat es sichgelohnt, dass Sie mir zuhören mussten,und insofern danke ich Ihnen herzlich fürIhre Aufmerksamkeit .