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UNSER JAHRESBRIEF 2016. WENN SIE SICH
EINE SUPERKRAFT WÜNSCHEN
KÖNNTEN, WELCHE WÄRE ES?
VON BILL & MELINDA GATES
22. FEBRUAR 2016.
JAHRESBRIEF 2016
22. Februar 2016.
WENN SIE SICH EINE SUPERKRAFT WÜNSCHEN KÖNNTEN, WELCHE WÄRE ES? Ein paar High-School-Schüler in Kentucky haben uns vor Kurzem diese Frage gestellt.
Sie haben uns auch nach unseren Lieblings-Frühstücksflocken gefragt (Bill: Cocoa Puffs;
Melinda: Wheat Chex); welches Tier wir gerne wären (Bill: ein Bonobo, ein Zwergschimpanse;
Melinda: ein weißer Leopard); und sie wollten wissen, ob wir den Whip und Nae Nae tanzen
könnten (einer von uns).
Aber die Frage nach der Superkraft hat uns am besten gefallen.
Fliegen? Unsichtbar sein? Eine Zeitreise-Alles gute Optionen.
Aber weil wir beide viel Zeit für unsere Stiftung und unsere drei Kinder aufwenden, haben wir
Antworten gegeben, die andere Eltern sicher auch gegeben hätten.
„Mehr Zeit!“
„Mehr Energie!“
Als wir uns an die Arbeit für den diesjährigen Jahresbrief machten, dachten wir immer noch an
diese Antworten. Natürlich wünscht sich jeder mehr Zeit und Energie. Aber diese Wünsche haben
in reichen Ländern eine ganz andere Bedeutung als in den ärmsten Ländern der Welt.
Armut bedeutet nicht nur, dass es an Geld fehlt. Es gibt auch keine Ressourcen, mit denen die Armen
ihr Potenzial verwirklichen könnten. Zwei wichtige Ressourcen sind Zeit und Energie.
Mehr als eine Milliarde Menschen lebt heute ohne Energieversorgung. Für sie gibt es keine
Elektrizität, um Häuser und Wohnungen mit Licht und Wärme zu versorgen, und keinen Strom für
Krankenhäuser und Fabriken, der dass Leben der Armen erheblich verbessern würde.
Und auch Zeitmangel schafft Hindernisse. Es geht nicht nur darum, das Gefühl zu haben, dass der
Tag einfach nicht genügend Stunden hat. Es geht auch um die Auswirkungen harter köperlicher
Arbeit ohne die Hilfe elektrischer Geräte.
Den diesjährigen Jahresbrief widmen wir den Chancen, die wir sehen, um diese so oft leicht zu
übersehenden Herausforderungen zu überkommen. Wir richten unseren Brief an Realschüler und
Gymnasiasten, weil Ihr diejenigen sein werdet, die diese Probleme lösen werden. (Unsere Interessen
bezüglich Zeit und Energie unterscheiden sich von denen für Gesundheit und Armut, aber sie hängen
alle zusammen. Wenn wir diese Probleme lösen können, wird es einfacher sein, Leben zu retten und
mehr Gleichberechtigung in der Welt zu schaffen.)
Mehr Zeit. Mehr Energie. Was Superkräfte anbelangt, sind diese beiden wahrscheinlich nicht so
aufregend wie die Kräfte von Superman, sich der Schwerkraft zu widersetzen. Aber wenn die Welt
es schafft, den Ärmsten mehr von Beidem zu geben, glauben wir, dass Millionen ihre Träume
erfüllen können.
MELINDA
Aber wir verraten nicht wer!
BILL
Mein Vater hatte eine Sammlung neuwertiger früher Supermann-Comics und ich habe sie alle gelesen.
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„MEHR ENERGIE“VON BILL
Heute werden alle von Euch mindestens eine dieser Tätigkeiten durchführen: Einen Lichtschalter
betätigen. Essen aus dem Kühlschrank nehmen. Per Thermometer die Wohnung wärmer oder
kühler machen. Auf dem Laptop eine Taste drücken, um online zu gehen.
Ihr denkt wahrscheinlich überhaupt nicht mehr über diese Tätigkeiten nach, aber was ihr da
macht, ist etwas Außergewöhnliches. Ihr setzt eine Superkraft ein—Euren Zugang zu Energie.
Das klingt lächerlich, nicht wahr?
Aber stellt Euch nur einmal eine Minute lang ein Leben ohne Energie vor.
Ihr könntet keinen Laptop, kein Handy und kein Fernsehgerät einschalten und könntet keine
Videospiele spielen. Ihr hättet kein Licht, keine Klimaanlage oder das Internet, um diesen Brief zu
lesen.
Zirka 1,3 Milliarden Menschen—das sind 18 Prozent der Weltbevölkerung—müssen sich das nicht
vorstellen. Sie leben diese Realität jeden Tag.
Ihr könnt Euch diese Realität gut vor Augen führen, wenn Ihr Euch ein in der Nacht
aufgenommenes Satellitenbild von Afrika anseht.
Afrika hat in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht. Es ist zu einer der am
schnellsten wachsenden Region der Welt geworden und hat moderne Städte, Millionen von
Handy-Benutzern, vermehrten Zugang zum Internet und eine dynamische Mittelklasse.
Aber Ihr könnt auch Teile ohne Licht sehen. Das sind die Gebiete, in die dieser neue Wohlstand
noch nicht vorgedrungen ist. Fast eine Milliarde Menschen in Afrika südlich der Sahara, das sind
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sieben von zehn Menschen, lebt
im Dunkeln, ohne Elektrizität.
Die meisten von ihnen leben
auf dem Land. Das gleiche
Problem kann man in Asien
beobachten. Alleine in Indien
leben 300 Millionen Menschen
ohne Elektrizität.
Wenn Ihr diese dunklen Gebiete
auf dem Foto vergrößern würdet,
könntet Ihr eine Szene wie die
folgende sehen. Das ist eine
Schülerin, die bei Kerzenlicht ihre
Hausaufgaben macht.
Ich bin immer sprachlos, wenn ich Fotos wie dieses sehe. Vor
mehr als einem Jahrhundert hat
uns Thomas Edison gezeigt, wie
eine Glühbirne die Nacht zum Tag machen kann. (Ich bin stolz darauf, dass ich eine seiner Skizzen
habe, auf der zu sehen ist, wie er seine Glühbirne verbessern wollte. Sie ist aus dem Jahr 1885.) Und
es gibt Gebiete auf der Welt, wo Menschen immer noch
darauf warten, die Vorteile dieser Erfindung zu genießen.
Wenn ich nur einen Wunsch hätte, den Ärmsten zu helfen,
dann wäre es, eine günstige und saubere Energiequelle zu
finden, um die Welt mit Energie zu versorgen.
Ihr fragt Euch vielleicht:„Ist es nicht das Wichtigste gesund
zu bleiben und genug Essen zu finden? Ist das nicht auch
wichtig? Ja natürlich, und unsere Stiftung arbeitet auch
in diesem Bereich unermüdlich. Aber Energie macht alles
viel leichter. Energie zu haben, bedeutet, dass man ein
Krankenhaus betreiben, eine Schule mit Licht versorgen
und Traktoren einsetzen kann, um mehr Nahrungsmittel
zu produzieren.
Denkt einmal an Euren Geschichtsunterricht. Wenn man die Geschichte in einem Satz
zusammenfassen könnte, würde dieser Satz wie folgt lauten: „Das Leben wird besser—nicht immer
für alle Menschen, aber meistens für die meisten Menschen.“ Und der Grund dafür ist Energie.
Tausende von Jahren heizten die Menschen mit Holz. Das Leben damals war kurz und hart. Aber
dann im 19. Jahrhundert haben die Menschen damit begonnen, mit Kohle zu heizen und das Leben
wurde schnell besser. Schon bald hatten wir dann Licht, Kühlschränke, Wolkenkratzer, Aufzüge,
Klimaanlagen, Autos, Flugzeuge und all die anderen Annehmlichkeiten des modernen Lebens,
Ein junges Mädchen liest bei Kerzenlicht in Tansania, 2015.
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von lebenserhaltenden Medikamenten
bis hin zur Landung auf dem Mond
und Düngemitteln und Filmen mit Matt
Damon. (Der Marsianer war im letzten Jahr
mein Lieblingsfilm.)
Ohne Zugang zu Energie stecken die Armen
im Dunkeln fest und können nicht die
Vorteile und Chancen der Energie nutzen.
Wenn wir also wirklich den Ärmsten der Welt
helfen möchten, müssen wir eine Möglichkeit
finden, sie mit günstigem und sauberem
Strom zu versorgen. Günstig, damit sich
jeder den Strom leisten kann. Sauber, damit
kein Kohlendioxid ausgestoßen wird, das den
Klimawandel beschleunigt.
Ihr habt sicher schon vom Klimawandel gehört und vielleicht sogar schon in der Schule etwas
darüber gelernt. Ihr fragt Euch vielleicht, was der Klimawandel für Euch bedeutet? Die Wahrheit
ist, das die Ärmsten der Welt am meisten vom Klimawandel betroffen sind. Millionen der ärmsten
Familien arbeiten in der Landwirtschaft. Wetterveränderungen bedeuten oft, dass ihr Saatgut
nicht wächst, weil es entweder zu viel oder zu wenig regnet. Und damit werden sie noch ärmer.
Und das ist besonders unfair, weil sie am wenigsten für den CO2-Ausstoß verantwortlich sind, der
das Problem verursacht.
Wissenschaftler behaupten, dass diese drastischen Langzeitveränderungen des Klimas nur dann
vermieden werden können, wenn die Treibhausgase bis zum Jahr 2050 um bis zu 80 Prozent
reduziert und bis Ende des Jahrhunderts vollkommen eliminiert werden.
Als ich das zum ersten Mal hörte, war ich überrascht. Könnten wir nicht nur einfach versuchen, die
CO2-Emissionen um die Hälfte zu reduzieren? Ich habe zahlreiche Wissenschaftler gefragt. Aber
sie alle waren der Meinung, dass das nicht genug ist. Das Problem sei, dass CO2 jahrzehntelang
in der Atmosphäre bleibt. Auch wenn wir morgen keinen CO2-Ausstoß mehr hätten, würde die
Temperatur aufgrund des bereits in der Luft hängenden CO2 trotzdem weiter steigen. Nein, wir
müssen auf Null kommen.
Das ist eine große Herausforderung. Im Jahr 2015 hat die Welt 36 Milliarden Tonnen an CO2 ausgestoßen. Das ist eine irrsinnige Zahl. Merkt Euch diese Zahl. Ihr könnt sie sicher einmal
nutzen. Wenn zum Beispiel irgendwann einmal jemand behauptet, dass er wisse, wie man 100
Millionen Tonnen an CO2 pro Jahr entfernen kann. Aber wenn Ihr nachrechnet—100 Millionen
geteilt durch 36 Milliarden—dann seht Ihr, dass das nur 0,3 Prozent des Problems sind. Jede
Das ausgetrocknete Ackerland
eines Landwirts in Assam, Indien, 2014.
BILL
Hoffentlich!
MELINDA
Was Bill damit sagen möchte, ist, dass wir die Wissenschaften sogar noch unterstützen müssen.
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Reduzierung der Emissionen hilft, aber wir müssen noch an den anderen 99,7 Prozent arbeiten.
Wie können wir eine Zahl wie 36 Milliarden Tonnen auf Null bringen?
1870 1890 1910 1930 1950 1970 1990 2011 2012 2013 2014 2015
Gigatonnen CO2
40
35
30
25
20
15
10
5
GLOBALER KOHLENDIOXIDAUSSTOSS VON FOSSILEN BRENNSTOFFEN
36 Milliarden tonnen
Quelle: International Energy Agency
Immer wenn ich mit einem großen Problem konfrontiert werde, wende ich mein Lieblingsfach,
die Mathematik, an. Das ist ein Fach, das mir immer leicht gefallen ist, auch in der Realschule, als
meine Noten nicht so gut waren. Wenn ich mich mit Mathematik beschäftige, kann ich ein
Problem auf einen ganz einfachen Nenner bringen.
Klimawandel ist ein Thema, über das viel gesprochen wird. Und einige behaupten sogar, dass das
Problem gar nicht besteht. Andere wiederum übertreiben die unmittelbaren Risiken.
Ich suchte nach einer Gleichung, die mir dabei helfen würde zu verstehen, wie wir den CO2
-Ausstoß auf Null bringen können.
Und das ist meine Gleichung:
STEIGT SOLLTE STEIGEN
EIN BISSCHEN WENIGER
WICHTIGSTER FAKTOR
MUSS NULL SEIN
Das sieht kompliziert aus. Ist es aber nicht.
Rechts haben wir die Gesamtmenge an Kohlendioxid, CO2 , das wir in die Luft ausstoßen. Und
diese Zahl müssen wir auf Null bringen. Diese Zahl basiert auf den vier Faktoren links vom
Gleichheitszeichen: der Weltbevölkerung (P) multipliziert mit den Dienstleistungen (S), die jede
Person in Anspruch nimmt, der Energie (E), die notwendig ist, um jede dieser Dienstleistungen
bereit zu stellen, und schließlich dem Kohlendioxid, (C), um die Energie zu produzieren.
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Ihr habt bereits gelernt, dass jede Zahl, die mit Null multipliziert wird, Null ist. Wenn wir also Null
CO2 wollen, dann müssen wir einen dieser Faktoren auf der linken Seite des Gleichheitszeichens
auf Null bringen.
Sehen wir uns diese Faktoren im Einzelnen an und sehen wir, was wir damit machen können.
Die Zahl der Weltbevölkerung (P) liegt derzeit bei 7 Milliarden und wird wahrscheinlich bis 2050
auf 9 Milliarden steigen. Diese Zahl können wir nie auf Null bringen.
Dann sehen wir uns die Dienstleistungen an. Das ist alles: Nahrungsmittel, Kleidung, Wärme,
Häuser, Autos, Fernsehgeräte, Zahnbürsten, Elmo-Spielzeug, Taylor Swift-Alben, etc. Das ist
eine Zahl, die, wie oben gesagt, in den ärmeren Ländern steigen muss, damit Menschen Licht,
Kühlschränke, etc. haben können. (S) kann also auch nie Null sein.
Sehen wir uns (E) an. Das ist die Energie, die für die Dienstleistungen aufgewendet wird. Und
hier haben wir gute Nachrichten. Kraftstoffsparende Autos, LED-Lampen und andere moderne
Erfindungen, machen es heute möglich, dass Energie effizient eingesetzt wird.
Viele Menschen, und Ihr gehört vielleicht auch dazu, ändern ihr Leben, um mehr Energie
zu sparen. Sie fahren mit dem Rad zur Arbeit, gründen eine Fahrgemeinschaft, schalten das
Thermostat um ein paar Grad herunter und isolieren ihre Häuser. Und diese Bemühungen
reduzieren den Energieverbrauch.
Aber das bringt uns leider hier auch nicht auf Null. Die meisten Wissenschaftler sagen sogar, dass
wir bis 2050 um 50 Prozent mehr Energie als heute verbrauchen werden.
Wir können also keinen der ersten drei Faktoren—Bevölkerung, Dienstleistungen und
Energie—auf fast Null reduzieren. Dann bleibt nur noch Faktor (C), die Menge an CO2, die pro
Energieeinheit ausgestoßen wird.
Weltweit wird der Großteil der Energie, wenn es sich nicht um Wasser- oder Atomkraft handelt,
mit fossilen Brennstoffen erzeugt, wie zum Beispiel Kohle, die einen sehr hohen CO2-Ausstoß
haben. Aber hier haben wir auch gute Nachtrichten. Mithilfe neuer grüner Technologien kann die
Welt mehr CO2-freie Energie mithilfe von Wind- und Solarstrom erzeugen. Ihr lebt vielleicht in
der Nähe einer Windfarm oder habt schon einmal Solarzellen auf den Dächern in der Nähe Eurer
Schule gesehen.
Es ist großartig, dass diese Stromarten günstiger werden und mehr und mehr Menschen sie einsetzen.
Wir sollten aber noch viel mehr davon einsetzen, wenn es Sinn macht, wie zum Beispiel in Gegenden
mit sehr viel Sonnenschein oder Wind. Und wenn wir neue Stromleitungen installieren, könnten wir
die Solar- und Windenergie sogar noch besser nutzen.
Um aber den Klimawandel zu stoppen und Energie für alle Menschen erschwinglich zu machen,
benötigen wir auch neue Erfindungen.
Warum? Solar- und Windenergie sind zuverlässige Energiequellen, wenn die Sonne scheint
und der Wind bläst. Aber die Energie muss auch dann zuverlässig sein, wenn es bewölkt ist
oder wenn nachts kein Wind weht. Das bedeutet, dass Stromversorgungsunternehmen diese
BILL
(Falls ja, werden wir keinen Klimawandel haben, aber etwas anderes Schlimmes muss passiert sein!)
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erneuerbaren Energiequellen oft durch fossile Energiequellen, wie Kohle und Erdgas, absichern,
die Treibhausgase ausstoßen.
Es wäre wunderbar, wenn es ein gutes System geben würde, das die Solar- und Windenergie
speichern kann. Derzeit sind die besten Speicheroptionen wiederaufladbare Akkus, die teuer sind.
Der Goldstandard heute sind immer noch Lithium-Ionen-Batterien, wie man sie in einem Laptop
findet. Um genug Elektrizität zu speichern, um alle elektronischen Geräte in einem Haus eine
Woche lang mit Strom zu versorgen, bräuchte man einen riesigen Akku, der die Stromrechnung
verdreifachen würde.
Wir benötigen also bessere und wirtschaftlichere Lösungen.
Wir brauchen ein Energiewunder!
Und wenn ich von Wunder spreche, meine ich damit nicht etwas, das unmöglich ist. Ich habe
schon Wunder gesehen. Der PC. Das Internet. Die Polio-Impfung. Keines dieser Wunder
ist zufällig entstanden. Sie sind alle das Ergebnis von Forschung und Entwicklung sowie der
menschlichen Fähigkeit für Innovationen.
In diesem Fall ist es ein Rennen gegen die Zeit. Der CO2 -Ausstoß steigt täglich und verschärft
den Klimawandel. Wir benötigen massive Forschungsarbeiten mit Tausenden neuer Ideen—auch
Ideen, die verrückt klingen—wenn wir bis Ende des Jahrhunderts Null Emissionen schaffen
möchten.
Eine Lösung könnte darin bestehen, Wind- und Solarenergie rund um die Uhr verfügbar zu machen.
Andere Ideen sind, dass man Solarenergie dazu verwendet, Kraftstoff zu produzieren, so wie
Pflanzen die Sonne zur Photosynthese nutzen, und dass man Akkus verwendet, die so groß wie ein
Schwimmbad sind, um genügend Speicherkapazität zu haben.
Viele dieser Ideen funktionieren nicht, aber das ist auch in Ordnung. Bei jedem Versagen lernen
wir etwas Nützliches, was uns weiter bringt. Und wie Thomas Edison gesagt hat: „Ich habe nicht
10.000 Mal versagt. Ich habe lediglich 10.000 Möglichkeiten gefunden, wie es nicht funktioniert.“
Aber um Tausende von Möglichkeiten zu finden, wie etwas nicht funktioniert, muss man
Tausende von Versuchen machen. Und davon sehen wir leider nicht genug.
Regierungen spielen eine wichtige Rolle dabei, den Fortschritt zu unterstützen, wie wir es schon
bei wissenschaftlichen Forschungen gesehen haben. Danke der Finanzmittel der US-Regierung
konnten Mittel zur Krebsbehandlung und die Landung auf dem Mond geschaffen werden. Und
wenn Ihr diesen Brief online lest, könnt Ihr Euch auch bei der US-Regierung bedanken. Von der
US-Regierung unterstützte Forschungsarbeiten haben zur Schaffung des Internets beigetragen.
Aber Energieforschung und ein Übergang auf neue Energiequellen brauchen Zeit. Es hat vier
Jahrzehnte gedauert, bis Öl von 5 Prozent auf 25% der Energieversorgung gestiegen ist. Heute
werden weniger als 5% der Weltenergie mit erneuerbaren Energiequellen, wie Wind und Solar,
produziert.
BILL
Das ist wichtig.
BILL
Ich habe einen anderen guten Beweis gefunden, aber dieser Rand ist zu klein dafür. Man kann ihn unter gatesnotes.com/battery finden
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Wir müssen jetzt damit beginnen! Ich war vor Kurzem an einem Projekt von mehr als zwei
Dutzend privaten Bürgern beteiligt, das die Forschungsarbeiten von Regierungen in mehreren
Ländern unterstützen wird. Das Ziel ist ein Energiewunder.
Ihr fragt Euch wahrscheinlich, wie Ihr helfen könnt.
Zunächst muss jeder über dieses Problem bei der Energieversorgung informiert werden. Viele
junge Menschen befassen sich bereits aktiv mit Klima- und Energiefragen und brauchen sicher
mehr Unterstützung. Eure Generation ist die erste Generation in der Geschichte, die wirklich
global denkt und bei globalen Problemen über Landesgrenzen hinaus denkt. Das wird wichtig
sein, wenn wir in den kommenden Jahrzehnten an globalen Lösungen arbeiten.
Und wenn einer von Euch ein paar verrückte Ideen hat, um dieses Energieproblem zu lösen, dann
braucht die Welt Eure Ideen. Lernt besonders viel in Mathematik und den Naturwissenchaften.
Vielleicht findet einer von Euch die Antwort.
Wir haben ein großes Problem vor uns, vielleicht viel größer als viele sich das vorstellen können.
Aber wir haben auch eine viel größere Chance. Wenn die Welt eine günstige und saubere
Energiequelle finden kann, können wir mehr als nur den Klimawandel aufhalten. Wir könnten
damit das Leben von Millionen der ärmsten Familien retten.
Ich bin so optimistisch darüber, dass die Welt ein Energiewunder finden kann, dass ich bereit bin,
eine Vorhersage zu treffen. In den nächsten 15 Jahren—und besonders, wenn sich junge Menschen
daran beteiligen, wird die Welt eine saubere Energiequelle finden, die unseren Planeten retten und
die Welt mit Energie versorgen wird.
Ich kann mir gut vorstellen, was so ein Energiewunder für einen Slum wie den, den ich in Nigeria
besucht habe, bedeuten würde. Dort leben Tausende von Menschen ohne jegliche Elektrizität.
Nachts sah man keine Lampen. Man sah nur das Glühen der Feuerstellen in Metallfässern, um das
sich die Menschen abends versammeln. Kinder konnten nicht bei Lampenlicht ihre Hausaufgaben
machen und es ist schwer, Geschäfte zu machen oder Kliniken oder Krankenhäuser mit Strom zu
versorgen. Es war traurig, über das ungenutzte Potenzial in dieser Gemeinschaft nachzudenken.
Eine saubere und günstige Energiequelle würde alles verändern.
Stellt Euch das einmal vor!
BILL
Wir müssen viele verrückte Ideen ausprobieren, damit wir die wenigen finden, mit denen wir das weltweite Energieproblem lösen können.
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„MEHR ZEIT“VON MELINDA
Ich bin sicher, dass Ihr schon einmal so ein
Foto gesehen habt. Ich finde diese Fotos
unheimlich lustig. Und sie erinnern mich
daran, wie viel sich geändert hat, seit ich ein
junges Mädchen in Dallas in den 1970er Jahren
war, als wir uns Wonder Woman und nicht
Supergirl ansahen.
Meine Geschwister und ich hatten viele
Freunde, deren Mütter Hausfrauen waren und
nicht zur Arbeit gingen (obwohl ich jetzt sehr
gut weiß, dass Hausfrauen sehr viel und schwer
arbeiten, auch wenn sie nicht dafür bezahlt
werden).
Die Mütter in unserer Gegend schienen
die meiste Zeit in der Küche zu verbringen. Ich interessiere mich für Design und weiß jetzt,
dass die Küchen damals im Dreicksmuster gebaut waren, wobei der Kühlschrank, der Herd und
das Spülbecken so platziert waren, dass ein Omelette schnell und einfach zubereitet werden
konnte. Küchendesign war im 20. Jahrhundert wichtig. In einer Demo wurden zwei identische
Erdbeeertörtchen gebacken, eines in einer gewöhnlichen Küche und das andere in einer neuen
und verbesserten Version. Der Prozess erforderte 281 Schritte für das erste Törtchen, aber nur 41
für das zweite. Die Küche hatte das Kuchenbacken um 85 Prozent effizienter gemacht!
KÜ
HLS
CH
RA
NK
HER
D
SPÜLBECKEN
Aber bei diesem Dreiecksmuster wurde nicht beachtet, dass eine Frau die meiste Zeit in der Küche
verbrachte und immer die gleichen Schritte in diesem endlosen Dreieck zurücklegte.
Aber wir sind jetzt im Jahr 2016, und nicht in den 1970ern oder den 1950ern. In den USA arbeiten
75 Prozent aller Mütter. Und der Vater kocht gelegentlich. 35 Prozent aller Kinder leben mit nur
©Anne Taintor, Inc. Ich stecke meine eigenen Bedürfnisse doch gerne wieder einmal zurück
MELINDA
Aus einer General Electric Werbung aus dem Jahr 1950.
MELINDA
Das Küchen- Dreieck wurde ursprünglich an der University of Illinois in den 1940er Jahren erfunden.
BILL
Ich kann eine Dose Tomatensuppe aufmachen!
SEITE 11BILL & MELINDA GATES – JAHRESBRIEF 2016
einem Elternteil (das bedeutet, dass er oder sie zur Arbeit geht und die ganze Hausarbeit erledigt).
Vielleicht lebt ihr einen Teil der Woche bei einem Elternteil und den Rest der Woche beim
anderen und habt zwei Väter und zwei Mütter, oder Eure Eltern sind zwei Väter oder zwei Mütter.
Die Welt hat sich sehr verändert.
Wenn ich meinen Kindern und ihren Freunden zuhöre und mir Umfragen dazu ansehe, wie
Teenager über ihre Zukunft denken, dann höre ich, dass die meisten Mädchen sich nicht an die
Regeln und Konventionen halten, die ihre Großmüttern an den Herd gefesselt haben. Und die
meisten Jungen stimmen ihnen zu.
Ich sage das nicht gerne, aber wenn Ihr so denkt, liegt ihr falsch. Wenn sich nichts ändert, werden
Mädchen Hunderte von Stunden mehr als Jungen mit unbezahlter Arbeit verbringen, weil die
Gesellschaft immer noch davon ausgeht, dass es ihre Rolle ist.
Unbezahlte Arbeit ist genau das: Arbeit, kein Vergnügen, und noch dazu unbezahlt. Aber jede
Gesellschaft braucht diese Art von Arbeit, um zu funktionieren. Unbezahlte Arbeit fällt in eine
dieser drei Hauptkategorien: Kochen, Putzen und sich um Kinder und ältere Menschen kümmern.
Wer bereitet das Pausenbrot zu? Wer holt die schmutzige Wäsche aus der Sporttasche? Wer setzt
sich mit dem Altersheim auseinander, damit es Euren Großeltern dort gut geht?
NAHER OSTEN UND
NORDAFRIKA
Unbezahlte Arbeit (Stunden pro Tag)
6
4
2
0
Quelle: OECD (2014). Datenbank Gleichstellung, Institutionen und Entwicklung
SÜDASIEN OSTEUROPA UND
ZENTRALASIEN
LATEINAMERIKA UND DIE KARIBIK
EUROPA OSTASIEN UND PAZIFIKRAUM
NORDAMERIKAAFRIKA SÜDLICH DER
SAHARA
WELTWEIT VERBRINGEN FRAUEN DOPPELT SO VIEL ZEIT MIT UNBEZAHLTER ARBEIT WIE MÄNNER
Männer Frauen
Das Alles sind Arbeiten, die jemand machen muss. Aber es wird auch heute noch erwartet, dass
Frauen diese Arbeiten kostenlos erledigen, ob sie es wollen oder nicht.
Das kann man in jedem Land der Welt sehen. Weltweit verbringen Frauen im Durchschnitt
4,5 Stunden pro Tag mit unbezahlter Arbeit. Männer verbringen weniger als die Hälfte dieser
Zeit damit. Aber die Last der unbezahlten Arbeit muss vor allem in armen Ländern von Frauen
getragen werden, wo die Arbeitszeit länger ist und die Ungleichheit zwischen Frauen und
Männern größer. In Indien verbringen Frauen 6 Stunden mit unbezahlter Arbeit, aber Männer
nur 1 Stunde.
MELINDA
Die Lücke.
SEITE 12BILL & MELINDA GATES – JAHRESBRIEF 2016
Die meisten Mädchen in armen Ländern haben keine Küche, die im Dreiecksmuster angeordnet
ist. Sie bewegen sich in langen, geraden Linien nach vorne und zurück, weil sie kilometerlang gehen
müssen, um Wasser zu holen und Holz zu fällen. Die Geometrie ihrer Fußschritte ist anders, aber
basiert trotzdem auf der Annahme, dass der Haushalt ihre Aufgabe ist. Die zahlreichen Stunden, die
diese Mädchen mit Hausarbeit verbringen, verändern ihr gesamtes Leben. Wir, in wohlhabenden
Ländern, können uns kaum vorstellen, wie unbezahlte Arbeit das Leben von Hunderten von Millionen
Frauen und Mädchen bestimmt.
Als ich vor ein paar Jahren in Tansania war, habe ich ein paar Tage lang mit Anna und Sanare und
ihren sechs Kindern gelebt. Annas Tag begann um 5 Uhr damit, das Feuer anzuzünden, um das
Frühstück zu kochen. Nach dem Aufräumen haben wir Wasser geholt. Annas voller Wassereimer
wog 20 kg. (Im Durchschnitt muss eine Frau im ländlichen Afrika und in Asien pro Tag rund 6,5
km zurücklegen, um sauberes Wasser zu holen. Stellt Euch vor, dabei auch noch fast die Hälfte des
Körpergewichts auf dem Kopf zu tragen). Als wir wieder im Haus ankamen, war ich erschöpft,
obwohl ich weniger als Anna getragen hatte. Aber wir konnten uns nicht ausruhen, weil wir das
Feuer für das Abendessen machen mussten. Danach sind wir in den Wald gegangen, um Holz für
den nächsten Tag zu fällen. Wir mussten aufpassen, nicht von Skorpionen gestochen zu werden.
Dann holten wir mehr Wasser, melkten die Ziegen und dann bereiteten wir das Abendessen zu.
Wir waren auch nach 22 Uhr noch damit beschäftigt im Mondlicht das Geschirr zu spülen.
Wie viel Tausend Schritte habe ich an diesem Tag zurückgelegt? Egal wieviel es waren. Anna muss
das jeden Tag machen.
Warum zähle ich die Schritte von Frauen aus der Welt wie ein Fitbit-Armband?
Der Grund ist, dass Ihr Euch jetzt Eure Zukunft vorstellt und ich möchte, dass Euch Eure Füße
dorthin tragen, wo Ihr eine wichtige und zufriedenstellende Arbeit machen könnt.
Und es geht nicht nur um Fairness. Wenn die meiste unbezahlte Arbeit von Frauen ausgeführt
wird, schadet das allen: Männern, Frauen, Jungen und Mädchen.
Was ist der Grund dafür? Wirtschaftsexperten nennen es Opportunitätskosten: das sind
die Dinge, die Frauen machen könnten, wenn sie nicht so viel Zeit für alltägliche Aufgaben
aufwenden müssten. Denkt an die großartigen Dinge, die man mit einer zusätzlichen Stunde pro
Tag machen kann? Oder, im Fall der Mädchen in zahlreichen armen Ländern, mit zusätzlichen
fünf oder mehr Stunden? Man kann diese Fragen unterschiedlich beantworten, aber es ist klar,
dass viele Frauen ihre Zeit mit bezahlter Arbeit verbringen würden, Geschäfte gründen oder
anderweitig zum Wohlergehen der Gesellschaft in ihrem Land beitragen würden. Wenn sie das
nicht machen können, schadet es ihren Familien und ihren Gemeinschaften.
SEITE 13BILL & MELINDA GATES – JAHRESBRIEF 2016
Mädchen in ärmeren Ländern würden diese zusätzliche Zeit wahrscheinlich mit Hausaufgaben
verbringen. Die Hausarbeit hat Priorität. Daher haben Mädchen oft schlechtere schulische
Leistungen. Globale Statistiken zeigen, dass mehr Mädchen als Jungen Analphabeten sind.
Mütter würden diese zusätzliche Zeit nutzen, um zum Arzt zu gehen. In armen Ländern sind
normalerweise Mütter für die Gesundheit ihrer Kinder verantwortlich. Aber Stillen und der
Fußweg zur Klinik brauchen Zeit, und Forschungen haben gezeigt, dass Frauen die Gesundheit
vernachlässigen, wenn sie zu wenig Zeit haben.
Andere Frauen würden wahrscheinlich ein Buch lesen, spazieren gehen oder eine Freundin
besuchen, was natürlich auch vollkommen verständlich ist. Es geht allen besser, wenn wir ein erfülltes Leben haben.
Ich schreibe das, weil ich optimistisch bin. Ich kenne kein Land, in dem perfekte Ausgewogenheit
besteht, aber viele Länder haben diesen Unterschied für unbezahlte Arbeit zwischen Männern und
Frauen verringert. Amerika und Europa haben große Fortschritte gemacht. Die skandinavischen
Länder sind sogar noch weiter gegangen.
Die Welt macht Fortschritte mithilfe von Erkennen, Reduzieren und Umverteilen. Erkennen, dass
auch unbezahlte Arbeit Arbeit ist. Reduzieren der Zeit und Energie, die dafür aufgewendet wird.
Gleichmäßigeres Aufteilen der Arbeit zwischen Männern und Frauen.
Beginnen wir mit dem Reduzieren. Wohlhabende Länder waren erfolgreich dabei, die Zeit zu
reduzieren, die mit Hausarbeiten verbracht wird. Darum ging es bei dem Dreiecksmuster für
Küchen. Wir müssen kein Wasser vom Brunnen holen, weil wir Wasserleitungen haben. Wir
müssen nicht den ganzen Tag lang Wäsche waschen, weil es unsere Waschmaschine in nur einer
halben Stunde schaffen kann. Kochen geht auch viel schneller, wenn man den Herd einschalten
kann und nicht erst Feuer machen muss.
In den ärmeren Ländern müssen Frauen immer noch Wasser holen, die Wäsche per Hand
waschen und über dem offenen Feuer kochen.
Erwerbsquote, Männer (% der Bevölkerung, Alter 15-64) Erwerbsquote, Frauen (% der Bevölkerung, Alter 15-64)
NAHER OSTEN UND
NORDAFRIKA
SÜDASIEN EUROPA UND ZENTRALASIEN
LATEINAMERIKA UND DIE KARIBIK
OSTASIEN UND PAZIFIKRAUM
AFRIKA SÜDLICH DER
SAHARA
HOHES EINKOMMEN
100%
75%
50%
25%
0%
WELTWEIT VERRICHTEN FRAUEN WENIGER BEZAHLTE ARBEIT ALS MÄNNER
Quelle: Weltbank, Gleichstellungsstatistik
MELINDA
Hut ab vor Diane Elson.
MELINDA
Anna & Sanares Tochter, Grace, war immer die letzte im Haus, die nachts noch wach war, weil sie ihre Hausaufgaben erst dann anfangen konnte, als sie mit der Hausarbeit fertig war. Wir waren um diese Zeit schon alle schlafen gegangen.
SEITE 14BILL & MELINDA GATES – JAHRESBRIEF 2016
Die Lösung heißt Innovationen, und Ihr könnt helfen. Einige von Euch möchten Ingenieure,
Unternehmer, Wissenschaftler und Software-Entwickler werden. Ich fordere Euch dazu auf,
Lösungen zu finden, damit die Armen günstige und saubere Energie, bessere Straßen und
fließendes Wasser bekommen. Oder vielleicht könnt Ihr auch Technologie erfinden, die Arbeit
spart? Könnt Ihr Euch eine Waschmaschine vorstellen, die ohne Strom läuft und nur sehr wenig
Wasser benötigt? Vielleicht könnt Ihr auch den Handmörser verbessern, der seit 40.000 Jahren
verwendet wird und den Frauen in Afrika südlich der Sahara und in Südasien auch heute noch
verwenden, um Getreide zu zermalen.
Aber Reduzieren alleine genügt nicht, denn Hausarbeit nimmt nicht nur viel Zeit in Anspruch,
sondern in jeder Kultur wird erwartet, dass sie von Frauen ausgeführt wird. Wenn Aufgaben
weniger Zeit in Anspruch nehmen, können Gesellschaften Frauen mehr Arbeiten auftragen
(und machen das auch), die sie in dieser zusätzlichen Zeit verrichten können. Egal wie effizient
Hausarbeit auch ist. Wir können erst dann Frauen mehr Freizeit geben, wenn wir erkennen, dass
ihre Zeit genauso viel wert ist wie die eines Mannes.
Und es gibt keinen weltweiten Plan von Männern, Frauen zu unterdrücken. Es ist viel subtiler.
Die Arbeitsaufteilung hängt von kulturellen Normen ab. Wir nennen sie Normen, weil es für
uns normal zu sein scheint. So normal, dass viele von uns nicht einmal merken, wenn wir in
diese Normen verfallen. Aber Eure Generation merkt es und kann darauf verweisen, bis die Welt
aufmerksam wird.
Denkt an Eure Aufgaben zuhause. Die meisten Mädchen von Euch helfen wahrscheinlich 2
Stunden mehr mit der Hausarbeit als die Jungen. Jungen haben eine 15 Prozent höhere Chance
für Hausarbeiten bezahlt zu werden. Wie viel helfen Mädchen bei der Hausarbeit und wie viele
Jungen helfen bei der Gartenarbeit? Warum?
Wenn Ihr einmal an Werbung denkt—wie oft sieht man darin Männer, die Kochen, die Wäsche
waschen oder den Kindern hinterher rennen? (Die Antwort. In 2 Prozent der Werbespots.) Wie
oft werben Frauen für Küchen- oder Reinigungsprodukte? (Mehr als die Hälfte.)
Sobald wir diese Normen erkennen, können wir sie durch etwas Besseres ersetzen.
Wie sehen diese besseren Normen aus? Wie kann man die Arbeit besser verteilen, die jeden Tag
erledigt werden muss?
Das ist keine einfache Frage.
Keiner fordert zum Beispiel eine 50/50-Aufteilung aller Arbeiten. Wenn man in einer Familie
lebt, müssen alle mithelfen, und manchmal muss eben eine Person mehr Windeln wechseln als die
andere, weil die andere Person gerade mit einer anderen wichtigen Aufgabe beschäftigt ist.
Und nicht alle unbezahlten Arbeiten sind gleich. Wäsche zusammenlegen macht nur den Wenigsten
Spaß. (Mir nicht.) Aber es kann sehr erfüllend sein, sich um ein Kind oder einen kranken
Verwandten zu kümmern und viele Menschen, darunter auch Bill und ich, möchten sich auf diesen
Lebensabschnitt konzentrieren. Geteiltes Leid ist in diesem Fall halbes Leid und doppelte Freude.
WAS ZU TUN IST:
günstige, saubere Energie fließendes Wasser ländliche Straßen arbeitssparende Technologie
SEITE 15BILL & MELINDA GATES – JAHRESBRIEF 2016
Studien haben gezeigt, dass wenn
sich Väter nach der Geburt ihrer
Kinder frei nehmen, sie auch mehr
im Haushalt helfen und mehr Zeit
mit ihren Kindern verbringen. Sie
schaffen innigere Beziehungen
zu ihren Partnern und Kindern.
Und daher sind meines Erachtens
bezahlter Kinderurlaub und bezahlter
Krankenstand wichtig.
Letztendlich ist es unser Ziel, das zu
ändern was wir als normal erachten
und nicht zu denken, dass es komisch
oder eigenartig ist, wenn ein Mann eine Schürze umbindet,
die Kinder von der Schule abholt oder eine nette Nachricht in die Brotdose seines Sohns steckt.
Wenn es um Erkennen, Reduzieren und Ver- oder Aufteilen geht, gilt für mich die Geschichte von
Anna und Sanare, dem Paar, bei dem ich ein paar Tage in Tansania gelebt habe, als Inspiration.
Als sie heirateten, zog Anna von einem fruchtbaren Gebiet des Landes in das von Dürre geplagte
Gebiet, in dem Sanare lebte. Es fiel ihr schwer, sich an die zusätzliche Arbeit zu gewöhnen, die
ihr dadurch aufgebürgt wurde. Eines Tages kam Sanare nach Hause und sah Anna auf der Treppe
mit ihrem Koffer und ihrem erstgeborenen Sohn, Robert, in den Armen. Sanare war sehr traurig
und fragte, wie er sie dazu überreden konnte, bei ihm zu bleiben. „Hol’ Wasser“, sagte sie, „damit
ich unseren Sohn stillen kann”. Er erkannte das Ungleichgewicht und holte Wasser. Er ging
daraufhin jeden Tag zum Brunnen um Wasser zu holen. Zunächst machten sich die anderen
Männer des Dorfes lustig über ihn und beschuldigten Anna der Hexerei. Aber als er ihnen
erklärte, dass dadurch sein Sohn gesünder heranwachsen würde, begannen auch sie damit, ihre
Arbeit aufzuteilen. Nach einer Weile waren sie es leid, so schwer zu arbeiten, und beschlossen
Wassertanks zu bauen, damit sie das Regenwasser im Dorf sammeln konnten. Und jetzt haben sie
reduziert. Es ist egal, wer jetzt das Wasser holt—Anna oder Sanare. Das Wasser ist viel näher und
sie können jetzt beide mehr Zeit mit Robert und ihren anderen Kindern verbringen.
Die Welt kann viel von diesem Paar lernen.
Ich freue mich schon auf Eure nächsten Schritte. Nicht unbedingt im Dreieck. Nicht in einer
Geraden, außer, wenn Ihr das so wollt. Aber in der Richtung, die Ihr einschlagen wollt.
Anna, Sanare und ihre Familie in Tansania, 2014.
MELINDA
In Kanada kümmern sich Väter, die einen bezahlten Vaterschaftsurlaub genommen haben, zu 23% mehr um die Hausarbeit, auch nachdem sie wieder zur Arbeit zurückkehren.
SEITE 16BILL & MELINDA GATES – JAHRESBRIEF 2016
ENGAGIERT EUCHWir haben den diesjährigen Jahresbrief mit der Frage begonnen Wenn Sie sich eine Superkraft
wünschen könnten, welche wäre es?
Wenn ihr davon träumt, die Gedanken anderer zu lesen, durch Wände hindurch zu sehen oder
übermenschliche Kräfte zu haben, dann kann das lächerlich klingen, aber es zeigt uns worum es im
Leben eigentlich geht.
Wir werden jeden Tag bei unserer Arbeit mit der Stiftung durch Menschen inspiriert, die
Außergewöhnliches tun, um die Welt zu verbessern,
Diese Menschen haben eine Superkraft, die in uns allen schlummert—die Superkraft, einen
Unterschied im Leben anderer Menschen zu bewirken.
Wir wollen damit nicht sagen, dass jeder Mensch sein Leben den Armen widmen muss. Ihr habt
mit Euren Hausaufgaben, dem Sport, Euren Freunden und Euren Träumen genug um die Ohren.
Aber wir glauben, dass ihr ein besseres Leben haben könnt, wenn Ihr Eure Zeit und Energie etwas
anderem widmet, das größer ist als Ihr selbst. Ihr müsst etwas finden, das Euch am Herzen liegt
und mehr darüber lernen. Arbeitet als Freiwillige, wenn das möglich ist, und spendet ein wenig
Geld. Egal was Ihr macht—seid nicht nur Zuschauer. Setzt Euch ein. Es kann sein, dass Ihr erst
dann etwas bewirken könnt, wenn Ihr älter seid. Aber warum nicht schon heute damit anfangen?
Unsere Erfahrung in den letzten zwei Jahrzehnten mit unserer gemeinsamen Arbeit für die
Gesundheit, die Entwicklung und Energie war die beste Zeit in unserem Leben. Diese Arbeit hat unser Leben verändert und treibt auch weiterhin unseren Optimismus darüber an, wie sehr sich das Leben der ärmsten Menschen in den nächsten Jahren verbessern wird.
Wir wissen, dass eine solche Erfahrung auch Euer Leben verändern wird. Ihr werdet wie Clark
Kent sein, der in sein Alter Ego als Superman schlüpft. Und Ihr werdet ohne Kostüm Superkräfte
entdecken, deren Ihr Euch nicht einmal bewusst wart.
P.S. Energie und Zeit sind wichtig, aber es gibt auch andere wichtige Themen. Wie könnt Ihr die
Welt verbessern? Welche Superkräfte hättet Ihr gerne? Nehmt an der Diskussion teil und sagt uns,
welche Superkraft Ihr Euch wünscht, unter #superpowerforgood.