universität kassel - s87ce224861471e72.jimcontent.com · handlungspädagogische ansätze für...
TRANSCRIPT
1
Universität Kassel
Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften
Masterarbeit
im Fachgebiet: Ökologischer Land- und Pflanzenbau
Handlungspädagogische Ansätze für intergenerative Begegnungen in der
Sozialen Landwirtschaft - konzeptionelle Grundlagen für Naturerfahrun-
gen von Kindern und älteren Menschen auf dem LebensGut Miteinander
in Österreich
1. Betreuer: Dr. Thomas van Elsen
2. Betreuer: Prof. Dr. Christian Herzig
Vorgelegt von Christian Laing
Matrikelnummer: 25102239
Witzenhausen, 02.10.2014 Wintersemester 2014/2015
3
Inhalt
1 Einleitung ................................................................................................................................... 6
2 Material und Methoden ............................................................................................................ 10
2.1 Der aktuelle Kenntnisstand zum Forschungsthema ......................................................... 10
2.1.1 Begriffserläuterung Handlungspädagogik ................................................................ 10
2.1.2 Bedürfnisse von Kindern .......................................................................................... 11
2.1.3 Bedürfnisse älterer Menschen .................................................................................. 14
2.1.4 Die Bedeutung von Naturerfahrungen für die menschliche Entwicklung ................ 15
2.2 Untersuchungsgegenstand und methodisches Vorgehen.................................................. 16
2.2.1 Qualitative Sozialforschung ..................................................................................... 17
2.2.2 Erstellung des Interviewleitfadens ........................................................................... 17
2.2.3 Auswahl der Betriebe und der Untersuchungsteilnehmer ........................................ 18
2.2.4 Durchführung der Interviews ................................................................................... 25
2.2.5 Transkription der Interviews .................................................................................... 26
2.2.6 Analysemethode und Auswertung der Interviews .................................................... 26
3 Ergebnisse ................................................................................................................................ 28
3.1 Lernort Landwirtschaft ..................................................................................................... 28
3.2 Bedürfnisse von Kindern .................................................................................................. 30
3.2.1 Bedürfnis nach Bindungen und Sicherheit ............................................................... 30
3.2.2 Bedürfnis nach Strukturen ........................................................................................ 32
3.2.3 Bedürfnis nach Entwicklung und Lernen ................................................................. 33
3.2.4 Bedürfnis nach Vorbildern und Nachahmung .......................................................... 35
3.3 Bedürfnisse älterer Menschen .......................................................................................... 37
3.3.1 Bedürfnis nach Bindungen ....................................................................................... 37
3.3.2 Bedürfnis nach Pflege .............................................................................................. 39
3.4 Voraussetzungen der Generationenzusammenführung im Sinne der Handlungspädagogik
.......................................................................................................................................... 40
3.4.1 Die Isolation junger und älterer Menschen voneinander .......................................... 40
3.4.2 Gemeinsamkeiten und zwischen Jung und Alt ......................................................... 42
3.4.3 Gemeinschaftsbildende Prozesse ............................................................................. 43
3.4.4 Kompetenzen älterer Menschen ............................................................................... 45
4
3.4.5 Die Bedeutung von Freiräumen ............................................................................... 46
3.4.6 Wert handwerklicher Arbeit ..................................................................................... 47
4 Diskussion ................................................................................................................................ 52
4.1 Beantwortung der Forschungsfragen................................................................................ 52
4.2 Auswahl der Betriebe und der Untersuchungsteilnehmer ................................................ 56
4.3 Diskussion der Erhebungs- und Analysemethode ............................................................ 58
4.4 Ausblick ........................................................................................................................... 58
5 Zusammenfassung .................................................................................................................... 61
6 Referenzen ................................................................................................................................ 62
7 Anhang ..................................................................................................................................... 67
7.1 Anhang A ......................................................................................................................... 67
7.2 Anhang B ......................................................................................................................... 68
7.3 Anhang C ......................................................................................................................... 69
Danksagung ...................................................................................................................................... 71
Erklärung .......................................................................................................................................... 72
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: LebensGut Miteinander ................................................................................................ 7
Abbildung 2: Hauptgebäude des Adelwoeherhofs ........................................................................... 21
Abbildung 3: Spielplatz des Franzlhofs ........................................................................................... 22
Abbildung 4: Das Hauptgebäude des PAN-Projekts ........................................................................ 23
Abbildung 5: Wirtschaftsgebäude und umliegende Weideflächen des Hof Hauser ........................ 24
Abbildung 6: Lage des LebensGut Miteinander, sowie der Höfe, die im Rahmen der
Datenerhebung besucht wurden ....................................................................................................... 24
Abbildung 7: Beitrag von Naturerfahrungen im Kontext Sozialer Landwirtschaft für die
Bedürfniserfüllung von Kindern ...................................................................................................... 37
Abbildung 8: Beitrag von Naturerfahrungen im Kontext Sozialer Landwirtschaft für die
Bedürfniserfüllung älterer Menschen ............................................................................................... 40
Abbildung 9: Grundvoraussetzungen der Zusammenführung junger und älterer Menschen im Sinne
der Handlungspädagogik am Beispiel Arbeit ................................................................................... 51
5
Abkürzungsverzeichnis
BfN Bundesamt für Naturschutz
CSA Community Supported Agriculture (Solidarische Landwirtschaft)
DGGG Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie
KDA Kuratorium Deutsche Altershilfe
Abkürzungen für die mündlichen Mitteilungen im Rahmen der Interviews (chronologisch):
(YZ) mündliche Mitteilung Yvonne Zappe, Franzlhof / Niederösterreich
(DF) mündliche Mitteilung Daniela Fürräder, Franzlhof / Niederösterreich
(BH) mündliche Mitteilung Bettina Haas, Franzlhof / Niederösterreich
(JS) mündliche Mitteilung Johann Steiner, Adelwoehrerhof / Steiermark
(PA) mündliche Mitteilung Petra Steiner, Adelwoehrerhof / Steiermark
(JH) mündliche Mitteilung Johannes Hahn, PAN-Projekt / Niederösterreich
(EM) mündliche Mitteilung Eva-Maria Hahn, PAN-Projekt / Niederösterreich
(SE) mündliche Mitteilung Schüler Emanuel, PAN-Projekt / Niederösterreich
(IW) mündliche Mitteilung Ingrid Wagner, PAN-Projekt / Niederösterreich
(MS) mündliche Mitteilung Manfred Schulze, Hof Hauser, Wolfhagen / Deutschland
6
1 Einleitung
In den vergangenen Jahrzehnten erlebte die Landwirtschaft einen massiven strukturellen Wandel.
In diesem Zusammenhang kam es zur Aufgabe zahlreicher landwirtschaftlicher Betriebe. Laut der
Österreichischen Agrarstrukturerhebung aus dem Jahr 2013 reduzierte sich die Anzahl landwirt-
schaftlicher Betriebe seit 1995, dem Beitrittsjahr Österreichs in die EU, um 30 %. Seit 2003 gaben
durchschnittlich ca. 2300 Bäuerinnen und Bauern ihre Höfe auf, bzw. verkauften oder verpachteten
diese (PROPLANTA 2014).
Landwirtschaft erfüllt aufgrund ihrer Multifunktionalität vielseitige Aufgaben innerhalb der Gesell-
schaft. Hierzu zählen ökologische Funktionen (Aufrechterhaltung der Biodiversität), wirtschaftli-
che Funktionen (Schaffung von Arbeitsplätzen), soziale Funktionen (Betreuungsangebote für jun-
ge und alte Menschen), Bildungsfunktionen (Schule auf dem Bauernhof), u. a. (ALBRECHT & EN-
GEL, 2009:14).
Vor dem Hintergrund demografischer und sozialer Herausforderungen innerhalb der Gesellschaft
Österreichs spricht deshalb vieles für eine Weiterentwicklung wertebasierter, innovativer Konzepte
in der Landwirtschaft. Als ein möglicher Ansatz hierfür kann die Handlungspädagogik verstanden
werden. Hierauf wird im weiteren Verlauf der Arbeit genauer eingegangen.
Die größte demografische Herausforderung besteht gegenwärtig sowie langfristig darin, dass die
Zahl der Personen über 65 Jahre von gegenwärtig 18, 5 % (ca. 1,6 Mio. Personen) in Österreich auf
28,2 % (ca. 2,6 Mio. Personen) bis zum Jahr 2050 erhöhen wird (STATISTIK AUSTRIA (a) 2014.
Gleichzeitig ist schon jetzt festzustellen, dass die Anzahl der Personen, die potentiell Pflege und
Fürsorge für ältere Menschen übernehmen können, kontinuierlich sinkt. Dieser Umstand ist u. a.
auf eine sinkende Kinderzahl sowie einer zunehmenden räumlichen Mobilität zurück zu führen
(INTERESSENSGEMEINSCHAFT PFLEGENDER ANGEHÖRIGER, 2014).
Während ältere Menschen künftig einen großen Anteil der Bevölkerung stellen, prognostiziert
werden 24 % Bevölkerungsanteil über 65 Jahren im Jahr 2030, betrug der Anteil von Personen
zwischen 0 und 19 Jahren im Jahr 2013 in Österreich 20%. Im Jahr 2030 wird dieser Wert voraus-
sichtlich auf 19,2 % sinken (STATISTIK AUSTRIA (b) 2014.
Die sozialen Herausforderungen bezüglich der jüngsten Generation scheinen dabei nicht weniger
bedeutsam. Denn die Welt der Kinder hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Zum
einen ist sie durch technologischen Fortschritt größer geworden, zum anderen ist sie aufgrund eines
immer enger werdenden Erfahrungsraumes (weniger Zeit im Freien, weniger Geschwister und
weniger Kontakt zu älteren Menschen) kleiner geworden. Das Wissen darüber, wie Lebensmittel
erzeugt werden, ist häufig abhandengekommen, und ein persönlicher Bezug zur Landwirtschaft
besteht in vielen Fällen nicht. Während die Verbindung von Kinder zur Natur vielfach „verschüt-
tet“ ist, werden Psychische Erkrankungen in dieser Generation immer häufiger diagnostiziert. Über
die genauen Ursachen wird spekuliert wird, die Wissenschaft geht jedoch davon aus, dass diese
multifaktoriell begründet sind, und eine Überflutung von Außenreizen, die dauerhaft auf die Kinder
einwirken, eine wichtige Rolle spielt (LOUV, 2011: 33, 99).
7
Neben einer intakten Umwelt wird zunehmend auch die Bedeutung des Kontakts zwischen Kindern
und älteren Menschen deutlich: Das Konzept der Handlungspädagogik (vgl. Kap. 2.1), ein Aspekt
Sozialer Landwirtschaft, rückt vermehrt in den Fokus Sozialer Arbeit und kann einen wichtigen
Beitrag dafür leisten, beide Generationen aus ihrer Isolation voneinander heraus zu lösen. Denn ein
informelles und intergeneratives Lernen fand ursprünglich innerhalb von (bäuerlichen) Familien
statt, welches beiläufig geschah und vielfach auf Nachahmung und der Erfahrung der Älteren ba-
sierte (FRANZ, 2006:2). Der demografische Wandel (s. o.) bringt es mit sich, dass Kinder Betreu-
ung, Erziehung und Bildung heute mehrheitlich in festen Institutionen erfahren, die von der Welt
älterer Menschen getrennt sind. Letztere werden je nach ihren Bedürfnissen vom Großteil der Ge-
sellschaft isoliert. Diese Ausgrenzung verhindert, dass ältere Menschen ihre Erfahrung, ihr Wissen
und ihre Weisheit an die jüngsten Generationen weitergeben können. Kindern hingegen wird durch
den fehlenden Kontakt zu alten Menschen oft die Möglichkeit erschwert, soziale Verhaltensweisen
wie Empathie und Solidarität zu erlernen (MEESE, 2005: 1).
An dieser Stelle setzt die Arbeit des LebensGut Miteianander e. V.1 an. Dieser multifunktionale
Bauernhof im Bezirk Lilienfeld in Niederösterreich, vor den Toren Wiens, befindet sich derzeit in
der Gründungsphase und wird seine Arbeit voraussichtlich im August 2015 aufnehmen. Die Arbeit
auf dem LebensGut soll dabei auf folgenden Säulen basieren: Kindergarten auf dem Bauernhof,
reformpädagogische Schule auf dem Bauernhof (LebensGut Schule), Tagesbetreuung für
ältere Menschen, Solidarische Landwirtschaft (CSA), Therapeutische Praxisgemeinschaft sowie
generationenübergreifendes Wohnen (LEBENSGUT MITEINANDER E. V., 2014: 10 ff.). Durch soziale,
Ökologische Landwirtschaft soll gesellschaftlichen Herausforderungen begegnet werden, die vor
allem eine Zusammenführung junger und älterer Menschen forciert (s. o.) (LEBENSGUT MITEI-
NANDER E. V., 2014: 4). Nähere Information über das LebensGut Miteinander finden sich in Kap.
2.2.3.
Abbildung 1: LebensGut Miteinander (Quelle:
LEBENSGUT MITEINANDER E. V., 2014)
1 www.lebensgutmiteinander.com
8
Das Bestreben des Vereins, künftig einen Bauernhofkindergarten eine reformpädagogische Schule,
sowie eine Tagesbetreuung für ältere Menschen auf dem Bauernhof zu initiieren, führte beim Ver-
fasser dieser Arbeit zu der Frage, welche Rolle Soziale Landwirtschaft, bzw. die Naturerfahrungen,
die im landwirtschaftlichen Kontext gesammelt werden können, bei der Bedürfniserfüllung von
Kindern und älteren Menschen spielt?
In einem persönlichen Gespräch mit einem Vorstandsmitglied kam die Frage auf, welche Grundvo-
raussetzungen künftig geschaffen sein müssen, damit eine Zusammenführung von Kindern und
älteren Menschen auf dem LebensGut Miteinander in Zukunft erfolgreich sein kann?
Vor diesem Hintergrund ergeben sich folgende Fragestellungen, die im Rahmen dieser Arbeit be-
antwortet werden sollen:
Welchen Beitrag leisten Naturerfahrungen, die im Kontext Sozialer Landwirtschaft ge-
wonnen werden können, bei der Bedürfniserfüllung von Kindern und älteren Menschen?
Welche Grundvoraussetzungen müssen auf dem LebensGut Miteinander geschaffen wer-
den, damit eine Zusammenführung junger und älterer Menschen im Sinne der Handlungs-
pädagogik in Zukunft erfolgreich sein kann?
Die Beantwortung der Forschungsfragen legt die Bedürfnisse von Kindern und älteren Menschen
dar und kristallisiert mögliche Gemeinsamkeiten heraus. Ein Schwerpunkt dieser Arbeit liegt dabei
auf einer Bedarfsanalyse der genannten Zielgruppen, unter Berücksichtigung des Beitrags von
Naturerfahrungen hinsichtlich der Bedürfniserfüllung. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Er-
mittlung der notwendigen Faktoren für eine Zusammenführung junger und älterer Menschen im
Sinne der Handlungspädagogik.
Der Erkenntnisgewinn dieser Arbeit soll dem LebensGut Miteinander e. V. als Orientierung und
Hilfestellung für das künftige Betriebskonzept dienen. Auch anderen Bauernhöfen und Initiativen,
die im Rahmen Sozialer Landwirtschaft2 tätig sind, oder tätig werden wollen, soll die vorliegende
Arbeit als Hilfestellung dienen.
Aufbau der Arbeit
In Kapitel 2 wird zunächst der Stand des Wissens zum Forschungsthema dargestellt, der mittels
einer umfangreichen Literaturrecherche erarbeitet wurde. Bei der Auswahl der Literatur hatte die
2 Der Begriff Soziale Landwirtschaft beschreibt landwirtschaftliche Betriebe sowie Gärtnereien, „die Men-
schen mit körperlichen, seelischen oder geistigen Beeinträchtigungen integrieren“ (VAN ELSEN & LIM-
BRUNNER 2013: 35). Wesentliche Aspekte hierbei sind Bildung, Vorsorge, Rehabilitation sowie mehr
Lebensqualität für die handelnden Akteure. Jugendliche mit Lernbehinderungen, Langzeitarbeitslose, Senio-
ren sowie Schul- und Kindergartenkinder sind einige Zielgruppen der Sozialen Landwirtschaft (VAN ELSEN
& LIMBRUNNER, 2013: 35).
Der Begriff Green Care bezeichnet Aktivitäten, die nicht ausschließlich auf landwirtschaftliche Betriebe
gerichtet sind, sondern im Allgemeinen auf die positiven Wirkungen von Natur auf den Menschen abzielen.
Diese Wirkungen werden beispielsweise in Altenheimen mittels tiergestützter Therapie nutzbar gemacht
(VAN ELSEN & LIMBRUNNER, 2013: 35).
9
Aktualität der genutzten Daten höchste Priorität. Zudem werden der Untersuchungsgegenstand
sowie das methodische Vorgehen erläutert, mit Hilfe dessen die Forschungsfragen beantwortet
werden.
Kapitel 3 stellt die Ergebnisse dar, die im Rahmen Qualitativer Sozialforschung gewonnen wurden.
Zunächst wird das Potential landwirtschaftlicher Betriebe als Lernort für Kinder und ältere Men-
schen dargestellt (Kap. 3.1). Hierauf folgt die Beantwortung der 1. Forschungsfrage (Kap. 3.2 und
Kap. 3.3). Danach wird die 2. Forschungsfrage beantwortet (Kap. 3.4), wobei das Kapitel mit Hin-
tergrundinformationen zum Thema eingeleitet wird.
In Kapitel 4 werden die Ergebnisse in Hinblick auf die Forschungsfragen unter Hinzuziehung von
Literatur diskutiert. Zudem findet eine Diskussion der verwendeten Methoden statt. Das Kapitel
schließt mit einem Ausblick ab.
Kapitel 5 stellt eine Zusammenfassung der vorliegenden Arbeit dar.
10
2 Material und Methoden
Das vorliegende Kapitel 2 ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil (Kap. 2.1) wird der aktuelle
Kenntnisstand zum Forschungsthema vorgestellt. Im zweiten Teil (Kap. 2.2) werden die verwende-
ten Methoden beschrieben, die zur Beantwortung der Forschungsfragen herangezogen wurden.
2.1 Der aktuelle Kenntnisstand zum Forschungsthema
Das vorliegende Kapitel beschreibt den Stand des Wissens zum Forschungsthema, das im Rahmen
einer Literaturrecherche erarbeitet wurde. Zuvor wird der Begriff Handlungspädagogik definiert.
2.1.1 Begriffserläuterung Handlungspädagogik
Der Begriff der Handlungspädagogik begegnet der Frage, wie ein Lernort gestaltet sein muss, da-
mit dieser den Kindern in der heutigen Zeit gerecht wird. Hierbei wird der landwirtschaftliche Be-
trieb als „idealer Lernort für eine solche Erziehungsumgebung“ (GUTTENHÖFER et. al, 2013) ver-
standen. Das Konzept der Handlungspädagogik greift dabei den Umstand auf, dass Kinder in den
ersten sieben Lebensjahren durch Nachahmung / dem Nachmachen von Erwachsenen lernen. Ent-
sprechend sollen Erwachsene nicht mit direkter Kindeserziehung im üblichen Sinne beschäftigt
sein, sondern mit sinnstiftenden Tätigkeiten, die das Leben begründen und gestalten. In diese sollen
Kinder „mit hinein genommen werden“ (GUTTENHÖFER et. al, 2013). Mit diesem Ansatz folgt die
Handlungspädagogik der Erkenntnis, dass Lernen für das Individuum am besten möglich ist, wenn
seine Handlungen auf einen im „Lebenszusammenhang stehenden“ Kontext gerichtet sind, in de-
nen der Mensch in wiederholender Weise selbst tätig ist (SCHULZE, 2011: 81).
Hierfür bietet Landwirtschaft weitreichende Möglichkeiten, da sie die Basisbedürfnisse des Men-
schen befriedigt. Zudem wird eine Verknüpfung der „ineinandergreifenden Kulturtechniken und
Aufgaben“ (SCHULZE, 2011: 100) im jahreszeitlichen Verlauf miterlebt, die positiv auf die „Denk-
befähigung“ (SCHULZE, 2011: 100) wirkt.
In diesem Kontext wird besonders eine gemeinschaftlich / solidarische getragene Landwirtschaft
(CSA) als geeignet verstanden, da Kindern durch dieses Konzept Werte vorgelebt werden, die nicht
auf Profitmaximierung und damit einhergehenden Umweltzerstörungen beruhen, sondern solche,
die in der Zuwendung gegenüber der der Erde und seinen Mitgeschöpfen (Menschen, Pflanzen und
Tiere) Ausdruck finden. Ein Kind, welches diese Beschäftigungen unmittelbar miterlebt, praktiziert
hierdurch spielerisch Selbsterziehung (GUTTENHÖFER et. al, 2013). Das Spiel wird dabei als die
menschliche „Urform des Übens“ (SCHULZE, 2011: 71) verstanden, das von einer intrinsischen
Motivation gleitet wird. Dadurch werden Natur- und Sozialgesetze, in dessen Rahmen sich das
Individuum bewegt, „eingespielt“ (SCHULZE, 2011: 71) und verinnerlicht. Dass „Sich kümmern“,
also die Zuwendung zu einem anderen Lebewesen stellt dabei eine Lernerfahrung dar, die in der
herkömmlichen Schule nur schwer zu finden ist. Dieser Lernerfahrung jedoch wird im Sinne der
Handlungspädagogik eine besondere Bedeutung zugeschrieben: es werden Erfahrungen gewonnen,
die die künftige Sensibilität und Offenheit des Kindes gegenüber der Außenwelt Form geben (GUT-
TENHÖFER et. al, 2013).
11
Ein Lernen mit Bezug zum Leben, also dem, was das Dasein wirklich begründet (dies wird z. B. in
dem Wort „Lebensmittel“ deutlich – Anm. d. Autors), wird auf Grundlage sozialer Beziehungen
zu Menschen, Pflanzen und Tieren erreicht (SCHULZE, 2011: 111). Einen weiteren Lebensbezug
stellen alte Handwerkstechnicken als Stück „Entwicklungsgeschichte der Menschheit“ (SCHULZE,
2011: 113) dar, die sich in der Landwirtschaft vielfach finden.
Zentralbegriff der Handlungspädagogik, der diesen Lebensbezug möglich macht, ist die (anfangs
spielerische) Arbeit3. An dieser Stelle kommt der Beziehung zwischen Kindern und älteren Men-
schen eine besondere Bedeutung zu. Die sozialen Interkationen zwischen den Generationen bieten
Lernstrukturen für Kinder, die „die Beweggründe des Handelns“ (SCHULZE, 2011: 115) erfahrbar
und nachvollziehbar machen. Die Möglichkeit der Selbsterfahrung stellt dabei ein „Instrument“
dar, das Selbstwertgefühl des Kindes zu fördern (SCHULZE, 2011: 116).
Die folgenden Unterkapitel beschreiben grundsätzliche Bedürfnisse von Kindern und älteren Men-
schen. Darüber hinaus wird die Bedeutung von Naturerfahrungen für die menschliche Entwicklung
dargestellt.
2.1.2 Bedürfnisse von Kindern
Den beiden US Wissenschaftlern Prof. em. T. Berry Brazelton, Kinderarzt, und Stanley L. Green-
span, Prof. für Psychiatrie und Kinderheilkunde zufolge gibt es sieben Grundbedürfnisse von Kin-
dern, die erfüllt sein müssen, damit Kinder gesund aufwachsen können.
Diese werden in ihrem Buch „Die sieben Grundbedürfnisse von Kindern – Was jedes Kind braucht
um gesund aufzuwachsen, gut zu lernen und glücklich zu sein“ beschrieben, welches 2008 im Beltz
Verlag, Weinheim und Basel erschienen ist. Dabei handelt es sich um „grundlegende Bedürfnisse
von Säuglingen und Kindern, deren Befriedigung unverzichtbar ist“ (BRAZELTON & GREENSPAN,
2008: 12).
Die Bedürfnisse sind:
(a) Das Bedürfnis nach beständigen, liebevollen Beziehungen
(b) Das Bedürfnis nach körperlicher Unversehrtheit, Sicherheit und Regulation
(c) Das Bedürfnis nach Erfahrungen, die auf individuelle Unterschiede zugeschnitten sind
(d) Das Bedürfnis nach entwicklungsgerechten Erfahrungen
(e) Das Bedürfnis nach Grenzen und Strukturen
(f) Das Bedürfnis nach einer stabilen, unterstützenden Gemeinschaft und nach kultureller
Kontinuität
(g) Das Bedürfnis nach einer sicheren Zukunft (BRAZELTON & GREENSPAN, 2008)
Im Folgenden werden die genannten Bedürfnisse im Einzelnen erläutert:
3 Das in dieser verwendete Wort Arbeit, das im Zusammenhang mit Kindern und älteren Menschen genannt
wird, beschreibt ein Mit-Tätig-Sein der Akteure an gemeinsamen Arbeitsprozessen, das aus einer intrinsi-
schen Motivation heraus erfolgt. Ziel dieser Arbeit ist nicht, Kinderarbeit zu propagieren.
12
Kinder erlernen die Fähigkeit zu Vertrauen und Empathie durch sichere, einfühlsame Beziehungen
(a). Dabei lernen sie gleichzeitig, „welche Verhaltensweisen angemessen sind und welche nicht“
(BRAZELTON & GREENSPAN, 2008: 34). Was wir in diesen Beziehungen lernen, und wie dies in
uns wirkt, wird geprägt durch „die emotionale Atmosphäre und die subtilen Interaktionen“ in der
Beziehung (BRAZELTON & GREENSPAN, 2008: 34). Zwar können Kinder lernen, gemäß den Erwar-
tungen von außen das „richtige“ zu tun, ein Mitgefühl in Form tief empfundener Anteilnahme je-
doch entwickelt sich im Kind nur, wenn konstante Beziehungen vorhanden sind oder waren, in
denen dieses Mitgefühl selbst erlebt wurde (BRAZELTON & GREENSPAN, 2008: 37).
Grundsätzlich gilt es, dass Bedürfnis nach körperlicher Unversehrtheit zu gewährleisten. Sicherheit
und Regulation (b) bedürfen dabei ein entsprechendes familiäres Umfeld. Sicherheit beschreibt die
Erfüllung der körperlichen, sozialen, intellektuellen und emotionalen Bedürfnisse eines Kindes
(BRAZELTON & GREENSPAN, 2008: 295).
Doch auch die äußere Umwelt ist dafür verantwortlich, dass die „Wahrnehmungsaktivität“ von
Kindern nicht passiv ist, sondern dynamisch und interaktiv. Anderenfalls müssen Defizite bezüg-
lich der „Lern- und Bewältigungsstrategien“ befürchtet werden (BRAZELTON & GREENSPAN, 2008:
115, 116). Diesbezüglich werden Großfamilien als praktische Erfahrung gesehen, „die wertvoller
ist als alles andere“ So aktiviert beispielweise die Zuwendung zu einem anderen (Geschwis-
ter)Kind Fürsorglichkeit, Offenheit und Anteilnahme (BRAZELTON & GREENSPAN, 2008: 131).
Kinder benötigen die Möglichkeit, individuelle Erfahrungen (c) zu sammeln, die „ihren spezifi-
schen Eigenschaften“ entsprechen. Ist dies gewährleistet, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass „sie
körperlich, intellektuell und emotional zu gesunden Menschen heran wachsen.“ (BRAZELTON &
GREENSPAN, 2008: 148). Individuelle Besonderheiten erfordern Interaktionen, die dem Kind die
richtigen Erfahrungen bieten (also seinem Wesen angemessen sind), damit es sein Potential entfal-
ten kann (BRAZELTON & GREENSPAN, 2008: 150).
Im Laufe der Zeit müssen Kinder verschiedenste Entwicklungsstufen bewältigen (d). In den ver-
schiedenen Phasen werden Grundlagen zum Erwerb von „Intelligenz, Moral, emotionaler Gesund-
heit und kognitiver Leistungsfähigkeit“ (BRAZELTON & GREENSPAN, 2008: 203) gelegt. Während
in einer bestimmten Phase die Knüpfung einfühlsamer Beziehungen erlernt wird, werden in einem
anderen Stadium beispielsweise das Kreative wie auch das Logische Denken erlernt. Die soziale
Kompetenz, Signale des Gegenübers verstehen zu können, werden durch Verhandlungen mit dem
Kind gefördert (BRAZELTON & GREENSPAN, 2008: 203, 204). Fertigkeiten des Denkens benötigen
dagegen kreative Impulse, wie „Diskussionen über Ansichten und Standpunkte“ (BRAZELTON &
GREENSPAN, 2008: 203). Die Möglichkeit, dass das Kind seine Interaktionsformen ständig weiter-
entwickeln kann, ist hierfür notwendig.
Zwar herrscht Einigkeit darüber, dass Kinder klare Grenzen und Strukturen (e) brauchen, die Frage
nach der Art und Weise dieser Bedürfnisbefriedigung jedoch wird unterschiedlich beantwortet.
Hierbei muss der Frage nachgegangen werden, wie Kinder lernen. Da ein Kind den Menschen, den
es liebt, Freude bereiten möchte, von ihm geachtet, bewundert und diesem gefallen will, werden
zum Erreichen dieses Bestrebens Grenzen akzeptiert und verinnerlicht. Dadurch, dass sich Kinder
Erwachsene zum Vorbild nehmen, lernen sie. Gleichzeitig bildet sich Moral (BRAZELTON &
13
GREENSPAN, 2008: 247, 248). Ziele und Leitlinien des eigenen Handelns entstehen aus dem
Wunsch, von den Bezugspersonen angenommen zu werden. Dabei finden Kinder „in sich selbst
Stärke und Innere Sicherheit“ (BRAZELTON & GREENSPAN, 2008: 252), wenn sie ein solches Wer-
tesystem in sich verankern und sich innerhalb dieser Strukturen bewegen. Grenzen und Strukturen
gehen hierbei auch mit dem Erlernen von Selbstdisziplin einher (BRAZELTON & GREENSPAN, 2008:
252).
Die vorangegangenen Bedürfnisse sind „in soziale Kulturen und Gemeinschaften eingebettet“
(BRAZELTON & GREENSPAN, 2008: 269). Die Bedürfniserfüllung der Kinder ist demnach maßgeb-
lich geprägt von der Stabilität der Sozialen Netzwerke (Familie, Kindergarten, Schule). Stabile,
unterstützende Gemeinschaften, deren kulturelle Identität gestärkt ist (f), ermöglichen es dem Indi-
viduum, ein „persönliches Identitätsgefühl“ (BRAZELTON & GREENSPAN, 2008: 274) entwickeln zu
können. Unterstützend wirken Gemeinschaften auf das Kind, wenn diese von Zusammenhalt und
einem Gefühl der Sicherheit für das Individuum gekennzeichnet sind (BRAZELTON & GREENSPAN,
2008: 274).
Eine sichere Zukunft (g) gibt es für ein Kind nur dann, wenn es die Erfüllung emotionaler Bedürf-
nisse nicht entbehren muss. Emotionale Vernachlässigung beeinträchtigt „den menschlichen Geist,
und die Fähigkeit, für künftige Generationen zu sorgen“ (BRAZELTON & GREENSPAN, 2008: 295,
296). Grundsätzlich geht es bei dem Begriff „Sichere Zukunft“ jedoch darum, die grundlegenden
körperlichen, sozialen, intellektuellen und emotionalen Bedürfnisse eines Kindes zu erfüllen
(BRAZELTON & GREENSPAN, 2008: 296). Hierzu bedarf es „stabiler Beziehungen, die zum Erhalt
und zur Unterstützung von Familien und Gemeinschaften beitragen“ (BRAZELTON & GREENSPAN,
2008: 301). Werden die genannten Bedürfnisse nicht erfüllt, kann ein Kind nicht über die Grenzen
des eigenen Bedürfnisses hinaus blicken. Entsprechend ist die Fähigkeit, Anteil am Schicksal ande-
rer Menschen zu nehmen, nur schwach ausgeprägt. Nur behütete Kinder, die ein Gefühl von Si-
cherheit erwerben, können in Zukunft „mit anderen eine Ethik der Menschlichkeit“ (BRAZELTON &
GREENSPAN, 2008: 301) teilen.
Die Bedürfnisse von Kindern werden zunehmend im Kontext Sozialer Landwirtschaft aufgegriffen.
In jüngerer Vergangenheit haben sich in Österreich Initiativen und Institutionen gegründet, deren
Akteure einen Zusammenhang zwischen den Bedürfnissen von Kindern und der Möglichkeit von
Naturerfahrungen in einem bäuerlichen Umfeld sehen. So sind in der Initiative „Schule am Bau-
ernhof und Erlebnis Alm4“, zahlreiche Betriebe aus ganz Österreich organisiert, die unterschiedli-
che Aufenthalte für Kinder und Jugendliche (Bauernhofführungen, Waldexkursionen ) auf Höfen
und Almen anbieten (SCHULE AM BAUERNHOF, 2013). Darüber hinaus bietet das „Österreichische
Institut für tiergestützte Therapie & Forschung5 (AIAATR – Austrian Institute for Animal Assisted
Therapy & Research) “ therapeutische Interventionen mithilfe landwirtschaftlicher Nutztiere an.
4 www.schuleambauernhof.at
5 http://www.aiaatr.com/index.html
14
Der Franzlhof, der ebenfalls tiergestützt arbeitet, ist österreichweit der einzige Kindergarten, der
auf einem Bauernhof verankert ist (HAAS, 2014 mdl. Mitt.).
2.1.3 Bedürfnisse älterer Menschen
Die Wahrnehmung der eigenen Interessen und Bedürfnisse geht von der Person aus, die Pflege in
Anspruch nimmt / nehmen muss. Die individuellen Bedürfnisse lassen sich nicht generalisieren,
sondern sind abhängig vom physischen und psychischen Gesundheitszustand der betreuten Person.
Dennoch gibt es laut der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) drei
Grundbedürfnisse, die auf ältere Menschen zutreffen. Diese sind dem zu Folge: „Lebenslange Si-
cherung der Selbstbestimmung, Lebenslange Sicherung der sozialen Teilhabe, Verbleib in der ei-
genen Häuslichkeit bis zum Lebensende“ (DGGG, 2011: 2).
Die DGGG spricht vor diesem Hintergrund von einer zunehmenden Polarisierung im Alter, wobei
hier zwei Pole des Alterns dargestellt werden: das aktive, autonome altern ist gekennzeichnet durch
„Leistungsfähigkeit, Selbstständigkeit, Selbstbestimmung, Teilhabe, Gestaltungsoptionen und neu-
en Zielen unter der Voraussetzung von Gesundheit und ökonomischer Absicherung“ (DGGG, 2011:
2), während das passive und abhängige altern von den Merkmalen „Pflege- und Behandlungsbe-
dürftigkeit, Einschränkungen der Selbstständigkeit, Hilfeempfängerstatus / Klientelisierung, insbe-
sondere in ungünstigen Lebenslagen“ (DGGG, 2011: 2) bestimmt wird. Diese Polarisierung hat
großen Einfluss auf die jeweiligen Bedürfnisse älterer Menschen, etwa in Bezug auf soziale und
pflegerische Dienstleistungsangebote.
Die in den vergangenen Jahren vermehrt aufkommenden Betreuungsangebote Sozialer Landwirt-
schaft haben dazu beigetragen, dass ältere Menschen „bei der Gestaltung des sozialen Lebens im
ländlichen Raum“ (WIESINGER et al., 2013: 7) zunehmend einbezogen werden. So ermöglichen
stationäre und ambulante Betreuungsangebote für ältere Menschen auf dem Bauernhof eine Form
der Pflege, die einerseits bekannt, andererseits neu ist. Im Österreichischen Mühlviertel wurde
beispielsweise der Verein „Betreutes Wohnen am Bauernhof“ von einer Bauerninitiative gegrün-
det, die eine stationäre, individuelle Betreuung und Pflege für ältere Menschen auf Bauernhöfen
anbietet (VEREIN BETREUTES WOHNEN, 2014).
Pflegerische Angebote auf Bauernhöfen für ältere Menschen zielen über das herkömmliche Pflege-
verständnis hinaus: Es geht um die Einbindung und Aufrechterhaltung menschlicher Beziehungen
in das bäuerliche Milieu, um den Bedürfnissen älterer Menschen gerecht zu werden.
Obwohl positive Effekte, sowohl für die Klienten (hohes Maß an Selbstbestimmung). als auch für
die Landwirte (Generierung von Zusatzeinkommen) vorstellbar sind, ist die Anzahl der Höfe in
Österreich, die pflegerische Dienstleistungen für ältere Menschen anbieten, mit nur 2,9 % an der
Gesamtanzahl aller Höfe, die im Sinne Sozialer Landwirtschaft tätig sind, unterrepräsentiert (WIE-
SINGER et al., 2013: 8, 20). Der Adelwoehrerhof beispielsweise ist der einzige Bauernhof Öster-
reichs, der zugleich auch ein stationäres Altenheim ist (vgl. Kap. 2.2.3).
Die künftigen Angebote der Tagesbetreuung auf dem LebensGut Miteinander werden von der je-
weiligen körperlichen und geistigen Verfassung der Menschen in Pflege und ihren daraus resultie-
renden individuellen Bedürfnisse bestimmt sein.
15
2.1.4 Die Bedeutung von Naturerfahrungen für die menschliche Entwicklung
Die Frage, welche Bedeutung Naturerfahrungen bei der Bedürfniserfüllung des Menschen spielen,
wird kontrovers diskutiert. Neuere Untersuchungen zielen dabei häufig auf die Wirkweise von
Naturerfahrungen bei Kindern ab, wozu sicherlich der im letzten Jahrzehnt entstandene Begriff des
„Naurdefzit-Syndroms“ (VGL. LOUV, 2005) einen großen Beitrag geleistet hat.
GEBHARD (2012) weist darauf hin, wie wichtig eine vielfältige Reizumgebung für die Kindesent-
wicklung ist. Natur bietet für Kinder demnach vielseitige Möglichkeiten der Erkundung, denn sie
ist vielfältig und wandelbar, und bietet zugleich Kontinuität. Die psychische Entwicklung von Kin-
dern kann demnach von vielfältigen Eigenschaften der Natur profitieren. Bekannt ist beispielswei-
se die positive Wirkung von Naturerfahrungen auf die kognitive Entwicklung sowie die Kreativität
von Kindern (33, 34, 36).
Auch aus neurobiologischer Sicht wird zunehmend auf die Notwendigkeit von Naturerfahrungen in
der Kindheit aufmerksam gemacht. So bilden individuell gemachte Erfahrungen Gehirnmuster aus,
die zeitlebens aktiv bleiben, und an die „körperlichen und emotionalen Reaktionen gekoppelt sind“
(HÜTHER, 2008: 15), die durch diese Erfahrungen gesammelt wurden.
Es hat sich herausgestellt, dass Kinder eine intrinsische Motivation für die Natur und deren Erkun-
dung haben, und dass naturnahe Landschaften von ihnen präferiert werden (DOLLASE 2012: 24).
Dies belegt auch eine Studie aus Nordrheinwestfalen aus dem 2004, dem LBS Kinderbarometer.
Befragt wurden 2400 Kinder zwischen 9 und 14 Jahren. Hierin wurde deutlich, welche Bedeutung
Kinder der Natur selbst zuschreiben. Demnach ist für die meisten Kinder die Natur vor der eigenen
Haustüre der wichtigste Aspekt der Wohnumgebung. Naturerfahrungen wirken hiernach vor allen
Dingen durch Spaß (80 %), Wohlfühlen (77 %) und Entspannung (73 %) auf die Kinder. Zudem
gaben 70 % der Kinder an, in der Natur „so sein zu können wie sie sind“ (GEBHARD, 2012: 76; vgl.
WEBER, 2011: 20).
Die traditionelle Psychologie berücksichtigt bei der Frage nach der Persönlichkeit / der psychischen
Entwicklung des Menschen lediglich die „Frage nach der Beziehung zu sich selbst, und der Bezie-
hung zu anderen Menschen“ (GEBHARD, 2008: 29). Die Beziehung des Kindes zur Natur (zu
Pflanzen, Tieren und Landschaften) spielt eine nur untergeordnete Rolle (GEBHARD, 2008: 29). Die
Tatsache, dass das Fehlen unterstützender Umweltelemente genau wie das Fehlen von Bezugsper-
sonen weitreichende Folgen für die kindliche Entwicklung hat, wird oft übersehen. Dabei gilt es als
belegte Tatsache, dass ein Bezug zu Natur förderlich für die menschliche Gesundheit ist (WEBER,
2011: 17, 16). BRÄMER (2009) fasst die empirisch erhobenen Wirkungen von Naturkontakten zu-
sammen, die vorwiegend aus den USA, Japan, sowie Nord- und Westeuropa stammen. Demnach
wirken grüne Landschaften u. a. positive auf die Gefühlslage, reduzieren Stress und steigern die
Aufmerksamkeit (4 ff.).
Die Frage, ob Menschen Natur wirklich brauchen (im Sinne eines Bedürfnisses), ist eine offene
Frage, denn gleichzeitig muss berücksichtigt werden, dass das (Natur)Bedürfnis eines Menschen
mit soziokulturellen Normen und Werten in Bezug steht (GEBHARD, 2008: 29).
Erkenntnisse über die Wirkung von Natur auf ältere Menschen sind aus den vielfältigen Green-
Care Aktivitäten Österreichs bekannt. Demnach wirken freiraumbezogenen Aktivitäten älterer
16
Menschen positiv auf die Gesundheit sowie auf die soziale Beziehungen (NEUHAUSER, 2007:
62).
Die vorangegangenen Kapitel stellen die Bedürfnisse der beiden Zielgruppen in einem Kontext von
Naturerfahrungen dar. Darüber hinaus sind Initiativen und Institutionen aus Österreich aufgeführt,
die durch vielfältige Angebote Möglichkeiten der Naturerfahrung im Rahmen (Sozialer) Landwirt-
schaft bereitstellen.
Auch wenn die Bedeutung von Naturerfahrungen in der kindlichen Entwicklung zunehmend aner-
kannt wird (vgl. LOUV, 2008), wirft die Forschung in weiterer Folge Lücken auf: Bislang unbeant-
wortet ist die Frage, welchen Beitrag Naturerfahrungen, die im Kontext Sozialer Landwirtschaft
gesammelt werden, bei der Bedürfniserfüllung von Kindern leisten?
Unbeantwortet ist auch die Frage, welche Rolle ein landwirtschaftliches Umfeld, wie es beispiels-
weise das Betreute Wohnen auf dem Bauernhof bietet, bei der Bedürfniserfüllung von älteren Men-
schen spielen kann?
Es hat sich gezeigt, dass die Bedürfnisse der verschiedenen Generationen sehr unterschiedlich sind.
Hieraus ergeben sich neue Fragen, die auf eine mögliche Zusammenführung junger und älterer
Menschen abzielen:
Wie ist der landwirtschaftliche Betrieb als Lernort für Kinder und ältere Menschen zu be-
werten?
Welche Betriebe eigenen sich hierfür?
Welche Ursachen und Wirkungen der Isolation junger und älterer Menschen gibt es? Wel-
chen Beitrag hat der agrarstrukturelle Wandel hieran? Wie wirkt die Isolation voneinander
auf die beiden Zielgruppen?
Über welche Gemeinsamkeiten verfügen junge und ältere Menschen?
Welche Aspekte / Prozesse gibt es, die im Sinne der Handlungspädagogik gemeinschafts-
bildend bezüglich einer Generationenzusammenführung wirken? Welche Rolle spielen
Gemeinsamkeiten hierbei?
Unter welchen Voraussetzungen ist eine Zusammenführung der Generationen im Sinne der
Handlungspädagogik möglich? Welche Aspekte gilt es dabei zu beachten?
Über welche Kompetenzen verfügen ältere Menschen? Wie können diese gegenüber Kin-
dern Anwendung finden? Wie wirkt diese Kompetenzanwendung für Kinder, bzw. für älte-
re Menschen, die ihre Kompetenzen weiter geben?
Welche Bedeutung kommt handwerklicher Arbeit im Sinne der Handlungspädagogik zu?
Welche Gemeinsamkeiten können für Arbeit nutzbar gemacht werden? Wozu kann Arbeit
dienen? Welche Rolle spielen die Kompetenzen älterer Menschen dabei?
2.2 Untersuchungsgegenstand und methodisches Vorgehen
Im Folgenden Kapitel wird der Untersuchungsgegenstand vorgestellt, sowie das methodische Vor-
gehen bei der Beantwortung der Forschungsfrage erläutert.
17
2.2.1 Qualitative Sozialforschung
Um die aufgeführten Forschungsfragen zu beantworten, wurden Methoden der Qualitativen Sozial-
forschung verwendet. Zunächst sollen an dieser Stelle die Charakteristika Qualitativer Forschung
dargestellt werden:
Nach FLICK et. al (2004) verfolgt Qualitative Forschung das Ziel, „Lebenswelten von innen her-
aus“, „aus der Sicht der handelnden Menschen“ dar zu stellen. Der Anspruch liegt demnach in
„einem besseren Verständnis Sozialer Wirklichkeit(en)“ (14) (vgl. KRUSE, 2014, 25).
Dem zu Folge gilt es nicht, statistisch verwertbare Aussagen zu treffen, sondern darum, eine Gene-
ralisierbarkeit der Ergebnisse zu ermöglichen. Dies kann erreicht werden, indem die Stichprobe
„den untersuchten Fall inhaltlich repräsentiert“ (MERKENS, 2004: 291).
Ein weiteres Merkmal ist das Prinzip der Offenheit: Qualitative Sozialforschung ist gekennzeichnet
durch eine Explorationsfunktion, den „Wahrnehmungstrichter“ innerhalb der Datenerhebung offen
zu halten. Hierdurch können unerwartete, aber bedeutsame Informationen erhalten werden (LAM-
NECK, 2005: 23). Gleichzeitig wird hieran deutlich, dass Kommunikation als weiteres Merkmal
Qualitativer Sozialforschung verstanden werden kann (LAMNECK, 2005: 22).
Aus den beiden vorher genannten Merkmalen wird die Notwendigkeit der Flexibilität innerhalb des
Forschungsprozesses deutlich, die als weiteres Charakteristikum Qualitativer Sozialforschung gilt.
Werden beispielweise neue Erkenntnisse hinzu gewonnen, kann sich hieraus eine Änderung / Er-
gänzung der Fragen ergeben. So können neue Daten in nachfolgende Untersuchungsschritte einbe-
zogen werden (LAMNECK, 2005: 25).
2.2.2 Erstellung des Interviewleitfadens
Als eine Methode Qualitativer Forschung wurden leitfadengestützte Interviews genutzt. Hierbei
werden Fragen formuliert, die dem Interviewer als Leitfaden während des Interviews dienen. Die
genaue Reihenfolge ist dabei nicht festgelegt. Vielmehr erfordert die jeweilige Gesprächssituation
die Verwendung der einzelnen Frage. Darüber hinaus dient der Interviewleitfaden dem Forschen-
den dazu, den Gesprächsprozess zu strukturieren, beispielsweise wenn ausschweifend geantwortet
wird (FLICK, 2005: 121). Während eines Interviews können neue Fragen hinzukommen (vgl. Prin-
zip der Offenheit qualitativer Forschung). Ein Interviewleitfaden ist demnach kein starres Regel-
werk, sondern drückt den offenen und explorativen Charakter Qualitativer Sozialforschung aus.
Die gestellten Fragen sollen einerseits möglichst explizit formuliert werden, damit Aspekte der
Forschungsfrage beantwortet werden, andererseits sollen die Fragen nicht so formuliert werden,
dass eine mögliche Antwort impliziert wird (FLICK, 2005: 120). Die grundsätzliche Offenheit quali-
tativer Sozialforschung wird somit dadurch deutlich, als das dem Befragten „so viel offenen Raum
wie möglich zu geben“ (KRUSE: 2014: 50) ist.
Die im Rahmen der Forschungsarbeit verwendeten Leitfragen sind an die von BRAZELTON &
GREENSPAN (2008) formulierten Grundbedürfnissen von Kindern angelehnt (vgl. Kap. 2.1.2). Im
Rahmen einer Diskussion dieser Grundbedürfnisse mit dem Allgemeinmediziner und Homöopat-
hen Dr. Tom Vogel, der gleichzeitig Vorstandsmitglied des LebensGut Miteinander e. V. ist, wur-
18
den die beschriebenen Bedürfnisse in einen landwirtschaftlichen Kontext gesetzt. Dabei wurde die
Frage diskutiert, welche Rolle Naturerfahrungen, die in einem landwirtschaftlichen Kontext ge-
sammelt werden können, bei der Bedürfniserfüllung von Kindern und älteren Menschen spielt.
Folgendes Beispiel soll dies verdeutlichen:
„Das Bedürfnis nach Grenzen und Strukturen“ (BRAZELTON & GREENSPAN, 2008: 247). Hieraus
ergibt sich die Frage im Interviewleitfaden:
„Welche natürlichen Strukturen gibt es Ihrer Erfahrung nach durch das Eingebunden-Sein in den
jahreszeitlichen Verlauf für die Kinder / Ihr Kind? Beschreiben Sie diese bitte Anhand konkreter
Beispiele!“
Im Rahmen der Interviews wurden drei grundsätzlich verschiedene Leitfäden genutzt. Dies erklärt
sich einerseits aus den unterschiedlichen Zielgruppen der Befragungen (Kinder – Fragebogen 1 und
ältere Menschen – Fragebogen 2). Darüber hinaus wurde ein Fragebogen erstellt, der auf die Mög-
lichkeiten der Zusammenführung der beiden Zielgruppen im Sinne der Handlungspädagogik ge-
richtet ist (Fragebogen 3).
Die Interviewleitfäden 1 und 2 wurde in drei Kategorien gegliedert: Eingangs ging es um die Mo-
tivation der Befragten zum Forschungsthema. Den Hauptteil der Befragung stellte die Kategorie
„Naturkontakte“ dar, während abschließend Fragen zu Zukunftsaspekten gestellt wurden. Der
Interviewleitfragen 3 gliedert sich in die Kategorien „Naturkontakte“ und „Zusammenführung –
Intergenerativ“.
Vor den Interviews wurden mit jedem Fragebogen Pretests durchgeführt. Hierdurch wurde sicher-
gestellt, dass die Fragen für den Gesprächspartner verständlich sind.
2.2.3 Auswahl der Betriebe und der Untersuchungsteilnehmer
Im Rahmen der Datenerhebung wurden insgesamt vier Betriebe besucht. Drei dieser Betriebe be-
finden sich in Österreich. Hierbei handelt es sich jeweils um Pionierbetriebe, die im Land gegen-
wärtig einzigartig sind. Der Hinweis auf die Betriebe kam von Vereinsmitgliedern des LebensGut
Miteinander e. V. Der vierte Betrieb befindet sich in Mitteldeutschland. Der Hinweis hierauf wurde
vom Erstbetreuer der vorliegenden Arbeit gegeben.
Nachstehend wird zunächst das LebensGut Miteinander eingehender vorgestellt (vgl. Kap. 1).
Hiernach folgt eine Beschreibung der vier Untersuchungsbetriebe in chronologischer Reihenfolge
der Befragungen.
LebensGut Miteinander
Wie in Kap. 1. Erwähnt, handelt es sich bei dem LebensGut Miteinander e. V. um eine Initiative,
die künftig vielseitige Aktivitäten der Sozialen Landwirtschaft vereinen möchte.
Durch den Vorstand des Vereins werden zahlreiche Kompetenzen bezüglich der künftigen Be-
triebsorientierung abgedeckt. In diesem befinden sich u. a. Personen aus den Bereichen Allge-
19
meinmedizin, Sozialarbeit, Musikpädagogik und Tiergestützter Therapie (LEBENSGUT MITEINAN-
DER E. V, 2014: 5). Im Folgenden werden einzelne Betriebszweige genauer betrachtet.
Gemüsebau
Auf Grundlage einer solidarischen Wirtschaftsweise soll künftig auf acht ha betriebseigener Fläche
Gemüsebau nach Ökologischen Richtlinien einschließlich Saatgutvermehrung betrieben werden.
Die Produktion der Erzeugnisse wird der größtmöglichen Eigenversorgung des gesamten Projekts
(Bewohner, Mitarbeiter und andere Angehörige) dienen. Darüber hinaus wird eine Gemüseversor-
gung von 100 bis 200 Haushalten der unmittelbaren Umgebung angestrebt. Die Solidarische
Landwirtschaft wird dabei als Bindeglied zwischen dem hofeigenen Kindergarten, der LebensGut-
Schule sowie der Tagesbetreuung für Senioren verstanden (LEBENSGUT MITEINANDER E. V., 2014:
9).
Kindergarten am Bauernhof und LebensGut Schule
Der Verein bezeichnet eine individuelle Begleitung, die die Bedürfnisse von Kindern berücksich-
tigt, als Notwendigkeit, um eingangs beschriebenen gesellschaftlichen Entwicklungen entgegen zu
wirken (vgl. Kap. 1). Das handlungspädagogische Konzept forciert dabei eine gleichwertige Wis-
sensvermittlung aus kognitiver Lernarbeit und praktischen Tätigkeiten im landwirtschaftlichen
Bereich (CSA) Dabei wird besonders der Aspekt körperlichen Ausgleichs betont, der sich nicht auf
wenige Sportstunden in der Woche reduzieren soll. Über den täglichen Kindergarten- und Schulbe-
trieb hinaus sollen Ferienaufenthalte für Kinder mit besonderen Bedürfnissen angeboten werden,
wobei die Landwirtschaft durch tiergestützte Interventionsmaßnahmen an dieser Stelle einen
Schwerpunkt bildet (LEBENSGUT MITEINANDER E. V., 2014: 9).
Tagesbetreuung für ältere Menschen
Wie bereits erwähnt zielt die künftige Tagesbetreuung auf dem LebensGut Miteinander auf eine
Anbindung älterer Menschen an die Solidarische Landwirtschaft ab. Hierdurch soll für ältere Men-
schen die Möglichkeit entstehen, sinnvollen Tätigkeiten in einer häufig vertrauten Umgebung
nachgehen zu können. Dabei wird älteren Menschen ein reicher Erfahrungsschatz beigemessen,
den sie mittels Landwirtschaft mit den Kindern des Kindergartens und der LebensGut-Schule teilen
sollen. Da es in der Gemeinde bislang keine Tagesbetreuungsplätze für Senioren gibt, gilt die künf-
tige Nachfrage unter Berücksichtigung der demografischen Verhältnisse (vgl. Kap. 1) als gesichert
(LEBENSGUT MITEINANDER E. V., 2014: 16).
Am 1. September 2014 wurde der Hof offiziell an den Verein übergeben. Bis zur Aufnahme des
Wirtschaftsbetriebes im August 2015 stehen umfangreiche Umbau- und Sanierungsmaßnahmen an,
die die künftigen Bedürfnisse der Zielgruppen berücksichtigen (VOGEL, mdl. Mitt. 2014). Aufgrund
des Pioniercharakters des Projekts sowie der guten infrastrukturellen Anbindung an die Landes-
hauptstadt Wien kommt dem LebensGut Miteinander bereits eine große öffentliche Beachtung
zuteil.
Adelwoehrerhof
20
Der Adelwoehrerhof6 befindet sich in St. Oswald/Möderbrugg in der Steiermark / Österreich und
wird von Johan und Petra Steiner geführt. Neben einem Landwirtschaftlichen Betrieb mit ca. 26 ha,
befindet sich auf dem Bauernhof ein Altenheim, welches im Juni 2014 von 14 Klienten bewohnt
wurde. Landwirtschaftlicher Betriebsleiter des Hofes ist Johan Steiner, während Petra Steiner die
Leitung des Altenheims innehat (STEINER, J., mdl. Mitt. 2014) .
In früheren Zeiten wurde der Hof im Nebenerwerb bewirtschaftet. 13 ha Grünland und die damit
verbundene Mutterkuhhaltung sowie 13 ha Forst bildeten hierfür die Grundlage. Bei der Betriebs-
übernahme im Jahr 2000 war der Hof in einem veralteten Zustand, der eine betriebliche Neuorien-
tierung notwendig machte (STEINER, J., mdl. Mitt. 2014). Aufgrund der Qualifikation Petra Steiners
als Diplom Krankenschwester entschloss sich das Ehepaar für den Schritt in die Soziale Landwirt-
schaft. Im Jahr 2002 konnte der erste Betreuungsplatz angeboten werden. Mittlerweile verfügen
Johan und Petra Steiner über Qualifikationen im Bereich der tiergestützten Therapie, die im Rah-
men einer Weiterbildung am Österreichischen Kuratorium für Landtechnik und Landentwicklung
erworben wurden (GREEN CARE (a), 2013). Neben Betreuungsangeboten für ältere Menschen, bie-
tet der Hof seit einiger Zeit tiergestützte Interventionsmöglichkeiten für Menschen mit besonderen
Bedürfnissen an. Der Betrieb ist Mitglied der Green Care-Initiative Österreich (STEINER, J., mdl.
Mitt. 2014).
Auf dem Adelwoehrerhof haben hochbetagte Menschen die Möglichkeit, am landwirtschaftlichen
Alltagsgeschehen teilzunehmen. Bei der Pflege kommt den Berührungspunkten zu den hofeigenen
Tieren (Schafen, Schweinen, u. a.), dem Bauerngarten sowie der umliegenden Kulturlandschaft
besondere Bedeutung zu (GREEN CARE (a), 2013).
Regelmäßig besuchen Kinder im Rahmen von Geburtstagen, Schulausflügen, u. a. den Adelwoeh-
rerhof. Hierdurch kommt es zu Gemeinsamen Aktivitäten zwischen Kindern und älteren Menschen.
Johan Steiner bezeichnet den Betrieb deshalb als Mehrgenerationenhof (STEINER, J., 2014, mdl.
Mitt.). Ein gemeinsames Miteinander der Generationen soll in Zukunft intensiviert werden. Hierfür
werden Betriebsgebäude umgebaut, und somit die Möglichkeit mehrtägiger Aufenthalte für Kin-
dergruppen geschaffen. Die betriebliche Ausrichtung bezeichnet Johan Steiner als Reaktion auf den
zunehmenden wirtschaftlichen Druck auf kleine Betriebe. Dabei geht es dem Ehepaar darum, sich
der Maxime des „Wachsens oder Weichens“ zu widersetzen (STEINER, J. mdl., Mitt. 2014).
6 www.adelwoehrerhof.at
21
Abbildung 2: Hauptgebäude des
Adelwoeherhofs (Quelle:
www.adelwoehrerhof.at)
Franzlhof
Der Franzlhof7 ist ein tiergestützter Kindergarten in Pregarten, im oberösterreichischen Mühlvier-
tel. Der Betrieb wurde im Jahr 2003 von Betriebsleiterehepaar Haas übernommen. Die Errichtung
des Kindergartens auf dem Hof erfolgte in den Jahren 2008/2009 von Bettina Haas, die auch dessen
Leiterin ist. Im Juni 2014 wurde der Kindergarten von 36 Kindern besucht wurde (HAAS, mdl. Mitt.
2014). Der Rechtsträger des Franzhlofs ist der Verein „Erleben – leben, - Tier – Mensch – Natur“
(GREEN CARE (b), 2013). Zudem ist die Einrichtung Mitglied der Green-Care Initiative Österreich.
Vor der Errichtung des Kindergartens wurde der Hof als Milchviehbetrieb im Nebenerwerb bewirt-
schaftet. Aufgrund geringer Verdienstmöglichkeiten innerhalb der Landwirtschaft wurde eine Wei-
terführung dieses Wirtschaftsstils bei der Betriebsübernahme an die nachfolgende Generation als
aussichtlos erachtet. Dies gab dem Betriebsleiterehepaar Haas Anlass dazu, die Landwirtschaft auf
die eigenen Bedürfnisse und Kompetenzen auszurichten. Nach einer Ausbildung als Kindergärtne-
rin sowie einem Studium in „Tiergestützter Therapie und tiergestützte Fördermaßnahmen“ an der
Veterinärmedizinischen Universität in Wien, entschloss sich Bettina Haas dazu, den Franzlhof in
einen Bauernhofkindergarten umzugestalten (HAAS, mdl. Mitt. 2014).
Der Franzlhof verfügt über einige Hektar Grünland, die von Schafen der Rasse „Heidschnucke“
beweidet werden. Dementsprechend wird der Betrieb auch weiterhin im Nebenerwerb geführt.
Darüber hinaus finden sich zahlreiche weitere Nutztiere auf dem Hof, von denen Hühner, Kanin-
chen, Pferde und Lamas einige sind (HAAS, mdl. Mitt. 2014).
Der Aktionsradius der Kinder auf dem Franzlhof erstreckt sich von den angrenzenden Wäldern,
Äckern und Wiesen über einen Fischteich sowie einer hofeigenen Werkstatt. Neben dem täglichen
Angebot des Bauernhofkindergartens bietet Bettina Haas Spielgruppen für Kinder zwischen einem
und vier Jahren, sowie Geburtstags- und Betriebsfeiern an (GREEN CARE (b), 2013).
7 www.franzlhof.at
22
Abbildung 3: Spielplatz des Franzlhofs (Quelle:
www.franzlhof.at)
PAN-Projekt
Das PAN-Projekt für gemeinschaftliche Gesellschaftsentwicklung befindet sich in Großschönau,
im Oberösterreichischen Waldviertel / Niederösterreich. Rechtlich wird das Gesamtprojekt von der
gemeinnützigen Privatstiftung „PAN“ getragen. Das Projekt versteht sich als Plattform und Vernet-
zungsinstanz unter gleichgesinnten und setzt sich aus verschiedenen Teilbereichen zusammen
(HAHN, J., mdl. Mitt. 2014). Der landwirtschaftliche Betrieb des Projekts, der 1996 gegründet wur-
de, umfasst ca. 40 ha Grün- und Ackerland, die ökologisch bewirtschaftet werden. Hierbei werden
alte Tierrassen (Schweine, Schafe) sowie traditionelle Obst- und Gemüsesorten der Region bevor-
zugt. Ein weiter Schwerpunkt innerhalb der Landwirtschaft liegt auf der Verbesserung der Boden-
fruchtbarkeit (PAN-PROJEKT, 2014). Die Erzeugnisse werden über den betriebseigenen Hofladen
sowie das angrenzende Restaurant vermarktet. Ein großer Teil dient zudem der Eigenversorgung
der Projektmitglieder (WAGNER, mdl. Mitt. 2014).
Das Projekt beinhaltet drei Bildungsinstitutionen. Die Tagesbetreuungseinrichtung „PANINI“ rich-
tet sich an Kinder bis zum sechsten Lebensjahr, und gilt als Vorstufe zum Schuleintritt in die PAN-
Freilandschule. Diese ist mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattet und wird von Kindern und Jugendli-
chen zwischen sechs und 15 Jahren besucht (HAHN, J., mdl. Mitt. 2014). Musikalische Förderung
sowie ein enger Naturbezug durch die Projekteigene Landwirtschaft bilden die Schwerpunkte der
Freilandschule. Die meisten der Schüler, die die PAN-Freilandschule besuchen, leben auch in dem
PAN-Projekt. Entsprechend klein sind die Klassenverbände. Die PAN-Werkschule bietet Jugendli-
chen ab dem 15. Lebensjahr die Möglichkeiten, in den Projekteigenen Werkstätten in den Berei-
chen der Holz-, Metall-, oder Textilverarbeitung tätig zu sein (WAGNER, mdl. Mitt. 2014).
Jeden Freitag veranstaltet das gesamte Projekt einen Tag der offenen Tür. In diesem Rahmen wer-
den ausführliche Betriebsbesichtigungen angeboten, bei denen die Entstehung und Entwicklung des
Projekts dargestellt werden (WAGNER, mdl. Mitt. 2014).
23
Abbildung 4: Hauptgebäude des PAN-Projekts (Quelle:
www.Pan.at)
Hof Hauser
Der Hof Hauser8 befindet sich in Wolfhagen, südlich von Kassel, in Mitteldeutschland. Der Betrieb
leistet Jugendhilfe auf einem klein strukturierten Bauernhof. Betriebsleiter Manfred Schulze hat
den in der vorliegenden Arbeit verwendeten Begriff der Handlungspädagogik mitgeprägt. Träger-
verein des Hof Hauser ist die „Arbeitsgemeinschaft für Menschenbildung, Sozialkunst und Land-
bau e. V.“ Der Hof wurde im Jahr 2001 vom Trägerverein erworben (VAN ELSEN et al., 2010: 141,
142).
Auf dem Hof werden ca. 4 ha landwirtschaftliche Nutzfläche inclusive Wald bewirtschaftet. Dabei
wird eine möglichst große Eigenversorgung selbst produzierter Erzeugnisse angestrebt. Der be-
triebliche Schwerpunkt liegt auf der „pädagogischen und therapeutischen Arbeit mit Kindern und
Jugendlichen“ (VAN ELSEN et al., 2010: 141, 142), die im Rahmen einer permanenten Betreuung
stattfindet. Die Motivation des Betriebsleiters Manfred Schulze bestand bei der Gründung des Ho-
fes darin, Kindern mit entsprechendem Bedarf ein sicheres zu Hause bieten zu können. Darüber
hinaus wird mit dem Konzept der Handlungspädagogik die Einbeziehung von Kindern und Jugend-
lichen in landwirtschaftliche Tätigkeiten forciert (VAN ELSEN et al., 2010: 142).
Hierbei wird grundsätzlich versucht, den Kindern familiäre Strukturen bieten zu können. Deshalb
leben diese mit dem leitenden Personal sowie den Auszubildenden in einem Gebäude. Die Mahl-
zeiten werden selbst zubereitet und gemeinsam eingenommen. Auch die restliche Haushaltsführung
wird gemeinschaftlich getragen. Der Kontakt der Kinder mit ihren Eltern bleibt weiter bestehen,
beispielsweise durch Ferienbesuche oder Telefonate. Obwohl der Hof wie erwähnt neun Betreu-
ungsplätze für Kinder und Jugendliche bietet, wird eine Auslastung dieser Möglichkeiten nicht in
Betracht gezogen. Grund hierfür ist, dass ab einer solchen Gruppengröße diese geteilt werden
müsste, um eine individuelle Betreuung jedes einzelnen Kindes weiterhin zu gewährleisten. Dies
aber fiele zu Lasten des familiären Gefüges aus (VAN ELSEN et al., 2010: 146).
8 Informationen über den Hof Hauser finden sich in VAN ELSEN et. al (2010)
24
Abbildung 5: Wirtschaftsgebäude und umliegende
Weideflächen des Hof Hauser (Quelle: www.anthrojob.de)
Die nachstehende Abbildung stellt die stellt die geografische Lage des LebensGut Miteinander
sowie der besuchten Höfe dar.
Abbildung 6: Lage des LebensGut Miteinander, sowie der
Höfe, die im Rahmen der Datenerhebung besucht wurden
A: LebensGut Miteinander, B: Adelwoeherhof, C: Franzlhof,
D: PAN-Projekt, E: Hof Hauser (Quelle: google maps)
Nachdem in den vorangegangenen Ausführungen die Untersuchungsbetriebe dargestellt wurden,
folgt nachstehend die Auswahl der Untersuchungsteilnehmer auf den verschiedenen Betrieben.
Untersuchungsteilnehmer
Gemäß den Auswahlstrategien nach FLICK, 2005: 97 wurde vor Erhebung der Daten ein sample
festgelegt. Hierbei wurde zum einen entschieden, wer die Gesprächspartner sein sollen (Fallaus-
wahl), und aus welcher Gruppe die Interviewpartner kommen sollen (Fallgruppenauswahl). Bei der
Zusammenstellung der Untersuchungsteilnehmer wurde darauf geachtet, eine möglichst heterogene
Auswahl der Befragten zu treffen (LAMNECK, 2005: 192). Hierbei geht es darum, wenige, aber
möglichst unterschiedliche Perspektiven und Sichtweisen der Befragten erschließen zu können
(FLICK, 2005: 87). Für die Erstellung der Arbeit wurde das theoretische Sampling verwendet. Das
25
bedeutet, dass sich erst im Forschungsprozess herausgestellt hat, wie sich die „Auswahl und Zu-
sammensetzung des empirischen Materials“ (FLICK, 2005: 102) gestaltet. Zudem können sich die
Stichproben im Verlaufe des Forschungsprozess erweitern (MERKENS, 2005: 292), was im vorlie-
genden Fall auch geschehen ist. Das theoretische sampling eignet sich besonders für explorative
Forschungsvorhaben, bei denen im Vorfeld kaum Erkenntnisse vorhanden sind (KRUSE, 2014:
246).
An dieser Stelle ist anzumerken, dass die ausgewählte Stichprobe in nur zwei Fällen dem For-
schungsgegenstand der Arbeit entspricht. Nur in den Fällen, in denen zwei ehemalige Schüler der
PAN-Schule befragt wurden, war dies der Fall. Bei den Interviewführungen nach Leitfaden 1 (Kin-
der) bestanden die Gesprächspartner nicht aus Kindern, sondern aus deren Eltern sowie den Institu-
tionsleitungen (Bauernhofkindergarten, Bauernhofschule). Im Fall des Interviews nach Leitfaden 2
(ältere Menschen) bestanden die Gesprächspartner nicht aus älteren Menschen, sondern aus den
beiden Betriebsleitern. Dabei gilt zu beachten, dass Klienten des Altenheims dem passiven Pol
(vgl. Kap. 3.2.1 Polarisierung des Alters) zugehören.
Bei der Gesprächsführung nach Leitfaden drei, wurden der Betriebsleiter des Hofes anstelle von
Kindern und / oder älteren Menschen befragt.
2.2.4 Durchführung der Interviews
Grundsätzlich ist es gut, den Interviewten in seiner gewohnten Umgebung zu befragen. Diese ist
dem Befragten aus seinem Alltag heraus bekannt, und kann somit kompensierend darauf wirken,
dass dieser sich in einer ungewohnten Situation befindet (LAMNECK, 2005: 88).
Die Interviews wurden am 24.07, 26.07, 27.07 sowie am 16.08.2014 durchgeführt. Um einander
zunächst etwas vertraut zu werden, wurden den Interviewteilnehmern eingangs Fragen zum „warm
werden“ gestellt.
Im Rahmen der Datenerhebung wurden zum einen die jeweiligen Institutionsleiterinnen (Alten-
heim, Kindergarten, Schule), sowie der Betriebsleiter des Hof Hauser befragt. Zudem wurden zwei
Mütter interviewt, deren Kinder den Bauernhofkindergarten Franzlhof besuchen. Darüber hinaus
wurde ein Vater befragt, dessen sechs Kinder die PAN-Lebensschule besucht haben. Von diesen
hat eine Tochter die Schule im Jahr 2013 verlassen, und stand ebenfalls als Gesprächspartnerin zur
Verfügung. Außerdem wurde ein ehemaliger Schüler der Bauernhofschule befragt. Die Größe der
Stichproben war zu Beginn der Datenerhebung nicht festgelegt, sondern endete, als die theoreti-
sche Sättigung erreicht war (LAMNECK, 2005: 193).
Bei der Auswahl der Interviewpartner wurde darauf geachtet, dass diese sich in der Grundgesamt-
heit ihrer subjektiven Sichtweisen größtmöglich unterscheiden, und die persönliche Perspektive der
Untersuchungsteilnehmer facettenreich ist (MERKENS, 2004: 291).
Im Altenheim auf dem Bauernhof, dem Adelwoehrerhof wurden die Gespräche im Gemeinschafts-
raum geführt. Im Bauernhofkindergarten Franzlhof wurden die Interviews auf dem Spielplatz
durchgeführt, der gleichzeitig auch Garten und Tierweide ist. In der PAN-Lebensschule fanden die
Befragungen sowohl in den Räumlichkeiten der Gemeinschaft, als auch draußen auf dem Hofge-
lände statt. Das Gespräch auf dem Hof Hauser fand im Haupthaus statt.
26
2.2.5 Transkription der Interviews
Nach Aufnahme der Interviews mittels eines Tonbandgerätes wurden diese transkribiert. Dabei
wurde nach den Transkriptionsregeln von KUCKARTZ et. al, (2007) vorgegangen:
- die verschiedenen Dialekte wurden ins Hochdeutsche übersetzt
- die Transkription erfolgte wörtlich
- eine Annäherung ans Schriftdeutsche wurde vollzogen, beispielsweise wenn einzelne
Silben „verschluckt“ wurden
- emotionale Äußerungen (beispielsweise lachen) werden in Klammern notiert (lachen),
diese Vermerke befinden sich jedoch nur im Anhang dieser Arbeit (im Transkript), und
werden in dieser Arbeit nicht erwähnt
- Gesprächspausen, werden in den Transkripten mit (.) gekennzeichnet, wobei jeder
Punkt in der Klammer für eine Sekunde Gesprächspause steht. Um eine bessere Les-
barkeit der Ergebnisse zu gewährleisten werden die Gesprächspausen in der vorliegen-
den Arbeit nicht berücksichtigt
- der Interviewer wurde bei der Transkription mit „I“ gekennzeichnet, die befragte Per-
son wird mit ihren Initialen kenntlich gemacht, die eingangs erläutert werden
(KUCKARTZ et. al, 2007: 27, 28).
Darüber hinaus wurden die Transkriptionsregeln gemäß der Vorgehensweise des „Praxisbuch In-
terview, Transkription und Analyse“9 ergänzt. Besonders betonte Begriffe wurden in Großbuchsta-
ben geschrieben (DRESING & PEHL, 2008: 23).
Die Interviewtranskripte umfassen insgesamt 108 Seiten.
2.2.6 Analysemethode und Auswertung der Interviews
Das transkribierte Datenmaterial wurde mit Hilfe der Qualitativen Inhaltsanalyse nach MAYRING
(2010) ausgewertet. Gegenstand dieser Methode ist die Auswertung von Daten, die „aus irgendei-
ner Art von Kommunikation stammt“ (MAYRING, 2010: 11). Dabei stellt die Qualitative Inhaltsana-
lyse ein regelgeleitetes Vorgehen dar, sodass die Auswertung der Daten durch „Analyseschritte und
Analyseregeln systematisiert und überprüfbar“ (MAYRING, 2010: 42) gemacht wird. Die einzelnen
Schritte der Analyse können sich jedoch je nach Forschungsgegenstand unterscheiden (rein qualita-
tive Datenerhebung - qualitative und quantitative Datenerhebung, induktives Vorgehen – dedukti-
ves Vorgehen). Zentraler Gegenstand jeder inhaltlichen Analyse ist die Bildung von Kategorien
(MAYRING, 2010: 42). Nachstehend wird das Ablaufmodell der Datenanalyse und Datenauswertung
der vorliegenden Arbeit dargestellt.
Die erhobenen Daten wurden mit Hilfe des Analyseprogrammes MAXQDA10
bearbeitet. Im Zuge
der Bearbeitung wurden die transkribierten Interviews mit verschiedenen Codes versehen. Im Zent-
rum stand dabei die Entwicklung eines induktiven Kategoriensystems (MAYRING, 2010: 76). Das
9 http://www.audiotranskription.de/download/praxisbuch_transkription.pdf?q=Praxisbuch-Transkription.pdf
10 Hierbei handelt es sich um eine Software der Qualitativen Datenanalyse. Eine Gratis Testversion ist erhält-
lich unter der Internetadresse http://www.maxqda.de/demo.
27
bedeutet, das Vorgehen der Kategorienbildung fand nicht nach theoretischen Vorüberlegungen
statt, sondern wurde ohne Vorannahmen bezüglich der Gesprächsinhalte ausgewertet. Hierdurch
wird eine „gegenstandsnahe Abbildung des Materials“ (MAYRING, 2010, 75) gewährleistet. Hierfür
ist es notwendig, Auswahlkriterien für die Einbeziehung von Daten in den Analyseprozess zu defi-
nieren. Dabei ist die Fragestellung richtungsweisend (MAYRING, 2010: 76). Das Resultat dieser
Vorgehensweise ist ein komplexes Kategoriensystem.
Aus diesen Textstellen wurden Formulierungen gebildet. In diesem Zuge wurde eine enge Kon-
textanalyse durchgeführt. Das bedeutet, dass kein zusätzliches Material (Literatur) zur Interpretati-
on der Textstellen herangezogen wurde, sondern „nur Material aus dem Text selbst“ (MAYRING,
2010: 79) verwendet wurde. Hierbei wurden Gesprächsinhalte der verschiedenen Interviews aus
den zuvor gebildeten Kategorien entnommen, die in direkter Beziehung zur formulierten Textstelle
stehen. Diese Informationen wurden „definierend“, „beschreibend“ und „beispielgebend“ (MAY-
RING, 2010: 80) zur formulierten Textstelle hinzugezogen.
Während der aktuelle Kenntnisstand zum Forschungsthema (vgl. Kap. 2.1) theoriegeleitet erarbei-
tet wurde, stammen die Ergebnisse, die in Kapitel 3 dargestellt werden, aus der Empirie. Das Wis-
sen, dass mittels qualitativer Befragungen generiert wurde, also zum Kenntnisstand des For-
schungsthemas „neu hinzugekommen“ ist, wird im nachfolgenden Kapitel als Ergebnis dargestellt.
28
3 Ergebnisse
Nachdem in Kap. 2 der Stand des Wissens zum Forschungsthema sowie die methodische Vorge-
hensweise dargestellt wurden, dient das vorliegende Kapitel der Darstellung der Ergebnisse, die
durch eine Qualitative Analyse der erhobenen Daten gewonnen wurden.
Wörtliche Zitate der Interviewteilnehmer werden kursiv geschrieben und mit Anführungszeichen
versehen. Da alle Interviews 2014 stattfanden, wird auf die Jahreszahl bei der Quellenangabe ver-
zichtet. Die Großbuchstaben weisen auf die Initialen der Interviewteilnehmer hin. Während die
erste Nummer die Seitenzahl des jeweiligen Interviews angibt, verweist die zweite Nummer auf die
Zeile der jeweiligen Seite im Transkriptionsmaterial (NAME, SEITE, ZEILENNUMMER).
Bei der Beantwortung der in Kap. 1 formulierten Fragestellung bezüglich der Bedürfnisse von
Kindern und älteren Menschen werden die Wirkungen von Naturerfahrungen besonders berück-
sichtigt.
In Hinblick auf die Fragestellung bezüglich der Grundvoraussetzungen der Generationenzusam-
menführung im Sinne der Handlungspädagogik, liegt der Fokus auf den Faktoren, die für interge-
nerative Begegnungen notwendig sind.
Für die Beantwortung der Forschungsfragen soll zunächst das Potential landwirtschaftlicher Be-
triebe als Lernort dargestellt werden.
3.1 Lernort Landwirtschaft
Landwirtschaftliche Betriebe bieten Grundvoraussetzungen, um vielfältige Naturerfahrungen zu
ermöglichen und eine Lernumgebung für Kinder zu erschaffen. So beschreibt Gründerin und Leite-
rin des Franzlhofs BH: „Ich möchte Landwirtschaft und Kindergarten kombinieren, was meines
Erachtens einfach die beste Möglichkeit ist, wie sich Kinder entwickeln können.. Ich habe das alles
vor mir. Und brauche das eigentlich nur aus der Natur, aus der Landwirtschaft, von den Tieren
aufgreifen, und kann Kindern alles bieten, was sie zum Lernen brauchen. Landwirtschaft ist der
optimale Ort für Kinder zum Lernen und zum Leben“ (1, 33; 2, 1-7). Landwirtschaftliche Betriebe
bieten für Kinder die Möglichkeit, das aufzugreifen, was für ihre Entwicklung „eben JETZT GE-
RADE wichtig ist, einfach Zapfen sammeln, einfach nur anfassen, oder einfach nur wühlen“ (14,
16-18).
Schulleiterin IW beschreibt ihre Erfahrungen diesbezüglich: „JEDES Kind lernt gerne, und JEDES
Kind hat einen Zugang zur Natur. Und deswegen ist natürlich die Natur, beziehungsweise die
Landwirtschaft, wesentlicher Teil der Schule.“ (1, 25-28) Außerdem fügt sie hinzu: „Also die Kin-
der lernen MIT der Natur Kompetenzen, die sie für das Leben brauchen“ (3, 19-20) (vgl. Kap.
3.2.4).
Auch MS teilt diese Grundhaltung, und beschreibt landwirtschaftliche Betriebe als Ort mit Mög-
lichkeiten eines „kunstvollen Zugriffs auf das Handwerk, in einer großen Vielfalt. Und dann ist der
Hof, oder der dörfliche Umkreis, mit vielen Handwerken, ein idealer Ort“ (7, 15-18).
29
SE, der seine Schulzeit in der PAN-Freilandschule absolviert hat, reflektiert seine langjährigen
(praktischen) Lernerfahrungen aus der Bauernhofschule als „sehr wertvoll, was das Selbstvertrau-
en betrifft. Wo man sich dann auch ja viel selbstverständlicher auch gerne reinhaut, sich ins Zeug
legt, mitarbeitet. Und aufgrund dessen vor allem dann auch VIEL LERNT. Weil man es selber
macht und weil man es GERN macht (4, 32; 5, 1-3). Ich habe sicher in der Zeit WESENTLCIH
mehr gelernt, als ich hätte irgendwo anders lernen KÖNNEN“ (5, 7-8). EM, die ebenfalls die Bau-
ernhofschule besucht hat, beschreibt hierzu: „ Ich glaube, dass ich die Liebe zur Natur hier gelernt
habe“ (1, 15-16). Die Bedeutung dieser Naturverbundenheit beschreibt sie dabei als „ganz wichtig
ist, damit ein Mensch ausgeglichen ist“ (1, 14-15).
JS beschreibt, dass Landwirtschaft auch für ältere Menschen ein attraktives Umfeld bieten kann:
„Die Kombination [aus Landwirtschaft und Altenpflege] kann ja auch ein tolles Umfeld sein für
Leute die pflegebedürftig sind, das war eigentlich unsere Grundidee, dass Senioren nicht gerne ins
Altersheim, ins Pflegeheim gehen, das hat keinen guten Ruf. Und die alten Leute kommen auch
Großteils noch aus dem landwirtschaftlichen Bereich“ (1, 14-18). Darüber hinaus fügt er hinzu,
„dass Landwirtschaft [älteren Menschen] die Möglichkeit gibt, seine Fähigkeiten irgendwie einzu-
setzen“ (6, 10-11) (vgl. Kap. 3.3.1).
Die nachstehenden Beispiele verdeutlichen, dass kleinstrukturierte Betriebe für eine Kombination
aus Sozialer Arbeit und (Ökologischer) Landwirtschaft geeignet sind.
BH beschreibt die damalige Übernahme des Franzlhofs von der vorherigen Generation, „[Es] war
für mich klar, dass ich diese Art und Weise von Landwirtschaft nicht weiterführen möchte. Und
auch für meinen Mann. Weil das einfach zu Zeitintensiv ist, und eigentlich auch kaum Verdienst
erwirtschaftet wurde“ (1, 18-20). „Und dann haben wir die ganze Landwirtschaft umgestellt, auf
Schafe “ (1, 29-30). Die Kombination aus einer kleinteiligen Landwirtschaft und Sozialer Arbeit
bot sich an, „durch meine Ausbildung als Kindergärtnerin durch das Studium, was ich auf der
Veterinärmedizinischen Universität [in Wien] gemacht hab“ (1, 32-33).
Auch JS beschreibt die Vorteile einer kleinteiligen Ausrichtung des Adelwoehrerhofs als bedeut-
sam, weil „man persönlich arbeiten kann“ (2, 17). „Als ich den Bauernhof von meinen Eltern
übernommen habe, war alles veraltet, es war ein Neustart notwendig, Neustart oder aufhören“ (1,
10-11). Seit einigen Jahren wird der Betrieb extensiv bewirtschaftet. „Es gibt es nur Festmist, das
passt bei uns dazu, weil wir jetzt eben neben dem Pflegeheim noch Tiergestützte Intervention an-
bieten “ (12, 4-6). Hieran wird deutlich, wie die einzelnen Betriebszweige des Hofes ineinander
übergreifen und sich gegenseitig ergänzen.
Wie auch im vorangegangenen Beispiel bot sich das Arbeitsfeld Soziale Landwirtschaft auf dem
Hof an, da sowohl Qualifikationen im Bereich der Landwirtschaft als auch im sozialen Bereich
vorhanden sind. Ehefrau PS beschreibt hierzu: „Mein Beruf war immer Diplom-Krankenschwester.
Und ich habe eben gerne geholfen in der Landwirtschaft. Und ich war gerne, wenn irgendwas zu
machen war, dabei“ (22, 24-26). „Deswegen kann ich das jetzt als einen Teil von meinem Beruf
bezeichnen“ (22, 29-30). „Für mich ist es eh ideal“ (23, 1). JS betont die Freiheit betrieblicher
Entscheidungen durch eine kleinteilige und diverse Betriebsausrichtung des Hofes. „Wir haben da
keine Instanz, wo wir fragen müssen, wir können das selber entscheiden. Das ist Klasse an solch
30
einem kleinen Betrieb. Wenn er einem selber gehört noch dazu. Das bedeutet auch Lebensqualität
für die Leute“ (5, 30-32; 6, 1). „Es ist wie bei einem kleinen Handwerker, hier auf dem Bauernhof,
wo man selber mitarbeitet. Das ist nichts anderes“ (8, 16-18).
Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass kleinteilige Landwirtschaftliche Betriebe
vielfältige Lernorte für Kinder und ältere Menschen darstellen können. Das Kapitel 3.2 stellt die
Bedürfnisse von Kindern dar und zeigt den Beitrag auf, den Naturerfahrungen, die im landwirt-
schaftlichen Kontext gewonnen werden können, bei der Bedürfniserfüllung leisten.
3.2 Bedürfnisse von Kindern
Die Kapitel 3.2.1 bis 3.2.4 stellen verschiedene Bedürfnisse von Kindern dar, die nicht materieller
Art sind. Hierbei wird aufgezeigt, welchen Beitrag Naturerfahrungen, die im Kontext Sozialer
Landwirtschaft gewonnen werden können, bei der Erfüllung dieser Bedürfnisse leisten.
3.2.1 Bedürfnis nach Bindungen und Sicherheit
Das vorliegende Kapitel beschreibt das Bedürfnis des Kindes nach Bindungen und Sicherheit, so-
wie Möglichkeiten des Beziehungsaufbaus zu Menschen, Tieren und Pflanzen durch Naturerfah-
rungen im Rahmen landwirtschaftlicher Tätigkeiten.
MS beschreibt das Bedürfnis von Kindern nach Bindungen und Sicherheit folgendermaßen: „Das
Bedürfnis für Kinder ist Sicherheit, Beziehung. Das heute viel benutzte Wort ist Bindung. Und die
Bindung ist gestört, heute eigentlich bei ganz vielen Kindern“ (4, 27-28). „Jedes zweite Kind lebt
eigentlich in einer Familie, wo Strukturstörungen sind“ (4, 29-30). Deshalb bedarf es Bindungen,
die ein Gefühl der Sicherheit vermitteln. „Wenn man von dem Bedürfnis eines Kindes spricht, dann
müsste man eigentlich sagen, gewaltfreier Umgang der Menschen untereinander, das ist eine Sehn-
sucht des Kindes“ (MS, 6, 16-18). „Heute, erleben alle heranwachsenden Kinder, dass unsere
Gesellschaft unheimlich gewalttätig ist. Das heißt, es besteht ein ungeheures Bedürfnis nach fried-
licher Sicherheit“ (MS, 6, 2-4). Aus diesem Grund muss der Frage begegnet werden, „wie erleben
Kinder Möglichkeiten, Bindungen zu erzeugen? Also an einen Ort, oder an die Arbeit der Men-
schen, oder an die Menschen direkt“ (MS, 4, 32-33)?
Der landwirtschaftliche Betrieb bietet im Umgang mit Nutztieren Möglichkeiten, Kindern diese
gewaltfreien Bindungen unmittelbar vorzuleben: „Wie schaffe ich das, das die Tier MIR vertrauen,
und zu mir kommen? Ich kann Gewaltfreiheit im Umgang mit den Kindern am besten vorleben, in
denen ich [mich] mit den Tieren hier [beschäftige]“ (MS, 6, 9-11). An dieser Stelle wird deutlich,
dass das Bedürfnis des Kindes nach Bindungen eng verknüpft ist mit dem Bedürfnis nach Vorbil-
dern (vgl. Kap. 3.2.4).
Möglichkeiten eines tiefgreifenden Beziehungsaufbaus im Rahmen landwirtschaftlicher Tätigkei-
ten beschreibt auch BH, denn die Kinder „haben auch wirklich den Bezug dazu. Sie sind wirklich
Hautnah dabei. Ob das jetzt bei der Kartoffelernte ist, ob jetzt ein Tier auf die Welt kommt, oder
eines stirbt, also sie haben halt wirklich aus erster Hand den Bezug, und haben die Gefühle, Emo-
tionen, Gerüche, alles mit allen Sinnen wahrnehmen“ (2, 11-13).
31
Die sozialen Beziehungen zu Mitmenschen, die zusammen mit Kindern in der Landwirtschaft tätig
sind, können diesen ein Sicherheitsgefühl vermitteln. Kinder können Menschen erleben, „die Um-
gang haben mit den Tieren. Mit den Pflanzen, mit der Erde. Und dadurch Sicherheit schaffen, in
dem sie merken, alles das, was wir täglich brauchen, wird hier durch die Arbeit der Menschen
bereitgestellt. Und dadurch entsteht ein Sicherheitsgefühl“ (MS, 4, 17-19). Hierfür bedarf es „ort-
streue Handlungsströme“ (MS, 5, 2), also Handlungen, die sich Dauerhaft auf einen Ort beziehen.
Auch das folgende Beispiel verdeutlich die Möglichkeit, in einem Kontext landwirtschaftlicher
Tätigkeiten Bindungen zu erzeugen: „Das Tier zu halten, das heißt, es an den Menschen näher zu
binden, ihm menschliche Berührung möglich zu machen“ (MS, 5, 13- 15). Hierzu beschreibt DF
ein Bespiel bezüglich eines Kindergartenkindes des Franzlhofs: „Irgendeinem Tier ist es nicht so
gut gegangen. Und ein Kindergartenkind hat so gelitten, dass sie sogar in der Nacht herauf gefah-
ren sind. Also da ist so ein Mitgefühl bei, also das ist schon sensationell“ (DF, 4, 18-24).
Hieran wird deutlich, dass das Bedürfnis des Kindes nach Bindungen auch mit einem pflegerischen
Aspekt einhergeht, der sich in einer „Beziehungspflege“ widerspiegelt. Die Wirkungsweisen pfle-
gerischer Handlungen auf Kinder beschreibt MS: „Wenn ich gut pflege, wird etwas Krankes auch
wieder gesund. Und im Sinne einer solchen Heilaspektierung erleben die Kinder im Umgang mit
der Natur, und dem Menschen, der arbeitet in dieser kultivierten Natur, eben genau diesen Vor-
gang“ (8, 9-11). „Und was auf das Kind wirkt, ist, wenn der Mensch diese Kultivierung PFLEGT“
(MS, 8, 3-4).
Als diesbezügliches Beispiel beschreibt EM, ehemalige Schülerin der PAN-Freilandschule, ihre
Kindheitserfahrungen: „[Als Kinder,] da haben wir jeder einen kleinen Obstbaum bekommen. Der
ist eigentlich nur ganz knapp dem Tod entronnen Und der zweite, den wir gehabt haben, ist wirk-
lich eingegangen. Ich habe mich damals sehr schwer getan, zu akzeptieren, dass halt manche Din-
ge trotz aller Fürsorge einfach sterben, weil das nicht der passende Lebensraum ist“ (3, 4-10).
Mit zunehmendem Alter des Kindes wird das freie Spiel in der natürlichen Umwelt immer komple-
xer (s. Kap. 2.2.3). Haben Kinder die Möglichkeit, Natur zu erkunden, „erlebt man, dass die Kin-
der in diesem Umgang mit Spielräumen, in soziale Beziehungen treten wollen, weil sie dann ge-
meinsam größere Projekte verwirklichen können“ (MS, 9, 3-5). Hiermit werden umfangreiche
Beschäftigungsmöglichkeiten in der Natur, z. B. der Bau eines Baumhauses beschrieben. „Je mehr
sich die Projekte sozusagen aus dem Sandkastenstadium in einen größeren Zusammenhang stellen,
merkt man, dass es Freude macht, man macht das zusammen“ (MS. 9, 32-33).
Auch BH beschreibt, dass Kinder durch gemeinsame Naturerlebnisse ein „Gruppengefühl kriegen,
oder ein Gemeinschaftsgefühl“ (17, 4-5). Dabei hat sie die Erfahrung gemacht, dass „alterserwei-
terte Gruppen, das heißt Kinder von zwei bis sechs Jahren, einen Großfamiliencharakter“ (17, 7-9)
haben. „Automatisch kriegen sie ein Bewusstsein, für den neben mir. Wenn einer klein ist, dass ich
dann für den ein wenig MITDENKEN muss“ (BH, 18, 4-6). „Und dass ich ein wenig schauen
muss. Und das ist für mich soziale Kompetenz ganz Oben“ (17, 26). Ähnlich beschreibt MS seine
Erfahrungen, und attestiert Kindern „einen UNGEHEUREN Pflege- und Hilfsbereitschaftsinstikt.
Das weiß man bei Kindern, dass das so wie angeboren erscheint. Dass das eine Kind eigentlich
dem anderen helfen will“ (13, 23-25).
32
Hierzu gibt BH gibt ein Beispiel der gegenseitigen Hilfe unter Kindern des Franzlhofs an: „Da
hatte sich ein Schaf eingefangen. Das war eine Aktion, da sind wir mit ein paar Kindern raus ge-
gangen, und haben es die Kinder organisieren lassen. Wir haben sie dann bewusst alleine machen
lassen“ (12, 10-12). „Und dann haben sie miteinander, es waren sechs Kinder, das Tor angeho-
ben, und das Schaf befreit. Wir haben das beobachtet, aber sie haben das Problem selber gelöst“
(13, 15-19).
Während also Beziehungen zu Mitmenschen, Nutztieren ein Sicherheitsgefühl für Kinder erzeugen
können, werden Begegnungen gegenüber Subjekten und Objekten, zu denen keine Bindung be-
steht, häufig mit einem Gefühl von Angst besetzt. BH führt hierzu ein Beispiel aus dem Bauern-
hofkindergarten Franlzhof an: „Ich habe da schon mal ein Kind dabei gehabt, für das war der
Wald, da geht man nicht einfach so hinein, da ist es ein bisschen finsterer. Und das ist da gestan-
den, und hat sich eigentlich gefürchtet davor. Unsere Kinder rennen in den Wald hinein, und sind
in dem Wald daheim. Und die kennen da keine Angst. Die sind neugierig, die haben Entdeckerlust“
(5, 17-22). Ferner beschreibt BH Kinder, die sich aufgrund von fehlendem Naturbezug „einfach
vor Dreck fürchten“ (5, 25).
Der Anteil, den Naturerfahrungen beim Aufbau von Beziehungen in der Kindheit leisten können,
wirkt sich dabei auf den weiteren Lebensverlauf des Kindes aus. Hierzu beschreibt BH die Not-
wendigkeit emotionaler Beziehungen zu der natürlichen Umwelt: „Wenn ich nur schaue, dass ich
Kinder kognitiv fördere, dadurch das sie Wissen wissen, und ich ihnen nie Emotionen mitgebe,
oder dass es die Chance hat, mit zu arbeiten, dann ist das nie so authentisch (3, 17-19). Wenn
einer nie einen Feuersalamander kennen gelernt hat, wenn der dann einmal weg ist, ist es gewissen
Leuten egal. Wenn ich aber weiß, dass das Lebewesen existiert, dann bin ich bewusster dahinter,
dass ich jedes Lebewesen schütze. Und es ist einfach mehr Energie dahinter. Und das ist bei allen
Bereichen so“ (3, 20-26). Subjekte, mit denen sich ein Mensch als Kind verbunden fühlt, werden
von diesem demnach auch im Erwachsenenalter als schützenswert erachtet. BH bezeichnet die
Verbundenheit von Kindern mit der Natur als „Prägung von der Persönlichkeit, [die] sich in das
Erwachsenenalter hineinzieht. Und somit Wurzeln schafft, die dann ein Leben lang nicht mehr
verloren gehen“ (4, 3-5).
Das nachstehende Kapitel beschreibt das kindliche Bedürfnis nach Strukturen, und zeigt Möglich-
keiten auf, die eine Ein-Bindung des Kindes in landwirtschaftliche Prozesse hierfür bietet.
3.2.2 Bedürfnis nach Strukturen
Im Folgenden Kapitel wird das Bedürfnis des Kindes nach Strukturen dargestellt, sowie Möglich-
keiten aufgezeigt, welche Ordnungen ein enger Bezug zur Natur mittels Sozialer Landwirtschaft
für ein Kind schaffen kann.
BH betont die Notwendigkeit, für Kinder Strukturen zu schaffen, im Rahmen derer sie sich orien-
tieren können. „Sie brauchen Rituale, Strukturen, für Kinder ganz wichtig. Wenn ein Kind sich
jeden Tag neu situieren muss, das ist irrsinnig anstrengend. Und es hat dann keine Energie mehr,
dass es sich eigentlich auf andere Sachen konzentriert“ (7, 4-6).
33
Diesem Bedürfnis wird auf dem Franzlhof durch die Einbindung der landwirtschaftlichen Nutztiere
in den Wochenrhythmus nachgegangen. „Montag ist Hasen-Tag, Dienstag ist Schaf-Tag, Mittwoch
ist Lama-Tag (BH, 8, 24-25). Sie wissen, am Montag startet die Woche mit dem Hasen-Tag, und
am Freitag mit dem Balu hört es auf. Und dann wissen sie, jetzt ist Wochenende. Und das gibt
Sicherheit in einem Regelsystem, wo ich sage, da können sich die Kinder orientieren“ (BH, 7, 30-
31; 8, 1).
Auch IW betont die Notwendigkeit, Strukturen für Kinder zu erzeugen, und verweist dabei auf das
gemeinsame Wirken in der Landwirtschaft. „Es gibt bei uns zum Beispiel geregelte Stalldienste,
die die Kinder mitmachen. Auch bei den Tieren im Stall soll Ordnung sein. Und hier stehen sie in
der Früh um sechs, viertel sieben auf, machen den Frühdienst, oder den Spätdienst“ (4, 31; 5,1-3).
„In einer Gemeinschaft [geht es] einfach nicht, dass ich sage, Ok, heute freut es mich nicht. Heute
stehe ich nicht auf. Das heißt, da hängt dann das ganze Ordnungsgefüge schief. Und Kinder
BRAUCHEN diese Strukturen, weil es für sie ein SICHERHEITSGEFÜHL ist“ (5, 5-9).
Ein weiteres Beispiel, Strukturen durch landwirtschaftliche Tätigkeiten in den Wochenrhythmus zu
integrieren, führt MS an, indem er die Möglichkeit beschreibt „Reuterheu [zu] machen, und ein
besonderes Futter herzustellen, und das kriegen die Kühe immer am Sonntag“ (19, 13-14).
Der enge Bezug zur Natur stellt sicher, dass Strukturen für Kinder auch innerhalb des jahreszeitli-
chen Verlaufs vorhanden sind. IW beschreibt hierzu: „Sie lernen zum Beispiel von der Frühjahr-
und Sommerstruktur, wenn sie gesund leben wollen, dass zum Beispiel klar ist, dass es gewisse
Obst- und Gemüsesorten auch nur in dieser zeitlichen Abfolge gibt (6, 8-10). Dass nicht alles und
jederzeit und in der vollen Fülle verfügbar ist“ (6, 16-17).
Auch BH beschreibt beispielhaft, wie der enge Bezug zu den Jahreszeiten Strukturen für Kinder
schaffen kann: „Die Frau Baum ist ein Baum gewesen, die wir begleitet haben ein ganzes Jahr“ (9,
19-20). „Also [die Kinder] beobachten den Baum, und lernen so den Jahreskreislauf. Warum hat er
Blätter? Warum müssen die Blätter abgeschmissen werden? Aus welchem Grund? Warum geht er
in den Winterschlaf? Und das erklärt mir das sehr kindgerecht (9, 23-26).
Die ehemalige Schülerin EM der PAN-Freilandschule beschreibt diese Strukturen im jahreszeitli-
chen Verlauf folgendermaßen „Weil das irgendwie immer so war, dass es für uns immer so eine
Art Winterhalbjahr und Sommerhalbjahr gegeben hat. Und das Sommerhalbjahr immer mehr äu-
ßerliche Aktivität einfach ist. Draußen ist dann viel zu tun, viel Arbeit. Es ist einfach viel mehr ein
nach außen gehen. Und der Winter ist ein nach innen gehen“ (2, 20-24).
Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass ein enger Bezug zur Landwirtschaft
Strukturen für Kinder schaffen kann. Innerhalb dieser Strukturen können Lern- und Entwicklungs-
prozesse stattfinden. Das Bedürfnis des Kindes nach Entwicklung und Lernen, sowie den Beitrag
von Naturerfahrungen diesbezüglich, zeigt das nachfolgende Kapitel auf.
3.2.3 Bedürfnis nach Entwicklung und Lernen
Entwicklung meint einen Zuwachs an Erfahrungen, die das Kind in seiner Umwelt sammeln kann.
Aus diesen Erfahrungen kann das Kind lernen. Das nachstehende Kapitel stellt das Bedürfnis des
34
Kindes nach Entwicklung und Lernen dar, und zeigt Möglichkeiten auf, wie diesem Bedürfnis
durch einen engen landwirtschaftlichen Bezug des Kindes entsprochen werden kann.
Das Bedürfnis des Kindes nach Entwicklung und Lernen beschreibt MS wie folgt: „Also dieser
LERNASPEKT, das ist etwas, was das Kind BRAUCHT. Es braucht eine Umgebung, die wachsen
will“ (6, 23-24). Hiermit wird eine Lernumgebung beschrieben, in der „Handtätigkeiten, Handfer-
tigkeiten. Kunstfertigkeiten, Geschicklichkeiten“ (2, 18-19) übermittelt werden. „Das Kind WILL
wachsen. Und es lernt deshalb gehen, weil Menschen in seiner Umgebung GEHEN. Sonst würde es
nicht gehen lernen“ (MS, 26. 15-16). An dieser Stelle wird deutlich, dass das Bedürfnis des Kindes
nach Wachstum und Lernen eng gekoppelt ist mit dem Bedürfnis nach Vorbildern und Nachah-
mung (vgl. Kap. 3.2.4).
JH spricht davon, dass Kinder „sich selbst entwickeln und suchen“ (10, 11). Dabei orientieren sie
sich an Vorbildern und haben die „Motivationen sich selbst weiter zu entwickeln und sich zu entde-
cken“ (10, 12). YZ beschreibt den Beitrag von Naturkontakten in diesem Bezug für ihre eigenen
Kinder im Bauernhofkindergarten Franzlhof: „Sie wissen, dass sie immer draußen sein können,
und Kinder können sich draußen mehr ausleben. Sie lernen auch draußen viel“ (3, 9-11).
Ähnlich beurteilt auch BH den Bauernhofkindergarten bezüglich ihrer Tochter: „Die Ricarda war
mit keinen drei Jahren motorisch geschickter als fünf jährige. Und das gibt einem dann zu denken,
das sind da nicht nur Gene, was man weiter gibt, sondern auch die Möglichkeiten, die Kinder ha-
ben, Erfahrungen zu machen in den ersten Lebensjahren“ (2, 20-22).
Solch Chancen, Erfahrungen in der Natur zu sammeln, an denen die Kinder wachsen, beschreibt
IW anhand zweier Schüler der PAN-Freilandschule. „Das sind wirklich wahre Lebenskünstler. Die
kann man zum Beispiel wirklich in die Natur schicken. Die würden sich überall zurechtfinden. Und
die waren auch schon einmal einen ganzen Tag oder zwei unterwegs im Wald. Also auch das als
Herausforderung anzunehmen“ (9, 7-12).
BH formuliert diese Notwendigkeit der Herausforderungen bereits bei kleinen Kindern: „Im Wald
muss ich schauen, wie komme ich durch, ohne dass ich mir wehtue. Und das sind aber ganz wichti-
ge Erfahrungen, die Kinder von klein auf bei uns sammeln. Und somit als Erwachsene, als Ältere
mitnehmen, und bodenständige, geerdete Leute werden“ (2, 29-31).
MS beschreibt diesen Umstand wie folgt: „Mit diesen Elementen, die auch in mir als Mensch sind,
da sind Knochen, da ist Flüssigkeit, da ist Atmung und Luft, und da ist Wärme, mit diesen Dingen
muss ich umgehen, sonst bin ich kein gesunder Mensch“ (8, 34; 9, 1-2). Außerdem fügt er hinzu,
dass Kinder durch Naturerfahrungen Kompetenzen entwickeln, von denen sie im Erwachsenenalter
profitieren: „Also wodurch wird ein Mensch eigentlich in einer Krisensituation überlebensfähig?
Wie kann er sich geschickt aus einer Situation, in der er noch nie war, wieder befreien? Und das
heißt, dieses Geschick muss ich irgendwo geübt haben. Ich muss auf Bäume geklettert sein, herun-
ter gefallen sein, mich abgerollt haben“ (2, 20-26).
Die Wirkungen solcher Naturerfahrungen auf die Kinder beschreibt BH wie folgt: „Das Selbstbe-
wusstsein wird extrem gesteigert. Die Kinder wissen sehr wohl, was sie können. Sie wissen aber
auch, was sie nicht können. Sie können sich sehr gut wahrnehmen. Sie können ihre eigenen Gren-
zen einschätzen. Und Fertigkeiten und Fähigkeiten einfach gut ausprägen. [Sie] wissen aber auch
35
ganz genau, was kann ich gut, was kann ich noch nicht so gut? Wo bin ich stark? Wo habe ich
Schwächen“ (13, 3-8)?
Die vorangegangenen Ausführen legen dar, dass eine landwirtschaftliche Umgebung Entwick-
lungs- und Lernmöglichkeiten für Kinder bietet. Gleichsam wird deutlich, dass Lernprozesse des
Kindes mitunter durch Nachahmung von Vorbildern vollzogen werden. Vorbilder entsprechen
einem weiteren kindlichen Bedürfnis, welches im nachstehenden Kapitel dargestellt wird.
3.2.4 Bedürfnis nach Vorbildern und Nachahmung
Das vorliegende Kapitel beschreibt das Bedürfnis des Kindes nach Vorbildern und Nachahmung
und zeigt Beispiele auf, wie die Bedürfniserfüllung im bäuerlichen Umfeld positiv gefördert wer-
den kann.
MS beschreibt das Bedürfnis des Kindes nach einem Vorbild folgendermaßen: „Eines der stärksten
pädagogischen Kräfte der Kinder ist, dazu gehören zu dem, was die Erwachsenen da tun“ (32, 15-
17). Dabei weist er im Zuge landwirtschaftlicher Tätigkeiten auf die Bedeutung von Arbeit hin (s.
Kap. 3.4.6), in der Kinder diese Vorbilder finden und nachahmen können: „Also diese Frage der
Arbeit heißt, die Erwachsenen arbeiten, und die Kinder erleben das so, im Ideal, dass sie sagen,
das möchte ich auch können“ (11, 12-14). Demnach „ist einfach der Erwachsene das Bild dessen,
was das Kind werden will“ (26, 14-15). Dabei gilt es nicht zu differenzieren, „ob das jetzt ein Er-
wachsener Mensch ist, mit 30, oder mit 60“ (26, 13-14).
Die Erfahrung, dass Vorbilder nicht an das Alter gebunden sind, hat auch der 65 jährige JH mit
einem zwölfjährigen Jungen gemacht: „Wenn der Elian zu mir kommt, und sagt, ich habe eine
Frage, und dann fragt er mich was, und ich sage, weißt du, es wäre besser, du gehst zum Johan-
nis11
(9, 24-26). Der erklärt ihm das nicht lange, der sagt zum ihm: Komm, geh mit mir mit, ich
ZEIG dir das. Großer Unterschied“ (9, 29-30).
Dieser Junge ist sehr naturverbunden, und äußerte den Wunsch, Bogen zu schießen. Dabei war der
Gedanke des Jagens vordergründig. „Jetzt baut er [einen] Bogen, und inzwischen sehen wir, dass
die HANDWERKLICHE Tätigkeit das ist, was ihn WESENTLICH mehr fasziniert, als das Schie-
ßen“ (JH, 12, 7-9). Die Naturverbindung beschreibt er dabei als „Weg zurück, dass er von dem weg
kommt, von dem triebhaften. Schießen, zielen, töten“ (JH, 12, 11-12). JH spricht hierbei von einem
Prozess, den er begleitet, und in welchem er lernt, das aus dem Jungen heraus zu bekommen, was
in ihm steckt. Dies bezeichnet er als „Resonanz, angewendet auf den Menschen. So betrachtet, bin
nichts anderes, als dass ich eine Resonanz auslöse im Kind. Und das räsoniert“ (4, 29-30). „Jetzt
sehe ich, der hat ja einen Bogen gebaut, das ist ja fast ein KUNSTWERK, das Ding“ (12, 13-14).
Das die Beziehungen zu Mitmenschen, die einer Vorbildfunktion entsprechen, altersunabhängig
sind, beschreibt BH anhand ihrer Erfahrungen in gemischten Kindergartengruppen mit Kindern
zwischen drei und sechs Jahren: „Automatisch müssen die Großen mehr auf die kleinen schauen.
Und die Kleinen lernen extrem viel durch Nachahmeverhalten von den Großen. Das ist wie in einer
Familie, dass die einfach total profitieren davon“ (17, 9-12). Darüber hinaus beschreibt sie den
11 Der 21 Jahre ist
36
Beitrag solcher Erfahrungen: „In sozialen Kompetenzen merkst du das, dass die Kleinen, wenn sie
heranwachsen, das wieder den ANDERN Kleinen weiter geben“ (18, 9-11). Dabei gibt es in dem
Bauernhofkindergarten vielfältige Möglichkeiten, Vorbildfunktionen im Alltagsgeschehen aus zu
machen: „Wenn wir ein Lama führen, dann geht halt ein großer mit einem kleinen mit“ (17, 33-
34).
Vorbilder lassen sich im landwirtschaftlichen Kontext jedoch nicht nur in zwischenmenschlichen
Beziehungen finden, auch die Tierwelt kann Beiträge hierzu liefern. Diesbezüglich beschreibt
Schulleiterin IW: „Die Bienen waren für mich etwas sehr wertvolles, auch was das Gemeinschafts-
gefüge betrifft. Dass ALLE zusammen arbeiten, und mit dem Ziel, möglichst viele, und ein mög-
lichst starkes Volk zu werden. Und das hat die Kinder auch immer fasziniert“ (7, 27-31).
BH führt ein ähnliches Beispiel bezüglich der Vorbildfunktion von Tieren an: „Wenn die Kinder
sehen, wie eine Tierherde funktioniert, dass es auch mal Streitereien gibt. Und es gibt Raufereien
bei den Pferden, und dann spielen sie, und dann wird sich wieder lieb gehabt. Und sie sehen, das
ist auch normal“ (18, 11-14).
Wie bereits dargestellt, setzen Vorbildfunktionen Beziehungen voraus, innerhalb derer ein Kind
von einem Vorbild lernen kann (vgl. Kap. 3.2.1). Diesbezüglich beschreibt JH seine Beziehung zu
einem Schüler der Bauernhofschule: „Ich beobachte ihn sehr häufig. Und der war wirklich ein
Problemkind. HÖCHST aggressiv, in manchen Phasen natürlich ganz besonders, weil er sich ja
nicht anders zu helfen wusste“ (9, 12-14). Vorbilder für diesen Jungen können die Angehörigen der
PAN-Freilandschule nur sein, weil „wir AUFMERKSAM sind, dem Kind gegenüber. Wir haben
ZEIT für das Kind. Wir NEHMEN uns Zeit (JH, 9, 23-24). Ich glaube, das ist ein ganz wesentliches
Element, dass unsere Gesellschaf nicht hat. Zeit für die Kinder“ (JH, 10, 2-3).
Zusammenfassende Ergebnisdarstellung
Bindungen zu Menschen, die in der Landwirtschaft tätig sind, sowie zu Nutztieren, leisten einen
Beitrag zur Bedürfniserfüllung des Kindes nach Beziehungen (vgl. Kap. 3.2.1).
Gleichzeit kann der enge Bezug zu einem Tier notwendige Strukturen schaffen (vgl. Kap. 3.2.2),
an denen es sich orientieren kann. Strukturen lassen sich auch anhand täglicher Verrichtungen auf
einem landwirtschaftlichen Betrieb oder an dem jahreszeitlichen Verlauf der Tätigkeiten ausma-
chen.
Innerhalb dieser Strukturen bestehen Lernmöglichkeiten und hiermit Optionen individueller Ent-
wicklung (vgl. Kap. 3.2.3). Diese finden sich im bäuerlichen Umfeld beispielsweise durch vielfäl-
tige Explorationsmöglichkeiten in der umgebenden Natur.
Die Menschen im landwirtschaftlichen Umfeld, aber auch landwirtschaftliche Nutztiere, können
Kindern als Vorbilder dienen (vgl. Kap. 3.2.4).
37
Abbildung 7: Beitrag von Naturerfahrungen im Kontext Sozialer
Landwirtschaft (Außen) für die Bedürfniserfüllung von Kindern (In-
nen)
3.3 Bedürfnisse älterer Menschen
Das vorliegende Kapitel beschreibt die Bedürfnisse älterer Menschen. Hierbei ist anzumerken, dass
sich Aussagen von JS und PS in Hinblick auf die Bindungs- und Pflegebedürftigkeit älterer Men-
schen (vgl. Kap. 3.3.2) auf Klienten des Adelwoehrerhofes beziehen. Diese gehören dem passiven
Pol des Alterns an (vgl. Kap. 2.1.3), und bedürfen daher einer hohen Betreuungsintensität, der nicht
durch eine Tagesbetreuung entsprochen werden kann. „Das heißt in Österreich, ab Pflegestufe
vier. Wir haben insgesamt sieben Pflegestufen. Und ab Pflegestufe vier sagen sie [das Sozialma-
gistrat], ist eine Rundumbetreuung notwendig. Ab dann können wir unterstützen. Alles war darun-
ter ist, kann in einer anderen Form bewältigt werden. In einer günstigeren Art und Weise“ (JS, 7,
27-30).
3.3.1 Bedürfnis nach Bindungen
Das nachstehende Kapitel stellt das Bedürfnis älterer Menschen nach Bindungen dar. Hierbei wird
deutlich gemacht, wie ein naher Naturbezug durch ein landwirtschaftliches Umfeld die Bedürf-
niserfüllung fördern kann.
MS beschreibt, eines der Bedürfnisse „der alten Menschen ist, auch noch dazu gehörig zu SEIN.
Zu dem, was da unter ihren Augen geschieht, NICHT abgeschoben, nicht abgetrennt zu sein (32,
17-19). Das größte Bedürfnis ist dieses DAZU gehören“ (32, 21-22). Auch JS beschreibt, „das
große Problem bei unseren Bewohner ist meistens nicht die gesundheitliche Einschränkung, die
nehmen sie hin. Aber meistens sind sie dann eine Belastung, sie sind dann nichts mehr wert“ (5,
15-18).
MS führt zudem an, dass generationenübergreifende Bindungen älterer Menschen in unserer Ge-
sellschaft erschwert werden: „Der heutige Gestus der Effizienzgesellschaft [bedeutet], die Alten
38
abtrennen, weil die stören dann nur“ (32, 19-21). Ähnlich beschreibt PS das Bedürfnis älterer
Menschen, und weist dabei ebenfalls auf eine Isolierung dieser Bevölkerungsgruppe vom Rest der
Gesellschaft hin (vgl. Kap. 3.4.1): „Diese menschlichen Leistungen, dass wir die einfach in den
Hintergrund stellen, dass sie nicht mehr die Wertigkeit haben. Wobei wir uns danach sehen, es ist
Wurscht, ob es jetzt ein Arztgespräch ist, wir wollen ja nicht die Leistung vom Arzt, viele brauchen
auch das Gespräch“ (18, 2-5).
Viele der Klienten auf dem Adelwoehrerhof stammen aus einem landwirtschaftlichen Umfeld (vgl.
Kap. 3.1). Der Aufenthalt in einem Altenheim auf dem Bauernhof stellt dabei sicher, „ dass sie ein
bisschen in der gewohnten Umgebung bleiben können. Sie können miterleben, was passiert auf dem
Bauernhof. Die Ernte, die Geburt von einem kleinen Kalb, oder von einem Lamm oder so irgend-
was. Das sind ja alles kleine Sachen, die aber bei alten Menschen Glücksgefühle auslösen. Erinne-
rungen“ (JS, 3, 28-30; 4, 1-2). Das bäuerliche Milieu ist für viele Klienten „eine gewohnte Umge-
bung. Wir haben ja auch viele Leute, die eben auf einem Bauernhof gelebt haben. Wir haben einen
Knecht da, wir haben eine Magd, wir haben Bauern da“ (JS, 3, 25-27). „Und das ist auch irgend-
wie zurück zu den Wurzeln“ (1, 24-25).
JS betont das Bedürfnis älterer Menschen, Emotionen zu äußern. „Dafür sind die Tiere optimal
geeignet“ (3, 24). Ältere Menschen haben „sehr selten die Möglichkeit, Liebe zu geben. Sprich,
streicheln, Zuspruch und so weiter“ (3, 17-18). Gleichzeitig nennt er die Möglichkeiten, die der
Kontakt zu Tieren in diesem Rahmen bieten kann: „Tiere nehmen einen an, so wie man ist. Ob
man jetzt schief schaut, ob man nur einen Fuß hat, oder zwei“ (3, 15-16). Die Wirkungsweise der
Mensch-Tier-Beziehung beschreibt er als „ganz was spezielles. Die Leute sind viel motivierter. Das
sind alles Sachen, die eben die Landwirtschaft den Leuten bieten kann“ (3, 20-22).
Während ein landwirtschaftliches Umfeld also Bindungen älterer Menschen zu Tieren ermöglicht,
sind auch Beziehungen zu Mitmenschen im Rahmen bäuerlicher Tätigkeiten möglich. Hierzu be-
schreibt JS ein Beispiel eines ehemaligen, aus der Landwirtschaft stammenden Klienten, der auf-
grund des Gefühls, nicht mehr gebraucht zu werden, an Depressionen litt: „Und dann bin ich auf
die Idee gekommen, und hab einen Bausatz geholt, aus Holz, für einen Nistkasten (4, 31; 5, 1). Und
er hat dann Feuer gefangen bei der Holzbearbeitung (5, 5-6). Das war für den eine Lebensaufgabe
(5, 8-9). Er hat eine irrsinnige Wertschätzung gekriegt (5, 11-12). Und auf einmal war er wieder
etwas wert (5, 15-16). Und das können wir auf dem Bauernhof sehr gut herausholen. Beziehungs-
weise das Gefühl der Wertlosigkeit vermindern (5, 18-19).
Tätigkeiten dieser Art bezeichnet JS als selbstbestimmte Handlungen. „Wir erfahren ja von den
Leuten selbst, oder von Angehörigen, oder aus der Biographie, wie hat der gelebt, was waren seine
Interessen, seine Freuden? Und hier versuchen wir, wenn es irgendwie möglich ist, das einzubin-
den, und die Möglichkeiten hier in unserem Rahmen anzubieten. Und sie da hinzuleiten, um das zu
erleben“ (4, 12-15).
MS beschreibt die Bedeutung sozialer Teilhabe für ältere Menschen folgendermaßen: „Der alte
Mensch, wenn er eine Aufgabe hat, präsent zu sein mit anderen Menschen, hat einfach das Gefühl
nicht, aus dem sozialen Zusammenhang ENTLASSEN worden zu sein“ (27, 16-18). Dabei betont er
die Bedeutung von Bindungen „für die Gesundheit eines alten Menschen“ (27, 19). Die Gesund-
39
heit eines Menschen steht in Zusammenhang mit seiner Pflegebedürftigkeit. Das Pflegebedürfnis
älterer Menschen stellt das folgende Kapitel dar.
3.3.2 Bedürfnis nach Pflege
Das nachstehende Kapitel zeigt die Bedürftigkeit älterer Menschen bezüglich Pflege auf und stellt
dabei die Bedeutung landwirtschaftlicher Betriebe als Umgebung dar, in der Pflege stattfindet.
Darüber hinaus werden Bezüge zwischen dem Bedürfnis älterer Menschen nach Bindungen (vgl.
Kap. 3.3.1) und dem Bedürfnis nach Pflege verdeutlicht.
Landwirtschaftliche Betriebe bieten ein Umfeld, das die Pflege älterer Menschen unterstützen
kann. JS, Betriebsleiter des Adelwoerhofes, beschreibt hierzu, dass „der Platz in dem Sinn auch
was her [gibt]“ (2, 17-18). Der Hof bietet eine Umgebung, in der „die Leute sich wohlfühlen, weil
die Leute gerne mit Tieren Kontakt haben, mit der Natur Kontakt haben, also das merkt man immer
mehr, die Sehnsucht zu diesen ländlichen Dingen“ (2, 10-12).
Der gesundheitliche Zustand der Klienten des Adelwoeherhofes wird wie folgt erläutert: „Das sind
alles kranke Leute, die haben irgendein gesundheitliches Problem. Das muss natürlich bewältigt
werden. Dass keine Schmerzen da sind, die Versorgung und alles, das ist ein Grundbedürfnis“ (3,
3-5) (vgl. Kap. 3).
PS, Leiterin des Altenheimes auf dem Hof fügt ergänzend hinzu: „Es ist einfach nicht so, dass wir
unsere gerade Linie da haben“ (17, 27-28). Damit beschreibt sie die individuellen Anforderungen
älterer Menschen, die diese, abhängig von ihrem Gesundheitszustand, an die Pflege stellen (vgl.
Kap. 2.1.3). „Man muss dann einfach sehen, wie ist der Mensch? Ist er glücklich in seiner Welt,
und kann ich das so bieten, wie es für seine Welt passt? Für ihn ist da dann gar nicht so viel
Schlechtes dran. Es ist eher, dass die Angehörigen damit ein Problem haben, oder die Umwelt, die
das Problem hat“ (17, 22-25). Defizite sind „normal im Alter, da muss man als alter Mensch
auch wieder sagen, ist das jetzt krank, oder bin ich jetzt einfach wieder in einer Phase, wo das jetzt
normal ist für mich? Und Verständnis in jede Richtung muss dann da sein“ (20. 26-28).
Diesbezüglich gibt sie ein Beispiel aus ihrer eigenen Familie an: „Also meine Großmutter hat zum
Beispiel auf der Couch bei meiner Tante gelebt. Das würde man heute nicht mehr akzeptieren als
ideale Pflege. Ja, warum denn nicht? Der [Mensch] lebt mitten in der Familie eigentlich. Also ich
hatte nicht das Gefühl, dass meine Großmutter unglücklich war dort. Gar nicht“ (19, 12-17).
Hieran wird die Notwendigkeit einer pflegerischen Umgebung deutlich, in der betreuungsbedürfti-
ge Personen sich wohl fühlen, indem Bindungsmöglichkeiten vorhanden sind (vgl. Kap. 3.3.1).
PS beschreibt die Möglichkeiten der Aktivitäten auf dem Adelwoeherhof für die Klienten als „Le-
bensqualität, und wenn sie auch nur zehn Minuten am Tag irgendwas machen können. „Ich hab
das geschafft.“ Da geht man ja viel zufriedener ins Bett, als den ganzen Tag depressiv auf die
Wand zu schauen, oder bei irgendwelchen Zwangsvorführungen und Animationen mitmachen zu
müssen. Das gibt es ja auch“ (6, 1-4).
Zusammenfassende Ergebnisdarstellung
40
Die landwirtschaftliche Umgebung kann einen Beitrag für die Erfüllung der Bedürfnisse älterer
Menschen leisten. Bindungen lassen sich im bäuerlichen Umfeld schaffen, da ein Handlungsraum
besteht, in dem die Interessen und Fertigkeiten älterer Menschen Ausdruck finden können (vgl.
Kap. 3.3.1). Hierdurch können sie Beziehungen zu Mitmenschen in ihrem Umfeld aufbauen. Au-
ßerdem bieten landwirtschaftliche Nutztiere Möglichkeiten des Beziehungsaufbaus, wobei diese
besonders dafür geeignet sind, Gefühle auszudrücken. Durch den Umstand, dass viele ältere Men-
schen einen landwirtschaftlichen Hintergrund haben, bietet dieses Pflegeumfeld eine vertraute
Umgebung für diese. Das pflegerische Umfeld, sowie das Maß sozialer Beziehungen in diesem
haben Einfluss auf die Gesundheit (Pflegebedürftigkeit) älterer Menschen (vgl. Kap 3.3.2).
Abbildung 8: Beitrag von Naturerfahrungen (Außen) im Kontext Sozia-
ler Landwirtschaft für die Bedürfniserfüllung älterer Menschen (Innen)
3.4 Voraussetzungen der Generationenzusammenführung im Sinne
der Handlungspädagogik
Die nachfolgenden Kapitel stellen die Grundvoraussetzungen dar, die für eine Zusammenführung
junger und älterer Menschen im Sinne der Handlungspädagogik notwendig sind. Zunächst werden
fehlende Bezüge der Generationen untereinander wiedergegeben, und Gründe hierfür aufgeführt.
3.4.1 Die Isolation junger und älterer Menschen voneinander
Nachstehend wird die Isolation junger und älterer Menschen in Hinblick auf Ursachen und Wir-
kungen dargelegt.
MS beschreibt einen fehlenden Austausch zwischen jungen und älteren Menschen. Dabei führt er
an, dass jede Generation einzeln betrachtet, und einem Miteinander der Generationen nur wenig
Beachtung beigemessen wird. Dabei besteht die Grundvoraussetzung intergenerativer Prozesse
darin, „nicht diese TENNUNG zu machen. Wir sind GEÜBT, diese Trennung zu DENKEN und zu
41
LEBEN“ (32, 23-25). „Die Alten wollen ihre Ruhe, die Kinder wollen schreien. Also wir sind so
konfiguriert, dass jeder Bereich für sich alleine optimiert ist, und den Bezug zum anderen mög-
lichst meidet, weil das immer ein Störfaktor ist“ (MS, 29, 13.17). Dabei wird von der Öffentlichkeit
zunehmend wahrgenommen, „dass der Jugendwahn nicht unbedingt die Produktivität von Betrie-
ben steigert. Sondern dass die Weisheit des Alters und das Vermögen der ruhigen Betrachtung
eines Problems durchaus einen hohen Produktivitätsfaktor haben“ (23, 26-28) (vgl. Kap. 3.4.4).
Eine Aufhebung der Trennung voneinander wird als „LERNAUFTRAG der Kinder und der Alten
an IHRE Generation“ (MS, 32, 22-23) verstanden. Das bedeutet für die beteiligten Akteure, „nicht
diese TENNUNG zu machen. Oder eben die VORHANDENEN Trennungen [zu überwinden]“ (32,
23-25). PS hat diesbezüglich „selber erfahren, dass das nicht so ganz leicht ist. Da sind schon
Hemmschwellen da“ (22, 13-14). In diesem Kontext spricht sie davon, dass die Beziehung zwi-
schen Kindern und älteren Menschen „erst wieder gelernt werden“ (18, 12) muss. JS bezeichnet
als Grund dafür: „Dadurch, dass es keine Großfamilien mehr gibt, ist auch das Verständnis fürei-
nander verloren gegangen. Weil die Leute das nie gelernt haben“ (18, 22-23). Eine Großfamilie, in
der alle Generationen zusammengelebt haben. Da war das ja alltäglich, dass man gegenseitig
Rücksicht nehmen musste“ (19, 3-4). MS verweist in diesem Zusammenhang auf den agrarstruktu-
rellen Wandel (vgl. Kap. 1): „Das ist verloren gegangen, natürlich auch mit dem Bauernsterben, es
ist institutionalisiert“ (18, 22-23). Dadurch lösen sich Beziehungen der Menschen untereinander
auf, „die man im kleinbäuerlichen, oder im familiären noch hatte“ (MS, 1, 12-13).
PS hat auf dem Adelwoeherhof die Erfahrung gemacht, dass Kinder durch den Kontakt zu älteren
Menschen „einfach die Hemmschwelle verlieren“ (15, 16), die in der Isolierung der Generationen
voneinander begründet liegt. Beispielhaft beschreibt sie den Kontakt ihrer Tochter zu älteren Men-
schen als „total normal. Sie weiß, wie alte Menschen ausschauen, dass sich ein alter Mensch ver-
ändert, dass er anders sich bewegt“ (14, 31; 15, 1-3).
Durch alltägliche Begegnungen der Generationen entwickelt sich eine Normalität und ein Ver-
ständnis füreinander, „sodass dann einfach so sich beide Seiten nehmen können“ (15, 7-8), sich
also gegenseitig in ihrer Art und Weise akzeptieren. PS beschreibt die Reaktion einiger Praktikan-
ten, die auf den Adelwoehrerhof kommen, und zuvor keinen Kontakt zu älteren Menschen hatten:
„Die sind wirklich geschockt, wenn sie einen alten Menschen ausgezogen sehen“ (18, 24-25). Es
verschiebt ja die Perspektive, wenn alte Menschen in meinem Leben überhaupt nirgendwo einen
Platz haben. Also wirklich alte Menschen, die einfach Defizite haben“ (20, 20-22).
Intergenerative Begegnungen können junger und älterer Menschen schaffen einen Realitätsbezug,
der auch Erfahrungen mit dem Tod einschließt. PS beschreibt eine Erfahrung ihrer damals fünfjäh-
rigen Tochter, die diese gemacht hat, als eine ihr nah stehende Heimbewohnerin starb: „Die Frau
so und so ist gestorben. Willst du sie sehen jetzt?“ Und da hat sie gesagt: „Ja.“ Und wir sind dann
in das Zimmer hineingegangen, und sie ist zwei drei Minuten drin gestanden, und ist dann von
selbst wieder rausgegangen. Und dann habe ich gefragt: „Wie ist das jetzt für dich?“ Und dann
hat sie gesagt: „Schön ist es nicht, aber Angst habe ich keine“ (16, 19-25). Die Wirkungsweise
solch einer intergenerativen Erfahrung wird dadurch deutlich, dass das Thema Tod nicht mit Angst
besetzt wird, da Berührungspunkte junger und älterer Menschen vorhanden sind.
42
PS beschreibt darüber hinaus, dass Kinder durch solche Erfahrungen den Lebenszyklus des Men-
schen lernen. „Es gehört zum Leben einfach dazu, und wenn so etwas passiert, dann ist man halt
traurig, aber das geht wieder weg. Man denkt dann zwar an den Menschen, aber es tut nicht im-
mer weh“ (16, 31-33).
Älteren Menschen wird vielfach ein Gefühl suggeriert, „immer Jugendlich bleiben zu müssen.“
(MS, 23, 12). Häufig sind diese „als Turbo-Oma und Turbo-Opa falsch programmiert“ (MS, 23,
11-12). Die Beziehung zwischen Kindern und älteren Menschen „wird zerstört heute, ganz stark,
weil ja alte Menschen nicht mehr älter werden dürfen, sondern als Turnschuh-Oma eigentlich fit
sein müssen bis ins Grab. Und dadurch verfehlen viele alte Menschen eigentlich genau diesen
Charme, den sie haben könnten auf junge Menschen“ (MS, 18, 13-16) (vgl. Kap. 3.4.4).
PS beschreibt, dass es durch diese „Fehlprogrammierung“ zu einem verzerrten Bild kommt, das
Kinder von älteren Menschen haben. Demnach gibt es „einen Teil des Alters, den wir eigentlich so
ausgrenzen in der Gesellschaft. Du hast keine Leistung mehr und deswegen bist du draußen“ (15,
17-20). Dieser Teil der Gesellschaft ist für Kinder somit nicht sichtbar. Stattdessen herrscht ein
idealisiertes Bild vor. „Senioren, das sind immer die, die in der Gegend herum fahren, die Fahrrad
in den Bergen fahren“ (PS, 15, 9-10). In der Gesellschaft gibt es aber viele „einfach wirklich alte
Menschen, die einfach wirklich Defizite haben.“ (PS, 20, 25-26). Dabei gehören ältere Menschen „
doch zum Leben dazu, oder“ (PS, 20, 20)?
Obwohl junge und ältere Menschen in der Gesellschaft einen fehlenden Bezug zueinander aufwei-
sen, bestehen viele Gemeinsamkeiten zwischen den Generationen. Diese werden im nachstehenden
Kapitel dargestellt.
3.4.2 Gemeinsamkeiten und zwischen Jung und Alt
Nachstehend werden Gemeinsamkeiten von Kindern und älteren Menschen herauskristallisiert und
aufgezeigt. Wie im weiteren Verlauf der Arbeit deutlich wird, spielen diese Gemeinsamkeiten zwi-
schen jungen und älteren Menschen eine tragende Rolle bei der Zusammenführung der Generatio-
nen.
MS beschreibt das Bedürfnis nach Bindungen als größte Gemeinsamkeit zwischen Kindern und
älteren Menschen. „Das größte Bedürfnis und Gemeinsamkeit ist dieses DAZU gehören“ (32, 21-
22) (vgl. Kap. 3.2.1 und Kap. 3.3.1).
Darüber hinaus beschreibt er das Verhältnis von Kindern und älteren Menschen zur Arbeit als
große Gemeinsamkeit. „Die Kinder müssen noch nicht arbeiten, und die Alten müssen nicht MEHR
arbeiten. Man kann schon arbeiten wollen als Kind, und man kann als Erwachsener, als alter
Mensch auch noch arbeiten wollen. Man ist von der Arbeit, als Leistung zur Gewinnung seines
Lebensunterhaltes freigestellt“ (MS, 16, 17-22). Durch diesen Bezug junger und älterer Menschen
hinsichtlich Arbeit bekommt diese „für beide eine freie Vermittlungsaufgabe, um etwas zu zeigen“
(MS, 16, 19-20) (vgl. Kap. 3.4.6).
Ein weiterer Aspekt bezüglich der Gemeinsamkeiten von Kindern und älteren Menschen liegt da-
rin, „dass sie NICHT über die volle Leistungsfähigkeit ihres Leibes verfügen. Die Einen NOCH
NICHT, die Anderen NICHT MEHR. Und DAS macht sie AUCH verwandt“ (34, 6-8). Während
43
Kinder eine Haltung verkörpern, die einem „ich kann das NOCH nicht, ich will das Lernen“ (MS,
34, 12) entspricht, befinden sich ältere Menschen in der Situation, die ein „ich kann das NICHT
MEHR, ich muss das loslassen“ (MS, 34, 12-13) auf der Stufe menschlicher Entwicklung wider-
spiegelt. „Das sind konträre Gesten, die aber VERWANDTSCHAFTEN haben“ (MS, 34, 13-14).
Auch PS nennt Ähnlichkeiten bezüglich der physischen Verfassung junger und älterer Menschen:
„So, wie ein kleines Kind nicht gehen kann, ist es auch normal, als alter Mensch, nicht mehr laufen
zu können“ (20, 28-29). Darüber hinaus beschreibt sie einen mentalen Zustand, über den Kinder
und ältere Menschen gemeinsam verfügen. Demnach „ähneln sie sich schon sehr stark. Die Ge-
dankenwelt ist schon eine ähnliche“ (17, 15-16). Kinder und ältere Menschen „leben schon sehr
gerne in Geschichtenwelten“ (PS, 17-18). Die Phantasie von Kindern und älteren Menschen be-
schreibt MS als das „PRODUKTIVSTE Kind dieser Freiräume“ (32, 4-5). Hierbei wird deutlich,
welchen Beitrag die Erzählkultur (vgl. Kap. 3.4.3) an dieser Stelle leisten kann: Einer Geschichte
zuhören, „das ist etwas, was ALLE Generationen KÖNNEN“ (35, 9, 10).
Weitere gemeinsame Denkweisen zwischen Kindern und älteren Menschen lassen sich auch am
Thema Tod verdeutlichen. Im Falle, dass ein Tier stirbt, kommen „oft Wünsche von Bewohnern,
was sie noch gerne hätten oder was noch gerne sein sollte. Sowohl bei Kindern als auch bei alten
Menschen“ (PS, 17, 12-15).
Als weitere Schnittmenge beschreibt BH, dass Kindern verschiedenen Alters und älteren Menschen
eine Affinität zur Natur gemein ist „Da es gibt so eine Vielfalt, ein Wald bietet für hundertjährige,
oder zehnjährige, oder sechsjährige ganz viele Sachen, aber auch für kleine“ (14, 10-12). PS be-
schreibt ähnliche Erfahrungen aus intergenerativen Begegnungen auf dem Adelwoehrerhof: „Wenn
die Enkel und Urenkel unserer Klienten die Gummistiefel einpacken, wenn es zur Uroma geht. Was
kann man sich schöneres wünschen? Das es da noch Gemeinsamkeiten gibt? Und genau diese
Gemeinsamkeit sind bei uns die Tiere und die Natur“ (10, 29; 11, 1-4).
Gemeinsamkeiten zwischen jungen und älteren Menschen lassen sich im Sinne einer Generatio-
nenzusammenführung nutzbar machen. Hierfür bedarf es Prozesse, die gemeinschaftsbildend auf
die Zielgruppen wirken. Diese werden im folgenden Kapitel beschrieben.
3.4.3 Gemeinschaftsbildende Prozesse
Im Folgenden werden die Aspekte dargestellt, die gemeinschaftsbildend auf die Zusammenführung
junger und älterer Menschen wirken, und als Voraussetzung für intergenerative Prozesse im Sinne
der Handlungspädagogik verstanden werden. Als gemeinschaftsbildend wird ein Aspekt bezeich-
net, durch den Menschen aus eigener Motivation heraus Zeit und Raum miteinander teilen. Hierbei
werden Gemeinsamkeiten der beiden Zielgruppen berücksichtigt (vgl. Kap. 3.4.2).
MS beschreibt die „gepflegten Elemente“ (29, 30) als solche, „die in der Kulturlandschaft gemein-
schaftsbildend wirken“ (29, 31), also unter menschlicher Obhut stehen. Dabei werden Elemente
beschrieben, die als Bindeglied für intergenerative Prozesse verstanden werden können. „Wenn da
ein Hof ist, mit einem großen Baum in der Mitte, wenn da eine Quelle ist, ein Bach, der da durch
fließt, und da stehen Bänke. Wenn da ein Feuerplatz ist, oder ein Ofen, in einem großen Saal, DAS
wirkt gemeinschaftsbildend“ (29. 31; 30, 1-4). An dieser Stelle wird deutlich, dass die in Kap. 3.4.2
44
beschriebe Naturaffinität junger und älterer Menschen positiv auf die Gemeinschaftsbildung durch
gepflegte Elemente wirken kann.
Tägliche Verrichtungen der Menschen auf einem landwirtschaftlichen Betrieb werden ebenfalls als
gemeinschaftsbildend bezeichnet. Darunter kann das gemeinsame Essen, die Zubereitung selbst
erzeugter Lebensmittel, oder die Ernte der selbigen verstanden werden. „Und dann gehst du zu
zehnt über den Acker, und dann ist am Vormittag der Kartoffelacker leer. Und das ist der Gemein-
schaftsaspekt der gemeinsamen Arbeit, Hand in Hand“ (MS, 10, 12-15) (s. Kap. 3.4.6). Die Teil-
nahme der Akteure am gemeinschaftsbildenden Prozess der Arbeit geschieht freiwillig, da beide
Zielgruppen hiervon grundsätzlich freigestellt sind (s. Kap. 3.4.2). Daher ist wichtig, „dass dort
MÖGLICHKEITEN entstehen (MS, 30, 7). Und dann wird man gucken, ob es, ob die Räume sich
erfüllen. Weil man sich gegenseitig SEHEN will“ (MS, 30, 13-14). Ein gemeinsames Maß an kör-
perlichem Leistungsvermögen (vgl. Kap. 3.4.2) kann dabei als förderlich für gemeinsame Arbeits-
prozesse gelten.
Notwendig für eine Gemeinschaftsbildung der Generationen sind „FEST gelegte Zeiten, in denen
man sich versammelt, und irgendetwas Gemeinsames tut“ (MS, 30, 22). Die jahreszeitlich beding-
ten Prozesse innerhalb der Landwirtshaft, wie „Aussaat, Ernte, Wintervorräte anlegen“ (MS, 31,
11), werden als Naturprozesse verstanden, die von kulturellen Veranstaltungen begleitet werden
können. Diese wirken sich förderlich auf Gemeinschaftsbildungen aus: „Also alle Gemeinschafts-
bildungsprozesse leben von solchen FESTEN“ (MS, 30, 21). Hierbei handelt es sich um die ge-
meinsame Aufgabe der Generationen, die vorhandenen Möglichkeiten ritueller und wiederkehren-
der Prozesse zu gestalten. Die gemeinsame Freistellung von Arbeit sowie mentale Ähnlichkeiten
der Zielgruppen (vgl. Kap. 3.4.2) bieten hierfür Optionen.
Im Rahmen wiederkehrender Tätigkeiten werden besonders künstlerische Darbietungen als ge-
meinschaftsbildend Verstanden, beispielsweise das gemeinsame Musizieren. MS spricht vor die-
sem Hintergrund von der „KULTIVIERUNG der Gemeinschaftsbildung durch künstlerische Pro-
zesse“ (31, 3-4). Besondere Bedeutung innerhalb verschiedener Kunstformen wird der Erzählkultur
beigemessen. Erzähler waren demnach in früheren Zeiten notwendig, „damit überhaupt Men-
schengemeinschaften ENTSTEHEN, die NICHT miteinander verwandt sind“ (MS, 34, 26-28).
Einem Erzähler wird die Fähigkeit zuerkannt, „Menschen in ein gemeinsames Bild zu tragen, zu
heben“ (MS, 35, 21-22). Dabei wird durch das hören einer Geschichte „ein GEMEINSAMES Pa-
norama von Gefühlen und Dramen [durchlebt]. Das ist ein ZENTRALER gemeinschaftsbildender
Aspekt“ (MS, 35, 5-6). Aufgabe bei der Zusammenführung junger und älterer Menschen ist dem-
nach „ErzählKULTUR wieder zu gewinnen, neben der Schriftkultur. Eine authentische Kultur, nur
eine Erzählkultur erzeugt ein Wahrheitsempfinden. Die mediale Wahrheitsvermittlung ist von Lüge
DURCHSETZT“ (MS, 25, 32; 26, 1-3). Wie in Kap. 3.4.2 bereits erwähnt, können sich Kinder und
ältere Menschen bezüglichen ihrer Gedankenwelt ähneln. Diese Ähnlichkeit kann für den gemein-
schaftlichen Prozess des Erzählens nutzbar gemacht werden.
Gemeinschaftsbildungen lassen die Anwendung vielseitiger Kompetenzen der Akteure zu. Ältere
Menschen verfügen über Fertigkeiten, die im Sinne einer Gemeinschaftsbildung förderlich sind.
Diese werden im nachstehenden Kapitel beschrieben.
45
3.4.4 Kompetenzen älterer Menschen
Nachdem im vorgehenden Kapitel verschiedene gemeinschaftsbildende Prozesse für eine Generati-
onenzusammenführung dargestellt wurden, beschreibt dieses Kapitel Fertigkeiten älterer Men-
schen, die für eine Gemeinschaftsbildung mit Kindern von Bedeutung sind.
PS führt aus, dass „auch die alten Menschen noch Kompetenzen haben, über manche Sachen wis-
sen die einfach was drüber“ (11, 4-5), und beschreibt damit Wissen älterer Menschen, dass diese
über „die Tiere und die Natur“ (11, 4) haben. Darüber hinaus verfügen ältere Menschen über prak-
tische, landwirtschaftliche Handwerkstechniken. JS nennt hierzu ein Beispiel anhand eines ehema-
ligen Klienten des Adelwoehrerhofs: „Wir haben mal einen Knecht hier gehabt, er hat früher im-
mer Besen gebunden“ (5,20-21). Über einen anderen Klienten berichtet er: „Der hat alles Mögliche
gemacht. Bis zur Wanduhr, CD-Ständer, und Bürohilfsmittel“ (5, 7-8).
Manche dieser Kompetenzen sind jedoch aufgrund der Isolation älterer Menschen von der Gesell-
schaft (s. Kap. 4.3.1) nicht mehr auffindbar. MS beschreibt diesbezüglich: „Ich habe hier nieman-
den Alten mehr gefunden, der richtig dengeln konnte, und musste mir das mühsam sozusagen sel-
ber wieder beibringen“ (3, 23-25). Dabei wäre es „im GRUNDE besser gewesen, man hätte einen
alten Mann gefunden, der einem mal zeigt, wie der früher gedengelt hat“ (3, 27-29).
Als weitere Kompetenz älterer Menschen bezeichnet JS „sehr viel Lebenserfahrung, die sie weiter-
geben können“ (21, 24-25). PS verweist an dieser Stelle auf die Isolation älterer Menschen vom
Rest der Gesellschaft (vgl. Kap. 3.4.1): „Früher waren das die alten, weisen Menschen, in vielen
Kulturen sind sie es noch. Das ist ja bei uns nicht mehr“ (PS, 15, 18-19). Die Ratschläge älterer
Menschen jedoch „nimmt man als Kind ganz anders an, als von Eltern“ (PS, 21, 32; 22, 1).
Älteren Menschen wird die Fähigkeit beigemessen, Freiräume erschaffen zu können, in denen Kin-
der aus sich selbst heraus lernen wollen. „Das können eigentlich NUR alte Menschen“ (MS, 20,
24-25) (vgl. Kap. 3.4.5). Grund hierfür ist die Erwartungslosigkeit, die ältere Menschen gegenüber
Kinder haben. „Die Eltern erziehen immer wie Lehrer Defizitorientiert, du kannst das noch nicht,
das musst du lernen. Und alte Menschen erziehen Kinder nie so. Sondern die lassen sie gewähren,
und schaffen einen Raum, in dem man sich wohlfühlt. Und da lernt man dann auch, aber das ist
indirekt“ (MS, 15, 33; 16, 1-3). . Dabei wird Absichtslosigkeit als etwas verstanden, „was alte
Leute leisten können“ (MS, 21, 4). Diese zeichnet sich durch nicht zielbewusstes Handeln aus.
Ähnlich wie im vorangegangenen Beispiel beschreibt PS das damalige (Lern)Verhältnis zu ihrer
eigenen Großmutter: „Weil diese Konkurrenz GAR nicht da ist. Irgendwie weiß ich immer von
klein auf, die Oma will nur gutes. Sie hätte mir vielleicht gesagt, OK, das darf man nicht. Aber man
sagt es ja ANDERS. Und man nimmt es als Kind ganz anders an“ (PS, 21, 27-32). Gleichzeitig
beschreibt sie ihr gegenwärtiges Verhältnis zu ihren eigenen Enkelkindern: „Diese Fürsorge. Und
ich bin jetzt inzwischen auch schon Oma. Und das IST anders“ (PS, 21, 12-13. Die Strenge muss
nicht so wirklich sein“ (PS, 21, 17). „Von Eltern kommt viel mehr Autorität. Und das ist zwischen
älteren Menschen und Kindern nicht so stark“ (22, 1-3). „Man kann sich da ganz anders zurück
nehmen. Man kann einfach gütiger sein“ (21, 15-16). Aus ihrer eigenen Erfahrung als Großmutter
beschreibt sie dabei „eine GANZ andere Perspektive, die man da hat. Und ich glaube, das merken
auch die Kinder“ (21, 19-21).
46
In der Begegnung zwischen Kindern und älteren Menschen auf dem Adelwoeherhof hat PS beo-
bachtet, dass „die Senioren in dem Falle die Beobachtungsrolle einnehmen“ (12, 9-10). Die „Be-
wohner sitzen draußen, und schauen zu“ (PS, 12, 15), und schaffen somit einen Freiraum, in dem
Beziehungen zwischen den Generationen entstehen können, aber nicht entstehen müssen.
Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass ältere Menschen über eine Vielzahl von
Kompetenzen verfügen. Hierdurch können sie eine Vorbildfunktion gegenüber Kindern einnehmen
(vgl. Kap. 2.1). MS beschreibt diesbezüglich, „dass natürlich ein gesundes Kind lernen WILL, was
ich da tue“ (27, 8-9).
Zudem wurde deutlich, dass ältere Menschen die Fertigkeiten besitzen, Freiräume schaffen zu kön-
nen, in denen eine erwartungslose Haltung herrscht. In diesen finden wie beschrieben informelle
Lernprozesse des Kindes statt. Das nächste Kapitel beschreibt die Bedeutung von Freiräumen für
die Zusammenführung der Generationen.
3.4.5 Die Bedeutung von Freiräumen
Die folgenden Ausführungen beleuchten die Aspekte Zeit und Freiräume, und stellen deren Not-
wendigkeiten für eine Zusammenführung junger und älterer Menschen im Sinne der Handlungspä-
dagogik dar. Die Ausgestaltung von Freiräumen berücksichtigt dabei Gemeinsamkeiten der Gene-
rationen (vgl. 3.4.2) sowie Kompetenzen älterer Menschen (vgl. Kap. 3.4.4).
Grundvoraussetzung bei der Schaffung von Freiräumen durch ältere Menschen „ist der absolute
Verzicht auf Autorität. Und auf Befehlspädagogik. Alles, was mit BEFEHL, und mit fremden Wol-
len zu tun hat, führt immer zu Traumata“ (MS) (vgl. Kap. 3.4.4).
Notwendig für die Zusammenführung junger und älterer Menschen auf einem landwirtschaftlichen
Betrieb ist demnach ein Freiraum, in dem die Akteure absichtslos handeln können. „Also ganz
wichtig ist die nicht-Notwendigkeit. Der Freiraum, die FreiSTELLUNG“ (MS, 20, 14-15). Bedeut-
sam bei der Bildung und Gestaltung von Freiräumen ist grundsätzlich, „dass man jetzt nicht an-
fängt, daraus ein absichtsgetragenes Konzept zu machen. Sonst würde man ZERSTÖREN, worum
es eigentlich GEHT. Das wäre fatal, dass man etwas zusammen schrauben will (MS, 21, 6-8).
Demnach setzt die Ausgestaltung von Freiräumen „ungeheure gestalterische Phantasiekräfte vo-
raus, wie man die Begegnung von Alten und Kindern heute ermöglichen will. Ohne sie zu erzwin-
gen“ (MS, 18, 33; 19, 1). Die Gemeinsamkeit junger und älterer Menschen, in ähnlichen Gedan-
kenwelten zu leben (s. Kap. 3.4.2), kann auf die gemeinsame Ausgestaltung von Freiräumen för-
derlich wirken.
Landwirtschaftliche Tätigkeiten der Akteure werden im Sinne der Handlungspädagogik aus einer
intrinsischen Motivation heraus vollzogen (vgl. Kap. 3.4.3). „Wenn sie etwas tun wollen, dann aus
Sich heraus. Und das schafft ganz stark diesen Handlungsraum“ (MS, 20, 19-20). Maßgeblich für
die Zusammenführung junger und älterer Menschen sind demnach konzeptfreie (Frei)Räume, „[in
denen] absichtsloses, absichtsvoll keine Absicht herrscht. Opa Karl und Oma Anna gehen jeden
Tag spazieren, und wer mit will, kann mit“ (MS, 21, 1-2). Dabei wird betont, dass absichtslose
Handlungen eine Atmosphäre erzeugen, in der Kinder sich wohl fühlen. MS nennt bei der Zusam-
menführung junger und älterer Menschen die besondere Notwendigkeit solcher „non-direktiven
47
Freiräume“ (18,4). Dabei sollen die Akteure über größtmögliche Entscheidungsfreiheit bezüglich
ihrer Handlungen verfügen, also Dinge tun, die aus einer inneren, nicht von außen erzwungenen
Motivation heraus geschehen. „Und die Oma sitzt da, und liest ein Buch, oder guckt nur. Und das
Kind setzt sich daneben, oder NICHT“ (MS, 20, 30-31). Und da lernt man dann auch, aber das ist
indirekt“ (MS, 17, 2-3). Verankern tue ich nur das, was ich in mir verankern WILL (MS, 22, 17-
18). Dieses Beispiel verdeutlicht die Notwendigkeit einer intrinsischen Motivation des Kindes,
bzw. einer Erwartungslosen Haltung des Älteren, bei der gemeinsamen Ausgestaltung von Frei-
räumen (vgl. Kap. 3.4.4).
Auch PS beschreibt das Lernverhältnis zwischen Kindern und älteren Menschen als informell.
„Dass die einen Zuhören können, die anderen können reden. Das reicht doch eh schon oft aus. Da
kriegt man dann selbst die Idee, wenn man einfach nur da sitzt, und zuhört (22, 10-12). Denn, „si-
cher lehrt die Oma mir was, von mir aus mit Anwesenheit, und wenn sie auch nur da ist“ (21, 5-6).
Die Schaffung von Freiräumen kann hiernach durch die gemeinsame Freistellung von Arbeit, men-
talen Ähnlichkeiten sowie einer ähnlichen physischen Verfassung der Akteure gefördert werden
(vgl. 3.4.2).
MS bezeichnet das intergenerative Miteinander in Freiräumen als „etwas NEUES, was auch VOR-
BILD sein kann für uns, als mittlere Generation“ (28, 17-18). „Die Aufgabe besteht überhaupt
darin, Erfahrungsräume, wieder zu schaffen. Das gab es im Alten nicht. Weil das alles noch Malo-
che und Lebenssicherung war. Und wir haben heute immerhin die Möglichkeit, aus großen För-
dertöpfen heraus Räume zu schaffen, in denen wir [ein intergeneratives Miteinander] NEU entwi-
ckeln können“ (28, 23-26). Hierbei besteht die Möglichkeit, „ein ERFAHRUNGSfeld her zu stel-
len, was Erfahrungen ermöglicht, die ich sonst nicht hätte.“ (28, 28-29).
Trotz vielfältiger Gestaltungsmöglichkeiten von Freiräumen, weise diese Grenzen auf: „Du kannst
[die Kinder] nicht auf die Wiesen der Beliebigkeit lassen. Die Beliebigkeit wird dadurch begrenzt,
dass in diesem Feld, in dem die Kinder frei sind, Menschen sind, die genau wissen, was sie tun“
(MS, 22, 26-27)..
MS beschreibt ein symbolisches Bild des Miteinanders der Generationen in einem Freiraum: „Das
Urbild des Spaziergangs, der Großvater geht mit dem Kind BEI DER HAND. Und das im übertra-
genen Sinne, [meint] die Weitergabe der Erfahrungen“ (25, 30-31).
Die vorangegangenen Ausführungen beschreiben die Notwendigkeit von Freiräumen für eine Zu-
sammenführung der Generationen. Nachfolgend wird der Wert handwerklicher Arbeit als Mög-
lichkeit der gemeinsamen Ausgestaltung von Freiräumen zwischen Kindern und älteren Menschen
betrachtet.
3.4.6 Wert handwerklicher Arbeit
Dem gemeinsamen tätig sein der Generationen wird im Sinne der Handlungspädagogik besondere
Bedeutung beigemessen. Das vorliegende Kapitel stellt die verschiedenen Aspekte handwerklicher
Arbeit sowie deren Bedeutung für intergenerative Prozesse dar. Dabei werden Gemeinsamkeiten
48
der Zielgruppen (vgl. Kap. 3.4.2) sowie die Kompetenzen älterer Menschen (vgl. Kap. 3.4.4) in
Bezug auf intergenerative Arbeitsprozesse deutlich gemacht.
Wie in Kap. 3.4.3 beschrieben, stellt Arbeit einen gemeinschaftsbildenden Prozess dar. Aufgrund
dessen bezeichnet MS Arbeit als Möglichkeit für junge und alte Menschen, Zeit gemeinsam zu
gestalten. „Die Kinder müssen noch nicht arbeiten, und die Alten müssen nicht MEHR arbeiten.
Das heißt, die Arbeit bekommt für beide eine freie Vermittlungsaufgabe“ (16, 17-19). Dabei be-
zeichnet er den Umstand, dass beide Generationen von der Arbeit frei gestellt sind, als „ größte
Schnittmenge im Zusammenhang mit der Arbeit“ (16, 22-23) (vgl. Kap. 3.4.2). In Arbeitsprozessen
haben ältere Menschen die Möglichkeit, ihr Erfahrungswissen an Kinder zu vermitteln. Hieran wird
die Bedeutung der Wissenskompetenz älterer Menschen (vgl. Kap. 3.4.4) für die Zusammenfüh-
rung der Generationen deutlich. MS unterscheidet zwei Arten des Wissens: „ Dieses Wissenswis-
sen, dieses reine reproduzierte Wissen, überall und zu jederzeit, steht entgegen dem Erfahrungs-
wissen“ (25, 20-23). Erfahrungswissen hingegen bedeutet, zu üben. „Und dann, wenn ich es schon
kann, es jemandem beibringen, der es noch NICHT kann. Da entsteht eine neue Kultur der Über-
gabe. Und des miteinander Tuns“ (MS, 25, 24-27). Arbeit im Sinne der Handlungspädagogik ist
demnach die Weitergabe des Wissens durch praktisches Tun. „Das ist das, was ein Kind dann eben
auch erlebt. Es tut etwas, und gibt es weiter“ (MS, 10, 15-16).
Kinder können im Sinne der Handlungspädagogik durch „Mitarbeit“ in Arbeitsprozesse der Land-
wirtschaft einbezogen werden. MS bezeichnet dieses tätig sein als „nicht spielen, das ist ein SEHR
ernstes, nicht anstrengendes tun“ (3, 11-12). Hierdurch erlernen und üben Kinder beispielsweise
motorische Fertigkeiten. „Und wiederholen, und scheitern, und nochmal, bis das Ding in der Fla-
sche ist. Oder bis man das mit Geschick dann endlich kann. Und dann Freude sogar hat daran,
dass das jetzt gelingt“ (3, 12-14). Solch Lernprozesse schaffen eine intrinsische Motivation im
Kind, weiter lernen zu wollen. Beispielhaft gibt MS hierzu an: „Einem Kind ist in der Handlungs-
pädagogik sogar VERWERWEHRT, Dinge zu tun, die es noch nicht kann. Das darfst du nicht, dass
kannst du noch nicht. Und was verboten ist, macht mich interessiert. Was muss ich können, damit
ich das kann“ (10, 20-22)?
Voraussetzung für die Einbeziehung von Kindern in Arbeitsprozesse mit älteren Menschen ist, dass
die (unterschiedlichen) Tätigkeiten regelmäßig durchgeführt werden. Ein Aspekt der Handlungspä-
dagogik ist eben auch eine VERLÄSSLIHKEIT“ Dabei ist es wichtig, „ dass Jahr für Jahr die Din-
ge hier gepflegt werden“ (MS, 5, 1-3). Dass da Beharrlichkeit der Alten ist“ (MS, 19, 3-4). Hier-
mit wird die Notwendigkeit der dauerhaften Verankerung von Arbeitsprozessen an einen Ort, so-
wie die Konstanz der gemeinsamen Tätigkeiten beschrieben.
Arbeit, in Sinne der Handlungspädagogik strebt stets nach Weiterentwicklung. Damit ist gemeint,
durch Präzision und Veredelung qualitativ hochwertige Produkte zu erzeugen. MS betont dabei, „
dass ein Ort für Handlungspädagogik immer nur einer sein kann, wo die Handwerker, im Sinne der
wahren Meisterschaft eine Idee haben, wie sie ihr Handwerk weiter entwickeln. Nicht immer nur
wiederholen, immer dasselbe“ (MS, 5, 9,-12). Diese Weiterentwicklung beschreibt dabei sowohl
„die Beziehung zwischen den Tieren und den Menschen, oder die Beziehung zu den Pflanzen (MS,
5, 7-8). Demnach hat „ein Ort für Handlungspädagogik immer dieses Wachstumspotential“ (MS,
49
6, 25). An dieser Stelle wird deutlich, dass die Wissenskompetenz älterer Menschen über Tiere und
Pflanzen (vgl. Kap. 3.4.4) für intergenerative Arbeitsprozesse bedeutsam ist.
Das tätig sein Sinne der Handlungspädagogik folgt einer Stufenordnung, die sich gliedert in „
Lehrling, Geselle, Meister. Und diese Hierarchie hat eine Bedeutung. Das ist eben eine Verantwor-
tungs- und Befähigungshierarchie. Und das leistet Arbeit. Wenn du hier mitmachst, trägst du die
Verantwortung, und dann muss das, was da am Ende herauskommt auch irgendwie sinnvoll sein“
(MS, 11, 31-33; 12, 1-4).
Für die Einbeziehung älterer Menschen in Arbeitsprozesse mit Kindern ist das „aufsammeln des
alten Wissens und Könnens, des Bescheid Wissens mit den Händen“ (MS, 3, 29-30), das „Sammeln
der Handwerkstechniken, bevor sie mit den Alten aus der Hand fallen“ (MS, 1, 31-32), von zentra-
ler Bedeutung. Dabei entsteht die Möglichkeit für Kinder „dass man von [den älteren Menschen]
lernt, weil die das noch können“ (MS, 4, 5).
Die Bedeutung des gemeinsamen Tuns im Sinne einer Zusammenführung der Generationen mittels
landwirtschaftlicher Tätigkeiten bezeichnet MS als „Aufgabe der Elaboration von handwerklicher
Tätigkeit in einem Landwirtschaftsbetrieb, die Dinge wieder zu finden, oder vielleicht sogar neu zu
erfinden, an denen handwerklich Getanes eine besondere Qualität bewirkt“ (MS, 19, 29-31). „Die-
ses Prinzip, Industrialisierung, Mechanisierung, ist Verlust. Und Handwerk ist Gewinn“ (MS, 20,
2). Dabei wird besonders die Möglichkeit betont, Dinge zu tun, „auf die ein Bauer sonst so nie
KÄME, weil er dafür die Kraft und die Zeit und die Hände nicht hat“ (MS, 19, 4-5). Als beispiel-
gebend gilt ein Projekt, in dem Menschen „Milchbildungstee für Kühe gemacht haben, und da
etwas bereitgestellt haben, an Zusatz, an Mehrwert, wo jeder Bauer sagen würde, ja, das ist eine
tolle Idee“ (MS, 19, 8-10). Arbeit kann dafür genutzt werden, „das man also Besonderheiten
macht, dass man sagt, es gibt eine Qualität von landwirtschaftlicher Produktion, die wird umso
besser, je mehr Handwerk drin ist“ (MS, 19, 14-16). Diese Qualität landwirtschaftlicher Erzeugung
erfordert Wissen und Können (Kompetenzen), über welches ältere Menschen vielfach verfügen
(vgl. 3.4.4). Das Beispiel verdeutlicht zudem die Bedeutung von Freiräumen (vgl. Kap. 3.4.5) bei
intergenerativen Arbeitsprozessen. Diese sind notwendig, damit gemeinsame Arbeiten überhaupt
zustande kommen können, ohne dass diese einem Effizienzgedanken folgen müssen. Die Gemein-
samkeit junger und älterer Menschen bezüglich ihrer körperlichen Verfassung (vgl. 3.4.2) schließt
einen Effizienzgedanken im Gegenteil aus.
Arbeit im Sinne der Handlungspädagogik dient dazu, dem verloren gehen der Erfahrungen entge-
gen zu wirken. Hiermit sind sowohl handwerkliche als auch intergenerative Erfahrungen (und
Lernprozesse, vgl. Kap. 3.4.4) von Kindern und älteren Menschen gemeint: „Ich tue etwas aus
dem, was ich noch kann, und du kannst mir beiwohnen. Der Großvater der mit dem Kind das Holz
macht (MS, 18, 4-5). Die haben gehackt, und die Kinder haben es aufgeschichtet. Es gab da so
kongeniale Zusammenarbeiten, die nicht geplant waren, die sich ergeben haben. Das Kind suchte
die Nähe zum Großvater, der war tätig, in aller Ruhe, machte seine Pause, machte seine Scherze“
(MS, 18, 7-10). Dieses Beispiel verdeutlicht die Bedeutung der gemeinsamen Freistellung von
Arbeit für intergenerative Prozesse (vgl. Kap. 3.4.2). Hierdurch entsteht ein Freiraum, in dem die
Akteure aus einer intrinsischen Motivation heraus handeln können (vgl. Kap. 3.4.4). Zudem wirkt
50
die gemeinsame Naturaffinität der beteiligten in diesem Beispiel förderlich auf gemeinsame Ar-
beitsprozesse in der Landwirtschaft (vgl. Kap. 3.4.2).
Zusammenfassende Ergebnisdarstellung
Grundvoraussetzungen der Generationenzusammenführung
Die größte Gemeinsamkeit der Zielgruppen besteht in dem Bedürfnis nach Bindungen (vgl. Kap
3.2.1, vgl. Kap. 3.3.1). Gleichzeitig sind junge und ältere Menschen von der Arbeit freigestellt,
sodass dieser eine Vermittlungsaufgabe zukommt (vgl. Kap. 3.4.2). Arbeit stellt einen gemein-
schaftsbildenden Prozess für ein Miteinander der Generationen dar (vgl. Kap. 3.4.3). Die gemein-
same Freistellung von Arbeit setzt eine intrinsische Motivation der Beteiligten an Arbeitsprozessen
voraus (vgl. Kap. 3.4.6). Weitere Gemeinsamkeiten der Zielgruppen liegen in physischen und men-
talen Charakteristika, sowie in einer Naturaffinität (s. Kap. 3.4.2). Ältere Menschen haben die Fä-
higkeit, Freiräume zu erschaffen, in denen Kinder sich wohl fühlen (vgl. Kap. 3.4.5). Wesentlicher
Grund hierfür ist eine erwartungslose Haltung älterer Menschen gegenüber Kindern (vgl. Kap
3.4.4). Gleichzeitig verfügen ältere Menschen über die Kompetenz, Kindern Liebe, Güte und Für-
sorglichkeit zu vermitteln. Zudem können sie als Ratgeber fungieren. Ältere Menschen verfügen
über handwerkliches Vermögen sowie traditionelles Wissen landwirtschaftlicher Zusammenhänge.
Aufgrund dieser Kompetenzen, sowie den beschriebenen Gemeinsamkeiten zwischen den Genera-
tionen (von denen das Bindungsbedürfnis die bedeutsamste ist), können ältere Menschen eine Vor-
bildunktion für Kinder innerhalb gemeinsamer Arbeitsprozesse darstellen. Hierdurch können in-
formelle Lernprozesse stattfinden.
Aspekte der Arbeit im Sinne der Handlungspädagogik
Das gemeinsame tätig sein von Jung und Alt dient der Gestaltung von Freiräumen (vgl. Kap.
3.4.5). Diese weisen trotz ihrer Offenheit Grenzen auf, die dadurch entstehen, dass sie von der
Kompetenzpersonen definiert werden. Arbeit zeichnet sich im Sinne der Handlungspädagogik
durch verschiedene Charakteristika aus. Grundsätzlich geht es darum, Arbeiten händisch auszufüh-
ren, das heißt, handwerklichen Tätigkeiten kommt eine besondere Bedeutung zuteil. In Arbeitspro-
zessen wird eine Weiterentwicklung der handwerklichen Fertigkeiten angestrebt, mit dem Ziel
qualitativ hochwertige Produkte zu erzielen. Der Aspekt der Weiterentwicklung der Tätigkeiten
schließt auch die Beziehungen zu Mitmenschen, Pflanzen und Tieren ein. Tätigkeiten werden dau-
erhaft ausgeführt und sind ortsgebunden. Die Freistellung von Arbeit sowie physische Gemeinsam-
keiten der Akteure schließen einen Effizienzgedanken bei gemeinsamen Tätigkeiten aus. Die Teil-
nahme von Kindern an gemeinsamen Tätigkeiten unterliegt hierarchischen Strukturen, die mit er-
worbenen Fertigkeiten des Kindes sowie der Übernahme von Verantwortung innerhalb der Ar-
beitsprozesse einhergehen.
51
Abbildung 9: Grundvoraussetzungen der Zusammenführung junger und älterer Menschen
im Sinne der Handlungspädagogik am Beispiel Arbeit
52
4 Diskussion
Dieses Kapitel betrachtet und bewertet zunächst die Ergebnisse der Interviews (vgl. Kap. 3) in
Hinblick auf die beiden Fragestellungen (vgl. Kap. 1). Hierauf folgt eine Reflektion der Auswahl
der Betriebe und der Untersuchungsteilnehmer. Nach einer Diskussion der Erhebungs- und Analy-
semethode schließt das Kapitel mit einem Ausblick ab.
4.1 Beantwortung der Forschungsfragen
Welchen Beitrag leisten Naturerfahrungen, die im Kontext Sozialer Landwirtschaft ge-
wonnen werden können, bei der Bedürfniserfüllung von Kindern und älteren Menschen?
Die Ergebnisse zeigen, dass Soziale Landwirtschaft viele Möglichkeiten bietet, die Bedürfniserfül-
lung von Kindern und älteren Menschen zu fördern. Dies gilt besonders für klein strukturierte und
diversifizierte Höfe. Auf den vier Untersuchungsbetrieben lassen sich Naturbezüge durch den tägli-
chen Umgang mit Nutztieren, aber auch in der umliegenden Kulturlandschaft finden. Die Möglich-
keit der Naturexploration ist für Kinder bedeutsamer als für ältere Menschen, was auf die unter-
schiedlichen Bedürfnisse der Zielgruppen zurück zu führen ist.
RENZ-POLSTER & HÜTHER (2013) bezeichnen Natur als für ein Kind „maßgeschneiderten Entwick-
lungsraum“ (23), der ihren Bedürfnissen genau entspricht. Vor diesem Hintergrund spricht GEB-
HARD (2005) von einer Analogie von Bezugspersonen und Natur als Bezugsort (150). Die Ver-
trautheit von Natur prägt demnach das kindliche Urvertrauen. Dieses lässt sich auch durch den
Aufbau von Beziehungen zu Nutztieren fördern (. Kap. 3.2.1). GEBHARD (2009) fasst die Ergebnis-
se verschiedener Studien zusammen, die der Frage nachgehen, welche Tiere von Kindern präferiert
werden. Hiernach werden Hunde, Katzen, Hasen und Pferde von ihnen besonders geschätzt (142).
Damit die Bedürfniserfüllung des Kindes nach Beziehungen durch Naturerfahrungen gefördert
werden kann, ist eine enge Anbindung an landwirtschaftliche Prozesse, die dauerhaft gewährleistet
ist, sinnvoll. Diese Grundlage ist auf den Untersuchungsbetrieben gegeben, da die Kinder in der
Regel mehrere Jahre auf dem jeweiligen Hof leben (PAN-Freilandschule und Hof Hauser) oder
über Jahre hinweg täglich den Hof aufsuchen (Franzlhof).
Durch einen dauerhaften Bezug zur Landwirtschaft wird sichergestellt, dass soziale Verhaltenswei-
sen, wie beispielsweise Empathie erlernt werden können, derer es praktischer Erfahrungen bedarf
(vgl. Kap. 2.1.2). Diese können einerseits durch Vorbilder im landwirtschaftlichen Umfeld nach-
vollzogen werden, z. B. durch Einfühlungsvermögen der Menschen gegenüber Tieren, zum ande-
ren können diese Verhaltensweisen unmittelbar selbst angewendet werden. Dabei spiegeln Tiere
dem Kind die unmittelbaren Konsequenzen wider, die das eigene Verhalten auslösen (LIMBRUN-
NER & VAN ELSEN, 2013: 28). Die Zuwendung zu einem Nutztier schafft für das Kind notwendige
Strukturen, denn Tiere müssen täglich versorgt werden. In diesem Zusammenhang bestehen Lern-
möglichkeiten für Kinder, da Kompetenzen wie Verlässlichkeit und Verantwortung für die artge-
rechte Haltung eines Tieres erforderlich sind (LIMBRUNNER & VAN ELSEN, 2013: 28). Emotionen
gegenüber einem Tier verstärken dabei den Lerneffekt des Kindes (WILHELMER & WERNER, 2013:
46).
53
Der Beitrag von Naturerfahrungen für die Bedürfniserfüllung von Kindern ist nicht nur sozialer /
kognitiver Natur. Landwirtschaftliche Betriebe bieten zahlreiche Explorationsmöglichkeiten.
Streifzüge durch die Natur fördern dabei die körperliche Verfassung (vgl. Kap. 3.2.4) junger Men-
schen. Ein Aspekt, der angesichts einer Zunahme übergewichtiger Kinder nicht zu vernachlässigen
ist (MÜLLER, 2014). Als Gründe hierfür sind u. a. unzureichende Bewegung sowie Fehlernährung
bekannt. Diesen Ursachen kann im landwirtschaftlichen Kontext in Form von Bauernhofkindergär-
ten und Bauernhofschulen begegnet werden. Tägliche Verrichtungen geben Anlass für ausreichen-
de Bewegung. Zudem können Mahlzeiten mitunter selbst erzeugt und zubereitet werden. Der Auf-
enthalt der Kinder in den Institutionen Franzlhof sowie PAN-Freilandschule kann demnach als
gesundheitsfördernd bezeichnet werden (vgl. RENZ-POLSTER & HÜTHER, 2013: 77-90.). Die kör-
perliche Konstitution in der Kindheit hat großen Einfluss auf den gesundheitlichen Zustand im
Alter (TESCH-RÖMER & WURM, 2009: 15).
Für ältere Menschen stellen landwirtschaftliche Betriebe einen vertrauten Lebensraum dar, da viele
von ihnen in einem bäuerlichen Milieu aufgewachsen sind (vgl. Kap. 3.4.1). BRÄMER (2009) ver-
weist auf den Zusammenhang einer Umgebung mit vielen Landschaftselementen und dem Maß an
sozialen Beziehungen durch gemeinsame Aktivitäten (22). Die (gemeinsamen) Möglichkeiten von
Naturerfahrungen können die Erfüllung des Bedürfnisses nach Bindungen älterer Menschen dem-
nach positiv fördern. Zudem spricht der biografische Bezug vieler älterer Menschen dafür, dass
diese sich in einer bäuerlichen Umgebung wohl fühlen. Von besonderer Bedeutung scheint der
Aspekt, dass ältere Menschen im landwirtschaftlichen Bereich Tätigkeiten in einem Bezug zur
Natur ausführen können, die sie mit anderen Menschen in Beziehung treten lassen (vgl. Kap.
3.3.1). Hierbei wird die Notwendigkeit diversifizierter Betriebe erkennbar, denn wie am Beispiel
Adelwoehrerhof deutlich wird, können kleinteilige Betriebe Tätigkeitsfelder anbieten, die den Nei-
gungen und Fertigkeiten des Einzelnen entsprechen.
Auch eine Vielseitigkeit von Nutztieren auf klein strukturierten Betrieben ist von Bedeutung, damit
die pflegerische Umgebung den unterschiedlichen Präferenzen älterer Menschen gerecht werden
kann. Tiere sind in der Lage, die Pflege älterer Menschen zu unterstützen (KURATORIUM DEUTSCHE
ALTERSHILFE (KDA), 1998: 3). So kann das Füttern und Streicheln eines Tieres älteren Menschen
dazu dienen, emotionale Zuwendung zu äußern (vgl. Kap. 3.3.1). Eine Möglichkeit, die vielen
älteren Menschen außerhalb der Sozialen Landwirtschaft verwehrt bleibt.
Dass die soziale Teilhabe älterer Menschen großen Einfluss auf den gesundheitlichen Zustand, und
somit die Pflegebedürftigkeit der selbigen hat, zeigen Beiträge der Gesundheitsberichtserstattung
des Bundes aus dem Jahr 2009. Demnach besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem
Maß an sozialen Beziehungen und dem individuellen Wohlbefinden. Das Wohlbefinden wiederrum
hat einen direkten Einfluss auf die Gesundheit eines (älteren) Menschen(vgl. Kap. 3.3.2). Zudem
tragen körperliche Aktivitäten, wie sie im landwirtschaftlichen Rahmen nachgegangen werden
können, zu einem gesunden Altern bei (TESCH-RÖMER & WURM, 2009, 16). Gleichzeitig muss
betont werden, dass landwirtschaftliche Tätigkeiten auch das Risiko beinhalten, physische Schäden
zu erleiden (LIMBRUNNER & VAN ELSEN, 2013: 29). Dies gilt besonders, wenn die körperliche
Konstitution des Tätigen dafür nicht gegeben ist. Der positive Einfluss von Naturerfahrungen auf
54
ältere Menschen durch landwirtschaftliche Tätigkeiten überwiegt jedoch mögliche Risiken, da
diese unter Berücksichtigung von Arbeitsvorschriften minimiert werden können.
Welche Grundvoraussetzungen müssen auf dem LebensGut Miteinander geschaffen wer-
den, damit eine Zusammenführung junger und älterer Menschen im Sinne der Handlungs-
pädagogik in Zukunft erfolgreich sein kann?
Die Isolation junger und älterer Menschen voneinander steht in enger Beziehung mit dem agrar-
strukturellen Wandel (vgl. Kap.1). Eine Reduzierung bäuerlicher Familienbetriebe reduziert auch
Möglichkeiten intergenerativer Begegnungen der Menschen untereinander. Eine Zusammenfüh-
rung der Generationen durch landwirtschaftliche Tätigkeiten muss demnach neu konstruiert wer-
den, da althergebrachte Strukturen sich immer weiter auflösen. Gegenwärtig steckt das neue Mitei-
nander noch in den Kinderschuhen, dabei sind es besonders die Gemeinsamkeiten, die für eine
Zusammenführung junger und älterer Menschen bedeutsam sind. Das Bindungsbedürfnis der Ziel-
gruppen, aber auch die Kompetenzen älterer Menschen, können als Motor generationenübergrei-
fender Prozesse verstanden werden.
Der Ansatz der Handlungspädagogik bietet einem intergenerativen Miteinander weitreichende
Möglichkeiten. Gleichzeitig muss jedoch betont werden, dass es sich hierbei um kein starres Kon-
zept handelt, dass sich kongruent von einen Ort auf den anderen übertragen lässt. Dafür gibt es
verschiedene Gründe: Grundsätzlich geht es bei einer Zusammenführung der Generationen um die
Weitergabe praktischen Könnens älterer Menschen an Kinder. Die Kompetenzen älterer Menschen
bezüglich praktischer Fertigkeiten unterscheiden sich jedoch. Zudem unterscheiden sich die örtli-
chen Möglichkeiten der Umsetzung auf einem landwirtschaftlichen Betrieb. Hierbei wird deutlich,
dass Betriebe mit vielseitigen Betriebszweigen (und Möglichkeiten) im Fokus einer Generationen-
zusammenführung stehen müssen. Da diese eine intrinsische Beteiligung aller Handelnden erfor-
dert, sind die Erfolgsfaktoren eines intergenerativen Miteinanders immer auch von persönlichen
Interessen und Vorlieben der Beteiligten abhängig (SCHULZE, 2014 mdl. Mitt.).
Für das LebensGut Miteinander hat dieser Umstand zur Folge, dass dort Möglichkeiten für die
Akteure geschaffen werden müssen, den persönlichen Interessen nachgehen zu können. Es bedarf
also vielseitiger Angebote für Kinder und ältere Menschen, Zeit miteinander zu gestalten. Gemein-
schafsbildende Prozesse (vgl. Kap. 3.4.3), die unter Berücksichtigung der Gemeinsamkeiten junger
und älterer Menschen initiiert werden (vgl. Kap. 3.4.2), stellen hierfür Notwendigkeiten dar.
Unter diesen Voraussetzungen lassen sich zahlreiche positive Synergieeffekte zwischen den Gene-
rationen auf dem LebensGut Miteinander erzielen. Die gemeinsame Naturaffinität sowie physische
Ähnlichkeiten von Kindern und älteren Menschen können für gemeinsame Arbeitspresse innerhalb
der künftigen Gemüseproduktion der CSA nutzbar gemacht werden (vgl. Kap. 3.4.6). Wie darge-
stellt lassen gemeinsame Tätigkeiten der Generationen die Anwendung der Kompetenzen älterer
Menschen gegenüber Kindern zu (vgl. Kap. 3.4.4).
Mentale Ähnlichkeiten junger und älterer Menschen können für kulturelle Aktivitäten nutzbar ge-
macht werden. Eine „Rückbesinnung“ auf traditionelle landwirtschaftliche Feste und Traditionen,
kann fester Bestandteil des jahreszeitlichen Verlaufs auf dem LebensGut Miteinander werden. Die
55
Erzählkultur kann in diesem Zusammenhang dazu dienen, traditionelles Wissen weiter zu geben
(KOBER, mdl. Mitt. 2014).
Darüber hinaus lassen sich mentale Gemeinsamkeiten mit Hilfe gepflegter Naturelemente (Wasser-
lauf, Feuerstelle, Baumbestand) auf dem LebensGut Miteinander nutzbar machen. Diese können
Begegnungsorte der Menschen auf dem Hof werden. Diese Begegnungen führen bei Kindern wie
beschrieben zu informellen Lernprozessen (vgl. Kap. 3.4.5).
Die vorangegangenen Beispiele zeigen, dass Handlungspädagogik Möglichkeiten für Begegnungen
der Zielgruppen untereinander schaffen kann, die Ausgestaltung von Freiräumen auf dem Lebens-
Gut Miteinander obliegt jedoch den Akteuren. Hierfür ist es notwendig, dass ältere Menschen sich
auf „ihre Rolle“ einlassen, die sie als Ratgeber, Vorbild und „Raumschaffer“ gegenüber Kindern
haben können. TESCH-RÖMER & WURM (2009) bezeichnen dies als „psychische Ressource“ (16)
älterer Menschen, die sich durch eine positive Sichtweise auf das älter werden auszeichnet.
Durch die „Fehlprogrammierung“ älterer Menschen (vgl. Kap. 3.4.1) könnten Kompetenzen der
selbigen, beispielsweise handwerkliches Können und traditionelles, bäuerliches Wissen, in Zukunft
verloren gehen, da ein fehlender Bezug zu Kindern die Weitergabe ihrer Fertigkeiten ausschließt.
Die Notwendigkeit dieser Wissensweitergabe beschreibt ein EU-Projekt der Universität Marburg,
das von 2014 bis 2017 stattfindet. Hierin erfassen Wissenschaftler traditionelles Wissen der bäuer-
lichen Kultur in Europa, mit dem Ziel, dieses zum Ausbildungsgegenstand von Landwirten zu
machen. Hierbei handelt es sich vielfach um Erkenntnisse die oral von einer Generation an die
nächste weitergegeben werden (DELLMANN, 2014).
Diese Tatsache verdeutlicht, dass praktisches Wissen angewendet, und an Praktiker weitergegeben
werden muss, damit es erhalten bleibt. Der Umstand, dass es Bemühungen seitens der Wissenschaft
gibt, bäuerliches Wissen zu erhalten, unterstreicht die in Kap. 3.4.1 beschriebene Isolation der Ge-
nerationen voneinander.
Die künftige Arbeit des LebensGut Miteinander könnte positiv zu bewerten sein, denn um den
Trend des Wissensverlustes entgegen zu wirken, der gleichzeitig auch als Kulturverlust bezeichnet
werden kann, bedarf es einer Zusammenarbeit von Pflegeinstitutionen für ältere Menschen, Schu-
len und Kindergärten in einem bäuerlichen Umfeld. Hierbei besteht die Möglichkeit, dass ältere
Menschen ihr Wissen und Können als Teil des schulischen Lehrplans an Kinder weiter geben.
Dabei werden Berührungspunkte der Generationen möglich, sodass der sich Umgang untereinander
zu einer Normalität entwickeln kann (vgl. Kap. 3.4.1).
Notwendig für das LebensGut Miteinander wird künftig sein, die Rahmenbedingungen, die in die-
ser Arbeit beschrieben werden, zu schaffen, und besonders die Gemeinsamkeiten junger und älterer
Menschen im Sinne eines Miteinanders zu nutzen. Die künftige Aufgabe der Initiatoren des Pro-
jekts muss darin liegen, Motivationen für Kinder und ältere Menschen zu erschaffen, damit diese
aus sich selbst heraus ein intergeneratives Miteinander anstreben.
56
Wirkungsweise intergenerativer Arbeitsprozesse in Hinblick auf die Förderung einer wech-
selseitigen Bedürfniserfüllung
Die in der vorliegenden Arbeit erzielten Ergebnisse (vgl. Kap. 3) führten beim Verfasser zu der
Frage, ob durch intergenerative Arbeitsprozesse im Rahmen der Handlungspädagogik eine wech-
selseitige Förderung der Bedürfniserfüllung junger und älterer Menschen erzielt werden kann.
Nachstehend werden die Grundvoraussetzungen einer Generationenzusammenführung im Sinne
der Handlungspädagogik (vgl. Kap. 3.4.1 bis Kap. 3.4.6) mit den Bedürfnissen von Kindern und
älteren Menschen in Beziehung gesetzt. Hierbei wird diskutiert, ob die in Kap. 3.2.1 bis 3.2.4 dar-
gestellten Bedürfnisse von Kindern sowie die in Kap. 3.3.1 und 3.3.2 dargestellten Bedürfnisse
älterer Menschen durch intergenerative Arbeitsprozesse erfüllt werden können.
Kinder und ältere Menschen verfügen über eine Vielzahl von Bedürfnissen, von denen das Bedürf-
nis nach Bindungen in beiden Zielgruppen vorhanden ist (vgl. Kap. 3.2.1 und Kap. 3.3.1). Diesem
Bedürfnis kann durch gemeinsame Tätigkeiten im Sinne der Handlungspädagogik beiderseits ent-
sprochen werden. Weitere Gemeinsamkeiten (vgl. Kap. 3.4.2), sowie die Kompetenz der erwar-
tungslosen Haltung älterer Menschen gegenüber Kindern (vgl. Kap. 3.4.4) können als förderlich für
ein gemeinsames Miteinander bezeichnet werden. Der Aspekt der Handlungspädagogik, einen
engen persönlichen Bezug zu Mitmenschen, Tieren und Pflanzen zu erzielen, und diese Verbin-
dung zu pflegen und weiter zu entwickeln (vgl. Kap. 3.4.6), entspricht dem kindlichen Bedürfnis
nach sicheren Beziehungen (vgl. Kap. 3.2.1).
Der Aspekt der Permanenz der gemeinsamen Tätigkeiten, die dauerhaft an einen Ort gebunden sind
(vgl. Kap 3.4.6), schafft für das Kind notwendige Strukturen, innerhalb derer es sich orientieren
kann (vgl. Kap. 3.2.2). Darüber hinaus finden sich Strukturen in dem hierarchischen Gefüge ge-
meinsamer Arbeitsprozesse.
Der Aspekt der Handlungspädagogik, Arbeitsprozesse weiter zu entwickeln und zu vervollkomm-
nen wirkt förderlich auf die Erfüllung des kindlichen Bedürfnisses nach Entwicklung und Lernen
(vgl. Kap. 3.2.3). Ältere Menschen können in Arbeitsprozessen aufgrund ihrer Kompetenzen als
Vorbilder für Kinder dienen, die nachgeahmt werden können. Hierdurch wird einem weiteren Be-
dürfnis des Kindes entsprochen (vgl. Kap. 3.2.4).
Hinsichtlich des Bedürfnisses älterer Menschen nach Pflege ist eine „Mitarbeit“ von Kindern durch
eine Zusammenführung der Generationen denkbar. Der Wunsch des Kindes, anderen Menschen
helfen zu wollen (vgl. Kap. 3.2.1), spricht dafür, dass Kinder in pflegerische Prozesse gegenüber
älteren Menschen einbezogen werden können. Grundlage hierfür ist eine enge Beziehung zwischen
dem Kind und dem älteren Menschen. Im Sinne der Handlungspädagogik haben für pflegerische
Aktivitäten die gleichen Grundvoraussetzungen zu gelten, wie für gemeinsame Arbeitsprozesse
(vgl. Kap. 3.4.6). Eine intrinsische Motivation der Akteure ist folglich notwendig.
4.2 Auswahl der Betriebe und der Untersuchungsteilnehmer
Nachfolgend wird die Auswahl der Betriebe sowie der Untersuchungsteilnehmer reflektiert.
Betriebe
57
Das erste Interview fand in dem Altenheim des Adelwoeherhofes statt. Hierbei standen die Erfas-
sung der Bedürfnisse älterer Menschen sowie der Beitrag von Naturerfahrungen an der Bedürf-
niserfüllung im Vordergrund. Da auf dem LebensGut Miteinander künftig eine Tagesbetreuung für
ältere Menschen angeboten werden soll, wäre es wünschenswert gewesen, eine Datenerhebung in
einer Tagespflegeeinrichtung mit einem starken landwirtschaftlichen Bezug durchführen zu kön-
nen. Diese gibt es in Österreich gegenwärtig jedoch (noch) nicht. Ohne Vorwissen des Verfassers
dieser Arbeit kam während der Interviews mit dem Betriebsleiterehepaar Steiner zu Tage, dass der
Hof sich mehr und mehr zu einem Generationenhof entwickelt, da regelmäßig Kinder diesen aufsu-
chen, und Angebote für Kinder künftig ausgeweitet werden sollen (vgl. Kap. 2.3). Hierdurch konn-
ten wertvolle Informationen bezüglich der Generationenzusammenführung mittels Landwirtschaft
gesammelt werden, was nicht zuletzt auf die angewendete Methode der Datenerhebung zurück zu
führen ist (vgl. Kap 4.3). Im Fokus der Befragung stand die 1. Forschungsfrage der vorliegenden
Arbeit. Bedeutsam war das Gespräch mit Herrn und Frau Steiner aber hinsichtlich beider For-
schungsfragen.
Die Auswahl des Fanzlhofs sowie der PAN-Freilandschule stellten sich ebenfalls als bedeutsam
heraus. Durch die Besuche auf den Betrieben konnten Informationen erhoben werden, die einen
realistischen Bezug zur künftigen Arbeit des LebensGut Miteinander darstellen. Auch wenn sich
beide Höfe in ihrer betrieblichen Ausrichtung stark voneinander unterscheiden, lassen sie umfas-
sende Sichtweisen auf den Beitrag von Naturerfahrungen auf die kindliche Bedürfniserfüllung zu
(1. Forschungsfrage).
Die Auswahl des Hof Hauser war im Rahmen der Datenerhebung von großem Interesse, da Be-
triebsleiter Manfred Schulze den Begriff der Handlungspädagogik mitgeprägt hat (vgl. Kap. 2.1.1).
Die Grundvoraussetzungen einer Generationenzusammenführung kamen demnach „aus erster
Hand“ und schaffen hierdurch ebenfalls realistische Bezüge zur künftigen Arbeit des LebensGut
Miteinander (1. und 2. Forschungsfrage).
Untersuchungsteilnehmer
Obwohl der Adelwoeherhof wie beschrieben ein Altenheim auf dem Bauernhof ist, und die Klien-
ten folglich nicht für eine Tagesbetreuung in Frage kommen, wurden zwei Interviews mit Bewoh-
nerinnen des Hofs durchgeführt. Diese konnten jedoch aufgrund des gesundheitlichen Zustandes
der Personen nicht in die Datenanalyse einbezogen werden.
Die Sichtweisen von Petra Steiner haben sich in der vorliegenden Arbeit als besonders informativ
dargestellt. Grund hierfür sind die verschiedenen Perspektiven, aus denen sie ältere Menschen be-
trachten kann. Als ausgebildete Krankenschwestern, Heimleitung und Qualifikationen in tierge-
stützter Therapie (vgl. Kap. 2.2.3) betrachtet sie die Pflege älterer Menschen auf dem Adelwoeher-
hof aus Sicht einer Expertin, die fachlich versiert ist. Auf der anderen Seite ist sie selbst schon
Großmutter, und kann das Verhältnis zu (ihren Enkel)Kindern bezüglich einer Generationenzu-
sammenführung aus einer Perspektive betrachten, die der älterer Menschen nahe kommt. Das In-
terview mit Ehemann Johan Steiner war aufgrund seiner Erfahrungen als praktischer Landwirt der
Sozialen Landwirtschaft von Bedeutung.
58
Die drei Interviews auf dem Franzlhof stellten sich als informativ heraus. Da einerseits zwei Mütter
von Kindergartenkindern befragt wurden, andererseits die Institutionsleitung Bettina Haas, konnten
auch hier verschiedene Perspektiven der Interviewpartner erfasst werden.
Die Befragungen in der PAN-Schule haben sich ebenfalls als sehr facettenreich herausgestellt.
Durch die Befragung der Schulleiterin Frau Wagner ließ sich die Sichtweise einer Expertin erfas-
sen. Durch Interviews mit zwei ihrer Ehemaligen Schüler, die mittlerweile volljährig sind, ließ sich
eine Retrospektive der Kindheit in einer Bauernhofschule darstellen. Zudem stellt sich das Inter-
view mit Herrn Hahn als ergebnisreich heraus, da sechs seiner Kinder die Bauernhofschule besucht
haben, und er deshalb aus einem reichen Erfahrungsschatz heraus antworten konnte.
Das Interview mit Manfred Schulze war wie oben beschrieben ebenfalls von besonderer Bedeutung
für die vorliegende Arbeit.
Ersichtlich ist, dass die Befragungen der jeweiligen Institutionsleitungen im Vergleich zu den ande-
ren Interviewteilnehmern ergebnisreicher waren.
4.3 Diskussion der Erhebungs- und Analysemethode
Die in der vorliegenden Arbeit verwendete Methode der qualitativen Sozialforschung stellt ein
geeignetes Instrumente dar, die beiden Forschungsfragen zu beantworten. Leitfaden gestützte In-
terviews (vgl. Kap.2.2.2) können eine angenehme Gesprächsatmosphäre begünstigen, da die ein-
zelnen Fragen in nicht definierter Reihenfolge gestellt werden müssen. Das gezielte Nachfragen
stellte sich bei den Interviews als unverzichtbar heraus, nicht zuletzt, um auf unerwartete Situatio-
nen reagieren zu können. Dies war besonders bei den Interviews auf dem Adelwoehrerhof von
Bedeutung (vgl. Kap. 4.2). Dennoch ist an dieser Stelle anzumerken, dass eine ertragreiche Inter-
viewführung praktischer Erfahrung bedarf. So hätten sich besonders die ersten beiden Interviews
als noch informationsreicher erweisen können, wären die Pretests des Interviewleitfadens im Vor-
feld der Datenerhebung noch ausführlicher gewesen.
Als positiv erwies sich, dass neue Aspekte zum Forschungsthema, die von einem Interviewpartner
geäußert wurden, in das darauf folgende Interview einfließen konnten. Hierdurch wurden die In-
formationen der Interviewpartner immer detaillierter (vgl. Kap. 2.2.1).
Die qualitative Inhaltsanalyse nach MAYRING (2010) (vgl. Kap. 2.2.6) erwies sich als geeignet, um
die erhobenen Daten zu gliedern. Durch die offene Herangehensweise der Kategorienbildung konn-
ten große Datenmengen einzelnen Themenbereichen der Arbeit zugeordnet werden. Das Kommu-
nikationsmaterial wurde hierdurch übersichtlich, sodass Ergebnisse erzielt und dargestellt werden
konnten.
4.4 Ausblick
Bei der Erstellung der vorliegenden Arbeit kamen neue Gesichtspunkte zu Tage, die dem Verfasser
im Vorfeld unbekannt waren. Nachfolgend werden diese betrachtet und mögliche Konsequenzen
hieraus aufgeführt.
59
Aufgrund der Bedeutsamkeit von Naturerfahrungen, die im Kontext Sozialer Landwirtschaft ge-
wonnen werden können, sollten Kindergärten und Schulen einen regelmäßigen und dauerhaften
Naturbezug für Kinder gewährleisten. Zwar werden Vorgänge in der Natur im schulischen Lehr-
plan vermittelt, während die Naturwissenschaft natürliche Prozesse jedoch nur erklärt, machen
Naturerfahrungen im Kontext Sozialer Landwirtschaft diese für Kinder erfahrbar. Anlässlich der
beschriebenen Wirkungsweisen von Naturkontakten auf Kinder, sollte folglich, wo immer möglich,
eine enge Kooperation zwischen Bildungsinstitutionen und (Sozialer) Landwirtschaft stattfinden.
Dies trifft besonders auf die agrarisch geprägten ländlichen Räume zu. Hierdurch könnten positive
Synergieeffekte erzielt werden, die zum einen der Sozialen Arbeit eine neue Dimension geben, und
auf der anderen Seite betriebliche Perspektiven für Bäuerinnen und Bauern in Zeiten des agrar-
strukturellen Wandels aufweisen (LIMBRUNNER & VAN ELSEN, 2013: 18). Aufgrund gegenwärtiger
gesellschaftlicher Entwicklungen (vgl. Kap. 1) kann davon ausgegangen werden, dass der Bedarf
nach kindgerechten Erfahrungsmöglichkeiten im Rahmen Sozialen Landwirtschat das Angebot
übersteigt. Hieraus ergibt sich die Frage, warum bislang nur relativ wenig landwirtschaftliche Be-
triebe Aktivitäten der Sozialen Landwirtschaft aufgreifen? Diese Frage konnte in der vorliegenden
Arbeit nicht beantwortet werden.
Zudem kamen weitere Fragen bei der Erstellung dieser Arbeit auf. Die künftige Multifunktionalität
des LebensGut Miteinander ermöglicht wird interdisziplinäre Forschungsaktivitäten auf dem Be-
trieb ermöglichen. Denkbar ist eine künftige Zusammenarbeit der Disziplinen Ökologische Agrar-
wissenschaften und Umweltpsychologie. Hierbei könnten Fragen nachgegangen werden, die bei-
spielsweise das Lernverhalten von Kindern in einer landwirtschaftlichen Umgebung untersuchen:
Welche Rolle spielt der Lernort Landwirtschaft für das Lernverhalten von Kindern?
Haben Kinder, die einen Bauernhofkindergarten / eine Bauernhofschule besuchen,
Lernvorteile gegenüber anderen Kindern?
Darüber hinaus wäre es in Zukunft interessant, den weiteren Lebensweg der Kinder des Bauern-
hofkindergartens und der LebensGut-Schule zu betrachten, um den Einfluss landwirtschaftlicher
Erfahrungen in der Kindheit zu bewerten. Erkenntnisse hierüber könnten beispielsweise für die
Resilienzforschung von Interesse sein (vgl. Kap. 3.2.3).
Während die Bedeutung von Naturerfahrungen mittels Landwirtschaft für die kindliche Bedürf-
niserfüllung zunehmend erforscht wird, bleibt die Wichtigkeit von Naturkontakten für ältere Men-
schen in diesem Kontext von der Wissenschaft weitestgehend unberücksichtigt (vgl. Kap. 2.1.3).
Dabei könnten nähere Erkenntnisse über die Wirksamkeit eines engen Bezuges von Nutztieren auf
die Pflegebedürftigkeit älterer Menschen von großer Bedeutung für die Bewegung der Sozialen
Landwirtschaft sein. Da viele ältere Menschen einen persönlichen landwirtschaftlichen Bezug auf-
weisen, kann davon ausgegangen werden, dass die Erfahrungen, die diese als Kinder in diesem
Kontext sammeln konnten, maßgeblich dazu beitragen, dass Naturbezüge auch im hohen Alter von
dieser Personengruppe als bedeutsam angesehen werden (vgl. Kap. 2.4; vgl. Kap. 3.2.1). Bezüg-
lich der Pflege älterer Menschen im Bereich der Sozialen Landwirtschaft kann die tiergestützte
Therapie mit Nutztieren wichtige Beiträge liefern. Therapeutische Interventionen mit landwirt-
schaftlichen Nutztieren gegenüber pflegebedürftigen, älteren Menschen sind dem Verfasser dieser
Arbeit im deutschsprachigen Raum nicht bekannt.
60
Aus der Zusammenarbeit von Sozialer Landwirtschaft und der Pflegewissenschaft könnten neue,
praktische Forschungsfelder auf dem LebensGut Miteinander entstehen:
Welche Rolle spielt der biografische Bezug zur Landwirtschaft für ältere Menschen bei der
Bedürfniserfüllung durch Naturkontakte?
Wie wichtig sind Nutztiere für ältere Menschen, um Emotionen zu äußern? Welche Aus-
wirkungen bezüglich der Pflege der Person sind hierdurch zu erwarten?
Welche Nutztiere eignen sich besonders für einen tiefgreifenden Beziehungsaufbau zu älte-
ren Menschen?
Welche Anforderungen an die Tierhaltung ergeben sich durch eine Einbindung von Nutz-
tieren in pflegerische Prozesse?
Auch hinsichtlich einer Generationenzusammenführung im Sinne der Handlungspädagogik öffnen
sich neue Forschungsfelder, die bislang kaum untersucht werden konnten:
Gibt es weitere Gemeinsamkeiten zwischen jungen und älteren Menschen? Wenn ja, wel-
che?
(Wie) Können diese im Sinne eines Miteinanders nutzbar gemacht werden?
Gibt es weitere Prozesse, die gemeinschaftsbildend auf die Generationen wirken?
Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, dass durch die künftige Arbeit des LebensGut Mitei-
nander Forschungsfelder entstehen können, die es gegenwärtig noch nicht gibt. Dabei greift das
Projekt wichtige gesellschaftliche Entwicklungen auf. Das wissenschaftliche Interesse an der Ar-
beit des Vereins dürfte künftig also groß sein.
Damit das Vorhaben des Vereins auch außerhalb der Wissenschaft Unterstützung findet, ist es
notwendig, dass eine Vernetzung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen auf dem LebensGut
Miteinander angestrebt wird. Die landwirtschaftliche Umgebung sowie die Multifunktionalität des
Projekts bieten hierfür zahlreiche, praktische Möglichkeiten. Zielte sollte es sein, viele Menschen
als regelmäßige Gäste für das Projekt zu gewinnen, damit diesen die in der vorliegenden Arbeit
beschriebenen positiven Wirkungsweisen von Naturerfahrungen und intergenerativen Begegnun-
gen selbst zuteil werden können.
61
5 Zusammenfassung
In der Österreichischen Gesellschaft leben Kinder und ältere Menschen vielfach isoliert voneinan-
der. Einen Anteil hieran trägt der agrarstrukturelle Wandel. Ein Rückgang landwirtschaftlicher
Betriebe reduziert die Möglichkeiten intergenerativer Begegnungen untereinander. Hierdurch über-
nimmt Landwirtschaft immer weniger Sozialfunktionen für Kinder und ältere Menschen. Beide
Generationen stellen die Gesellschaft vor große Herausforderungen: Der demografische Wandel
führt dazu, dass die Anzahl älterer, pflegebedürftiger Personen künftig weiter zunehmen wird. Bei
Kindern ist eine Zunahme psychischer Erkrankungen fest zu stellen, wobei die Wissenschaft davon
ausgeht, dass ein geringer werdender Erfahrungsraum durch fehlende Naturbezüge hierfür mitver-
antwortlich ist. Soziale Landwirtschaft bietet das Potential, beide Entwicklungen aufzugreifen.
Eine neue Initiative Sozialer Landwirtschaft ist das LebensGut Miteinander. Der Betrieb vor den
Toren Wiens befindet sich derzeit in der Gründungsphase, und wird seine Arbeit voraussichtlich im
August 2015 aufnehmen. Auf Grundlage eines Bauernhofkindergartens, einer Bauernhofschule
sowie einer Tagesbetreuung für ältere Menschen, soll eine Zusammenführung der Generationen
erzielt werden. Den Rahmen hierfür bildet das Konzept der Handlungspädagogik.
Die vorliegende Arbeit behandelt die Frage, welchen Beitrag Naturerfahrungen, die im Kontext
Sozialer Landwirtschaft gewonnen werden können, bei der Bedürfniserfüllung von Kindern und
älteren Menschen leistet. Darüber hinaus wird untersucht, welche Grundvoraussetzungen geschaf-
fen werden müssen, damit eine Zusammenführung junger und älterer Menschen auf dem Lebens-
Gut Miteinander in Zukunft erfolgreich sein kann.
Die methodische Vorgehensweise dieser Arbeit folgt einem qualitativen Ansatz. Im Rahmen leitfa-
dengestützter Interviews wurden vier landwirtschaftliche Betriebe aufgesucht, die in der Sozialen
Landwirtschaft tätig sind. Hierbei handelt es sich um ein Altenheim auf einem Bauernhof, einem
Bauernhofkindergarten sowie einer Bauernhofschule, die sich in Österreich befinden. Zudem wur-
den Daten auf einem Betrieb in Deutschland erhoben, dessen Leiter den Begriff der Handlungspä-
dagogik mitgeprägt hat.
Die Ergebnisse zeigen dass der landwirtschaftliche Lernort angemessene Voraussetzungen für
Kinder und ältere Menschen bietet, Naturerfahrungen zu sammeln. Hierfür kommen besonders
kleinteilige Betriebe in Frage. Die beiden Zielgruppen verfügen über Bedürfnisse, deren Erfüllung
durch einen engen landwirtschaftlichen Bezug der Akteure gefördert werden kann.
Die Grundvoraussetzungen einer Zusammenführung junger und älterer Menschen im Sinne der
Handlungspädagogik liegen vor allem in der Berücksichtigung der Gemeinsamkeiten der Zielgrup-
pen. Zudem können gemeinschaftsbildende Prozesse, in denen ältere Menschen ihre Kompetenzen
gegenüber Kindern anwenden können, beispielsweise gemeinsame Arbeit, ein intergeneratives
Miteinander fördern. Eine besondere Fertigkeit älterer Menschen liegt in einer erwartungslosen
Haltung gegenüber Kindern. Hierdurch erzeugen sie Freiräume, in denen Kinder sich wohl fühlen,
sodass informelle Lernprozesse stattfinden können. Die Ausgestaltung von Freiräumen durch ge-
meinsame Tätigkeiten erfordert eine intrinsische Motivation der Handelnden. Arbeit, als ein ge-
meinschaftsbildender Prozess, kommt im Sinne der Handlungspädagogik eine besondere Bedeu-
tung bei der Ausgestaltung von Freiräumen zu.
62
6 Referenzen
ALBRECHT, S; ENGEL, A. (2009): Multifunktionalität der Landwirtschaft. Weltagrarbericht – Syn-
thesebericht, 4 – 43, Hamburg University Press, Verlag der Staats- und Universitätsbibliothek,
Carl von Ossietzki. - http://hup.sub.uni-hamburg.de/volltexte/2009/94/pdf/ Hambur-
gUP_IAASTD_Synthesebericht.pdf (Zugriff am 13.02.2014)
BRAZELTON, T. B., GREENSPAN, S. I. (2008): Die Sieben Grundbedürfnisse von Kindern – Was
jedes Kind braucht, um gesund aufzuwachsen, gut zu lernen und glücklich zu sein. - Beltz
Verlag, Weinheim und Basel, 360 S.
BRÄMER, R. (2009): Naturpsychologie – Wirkungen von Naturkontakten. - In: DEUTSCHES WAN-
DERINSTITUT E. V. (Hrsg.): Natur subjektiv – Texte zur Natur-Beziehung in der Hightech-
Welt. - http://www.wanderforschung.de/files/natwirkob1258002913.pdf (Zugriff am
11.08.2014)
DELLMANN, N. (2014): Aus Erfahrung klug - EU-Projekt mit Marburger Wissenschaftlern unter-
sucht traditionelles Wissen von Bauern über nachhaltige Landwirtschaft. - https://www.uni-
marburg.de/aktuelles/news/2014b/sagitergeografie (Zugriff am 13.09.204)
DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR GERONTOLOGIE UND GERIATRIE (DGGG). Positionspapier der
Sektion IV – Soziale Gerontologie und Altenarbeit der DGGG. - http://www.dggg-
online.de/aktuelles/pdf/201112_DGGG_Positionspapier_Druckversion.pdf (Zugriff am
16.04.2014)
DOLLASE, R. (2012): Umwelterziehung und Entwicklungspsychologie – Was brauchen Kinder
wirklich?- In: JUNG, N., MOLITOR, H., SCHILLING, A. (Hrsg.): Auf dem Weg zu gutem Leben
– Die Bedeutung der Natur für die seelische Gesundheit und Werteentwicklung. Eberswalder
Beiträge zu Bildung und Nachhaltigkeit, Band 2, Hochschule für nachhaltige Entwicklung
Eberwalde, Publikation der Deutschen Nationalbibliographie: 19-30, Opladen, Berlin &
Toronto.
DRESING, T., PEHL, T. (2013): Praxisbuch Interview, Transkription & Analyse - Anleitungen und
Regelsysteme für qualitativ Forschende. - 5. Auflage, September 2013. -
http://www.audiotranskription.de/download/praxisbuch_transkription.pdf?q=Praxisbuch-
Transkription.pdf (Zugriff am 30.06.2014)
FLICK, U. (1995): Qualitative Forschung – Theorie, Methoden, Anwendung in Psychologie und
Sozialwissenschaften. - Rowohlt Taschenbuch GmbH, 3. Auflage, 318 S.
FLICK, U., VON KARDORFF, E., STEINKE, I. (Hrsg.) (2004): Qualitative Forschung – Ein Handbuch.
- 3. Auflage, Rowohlts Enyklopädie im Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, 768 S.
FLICK, U. (2005): Qualitative Sozialforschung – Eine Einführung. - Rowohlt Taschenbuch Verlag
GmbH, 3. Auflage, 446 S.
63
FRANZ, J. (2006): Die ältere Generation als Mentorengeneration – Intergenerationelles Lernen und
intergenerationelles Engagement. - In: SCHMIDT, B. (Hrsg.): Bildungsforschung, Jahrgang 3,
Ausgabe 2. - http://www.bildungsforschung.org/index.php/bildungsforschung/article/view/36
(Zugriff am 02.02.2014)
GEBHARD, U. (2005): Naturverhältnis und Selbstverhältnis. - In: GEBAUER. M., GEBHARD, U.
(Hrsg.): Naturerfahrung – Wege zu einer Hermeneutik der Natur. Die graue Reihe 44 – Schrif-
ten zur Neuorientierung dieser Zeit. Prof. Dr. Alfred Schmid-Stiftung, Zug / Schweiz, 369 S.
Gebhard, U. (2008): Die Bedeutung von Naturerfahrungen in der Kindheit. - Beitrag erschienen in:
Kinder und Natur in der Stadt –Spielraum Natur: Ein Handbuch für Kommunalpolitik und
Planung sowie Eltern und Agenda-21-Initiativen, 27-44, BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ
(BFN) (Hrsg.). - http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/skript230.pdf (Zugriff
am 16.06.2014)
GEBHARD, U. (2009): Kind und Natur – Die Bedeutung der Natur für die psychische Entwicklung. -
VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 2009, 3. Auflage, 313 S.
GEBHARD, U. (2012): Zur Bedeutung von Naturerfahrungen für seelische Entwicklung, Wohlbefin-
den und Gesundheit. - In: JUNG, N., MOLITOR, H., SCHILLING, A. (Hrsg.): Auf dem Weg zu
gutem Leben – Die Bedeutung der Natur für die seelische Gesundheit und Werteentwicklung.
Eberswalder Beiträge zu Bildung und Nachhaltigkeit, Band 2, Hochschule für nachhaltige
Entwicklung Eberwalde, Publikation der Deutschen Nationalbibliographie: 31-42, Opladen,
Berlin & Toronto.
GREEN CARE (a) (2013). -
http://www.greencareoe.at/?+Praxisbeispiel+Adelwoehrerhof++Eine+Stationaere+Pflegeei
nrichtung+am+Bauernhof+&id=2500%2C1801658%2C%2C%2C (Zugriff am 16.09.2014).
GREEN CARE (b) (2013). -
http://www.greencareoe.at/?+Praxisbeispiel+Franzlhof++Ein+Bauernhofkindergarten+&id=2
500%2C1801656%2C%2C%2C (Zugriff am 16.09.2014)
GUTTENHÖFER, P., SCHULZE, M., HARTKEMEYER, T. (2013): Handlungspädagogik. -
http://hofpente.de/content/handlungsp%C3%A4dagogik (Zugriff am 12.05.2014)
HÜTHER, G., (2008): Das Erleben von Natur aus Sicht moderner Hirnforschung. - In: BUNDESAMT
FÜR NATURSCHUTZ (BFN) (Hrsg.): Kinder und Natur in der Stadt – Spielraum Natur: Ein
Handbuch für Kommunalpolitiker, Planer sowie Eltern der Agenda - 21 – Initiativen. 15-26,
Bonn-Bad Godesberg.
INTERESSENGEMEINSCHAFT PFLEGENDER ANGEHÖRIGER (IG PFLEGE), - http://www.ig-
pflege.at/hintergrund/datenundfakten.php (Zugriff am 12.06.2014)
KRUSE, J. (2014): Qualitative Interviewforschung – Ein integrativer Ansatz. - Beltz Juventa,
Weinheim und Basel, 711 S.
64
KUCKARTZ, U., DRESING, T., RÄDIKER, S., STEFER, C. (2007): Qualitative Evaluation – Der Ein-
stieg in die Praxis. - 1. Auflage, VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, 119 S.
KURATORIUM DEUTSCHE ALTERSHILFE (KDA) (1998): Ein Plädoyer für die Tierhaltung in Alten-
und Pflegeheimen. - www.kda.de/files/projekte/tiere/KDABroschuere.pdf (Zugriff am
10.09.2014)
LAMNEK, S. (2005): Qualitative Sozialforschung-Lehrbuch. - Beltz Verlag, Weinheim, Basel, 4.
Auflage, 808 S.
LEBENSGUT MITEINANDER E. V. (2014): Geschäftsplan 2014 – 2017.- Internes, nicht veröffent-
licht Dokument. Stand: 29.01.2014
LIMBRUNNER, A., VAN ELSEN, T. (Hrsg.) (2013): Boden unter den Füßen. Grüne Sozialarbeit
-- Soziale Landwirtschaft -- Social Farming. Beltz Juventa, Weinheim/Basel, 182 S.
LOUV, R. (2011): Das letzte Kind im Wald? – Geben wir unseren Kindern die Natur zurück! -
Beltz-Verlag, Weinheim, 360 S.
MAYRING, P. (2008): Qualitative Inhaltsanalyse – Grundlagen und Technik. - Beltz Verlag –
Weinheim und Basel, 10. Auflage, 135 S.
Meese, A. (2005): Lernen im Austausch der Generationen – Praxissondierung und theoretische
Reflektion zu Versuchen intergenerationeller Didaktik.-
http://www.diezeitschrift.de/22005/meese0501.pdf (Zugriff am 18.03.2014)
MERKENS, H. (2004): Auswahlverfahren, Sampling, Fallkonstruktion. - In: FLICK, U., VON KAR-
DORFF, E., STEINKE, I. (Hrsg.): Qualitative Forschung – Ein Handbuch. Rowohlt Taschen-
buch Verlag, 286-298, Hamburg.
MÜLLER, M. (2014): Von Haus aus dick? Wie Eltern das Gewicht ihrer Kinder beeinflussen - Nicht
nur falsche Ernährung und zu wenig Bewegung sind Ursachen für Übergewicht. Beitrag des
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). - http://www.gesundheitsforschung-
bmbf.de/de/von-haus-aus-dick.php (Zugriff am 10.09.2014)
NEUHAUSER, F. (2007): Gärten und Therapie in der Geriatrie. - In: Deutscher Verband der Ergo-
therapeuten e. V. (Hrsg.): Neue Reihe Ergotherapie, 2. erweiterte Auflage, 2010, Schulz.
Kirchner Verlag, 51-72, Idstein.
PAN-Projekt. - http://pan.at/index.php?menu=22-landbau-gaeseteam#overview (Zugriff am
16.09.2014)
PROPLANTA, INFORMATIONSZENTRUM FÜR LANDWIRTSCHAFT. - http://www.proplanta.de/Agrar-
Nachrichten/Agrarwirtschaft/Weniger-Agrarbetriebe-in-Oesterreich_article1401685925.html
(Zugriff am 12.06.2014)
RENZ-POLSTER, H., HÜTHER, G. (2013): Wie Kinder heute wachsen. Natur als Entwicklungsraum –
Ein neuer Blick auf das kindliche Lernen, Fühlen und Denken. - Beltz Verlag, Weinheim und
Basel, 263 S.
65
SCHULE AM BAUERNHOF. -
http://www.schuleambauernhof.at/?bld=&bez=&dauer=Mehrt%E4gig&vt=&mlay_id=2500&
xmlval_ID_KEY%5B0%5D=4010 (Zugriff: 07.08.2014)
SCHULZE, M. (2011): Wille, Spiel und Arbeit. Gedankenentwürfe für eine zukunftsfähige Hand-
lungspädagogik. - In: VINZENS, A. (Hrsg.): Lasst die Kinder spielen – Wie das Spiel den
Menschen bildet. Verlag Freies Geistleben, 63-127, Stuttgart.
STATISTIK AUSTRIA (a). -
http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/demographische_prognosen/bevoelke
rungsprognosen/ (Zugriff am 10.09.2014)
STATISTIK AUSTRIA (b). - http://www.statistik.at/web_de/statistiken/bevoelkerung/index.html (Zu-
griff am 12.06.2014)
TESCH- RÖMER, C., WURM, S. (2009): Theoretische Positionen zu Alter und Gesundheit. - In:
BÖHM, K., TESCH- RÖMER, C., ZIESE, T. (Hrsg.): Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung
des Bundes, 2009, Gesundheit und Krankheit im Alter. -
https://www.destatis.de/GPStatistik/servlets/MCRFileNodeServlet/DEMonografie_derivate_0
0000153/Gesundheit_und_Krankheit_im_Alter.pdf;jsessionid=756BDD3B1DEDADFFE9C2
87CA17413B89 (Zugriff: 10.03.2014)
VAN ELSEN, T., JAENICHEN, A., KALISCH, M., LIMBRUNNER, A. (2010). - Soziale Landwirtschaft
auf Biobetrieben in Deutschland – Schlussbericht. PETRARCA – Europäische Akademie für
Landschaftskultur. - http://orgprints.org/18044/1/18044-08OE223-petrarca-vanElsen-2010-
sozialeLandwirtschaft.pdf (Zugriff: 22.08.2014)
VAN ELSEN, T., AHLERS, H. (2011): Landwirtschaft als Ort therapeutischer Wirksamkeit – eine
Bewusstseinsfrage. – Seelenpflege 1: 46-52, Dornach.
VEREIN BETREUTES WOHNEN, - http://betreuteswohnen-ab.at/uber (Zugriff am 13.08.2014)
WIESINGER, G., QUENDLER, E., DI MARTINO, A., EGARTNER, S., WEBER, N., HAMBRUSCH, J.
(2013): Soziale Landwirtschaft - Situation und Potenziale einer Form der Diversifizierung
land- und forstwirtschaftlicher Betriebe in Österreich, Südtirol und Trentino. - In: BUNDES-
ANSTALT FÜR BERGBAUERNFRAGEN (Hrsg.): Forschungsbericht Nr. 66. -
www.berggebiete.eu/cm3/.../soziale.../712-fb68-potenziale-entfalten.html
WILHELMER B., WERNER, H. (2013): Belehre mich nicht, lass mich lernen! - DGVT Verlag, Tü-
bingen, 215 S.
Mündliche Mitteilungen
FÜRRÄDER, D. (26.06.2014), Mutter eines Kindergartenkindes auf dem Franzlhof (Halmenberg /
Oberösterreich: Interview.
66
HAAS, B. (26.062014), Gründerin und Leiterin des Bauernhofkindergartens Franzlhof (Halmen-
berg / Oberösterreich): Interview
HAHN, E. (27.06.2014), Ehemaliger Schüler der PAN-Freilandschule (Harmanstein / Niederöster-
reich): Interview.
HAHN, E.M. (27.06.2014), Ehemalige Schülerin der PAN-Freilandschule (Harmanstein / Nieder-
österreich): Interview.
HAHN, J. (27.06.2014), Mitbegründer des PAN-Projekts (Harmanstein / Niederösterreich): Inter-
view.
KOBER, N. (30.09.2014), Promovierter Erzählpädagoge, (Dinkelsbühl / Bayern): Telefonat.
SCHULZE, M. (16.08.2014), Betriebsleiter des Hof Hauser (Wolfhagen / Hessen): Interview.
STEINER, J. (24.06.2014), Landwirtschaftlicher Betriebsleiter des Adelwoehrerhofes (St. Oswald-
Möderbrugg / Steiermark): Interview.
STEINER, P. (24.06.2014), Leiterin des Altenheims auf dem Adelwoeherhof (St. Oswald-
Möderbrugg / Steiermark): Interview.
VOGEL, T. (2014): Allgemeinmediziner und Vorstandsmitglied des LebensGut Miteinander e. V.
(Lilienfeld / Niederösterreich): Interview.
WAGNER, I. (27.06.2014), Schulleiterin der PAN-Freilandschule (Harmanstein / Niederöster-
reich): Interview.
ZAPPE, Y. (26.06.2014), Mutter eines Kindergartenkindes auf dem Franzlhof (Halmenberg /
Oberösterreich: Interview.
67
7 Anhang
Im vorliegenden Kapitel befinden sich die Interviewleitfäden, die im Rahmen der Datenerhebung
verwendet wurden. Zudem befinden sich folgende Anhänge beim Erstbetreuer dieser Arbeit auf
CD-ROM:
Die Abschlussarbeit als *rtf-Datei
Original-Transkripte der Interviews
ppt-Präsentation der Arbeit nach erfolgter Prüfungsleistung
7.1 Anhang A
Leitfaden 1
Fragebogen – Betreuung älterer Menschen auf dem Bauernhof
Fragen zum „warm werden“:
Was gefällt Ihnen an der Landwirtschaft?
Seit wann bieten Sie Altenpflege auf dem Bauernhof an?
Motivation:
1. Bitte beschreiben Sie Ihre Motivation, die zum Aufbau der Altenpflege auf dem Hof ge-
führt hat! Welche vorausgegangenen Erfahrungen haben hierzu geführt?
2. Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrer Arbeit auf dem Hof?
Bedürfnisse:
1. Warum nehmen ältere Menschen das Betreuungsangebot auf dem Bauernhof in Anspruch?
2. Worin unterscheidet sich aus Ihrer Sicht dieses Betreuungsangebot von herkömmlichen
Pflegeangeboten?
3. Welche Bedürfnisse haben Ihre Klienten, und wie kann der Aufenthalt auf dem Hof diese
Bedürfnisse stillen?
4. Bitte beschreiben Sie, in wie weit Ihre Klienten selbst bestimmen kann, was er/sie auf dem
Hof tun bzw. nicht tun möchte. (Stichwort Selbstbestimmung)
4.1 Welche Bereiche können selbst gestaltet werden?
4.2 Wie wichtig ist es für die Person in Pflege, das diese Tätigkeiten selbst bestimmen und
gestalten kann? Warum?
5. Wie wird die Leistungsfähigkeit Ihrer Klienten durch den Aufenthalt auf dem Hof geför-
dert?
6. Bitte beurteilen Sie die soziale Teilhabe Ihrer Klienten!
6.1 Wodurch zeichnet sich diese aus? Nennen Sie ein Beispiel!
6.2 Wie wirkt diese Ihrer Meinung nach auf Ihre Klienten?
68
Zukunft:
1. Was ist wichtig, damit die Arbeit auf dem Bauernhof auch in Zukunft erfolgreich ist?
2. Was wünschen Sie älteren Menschen für die Zukunft? Welche Form des Alterns/ alt seins?
(Auch in Bezug auf sich selbst als künftig älterer Mensch.)
7.2 Anhang B
Leitfaden 2
Fragebogen Bauernhofkindergarten und Bauernhofschule
Fragen zum „warm werden“:
Was gefällt Ihnen an der Landwirtschaft?
Seit wann gibt es den Bauernhofkindergarten / die Bauernhofschule?
(Seit wann besucht Ihr Kind den Bauernhofkindergarten / die Bauernhofschule?)
Motivation:
1. Warum haben Sie den Kindergarten / die Bauernhofschule initiiert? (Warum besucht Ihr
Kind den Bauernhofkindergarten / die Bauernhofschule)
2. Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrer Arbeit an der Bauernhofschule / am Bauernhofkin-
dergarten? (Was beabsichtigen Sie mit dem Besuch Ihres Kindes in dem Bauernhofkinder-
garten / in der Bauernhofschule?)
Bedürfnisse und Naturkontakte
1. Wie wirkt sich der Kontakt zur Natur auf die Kinder / Ihr Kind aus?
1.1 Wie würde sich ein fehlender Naturbezug der Kinder Ihrer Meinung nach auf diese
auswirken?
2. Eines der Grundbedürfnisse von Kindern besteht in einem Gefühl von Sicherheit und Re-
gulation (einem reguliertem Alltag). Wie wird dieses Bedürfnis auf dem Bauernhofkinder-
garten / an der Bauernhofschule Ihrer Meinung im Alltag nach gestillt?
2.1 Welche Rolle spielen Naturkontakte dabei?
3. Welche natürlichen Strukturen gibt es Ihrer Ansicht nach durch das Eingebunden-Sein in
den jahreszeitlichen Verlauf für die Kinder / Ihr Kind? Beschreiben Sie diese bitte Anhand
konkreter Beispiele!
3.1 Welche Aktivitäten geben die Jahreszeiten vor?
4. Beschreiben Sie individuelle Erfahrungen, die Kinder / Ihr Kind durch den landwirtschaft-
lichen Bezug / durch Naturerfahrungen sammeln können!
4.1 Wie wirken diese Erfahrungen Ihrer Meinung nach auf die Kinder /auf Ihr Kind?
5. Welche Erfahrungen können die Kinder / Ihr Kind ihrem Alter entsprechend sammeln?
69
5.1 Welche Rolle spielt die Landwirtschaft / der Naturkontakt Ihrer Meinung nach hier-
bei?
6. Bitte beschreiben Sie, in welchem Maß der Bauernhofkindergarten / die Bauernhofschule
den Kindern / Ihrem Kind eine unterstützende Gemeinschaft bietet!
Zukunft
1. Was wünschen Sie den Kindern / Ihrem Kind in der Zukunft und welchen Beitrag leistet
diese Institution Ihrer Meinung nach hierfür?
1.1 Wie bewerten Sie die Arbeit Ihrer Institution / dieser Institution in Bezug auf eine si-
chere Zukunft für die Kinder / Ihr Kind?
2. Was ist wichtig, damit der Bauernhofkindergarten / die Bauernhofschule auch in Zukunft
erfolgreich ist?
7.3 Anhang C
Leitfaden 3
Fragebogen Handlungspädagogik – Manfred Schulze
Fragen zum „warm werden“:
1. Was interessiert Sie überhaupt an der Landwirtschaft? Wie kamen Sie von der Pädagogik
zur Ökologischen Landwirtschaft?
2. Welche Schnittmengen sehen Sie zwischen Pädagogik und Landwirtschaft?
Bedürfnisse Kinder:
1. Welche Bedürfnisse haben die Kinder, die hier auf dem Hof leben sind?
2. Welche Rolle spielt der landwirtschaftliche Bezug bei der Erfüllung dieser Bedürfnisse?
Bitte nennen Sie Beispiele!
3. Wie wirkt der Naturkontakt auf die Kinder? Bitte beschreiben Beispiele aus Ihrer eigenen
Erfahrung!
- Bei Lernprozessen?
- Im Umgang mit anderen Menschen?
- Bei Beispielen vertieft nachfragen! – z.B. Beziehungen zum Tier aufgreifen
4. Welche Bedeutung wird „Arbeit“ in der Handlungspädagogik beigemessen?
- Warum? Bitte beschreiben Sie Beispiele!
70
5. Welche Bedeutung hat das „sich kümmern“ um ein anderes Lebewesen im Sinne der
Handlungspädagogik?
- Warum?
- Bitte nennen Sie Beispiele!
Intergenerativ – Zusammenführung
1. Welche gemeinsamen Schnittmengen sehen Sie zwischen Kindern und älteren Menschen
(in Tagespflege) im Sinne der Handlungspädagogik?
2. Bitte beschreiben Sie Beispiele /Erfahrungen!
3. Wie können ältere Menschen im Sinne der Handlungspädagogik einbezogen werden?
Bitte beschreiben Sie Beispiele /Erfahrungen!
4. Was können ältere Menschen im Sinne der Handlungspädagogik beitragen?
Bitte beschreiben Sie Beispiele /Erfahrungen!
5. Wie kann sich dieser Beitrag ganz konkret in der Praxis gestalten?
- Können Sie dies beispielhaft an Ihrem Hof beschreiben?
6. Was kann es bedeuten, durch eine Zusammenführung der Generationen Erfahrungswissen
an jüngere Menschen weiter zu geben?
- Für das Kind (das es erhält)
- Für den älteren Menschen ( der dieses vermittelt)
Bitte nennen Sie Beispiele
7. Welche Vorteile/positiver Nutzen ergeben/ergibt sich daraus für Kinder?
- Nutzen für ältere Menschen?
- Welche positiven Synergieeffekte sind möglich?
8. Welche Voraussetzungen sind Ihrer Ansicht nach notwendig, damit eine Zusammenfüh-
rung von Kindern und älteren Menschen im Sinne der Handlungspädagogik erfolgreich
sein kann?
9. Was haben Kinder und ältere Menschen gemeinsam, und wie können diese Gemeinsam-
keiten genutzt werden?
- Bitte nennen Sie Beispiele!
10. Gibt es Bedürfnisse die Kinder haben, die auch zu den Bedürfnissen älterer Menschen pas-
sen, diesen entsprechen? (z.B. liebevolle Beziehungen - Kinder-, und Liebe geben – ältere
Menschen)
Stichwort: Tiere, Natur, Phantasiewelten
Bitte beschreiben Sie diese!
71
Danksagung
Ich möchte den Menschen danken, die mich bei der Erstellung dieser Arbeit unterstützt haben. Dies
gilt vor allem für meine Eltern. Ich danke euch dafür, dass ihr mir meinen Lebensweg bis zu die-
sem Augenblick ermöglicht habt.
Außerdem möchte ich mich bei meinen Interviewpartnern bedanken. Ich zolle Ihrer aller Arbeit
meinen Respekt, und hatte in vielen Gesprächssituationen das Gefühl, authentische Menschen vor
mir zu haben.
Ich bin dankbar für den sozialen Reichtum, den ihr, meine Freunde, mir schenkt. Ich müsste Worte
neu erfinden, um euch zu beschreiben!
Ich danke der gefleckten Eidechse und der leisen Springerin. Ihr, und alle, die mit euch sind, habt
geweckt, was tief in mir schlief.
72
Erklärung
Ich versichere hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst, ganz oder in Teilen
noch nicht als Prüfungsleistung vorgelegt und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel Be-
nutzt habe. Sämtliche Stellen der Arbeit, die benutzten Quellen im Wortlaut oder dem Sinn nach
entnommen sind, habe ich durch Quellenangaben kenntlich gemacht. Ich erkläre mein Einver-
ständnis zur Überprüfung der von mir eingereichten Arbeit auf Plagiate durch eine Anti-
Plagiatsoftware. Zu diesem Zweck stelle ich eine anonymisierte elektronische Form des Doku-
ments in gängigem Format zur Verfügung.
Witzenhausen, 02.10.2014 _________________________________
(Unterschrift)