Überprüfung einer frühen anwendung der kombinatorik in der logik

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Überprüfung Einer Frühen Anwendung Der Kombinatorik in Der Logik Author(s): Kurt-R. Biermann and Jürgen Mau Source: The Journal of Symbolic Logic, Vol. 23, No. 2 (Jun., 1958), pp. 129-132 Published by: Association for Symbolic Logic Stable URL: http://www.jstor.org/stable/2964390 . Accessed: 20/06/2014 16:16 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Association for Symbolic Logic is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to The Journal of Symbolic Logic. http://www.jstor.org This content downloaded from 185.44.78.113 on Fri, 20 Jun 2014 16:16:57 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

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Page 1: Überprüfung Einer Frühen Anwendung Der Kombinatorik in Der Logik

Überprüfung Einer Frühen Anwendung Der Kombinatorik in Der LogikAuthor(s): Kurt-R. Biermann and Jürgen MauSource: The Journal of Symbolic Logic, Vol. 23, No. 2 (Jun., 1958), pp. 129-132Published by: Association for Symbolic LogicStable URL: http://www.jstor.org/stable/2964390 .

Accessed: 20/06/2014 16:16

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Page 2: Überprüfung Einer Frühen Anwendung Der Kombinatorik in Der Logik

THE JOURNAL OF SYMBOLIC LOGIC Volume 23, Number 2, June 1958

(YBERPRtYFUNG EINER FRtYHEN ANWENDUNG DER KOMBINATORIK IN DER LOGIK

KURT-R. BIERMANN und JURGEN MAU

Plutarch berichtet, Chrysipp habe gesagt, "daB die Konjunktionen aus 10 Aussagen zahlenmaBig 1.000.000 ubertreffen, ohne daB er das zuvor selbst genau untersucht hat oder von Fachleuten die Wahrheit erkundet hat .... Den Chrysipp widerlegen alle Arithmetiker, unter ihnen Hipparch, der beweist, daB ihm (Chrysipp) ein sehr groBer Rechenfehler unterlaufen tst insofern, als namlich das Bejahende 103.049 Konjunktionen ausmache, das Verneinende 310.952."'

Ohne Zweifel liegt hier eine der friuhesten uns bekan-nten Aufgaben aus dem Gebiete der Kombinatorik, - neben der Berechnung der Zahl der Silben durch Xenokrates, die sich aus der Zusammenstellung von Buch- staben ergeben2 -, vor. AuBerdem handelt es sich um die erste Anwendung der Kombinatorik in der Logik, bei der Werte auftreten, die nicht durch einfaches Abzahlen gewonnen sein. k6nnen.

Es ist bisher weder eine befriedigende Deutung der von Plutarch ge- gebenen Zahlenwerte3 noch, von der Interpretation ausgehend, eine Wieder- herstellung der von den Alten benutzten Formeln gelungen.

Es soll nun eine tYberpriffung von Plutarchs Angaben vorgenommen werden, wobei, da wir uiber den Weg, den Chrysipp und Hipparch selbst bei der Berechnung beschritten haben, nicht unterrichtet sind, die von den Klassikern der Kombinatorik entwickelten Methoden benutzt werden und von folgenden Voraussetzungen ausgegangen wird: 1.) Unter Konjunktion von Aussagen (avjAoxq) aidstcoyudwov) verstehen wir

das logische Produkt von Aussagen. Symbolisch: Kpq (nach Lukasiewicz) p.q (nach Peano-Russell).

Received December 30, 1957. 1 De Stoicorum repugnantiis 29, 1047 c d. An anderer Stelle (Quaestiones convivales VIII 9, 732 f) sagt Plutarch, Hipparch

habe, den Chrysipp widerlegend, bewiesen, "daB das Bejahende 101.049, das Ver- neinende o-(?) 310.952 Konjunktionen umfasse".

2 Xenokrates' Aussage (Plutarch, Quaestiones convivales, a.a.O.) uiber die Anzahl der Silben, die man aus den Buchstaben des (griechischen) Alphabets bilden konne, soll hier nicht nachgepruft werden.

3 Rasmus, Schulprogramm, Brandenburg, 1880, S. 9, gibt fur die Bejahenden als richtige Zahl 3.628.800 an, also 10!, d.i. die Anzahl der Permutationen aus 10 Ele-

menten - eine Interpretation, die offensichtlich dem Text nicht gerecht wird. Bezug- lich der Verneinenden bemerkt R. lediglich "videant aii". - Auch in den bekannten Werken zur Mathematikgeschichte (M. Cantor, J. Tropfke, S. Gunther a.u.) finden

sich keine befriedigenden bzw. uberhaupt nur tiefergehenden Untersuchungen des Problems.

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Page 3: Überprüfung Einer Frühen Anwendung Der Kombinatorik in Der Logik

130 KURT-R. BIERMANN und j. MAu

Die stoische Definition durch Wahrheitswerte ist zu entnehmen z.B. aus Sextus Empiricus Adversus mathematicos VIII 125.4

2.) Wir verstehen unter dem "Bejahenden" die Menge aller Aussagen- konjunktionen, die keinen Widerspruch enthalten5 und unter dem "Verneinenden" die aller ubrigen Aussagenkonjunktionen.

3.) Die Zahlen sind richtig uberliefert. Diese Annahme wird durch die bis auf die genannte Differenz6 ubereinstimmende Doppeliberlieferung gestiitzt. Der Kontext des Zitates aus den Quaest. conv. fordert eine Uberw~1tigende tGberzahl der Falsch - bzw. Nein-Falle. Das ergibt: Solite wirklich eine alte Korruptel vorliegen, dann miiften Plutarchs Zahlen den von uns gefundenen naher kommen, als die uberlieferten.

Auf Grund des unter 2.) Gesagten formulieren wir die Aufgabe wie folgt:

Gegeben sind n Elemente, die aus 2 Elementenpaaren bestehen. Jedes

Elementenpaar stellt eine Aussage und deren Negation dar. Im vorliegenden n

speziellen Falle ist n = 20 und - = 10. 2

Die Elemente seien wie folgt bezeichnet:

p, p, q,? q. r, r-, s, s, t,? , , u, v, ft. V.? w, W.? Ox, y, y.

Gesucht wird die Anzahl derjenigen Kombinationen zu allen Klassen c (ohne Wiederholung), die keine Elementenpaare, also keine Widerspriiche, enthalten. Die Kombination zur 4. Klasse p, q, w, y ist z.B. eine solche; wahrend hingegen beispielsweise die Kombination zur 6. Klasse r, t, f, w, wv, x nicht gezdhlt wird, da in ihr das Elementenpaar w, CO, also Aussage und Negation, d.h. ein Widerspruch, auftritt.

Wenn die Bedingung, daB keine Kombinationen mit einem oder mehreren Elementenpaaren mitgezahlt werden sollen, zunachst unberiicksichtigt bleibt, so ist die Anzahl aller Kombinationen ohne Wiederholung zu allen Klassen :7

4Siehe B. Mates, Stoic logic, Berkeley 1953, S. 54. 5 Damit soll nicht gesagt sein, Chrysipp habe Verneinung mit Falschheit verwech-

selt. Nimmt man das Bejahende im streng logischen Sinne, dann wird unsere Nach- richt sinnlos, weil jede wie auch inner zusammengesetzte Aussage bejaht und verneint werden kann, die Zahl des Verneinenden also gleich der des Bejahenden sein musste und ein Kalkul daruber gegenstandslos ware. Darin, dass eine beliebige Konjunktion variabler Aussagen, die einen oder mehrere Widerspruche enthalt, dann und nur dann mit dem Anspruch auf Wahrheit behauptet werden kann, wenn man sie verneint aussagt, sehen wir die enge Verwandtschaft zwischen Negation und Falschheit bzw. Widerspruchlichkeit, die in Plutarchs stark komprimiertem Text fast als Identitit erscheint.

6 Vom letzten Herausgeber (Hubert, Leipzig 1938) wird diese Differenz durch Angleichung von Quaestiones convivales an De Stoicorum repugnantiis ge- waltsam beseitigt.

7 Jakob Bernoulli, Ars conjectandi, ed. unter Mitwirkung von Niklaus (I) Ber- noulli, Basel 1713, S. 85 und S. 121.

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Page 4: Überprüfung Einer Frühen Anwendung Der Kombinatorik in Der Logik

EINE FRUHE ANWENDUNG DER KOMBINATORIK IN DER LOGIK 131

K1 -~(n = 2~.

Fur n = 20 und c = 0, 1, 2, ..., 20 ist die Anzahl der moglichen Falle

K1 = (20)= 220 = 1.048.576.

Von diesen kommen in Betracht: n

K2 a ( ) denn in jeder beliebigen Kombination zu einer C=O c

KMasse, fur die c > - ist, muB notwendigerweise mindestens ein Elemen- 2

tenpaar enthalten sein. 10 '20\

Fur n = 20 und c = 0, 1, 2, ..., 10 ist K2= ( = 616.666.

Um festzustellen, welche der 616.666 Kombinationen der gestellten Be- dingung genugen, wenden wir ein Verfahren an, das dem von G. W. Leibniz bei der Behandlung einer fhnlichen Frage der Kombinatorik benutzten entspricht 8, und finden:

Die Anzahl der Kombinationen zu einer beliebigen KMasse, in denen kein Elementenpaar auftritt, ist

K [(m + c-2) + (m + c 2) 2c;

n /~~~~~~~~ /

dam= 2-c + 1, wird K= n/2 ) +? /2 2 = 2c.

n Fur die in Betracht kommenden Klassen c ?- ergibt sich insgesamt

2 n

K3 I - l 2c.

Fur- 10, c= 0, 1, 2,..., 10 ist 2

K3 = ( ) 2c (1 + 2)1O 59.049.

SchluBfolgerungen: Es konnten keine Zahlenwerte gefunden werden, die mit den laut Plutarch

von Hipparch berechneten ubereinstimmen. Als Vermutung mag ausge- sprochen werden, daB K1 = 1.048.576 moglicherweise die Zahl ist, die

8 Vgl. Kurt-R. Biermann, Uber die Untersuchung einer speziellen Frage der Kom- binatorik durch G. W. Leibniz, Forschungen und Fortschritte, 28, 1954, S. 357-361.

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Page 5: Überprüfung Einer Frühen Anwendung Der Kombinatorik in Der Logik

132 RKURT-R. BIERMANN und j. MAU

Chrysipp im Sinn hatte, als er erklarte, die Konjunktionen aus 10 Aussagen uiberschritten 1.000.000; Beweise dafuir fehlen.

Aufffllig bleibt, daB wir fur K3 = 59 o49 fanden, wdhrend Hipparch 1o1 049 (bzw. 103 o49) berechnet hat9.

Fur K - K3 = K4 errechnen wir 989 527; Hipparch indessen 310 952 (wenn wir die genannte Differenz als die "Anzahl der Konjunktionen, die das Verneinende umfaBt," deuten) - freilich eine rein zuf1llige tVberein- stimmung.

Es gelang nicht, den Weg zu finden, auf dem Hipparch zu seinen Zahlen gekommen ist. Sollte die vorliegende Studie eine Arbeit anregen, die zur Rekonstruktion der antiken kombinatorischen Methoden fuihrt, ware ihr Zweck erreicht.

BERLIN

9 Wenn allerdings von c = 1, statt von c = 0 ausgegangen wird, wird K3 310 - 1 59.048, und auch diese Ybereinstimmung geht verloren.

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