Über sensibilitätsstörungen nach verletzungen der großhirnrinde

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Uber SensibilitKtsst~rungen nach Verletzungen der Gro~hirnrinde. Von Dr. Hermann Krueger (Buch). Mit 45 Textfiguren. (Eingegangen am 24. November 1915.) StSrungen der Sensibiliti~t nach Verletzungen und Erkrankungen des Gehirns, besonders solchen der Grol~hirnrinde, sind in den letzten Jahren haufiger beschrieben worden, und mit der Sammlung derartiger F~lle ist das Dunkel, das fiber der Bahn der sensiblen Fasern, das vor allem fiber der eorticalen Representation der Sensibilit~t im Gegen- satz zu der Sti~tte der willktirlichen motorischen Erregungen lagerte, mehr und mehr gelichtet. Doeh sind unsere Kenntnisse immerhin recht lfiekenhafte geblieben. Noch im vorigen Jahre schreibt v. Mo- nakowl): ,,Reine stabile Falle (von corticalen Herden), d.h. solche, bei denen der Defekt in sonst gesunden Gehirnen ziemlieh genau auf die Rinde der beiden Zentralwindungen besehrimkt war (ohne jede Beteiligung der Nachbarsehaft, des Marklagers und der subcorticalen Zentren), sind bis jetzt noch nicht geschildert worden und werden wohl beim Menschen wenigstens stets eine ideale Forderung bleiben." Der Krieg hat in dieser Hinsicht unsere Kenntnisse erweitert. Er hat uns eine Gruppe yon SchuBverletzungen des Kopfes gebracht, die der experimentellen Hirnrindenli~sion bis zu einem gewissen Grade an die Seite gestellt werden kSnnen, die jedenfalls der Forderung der Be- schri~nkung auf die Hirnrinde entspreehen; es sind das die Sehi~del- streifschfisse, die wir an den verschiedensten Stellen in verschiedenster Tiefe zu sehen Gelegenheit haben. Es seheint, als ob die Region des Sehi~dels, die fiir die Frage nach der eorticalen Representation der Sensibilit~t besonders wichtig ist, die Zentroparietalgegend, infolge ihrer Lage auf dem Mittelkopf derartigen Streifschul~verletzungen besonders oft ausgesetzt sei. Bei diesen Streifschfissen ist die Stelle der Rindenl~sion aus der Lage und der Ausdehnung der Sch~del- impression bzw. des Sch~deldefektes mit ziemlieher Sicherheit abzu- leiten. Eine ganz genaue Bestimmung ist allerdings nicht mSglich, 1) Die Lokalisation im GroBhirn und der Abbau der Funktion durch corti- cale tIerde. 1914.

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Uber SensibilitKtsst~rungen nach Verletzungen der Gro~hirnrinde.

Von Dr. Hermann Krueger (Buch).

Mit 45 Text f iguren .

(Eingegangen am 24. November 1915.)

StSrungen der Sensibiliti~t nach Verletzungen und Erkrankungen des Gehirns, besonders solchen der Grol~hirnrinde, sind in den letzten Jahren haufiger beschrieben worden, und mit der Sammlung derartiger F~lle ist das Dunkel, das fiber der Bahn der sensiblen Fasern, das vor allem fiber der eorticalen Representation der Sensibilit~t im Gegen- satz zu der Sti~tte der willktirlichen motorischen Erregungen lagerte, mehr und mehr gelichtet. Doeh sind unsere Kenntnisse immerhin recht lfiekenhafte geblieben. Noch im vorigen Jahre schreibt v. Mo- nakowl) : ,,Reine stabile Falle (von corticalen Herden), d.h. solche, bei denen der Defekt in sonst gesunden Gehirnen ziemlieh genau auf die Rinde der beiden Zentralwindungen besehrimkt war (ohne jede Beteiligung der Nachbarsehaft, des Marklagers und der subcorticalen Zentren), sind bis jetzt noch nicht geschildert worden und werden wohl beim Menschen wenigstens stets eine ideale Forderung bleiben." Der Krieg hat in dieser Hinsicht unsere Kenntnisse erweitert. Er hat uns eine Gruppe yon SchuBverletzungen des Kopfes gebracht, die der experimentellen Hirnrindenli~sion bis zu einem gewissen Grade an die Seite gestellt werden kSnnen, die jedenfalls der Forderung der Be- schri~nkung auf die Hirnrinde entspreehen; es sind das die Sehi~del- streifschfisse, die wir an den verschiedensten Stellen in verschiedenster Tiefe zu sehen Gelegenheit haben. Es seheint, als ob die Region des Sehi~dels, die fiir die Frage nach der eorticalen Representation der Sensibilit~t besonders wichtig ist, die Zentroparietalgegend, infolge ihrer Lage auf dem Mittelkopf derartigen Streifschul~verletzungen besonders oft ausgesetzt sei. Bei diesen Streifschfissen ist die Stelle der Rindenl~sion aus der Lage und der Ausdehnung der Sch~del- impression bzw. des Sch~deldefektes mit ziemlieher Sicherheit abzu- leiten. Eine ganz genaue Bestimmung ist allerdings nicht mSglich,

1) Die Lokalisation im GroBhirn und der Abbau der Funktion durch corti- cale tIerde. 1914.

H. Krueger: SensibilitiitsstCirungen nach Verletzungen der Grol~hirnrinde. 75

da die Hirnrindenverletzung infolge gr6Berer Zersplitterung der Tabula vitrea der Sch~delknochen fiber das Gebiet der Zerst6rung der Tabula extema hinaus, die ja die Regel bildet, einen grSBeren Umfang haben kann, als es naeh der i~uBeren Schi~delverletzung der Fall scheint. Immerhin geben die i~uBerlieh ffihlbaren Knochendefekte einen guten Hinweis auf die GrSl~e der Rindenli~sion, die zum mindesten ebenso ausgedehnt wie die erstere ist. DaB daneben die angrenzenden Hirn- teile auch sekundi~r (dutch vasculi~re usw. Veri~nderungen) in Mit- leidensehaft gezogen werden kSnnen, ist selbstversti~ndlich.

t?ber den Ort, an dem die sensiblen Bahnen in der Hirnrinde en- digen, wird gestritten. E x n e r , D e j c r i n e und L o n g , H e n s e h e n , F l e e h s i g , H o r s l e y , S c h a f f e r , besonders H i t z i g und M u n k neh- men an, daI~ die sensiblen Bahnen zusammen mit den motorischen und mit ihnen vermischt im R o l a n do schen Gebiete endigen. M u n k 1) hMt das letztere f fir eine nach KSrperabschnitten gesonderte senso- motorische Zone, in welcher die Ursprungssti~tten der motorischen Neurone inmitten der Endigungen der sensiblen Bahnen, in der soge- nannten ,,KSrperffihlsphi~re" (,,sensitivo-motorisehe Zone" nach D e - j e r i n e und Long ) liegen. Dabei sehreibt er jedem KSrperabschnitte eine fiber beide Zentralwindungen sich ausbreitende gemeinsame Re- gion zu, die durch den Sulcus eentralis unterbrochen wird. H o r s l e y t r i t t ffir die besondere Bedeutung der vorderen Zentralwindung ffir die Tiefensensibilit~t, vor allem aber ffir die Schmerzempfindung ein.

Im Gegensatz zu dieser Ansieht steht die Meinung derer, die die motorisehen Funktionen ausschlieBlich oder fast ausschlieBlich an die vordere Zentralwindung und die Zentralfurche, die sensiblen dagegen an die hintere Zentralwindung, teilweise auch an die dieser anliegenden P~rtien des Scheitellappens geknfipft glauben, eine Ansicht, die sehon C h a r e o t und P i t r e s , F e r r i e r vertraten, die neuerdings besonders von O p p e n h e i m , O. V o g t , B r o d m a n n , B r u n s , Mil ls , v. M o n a - k o w 2) vertreten wird. Die genannten Autoren nehmen dabei ftir die Motiliti~t und die Sensibilit~t korrespondierende Zonen ftir den Kopf, die obere und untere Extremiti~t an. Etwas abweichend ist die An- sieht R e d l i c h s , der das Parietalhirn als Zentrum ffir die Hautsensi- biliti~t in Anspruch nimmt, die Bahnen ffir den Muskelsinn aber zur vorderen Zentralwindung gelangen li~Bt. P r o b s t und H S s e l wieder bestreiten, da~ aueh das obere Seheitelli~ppchen Endigungen der sen-

1) Uber die Fiihlsph~ren der Grol3hirnrinde. Mitteilungen 1892, 93, 94, 95, 96. ~) v. Monakow glaubt daneben, da~ die ,,unbewul3te" Tiefensensibilit~t, die

,,unteilbare Verarbeitung des gliedkinetisehen, dem BewuI3tsein im Prinzip ent- zogenen Eindrucks" an die vordere Zentralwindung gebunden sei, w~hrend die protopathische Sensibilit~t fiber einen groBen Abschnitt der Hirnrinde, vielleieht den ganzen Cortex verbreitet sei.

76 H. Krueger:

siblen Bahnen umfasse; sie halten nur die hintere Zentralwindung, z. T. auch noch die vordere ffir die corticale sensible Zone. DaB sen- sibles und motorisehes Rindenfetd da, wo sie zusammenstoSen, bis zu einem gewissen Grade ineinander fibergreifen, wird yon den meisten Autoren anerkannt. Gegen die vSllige Ubereinstimmung des moto- rischen und sensiblen Rindenfeldes, besonders gegen die Theorie M u n ks wenden Charco t und P i t r e s 1) ein, dab man in 2/a aller Li~hmungs- f~lle corticalen Ursprungs StSrungen der Sensibilit~t vermisse, in einem weiteren Teile nur solche ~uBerst fliichtiger Natur, die sich selten mit den motorischen AusfMlen deckten, finde. Auch die Lebre yon der Abh~ngigkeit der motorisehen StSrungen yon St6rm~gen des Muskel- geffihls, der taktilen Sensibiliti~t oder kin~sthetischen StSrungen weisen sie zurfick. Entsprechend fand S chi~fer in 66% der F~lle mit Zer- st6rungen der vorderen Zentralwindung Fehlen jeglicher sensibler Ausfallserscheinungen. Mills, Keen , Spi l le r beobachteten bei vSl- ligem Defekt der vorderen Zentralwindung keine St6rung der Sensi- biliti~t, auch nicht der Stereognosie. H o r s l e y , K r a u s e berichten fiber F~lle, in denen naeh opera~iver L~,sion der vorderen Zentral- windung Sensibilit~tsst6rungen nut anfangs vortibergehend auftraten; aueh v. M o n a k ow erwi~hnt einen derartigen Fall. Angeschlossen seien die Beobaehtungen, die bei der amyotrophischen Lateralsklerose auf die vordere Zentralwindung besehri~nkten Zellenschwund und Faser- atrophic feststellten, wi~hrend der Gyrus posteentralis wenig oder gar nicht betroffen war (Campbel l , M o n t a n a r o , Ross i -Roussy) . Die gegenteiligen Beobaehtungen, in denen die Gefiihlsqualiti~ten in mannigfacher Ausdehnung und Kombination neben den motorischen bei Li~sionen des Gyrus praecentralis beeintri~ehtigt waren, glaubt v. Monakow entweder durch die Diaschisis, oder abet dutch die An- nahme welter greifender St6rungen infolge vaseuti~rer Schi~digungen der anliegenden Gehirnteile und dergleichen erktaren zu k6rmen.

Auf der anderen Seite sind sichere Fi~lle beobachtet worden, in denen bei ZerstSrung des Gyrus eentralis posterior und der benaeh- barten Teile des Seheitellappens keine Lahmungen naehzuweisen waren, wi~hrend Sensibiliti~tsstSrungen die regelmi~Bigen Ausfallserseheinungen naeh Lasionen dieser Gehirnabsehnitte bilden, v. S t au f fenbe rg3) konnte bis 1908 13 Fi~lle yon reiner Hemiani~sthesie in der Literatur auffinden, yon denen 8 autoptiseh gesiehert waren, davon 2 durch Haubenherde, 2 durch Thalamuserkrankungen und 4 durch Parietal- li~sionen bedingt waren; den letzteren ftigt er einen eigenen nicht ganz reinen Fall hinzu.

683.

1) Sur quelques points controvers6s de la doctrine des localisations c6r6brales. a) Zwci Fi~lle yon Hemiani~sthesie ohne MotilitatsstSrung. Archly f. Psych. 45,

(Jber Sensibilitiitsst(irungen nach Verletzungen der Grol~hirnrinde. 77

DaB der Scheitellappen der Sitz der Beriihrungs- und Druck- empfindung sei, konnten M u n k and S c hif f experimentell an Hunden und Affen feststellen, Dessoir wies dasselbe fiir das Temperatur- gefiihl nach. Cush ing reizte bei einer bei BewuStsein befindliehen Kranken die kintere Zentralwindung mechanisch und elektrisch und land dabei, daB die Versuchsperson w~hrend des Reizes sensible Sen- sationen in der gegentiberliegenden Hand verspfirte, die auf Reizung der gleichen Gegend der vorderen Zentralwindung fehlten. Zu ~hn- lichen Resultaten kam v. Va lkenbu rg . Von besonderer Bedeutung fiir die Frage ist der Fall HSselsl) , in dem ein porencephalitischer Defekt, der die hintere Zentralwindung, die Zentralfurche und einen Tell des Markes unter der vorderen Zentralwindung und dem oberen Scheitell~ppchen umfaBte, neben einer Degeneration der motorischen Bahnen haupts~ehlieh eine hochgradige Atrophie der andersseitigen Hinterstrangskerne, der oberen Pyramidenkreuzung, der gleichseitigen Schleife und des andersseitigen sensiblen Trigeminuskernes nach sich gezogen hatte. ,,Aus diesem Verhalten last sich der wichtige SchluB ziehen, dab zwischen den Zentralwindungen der linken Seite und dem sensiblen Trigeminuskern der rechten Seite vermittels der Schleife eine Verbindung existieren muS, die den zentralen Verlauf bestimmter Trigeminusfasern repri~sentiert." D a r k s c h e wit s c h 2) fand als patho- logisch-anatomisches Substrat eines Falles von Monoplegia braehialis mit starker tterabsetzung aller sensiblen Qualiti~ten einen Tuberkel im Centrum semiovale der linken Hemisphi~re im Gebiet des mittleren Teiles der hinteren Zentralwindung auf die vordere Zentralwindung tiber- greifend. Auch des Paralytikers L i s saue r s ist hier zu gedenken, der kliniseh neben den paralytischen Symptomen eine unvollsti~ndige sensible Li~hmung der rechten Hand bot, und bei dem die schichtenfSrmige Zelldegeneration der Hirnrinde am deutlichsten in einem Teile der hinteren Zentralwindung und des angrenzenden Scheitellappens war.

Fi~lle yon ausgedehnter Zerst6rung des Gyrus postcentralis ohne Schi~digung der Sensibilit~t sind in der Literatur nicht beschrieben, dagegen konnten mehrmals bei kleineren herdfSrmigen L~sionen dieser Region sichere Sensibilit~tsstSrungen nicht nachgewiesen werden. Ob, wie v. M o n a k o w meint, jedem KSrperabschnitt neben einer engeren Repr~sentationszone auch in den tibrigen Rindenbezirken des Gyrus centralis posterior und dartiber hinaus eine allgemeine Vertretung, direkt oder indirekt, zukommt, ist gewiB sehr zweifelhaft. Viel wahr- seheinlieher ist, daB, wie yon anderen betont wird, sich die sensiblen

1) Die Zentralwindungen ein Zentralorgan der Hinterstr~nge und des Trige- minus. Archiv f. Psych. ~4, 452.

2) Zur Frage yon den Sensibilit~tsstSrungen bei Herderkrankungen des Ge- hirns. Neurol. Centralbl. 1890, S. 714.

78 H. Krueger:

Rindenbezirke ftir die einzelnen Gliedabschnitte gegenseitig in sti~r- kerem Grade tiberlagern und so kleinere Rindenherde keine nachweis- baren GeffihlsstSrungen bedingen oder nur vortibergehend zu sensiblen Ausf~llen ffihren.

Eine Reihe von Forschern hat versucht, die als sensibles Rinden- feld erkannte Centroparietalgegend weiter zu zerlegen und den einen oder anderen Abschnitt mit bestimmten Geffihlsqualiti~ten in ni~heren Zusammenhang zu bringen. Besonders zahlreich in dieser Beziehung sind die Beobaehtungen, naeh denen der Muskelsinn und die 'Emp- findung yon Lage and Bewegung der Gliedmal~en von den hintersten Partien der Centroparietalregion abhi~ngig sind. So bringt N o t h n a g e l die Lageempfindung mit dem Gyrus supramarginalis in Verbindung (s. aber auch die gegenteilige, oben skizzierte Ansicht Red l i chs ) . S t a r r und Mac Cosh fanden naeh einem operativen Eingriff am Gyrus supramarginalis eine isolierte StSrung des Muskelsinnes im rechten Arm. G r i s s o n und S ~ n g e r konnten andererseits in einem Falle, in dem sieh eine Cyste in der linken hinteren Zentralwindung, ohne auf den Seheitellappen tiberzugreifen, land, klinisch eine Sensibiliti~tsstSrung der rechten oberen Extremiti~t nachweisen, die das Lagegeffihl und das stereognostische VermSgen frei lie~, F r a n k 1) nimmt die vor- deren Partien der Scheitelwindungen ftir die Perzeption der differen- zierten Tiefenempfindung in Anspruch, wi~hrend er das Zentrum ftir die cutane Sensibiliti~t in der hinteren Zentralwindung vermutet. Nach v. M o n a k o w stSrt eine tiefe Li~sion des Gyrus centralis posterior und des anschliel3enden Parietallappens den Ortssinn, die tiefe und die Hautsensibiliti~t. Je mehr der Herd der vorderen Zentralfurehe sich ni~hert, wird die Oberfli~chensensibiliti~t, je mehr er sich davon nach hinten entfernt, der Muskelsinn getroffen; letzterer ist beim Sitz der L~sion im Gyrus supramarginalis bisweilen allein geschi~digt. Abweichend von diesen Untersuchern glaubt H o p p e die corticale Vertretung der Temperaturempfindung und des Schmerzgefiihls am weitesten naeh hinten, d .h . in dem vordersten Teil des Scheitellappens suehen zu miissen. B o n h S f f e r 2) nimmt an, da~ die Lage- und Bewegungs- empfindung naher an die Sphi~re der Zentralwindungen gebunden sei als die Bertihrungsempfindung.

Die StSrungen des stereognostischen Sinnes wurden von W e r n i e ke und anderen in die hintere Zentralwindung in HShe der Armregion lokalisiert. 0 p p e n h ei m glaubt sie durch Li~sionen des Scheitellappens hervorgerufen. Lie p m a n n nimmt ftir seine perzeptive Tastli~hmung

1) Ober die l~epr~sentation der Sensibilit~t in der Hirnrinde. Zeitschr. f. iNervenheilk. 39, 193.

3) Uber das Verhalten der Sensibiliti~t bei Hirnrindenli~sionen. Zeitschr. f. Nervenheilk. ~6, 57.

Uber Sensibilit~ttssttirungen nach Verletzungen der Grol~hirnrinde. 79

die hintere Zentralwindung, ffir die assoziative den Scheitellappen in Anspruch. V o g t lokalisiert die grobe Stereognosie in der hinteren Zentralwindung, die feinere im Scheitellappen. Demgegentiber spricht D e j e ri n e dem stereognostischen Sinne jede lokalisatorische Bedeu- tung ab; man finder nach ihm bei Tastli~hmung stets mehr oder minder ausgesprochene StSrungen der fibrigen Sensibiliti~t, bald mehr solche der Tiefen-, bald mehr der Oberfl~chensensibiliti~t.

Was die Art der Sensibilit~tsstSrung bei corticalen L~sionen an- betrifft, so waren in der Mehrzahl der beschriebenen Fi~lle alle Ge- ffihlsqualit~ten der Oberfl~chen- wie der Tiefensensibilit~t mehr oder minder betroffen. Dabei handelte es sich meist nicht um vSllige Auf- hebung der verschiedenen Empfindungsarten, sondern nut um st~rkere oder geringere Herabsetzung derselben.

Nach M o n a k o w stellt sich unmittelbar nach dem Einsetzen der Rindenli~sion kontralaterale Hemiani~sthesie ein; doch bedeutet eine derartige schwere Beeintr~chtigung oder ein totaler Ausfall s~mtlicher Gefiihlsqualit~ten nur eine Initialerscheinung. Nach und nach pflegt sich die bewui3te KSrperempfindung, wenn auch in reduziertem Urn- range, wieder einzustellen. Am meisten gest6rt ist dann die Lokali- sation der tIautreize, und zwar besonders in der Hand und die Stereo- gnosie, weniger die Tiefensensibilit~t, relativ am wenigsten leidet die gew6hnliche protopathische Sensibiliti~t. Nach K u t n e r z) leidet eben- falls am meisten die Lokalisation der Empfindungen; demn~chst kommen am hi~ufigsten die StSrungen der Empfindung der Lage und passiver Bewegungen der Glieder vor, die auch isoliert beobachte~ werden. Dagegen scheint isolierter Ausfall der Beriihrungsempfindung nicht vorzukommen. Schmerz- und Temperaturempfindung sind eben- falls, wenn fiberhaupt, nur m~13ig, dabei nie isoliert gestSrt.

Selten ist fiber Fi~lle berichtet, in denen erhebliche Dissoziationen der verschiedenen Geffihlsqualit~ten vorhanden waren. Dabei handelt es sich meistens um einen gewissen Gegensatz der Starke der StSrung yon Oberfl~chen- und Tiefensensibilit~t, wie er ja auch yon den oben zitierten Autoren angenommen wird. So konstatierte D e j e r i n e bei cerebralen Sensibflit~tsstSrungen neben gleichmi~i3iger tterabsetzung aller Qualit~ten, das Vorkommen einer Dissoziation insofern, als bei starker StSrung der Tiefenempfindung die Oberfl~tchensensibiliti~t nahe- zu intakt war. Ebenso betont B o n h S f f e r , da$ Schmerz- und Be- rtihrungssinn bei cerebralen Li~sionen oft gar nicht oder nut in geringem Mal3e gestSrt seien. Er land in einem entsprechenden Falle nur eine ganz vorfibergehende Berfihrungslahmung, in zwei anderen hatte eine Schiidigung der Hirnrinde gar keine StSrung der Bertihrungs- und

z) Isolierte cerebrale SensibilitatsstSrungen. Monatsschr. f. Psych. u. Neurol. 17, 312.

~0 H. Krueger:

Schmerzempfindung hervorgebracht. R fill 1) sah nach Granatsplitter- verletzung fiber dem Seheitelbein fast vSllig intakte Oberflaehen- sensibilitat; Schmerz- und Temperaturgeffihl waren normal, die Be- rfihrungsempfindung nur in ganz geringem Grade herabgesetzt. Da- gegen bestand eine starke St5rung der Tiefensensibflitat und des Lo- kalisationsvermSgens und vSllige Astereognosie. Rfilf sueht diese Dissoziation dadurch zu erklaren, dab er annimmt, dab die kompli- zierteren Empfindungsqualitaten mehr in der Peripherie des Cortex ihre Vertretung haben, die einfacheren mehr in dessen tieferen Sehich- ten, wodurch, da in seinem Falle nur eine ganz oberflaehliche Sch~di- gung stattgefunden hatte, das verschieden schwere Betroffensein erklart ware. Einzig steht ein Fall Schaffers~) da, in dem die Lokalisation der Hautempfindung am meisten, Stereognosie und Tiefenempfindung weniger gest6rt waren, daneben aber eine Dissoziation der Temperatur- empfindung derart bestand, da~ die cerebral-anasthetische Haut warm gar nieht, kalt hingegen als schmerzhaft empfand.

Ungekl~rt ist die Frage, ob Hemianasthesie cerebralen Ursprungs, besonders die corticale StSrung der Tiefensensibilitat immer zu Hemi- ataxie ffihren mu~, woffir Oppenhe im3) , L e w a n d o w s k y 4 ) u.a. eintreten. Auch V e c k e n s t ~ d t sah Ataxie bei reiner eerebraler Ver- niehtung des Muskelsinnes. v. M o na k ow land bei dergleiehen Herden Eutaxie, doeh waren die feineren Bewegungskombinationen, wie Zu- knSpfen, Einfadeln, Schreiben mehr oder weniger gestSrt. F r a n k be- sehreibt einen Fall, in dem sich naeh Verletzung des Gyrus supramargi- nalis und centralis posterior trotz StSrnng der 0berflachensensibilitat, LagegeffihlsstSrung und partieller StSrung des stereognostisehen Sinnes keine Ataxie entwickelte.

Zu interessanten ErSrterungen haben die Beobachtungen geffihrt, in denen sich im AnsehluB an sieher eorticale L~sionen nach Segmenten geordnete sensible St6rungen fanden, wie sie als typisch ffir Rficken- markserkrankungen betrachtet wurden. Damit hangt die Frage zu- sammen, ob es eine Form der Sensibilitatsst6rung gibt, die ohne weiteres auf einen corticalen Sitz der zugrunde liegenden St6rung sehlieBen lal~t.

Von einer Reihe von Autoren wird als pathognomoniseh ffir den Sitz der Erkrankung in der Hirnrinde neben der StSrung des stereogno-

1) Astereognosie nach Schi~detverletzung. Deutsche med. Wochenschr. ~9, 875.

~) l~ber die cerebralen Sensibillt~tsstSrungen vom ldinischen und anatomischen Gesichtspunkte. Neurol. Centralbl. 1905, S. 589.

8) Lehrbuch der 2qervenkrankheiten. 6. Auflage. 1913. ~) Die Ataxie. Lewandowskys Handbuch 1, S. 852. Nach Lewandowsky

hat jedoch die cerebrale Ataxie eine besondere Art, die sie von Ataxien sub- cerebralen Ursprungs unterscheidet.

Uber Sensibilitatsst(irungen nach Verletzungen der Grollhirnrinde. 81

stisehen Sinnes eine StSrung der Fithigkeit, Beriihrungs- und Sehmerz- reize zu lokalisieren, angesehen. So hiilt BonhSf fe r eine St6rung des Lokalisationsverm6gens und des taktilen Wiedererkennens bei im iibrigen nur geringfiigiger Sensibilit~tsst6rung fiir eine Rindenlgsion charakteristiseh. Seha f fe r glaubt, dab das klinisehe Merkmal der cerebralen Sensibilit~tsst6rung neben Stereoagnosie und StSrungen der Tiefensensibilitiit die Lokalisationsfehler der Hautempfindungen, die Topoaniisthesie sei, die zugleieh als Kriterium gegen supraponierte hysterisehe Geftihlsst6rungen gelten k6nne. Aueh v. Monakow hi,It bei Liisionen der Gehirnrinde die Lokalisation der Hautempfindung und die Stereognosie ftir am meisten gestSrt, ebenso K u t n e r . Der letztere weist dabei darauf hin, dall, wie F 6 r s t e r dargetan, es sieh bei der Unfiihigkeit, Hautempfindungen riehtig zu lokalisieren, nieht eigentlieh um eine StSrung einer einfaehen Empfindung, sondern eines Assoziationsvorganges in der Hirnrinde handele, so dab man es also beim Lokalisationsverm6gen mit einer der Stereognosie gleiehzusetzen- den Rindentiitigkeit zu tun habe.

Als weiteres Charakteristieum einer eortiealen Sensibiliti~tsstSrung wird von den meisten Forsehern, so Go lds t e in , Camp, D e j e r i n e , Mtiller, K u t n e r , D a r k s e h e w i t s e h , v. Monakow eine ungleiche Verteflung der An- bzw. Hypi~sthesien angegeben, insofern die Herab- setzung der Empfindung aller Qualitiiten proximal am geringsten ist und distalwgrts zunimmt. Daneben betonen D e j e r i n e und Miiller, dag die Intensiti~tszunahme der sensiblen St6rung am Rumpf von der Mittellinie naeh auBen statthi~tte, v. M o n a k o w land, dag die eorticale Sensibiliti~tsst6rung gelegentlieh sogar in der Medianlinie eine sehmale Zone frei liege. Diesen Befunden einer Zunahme der GefiihlsstSrung yon der Wurzel zum Extremitgtenende steht jedoch eine Beobaehtung S t r~us s l e r s 1) gegeniiber, in der sieh die gr6gte und stiirkste Ausbreitung der EmpfindungsstSrung im Oberarm, ebenso stark wie in den distalen Handteilen fand, so dal3 die distale Intensi- ti~tszunahme der sensiblen StSrungen aueh nieht ein absolutes Zeichen ftir den eortiealen Sitz ist. Red l i eh und Bonv ie in i haben ~hnliehes gesehen, ebenso Lewandowsky2) . Neuerdings betont Lewan- dowsy a) naeh der Beobaehtung yon Kriegsverletzungen, dab sich die cortiealen Sensibilitgtsst6rungen in ganz unregelmgBiger Form darbieten k6nnen, und schlieBt daraus, dag die Verteilung der Sensibilitgt auf der Rinde eine rein fokale ware.

1) Zur Frage der zentralen Sensibilit~tsstSrungen von spinalcm Typus. Mo- natsschr, f. Psych. 23, 381.

2) Handb. d. Neurol. I, S. 795. 8) Die Kricgsverlctzungen des Nervensystems. Bcrl. klin. Wochenschr.

1914, Nr. 51. Z. f. d. g. Neut. u. Psych. O. XXXIII . 6

82 H. Krueger:

Neben dieser Differenz der Starke der GeffihlsstSrung sind nun in einer grol3en Reihe von Fallen sicher cerebraler, meist corticaler Er- krankungen Intensitatsunterschiede der sensiblen StSrungen gefunden worden, die eine deutliche Beziehung zu der frfiher als ausschlieBlich spinal bedingt angesehenen Segmentierung der Hautoberflache haben. Dabei waren teilweise die anasthetischen bzw. hypasthetischen Haut- gebiete durch Zonen fast normaler Berfihrungs- und Schmerzempfind- lichkeit unterbrochen, teilweise bestanden nur graduelle Unterschiede der Intensitat der StSrungen, die aber eine deutliche Begrenzung zu- lieBen.

Unter den ersteren Fallen ist besonders der Fall B e n e d i k t s 1) zu nennen, in dem die sonst totale Hemianalgesie nach corticaler L~sion durch 4 schmerzempfindende Zonen unterbrochen wurde, die sich fiber das Gebiet des III . Trigeminusastes, des 1. bis 3. Dorsalsegmentes, des 7. bis 9. Dorsalsegmentes und des 4. Lumbalsegmentes erstreckten. C a m p 2) land in einem hierher gehSrenden Falle C 1 und C 2 und D 1 bis D~ versehont.

Eingehend ist die Frage von M u s k e n s 3) studiert worden, der bei Epileptikern in pr~- und postepileptischen Zust~nden h~ufig Geffihls- stSrungen segmentaler Art nachweisen konnte, wobei am h~ufigsten und starksten die Segmente D1, D3, C s und D 4 befallen waren. In einem Falle G o l d s t e i n s 4) waren an der oberen Extremit~t die Seg- mente C4--D ~ am sti~rksten betroffen, die Volarfl~che der Hand starker als die Dorsalflache, an der wieder das Ulnargebiet starker ges t f r t war als das radiale, also C 8 und C 7 weniger als C s und D 1. An der unteren Extremita t bestand die starkste StSrung in dem untersten Lumbal- und den Sakralsegmenten, wahrend die oberen Lenden- segmente weniger getroffen waren. C a l l i g a r i s s) land die Hypasthesie im Gebiete des 3. bis 6. Cervicalsegmentes und der Lumbalsegmente besonders stark ausgepragt. S t r ~ u s s l e r s Fall wies ein Uberwiegen der Geffihlsst5rung in den Segmenten CA, C5, C s und D~--D 4 auf; dabei war am Oberarm eine Andeutung von Mittelachse vorhanden. K a f k a 6) land an der oberen Extremit~t besonders die Segmente C s

1) Uber metamere Sensibilit~itsstSrungen bei Gehirnerkrankungen. Wiener klin. Wochensehr. 1907, S. 66.

2) Type and distribution of sensory disturbances due to cerebral lesion. Ref. in Neurol. Centralbh 1910, S. 350.

a) Studien fiber segmentale SchmerzgefiihlsstSrungen an Tabetischen und Epileptischen. Archiv f. Psych. 36, 347.

4) Zur Frage der cerebralen Sensibilit~tsstSrungen yon spinalem Typus. Neu- rol. Centralbl. 1909, S. 114.

5) Disturbi della sensibilith di origine cerebrale a tipo radicolare. Ref. in Neurol. Ccntralbl. 1911, S. 994.

~) Zur ]?rage der cerebralen Sensibiliti~tsstSrungen vom spinalen Typus. Zeit- schrift f. d. ges. Neur. u. Psych. 2, 700.

~)ber SensibilitatsstSrungen nach Verletzungen der Grol~hirnrinde. 83

und D 1 ergriffen, an der unteren Extremit~t wiesen L 5 und $1, schlieB- lich $2--S 4 die st~rksten GefiihlsstSrungen auf. Es scheint ihm danach das Prinzip zu herrschen, daB die tieferen Segmente am l~ngsten und intensivsten die Sensibilit~tsstSrungen zeigen und anscheinend die L 5 und S 1 entsprechenden ttautgebiete noch l~nger als die D 1 usw. entsprechenden. Andeutung segmentaler GefiihlsstSrungen bei corti- calen L~sionen fanden auch Mi l l s -Wei senburg , F r a n k , R u s s e l , t t o r s l e y , Bs K u t n e r , P i ck , B e r g m a r k , v. Monakow. L oew y konnte sie in F~llen von cerebraler Arteriosklerose nachweisen.

Wenn man die Befunde zusammenfaBt, so kann man sagen, dab sich bei durch corticale gerde bedingten Sensibilitatsausf~llen h~ufig dem spinalen radikul~ren ~hnliche Verbreitungstypen gefunden haben, die am Rumpf Gilrtelzonen zeigen, an den Extremit~ten parallel zu deren Achse orientiert sind, dab dabei die GefiihlsstSrung in der Regel in den postaxialen Segmenten intensiver und dauernder hervorzutreten pflegt als in den pr~axialen. B e n e d i k t schl~gt vor, derartige St6- rungen ,,pseudospinal" zu nennen.

R u s s e l , H o r s l e y , S t r ~ u s s l e r wollen diesen radikul~ren Typus der Sensibilit~tsstSrungen als differentialdiagnostisches Moment zwi- schen L~sionen der corticalen Fiihlsph~re und subcorticalen Herden verwenden, doeh stehen dieser Ansicht Beobachtungen (z. B. Go lds t e i n, Cal l igaris) entgegen, in denen trotz GefiihlsstSrungen yon segmen- talem Typus Kapselherde, Thalamuserkrankungen usw. gefunden wur- den oder angenommen werden muBten. Auch D e j e r i n e , Miiller, v. M o n a k o w glauben, dab subcorticale Sensibilit~tsstSrungen den corticalen vSllig gleichen, w~hrend F r a n k fiir das wichtigste Zeichen des corticalen sensiblen Typus h~lt, dab schwerst gesch~digte dicht neben feinst empfindenden Stellen liegen kSnnen.

F r a n k versucht auch, die corticalen segmentalen Sensibilit~ts- st5rungen von den spinalen klinisch zu trennen. Er glaubt gefunden zu haben, dab im Cortex eine Hautpartie der ventralen Fl~che scharf getrennt von einer dorsal in demselben ~iveau gelegenen repr~sentiert ist, w~hrend die Riickenmarkssegmente die Vorder- und ttinterfl~che desselben Absehnittes gleichm~Big innervieren. Nach v. M o n a k o w ist gegeniiber den spinalen Sensibilit~tsstSrungen charakteristisch die st~rkere Sch~digung nach Segmenten, die senkrecht zu den spinalen liegen und Aussparung der Empfindungen in mehr proximalw~rts liegen- den Gebieten, was bei eigentlich radikul~ren L~sionen spinalen Ur- sprungs nicht vorkommt.

Die Befunde segmentaler GefiihlsstSrungen nach Hirnherden, be- sonders corticalen L~sionen, haben zahlreiche Hypothesen veranlaBt.

M u n k glaubt, dab nicht bloI~ zwischen den Hirnrindenregionen einerseits und den zugehSrigen KSrperteilen andererseits, sondern auch

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84 H. Krueger:

innerhalb jeder Region und jedes zugeh6rigen K6rperteils, zwischen den ldeineren Absehnitten yon Ftihlsph~re und Haut feste Verbin- dungen durch die sensiblen Nervenbahnen, deren Erregung die Be- riihrungsempfindung zur Folge hat, bestehen, und dab diese Nerven- bahnen, wie sie in der Haut eines KSrperteils neben- und naeheinander ihren Ursprung nehmen, ebenso regelm~Big neben- und naeheinander in zentralen Elementen der zugeh6rigen Region ihr Ende finden. ,,Die Haut ist auf die Fiihlsphgre projiziert."

Nach B o n h 6 f f e r ergibt sieh fiir eine solehe Projektion der Glied- absehnitte in der I-Iirnrinde im M un k schen Sinne nichts. Eine solche w~re erst dann anzunehmen, wenn aueh F~lle mit aussehlieBlieher An~sthesie proximaler Extremit~tenabsehnitte zur Beobaehtung kern- men sollten. K u t n e r sehlieBt sieh diesen Ausftihrungen an. L e w a n - d o ws k y 1) glaubt, dab eine ganz strenge Projektion der K6rperperipherie auf die Hirnrinde nicht statthaben k6nnte, da wir ja totale AusfMle der Sensibilitgt iiberhaupt nieht, sondern immer nur lokale Abstump- fungen linden, sieh also die Rindengebiete ftir die einzelnen KSrper- teile bis zu einem gewissen Grade iiberdecken mtissen. Er schlieBt, trotzdem (vgl. oben) dab die Sensibilit~t in der Rinde in analoger Weise wie die Motilit~t geordnet ist, was sehon aus dem Parallelismus der motorisehen und sensiblen St6rungen hervorgehe.

b l u s k e n s hMt naeh pathologischen wie physiologischen Beob- aehtungen die Annahme fOr zulgssig, dab im Projektionsfeld der K6r- peroberfl~ehe auf der Hirnrinde ebenfalls das Prinzip der Segmentation vorherrsehe. Mills und W e i s e n b u r g nehmen an, dab jeder Muskel, bzw. jede Muskelgruppe, die gesonderte corticale Zentren besitzt, topographisehe Beziehungen zu einem Hautsegment hat, das gleieh- falls ein bestimrates corticales Zentrum besitzt, das anatomiseh und funktionell mit dem motorischen Zen~rum enge Beziehungen unterh~lt, da~ demnaeh die topische Aufeinanderfolge in den sensiblen Zentren ganz die gleiehe wie in den motorisehen sei. Innerhalb dieser groben Abschnitte sei nun die Differenzierung so weir getrieben, dab jedem motorisehen Elementarfokus ein sensibler gegentiberstehe. Sie glauben nun, dab die Sensibilit~tszentren derjenigen K6rperteile, die mit viel- f~ltigen, komphzierten Funktionen ausgestattet sind, im Gehirn aus- gebreiteter und feiner organisiert sind, dab StSrungen daher viel in- tensiver auf s/e einwirken und l~nger in ihnen andauern wie in anderen Teilen.

S t r ~ u s s 1 er h~lt diese Theorie for unrichtig, weft die kompliziertere Funktion an der Hand zweifellos dem radialen Teile derselben und den radial gelegenen Fingern zufalle, wi~hrend die Sensibiliti~tsst6rung in seinem Falle (wie auch in der Mehrzahl der sonst besehriebenen F~lle)

1) Die cerebralen SensibilitatsstSrungen. Lewandowskys Handbuch.

Uber Sensibilit~ttsstiirungen nach Verletzungen der Grol~hirnrinde. 85

ulnar am dauerndsten und sti~rksten ausgesprochen war. Ebenso wendet K a f k a sich gegen die M i l l s - W e i s e n b u r g s c h e Theorie, die nur den Umstand erkl~rte, dab sowohl motorische wie sensible Affek- tionen an Hand und Ful3 am l~ngsten andauern, nicht aber, warum Kteinfinger- und Kleinzehenseite bevorzugt seien. Gegen die Hypo- these spreche auch, dab die St5rung am Ful3e meist intensiver sei und li~nger andauere, obwohl die Funktion der Hand unendlich kompli- zierter als die des FuBes sei.

Auf physiologische Unterschiede der Feinheit der Sensibiliti~t der verschiedenen KSrperabschnitte legt B e r g m a r k grofles Gewicht. Er gibt an, da$ bei genfigend feiner Prfifung Unterschiede der Schmerz- empfindung in der ulnaren Handseite gegentiber der radialen best~n- den, dal3 der Schwellenwert an den Fingern hSher sei als an der Hand, auf der Volarseite derselben wieder hSher als auf der Dorsalseite. ~hnlieh schliel3t M us k ens aus seinen Beobachtungen, dab beim nor- . ~ �9

malen Indlvlduum die postaxialen Bezirke oft hypalgetisch sind. Auch S c h a f f e r scheint es, als ob einzelne Hautsegmente schon beim Ge- sunden nicht so leicht zur Einbul3e ihrer Sensibilit~t disponiert sind. G o l d s t e i n erkli~rt es ftir mSglich, dab es sich bei dem segmentalen Typus der cerebralen Sensibilit~tsstSrungen um normalerweise vor- handene Differenzen der Empfindlichkeit handelt, die nur dureh die allgemeine Herabsetzung der Sensibiht~t deutlieher zum Ausdruck kommen. Man brauchte dann nicht anzunehmen, dab die versehiede- nen Segmente cerebral verschieden l~diert seien. Ebenso reehnet C a l l i g a r i s mit physiologischen Sensibiliti~tsunterschieden, die zwischen den versehiedenen Hautregionen bestehen und die unter pathologischen Verhi~ltnissen sich gleichfalls, nur vielleicht noch deutlicher bemerkbar machen. Von einer normalerweise bestehenden Uberempfindlichkei$ der unterhalb der Hals-Brustgrenze gelegenen obersten Dorsalmeta- meren spricht B ~ l l n t . Er glaubt, dab bei einer unvollkommenen L~sion der cerebralen sensiblen Bahnen yon diesen Teilen aus l~nger Empfindungen zum Cortex geleitet wiirden als von anderen Segment- gruppen aus. Weiter zieht er allerdings noch die MSglichkeit in Be- tracht, dab ein Teil der sensiblen Riickenmarkssegmente eine doppelte zentrale Innervation besi~Be, und diese mehrfaeh innervierten Segment- gruppen es sein kSnnten, die gelegentlich (so auch in seinem Falle) die Schmerzempfindung bewahrten.

Eigene in dieser Richtung angesteUte Untersuchungen haben ebenfalls ergeben, dab bei einer Reihe von Individuen eine gewisse Differenz im Grade der Empfindlichkeit der einzelnen Hautabsehnitte ftir Bertihrungs-, Sehmerz- und Temperaturreize nachzuweisen ist. Was den Grad dieser Differenz betrifft, so handelt es sich ausnahms- los um sehr geringfiigige Unterschiede, die nur bei gespanntester Auf-

86 H. Krueger:

merksamkeit von den Untersuchten angegeben werden k5nnen. Die Differenz zeigt meistens eine geringere Empfindlichkeit der postaxialen Teile; doch stehen diesen Fi~llen andere gegenfiber, in denen konstant die pri~axialen Segmente die sehwi~eher ffihlenden waren. Die Frage ist, inwieweit es sich um suggestiv erzeugte Differenzen handelt; das letztere Moment vSllig auszuschlieBen, ist um so weniger mSglich, als etwa die Hi~lfte der untersuchten Individuen keine Andeutung der- artiger Untersehiede zeigte. Nach alledem seheint es, als ob solche sehon physiologisch vorhandenen Segmentdifferenzen der Empfindlich- keit nicht so sicher festzustellen sind, dab man sie als Basis ftir Theorien fiber Erseheinungen der Pathologie verwerten dfirfte.

Im folgenden seien die Krankheitsgeschichten von 15 F~llen von TangentialschuBverletzungen des Schi~dels mit Sensibilit~tsstSrungen mitgeteilt. In bezug auf die Untersuehung ist folgendes zu bemerken:

Vom Sulcus centralis ist das obere Ends in der Weise bestimmt, dab entsprechend T h a n e und t t o r s l e y s Angaben die L~nge der Verbindungslinie zwisehen Nasenwurzel und Protuberantia occipitalis externa li~ngs der Sagittalnaht gesucht und 55,7% der gefundenen Li~nge von der Glabella aus abgetragen wurden. Das untere Ende der Zentralfurche wurde naeh Po i r i e r bestimmt, indem auf der oberen Kante des Processus zygomaticus des Schliffenbeins eine Senkrechte vor dem Tragus errichtet wurde, auf der 7 cm oberhalb der OhrSffnung der gesuchte Punkt angenommen wurde.

Die Prtifung der Berfihrungsempfindung geschah mittels einer dfin- nen weichen Pinselspitze, die der Schmerzempfindung mittels geknSpf- ter Nadel. Der Temperatursinn wurde mittels mit verschieden warmem Wasser geffillter Reagensgli~ser geprfift. Zu Untersuchung der Vi- brationsempfindung wurde eine Stimmgabel a 1 verwendet.

Einige Worte seien fiber die Prfifung der farado-cutanen Sensibilit~t und diese selbst gesagt:

,,Die Empfindliehkeit der Haut gegen den faradischen Strom ist eine Sensibiliti~tsqualiti~t eigener Art" [T. Cohnl)], jedenfalls eine eigenartige Kombination oder Abstufung anderer Geffihlsqualit~ten. Auf welehen Bahnen die f~rado-eutane Empfindung fortgeleitet wird, ist unbekannt, doeh dfirfte auch bei der faradisehen Empfindungs- prtifung eine eigenartige Erregung der sehmerzleitenden Fasern das Wichtigste sein; vielleieht ist die dureh den faradischen Strom her- vorgebrachte typische Empfindung in Analogie zum Kitzelgeffihl zu bringen.

Die Untersuehung wurde in der Weiss vorgenommen, dab eine Pinselelektrode an den vorher bestimmten K6rperstellen aufgesetzt, der Strom eingeleitet wurde und bei langsamer Verst~rkung des Stro-

1) Leitfaden der Elektrodiagnostik und Elektrotherapie. 1912.

~ber SensibilitatsstSrungen nach Verletzungen der Grol~hirnrinde. 87

mes vom Patienten das erste leise prickelnde Gefiihl angegeben werden muBte. Der dabei gefundene Rollenabstand wurde gemessen und in das Schema eingetragen. Als Stromquelle wurde ein Pantostat (Rei- niger, Gebbert u. Sehall) verwendet. Zu bemerken ist, da~ bei diesem Apparat 9 die grSBte Stromstarke bedeutet, die nach 0 zu sinkt, also 9 dem kleinsten, 0 dem grSBten Rollenabstande entspricht.

Die farado-cutane Sensibilit~tsprfifung hat auch frfiheren Unter- suchern auBerordentlieh konstante Resultate bei dem einzelnen In- dividuum gegeben. Alff Grund der eigenen Erfahrungen ist das nur zu best~tigen. Hinzuzuffigen ist noch, dab die farado-cutane Geffihls- prfifung auch fiber feinste StSrungen noch AufsehluB gibt, die nach Aussage der Kranken selbst schon geschwunden sind und die mittels der fibrigen erw~hnten Prfifungsmethoden nich~ mehr naehgewiesen werden kSnnen.

W~hrend die Ergebnisse beim einzelnen Individuum vSllig kon- stant sind, ergeben sich beim Vergleich der Prfifungsergebnisse ver- schiedener Individuen doch gelegentlich grebe Unterschiede. Es gibt Menschen, deren Haut dem faradischen Strom erheblich mehr Wider- stand entgegensetzt als der Norm entspricht. Die Methode der farado- cutanen Geffihlsprfifung ist also da eindeutig zu verwenden, we es gilt, halbseitige sensible StSrungen festzustellen, w~hrend sie da, we die KontroUe dureh die andere Seite fortf~llt, wenn sie in negativem Sinne ausf~llt, rfickhaltslos, f~llt sie anseheinend im positiven Sinne aus, nur mit groBer Vorsicht zu bewerten ist.

B e r n h a r d t hat eine Tabelle der Starken des faradisehen Stroms, die zur Erzeugung des typischen Geffihles an den verschiedenen KSrper- stellen n6tig sind, aufgestellt, die auszugsweise hier folgen sell, um mit den eigenen Resultaten verglichen zu werden (s. Fig. 1):

Die gefundenen Zahlen zeigen im allgemeinen Ubereinstimmung. Der schw~chsten StrSme zur Prfifung bedurfte es im Gesicht; an Armen und Beinen nahm die nStige Stromst~rke von den proximalen naeh den distalen Gliedabschnitten hin zu, ohne dab - - yon der Vola manus und der Plant~ pedis abgesehen - - irgendwelehe grSBere Unter- schiede zu beobachten waren. Bei der ganzen farado-eutanen Sensi- bilitatsprfifung ist dieses Verh~ltnis meines Erachtens noch viel wich- tiger, ats die absoluten Zahlen, da es einmal nicht abh~ngig von der Art des Apparates ist, andererseits sich auch in den F~llen, in denen die Schwellenwerte ffir den faradischen Strom wesentlieh fiber das obengenannte Mittel hinausgehen oder dahinter zurfickbleiben, sehr deutlich auspr~gt. Zwei Beispiele mSgen das erl~utern:

Rollenabstand: Gesicht . . . . . 0,4 1,9 Oberarm . . . . 0,5 3,6

88 H. Krueger:

Vorderarm Handrficken Handfl~che . Oberschenkel Unterschenkel FuBrficken

R o l l e n a b s t a n d : 0,9 3,8 1,1 5,4 1,4 5,7 1,0 2,7 1,2 2,8 2,0 3,1

FuBsohle . . . . 2,5 fiber 9,0

Nach alledem muB man die farado-cutane Sensibflit~tsprfifung als eine auBerordentlich wichtige betrachten, weft sie gegeniiber der Prfi- lung mit Pinsel und Nadel die objektivere ist, insofern sie das subjektive

Krueger 1 Bernhardt

Fig. 1.

Moment, das vom Untersucher selbst ausgeht, ausschaltet. Sie ge- s ta t te t zugleich bei halbseitigen Sensibilit~tsst6rungen einen SchluB auf die St~rke der Herabsetzung des Geffihls.

Fal l 1. A. B., Torpedowerkstattsarbeiter, geb. 27. V. 1894, ist yon Mutterseite mi~

Geisteskrankheit belastet; eine Schwester leidet an einer Stottemeurose. Er gibt an, selbst als Kind ,,kopfkrank" gewesen zu sein, ohne Besinnung gelegen zu haben. ])as sei besser geworden, als die Ohren zu eitern begannen. Sparer habe er bis zum 18. Lebensjahre an Blutandrang zum Kopfe gelitten.

Am 16. III . 1915 wurde er durch Granatsplitter an der rechten Kopfseite ver-

~ber Sensibilit~tsstSrungen nach Verletzungen der Gro~hirnrinde. 89

wundet. Er war kurze Zeit bewuBtlos; als er erwachte, war er bereits verbunden. In der n~chsten Zeit war er sehwindelig und hatte taubes Gefiihl in den Finger- spitzen; yon Paresen ist ibm nichts bekannt. Naeh 2 Tagen im Feldlazarett operiert; es sollen Knoehenteile abgemeiBelt sein. Am Tage nach der Operation trat Erysipel hinzu, das in 8 Tagen abheilte. Ende April war die Wunde gesehlossen. Er ldagt jetzt noch fiber Schmerzen in der reehten Kopfseite, SchwerhSrigkeit auf dem reehten Ohr (von chronischer Mittelohreiterung herriihrend) leichtes Sehwindel- geffihl, Taubheitsgeffihl auf der linken KSrperseite.

B e f u n d: Auf der rechten Kopfseite eine 4 cm lange Narbe parallel der Median- linie, die etwa 11/2 cm yon dieser entfernt ist und in ihrer ganzen Ausdehnung rinnen- fSrmig vertieft ist. Die Lage der Narbe zum Suleus centralis ist etwa folgende (s. Fig. 2.).

N e r v e n s y s t e m: Pupillen gleich, mit - telweit, rund, rea~eren prompt auf Lieht und bei Konvergenz. Augenbewegungen frei. V. Pinselstriche werden im ganzen Gesicht prompt angegeben, vergleiehende Pinselberfihrungen in der linken Ge- siehtsh~lfte yon AugenhShe abwarts stets sehw~cher gefiihlt als rechts. Auf der Stirn keine Differenz der Seiten. Leichte Nadelstiche werden in der Gegend unter dem linken Auge und vor dem linken Ohr gelegentlich ausgelassen, sonst als stumpf bezeichnet. Vergleichende Stiche werden in der ganzen linken Gesichtsseite, aueh Stirn, sehwgeher gefiihlt als an der rech- ten. Ffir Temperaturempfindung besteht

Fig. 2.

der gleiche Unterschied. Conjunetivalreflex links schwgcher als rechts. Mo- torischer V intakt. VI I - -XI I intakt.

0 b e r e E x t r e mi t a t e n. Tonus und Reflexe symmetriseh, regelrecht. Motilitgt intakt, grobe Kraft links erheblieh herabgesetzt. Fingernasenversueh links erheblich unsieherer als reehts, ebenso erfolgt Zeigen nach einem festen Gegenstand links erheblich unsicherer. Erhebliehe Unsicherheit besteht ebenso beim Zukn6pfen usw.

R u m p f: Aufrichten mit verschrankten Armen ohne Sehwierigkeiten. Bauch- deeken- und Cremasterreflexe symmetrisch ausl6sbar. Keine Druekpunkte.

U n t e r e E x t r e m i t ~ t e n : Tonus regelrecht. Patellarreflex symmetrisch schwach, Achillessehnenreflex symmetrisch normal, FuBsohlenreflex beiderseits plantar. Kein Klonus. Motilitat regelrecht, grobe Kraft in den linksseitigen Ge- lenken herabgesetzt. Kniehackenversuch links etwas unsieherer als reehts. Be- schreiben eines Kreises mit dem rechten FuB ohne jede Abweiehung, links erhebliehe Unsieherheit, ebenso beim Zeigen mit der FuBspitze nach einem festen Punkte. R o m berg: leiehtes Schwanken nach allen Seiten. Gang ohne Ver~nderungen.

S e n s i b i l i t g t (Fig. 3). Pinselstriehe werden an beiden oberen Extremit~ten prompt angegeben. Vergleiehende Ber'fihrungen werden an der linken oberen Ex- tremitgt stets erheblich schwgcher als an der rechten geffihlt; links wird nur ein leiehter Druek empfunden. Dabei werden an der linken o. E. Striehe an der Innenflgche des Oberarmes, der Ulnarfliiehe des Vorderarmes, dem uluaren Teile der Hand und dem 4. und 5. Finger dorsal und volar erheblieh sehwgeher ge- fiihlt als an den entgegengesetzten Teilen. Die Grenzlinien sind sehr scharf. An

90 H. Krueger:

der reehten oberen Extremit~t besteht keine derartige Differenz. Leichte Nadel- stiehe werden an der linken oberen Extremit~t meist als stumpf bezeiehnet, regelm~Big an der linken Rand. Bei st~rkeren Stiehen wird Nadelstich an der Radialfl~ehe des linken Vorderarmes, der radialen H~lfte der Rand und dem 1. bis 3. Finger dorsal und volar als spitz, an den entgegengesetzten Teilen als stumpf empfunden. Am reehten Arm besteht kein derartiger Unterschied. Konstant werden aueh starke Nadelstiehe links erheblich schw~eher empfunden als rechts. Thermanasthesie besteht an der linken oberen Extremit~t in den analgetischen Bezirken, aueh hier genau Grenzlinien. Thermhyp~sthesie ist an der ganzen linken oberen Extremiti~t gegenfiber der reehten vorhanden.

Am Rumpf werden Pinselstriche stets richtig erkannt. Es besteht keine aus- gesprochene Differenz der Seiten, die hingegen fiir Nadelstiehe und Temperatur- empfindung zuungunsten der linken Seite vorhanden ist.

Fig. 3.

An der linken unteren Extremit~t werden Pinselberiihrungen ebenso wie rechts angegeben nur am linken Ful~riicken nicht. Vergleichende Pinselstriche werden konstant als links schwttcher angegeben. Die Hyp~sthesie ist links am starksten an der Hinterfl~che des Oberschenkels, der Hinter- und Aul3enfl~che des Unterschen- kels und dem Fu~rfieken. An der rechten unteren Extremitat ist die Beriihrungs- empfindung normal, doch besteht eine sehr geringe Differenz am reehten FuBe zuungunsten der Dorsalfl~ehe. Leiehte Nadelstiehe werden an der Hinterflt~che des linken Obersehenkels als stumpf empfunden, an der Hinter- und Aul3enflitche des linken Unterschenkels meist als stumpf angegeben, am Dorsum pedis links ge- legentlich stumpf gefiihlt, an den iibrigen Teilen wie auch rechts stets riehtig er- kannt. Starke Stiche werden an der rechten unteren Extremit~t stets spitzer ge- fiihlt. Kalt und warm werden auch an der Hnken unteren Extremiti~t stets richtig

t~ber Sensibilit~ttsst~rungen nach Verletzungen der Grol~hirnrinde. 91

erkannt, doch besteht eine erhebliche Thermhyp~sthesie gegeniiber der rechten Seite. Die regioni~ren Unterschiede sind die gleichen wie beim Schmerzgefiihl.

Die Lokalisation yon Beriihrungen und Stichen effolgt an der linken Seite ebenso prompt wie rechts. Das Vibrationsgefiihl ist am linken Oberarm erloschen, am linken Vorderarm, der linken Hand und der ganzen linken unteren Extremit~t erheblich schw~cher und kiirzer als an symmetrischen Stellen rechts. Das Lage- gefiihl ist in allen Gelenken intakt. Stereognostische StSrungen finden sich nicht. Das Ergebnis der Prtifung der farado-cutanen Sensibilitat zeigt Fig. 4.

b~er~

Fig. 4.

Z u s a m m e n f a s s u n g : Als Folge einer Schi~delverletzung fiber beiden Zentralwindungen etwa an der Grenze yon deren oberem und mit t lerem Drittel bestehen ohne wesentliche motorische StSrungen solche der Oberfli~chensensibfliti~t in Form einer Hemihypi~sthesie, die segmentalen Charakter zeigt. Am meisten betroffen sind alas Gebiet des I I . und I I I . Trigeminusastes, die Segmente C s und D1, Ls, S 1 bis S 3. Die Grenzlinien sind sehr scharfe. Die StSrung zeigt am Arm eine aus- gesprochene Versti~rkung distalwi~rts, wi~hrend am Bein die StSrung des S e h m e r z - u n d Temperaturgeffihls yore Oberschenkel naeh dem Fulle zu abnimmt, wi~hrend die BerfihrungsempfindungsstSrung distal am sti~rksten ist. Parallel der StSrung der Oberfli~chensensibiliti~t geht die Herabsetzung der Empfindlichkeit gegen den faradischen Strom. Das LokalisationsvermSgen ist normal, die Tiefensensibilitiit nicht merklich gesehi~digt. Dagegen zeigt das Vibrationsgeffihl eine

92 H. Krueger:

He rabse t zung an der ganzen l inken Kf rpe rh~ l f t e , d ie a m l inken Ober- a r m a m sti~rksten ist . Es bes t eh t ein le ich ter Grad yon H e m i a t a x i e au f der yon den i ibr igen S t6rungen be t rof fenen Seite. Die S te reognos ie h a t n ich t gel i t ten .

F a l l 2.

L. M., Eisenbahnbeamter, geb. 29. X. 1879. Ein Bruder der Mutter ist in einer Irrenanstalt gestorben. Er selbst war niemals ernstlich krank. Keine Lues, kein Potus, kein NieotinmiBbrauch.

Am 23. 12. 1914 wurde er durch eine Schrapnellkugel an der reehten Kopfseite in Form eines Streifsehusses getroffen. Er fiel sofort bewul3tlos urn, erwaehte abet naeh kurzer Zeit wieder. Mit Unterstfitzung konnte er zuriickgehen. Hand und Fin- ger waren links vSllig gel~hmt, w~hrend er im Ellenbogen- und Sehultergelenk Be- wegungen ausffihren konnte. Im ganzen linken Arm bestand ein Gefiil~ yon Leere und Taubheit, ebenso im linken Bein, das etwas sehw~tcher a~s das reehte war. Vier Tage spgter begannen die Beschwerden im linken Bein zu sehwinden, erst spi~ter wurde auch die linke Hand wieder beweglich. Auch jetzt noeh besteht ein Geffihl yon Taubheit mad Lahmheit; besonders klagt er, dal~ der linke Arm bei Herabhi~ngen sofort einschlafe. 51aeh Anstrengungen treten leiehte Kopfsehmerzen auf.

B e f u n d : Auf der reehten Kopfseite eine 4 cm lange Narbe, die etwa in der

Fig. 5.

Scheitelmitte beginnt und naeh aul3en und hinten zieht. In der vorderen Hiilfte der Narbe fiihlt man eine Knoehenimpression. Klopfempfindlichkeit der reaktionslosen Narbe besteht nieht. Die Lage der ~arbe zum Sulcus centralis ist etwa folgende (s. Fig. 5):

N e r v e n s y s t e m: Pupillen gleich, mit- telweit, rund, reagieren prompt auf Licht und bei Konvergenz. Augenbewegungen frei. V. Pinselberiihrungen und l~adel- stiche werden beiderseits angegeben; keine Differenz der Seiten. VI I - -XI , ohne Be- fund. Zunge weieht beim Hervorstreeken etwas naeh reehts ab.

Obere E x t r e m i t i ~ t e n: Muskeltonus links etwas erh6ht. Triceps- mad Radius- periostreflex beiderseits lebhaft, links etwas starker als reehts. Grobe Kraft links herabgesetzt, Motiliti~t intakt.

Fingernasenversuch rechts prompt, links unsicherer. R u m p f : Aufrichten mit verschri~nkten Armen ohne Sehwierigkeit. Bauch-

deeken- und Cremasterreflex symmetrisch. Keine Druekpunkte. U n t e r e E x t r e m i t i ~ t e n . Muskeltonus regelreeht. Patellar. mad Achilles-

sehnenreflexe symmetriseh lebhaft. Beiderseits FuBklonus angedeutet. Ba- bi n sk i beiderseits 0. Grobe Kraft links etwas herabgesetzt. Kniehaekenversuch beiderseits ohne Unsieherheit. Kein R o m berg. Keine Gangst6rung.

S e n s i b i l i t i i t (s. Fig. 6). Pinselstriehe werden an der linken oberen Extremiti~t gefiiblt, nur an tier Ulnar-

seite der Hand gelegentlieh ausgelassen. Konstant werden PinselberiiJarungen an

l~ber Sensibilit~tsst6rungen nach Verletzungen der Groghirnrinde. 93

der linken oberen Extremit/~t als sehw/~eher angegeben als an der reehten. Dabei fiihlt die Ulnarfl~ehe des linken Vorderarmes und der linken Hand sehw/~eher als die Radialfl~che, die Innen- und der angrenzende Teil der I-Iinterfl/~ehe des Ober. armes sehw/~eher als die Aullen- und Vorderfl/~che. Nadelstiche werden im Ulnar- teile der linken Hand und dem 4. und 5. Finger stumpf geffihlt; aueh an der Ulnar- fl~che des linken Vorderarmes nieht sicher erkannt. Konstant werden Stiche an der linken oberen Extremit/it sehw/~eher gefiilflt als an der rechten, besonders wie- der im Ulnarteile der Hand und des Vorderarmes und an der Innen- und Hinter. fl~ehe des Oberarmes. Der Temperatursinn ist in analoger Weise gest6rt.

Am Rumpf besteht linksseitige Hyp/isthesie, Hypalgesie und Thermhyp~sthe- sie; erheblich ist die Herabsetzung in der linken AchselhShle und den angrenzenden

Fig. 6.

Teilen der Brust und des Riickens. Pat. gibt an, dab er, wenn er den linken Arm an die Brust lege, das Gefiihl babe, als liege ein Kissen unter dem Arm.

An der linken unteren Extremitat werden Pinselberfihrungen stets gefiihlt. Konstant werden vergleichende Pinselstriehe als links sehw/~eher angegeben. Dabei ist das Gefiihl am schleehtesten an der HintefflKehe des Obersehenkels und am Ges~B. Am Fug ist die Differenz nieht sicher. Nadelstiche werden auch an der linken unteren Extremitat stets gefiihlt, doch konstant als sehw~cher angegeben als an der rechten unteren Extremit~t. Besonders sehwach werden Stiche in die Hinter- fl/iche des Obersehenkels und die anliegenden Teile des Ges/iBes gefiihlt. Der Tem- peratursinn verh~lt sich wie die iibrigen Gefiihlsqualit/~ten.

Die Lokalisation zeigt an den oberen wie unteren Extremitaten nur normale Fehler. Das Vibrationsgefiihl ist an der linken oberen Extremit~t abgesehw/icht und verkiirzt, sonst normal. Passive Lageveranderungen werden aueh finks an oberen wie unteren Extremit~ten erkannt, doeh unsieherer und langsamer als reehts.

94 H. Krueger:

Stereognostische StSrungen bestehen nicht. Die Prfifung der farado-cutanen Sensi. bilit~t ergab folgendes Resultat (Fig. 7).

Z u s a m m e n f a s s u n g : Eine Streifsehu~verletzung des Sehgdels, die die reehtsseitige Rolandosche Region an der Grenze yon oberem und mittlerem Dritteil betraf, dabei mehr die hintere als die vordere Zentralwindung gestSrt haben diirfte, ffihrt zu leichten motorischen St6rungen der linksseitigen Extremit~ten. Daneben bestehen erheb- liche Sensibilit~tsstSrungen in Form einer halbseitigen Herabsetzung der Beriihrungs-, S ehmerz- und Temperaturempfindung und der fa- rado-cutanen Sensibilit~t links. Die StSrung nimm~ an der linken

Fig. 7.

oberen Extremitgt distalw~rts erheblich zu, an der linken unteren Extremitgt ist die Gefiihlsherabsetzung dagegen am Ges~ und Ober- sehenkel, besonders dessen Hinterflgche am stgrksten. Am meisten betroffen sind yon der StSrung der Oberflgchensensibilit~t die Seg- mente C s und D 1 und S~ und S 3. Das LokalisationsvermSgen ist auch linkerseits ungestSrt, das LagegefiiM in den distalsten Gelenken der oberen wie unteren Extremit~ leicht herabgesetzt. Das Vibrations- empfinden ist an der linken o. E. etwas abgestumpft, das stereogno- stische VermSgen ist nicht gesch~digt. Es besteht leichte Bewegungs- unsicherheit in der linken oberen Extremitat.

(~ber SensibilitatsstSrungen nach Verletzungen der Grol~hirnrinde. 95

F a l l 3.

W. V., Landwirt, geb. 3. VIH. 1889, ist erblich nicht belast~t und nie ernstlieh krank gewesen. Keine Lues, kein Fotus, kein Nicotinmil3brauch.

Am 23. X. 1914 wurde er yon einem Granatsplitter an der linken Kopfseite verwundet. Er fiel bewul~tlos um und erwachte erst nach li~ngerer Zeit wieder. Er konnte dann noeh einige hundert Meter zuriickkriechen. Naeh dem Erwaehen konnte er kein Wort hervorbringen, auch nicht sehreien. Es bestand aul3erdem eine rechts- seitige Extremit~tenl~hmung, die jedoch nur an der rechten Hand vollsti~ndig war. l~ach einer Operation, die am 5. XI. 1914 vorgenommen wurde und bei der ein Knochenstiiek entfernt wurde, besserte sich die Extremit~tenparese ziemlich sehnell und die Spraehe kehrte langsam wieder. Es scheint sieh in dieser Beziehung naeh seinen Angaben um eine fast reine StSrung der Wortfindung gehandelt zu haben. Heute sind keine eigentlich aphasischen StSrungen mehr nachzuweisen, doch ist die Spraehe eigenartig stotternd, stockend, langsam; er setzt zu den Worten mehr- reals an, skandiert etwas. Von sonstigen Besehwerden gibt er nur eine Schwi~che der rechten Hand an, an der aueh taubes Gefiihl besteht.

Be fund : Auf der linken Kopfseite befindet sieh in der Schli~fengegend eine etwa 4 em lange/qarbe. Unter dieser fiihlt man eine Knoehenimpression von der GrSl3e eines Fiinfmarkstiickes, in der die i~uBere Knochensehicht zu fehlen scheint. Bei Husten und Pressen keine VorwSlbung. Druck auf die reaktionslose Narbe leieht schmerzhaft. Die Lage der Narbe zum Sulcus eentralis ist etwa folgende (siehe Fig. 8).

N e r v e n s y s t e m : Von seiten der Hirnnerven ist vSllig normaler Befund zu erheben.

Obere E x t r e m i t ~ t e n . Tonus des reehten Armes etwas erhSht. Anconaeus- und Supinatorph~nomen rechts sti~rker als links. Grobe Kraft bei allen Bewegungen reehts deutlich herabgesetzt, besonders in der rechten Hand. Motilitat sonst intakt. Deutliche Unsicherheit und Unbeholfen- heft der rechten Hand bei schwierigeren Handlungen wie ZuknSpfen des Rockes sicherer als links.

Fig. 8.

usw. Fingernasenversuch rechts un-

R u m pf: Aufrichten mit verschri~nkten Armen ohne Sehwierigkeiten. Bauch- deeken-, Cremasterreflex symmetrisch auslSsbar. Keine Druekpunkte.

U n t e r e E x t r e m i t a t e n : Muskeltonus normal. Pate]larrefiex und Achilles- sehnenreflex rechts deutlich erhSht. Kein FuBklonus, kein Babinski. Kniehacken- versuch ohne Ataxie. Grobe Kraft des rechten Beines nieht wesentlich herabgesetzt. Romberg 0. Gang regelrecht.

Sensibi l i t i~ t (s. Fig. 9): Pinselstriehe werden an der rechten Vola manus, der Volarfli~ehe si~mtlicher

Finger, der Dorsalfl~che der 2. und 3. Glieder des 2. bis 5. Fingers und des End- gliedes des Daumens nieht gefiihlt. An dem iibrigen Dorsum manus und den Grund- gliedern aller Finger reehts besteht starke Hypi~sthesie, die im 5. Finger am st~rksten ist. An der Ulnarseite des rechten Vorderarmes werden Pinselstriche stets angege- ben, doch konstant erheblich schw~cher gefiihlt als an symmetrisehen Stellen des

96 H. Krueger:

linken Vorderarms, auch erheblieh schw~cher als vergleiehende Pinselberiihrungen an der Radlalseite des reehten Vorderarmes. Am rech~n Oberarm ist die Berfih- rungsempfindlichkeit normal.

Nadelstiehe werden in den an- und hyp~sthetischen Teilen der reehten Hand als stumpfer Druck empfunden, an der Ulnarfli~che des rechten Vorderarmes als spitz bezeiehnet, doch erheblieh schw~cher als an der Radialflache bzw. den symme- trisehen Teilen der linken oberen Extremit~t empfunden. Temperaturunter- schiede werden an der reehten Hand nieht empfunden, an der Ulnarflache des Vorderarmes nieht sieher und sehr sehwaeh geffihlt.

Das LokalisationsvermSgen ist an der reehten Hand, soweit Berfihrungen iiber- haupt empfunden werden, sehr sehlecht, an der fibrigen reehten oberen Extremitat

Fig. 9.

-normal. Das Vibrationsgefiihl ist an der rechten oberen Extremit~t, auch der Hand, erhalten, doch gegeniiber links, besonders distal erheblich abgesehw~cht. Passive Lagever~nderungen in den Fingergelenken reehts werden fast aussehlieg- lieh riehtig angegeben, doch erheblich schleehter geffihlt als links. Die Prfifung des stereognostischen Sinnes ergibt, dab kleine Gegenst~nde in der reehten Hand nicht

~erkannt werden, auch nicht ann~hernd beschrieben werden kSnnen, w~hrend die Erkennung links prompt effolgt.

Am Rumpf und an den unteren ExtremitEten bestehen ffir alle Empfindungs- qualit~ten normale Verh~ltnisse.

Die Prfifung der farado-cutanen Sensibilit~t ergab folgendes (s. Fig. 10).

Z u s a m m e n f a s s u n g : Eine Granatsplitterverletzung der linken Kopfse i te , d ie die vordere und h in te re W i n d u n g der R o l a n d o s c h e n

~Gegend in deren mi t t l e r em Dri t te f l t ra f , dabe i auch das un t e r e Schei te l -

l~ber Sensibilitatsst6rungen nach Verletzungen der Grol~hirnrinde. 97

l~ppchen l~diert haben dtirfte, hat auBer einer Sprachst6rung m~flige motorische Ausfallserscheinungen im Gebiete der rechten Hand, un- bedeutende im Gebiet der rechten unteren Extremit~t hervorgebracht. Daneben besteht An~sthesie, Ana!gesie und Therman~sthesie im gr6B. ten Tefle der rechten Hand, starke Herabsetzung fiir alle drei Quali- t~ten an deren iibrigen Partien sowie an der Ulnarfl~che des rechten Vorderarmes; betroffen shad also die Segmente C 7 und C s. Das Lo- kalisationsverm6gen ist an der Hand, soweit st~rkste Beriihrungen oder Stiehe iiberhaupt empfunden werden, sehr schleeht, sonst normal; das Vibrationsempfinden an der rechten oberen Extremit~t abge-

Fig. 10.

schw~cht. Das Lagegefiihl ist auch in den Fingergelenken rechts erhalten, doch herabgesetzt. Es besteht komplette Astereognosie rechts. Eine wesentliche Bewegungsunsicherheit ist nicht nachzu- weisen, nur die Sicherheit und Schnelligkeit der feineren Bewegungen hat gelitten. Am Rumpf und der rechten unteren Extremit~t sind sensible StSrungen nicht vorhanden, doch ist das Gefiihl fiir den fa- radischen Strom an der ganzen rechten KSrperhMfte herabgesetzt.

Fall 4. W. H., Maschinenbauer, geb. 31. III. 1893, stammt aus gesunder Familie, ist

~tets gesund gewesen. Keine Lues, kein Potus, kein NicotinmiBbrauch. Am 21. X. 1914 wurde dcr durch tiefen StreifschuB an der linken Kopfseite

Z. f. d. g. Psych. u. Neur. O. XXXIH. 7

98 H. Krueger:

verwundet. Er fiel bewuBtlos urn, erwachte nach 1 Stunde wieder und kroch zurfick. Das rechte Bein konnte er etwas bewegen, doch war die Kraft sehr gering, der rechte Arm war v~llig gelii~mt. 10 Tage sl~ter wurde er, angeblich wegen Eiterung, operiert und es wurde ein Knochenstiick entfcrnt. 10 Tage nachher begann die Bc- weglichkeit im rechten Arm wiederzukehren. Allm~hlich besserte sich die Motilit&t, so dab er jetzt nur noch fiber m~Bige Schw~che im rechten Arm klagt. Nicht ge- bessert hat sich das taube Gefiitd auf der rechten K6rperseite, auch schlafen die rechtsseitigen Extremit~ten h~ufig ein. Welter bekommt Pat. nach Anstrengungen leichtes Druckgefiihl in der Narbe.

B e f u n d : Auf der linken Kopfseite zieht, in der Scheitelmitte beginncnd, eine

Fig. 11.

10 cm lange Narbe schr~g nach hinten unten, deren Mitte etwa fiber dem linken Scheitelbeinh~cker eine markstiickgrol3e Impression des Knochens fiihlen lii~t. Die Tabula extema scheint zu fehlen, die Ta- bula intema vorhanden zu sein. Bei Husten und Pressen keine Vorw01bung. Die Lage der Narbe zum Sulcus centralis ist etwa folgende (s. Fig. 11 ).

N e r v e n s y s t e m : Hirnnerven: Pupil- len gleich, mittelweit, rund, reagieren prompt aui L. und C. Augenbewcgungen frei. V. Pinse]striche werden an der rcchten Wange gelegentlich ausgelassen, konstant an der rechten Gesichtsh~lfte yon dem Auge abw~rts schwi~cher geliihlt als an der linken; an der Stim besteht keine ])ifferenz. Nadelstiche werden im hyp~stlietischen Gebiet als stumpf emp-

tunden. Die iibrigen Hirnnerven sind normal Obere E x t r e m i t / i t e n . Muskeltonus rechts erh6ht. Triceps- und Radius-

periostreflex rechts gegeniiber links erheblich gesteigert. Die Muskulatur rechts sohlaffer als linl~, grobe Kraft rechts erheblich vermindert. Beim Fingernasenver- such rechts starkes Zittern und Danebenfahren, links gelingt er prompt. Ebenso starko Unsicherheit beim Versuch, mit der rechten Hand nach einem fasten Gegen- stand zu iassen, die bei AugenschluB erheblich zunimmt.

R u m p f: Bauchdecken- und Cremasterreflex symmetrisch ausl~sbar. Aufricli- ten mit verschriinkten Armen ohne Schwierigkeiten. Keine Druckpunkte.

U n t e r e E x t r e m i t i i t c n : Tonus symmetrisch, rcge]recht. Patellarreflexe beiderseits lebhaft, rechts etwas stiirker als links. Achil]essehnenreflexe etwa gleich. Kein FuBklonus, kein Babinski. Muskelvolumen rechts geringer a]s links, besonders am OberschenkeL Grobe Kraft in allen Gelenken herabgesetzt. Knie- hackenversuch links sicher, rechts erheblich unsicherer. Beim Gang leichte Un- sieherheit des rechten Beines.

S e n s l b i l i t ~ t (s. Fig. 12): An der rechten oberon Extremit/it werden Pinsel- beriihrungen meist ausgelassen, konstant an der Ulnarseite der Hand und des J~orderarmes. Vergleichende Striche werden rechts schwi~cher gefiihlt als links. An der rechten oberen Extremit~t ist die Ulnarseite der Hand, der 4. und 5. Finger, die Ulnarseite des Vorderarmes, volar wie dorsal fast v~llig an~thetisch, die Innen- fl~iche des Obcrarmes unempfindlicher als die AuBenseite. Nade]stiche werden an der ganzcn rechten oberen Extremitiit stets ais stumpf bezeiclmet, an der linken stets spitz gefiihlt. Kalt und warm werden an der Ulnarseitc der Hand, dem

Uber Sensibilit~itsstSrungen nach Verletzungen der Gro~hirnrinde. 99

4, und 5. Finger auch bei groBen Temperaturunterschieden nicht sicher unterschieden, Sonst verh~t sich die Temperaturempfindung wie die Tastempfinduug.

An der rechten Rumpfhglfte besteht eine sehr leichte Herabsetzung der Emp- findung fiir aUe Qualit~ten gegeniiber links.

An der rechten unteren Extremitgt werden Pinselstriche gelegentlich ausge- lassen, konst~mt werden sie am rechten Ober. und Untersehenkel sehwgeher gefiihlt als links, an den Zehen und dem Full besteht kein Unterschied. lqadelstiche werden an der rechten unteren Extremitgt, besonders dem Unterschenkel, nur selten als spitz empfunden; konstant werden vergleichende Nadelstiche als rechts sehwgcher bezeiehnet. Auch davon ist der FuB ausgenommen. Kalt und warm werden auch

Fig. 12~

an der rechten unteren Extremitgt riehtig unterschieden, doch sehwgcher empfma- den als an der linken unteren ExtremiSt .

Das LokalisationsvermSgen ist an beiden unteren Extremitgten und der linken oberen Extremitgt normal, an der rechten oberen Extremitgt stark gestfrt. Es kommen am Vorder- und Oberarm Fehler bis zu 20 cm vor. Das Yibrationsgeffihl an der rechten oberen Extremit~t erloschen, an der reehten unteren Extremitgt stark verkiirzt und abgeschwgeht. Passive Lagever~nderungen im rechten Hand- und in den rechtsseitigen Fingergelenken werden nicht erkannt; auch im rechten Ellen- bogengelenk sowie in den rechtsseitigen Zehengelenken k5nnen leichte Lagevergnde- rungen night ganz sicher angegeben werden. Das stereognostische Vermfigen ist rechts erloschen.

Die Priifung der farado-cutanen Sensibilit~t ergab folgendes (s. Fig. 13).

Z u s a m m e n f a s s u n g : E in t iefer StreifschuB des Sch~dels, de r yon der R o l a n d o s c h e n Gegend nach der Lage der f f ihlbaren Knochen- ver le tzung fas t ausschliel~lich die h in te re Zen t r a lwindung und auBer-

7*

100 H. Krueger:

dem noch den vorderen Teil des unteren Scheitell~ppchens, beides vor allem in der Armregion betroffen hat, fiihrte zu leichten moto- rischen Ausfallserscheinungen in der rechten oberen Extremit~t. Da- neben kam es zu einer starken rechtsseitigen Herabsetzung der Sensi- bilit~t, die an dem rechten Arm am st~rksten ist. Die Beriihrungs- und Temperaturempfindung sind im Ulnarteile der Hand und des Vorderarmes saint den zugehSrigen Fingern aufgehoben, in den iib- rigen Teilen der rechten o. E. stark herabgesetzt. Analgesie besteht in der ganzen rechten oberen Extremit~t. Die St6rung zeigt eine ausgesprochene Zunahme distalw~rts, auBerdem segmentale Grenz-

Fig. 18.

linien, insofern C s mad D I am st~rksten betroffen sind. Die Lokali- sation an der rechten o. E. ist stark gestSrt, das Lagegefiihl in den dista]sten Gelenken (Hand und Finger) erloschen, proximaler (Ellen- bogengelenk) abgeschw~cht. Das Vibrationsgefiihl ist aufgehoben, es besteht Astereognosie und erhebliche Hemiataxie. An der rechten Rumpfh~lfte, der rechten unteren Extremit~t mit Ausnahme des ~aBes und der rechten Gesichtsh~lfte yore unteren Augenlide abw~rts besteht diffuse Hyp~sthesie, Hypalgesie und Thermhyp~sthesie. Die Lokalisation zeigt keine nennenswerten Fehler, die Erscheinungen nehmen proximalw~rts zu, eine segmentale Begrenzung fehlt. Die

0ber Sensibilitatsstiirungen nach Verletzungen der Grol~hirnrinde. 101

Tiefensensibfliti~t is t nur wenig gestSrt , ebenso das Vibrat ionsgef t ihl . Die faxadische Sensibi l i t~t weist an der ganzen l inken KSrperse i te , ausgenommen die St i rn , eine He rabse t zung auf.

F a l l 5.

F. G., Exporteur, geb. 10. V. 1879, stammt aus nervengesunder Familie. Er war stets gesund, akquirierte aber vor 13 Jahren Lues, die mit 4 Injektionskuren behandelt wurde. Er hat seither angeblich nie syphilitisehe Erscheinungen geboten. Kein Potus, kein Nicotinmfl]brauch.

Am 21. XII . 1914 wurde er dureh Gewehrschul3 (Quersehl~ger) an der Hnken Kopfseite verwundet. Er fiel bewul~tlos urn, erwaehte nach kurzer Zeit wieder. Der rechte _Arm soll gel~hmt gewesen sein, das rechte Bein blieb normal. Unter Ffihrung konnte er zuriickgehen, wurde dann unter Ubelkeit und Erbrechen wieder besinnungslos. Ohne Operation trat zuerst Besserung ein, dann trat Fieber auf. Ende Januar 1915 st~rkeres Fieber, deshalb im Februar und M~rz Operationen, bei denen Knochensplitter entfernt wurden. Danaeh Heilung der Wunde. Kurze Zeit nach der Verletzung konnte er den reehten Arm wieder bewegen. Seit der Verletzung besteht starkes Taubheitsgeffihl in der rechten oberen Extremit~t, am sti~rksten jetzt noeh an der Kleinfingerseite der reehten Hand.

B e f u n d: Auf der linken Kopfseite befindet sich eine 7x/2 cm lange, bis 21/2 cm breite Narbe, die im linken Schli~fenwinkel der Haare etwa an der Coronarnaht be- ginnt und schr~g nach hinten und lateral zieht. Der grSBere Teil der Narbe ist stark vertieft. Oeim Husten und Pressen keine VorwSlbung. Druek auf die Mitre der / Narbe ist stark schmerzhaft. Die Lage der Narbe zum Suleus centralis ist etwa fol- gende (s. Fig. 14):

N e r v e n s y s t e m : Pupillen gleieh, mit- telweit, rund, reagieren prompt auf L. und C. Augenbewegungen frei; beim Seit- w~rtsblick in den Endstellungen leichte nystagmoide Zuekungen (m~ige Myopie). V. Pinselstriche werden stets gefiihlt, doeh konstant auf der ganzen rechten Gesiehts- h~lfte sehw~cher empfunden als links; das gleiche gilt fiir Nadelstiche. V I I - - X I I Fig. 14. intakt.

Obere E x t r e m i t ~ t e n : Muskeltonus symmetriseh, regelrecht. Anconaeus-, Supinatorph~nomen rechts etwaq sti~rker als links. Grobe Kraft rechts etwas herab- gesetzt, Motilitat intakt. Fingernasenversuch links prompt, reehts deutliche Un- sicherheit.

R u m p f: Bauehdeeken-, Cremasterreflex etwa symmetrisch auslSsbar. Auf- richten mit verschr~nkten Armen ohne Schwierigkeiten. Keine Druckpunkte.

U n t e r e r E x t r e m i t ~ t : )/Iuskeltonus rechts erhSht. Patellar- und Achilles- sohnenreflexe reehts lebhafter als links. Kein FuBklonus. Bei Reizung der FuBsohle links deutliche Plantarflexion aller Zehen, reehts Plantarflexion der 2. bi~ 5. Zehe, wi~hrend die gro~e Zehe stehenbleibt. Grobe Kraft rechts etwas abgeschwacht, besonders bei Bewegungen im Hiiftgelenk. Kniehaekenversueh rechts etwas zS- gernd, doeh ohne wesentliches Danebenfahren.

102 H. Krueger:

S e n s i b i l i t ~ t (s. Fig. 15): Pinselberiihrungen werden an beiden oberen Extremit~ten stets angegeben;

w~hrend sie aber links als Pinselstriche erkannt werden, erzeugen sie rechts nut ein Druckgefiihl und werden sehw~eher als links gefiihlt. Am sehw~chsten ist das Ge- ffihl an der Ulnarseite der rechten Hand; am Vorderarm ist das Tastgefiihl an der Ulnarfl~che sehw~cher als radial, am Oberarm ist das Gefiiht an der Innenfl~che kitzlieher, dabei aber schw~eher und undeutlicher als an der Aul3enfl~che. l~adel- stiehe werden an der Ulnarseite der reehten Hand und dem 4. und 5. Finger nicht immer als solche erkannt. Konstant werden vergleichende Sehmerzreize an der reehten oberen Extremit~t als schw~eher als links bezeiehnet; aueh fiir sie ist das Gefiihl an der Ulnarflaehe des Vorderarmes, der Ulnarseite der Hand und der Innenfl~che des Oberarms am meisten abgestumpft. Temperatumnterschiede

Fig. 15.

werden bei m~Bigen Differenzen an der Ulnarseite der Hand und des Vorderarms und den beiden u]narsten Fingem gelegentlich ausgelassen. Im fibrigen bestehen Differenzen wie fiir die Schmerzempfindung.

Am Rumpf werden Pinselberiihrungen, Stiche und Temperaturuntersehiede reehts konstant sehw~cher als links gefiihlt. Am st~rksten ist die Herabsetzung in den um die AehselhShle liegenden Teilen der Brust und des Riiekens; hier ist das Gefiihl am undeutliehsten, zugleieh am kitzliehsSen.

An der reehten unteren Extremit~t werden Pinselberiihrungen stets angegeben, doch erzeugen sie anBer am FuBe nut ein leiehtes Druekgefiihl. Vergleiehende Pin- selstriehe werden an der reehten unteren Extremit~$ sehw~cher als an der linken ge- fiilflt; besonders groB ist der Unterschied am Obersehenkel. Konstant werden Be- riihrungen an der Innen- und Vorderflaehe des reehten Obersehenkels and Unter- schenke]s sehwaeher als an der Aul]en- und Hinterfl~ehe gefiilflt, am Dorsum pedis sehwacher als an der Planta. An der linken unteren Extremit~t besteht keine der-

Uber Sensibflitlttsst(irungen nach Verletzungen der Gro[~hirnrinde. 103

artige Differenz. l~adelstiche werden auch an der rechten unteren Extremiti~g stets angegeben, doch erheblich schwiicher als links gefiihlt. Temperatumnterschiede werden bei m~Bigen Differenzen an der u des rechten Unterschenkels nicht sicher erkannt, im iibrigen besteht diffuse Herabsetzung des Temperaturge- fiihls an der rechten unteren Extremitiit. Schmerz- wie Temperaturempfindung sind besonders herabgesetzt an der u des Ober- und Unterschenkels.

Die Lokalisation ist an der ganzen rechten KSrperseite erheblich unsicherer als an der finken. Besonders grol3 ist die Unsicherheit an den proximaleren Teilen der rechten oberen Extremit~t. Es kommt vor, dab Beriihrungen in der Mitre des rechten Oberarmes auf der rechten Brustseite lokalisiert werden. Das Lagegefiihl ist in Finger- wie Zehengelenken intakt. Das u ist auch an der rech- ten KGrperseite erha]ten, doch erheblich schwi~cher und kiirzer als finks. Pat. spiirt alle Gefiihlsqualit~ten auf der rechten Seite verspiitet, besonders Temperatur- reize. Der stereognostische Sinn ist erhalten.

Die Priifung der farado-cutanen Sensibilit~t ergibt folgendes (s. Fig. 16).

Fig. 16.

Z u s a m m e n f a s s u n g : Eine durch Knocheneiterung komplizierte Verletzung der Sch~deldecke, die die linksseitige vordere und hintere Zentralwindung in H6he der Grenze zwischen oberem und mitt lerem Dritteil betroffen hat, fiihrt zu leichten mo~orischen St6rungen der rechtsseitigen Extremiti~ten. Daneben bestehen im Verh&ltnis zu den motorischen Ausfallserscheinungen viel erheblichere sensible Stf- rungen, die die gesamte Obeffl&chenempfindung, das Vibrationsgefiihl und die farado-cutane Sensibilit~t der ganzen rechten Seite betreffen, das Lagegefiihl dagegen freilassen. Die StSrung nimmt an der rechten

104 H. Krueger:

oberon E x t r e m i t a t d i s ta l deu t l ieh zu, an der reeh ten un te ren E x t r e m i - t a t wird die S tSrung a m Obersehenkel , d . h . p rox imal , k o n s t a n t a ls a m s t~rks ten angegeben. A m meis ten geseh~digt s ind die S e g m e n t e :

C s und D 1 und L ~ - - L 5. F i i r alle Qual i t~ ten der Oberfl~ehensensibi l i tKt, besonders abe r den Tempera tu r s inn , bes t eh t ve r l angsamte E m p f i n - dungsle i tung. Das Loka l i sa t ionsvermSgen i s t rechterse i t s schwer ge - sch~digt , a m Arm, besonders in dessen p rox ima le ren Teilen, m e h r a ls a m Bein. Der s tereognost ische Sinn h a t n ieh t ge l i t ten . Es b e s t e h t deut l iehe H e m i a t a x i e de r reeh ten oberen E x t r e m i t ~ t .

F a l l 6.

Ph. S eh., Graveur, geb. 18. VI. 1877, stammt aus gesunder Familie und ist nicht ernstlich krank gewesen. Mit 20 Jahren GonorrhSe. Keine Lues, kein Potus, kein NicotinmiBbranch.

Am 4. I. 1915 wurde er dureh Gewehrschul~ an der reehten Kopfsei~ verwun- dot. Er wurde nieht bewuStlos, konnte allein ein Stfiek Weges zurfickgehen. Als erstes fiel ihm auf, dal3 das Gefiihl an der linken K6rperhalfte vSllig tanb war, w~arend die Bewegliehkeit der Glieder unversehrt blieb. Er wurde zuerst nur verbunden, am 7. I. aber operiert; es sollen Knoehensplitter entfernt worden sein. Kein Fieber, keine Eiterung. Aueh damals intakte Motilitat, nur Taubheitsgeffihl an der linken KSrperseite. 4--5 Tage naeh der Operation sank er morgens beim Aufstehen zusammen; er war linksseitig gelahmt, das Taubheitsgeffihl hatte bis zu vSlliger Empfindungslosigkeit zugenommen. Naeh 4 Wochen besserben sieh die IAiJhmungserscheinungen, zuorst distal. Naeh erneuter Operation am "27. HI. , bei der Knochensplitter entfernt wurden, weitere Besserung. 7 Wochen sparer Heilung der Wunde.

B e f u n d : An der Grenze yon Hinter- und Mittelkopf rechterseits etwa "2 cm

Fig. 17.

yon der Mittellinie entfernt eine 4 cm lange, bis 3 cm breite Impression, fiber der zum Toil eine reaktionslose Narbe liegt. Bei Husten und Pressen Vorw61bung einer in der Mitte gelegenen pfennigstfick- grol3en Stelle. Die Lage der ~arbe zum Sulcus centralis ist etwa folgende (siehe Fig. 17).

N e r v e n s y s t e m: Pupillen gleich, mit- telweit, rund, reagieren prompt auf L. und C. Augenbewegungen frei; leiehte nystagmoide Zuekungen beim Bhek seit- warts. V. Sensibilitat ffir alle Qualitaten intakt. Kanmuskulatur normal. VII bis XI I intakt.

Obere E x t r e m i t a t e n . Tonus links in geringem Grade erhSht. Triceps-, Radiusperiostreflex links etwas starker als reehts. Motilitat intakt, Kraft links in

geringem Grade herabgesetzt. Fingernasenversueh ohne Danebenveffahren. R u m pf: Aufriehten mit versehrankten Armen ohne Sehwierigkeiten. Bauch-

decken Cremasterreflex symmetrisch anslSsbar. Keine Dmekpunkte.

~ber SensibilitatsstSrungen nach Verletzungen der Gro~hirnrinde. 105

U n t e r e E x t r e m i t ~ t e n : Tonus etwa symmetrisch, normal. Patellar-, Achillessehnenreflex symmetrisch, lebhaft. Kein FuBklonus. FuBsohlenreflex beiderseits plantar, links erheblieh stumpfer. Motilitgt intakt, grebe Kraft links spurweise herabgesetzt. Zehenbewegungen links etwas langsamer als reehts. Knie- haekenversuch ohne Danebenverfahren. Romberg 0. Gang ohne Besonderheiten.

S e n s i b i l i t g t (s. Fig. 18). Pinselstriehe werden am ganzen K5rper prompt angegeben, aaeh leichteste

stets richtig erkannt. Vergleichende Pinselstriche an symmetrisehen Stellen ergeben keine Differenzen. Nadelstiehe werden auch an der linken KSrperh~lfte geffihlt, doeh weniger sieher als rechts erkannt, besonders am Rumpf vonder 6. Rippe ab- w~r~s und an der linken unteren Extremitgt. Am linken FuBrficken ist die Schmerz- empfindung am schlechtesten, leiehte Stiche werden 5fter ausgelassen oder als Druck

Fig. 18.

bezeichnet. Am st~rksten ist die Hypalgesie an der Vordeffl~ehe des Ober-, der Innenfl~ehe des Unterschenkels und dem FuBrficken. Kalt und warm werden an der linken unteren Extremit~t bei m~Bigen Differenzen h~ufig verweehselt, besonders auf dem linken FuBrficken; aueh an den unteren Partien des Rumples etwa bis zum Rippenbogen werden Temperaturunterschiede links erheblieh sehw~- eher gef:fihlt als reehts. Darfiber und an der oberen Extremit~t besteht kein sieherer Seitenuntersehied.

Die Lokalisation yon Berfihrungen und Stichen ist auf der ganzen linken Seite erheblieh unsicherer als auf der reehten; an der linken unteren Extremit~t sind die Fehler besonders erheblich. Das Vibrationsgeffihl ist auf der ganzen linken Seite erheblieh abgesehw~ht und verkfirzt, fiber dem linken Unterschenkel und am linken FuB erlosehen. Das Lagegeffihl ist intakt.

Die Prfifung der farado-cutanen Sensibilit~t ergibt folgendes (s. Fig. i9).

106 H, Krueger:

Z u s a m m e n f a s s u n g : Eine Verletzung fiber der rechten Kopf- seite, die die Rolandosche Gegend im oberen Dritteil, dabei aus- schlieBlieh den Gyus centralis posterior getroffen hat, bewirkt an sich keine motorisehen StSrungen, sondern nur halbseitige Empfindungs- stSrtmg in der gegenfiberliegenden KSrperh~lfte. Die einige Zeit naeh der Verletzung eingetretenen Motilit~tsstSrungen mfissen als Fern- symptome einer Knocheneiterung angesehen werden und sind heute wieder fast vSllig geschwunden. Die StSrung der Oberfl~ehenempfin- dung l~flt das Trigeminusgebiet frei. An der fibrigen KSrperhi~lfte ist sie in der Weise dissoziiert, dal3 die Bertihrungssensibilit~t, soweit

Fig. 19.

prfifbar, verschont ist. Schmerz- und Temperaturgeffihl sind gleich- mi~llig ergriffen und am sti~rksten an der linken u. E. gestSrt, an der wieder eine deutliehe Versti~rkung distalwi~rts naehzuweisen ist. Am sti~rksten betroffen sind die Segmente L2--L 6. Am linken Arm ist weder eine distale Versti~rkung noch eine Segmentierung naehweisbar. Das Vibrationsgeffihl ist am linken Ful3 und Untersehenkel fast auf- gehoben, an der fibrigen linken KSrperhi~lfte verkfirzt; das Lagegeffihl ist intakt. Wesentliche Bewegungsunsicherheit besteht nicht. Die Prfifung der farado-eutanen Sensibiliti~t ergibt eine deutliche Differenz zuungunsten der linken Seite.

Uber Sensibflitatsst(irungen nach Verletzungen der Groi~hirnrinde, 107

F a l l 7.

J. E., Tisehler, geb. 3. XII. 1891, ist erblieh dureh Geisteskrankheit des Vaters belastet. Er selbst war stets gesund. Keine Lues, kein Potus, kein Nicotinmi[l- braueh.

Am 19. IX. 1914 wurde er dureh einen Granatsplitter an der reehten Kopfseite verwundet. Er war 10 Minuten bewul3tlos, konnte, als er erwaehte, beide Beine nieht bewegen, der linke Arm war sehr sehwaeh. Noeh am gleiehen Tage erholte sieh das reehte Bein, der linke Arm erlangte innerhalb der niichsten 4 Woehen seine a r e Kraft wieder. Am 5. X. 1914 wurden Knochensplitter entfernt, die Kopfwunde heilte sehnell zu und das linke Bein besserte sieh in den proximaleren Gelenken, wi~hrend in dem linken FuB- und den Zehengelenken die Beweglichkeit mangelhaft blieb. Unter der linken Fullsohle spiirt Pat. seither lebhaftes Brennen. Gelegent- lieh treten heute noeh Kopfsehmerzen auf.

B e f u n d : Anf dem reehten Mittelkopf, etwa 3 cm yon der vorderen Spitze der Lambdanaht entfernt, eine 5 em lange, bis 11/~ cm breite Narbe, die naeh vorn und auBen zieht und deren hinterer Pol etwa 2 cm yon der Mittellinie entfernt ist. Im vorderen Teil der Narbe ein 31/~ em langer Knoehendefekt. Bei Pressen ] und Husten geringe VorwSlbung sichtbar. Narbe reaktionslos. Die Lage der Narbe zum Suleus centralis ist etwa folgende (s. Fig. 20).

N e r v e n s y s t e m: Pupillen gleich, mit- telweit, rund, reagieren prompt auf L. und C. Augenbewegungen frei. V, Leiehte Pinselstriehe werden an der linken 8ehl~fe und Stirnh~ffte sowie der Gegend unter dem linken Auge nieht gefiihlt, in den iibrigen Gesiehtsteilen links sowie der ganzen rechten Gesichtshiflfte prompt angegeben. Nadelstiehe werden in dem be-

Fig. 20.

schriebenen Gebiet ebenso wie im iibrigen Gesieht stets riehtig angegeben, doeh konstant sehwi~eher als in den iibrigen Teilen gefiihlt. Kaumuskulatur intakt. VII bis XI I intakt.

Obere E x t r e m i t ~ t e n : Tonus normal. Anconaeus- und Radiusperiost- reflex links etwas stiirker als reehts. Motiliti~t und grobe Kraft etwa symmetriseh normal. Fingernasenversueh ohne Sehwanken.

R u m p f : Bauchdeckenreflex reehts erheblich starker als liners. Cremaster- reflex symmetriseh auszuliisen. Anfrichten aus der Riiekenlage ohne Sehwierig- keiten. Keine Druekpunkte.

U n t e r e E x t r e m i t ~ t e n : Leichte Spasmen links. Patellarreflex beiderseits lebhaft ohne siehere Seitendifferenz. Aehillessehnenreflex reehts lebhaft, finks klonisch gesteigert. FuBklonus links ad infinitum vorhanden, reehts nieht auslSs- bar. FuBsohlenreflex reehts plantar, finks geht die groBe Zehe langsam plantar und nach innen, die fibrlgen Zehen, besonders die 2. und 3. gehen dorsal. Motilit~t im linken Hiift- und Kniegelenk normal. Die Plantarflexion im Full- und den Zehengelenken ist links schwaeh vorhanden, die Dorsalflexion fehlt, reehts sind beideBewegungen normal ausfiihrbar. Die grobeKraft derlinkenunteren Extremi- t~t ist stark herabgesetzt. Der Kniehackenversueh erfolgt links ziemlich unsieher, rechts prompt.

108 H. Krueger:

S e n s i b i l i t ~ t (s. Fig. 21): An der linken oberen Extremit~t werden leichte Pinselstriche zu gleichen Teilen ausgelassen und angegeben. Vergleichende Striche werden links stets schw~eher als reehts empfunden, dabei als Kitzelgefiibl bezeich- net, reehts als Pinsels$rieh. Am linken 0berarm werden Pinselberiihrungen an der Innenfl~ehe sehw~cher als an der Auflenfl~che gefiiblt. Am Vorderarm und der Hand bestehen keine derartigen Unterschiede. ~adelstiehe werden an der llnken oberen Extremit~t stets rlchtig angegeben, dabei am linken 0ber- und Vorderarm sehw~cher gefiihlt als reehts; an den H~nden besteh~ keine derartige Differenz. Kalt und warm werden bei mi~fligen Differenzen links erheblieh unsieherer unter- sehieden als reehts.

Auf der ganzen linken Rumpfseite werden Pinselberiihrungen nur gelegentlieh

Fig. 21.

richtig angegeben. Nadelstiche werden am ganzen Rumpf erkannt, doch finks sehwacher gefiihlt als reehts; dasselbe gilt yon Temperaturdifferenzen.

An der linken unteren Extremitat werden leiehte Pinselberiihrungen stets aus- gelassen. Nadelstiehe werden finks meist nieht erkannt, haufig iiberhaupt nieht empfunden. Dabei gibt Pat. an, dab er bei Stiehen in die links Planta pedis wohl die Zuekungen, die dureh sic ausgelSst wurden, verspiire, nieht aber die Stiche selbst. Vergleichende starke Striehe und Nadelstiche werden links an der Aul3en- und Hin- terflaehe des Obersehenkels, der Aui3enflaehe des Untersehenkels und dem I%B- riicken konstant starker gefiihlt als an den entgegengesetzten Teilen der linken oberen Extremitiit. Kalt und warm kann bei mafligen Differenzen an der linken unteren Extremitat nieht untersehieden werden; bei sti~rkeren Differenzen wird die Unterseheidung distal immer schleehter, an der Planta pedis wird sic unm6glieh.

Das LokalisationsvermSgen fiir alle Qualitaten der Oberflaehensensibilitat ist links erheblieh ungenauer als reehts. Das Lagegefiihl an der oberen Extremiti~t ist intakt; an der linken unteren Extremitiit werden passive Lageveri~nderungen in

Uber Sensibilit~tsst6rungen nach Verletzungen der Grol~hirnrinde. 109

dem Full. und den Zehengelenken nicht gespiirt, im linken Kniegelenk prompt angegeben; rechts ist das Lagegefiihl iiberall normal. Das Vibrationsgefiihl ist an der linken unteren Extremit~t aufgehoben, an der rechten unteren Extremit~t wie an beiden oberen Extremit~ten normal. Der stereognostische Sinn ist unge- stSrt.

Die Priifung der farado.cutanen Sensibilit~t ergibt folgendes Resultat (siehe Fig. 22).

Z us a m me nf ass u ng: Eine Granatsplitterverletzung der rechten Kopfseite, die beide Zentralwindungen in der Gegend der unteren Beinregion betraf, fiihrte neben erheblieher Parese der linken unteren

~g

Fig. 22.

Extremit~t zu halbseitigen sensiblen StSrungen. Die Oberfli~chen- sensibilit~t aller Qualit~ten ist am st~rksten am linken Bein, weniger am linken Arm und der iinken Rumpfh~lfte, am wenigsten in der linken Gesichtsh~lfte gestSrt, wo das Gebiet des III . Trigeminusastes ffei- geblieben ist. W~hrend an der linken u. E. die StSrung distalw~rts deutlich zunimmt, ist an der linken o. E. die StSrung proximal am st~rksten. Am schwersten betroffen sind die Segmente L~--S~ am Bein und D 1 an der oberen Extremit~t. Die Lokalisation der Haut- empfindung ist an der hyp~sthetisehen K6rperseite deutlieh unsicherer, das Vibrationsgefiihl an der linken u. E. aufgehoben. Ebenso werden passive Lagever~nderungen in den linksseitigen Zehengelenken und

110 II. Kruoger:

,lent FuBgelenk nicht erkannt. Die fara~lo-cutane Sensibilitat ist in gleicher Wei~ wie ,lie ()bcrfliichcnsensibiliLiit gc~t6rt. Es besteht leichte Hemiataxie in der rcchten untercn Extremitiit.

F a l l 8.

A. ~eh.. I~mdwirt, geb. 6. IV. 188fi, Ktammt aus g,~under Familie. Er ist an Rippenfell- und Herzbeutelentziindung erkrankt geweoen. Keine Lues, kein Potu~, kein NicotinmiBbraueh.

Am 28. X. 1914 wurde er dutch (;ewelirgeschofJ iiber th.r linkcn Kopfs~.ite vcr- wundet. Er fie] bc~all3tlos um, erwachte nach 2 Stunden wieder, wurde abends zuriiektmnsportiert, da er nicht allein gehen konnte. I)ie ~ehts.,~.iti/.{en Extrt,mit.zL- ten war~.n unbeweglieh, die Sprache war ungest6rt. Nach einigen Tagen Operation, bei tier Knochensplitter entfemt wurden, l':inige Stunden danach begaxm die Jk'- wegliehkeit des la~ehten Arlnes witMerzukehren; naeh 6 Woehen konnte er wi~Mer sehrciben. 2---,3 Tage naeh der Operation begann a~leh clic Beweglichkcit des reehten Beines wiederzukehren. Heute ist nacil .,~einer Angabc der rt.ehte Arln |x~.in&he nor- mal, dM reehte Bein erheblich sehwiieher. Das Gefiihl auf der rvehten ~.ite ist seit ,ler Verletzung erhcblieh tauber sis links.

B e f u n d : Auf der linken Kopf.~.ite eine 6 em lange, bis l l / t cm breitc Narh., die naim tier Mittellinie handbreit vor dcr

---': ~ - . _ - . .

F i g . ~ t .

ab. Sonst Himnerven normal.

Spitw dcr LampdanM~t beginnt und schriig nacii vorn und aul~.n in der Richtung attf den linken SehlMenwinkel ~ieht. Etwa in ihrer Mitte k~steht ein, 4 em lange, I t,'s cm bn.ite, etwa aft cm tieh: Knoehenimprvs- sion. RAnder glatt, Narl,, reaktiotmh~s. Die Lage der Narbc, zum Sulcus eentralis ist etwa folgende (s. Fig. 23).

N e r v e n s y s t e m : I~:ic},t~r angel~wt.- ner Strabismus diw, rgens sinister. Pupilh.n glcieh, mittelweit, fund, reagieren prompt auf L. und (7. Augcnb~.wegungen f,.i. V. Pin.,~.lstrielw werd,,n l,.idcrs~.its gcfiihlt. ksin Unterschi~! dcr ~.iten-Nadelstiche wcrth, n rcchts sis stumpf angegcben, links rvgelrt.eht gefiihlt. Facialis innerviert in Ruhc und bei ] k ' w e g ' l l n g e ' I I 8ynlnlctriseh, Ztlnge weieht S l n l r w e i . ~ naeil I '~ 'e | l t .'4

Obere E x t r e m i t i i t e n : Tonus r~.gelrecht. Anconaeus- und ,SupinaU,r- phgnomen etwa symmetrisch at~zuli~m. Grobe Kraft gut, links etwaa be~wr als ~chts. Fmgemas~.nversueh ohne Unsicherheit; dagegen wird dic~lbe h~im (;reifen mit r a s h vcriindertcr Zielrichtung recht~ deutlieh. Starker f,.i1~ehi/~iger statiseher Tremor dcr n,cllten Hand.

R u m pf: Aufrichten mit verschr/inktcn Armen ohne ,'~.'hwierigkeit. Ihucil- decken, un,l Cn.ma.~terrvfh, x ~eilts erheblieli sehwitcher sis links. Kei.ne Druek- punkh,.

U n t e r e E x t re mi t A t e n: ?,Iuskeltonus rcchts etwa.,* erhoht. Patellarreflex n.ehta deutlieh gestcigert. Aehillt~,ssehnenreflex reeilts khmisch gosteigert; links normal. FuBkhmus rt.eMs ad infinitum, links nieht vorhanden. Fullsohlenreflex: links deutliehe Plantarflexion slier ~.h,.n, , .ehts geht die grebe Zehc ganz ]angssm

0bet Sensibilitlttsstsrungen nach Verletzungen der Groi~hirnrinde. 111

plantarw~rts, wKhrend die 2. und 3. Zehe langsam dorsalw~rts gehen. Motillti~t auch rechts intakt; Kraft rechts etwas verringert. Zehenbewegungen rechts er- heblich langsamer als links. Kniehackenversuch beiderseits ohne Unsicherheit, doch kann mit dem rechten Bein kein Kreis in der Luft besehrieben werden, was links prompt gelingt. Bei Augen-Full-SchluI~ leichtes Schwanken nach allen Seiten. Gang mater leichter Schonung des rechten Beines.

S e n s i b i h ' . ~ t (s. Fig. 24). An der linken oberen Extremit~t werden Pinselberiihnmgen stets prompt

angegeben. An c er rechten oberen Extremit~tt wird Pinselstrich am Ober- und Vorderarm gelegeLtlich ausgelassen, ebenso an der rechten Hand. Konstant werden vergleichende Pinselstriche an der rechten oberen Extremit~t erlieblich schwiicher

Fig. 24.

gefiihlt als an der linken. Dabei ist der Untevschied bei vergleichenden Beriihrungen an der Ulnarseite der Hand und des Vorderams sowie der Innenfli~che des Ober- arms grS~er als an den iibrigen Teilen. An den genannten Stellen werden Beriih- rungen auch schw~cher empfunden als an der Radialseite bzw. AuBenfl~che; be- sonders ausgepr~gt ist diese Differenz am Oberarm zuungunsten der Innenfl~che. Die Schmerzempfindung verh~lt sich genau wie das Tastgefiihl. Nadelstiche werden dabei an der Innenflache des rechten Oberarms als stumpf bezeichnet. Kalt und warm werden an der Ulnarseite der rechten Hand mad des Vorderarms, an der Innenfl~che des Oberarms erheblich schw~cher empfunden als links. An der Radial- sere yon Hand und Vorderarm bestehen keine sicheren Differenzen.

An der rechten Rumpfh~lfte werden Pinselstriche hi~ufig ausgelassen, links prompt angegeben. Nadelstiche werden an der rechten Rumpfh~lfte hi~ufig als stumpf bezeichnet, Temperaturunterschiede bei m~Bigen Differenzen nicht gemacht. Zonen sind nicht abgrenzbar.

112 H. Knteger:

An der linken unteren Extremit~t werden Pinselstriche stets gefiihlt; am rechten Ober- und Untersehenkel werden sie teilweise ausgelassen, am rechten Fu6 fast stets ausgelassen. Vergleichende Striehe werden rechts konstant sehw~eher gefiihlt als links. Vergleichende Ber'tihrungen an der rechten unteren Extremit~t ergeben, dab das Dorsum pedis unempfindlicher ist als die Planta, die Vorder- und Innenfl~che des rechten Unterschenkels unempfindlicher als die Auflen- und Hinterflache ist; am sehleehtesten ist die Beriihrungsempfindung fiber dem reehten Schienbein. Die Vorder. und Innenfl~ehe des reehten Obersehenkels ist unempfind- lieher als die Hinterfl~che. An der linken unteren Extremit~t werden derartige Unterschiede stets verneint. Nadelstiche werden an der rechten unteren Extremit~t meist als stumpf angegeben, besonders wieder an Vorder- und Innenfl~iehe des

3,3 8,O Fig. 25.

Ober- und Untersehenkels und dem FuBriicken. Kalt und warm werden bei miLgi- gen Unterschieden an der Vorder- und Innenflaehe des reehten Ober- und Unter- schenkels rechts sehw~cher gefiihlt als links. An den iibrigen Teilen der rechten unteren Extremit~t bestehen die gleichen StSrungen nicht.

Das LokalisationsvemSgen ist an der rechten oberen Extremit~t sehr ungenau; es kommen Fehler bis zu 12 em vor. An tier reehten unteren Extremit~t sind die Lokalisationsfehler nieht so erheblieh, doeh wesentlieh gr6Ber a]s an der linken KSr- perh~lfte. Das Lagegefiihl ist im wesentliehen intakt, das Vibrationsgefiihl auf der ganzen rechten Seite erlosehen. Kleine Gegenst~nde werden aueh in der reehten Hand erkannt, doeh erheblich zSgernder und unsicherer als in der linken.

Die Prfifung der farado-eutanen Sensibilitat ergibt folgendes (s. Fig. 25).

Z u s a m m e n f a s s u n g : E ine tiefe StreifschuBverletzung an der

l inken Schadelh~lfte, die die R o l a n d o s c h e Gegend dicht a n der

Uber SensibilitiitsstSrungen nach Verletzungen der GroBhirnrinde. 113

Sagittallinie getroffen hat, dabei in e twa gleicher Ausdehnung fiber der pr~- und postzentra len Windung liegen dfirfte, ha t zu einer m~13igen Parese des rechten Beines geffihrt. An diesem besteht daneben eine sel~r s tarke t Ie rabse tzung der Tast-, Schmerz- und Tempera tur - empfindung, die distal sti~rker wird und am FuBrficken in vSllige Unempfindl ichkei t fibergeht. Dabei sind die Segmente L ~ - - L 5 am meisten gesch~digt. An der rechten oberen Extremi t~t besteht eine geringere Herabse tzung der Oberfl~chensensibilit~t aller Qualit~ten, die am Oberarm, mi th in proximM, am st~rksten ist, im fibrigen die Segmente C s und D z am schwersten betrifft. An der rechten Rumpf - und Gesichtsh~lfte besteht ein leichterer Grad yon Hyp~sthesie usw. Das Lokalisat ionsvermSgen yon Hautre izen ist sehr erheblich am rech- t en Oberarm, etwas weniger an der ganzen fibrigen rechten KSrper- s e r e gestSrt. ])as Vibrationsgeffihl ist an den rechtsseitigen Extremi- t~ten erloschen, das Lagegeffihl an der rechten oberen Ext remi t~ t vSllig, an der rechten unteren Extremiti~t anni~hernd intakt . Es be- s teht leichte Bewegungsunsicherheit der rechtsseitigen Extremit~ten, mehr der un te ren als der oberen. GrSbere stereognostische StSrungen fehlen. Das Gefiihl ffir den faradisehen St rom zeigt eine halbseitige Herabsetzung rechts.

Fal l 9.

W. K., Landwirt, geb. 8. II. 1888, stammt aus gesunder Familie und ist hie ernstlich krank gewesen. Keine Lues, kein Potus, kein Niootinmil~brauch.

Am 7. IX. 1914 wurde er durch Gewehrschul3 am rechtenMittelkopf verwundet. ~ach kurzer Bewul~tlosigkeit konnte er mit Unterstiitzung zuriickgehen, schleppte dabei das linke Bein nach. ~ach 4 Wochen war die Wunde glatt verheilt, eine Operation land nicht start. Das linke Bein soil zuers~ v.Sllig unbeweg]ich gewesen sein; nach 14 Tagen begann die Bewegungsf~higkeit wiederzukehren; der Zustand besserte sich langsam, so dab die linke untere Extremiti~t heute nur noch etwas schw~cher uls die rechte ist. Im linken Arm bestand niemals Schw~che. Seit der Verletzung schlafen dera Pat. hi~ufig die Beine ein, besonders das linke, aui~erdem besteht in diesem Kribbelgefiihl. Eine Ge, fiihlsabstumpfung is~ dem Kranken nicht zum Bewul3tsein gekommen.

Be fund : Auf der rechten Mittelkopf- seite, etwa z/2 cm yon der Sagittallinie entfernt eine fiinfpfennigstiickgrofle Im- pression, die gerade in der Verbindungslinie beider oberen Ohrmuschelansiitze liegt. Von derselben ausgehend eine 6 cm schr~g nach vorn, eine 3 cm schr~g nach hinten ziehende oberflachhche Hautnarbe. Bei Husten und Pressen VorwSlbung an der Impressionsstelle. Die Lage der ~arbe zum Sulcus centralis ist etwa folgende (s. Fig. 26),

z. f. d. g. Neur. u, Psych. O. XXXlII. Fig. 26.

8

114 H. Krueger:

N e r v e n s y s t e m : Pupillen gleieh, mittelweit, rund, reagieren prompt auf L. und C. Augenbewegungen frei. Im Gebiet des N. trigeminus vSllig normale Sen- sibiliti~t und 1Kotilitat. VII bis XII intakt.

0be re E x t r e m i t ~ t e n : Tonus und Reflexe symmetrisch normal. Grebe Kraft linkerseits etwas vermindert. Fingernasenversuch beiderseits ohne Schwan- ken oder Danebenfahren. Leiehter statischer Tremor beiderseits. Lagegefiihl intakt.

R u m p f : Bauehdeeken- und Cremasterreflex symmetriseh sehwaeh auszu- 16sen. Aufriehten mit versehr~nkten Armen ohne SehwierigkeRen. Keine Druek- punkte.

Un te re E x t r e m i t ~ t e n : Muskeltonus etw~ regelreeht. Patellarreflex beiderseits sehr lebhaft, /inks starker als reehts. Aehillessehnenph~tnomen reehts

Fig. 27.

normal, links kloniseh gesteigert. Ful]klonus reehts nieht vorhanden, links ad infinitum. Ful]sohlenreflex" beiderseits Dorsalflexion der grol3en Zehe, links aus- gesprochener als rechts. Motilitgt in allen Gelenken intakt, grobe Kraft links er- heblich vermindert. Zehenspiel links langsamer als rechts. Kniehaekenversuch links erheblieh unsieherer als reehts.

Sens ib i l i t~ t (s. Fig. 27): An den oberen Extremit~ten werden Pinselstriehe, Nadelstiehe und Tempera-

turuntersehiede stets riehtig angegeben, lokalisiert und symmetriseh gefiihlt. Vibrationsgefiihl intakt.

Am Rumpf werden alle Oberfli~chenreize stets riehtig erkannt, doeh bei ver- gleiehender Priifung der Seiten yore Rippenbogen abw~rts links erheblich schw~cher gefiihlt als rechts.

An der ganzen linken unteren Extremit~t werden Pinselstriehe h~ufig ausge- ]assen, besonders hgufig am linken FuBriicken. Vergleichende Pinselstriche werden

(~ber SensibilitatsstSrungen nach Verletzungen der Gro~hirnrinde. 115

an der linken unteren Extremit~t stets schw~cher gefiihlt als an der rechten, we sie stets erkannt werden. Nadelstiehe werden auch an der ]inken unteren Extremit~t stets erkannt, doch erheblich schwgcher gefiihlt als an der reehten. Dabei ist das Schmerzgefiihl an der AuBen- und Hinterfli~che des Oberschenkels, der AuBenfl~ehe des Unterschenkels und der FuBsohle erheblich besser als an den iibrigen Teilen der ]inken unteren Extremit~t. Temperaturunterschiede m~l]igen Grades werden auch an der linken unteren Extremit~t empfunden, doeh erheblieh schlechter als rechts. Es besteht dieselbe Segmentdifferenz wie fiir Sehmerzreize.

Die Lokalisation der Empfindungen ist aueh an der linken unteren Extremit~t nicht wesentlich gestOrt, das Vibrationsgefiihl aueh an der linken unteren Extremi- t~t vorhanden, doch erheblich schwgcher und kiirzer als an der rechten unteren Extremit~t und beiden oberen Extremit~ten, das Lagegefiihl ist intakt.

Die Pr'tifung der farado-eutanen Sensibilitat ergibt folgendes (s. Fig. 28).

Fig. 28.

Z us a m me n f a s s u ng : Eine SchuBverletzung der rechten Scheitel- gegend, die die R o l a n d o s c h e Region dicht neben der Sagittailinie fiber beiden Zentralwindungen traf, hat doppelseitige m~Bige moto- rische StSrungen in den unteren Extremit~ten hervorgebraeht. Da- neben finder sich eine auf den linksseitigen unteren Tell des Rumples veto Rippenbogen abw~rts und das linke Bein beschr~nkte Herab- setzung aller Qualit~ten der 0berfl~ehensensibilit~t, die deutliche distale Zunahme zeigt. Am st~rksten betroffen sind die Segmente L~--L 5. ])as LokalisationsvermSgen ist auch an den hyp~sthetischen Teflen nicht wesentlich gest6rt. Das Vibrationsgeffihl ist an der linken

8*

116 H. Krueger:

un t e r en Ex t r emi t~ t erhebl ich herabgesetzt , das Lagegeftihl i n t a k t ; es bes teht leichte Bewegungsunsicherhei t des l inken Beines. Die fa- rado-cu tane Sensibil i t~t weist neben einer Herabse tzung an der l inken Rumpfh~tlfte und der l inken un te ren E x t r e m i t a t auch eine s tarke

Herabse tzung an der l inken oberen Ex t remi t~ t auf, die sonst keine sensiblen Ausfal lserscheinungen bietet.

F a l l 10.

W. M., Landwirt, geb. 12. VIII. 1888, stammt aus nervengesunder Familie und ist stets gesund gewesen. Keine Lues, kein Potus, kein Nicotinmil~brauch.

Am 10. X. 1915 wurde er durch tiefen GewehrstreifschuB an der rechten Kopf- seite verwundet. Er fiel bewul3tlos urn, erwachte aber nach kurzer Zeit wieder. Der linke Arm und das linke Bein waren bewegungslos. Am 22. X. wurde er ope- riert: es wurden dort Knochensplitter entfemt und ein walnu~grol~er Hirnabsce~ wurde erSffnet. Zu dieser Zeit war noch nicht die geringste Beweglichkeit der links- seitigen Extremit~ten wiedergekeh~. Es bestand allgemeines Taubheitsgefiihl an der linkcn KSrperhalfte, das er seit der Verletzung bemerkt hatte. Acht Wochen nach der Operation bcgann die Beweglichkeit des linken Beines zuriickzukehren, Anfang Januar 1915 auch die im linken Schulter- und Ellenbogengelenk. Das Taubheitsgefiihl besserte sich nur wenig.

B e f u n d : Auf der rechten Kopfseite finder sich eine, einen Queffinger rechts yon der Sagittallinie beginnende, schr~tg nach hinten au~en verlaufende, 9 cm lange

Fig. 29.

I~arbe. Die Tabula externa fehlt in ganzer Ausdehnung; in der Mitre der Narbe, die etwa 1 cm tief ist, fehlt in einer L~nge yon 5 cm auch die Tabula vitrea. Beim Husten und Pressen wSlb$ sich diese Stelle stark vor, deutliche Pulsation ist sichtbar. Die Lage der l~arbe zum Sulcus centralis ist etwa folgende (s. Fig. 29).

1~ e r v e n s y s t e m: Pupillen gleich, mit - telweit, rund, reagieren prompt auf L. und C. Augenbewegungen frei; vereinzelte nystagmoide Zuckungen beim Blick nach links. V. Pinselberfihrungen werden an der linken Wange, besonders der Gegend vor dem linken Ohr nicht geffihlt. Ver- gleichende Pinselstriche werden im gan-

z e n Gesicht, auch an der Stirn, links erheblich schw~cher gefiihlt als rechts. Nadelstiche werden an der ganzen linken Gesichtsseite als stumpf angegeben. Pat.

kau$ nur auf der rechten Seite. Beim MundSffnen weicht der Unterkiefer etwas nach links ab. VII. In der Ruhe steht der linke Mundwinkel etwas tiefer als der rechte, beim Z~hnefletschen keine sichere Differenz (gleich nach der Verwundung soll linksseitige Facialisl~hmung bestanden haben). XII. Zunge ~eicht spurweise nach links ab. Sonstige Hirnnerven ohne Befund.

Obere E x $ r e m i t a t e n : Linke Hand steht im Handgelenk gebeugt, ebenso Finger. Vorderarm leicht proniert, etwas flektiert, Oberarm adduziert. Starker Spasmus links. Anconaeus-, Supinatorphgnomen links erhebli6h gesteigert. Ak~ive

Uber Sensibiliti~tsstSrungen nach Verletzungen der Grothirnrinde. 117

Hebung des linken Oberarmes bis zu einem Winkel von 45 ~ m6glieh, Beugung im Ellenbogengelenk in geringer Ausdehnung kraftlos ausfiihrbar, Streckung im Ellen- bogengelenk, Bewegungen in Hand- und Fingergelenken links aufgehobem Dauern- der feinschl~giger Tremor der linken Hand. Fingernasenversuch links nieht aus- fiihrbar, rechts prompt.

R u m p f : Bauehdecken-, Cremasterreflex symmetrisch vorhanden. Keine Druekpunkte. Aufriehten mit versehr~nkten Armen m6glich.

U n t e r e E x t r e m i t ~ t e n : Muskeltonus links deutlich erhSht. Patellarreflex links erheblieh gesteigert; Patellarklonus links auszulSsen. Aehillessehnenreflex links sti~rker als reehts. Kein FuBklonus, kein Babinski. Grebe Kraft der linken unteren Extremit~t vermindert, besonders proximal. Kniehackenversuch links sehr unsicher, rechts prompt. Romberg negativ. Gang mit dem linken Bein leieht spastisch.

Sens ib i l i t i~ t (s. Fig. 30):

Fig. 30.

An der ganzen linken oberen Extremiti~t werden Pinselstriche nur selten ge- fiihlt. Stets ausgelassen werden auch sti~rkere Ber'tihrungen an der linken Hand fiber Metaeaxpus I I - - V und s~mtlichen Fingern dorsal und velar. Welter besteht vSllige An~sthesie der ulnaren Flaghe des linken Vorderarmes fiber dem linken Schultergelenk und Schulterblatt. An den iibrigen Teilen des linken Armes werden sti~rkere Pinselstriche erheblich schw~eher gefiihlt als reehts, besonders stark ist die Hypi~sthesie an der Innenfl~che des ]inken Oberarmes, in der linken AehselhShle und dem angrenzenden Teile der Brust und des Rfiekens bis zum Sehulterblatt. In den an~sthetischen Gebieten werden Nadelstiche stets als stumpf empfunden; aueh in den fibrigen Teilen der linken oberen Extremit~t werden sie nieht immer erkannt. Konstant werden vergleiehende Schmerzreize links erheblich schwi~cher gefiihlt als rechts. Die segmentale Abgrenzung ist auch fiir Nadelstiche sehr schaff. Kalt und

118 H. Krueger:

warm werden in den aniisthetischen Gebieten trotz grol~er Temperaturdifferenzen nicht unterschieden, sonst konstant links weniger intensiv gefiihlt als reehts.

An der linken Rumpfhglfte werden Pinselberiihrungen meist riehtig angegeben. Nadelstiehe als solche empfunden, kalt und warm untersehieden, doch ist das Ge- ffihl fiir alle Qualitgten gegeniiber rechts erheblich abgesehwgcht. DiG Hypasthesie erstreekt sieh auch auf die links Halsseite. Zonen sind nicht abgrenzbar.

An der linken unteren Extremitgt werden leichte Pinselstriche fast stets aus- gelassen, besonders regelmi~13ig an der Hinterseite des Ober- und Untersehenkels und der FuBsohle. Als Pinselberiihrung wird dig Empfindung nirgends erkannt. Konstant werden vergleichende starke Beriihrungen an der Vorderseite des Ober-, der Vorder- und Innenflgehe des Untersehenkels und dem Dorsum pedis stgrker gefiihlt als an den fibrigen Teilen. Das gleiche gilt yon Nadelstiehen, die aueh am linken Bein stets angegeben, jedoeh stets als stumpf bezeiehnet werden. An der

Fig. 31.

reehten unteren Extremit~t ist das Geffihl fiir alle Qualitgten intakt. Kalt und warm kSnnen an der linken unteren Extremit~t nieht sicher unterschieden werden, besonders stumpf ist die Riiekseite des Oberschenkels gegen hohe Temperaturen.

Das LokalisationsvermSgen ist links an der ganzen KSrperhglfte erheb]ich ungenauer als rechts. Das Vibrationsgeffihl ist lhlks erloschen. Passive Lagever- gnderungen werden in den linksseitigen Fingergelenken nicht gespfirt, ebenso ist das Lagegefiihl in den linken Zehengelenken grob gest6rt. Kleine Gegenstande k~nnen, soweit zu prfifen, mit der linken Hand nicht erkannt werden.

Die Priifung der farado-cutanen Sensibilit~t ergibt folgendes (s. Fig. 31).

Z u a m m e n f a s s u n g : Eine t ie fgehende St re i fschuBver le tzung des Sch~dels fiber der reeh ten R o l a n d o schen Gegend, die besonders auch die h in te re Zent ra lwindung , viel le icht aueh noch das obere Pa r i e t a l -

l~ber SensibilitatsstSrungen nach Verletzungen der Grol~hirnrinde. 119

li~ppchen getroffen hat , dabei an der Grenze yon oberem und mit t- lerem Drittell der Zentralwindungen liegt, fiihrte zu schweren mo- torischen Ansfallserscheinungen in der linken oberen Extremi t~t , leichteren des linken Beines, des linken Facialis und Hypoglossus, letzbere woM als Fe rnsymptone zu deuten. ~ e b e n den motor ischen bestehen starke halbseitige sensible S~Srungen finks, die sowohl Be- rtihrungs-, Schmerz- und Tempera turempfindung, als das Geftihl ftir Lage u n d Bewegung besonders in den distalsten Gelenken, das Vi- brationsgeftihl und die farado-cutane Sensibiliti~t betreffen. A m stark- sten gestSrt ist die Oberflachenempfindung, die fiir alle Qualit~ten dieselben sehr genauen Grenzen zeigt, im Gebiete des I I I . Trigemlnus- astes, der Segmente C s und D1, D~, L 5 und S1--S 3. Eine Verst~rkung der StSrung distalw~rts ist am Arm .sicher festzustellen, am Bein nicht nachzuweisen. Das Lokalisat ionsverm6gen ha t auf der Seite der Ge- ffihlsstSrungen schwer geli t ten; es besteht auf derselben deutliche Hemiataxie . Ebenso ist auf der k ranken Seite Astereognosie vor- handen.

Fa l l 11.

R. B., Bergmann, geb. 29. I. 1890, stammt aus gesunder Familie und ist friiher stets gesund gewesen. Keine Lues, kein Potus, kein NicotinmiBbrauch.

Am 11. XI. 1914 wurde er durch GewehrgesehoI~ an der linken Kopfseite in Form eines Streifschusses verwundet. Er fiel bewu~tlos um und erwachte erst, als e r verbunden wurde. Er verspiirte starke Kopfschmerzen, die rechte Seite des KSr- pers war bewegungs- und gefiihllos. Am 16. XI. 1914 wurde er operiert, 2 bis 3 Tage darauf zum zweiten ~ale, da die Kopfschmerzen sehr stark waren under mehrmals Kr~mpfe, yon denen er selbst nichts weil~, gehabt haben so]]. Nach der zweiten Ope- ration besserte sich die Beweglichkeit des rechten Armes ziemlich rasch, so dab er nach einigen Tagen wieder schreiben konnte; allm~hlich kam auch die Beweglichkeit des rechten Beines wieder. ])as Taubheits- gefiihl an der rechten KSrperh~lfte nahm etwas ab. SprachstSrungen waren vie vor- handenl).

Bef u nd: Uber der linken Sch~delhShe eine yon der Kranz- zur Lambdanaht ver- laufende, 11 cm lange l~arbe, die vorn etwa an der Sagittallinie beginnt und nach hinten seitlich abweicht. In der Mitte der Narbe ein ovaler Knochendefekt in GrSl~e 4 : 3 cm. Pulsation ist nicht fiihlbar, keine VorwSlbung beim Pressen. Druck auf die Narbe schmerzhaft. Die

i Fig. 82.

Lage der Narbe zum Sulcus centralis ist folgende (s. Fig. 32).

1) Sparer traten Symptome auf, die den Verdacht auf einen Hirnabscel~ recht- fertigten.

120 H. Krueger:

N e r v e n s y s t e m : Pupillen gleieh, mittelweit, rund, reagieren prompt auf L. und C. Augenbewegungen frei. V. Pinselstriehe und Nadelstiehe werden auf beiden Gesiehtsh/~lften empfunden, doch rechts schwi~cher als links gespiirt. V I I - - X I I in- takt.

0 b e r e E x t r e mi t g t e n: lYluskeltonus reehts erh6ht. Anconaeus-, Supinator- phgnomen reehts sti~rker als links. Grobe Kraft reehts geringer, l~Iotilit/~t intakt. Beim Fingerna~enversueh rechts leiehte Unsieherheit.

R u m p f : Bauehdeekenreflex reehts etwas schw~chcr als links, Cremasterre- flex symmetrisch lebhaft. Anfriehten mit versehr/~nkten Armen m6glieh. Keine Druekpunkte.

U n t e r e E x t r o m i t g t c n : Muskeltonus reehts etwas erhSht. PateUarreflex rechts stark gesteigert, links normal. Aehillesschnenreflex reehts klonisch gestei- gert, links normal. FuBklonus rechts ad infinitum, links wenige Schlgge. Babinski

Fig. 33.

rechts positiv, links negativ. Oppenheim rechts positiv, links negativ. Hcbung des rechten Beines, Abduction und Adduction des Oberschenkels und Bewegungen im Kniegclenk rechts erheblich schw/~cher als links. Dorsalflexion des rechten Furies nur wenig abgeschw/~eht, Plantarflexion erheblich schw/icher. Bewegungen der Zehen rechts erheblich langsamer als links. Beim Kniehackenvcrsuch rechts erhebliehes Schwanken, links erfolgt er prompt. Aueh sonst bci Zielbewegungen des rechten Beines erhebliche Unsieherheit.

S e n s i b i l i t ~ t (s. Fig. 33): Pinselstriche werden an beiden oberen Extremit/~ten stets erkannt. Vergleichende Beriihrungen werden konstant rechts schw/~cher als links gef/ih]t. Dabei besteht am rechten Vorderarm und der rechten Hand eine

Uber Sensibilit~tsstsrungen nach Verletzungen der GroBhirnrinde. 121

Differenz der Berfihrungsempfindung zuungunsten der 1%dialseite; am Oberarm besteht keine derartige Differenz. Nadelstiche werden aueh an der reehten oberen Extremiti~t stets erkannt. Vergleiehende Stiehe werden reehts, und zwar besonders all der Ulnarhi~lfte der Hand and des Vorderarmes sehwi~eher gefiihlt als finks. In derselben Weise ist der Temperatursinn segmentiert.

Am Rumpf werden Pinselstriehe wie Sehmerzreize und Temperaturuntersehiede stets riehtig angegeben. Alle Qualiti~ten werden konstant als reehts schwi~eher als links bezeichnet. Zonen bestehen nieht.

An der reehten unteren Extremiti~t besteht Ani~sthesie ffir Pinselberiihrtmgen fiber der Mitte des Dorsum pedis, der Dorsalfli~ehe s~mtlieher Zehen, dem Groin. zehenballen und der Plantarfli~ehe si~mtlieher Zehen. Starke Hypiisthesie ffir Pinselstriche ist an der rechten Ferse und der fibrigen Ful3sohle und dem unteren Dritteil der Wade naehzuweisen. Allgemein werden Pinselberfihrungen an der reehten unteren Extremiti~t schwi~eher geffihlt als an der linken, dabei werden ver- gleiehende Berfihrungen an der reehten unteren Extremiti~t an der Hinterfli~ehe des Obersehenkels, der Hinter- und AuBenfli~ehe des Untersehenkels sehwi~eher ge- fiihlt als an den fibrigen Teilen. Leiehte Nadelstiche werden an der ganzen reehten unteren Extremiti~t nieht sieher als solehe erkannt. /Constant miissen an der Hinter- fli~ehe des reehten Ober- und Untersehenkels und besonders der Ful~sohle erheblieh stii rkere Sehmerzreize angewandt werden, um als solehe erkannt zu werden als an den entgegengesetzten Teilen. Temperaturuntersehiede werden trotz groBer Differenzen an der reehten unteren Extremit~t nieht gemaeht.

Das LokalisationsvermSgen der Hantreize ist an der ganzen rechten KSrper- seite erheblich ungenauer als an der linken. Am sehleehtesten ist die Lokalisation am reehten FuB. ])as Vibrationsgeffihl ist an der reehten oberen Extremit~t er- halten, doch gegenfiber links erheblieh abgeschw~eht und verkiirzt, am reehten Bein erloschen. Passive Lagever~nder~mgen werden in den Fingergelenken reehts stets riehtig angegeben, doeh weniger sieher gefiihlt als links, in den Zehengelenken reehts ist das Lagegeffihl erloschen. Stereognostisehe StSrungen bestehen nicht.

Z u s a m m e n f a s s u n g : Ein tiefer linksseitiger Sch~delstreifsehul~, der zu erheblicher Knochenzer t r i immerung im Gebiete der oberen zwei Dri t te l der R o l a n d o s c h e n Gegend gefiihrt hat , die sich nach dem ~ul~erlichen Befunde haupts~chlich auf die hintere Zentra lwindung erstreckt, ha t eine erhebliche Parese des rechten Beines, eine geringere des rechten Armes zur Folge gehabt. Ferner besteht eine halbseitige Herabse tzung der 0berfl~chensensibflit~t, am st~rksten in der rechten u. E., wo die St5rung distal in vSlligen Verlust der Empf indung iiber- geht, weniger am rechten Arm, wo die St5rung ebenfalls distal deutl ich zunimmt. Am st~rksten betroffen sind die Segmente C s und Ls - -S ~. Das Lokalisat ionsvermSgen ist an der hyp- bzw. an~sthetischen KSrper- seite erheblich gestSrt, das Vibrationsgefiihl im rechten Bein erloschen, im rechten Arm stark herabgesetzt ; ebenso ist das Gefiihl for passive Lagever~nderungen in den Zehengelenken rechts erloschen, in den i~brigen Beingelenken und in den Gelenken der rechten o. E. erhalten, aber unsicherer als links. I n der rechten u. E. besteht erhebliche, in der rechten o. E. leiehte Bewegungsunsicherheit . Stereognostische StSrungen sind nicht vorhanden.

122 H. Krueger:

F a l l 12.

H. D., Schleifer, geb. 10. VL 1887, stammt aus gesunder Familie und ist nie ernst- lich krank gewesen. Keine Lues, kein Potus, kein NicotinmiBbrauch.

Am 6. XI. 1914 wurde er durch Granatsplitter an der linken Kopfseite verwun- det. Er fiel urn, war aber nieht bewu6tlos, konnte nur die rechtsseitigen Ex~remi- taten nieht bewegen und kein Wort sprechen, jedoch alles verstehen. Er wurde zuriiekgetragen und sogleich operiert, wobei ein Knoehenstiiek entfernt wurde. Die Wunde heilte schnell. Erst 4 Wochen sparer begann sich der Zustand zu bessern, die Spraehf~lfigkeit kehrte wieder, die Gesiehtslghmung ging zuriiek, auch die reehtsseitige :Extremit~tenlghmung wurde geringer. Seit der Verletzung bestelit auf der ganzen reehten Seite taubes Gefiihl ohne Par'~sthesien.

B e f u n d : Auf der ]inl~en Sch~delseite finder sich eine 5 cm lange, his 1/s cm breite Narbe, die etwa 1 cm yon der Mittellinie nahe der SchgdelhShe beginnt und

Fig. B4.

yon hinten innen nach aul3en vorn zieht. Man sieht und fiihlt eine markstiickgroBe Depression, in deren Mitre Pulsation sichtbar ist und die sich bei Husten und Pressen vorwSlbt. Druck auf die Stelle des Knoehendefektes ist sehmerzhaft. Die /,age der Narbe zum Sulcus eentralis ist etwa folgende (s. Fig. 34).

N e r v e ns y s t e m: Pupillen gleich, mit- telweit, rand, reagieren prompt auf L. and C. Augenbewegungen frei. V. Pinsel- striehe werden im Gesieht iiberall gefiiblt. Konstant werden Beriihrungen an der reeh- ten Wange und der reehten Unterkiefer- gegend senw~eher~ als an der linken gefiihlt, an der Stirn besteht diese Seitendifferenz nicht, l~adelstiche werden aueh an der reehten GesiehtshKlfte stets als solehe er- kannt. VII. Leiehte Differenz in der Ruhe

in allen ~;~sten zuungunsten der reehten Seite, die sieh bei Bewegungen ausgleieht. XII . Zunge weicht beim Hervorstecken spurweise naeh rechts ab. Sonstige Hirn- nerven intakt. Sprache und Spraehf~higkeit ohne Besonderheiten.

Obere E x t r e m i t ~ t e n : Rechter Arm steht in Ellenbogen-, Hand- und Fingergelenken gebeugt. Starker Spasmus reehts. Anconaeus- und Supinatorphg- nomen rechts stark erh6ht. Bewegungen im Sehultergelenk mit herabgesetzter Kraft mSglleh. Beugung im Ellenbogengelenk rechts kraftlos, Streckung noeh schw~eher. Keine Bewegliehkeit im rechten Handgelenk; geringe Beugung der Finger ausfiihrbar, ebenso s~mtliche Daumenbewegungen. Fingernasenversueh rechts mit erheblieher Unsieherheit, links prompt.

R u m p f: Bauehdeckenreflex reehts deutlich schwi~eher als links. Cremaster- reflex symmetrisch auszulSsen. Aufriehten mit versehrgnkten Armen ohne Sehwie- rigkeiten. Keine Druekpunkte.

U n t e r e E x t r e m i ~ g t e n : Deutlicher Spasmus rechts. Patellarreflex reehts erheblieh gesteigert. Patellarklonus reehts. Aehillessehnenreflex rechts kloniseh gesteigert. FuBklonus reehts ad iIffinitum. Babinski reehts positiv, links Plantar- flexion aller Zehen. Oppenheim rechts positiv, links negativ. Im reehten Full- und den Zehengelenken keine Bewegliehkei$, sonst sind alle Bewegungen ausfiihr- bar, abet erheblieh kraftloser als links. Kniehaekenversueh reehts selir unsicher, finks prompt. Romberg 0. Gang mit dem rechten Bein spastisch-paretisch.

0bet Sensibilitiitsst(irungen nach Verletzungen der Grol~hirnrinde: 123

Sens ib i l i t i~ t (s. Fig. 35): Pinselberiihrungen werden an beiden oberen Extremit/~ten stets angegeben.

Konstant werden vergleichende Beriihrungen rechts erheblieh sehw~eher gefiihlt. An der reehten oberen Extremiti~t werden Pinselstriche im Ulnarteile der Hand, dem 4. und 5. Finger, der U]narfl~ehe des Vorder- und der Innenfl~che des Ober- arms besonders schwach gefiihlt. Nadelstiehe werden iiberall als solche erkannt; im iibrigen besteht reehts Hypalgesie in derselben Weise wie Hyl~sthesie. Tempe- raturunterschiede werden links sicherer gemaeht, doch auch rechts empfunden. Distal erseheint die StSrung am sti~rksten.

Am Rumpf werden Beriihrungen, Schmerz- und Temperaturreize auf der rechten Seite erheblich schwacher gefiihlt als auf der linken. Keine Zonen.

Fig. 35.

An den unteren Extremitiiten werden Pinselstriche, ~Iadelstiehe, kalt und warm stets riehtig angegeben und untersehieden. Alle drei Arten yon Reizen werden am reehten Bein erheblieh sehw~cher gefiihlt als am linkem Dabei werden ver- gleiehende Reize an der rechten unteren Extremit~t an der Innen- und Hinterfl~che des Obersehenkels, der Aul~en- und ttinterfl~che des Untersehenkels und der Full- sohle starker und deutlieher empfunden als an den iibrigen Teilen. I)istalwi~rts nimmt die StSrung zu.

Das LokalisationsvermSgen ist auch an der ganzen reehten KSrperseite unge- stSrt. ]:)as Vibrationsgefiihl ist an der rechten KSrperh~lfte erheblieh kiirzer und schwi~eher als links, doch nirgends erloschen. Das Lagegefiihl ist an oberen Extremi- tiiten wie unteren Extremit~ten intakt.

Die PrSfung der farado-cutanen Sensibilitat ergibt folgendes (s. Fig. 36).

124 H; Krueger:

Z u s a m m e n f a s s u n g : Eine Granatsplitterverletzung der hnken Kopfseite, die vorzugsweise die vordere Zentralwindung im Bein- und Armgebiet betrifft, auf die hintere Zentralwindung in geringer Aus- dehnung iibergreift, erzeugt schwere motorisehe Ausfallserseheinungen in den reehtsseitigen Extremit~ten, leiehte im reehten Facialisgebiet. Daneben bestehen sensible Ausfallserseheinungen auf der ganzen rech- ten KSrperhalfte mit Ausnahme der Stirn. Die StSrungen betreffen die Berfihrungs-, Schmerz- und Temperatm'empfindung, das Vibrations- gefiihl und die farado-eutane Sensibilit~t. Das Gefiihl ffir Lage und

Fig. 36.

Bewegungen der Glieder ist nicht gestSrt. Die St6rung der Oberfl~chen- sensibilit~t ist am st~rksten im Gebiete der Segmente C s und D 1 und L~--L 5. Distal nimmt die StSrung der Sensibilitat zu. Das Loka]i- sationsvermSgen hat nicht gelitten. Es besteht rechts erhebliche Bewegungsunsicherheit der Extremit~ten.

Fal l 13.

H. P., Kaufmann, geb. 29. VI. 1887, stammt aus gesunder Familie und ist hie ernstlich krank gewesen. Keine Lues, kein Potus, kein NicotinmiBbrauch.

Am 3. HI. 1915 wurde er durch Gewehrstreifschul~ am Mittelkopf verwundet. Er lag seiner Angabe nach mehrere Stunden bewul3tlos. _Ms er erwachte, waren

Uber SensibilitatsstOrungen nach Verletzungen der Groi~hirnrinde. 125

beide Beine vSllig gelahmt. Arme und Hande konnte er bewegen, doch waren sie sehr kraftlos. Die Beine waren kalt, das Geffihl in Armen und Beinen abgeschwacht. Am 4. III. 1915 Operation; es wurden Knochensplitter entfernt. In der naehsten Zeit wurden die unteren Extremitaten wieder beweglieh, zuerst in den distalen Gelenken. Klagt jetzt auSer fiber Stirnkopfschmerz, allgemeine Mattigkeit und gelegentliehes Schwindelgefiihl, fiber Taubheitsgefiihl in der linken KSrperhalfte.

B e f u n d : Auf dem Mittelkopf eine yon der Sagittallinie ausgehende, etwas nach hinten auBen abweiehende 8 cm ]ange ~arbe, die fiber einer sehmalen, tiefen, rinnenfSrmigen Knochenimpression liegt. Narbe fast vSllig verschieblieh, reak%ions- los, auf Druek leicht schmerzend. Beim Husten und Pressen keine VorwSlbung. Die Lage der Narbe zum Sulcus centralis ist etwa folgende (s. Fig. 37).

N e r v e n s y s t e m: Pupillen gleich, mit - telweit, fund, roagieren prompt auf L. und C. Augenbewegungen ffei. V. Pinsel- striche werden im Gesicht stets angegeben, doch konstant links schwacher als rechts empfunden. Nadelstiche werden fiberall geffihlt, doch an Stirn und Wange links schwacher als reehts; am Kinn und fiber dem Unterkiefer besteht keine derartige Differenz. VI I - -XII intakt.

Obere E x t r e m i t a t e n : Tonus regel- recht, Reflexe normal, symmetrisch. Mo- tilit~t intakt, grobe Kraft nicht herab- gesetzt. Fingernasenversuch erfolgt rechts

Fig. 87.

prompt, links etwas unsicherer. R u m p f: Keine Schwierigkeiten beim Aufrichten mit verschrs Armen.

Bauchdecken-, Cremasterreflex symmetrisch auszulSsen. Keine Druckpunkte.

U n t e r e E x t r e m i t a t e n : Tonus regelrecht. Patellarreflexe symmetrisch, nicht gesteigert. Achillessehnenphi~nomen links etwas starker als rechts: FuB- klonus: links einige Schlage, rechts nicht auszulSsen. Fu~sohlenreflex beiderseits plantar. Kniehackenversuch beiderseits otme wesentliehes Schwanken. Kreisbe- sehreiben mit dem rechten FuB ohne Schwierigkeiten, ]inks etwas unsicherer. Romberg 0. Gang ohne Besonderheiten.

S e n s i b i l i t a t (s. Fig. 38): Pinselstriche worden an den oberen Extremitaten stets richtig angegeben und

erkannt. Yergleichende Berfihrungen werden an der linken oberen Extremitat erheblich schwacher gefiihlt als an der rechten. Dieser Unterschied zuungunsten der linken Seite ist an den Oberarmen am grSBt~n. Vergleichende Striche an der linken oberen Extremiti~t ergeben, dab das Gefiihl distal am sti~rksten ist. An der linken oberen Extremitat werden Berfihrungen an der Innenflache des Oberarmes, der Ulnarflache des Vorderarmes, dem ulnarenTeil der Hand und dem 4. und 5. Fin- ger schwacher geffihlt als an den iibrigen Teilen. Ein sehr geringer Grad einer der- artigen Differenz, jedoeh weniger schaff begrenzt, scheint auch rechts zu bestehen. Das Gefiihl ffir Schmerzreize ist an den oberen Extremitaten erhalten, es verhalt sieh im fibrigen genau so wie die Beriihrungsempfindung. Kalt und warm werden an den oberen Extremiti~ten unterschieden, doch links weniger intensiv als rechts empfunden. Regionare Unterschiede sind ffir die Temperaturempfindung nicht nachzuweisen.

126 H. Krueger:

Am Rumpf besteht ein maBiger Grad yon Hypas~hesie, Hypalgesie und Therm- hypiisthesie an der linken KSrperhalfte. Zonen sind nieht naehweisbar.

An der reehten unteren Extremiti~t werden Pinselstriehe stets angegeben, an der linken unteren Extremiti~t haufig ausgelassen, besonders an der Hinterfli~ehe des Ober-, der Auflenfli~ehe des Untersehenkels und dem FuBriieken. Konstant werden vergleiehende Beriihrungen finks als erheblieh sehwi~eher angegeben; dabei ist der Unterschied distal grSSer als proximal. An der Hinterflgehe des Obersehen- kels, der Hinter- und Aul3enflaehe des Untersehenkels und dem FuSriieken links werden Beriihrungen erlieblich sehwaclier als an den iibrigen Teilen der linken unteren Extremita~en empfunden. Nadelsticlie werden aueli an der linken unteren Extremiti~t stets angegeben; es besteht dieselbe Seiten- und regioni~re Differenz

Fig. 88.

wie fiir Pinselberiihrungen. Kalt und warm werden am linken Unterschenkel und Ful3 bei mtt/3igen Temperaturdifferenzen nicht untersehieden, auch nicht als Tem- peratur empfunden. Am linken Obersehenkel effolgt die Unterseheidung, doeh er- scheinen die Temperaturen0viel indifferenter als am reehten Oberschenkel. Ver- gleiehende Beriihrungs. und Sehmerzreize ergeben eine viel erheblichere Herab- setzung des Gefiihls an der linken unteren Extremit~t als an der linken oberen Extremit~t.

Das LokalisationsvermSgen ist auf der ganzen linken KSrperseite sehwer ge- sehtLdigt, am meisten an der linken unteren Extremit~t, wo grSbste Fehler vor- kommen. Aueh an der reehten un~eren Extremit~t ist es unsieherer als an der iibrigen rechten KSrperseite. Das Vibrationsgefiihl ist an der ganzen linken unteren Extre- mitt~t und am reehten ~u13 erloschen, an der iibrigen linken KSrperseite einschliefl- lich der Stirn gegeniiber reehts erheblich abgeschw~cht und verkiirzt. Das Lage- gefiihl ist an beiden oberen Extremit~ten und der rechten unteren Extremitt~t in-

Uber Sensibilitatsst(irangen nach Verletzungen der Grol~hirnrinde. 127

take; im linken Ful~- und den linken Zehengelenken werden passive Lageveri~nde- rungen nieht erkannt, im linken Kniegelenk richtig untersehieden. Kleine Gegen- st~nde werden aueh in der linken Hand richtig erkannt, doeh undeutlieher als in der rechten gefiihlt. Alle Gefiihlsreize kommen auf der ganzen linken Seite ver- sp~ttet zum Bewufl~sein; Pat. hat auch selbst das Empfinden.

Die Priifung der fara~lo-cutanen Sensibilit~t ergibt folgendes (s. Fig. 39). Z u s a m me n f a s s u n g: Ein tiefer Streifschul~, der nahe der Sagittal-

linie den Knochen fiber der hinteren Zentralwindung und dem oberen Seheitell~ppchen rechterseits zertrtimmerte, fiihrte nur zu vorfiber- gehenden motorischen Ausfallserscheinungen. Dauernd blieben erheb-

fiche Sensibilit~tsstSrungen.

Fig. 39.

Es handelt sich dabei einm~l um eine linksseitige Herabsetzung der Oberfli~chensensibiliti~t, am sti~rksten an der unteren Extremiti~t. Die StSrung ist an dieser distal, an der oberen Extremiti~t proximal ausgesproehener. Sie zeigt deutliehe segmen~ale Grenzlinien; am meisten geseh~digt sind der I. und I I . Trigeminus- ast, die Segmente C s und D 1 an der oberen, Ls - -S 3 an der unteren Extremiti~t. Schwer beseh~digt ist das Lokalisationsverm6gen und das Vibrationsgeffihl, beide besonders an der linken u. E. Das Lage- geffihl weist nut in den distalen Gelenken der linken u. E. grobe StS- rungen auf. Geringere Ausfallserseheinungen, die sieh haupts~chlich auf das LokalisationsvermSgen der Oberfli~ehenreize und das Vibrations- geftihl erstreeken, sind auch an der rechten u. E., besonders in den

128 H. Krueger:

d i s t a l s t en Teilen, vorhanden . Die F~higke i t des s te reognos t i schen Erkennens is t l inkersei ts e twas herabgese tz t . Die f a r ado -cu t ane Sensi- b i l i t a t zeigt eine erhebl iche He rabse t zung an der ganzen l inken K 6rpe r - h~lfte.

F a l l 14.

J. L., Aufseher, geb. 23. VII. 1889, stammt aus gesunder Familie und ist stets gesund gewesen. Keine Lues, kein Potus, kein ~icotinmil3brauch.

Am 2. XII. 1914 wurde er zum ersten Male an der rechten Kopfseite etwa in HShe der Lambdanaht verwundet. Keine nervSsen Erscheinungen. Nach vSlliger Heilung ginger am 2. V. 1915 wieder ins Feld. Am 14. VI. 1915 zum zweitenMale durch GewehrschuB an der rechten Kopfseite verwundet. Als er nach kurzer Be- wul3tlosigkeit erwachte, tfihlte er erhebliche Schw~che im linken Arm, ohne dal3 derselbe vSllig gel~hmt war; daneben Taubheitsgefiihl in demselben. Das linke Bein war gesund. Wegen Wundeiterung am 6. VII. 1915 Operation, bei der ein Ge- schol3teil entfernt wurde. Klagt heute fiber leichte Kopfschmerzen, Taubheits- geffihl im linken Arm.

B e f u n d : Auf der rechten Kopfseite an der Grenze yon Mittel- und Hinter- kopf eine 9 em ]ange ~(arbe, die nach vorn konkav vonder Sagittallinie nach auflen

Fig. 40.

l~uft (1. Verletzung). Vor dieser Narbe eine zweite kreuzfSrmige, deren hinterer unterer Schenkel rinnenfSrmig vertieft ist (Ausschul3 der 2. Verletzung). Im Sehlafenwinkel eine fast unsichtbare, lin- senkerngrol3e Narbe (Einsehul3 der 2. Ver- letzung). Beim Husten und Pressen keine Vorw51bung, ~arben reaktionslos. Die Lage der Narben zum Sulcus centralis ist etwa folgende (s. Fig. 40).

~ e r v e n s y s t e m : Pupillen gleich, mit- telweit, rund, reagieren prompt auf L. und C. Augenbewegungen frei. V. Pinsel- beriihrungen werden im Gesicht fiberall angegeben, nur fiber dem linken Unter- kiefer ausgelassen. Konstant werden Pinsel- striche an der linken Gesichtshalfte und Stilzl schw~tcher geffihlt a]s an der rechten. Das gleiche gilt ffir Nadelstiche, die fiberall

riehtig empfunden werden. Motorisch intakt. VII. Leichtes Zuriickbleiben der linken Mundh~lfte beim Zahnefletschen, sonst ohne Befund. u intakt.

Obere E x t r e m i t / ~ t e n : Muskeltonus normal. Ref]exe symmetrisch auszu- ]5sen. Motilit~t intakt. Grobe Kraft gut. Beim Fingernasenversuch beiderseits keine Unsicherheit. Kein Tremor.

R u m p f-" Aufrichten mit verschr/~nkten Armen ohne Schwierigkeiten. Bauch- decken- und Cremasterreflexe symmetrisch vorhanden. Keine Druekpunkte.

U n t e r e E x t r e m i t ~ t e n : Tonus regelrecht. Patellarreflexe symmetrisch, lebhaft. Achillessehnenreflex rechts etwas starker als links. FuBklonus rechts 2--3 Zuckungen, ]inks nicht. Ful3sohlenreflex beiderseits plantar. Motilit~t in- takt, grobe Kraft gut. Kniehackenversuch beiderseits ohne Unsicherheit.

S e n s i b i l i t ~ t (s. Fig. 41): Pinselstriche werden am ganzen K6rper richtig angegeben. Bei vergleichenden

~Tber Sensibilitatsst(irungen nach Verletzungen der Gro~hirnrinde. 129

Beriihrungen werden sie konstant an der linken K6rperseite schw/icher gefiiblt, Am erheblichsten ist der Unterschled an der Ulnarfl~che des linken Vorderarmes, dem uhaaren Teile der Hand entsprechend Metacarpus 4 und 5 und dem 4. und 5. Finger dorsal und volar. Am linken Arm nimmt die Intensit~t der St6rung distal deutlich zu, am linken Bein scheint dagegen die St6rung proximal zuzunehmen. An demselben werden Ber'dhrungen an der Vorder- und Innenfl~che des Ober- und Unterschenkels und dem FuBriicken erhebtich starker gefiihlt als an den entgegen- gesetzten Teilen. Am rechten Arm werden Beriihrungen auBer an den oben ge- nannten Partien an der Innenfti~che des Oberarmes am schw~chsten empfunden,

Nadelstiche werden iiberall erkannt, konstant an der linken KSrperseite schwa. chef gefiihlt, nur die Rumpfgegend oberhalb der Brustwarzen zeigt keine derartige

Fig. 41.

Differenz. Temperaturunterschiede werden am ganzen K6rper gemacht; am tm- deutlichsten ist das Temperaturgefiihl am linken Vorderarm ulad der linken Hand. Konstant finden sich auch fiir Schmerz- und Temperaturempfindung die gleichen segment~ren Unterschiede wie fiir die Berfihrungsempfindung.

])as LokalisationsvermSgen ist an den unteren Extremit/iten und der rechten oberen Extremit~t normal; sehr erhebliche Fehler werden dagegen bei Reizen an der linken oberen Extremit~t gemacht, die distalwiirts so zunehmen, dal] nicht ein. mal der beriihrte Finger richtig bezeichnet werden kann. Das Vibrationsgefiihl ist auf der ganzen linken KSrperh~lfte gegeniiber der rechten erheblich verkiirzt und abgeschw~cht, am s$~rksten an der linken oberen Extremit~t. Das Lagegefiihl ist erhalten. Stereognostische StSrungen bestehen nicht.

Die Priiftmg der farado-cutanen Sensibilit~t ergibt folgendes (s. Fig. 42).

Z u s a m m e n f a s s u n g : Eine Sch~detverletzmag fiber dem mi t t -

leren Dri t te i l der Zentralregion, die nach der ~uBeren Narbe beide

z. f. d. g. Neut. u. Psych. O. XXXIII. 9

130 H. Krueger:

Zentralwindungen betroffen haben diirfte, ftihrte nur zu leichten, vortibergehenden motorischen Symptomen. Daneben besteht als Dauersymptom eine m~ige tterabsetzung der Oberfli4chensensibilit~t an der entgegengesezten KSrperhMfte, die am Arm distal zunimmt, w~hrend am Bein eine leichte proximale Zunahme nachzuweisen ist. Die StSrung IM~t die Hals-Brustgrenze ziemlich frei. Sie zeigt aus- gesprochen segmenti~re Unterschiede, insofern das Gebiet des III. Tri- geminusastes und die Segmente C8, D 1 und S1--S a am st~rksten be- troffen sind. Das LokalisationsvermSgen der Oberfl~chenreize ist nut an der linken oberen Extremitgt, besonders distal, erheblich gestSrt,

Fig. 4?.

an der auch das Vibrationsgeffihl, das an der ganzen linken K6rper- sere eine m~13ige Abschwi~chung und Verkiirzung effahren hat, die sti~rkste Abnahme zeigt. Die Tiefensensibilit~t ist sonst intakt, atak- tische und stereognostische StSrungen bestehen nicht. Die Empfind- lichkeit fiir den faradischen Strom ist auf der ganzen linken KSrper- seite herabgesetzt.

Fall 15. E. W., Schriftsetzer, geb. 29. 1.1895, stammt aus gesunder Familie und ist hie

erns$lich krank gewesen. Keine Bleivergiftung, keine Lues, Potus oder Nicotin- miflbrauch.

Uber Sensibiliti~tsst(irungen nach Verletzungen der Groi~hirnrinde. 131

Am 25. VI. 1915 wurde er dutch Gewehrsehul3 an der linken Kopfseite getroffen. Er war nieht bewuBtlos. Sofortige Lahmung des rechten Armes, der reehten Ge- siehtshalfte und Sprachlahmung. Das Spraehverstandnis war erhalten, die Wort- findung fehlte. Am 3. VII. 1915 war die Wunde reaktionslos geheilt. 4--5 Tage nach der Verletzung begann das SprachvermSgen wiederzukehren. Die IA4hmung des Armes lieB langsam naeh, dauerte in den distalen Teilen bis Mitte Juli, die L~hmung der Gesichtshalfte war um diese Zeit ebenfalls gesehwunden. Naeh der Verletzung bestand vSllige Geffihllosigkeit der rechten Hand und aller Finger, Geffihlsab- schwachung im rechten Arm, der reehten Sehultergegend, dem anschlieBenden Teile der Brust und der reehten Gesichtshalfte..Mlmahliche Besserung bis zum heutigen Befunde.

Be fund : Auf der linksn Kopfseite eine 5 cm lange, tlefe, rinnenf6rmige Knochenimpression, fiber deren End- punkten die Haut die Ein- und AussehuB- narbe zeigt. Dieselbe liegt etwa 51/2 cm vonder Sagittallinie entfernt und verlauft parallel zu ihr. Bei Husten und Pressen leiehte VorwSlbung. Die Lage der Narbe zum Suleus centralis ist etwa folgende (s. Fig. 43).

N e r v e n s y s t e m: Pupillen gleich, mit- telweit, rund, reagieren prompt auf L. und C. Augenbewegungen frei. V. Pinsel- beriihrungen werden auf der rechten Ge- sichtshalfte nur z5gernd angegeben, auf der linken Gesichtsh~lfte konstant starker geffihlt. Nadelsticbe werden in dem vor dem Ohr liegenden Teile der rechten Wange nieht erkannt, konstant an der rechten Ge- sichtshalfte schwi~eher geffihlt. Tempera- turuntersehiede werden in dem analgeti-

Fig. 48.

schen Gebiete nicht gemacht, sonst konstant rechts schwgcher geffihlt. VII--XII . intakt. Spraebe ohne StSrungen, Wortfindung vSllig normal.

O b ere E x t r e mi t ~t e n: Tonus regelreeht. Reflexe reehts etwas starker als finks. Motilitat im Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenk rechts nomal. Es be- steht maBige motorische Schwi~ehe im reehten Zeigefinger und Daumen, doeh sind alle Bewegungen ausffihrbar. Die iibrigen Finger sind normal beweglich. Hande- druck reehts erheblich schwi~eher. Fingernasenversuch ohne Unsicherheit.

R u m p f : Bauchdecken- und Cremasterreflexe symmetrisch vorhanden. Mo- tiliti~t intakt. Keine Druekpunlrbe.

U n t e r e E x t r e m i t a t e n : Tonus regelreeht. Patellarreflex reehts etwas starker als links. Aehillessehnenreflexe etwa symmetrisch. Kein Ful3klonus, kein Babinski. Motilit~t intakt, grobe Kraft normal. Kniehackenversuch ohne Unsieher- heir. Romberg 0. Gang ohne Besonderheiten.

S e n s i b i l i t a t (s. Fig. 44): Pinselstricbe werden an der reehten oberen Extremitat fiber Metacarpus 1

und 2, dem Daumen und Zeigefinger dorsal und volar nieht geffihlt. Die Zone greift volar noeh etwa 3 em auf den angrenzenden Teil des reehten Vorderarmes fiber und ist scharf begrenzt. Konstant werden vergleichende Beriihrungen an der rech- ten oberen Extremitat schwaeher gefiihlt als an der linken. An der reehten oberen Extremitat ist das Geffihl an der Ulnarflaehe der Hand, dem 3. bis 5. Finger, der Ulnarflaehe des Vorderarmes und der Innenflache des Oberarmes deutlicher als

9*

132 H. Kmeger:

an den entgegengesetzten Teilen. In den an~sthetischen Gebieten besteht Anal- gesie und Therman~sthesie. Konstant werden beide Sensibilit~tsarten an der rechten oberen Extremit~t schw~cher geffihlt. An der reehten oberen Extremit~t besteht ffir l~adelstiehe am Oberarm und dem proximalen Teile des Vorderarmes keine segment~re Differenz, dagegen ist dieselbe in den fibrigen Teilen zuungunsten der Radialseite nachzuweisen.

Am Rumpf besteht rechtsseitige leichte Herabsetzung aller Qualitaten der Oberfl~chensensibilit~t.

An der reehten unteren Extremit~t werden Pinselstriehe stets geffihlt, doch konstant sehw~cher als links. An der Vorderseite des Ober- und Unterschenkels werden Berfihrungen starker geffihlt als an den entgegengesetzten Teilen. Am

Fig. 44.

rechten Ful3 besteht keine derartige Differenz. Nadelstiche werden an der reehten unteren Extremit~t an der Hinterfl~che des Ober-, der Hinter- und AuBenflKche des Untersehenkels und der FuBsohle schw~cher als links geffihlt. An den iibrigen Teilen besteht eine solehe Differenz der Seiten nicht. Das gleiche gilt f fir die Temperatur- empfindung.

Das LokalisationsvermSgen ist auBerhalb der an~sthetischen Partien an der rechten oberen ExtremitKt nicht gestSr~. Das Vibrationsgeffihl ist im reehten Dau- men und Zeigefinger erloschen, fiber dem Metacarpus 1 und 2 der rechten Hand stark abgeschw~eht und verkfirzt, ebenso fiber dem distalen Teile des rechten Ra- dius. Eine leichte Abschw~chung des Vibrationsgeffihls besteht an der ganzen rechten KSrperh~lfte. Passive Bewegungen werden im reehten Daumen und Zeige- finger auch bei grSBter Exkursionsbreite nieht erkannt, im 3. bis 5. Finger ebenso wie in allen fibrigen Gelenken der oberen und unteren Extremit~ten prompt ange-

Uber Sensibilit~itsstSrungen nach Vertetzungen der Gro~hirnrinde. 133

geben. Kleine Gegensti~nde werden auch in der rechten Hand erkannt, doch erheb- lich unsicherer als links.

Die Prfifung der farado-cutanen Sensibilit~t ergibt folgendes (s. Fig. 45).

Z u s a m m e n f a s s u n g : Ein Tangentialschui~ fiber dem mittleren Dritteil der Rolandoschen Gegend, der nach der Lage der Knochen- verletzung die vordere Zentralwindung nut wenig, dagegen die hintere Zentralwindung und den angrenzenden Teil des unteren Scheitel- li~ppchens erheblich l~diert haben dfirfte, ffihrte zu einer vorfiber- gehenden L~hmung der gegenfiberliegenden Hand, vonder jetzt Reste nur noch im Daumen und Zeigefinger vorhanden sind. Genau im ent-

Fig. 45,

sprechenden Gebiete besteht scharf umgrenzte, totale Aufhebung der gesamten Oberfli~chen- und Tiefensensibilit~t. Im fibrigen besteht eine leichtere halbseitige Herabsetzung der 0beffli~chenempfindung, am st~rksten noch in einem Teile der rechten Gesichtsh~lfte, die am Arm deutliche distale Zunahme zeigt, wShrend am Bein die StSrung proximal am st~rksten zu sein scheint. Es besteht deutliche Segmen- tierung der hyp~sthetischen Gebiete, insofern das Gebiet des III. Tri- geminusastes, die Segmente C5--C ~ der oberen, die Segmente SI--S a der unteren Extremit~ten am st~rksten betroffen sind. Das Lokali- sationsvermSgen ist ungestSrt, das Vibrationsgeffihl, abgesehen yon der Aufhebung in den empfindungslosen Teilen der rechten Hand, auf der

134 H. Krueger:

hypasthetischen Seite leicht abgeschw~cht. Wesentliche stereogno- stisehe StSrungen sind nicht naehzuweisen, Ataxie ist nicht vorhanden. Die Empfindliehkeit ffir den faradischen Strom ist auf der Seite der fibrigen sensiblen StSrungen herabgesetzt.

Von den beschriebenen 15 Fallen weisen 10 keine wesentlichen StSrungen der Motilitat an sich, wenngleich zum Teil leiehte Ver- ~nderungen des Muskeltonus und der Reflexe auf. In den iibrigen 5 F~llen sind mehr oder minder erhebliche Paresen oder Paralysen vorhanden.

Die Lage der sicht- und ffihlbar verletzten Teile zu den Zentral- windungen in den ersteren F~llen ist eine derartige, da~ in 4 Fallen ausschlieBlieh die hintere, in 6 F~llen die vordere und hintere Zentral- windung getroffen erscheint. Von den Fallen mit Motiliti~tsausfallen zeigen 4 eine beide Zentralwindungen umfassende Knochenverletzung, wahrend der ffinfte, dernur eine Verletzung fiber den hinteren Zentral- windung zeigte, sparer komplizierende Symptome, die einen Hirn- abscel~ wahrscheinlich machten, aufwies. Jedenfalls ist unter allen 15 Fallen keiner, der nach den aul~eren Residuen der Verletzung ein ausschlie~liches Betroffensein der vorderen Zentralwindung wahr- scheinlich machte, wahrend immerhin in 40% der F~lle einer ausschliel~- lieh sensiblen StSrung eine auf die hintere Zentralwindung - - soweit zu entscheiden - - beschrankte Verletzung zugrunde liegt, und in einem Teile der Falle mit motorischen Erscheinungen dem Uberwiegen der sensiblen StSrung eine sti~rkere Lasion der hinteren Zentralwindung entspricht. Das Materiat spricht deshalb f fir eine Vertretung der KSrpersensibilitat in der Rinde der hinteren Zentralwindung und den nach hinten anschlieBenden Hirnteilen, wobei aber der Gyrus centralis posterior in erster Linie als Endpunkt der sensiblen Bahnen anzu- sehen ist.

Was die Lage der Vertretungssti~tten ffir die Sensibilitat der ein- zelnen KSrperabschnitte zueinander betrifft, so scheint auch nach den vorstehenden Fallen, dab die Zonen ffir die Sensibilitat sich in der- selben Reihenfolge fiber die hintere Zentralwlndung ausbreiten, wie wi res f fir die motorischen Foci fiber die vordere annehmen. Daffir spricht vor allem Fall 3, in dem einer Lasion etwa des mittleren Dritt- tells der Zentralregion bei Prfifung mit den gewShnlichen Methoden nur eine StSrung der Sensibilitat des Armes der gegenfiberliegenden KSrperseite entspricht, Fall 9, in dem eine Lasion des obersten Teiles der Zentralgegend nur eine Herabsetzung der Sensibflitat der unteren Extremitat und der unteren Rumpfgegend bei Freilassen des ent- sprechenden Armes hervorbrachte. Ferner ist Fall 4 daffir zu ver- werten, bei dem die Rindenverletzung hauptsi~chlieh das mittlere

~ber Sensibilit~tsst(irungen nach Verletzungen der Grol~hirnrlnde. 135

Dritteil der hinteren Zentralwindung betroffen haben dfirfte, bei dem entsprechend die SensibilitatsstSrung am Arm weitaus starker als am Bein ist, dessen distaler Tell vSllig frei bleibt. Dagegen zeigt Fall 6, in dem der Herd hauptsachlich fiber dem oberen Dritteil der hinteren Zentralwindung liegt, ein weitaus iiberwiegendes Betroffensein der linken unteren Extremitat und der unteren Rumpfhalite bis zum Rippenbogen, welche KSrperabschnitte allein Herabsetzung der Tem- peraturempfindung aufweisen. Aueh Fall 13, wo der Herd naeh den au6eren Anzeichen im oberen Dritteil der hinteren Zentralwindung liegt, weist eine erheblich starkere St(irung der Sensibflitat der unteren als der oberen Extremitat auf. Im Falle 15 endlich finden sieh auf denselben engen Bezirk der Hand begrenzte motorische und sensible Erscheinungen, deren Ursache in einer Verletzung fiber dem untersten Teile des mittleren Dritteils der Zentralregion zu linden ist. Es darf deshalb aus den vorstehenden Beobaehtungen, die ein Teil der fibrigen Fi~lle noch erganzt, der SehluB gezogen werden, dab die Zentren ffir die Sensibilitat der unteren Extremitat die obersten, die ffir die obere Extremitat die mittleren Teile der hinteren Zentralwindung ein- nehmen. Ffir die Entseheidung der Frage, ob darunter noeh die Ver- tretung der Gesichtssensibilitat liegt, wie es naeh allem wahrscheinlieh ist, mangelt es an geeigneten reinen Fi~llen. Immerhin sprieht ]?all 15 daffir, dab die sensible Vertretung des Gesichtes unter der der oberen Extremit~t liegt, da auBer der Aufhebung der Oberflachen- und Tiefensensibilitat an dem distalsten Teile der rechten Hand die rechte Gesiehtshalfte besonders im Gebiete des untersten Trigeminusastes die starksten sensiblen StSrungen zeigt. _~hnlieh liegen die Verhalt- nisse in den Fallen 4, 10 und 14, wahrend umgekehrt in den F~llen, in denen die Hauptst6rung ausschlieBlich oder besonders in den un- teren Extremitaten liegt, sensible St6rungen im Gesicht fehlen (Fall 6 und 9).

Da{~ auch innerhalb der Zonen ffir die einzeinen Glieder eine Diffe- renzierung naeh deren Abschnitten vorhanden ist, dtirfte Fall 15 beweisen, bei dem sich neben dem totalen Sensibilitatsausfall am rechten Daumen und Zeigefinger und dem entsprechenden Teile der Hand eine verhaltnismal~ig geringffigige Herabsetzung des Geffihls an der fibrigen rechten KSrperh~lfte findet. Ferner weist Fall 3 darauf hin, in dem die nachweisbare halbseitige Geffihlsst5rung sich nur auf die Hand und Finger und die ulnare Halite des Vorderarms erstreckt.

Betreffs der Art der SensibilitatsstSrung in den vorliegenden Fallen sind die Falle, in denen es sich um Ausfallserscheinungen allein fiir die Qualitaten der Oberfl~chensensibilitat handelt, von denen zu scheiden, die daneben StSrungen der Tiefensensibilitat zeigen. Bei den ersteren, die die Mehrzahl ausmachen (9), handelt es sich meist

136 H. Krueger:

um ttemihypasthesien. Hemian~sthesien sind nicht darunter. Das Vorkommen derartiger halbseitiger Aufhebung der Oberflaehensensi- bilita~ ist bei Verletzungen, die fiber einen so engen Raum der Rinde der hinteren Zentralwindung ausgedehnt sind, wie in den beschriebenen FgJlen, von vornherein unwahrseheinlieh, wenn wir, wie wir es nach dem Vorstehenden miissen, annehmen, dab die Sensibilit~t der einzel- nen KSrperabschnitte in bestimmt umschriebenen Zonen der Hirn- rinde vertreten ist. DaB fiberhaupt unter diesen Umstanden meist SensibilitatsstSrungen, die eine ganze KSrperhalfte einnehmen, vor- kommen, ist ohne Miihe durch die recht erheblichen StSrungen der Blut- und Lymphzirkulation, die reaktiven Ver~nderungen in der Umgebung der Rindenverletzung, leiehte meningitische Erscheinungen usw. zu erklaren. Notwendigerweise braueht eine umschriebene Rinden- lasion der hinteren Zentralwindung nicht zu einer merklichen StSrung der Sensibilit~t auf der ganzen gegenfiberliegenden KSrperhalIte zu ffihren, wie die Falle 3 und 9 beweisen.

In der Mehrzahl der Falle ist die StSrung der Bertihrungs-, Schmerz- und Temperaturempfindung, soweit zu beurteilen, gleieh intensiv, auch sind die 0rtlichkeiten der starksten Ausf~lle die gleichen. In einer Minderzahl yon Fgllen sind die verschiedenen Qualit~ten der Oberflachenempfindung verschieden stark alteriert. Einmal erscheint in einigen wenigen F~llen die StSrung der Temperaturempfindung weniger stark als die der Berfihrungs- und Sehmerzempfindung zu sein. Haufiger besteht eine Dissoziation insofern, als die Bertihrungs- empfindung einerseits, das Schmerz- und Temperaturgefflhl, die meist zusammengehen, andererseits in verschieden hohem Grade gestSrt sind, und zwar ist es haufiger, dab die Berfihrungsempfindung keine oder nur unbedeutende Ausfalle zeigt, wahrend die Schmerz- und Tempe- raturempfindung starkere St6rungen aufweist. Xhnliehe Beobaehtungen sind bereits friiher gemaeht worden. Zur Erklarung der Tatsache ist vielleieht anzunehmen, dal3 die Berfihrungsempfindung auger in den in der hinteren Zentratwindung befindliehen Endstatten noch eine Ver- tretung in einem grogen Teile der fibrigen Hirnrinde hat, wie das v. M o n a ko w ffir die protopathische Sensibilitat annimmt.

In allen besehriebenen Fallen linden sich halbseitige StSrungen des Vibrationsempfindens. Der Grad der St6rung ist ein sehr ver- sehiedener; eine exakte Prfifung nach l~ydel und Seif fer 1) war lei- der nieht m6glich. Meist handelte es sieh um Abschwaehung und Verkfirzung des Gefiihls ffir die Stimmgabelschwingungen auf der Seite, die aueh die ilbrigen sensiblen Ausfallserscheinungen zeigte, in 8 Fallen land sieh auch vSlliges Erlosehensein des Vibrationsgefiihls an ein-

1) Untersuchungen fiber das Vibr~tionsgefi~hl oder die sogenannte ,,Knoehen- sensibilitgt" (Pall~tsthesie). Arch. f. Psych. 37, 488.

Uber Sensibilittttsst6rungen nach Verletzungen der Grol~hirnrinde. 137

zelnen KSrperabschnitten bzw. an einer KSrperh~lfte (in 2 F~llen). Ein Vergleich mit der St~rke und 0rtliehkeit der sonstigen Geffihls- stSrungen ergibt, daf~ die StSrung der Vibrationsempfindung fast in allen F~llen der Intensit~t und Verteilung der Oberfl~chenempfindung entspricht. So ist in Fall 6, we die St6rung der Oberfl~ehensensibilit~t an der unteren Extremit~t, besonders am Unterschenkel und Full, am st~rksten ist, das Vibrationsgeffihl an dieser Extremit~t erlosehen, an den fibrigen Teilen der entsprechenden K6rperseite nur herabgesetzt ; in Fall 7, dernur an der unteren Extremit~t an An~sthesie und An- algesie grenzende Geftihlsherabsetzung zeigt, ist auch das Vibrations- geffihl nur an der unteren Extremit~t erloschen. Von besonderem Interesse ist Fall 15, in dem die Aufhebung der Oberfl~ehen- empfindung ebenso wie die StSrung des Vibrationsgeffihls nur den Daumen und Zeigefinger, we die st~rkste StSrung herrseht, die Hand fiber dem Metacarpus 1 und 2 und den fiber dem untersten Teile des Radius gelegenen Vorderarmbezirk betrifft. VSllige halbseitige Auf- hebung des Vibrationsgefiihls ist nur im Falle 10 und 8 vorhanden. Im Falle 10 entsprieht dem eine fast v611ige An~sthesie und vSllige Analgesie im Gebiete der Extremit~ten, etwas leichtere Gefiihlsherab- setzung im Gebiete des Rumples und Gesiehtes. Im Falle 8 ist die Oberfl~chenempfindung weniger alteriert als das Vibrationsgeffihl, doch geht das letztere etwa der StSrung des Schmerzgeffihls parallel. Auf ein ghnliches Verhalten haben bereits ]~ydel und Seiffer hin- gewiesen.

In den F~lten, in denen eine StSrung des Lagegefiihls vorhanden ist, geht diese und die StSrung des Vibrationsgeffihls unzweifelhaft nach Intensit~t und Ausbreitung zusammen. Nimmt man aber hinzu, dab auch die F~lle, in denen nicht die geringste StSrung der Empfin- dung von Lage und Bewegung nachzuweisen ist, doch st~rkste Vibra- tionsempfindungsstSrungen bis zu v611igem ErlSschen derselben zeigen kSnnen (Fall 6 und 8), so wird ein engerer Zusammenhang doch unwahrscheinlich.

Uber die Qualit~t des Vibrationsgeftihls ist man noch nicht ira klaren, es ist noch nieht einmal sicher, ob es einen Bestandteil der Oberflgchen- oder Tiefensensibilit~t darstellt. Das Zusammengehen der StSrungen des Vibrationsgeftihls mit denen der Oberfl~ichensensi- bilitgt, das schon l~ydel und Seiffer betonen, das aueh die vorbe- sehriebenen Fglle zeigen, weist meines Eraehtens darauf hin, dal~ Goldsehe iders Ansieht zutreffend ist, der das Vibrationsgefiihl nur als eine Modifikation des Tastgeffihls betraehtet. Ffir die B ingsche Ansicht, dab es eine veto Druck- und Tastsinn unabh~ngige Empfin- dungsqualitat darstelle, sprieht in unseren Fgllen nichts. Es ist anzu- nehmen, dab die sehnell aufeinander folgenden kurzen Druekreize,

138 H. Krueger:

die die vibrierende Stimmgabel auf die Haut ausfibt, eine eigenartige Erregung der die Druckreize perzipierenden Hautorgane bewirkt. DaB der Reiz beim Aufsetzen auf ttautgebiete, die dicht fiber einem Knochen liegen, gegen den die Weichteile angedrfickt werden, starker ist, ist aus dem Umstande, dab die den Reiz empfindenden Teile dem Drucke nicht ausweichen kSnnen, erklarlich; derselbe erkli~rt auch die Tat- sache, dab das Vibrationsgeffihl bei starkerem Eindrficken der Stimm- gabel intensiver wird. Es dfirfte deshalb das Vibrationsgeffihl wohl der Oberflachensensibilitat, mit der es stets die gleichen StSrungen nach Ort und Intensitat zeigt, zuzurechnen sein.

Die Herabsetzung der farado-cutanen Sensibilitat geht der der Oberflachenempfindung parallel und zeigt an den Extremit~ten, die auch sonst am sti~rksten yon den GeffihlsstSrungen befallen sind, mit wenigen Ausnahmen, die starkste St5rung. Die Prtifung mit dem elektrischen Strom weist aber auch feinste StSrungen nach, die ffir Pinsel und Nadel nicht oder nicht mehr vorhanden sind, wie die FMle 4, 6 und 9 zeigen. Sie vermag daher wohl aueh in manchen Fallen, wo die motorischen Ausfallserscheinungen das Bild beherrschen, sensible StSrungen aufzudecken, die mit den gewShnlichen Methoden nicht nachzuweisen sind und sich so der Kenntnis entziehen wiirden.

StSrungen des Lagegeffihls sind in 7 Fi~llen gefunden worden. In allen F~llen betreffen dieselben nut die distalen Gelenke. In Fall 10 ist das Lagegeffihl in den distalen Gelenken der oberen wie der unteren Extremit~t einer KSrperseite vSllig aufgehoben, in den fibrigen F~llen besteht eine grobe StSrung nur in einer Extremitat, wahrend die andere entweder frei yon LagegeffihlsstSrungen ist oder sie doch in erheblich leichterem Grade aufweist. Ein Vergleich der Lagegeffihls- stSrungen nach Starke und Ausbreitung mit den fibrigen Geffihls- ausf~,llen zeigt, dab die ersteren stets an den Gliedern zu finden sind, die auch sonst die starksten sensiblen Ausfallserscheinungen darbieten. In fast allen Fallen handelt es sich um Aufhebung des Geffihls f fir Pinsel und Nadel in den Hautteilen, die die betreffenden Gelenke, in denen passive Bewegungen nicht erkannt werden, bedecken. Besonders interessant ist auch in dieser Hinsicht wieder Fall 15, in dem die StSrung des Lagegeffihls nur die beiden Finger, die auch sonstige schwere Sensibiliti~tsstSrungen zeigen, betrifft.

Was das Verhi~ltnis der Lagegefiihlsst5rungen zu etwaigen motorischen Ausf~llen und demgemaB zu Verletzungen der vorderen Zentralwindung anlangt, so ist zu sagen, dab in einem Teile der FMle (7, 10, lI) schwere MotilitatsstSrungen an den Extremitaten, die auch die Lagegeffihls- stSrungen aufweisen, vorhanden sind. In einem anderen Teile (4, 15) besteht trotz geringffigiger motorischer Symptome grSbste StSrung des Lagegeftihls. In einem weiteren Falle (13) fehlt trotz Aufhebung

Uber Sensibilitatsstsrungen nach Verletzungen der Gro$hirnrinde. 139

des Lagegefiihls jede motorische St6rung. Es ist demnach eine Ab- hangigkeit des Lagegefiihls v o n d e r motorisehen St6rung bzw. von einer Lasion des die motorischen Endstatten umfassenden Hirnrinden- gebietes unwahrscheinlich. Hinzu kommt, dab im Falle 12, wo sehwerste MotilitatsstSrungen bestehen, sieh keine StSrung des Lagegefiihls naeh- weisen lal~t, wahrend auch in diesem Falle ein gewisser Parallelismus zwischen Lagegefiihl und Oberflachensensibilitat nachzuweisen ist, in- sofern der Fall nur geringfiigige Herabsetzung der letzteren aufweist.

Die besehriebenen Falle sind danach der Ansieht R e d l i e h s und anderer, die die Bahnen fiir den Muskelsinn zur vorderen Zentralwin- dung gelangen lassen, also einen engen Zusammenhang zwischen Motili- tat und Lagegefiihl annehmen, nicht giinstig. Dagegen ist in allen Fallen wahrscheinlich, in den meisten Fallen sicher, dal~ die Rinden- lasion auf den Seheitellappen, meist den Gyrus supramarginalis, iiber- greift. Unsere Beobachtungen stiitzen damit die Ansicht der Autoren (No thnage l , S t a r r und Mac Cosh, Gr i s son und Sanger , v. Mo- n a k o w , B o n h f f f e r ) , die die Empfindung fiir Lage und Bewegung der Glieder in die am weitesten nach hinten gelegenen Teile des sen- siblen Rindenfeldes, vor allem in das Parietalhirn, verlegen.

Die Ansieht Rii l fs , der die Dissoziation der Oberflachen- und Tiefensensibilitat durch die Annahme zu erklaren sucht, dab die kompli- zierteren Empfindungsqualitaten mehr in der Peripherie des Cortex, die einfaeheren dagegen mehr in dessen tieferen Sehichten ihre Ver- tretung haben, ist an der Hand unseres Materiales nicht exakt nach- zupriifen. Es ware jedoch sehr eigenartig, wenn gerade den Fallen, die die sehwersten motorisehen und sensiblen Ausfallserscheinungen aufweisen, die oberflaehliehsten Rindenverletzungen zugrunde liegen sollten. Bei einem Teile der Falle ist das nach der Ausdehnung und Starke der fiihlbaren Knoehenverletzung direkt auszusehlieBen.

Das Symptom der Astereognosie weisen nur drei der vorbesehrie- benen Falle (3, 4, 10) auf; in einigen anderen besteht eine Herabsetzung des stereognostisehen VermSgens, ohne dab ein vollkommener Ausfall eingetreten ware. In allen diesen Fallen ist die St6rung der Ober- flaehensensibilitat eine verhaltnismaBig starke, in allen dfirfte aueh der Scheitellappen v o n d e r Verletzung in Mitleidensehaft gezogen sein. Es wiirden also die beobachteten Falle der Lehre yon der Bedeutung des Seheitellappens als stereognostischen Zentrums nicht widerspreehen. Eine maBige Unsieherheit des stereognostischen Erkennens, besonders des Erkennens der feineren Qualitaten eines Gegenstandes (z. B. des Stoffes, aus dem er hergestellt ist), kann sieher auch dutch eine starke Herabsetzung der Oberflaehen- und Tiefensensibilitat allein bedingt werden. Die Erkennung der grSberen Umrisse der K6rper ist aber auch in F~il'len, wo starkere StSrungen der Oberflachensensibilitat

140 H. Krueger:

vorhanden sind, sofern nicht der Scheitellappen mitbetroffen ist, erhalten.

R y d e l und Se i f fe r fanden in den Fi~llen, in denen starke St6- rungen des Vibrationsgefiihls nachzuweisen waren, fast immer zugleich Ataxie, gleiehgiiltig, ob sie yon cutanen Sensibiliti~tsst6rungen be- gleitet waren oder nicht. S t e r l i n g 1) konnte das nicht besti~tigen. In den beschriebenen Fi~llen ist in einem gr6geren Teile eine m~Bige Bewegungsunsicherheit nachzuweisen; erheblichere Grade erreicht die- selbe jedoch nut in wenigen Fi~llen (4, 15 nnd 12; Fall 11 ist nicht zu verwerten). In allen F~llen mit st~rkerer, meist auch in denen mit leichterer Bewegungsunsicherheit ist eine erheblichere StSrung der Oberfl~chensensibiliti~t und des Vibrationsgeftihls, nur in wenigen auch eine solche der Tiefensensibilit~t vorhanden. Alle FMle mit st~rkerer, die Mehrzahl der FMle mit leichterer Bewegungsunsicherheit weisen ferner starke motorische Ausfallserscheinungen auf. Dabei ist zu bemerken, da6 die St6rung tier sensiblen Qualiti~ten, soweit sie iiberhaupt vorhanden ist, der StSrung der Bewegungsunsicherheit parallel geht, besonders was die yon den StSrungen ergriffenen Extremi- ti~ten anbetrifft. Noch ausgesprochener aber ist dieser Parallelismus zwischen der Bewegungsunsicherheit und den motorischen St6rungen; man nmBte in allen Fallen den Eindruek haben, dag die Hemiataxie nicht eine Folge der sensiblen StSrungen, sondern eine Begleiterschei- nung der motorischen Symptome sei, die die Fi~lle aufwiesen. Daftir spricht, dag in fast allen Fi~llen mit erheblicheren ataktischen St6rungen die motorische Sphere stark mitbetroffen war, wi~hrend die F~lle, in denen solche Motilit~tsstSrungen fehlten, meist (nur einige wenige F~IIe mit leichterer Bewegungsunsicherheit ausgenommen) auch ataktische St6rungen vermissen lieften. Es ist bekannt, dag bei st~rkerer Ataxie die bei der Ausffihrung der Bewegungen yon der Muskulatur geleistete Kraft nicht stetig geleistet wird, sondern an- und absehwillt; umge- kehrt ist durchaus denkbar, dab in den F~llen, in denen motorischo Schw~che besteht, infolge der fehlerhaften Muskelinnervation, die, wie man sieh hi~ufig iiberftihren kann, nicht stetig geleistet wird, ataktische St6rungen vorget~useht werden. Im Einklang steht damit, dal~ sich die Bewegungsunsicherheit h~ufig nur auf die feinsten Be- wegungen (Zukn6pfen des Rockes, Einfitdeln usw.) bezieht, wobei schon eine geringe Mangelhaftigkeit der Innervation naturgem~l~ zu den gr6bsten St6rungen ftihren mull

Andererseits ergibt aueh unsere Beobaehtungsreihe F~lle, in denen trotz sti~rkerer St6rung der Oberfli~chensensibiliti~t wie der Lage- und Bewegungsempfindung (s. Fall 13) nieht die geringste Bewegungs-

1) Untersuehungen tiber das Vibrationsgeffihl und seine klinische Bedeu- tung. Zeitsehr. f. Nervenheilk. 29, 57.

tJber Sensibilitatsst~rungen nach Verletzungen der Grol~hirnrinde. 141

unsieherheit nachzuweisen war. F ra n k hat fiber einen ahnlichen Fall berichtet, Der Satz, dab die corticale St6rung der Tiefensensibilitat zu Hemiataxie fiihren muG, kann demnach in Ubereinstimmung mit v. M o n a k o w nicht als richtig anerkannt werden. Ebenso hat unser Material ffir die R y d e l - S e i f f e r s c h e Theorie von einem engeren Zusammenhang der Intaktheit des Vibrationsempfindens und der Eutaxie keine Beweise ergeben.

Als ein Charakteristicum der cerebralen SensibilitatsstSrung gilt einer Reihe von Autoren die besonders starke StSrung des Lokali- sationsvermSgens der Berfihrungs-, Sehmerz- und Temperaturreize. Unter den beschriebenen Fallen sind LokalisationsstSrungen in 2/3 der Falle nachzuweisen. Die StSrung ist sehr verschieden stark ausge- pragt; wahrend in manehen Fallen nur der Vergleieh mit der gesunden Seite eine maBige Unsicherheit naehweisen lie~, kamen in andern Fallen gr6bste Fehler vor. Vergleieht man den Grad der sensiblen StSrung mit dem Vorhandensein bzw. der starkeren oder schwacheren Aus- pragung yon lokalisatorischen Fehlern, so zeigt sich einmal, dal~ in den Fallen, wo die SensibilitatsstSrung sich auf eine Extremitat be- sehrankt, sofern fiberhaupt eine Herabsetzung des Lokalisationsver- mSgens nachzuweisen ist, auch diese sich aussehlielMich auf die er- krankte Extremitat beschrankt. Welter zeigt sich, dal~ in den Fallen, in denen die St6rung der Lokalisation nur eine Extremitat betrifft (Fall 4, 14), diese auch die starkste Herabsetzung der Sensibilitat auf- weist. Auch in einem Teile der iibrigen Falle scheint ein Zusammen- hang zwisehen Starke der sensiblen Ausfallserscheinungen und Mangel- haftigkeit des LokalisationsvermSgens zu bestehen (s. Fall 6, 13). An- dererseits kann nicht geteugnet werden, dab in einem Teile der Falle, in denen jede LokalisationsstSrung vermil~t wurde, der Grad der ttypasthesie ein recht erheblicher war.

Es handelt sich bei dem LokalisationsvermSgen nicht ~m eine ein- faehe Empfindung, sondern, wie F 6 r s t e r zuzustimmen ist, um einen Assoziationsvorgang in der Hirnrinde. Um ihn anzuregen und den Vorgang riehtig ablaufen zu lassen, bedarf es eines gewissen Intensi- tatsgrades der Empfindung. Es ist durchaus wahrscheinlich, dal~ m{t abnehmender Starke des Reizes auch die Sicherheit der Lokalisation desselben nachlal~t, bis sehliel~lich bei vSUiger Unempfindliehkeit aueh dem LokalisationsvermSgen ein Ziel gesetzt ist. Dieser Theorie wfirden die oben erwahnten Tatsachen Rechnung tragen, dab der starksten Hypasthesie auch die starkste Lokalisationsunsicherheit entspricht. Dal~ sie nicht auf alle Falle anwendbar ist, ist sieher. Es ist die sensible Bahn in den besehriebenen Fallen gerade in dem Teile betroffen, in dem der Assoziationsvorgang angreift, den Zellen der Hirnrinde, so dal~ es denkbar ist, dal~ in einzelnen Fallen der Vor-

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gang, der zur Lokalisation von Reizen ffthrt, unmittelbar betroffen ware. Allerdings diirfte in diesen Fallen auch die St6rung der Sensi- bilitat an sich eine recht erhebliche sein. Ob also die Lokalisations- stSrung in diesen Fallen als Ausdruck der Hirnrindenlasion an sich zu betrachten ist oder nur als Folge der starken St6rung der Ober- flachensensibilitat, ist demnaeh fraglich. Ein Beweis fiir die Annahme, dab eine schwere St6rung des Lokalisationsverm6gens im Gefolge einer leichten sensiblen StSrung fiir eine Lasion der Hirnrinde pathogno- monisch ist, ist aus den vorbeschriebenen Fallen nicht sicher zu ge- winnen, immerhin in hohem Grade wahrscheinlieh.

Die sensiblen StSrungen, besonders die StSrung der Oberflachen- sensibilitat, sind in keinem der beobaehteten Falle an der erkrankten KSrperseite gleiehmaBig stark ausgepragt. In den meisten Fallen ist der Ort der die Kernsymptome hervorbringenden Verletzung aus der starkeren Auspragung der SensibilitatsstSrung zu ersehlieBen. Relativ am geringsten war in allen Fallen der sensible Ausfall am Rumpf, gering in einem Tefle der Falle auch im Gesieht, dessen distaler Teil, die Stirn, in manchen Fallen iiberhaupt frei blieb.

An den Extremita ten ergeben sieh zwischen den einzelnen Ab- sehnitten erhebliche Unterschiede der Intensitat der sensiblen Aus- fallserscheinungen. Von einer Anzahl von Autoren ist, wie oben ausgeftihrt, die distale Zunahme der sensiblen StSrungen als patho- gnomonisch ftir eine cerebrale GeftihlsstSrung angenommen worden. Von unseren Fallen zeigen ausschlieI~lich eine solche distale Intensi- t~tszunahme die Falle 1, 3, 6, 9, 11 und 12. In den Fallen 3 und 9 ist iiberhaupt nur eine Extremita t yon der StSrung betroffen. Im Falle 6 ist die sensible StSrung an der oberen Extremitat und dem oberen Teile des Rumpfes aul~erst gering, so dab der Fall den beiden ersteren tats~eh[ich an die Seite zu stellen ist. Fall 11 ist nicht zu verwerten, da die Rindenl~sion durch einen Absce]] kompliziert ist. Es bleiben als Falle, in denen eine komplette Hemihypasthesie mit distaler Zunahme sowohl an der oberen wie der unteren Extremi ta t besteht, die Falle 1 und 12 tibrig; davon ist Fall 1 aueh nicht vSllig einwandfrei. In 8 yon den iibrigen 9 F~llen ist eine Dissoziation insofern zu verzeichnen, als Arm und Bein der gest6rten Seite in ent- gegengesetzter Richtung eine Intensitatszunahme der Sensibilltats- stSrung zeigen, und zwar nimmt die St6rung in den Fallen 7, 8 und 13 am Bein distal, am Arm proximal, in den Fallen 2, 4, 5, 14 und 15 dagegen am Arm distal und am Bein proximal zu. Zu den letzteren Fallen dtirfte auch noch Fall 10 zu reehnen sein, wo die Temperatur- empfindung an der unteren Extremita t sicher eine proximale Zunahme zeigt, wahrend eine derartige Intensitatszunahme fiir die tibrigen Qualitaten der Oberflachensensibilitat bei der fast v611igen Anasthesie

Uber Sensibilitlitsstiirungen nach u der GroI~hirnrinde. 143

und Analgesie nicht sicherzustellen ist, w~hrend die StSrung an der oberen Extremiti~t distal am starksten ist. Es ergeben sieh also auf den ersten Blick regellose Untersehiede.

Von Interesse ist es, in diesen Fi~llen, soweit mSglich, die St~tte der eigentlichen Rindenverletzung nachzuweisen, um so die Kern- symptome yon den Fernsymptomen sondern zu kSnnen. In den F~llen 7, 8 und 13 liegt die sichtbare Verletzung entweder aussehliel~- lich fiber dem obersten Teile der hinteren Zentralwindung (Fall 13) oder doch zum grSBten Teile fiber dem sensiblen Beinzentrum. In den Fallen 2, 4, 5, 14 und 15 (ebenso in Fall 10) dagegen liegt die Verletzung entweder nur fiber dem mittleren Teile des Gyrus centralis (Fall 14 und 15), oder doeh erheblieh mehr fiber demselben. Es er- gibt sieh also die Tatsaehe, dab diejenige Extremiti~t, deren Rinden- gebiet yon der Verletzung direkt und am starksten getroffen ist, eine distale Zunahme der SensibilitatsstSrung zeigt, wi~hrend die andere Extremitat proximal die starksten sensiblen Ausfallserscheinungen aufweist. Es steht damit in Einklang, dab in den Fallen (3, 9), in denen fiberhaupt nur eine Extremiti~t vonder GeffihlsstSrung betroffen ist, die distale Zunahme derselben sehr ausgesprochen ist, dab in den Fallen (1, 12), in denen sowohl die obere wie die untere Extremiti~t eine distale Intensitiitszunahme der SensibilitatsstSrung zeigen, die siehtbare Verletzung etwa in gleicher Weise fiber dem oberen und mittleren Dritteil der Zentralwindung liegt, so dab also sowohl die StSrung am Bein wie am Arm als Kernsymptom aufgefaBt werden kann.

Die besehriebenen Falle lassen demnach den SchluB zu, dab die An- sieht der Autoren, dab die distale Zunahme der Intensitat ein patho- gnomonisches Zeichen ffir die cerebrale, insonderheit die corticale Sensibiliti~tsstSrung sei, nicht absolut aufrechtzuerhalten ist, wie das schon von Str i~ussler betont wurde. Der Satz muI~ dahin ein- geschrankt werden, dab nur die sensible StSrung der Extremitat, die die Kernsymptome darbietet, eine derartige distale Zunahme aufweist, wi~hrend die andere Extremiti~t im Gegensatz dazu, sofern es sich nieht um totale Ausfalle oder aber um ganz geringffigige StSrungen handelt, die den Nachweis einer Zunahme naeh irgendeiner Richtung unmSglieh machen, proximalwarts die st~rkeren StSrungen zeigt.

Die distale Zunahme der Intensitat der Sensibilit~tsstSrung dfirfte wohl physiologischen Empfindlichkeitsgraden entspreehen. Wie be- sonders bei der Prfifung der farado-eutanen Sensibilit~t sieh ergeben hat, bedarf es an den distalen Enden der Extremiti~ten grSBter Strom- sti~rken, die nach dem Rumpf zu graduell kleiner werden. Entsprechend dfirfte bei einer SensibilitatsstSrung, die als Kernsymptom eine Ex- tremiti~t gleichmi~Big befi~llt, dieselbe den schon physiologischen In-

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tensit~tsuntersehied der verschiedenen Abschnitte zeigen, mithin an- seheinend an den distalen Teilen am st~rksten ausgesprochen sein, sofern es sich nieht um eine ganz umschriebene Lasion und StSrung handelt. Far die andere Extremitat, die die SensibilitatsstSrung als Fernsymptom zeigt, ist eine proximale Zunahme der StSrung oder gar ein Freibleiben allein der distalen Teile (Fall 4) von derselben um so hSher zu bewerten. Aueh eine Gleiehmal3igkeit der StSrung ohne jeden Unterschied zwischen proximalen und distalen Teilen dfiffte bereits for ein starkeres Befallensein der proximalen Teile sprechen.

Von einigen Autoren ist auch eine Abnahme der Intensitat der StSrung der Rumpfsensibilitat yon der Wirbelsaule zum Brustbein hin nachgewiesen worden. In den besehriebenen Fallen war eine der- artige Zunahme nieht einwandfrei festzustellen, vielleicht, weft es sich stets nur um sehr geringftigige St5rungen an diesen KSrperteilen handelte.

Das Verhalten der Sensibiliti~tsstSrungen hinsichtlich ihrer In- tensitat bei Verletzungen der einen oder anderen Extremitatenregion ist ein weiterer Beweis daftir, dal3 das sensible Rindenfeld in der gleichen Aufeinanderfolge die Reprasentationsstatten far die einzelnen Ex- tremitatenabschnitte enth~lt, wie wir sie far die motorische Region annehmen. Ist die Li~sion im Beinzentrum zu suchen, so ist die sen- sible StSrung am A~m in der Schultergegend als dem Abschnitte des Armes, der seine Vertretung dem Beinzentrum am naehsten hat, am sti~rksten und nimmt yon da naeh der Hand zu ab. Liegt die Ver- letzung umgekehrt im Armzentrum, so ist wieder der diesem Zentrum ni~chstgelegene Tell des Zentrums far die untere Extremitat, der ftir die Htiftgegend, starkst betroffen, yon wo die StSrung nach dem Fufle zu abnimmt. Die Beobachtungen sprechen demnach dafar, dab auch in der sensiblen Rindenregion far die Extremitaten die Vertretungs- statten far den FuI3 die hSchsten, die far die Hand die untersten Teile einnehmen, wie das far die Motilitat festgestellt ist.

In allen 15 Fallen sind ferner Intensitatsunterschiede der halb- seitigen StSrung der Oberflachensensibilitat insofern vorhanden, als die sensiblen Ausfallserseheinungen an den Extremiti~ten Begren- zungen zeigen, die wit als segmentale zu bezeichnen pflegen. Es handelt sieh um verschiedene Starke der Empfindungsausfi~lle in Extremitatenabschnitten, die durch Langslinien, die der Extremitaten- aehse parallel verlaufen, begrenzt werden. Diese Linien verlaufen, wie auch die normalen Axia/linien an der oberen Extremiti~t in tier Sagittallinie, wahrend sie an der unteren horizontal verlaufen, dabei eine leichte Spiraldrehung machen.

An der oberen Extremitat besteht die starkere StSrung mit Aus- nahme des Falles 15 in den Fallen, die tiberhaupt eine segmentale

0ber Sensibilitatsst(irungen nach Verletzungen der Grol~hirnrinde. 145

Begrenzung zeigen, fiberwiegend in den postaxial gelegenen Abschnltten, d.h. am 4. und 5. Finger, dem entsprechenden u]naren Abschnitte der Hand, der Ulnarflache des Vorderarmes, der Innenflaehe des Ober- arms. Sie greift haufig noch auf den der AchselhShle benaehbarten Tell der Brust und des Rfiekens fiber. Die Begrenzung ist meist sehr scharf die Mittellinie, die StSrung volar und dorsal in gleieher Starke ausgepragt. Die postaxialen Tefle wiirden den Segmenten C a und D 1 entsprechen; auch das gelegentliehe Ubergreifen auf die der Achsel- hShle benachbarten Teile des Rumples wfirde mit der Ausdehnung y o n D 1 in Einklang stehen. In einze]nen Fallen ist eine derartige, naeh der AxiaUinie orientierte Begrenzung der starker gestSrten Hautteile nicht rein postaxial ausgesprochen. So in Fall 3, wo die StSrung die ganze Hand, daneben die Ulnarhalfte des Vorderarms einnimmt. Es wtirde also in diesem Falle C~ und C s schwerst betroffen sein. Eine starkere SensibilitatsstSrung in den praaxialen Segmenten zeigt nut Fall 15, bei dem also C5--C ~ die schwerst betroffenen Segmente sind. In einigen wenigen Fallen fehlt die Segmentierung an der oberen Ex- tremitat bei der gewShnlichen Prfifung ganz oder aber sie ist, wie auch im Falle 3, nur an einem ihrer Abschnitte zu erkennen. Es sind das die Falle, in denen nur geringffigige St6rungen der Oberflachensensibilitat naehweisbar sind (Fall 6, 7 und 11), in denen dann die starkst ge- stSrten Teile unter Umst~inden gerade noeh die Segmentierung er- kennen lassen.

An der unteren Extremitat ist die Verteilung der StSrung erheb- lich weniger gleichfSrmig. In 7 Fallen (1, 2, 10, 11, 13, 14, 15) ist auch hier ein Uberwiegen der sensiblen StSrung an den yon den Sakral- segmenten aus innervierten Hautabschnitten, also ein postaxialer Typus festzustellen. Dem stehen jedoch 6 Falle (5 bis 9 und 12) gegen- fiber, in denen die starkere StSrung ausgesprochen die den Lumbal- segmenten entsprechenden Hautpartien betrifft.

Die vorstehenden Ergebnisse stehen mit denen anderer Autoren im wesentlichen im Einklang, einmal, was iiberhaupt die Andeutung einer segmentalen Verteilung der SensibilitatsstSrungen bei Grofi- hirnrindenverletzungen angeht, als auch z.T. in der Art, wie diese zum Ausdruck kommt. So weisen z. B. G o l d s t e i n und K a f k a auf die starkere Beteiligung der postaxialen Segmente C s und D 1 a n der oberen, der Sakralsegmente an der unteren Extremitat hin. Immerhin weisen die beschriebenen Falle in gr6Berer Anzahl Abweichungen auf oder zeigen gar eine entgegengesetzte Anordnung.

Wie die Verschiedenheiten zu erklaren sind, ist nieht vSllig zu fibersehen. Die Falle 6 bis 9, abet auch 5 und 12 machen es wahr- scheinlich, dal~ bei Lasionen, die das sensible Zentrum ffir die untere Extremitat direkt betreffen, an dieser ein praaxialer Typus der Ge-

Z. f. d. g. Neut. u. Psych. O. XXXIII . 10

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ffihlsstSrungen auftritt. An der oberen Extremit~t liegen die Ver- h~Itnisse weniger klar zutage, doch weisen aueh hier einzelne F~lle, besonders Fall 15, aber aueh Fall 3 und 10 entweder aussehlieBliche Bevorzugung der prgaxialen Segmente oder doeh ein t~bergreifen auf diese in den distalen Partien auf. Best~tigt zu werden scheint diese Ansieht durch das Ergebnis der Untersuchung der elektro-cutanen Sensibflit~t, die ergibt, dab in einem Teile der Fglle, in denen die ge- wShnliehe Prtifung keine segmenti~ren Differenzen oder aueh fiber- haupt keine Sensibilit~tsstSrungen naehzuweisen vermochte, doch Segmentuntersehiede Ifir den faradischen Strom bestehen. Diese er- geben in den X~llen 6 und 9, daft die starker befallenen Segmente an den fraglichen oberen Extremit~ten die postaxialen sind, was mit der erw~hnten Theorie fibereinstimmt, da die Hirnl~sion fiber den obersten Teilen der Zentralwindungen liegt und am Bein ein pr~axialer Typu~ nachzuweisen ist. Im Falle 4, in dem die obere Extremit~t die sehwer- sten StSrungen zeigt, und, obgleich der Herd fiber dem mittleren Dritt- teil der Zentralwindungen liegt, doeh ein postaxialer Typus an bei- den Extremit~ten vorhanden ist, findet sieh bei der faradocu- tanen Prfifung eine deutlieher postaxialer Typus nur an der unteren Extremit~t, w~hrend an der oberen keine segment~ren Differenzen nachweisbar sind; die Sehwere der StSrung seheint also den segmen- t~ren Typus verwischen zu k6nnen. Das ist aueh besonders im Falle 10 zu bemerken, der sehwerste motorische und sensible Ansfaltsersehei- nungen an beiden Extremit~ten zeigt, und in dem sich weder an der oberen noch an der unteren Extremit~t eine deutliche Segmentation ffir den faradischen Strom bei starker allgemeiner Herabsetzung nach- weisen l~Bt. Interessant ist aueh, dab im Falle 12, wo die siehtbare Verletzung fiber den beiden obersten Dritteilen etwa gleiehm~Big zu liegen seheint, wo die gew6hnliehe Sensibilit~tspriifung ffir die obere Extremit~t einen post-, ffir die untere einen pr~axialen Typus auf- weist, die Priifung mit dem elektrisehen Strom einen umgekehrten Typus zeigt.

Die Erklgrung der beobaehteten Versehiedenheiten wfirde der LSsung der Frage nach der Art der Verteilung der sensiblen End- st~tten der Extremit~ten in der Hirnrinde nahe stehen. Wie bereits gelegentlieh der Bespreehung der fiber diesen Punkt aufgestellten Theorien gesagt, erscheint es uns unbewiesen, dab die Segmentation der Geffihlsst6rungen bei Hirnherden auf physiologische Unterschiede der Empfindlichkeit der pr~- und postaxialen Segmente zurfickzuffihren ist; diese Theorie kommt deshalb f fir uns nieht in Frage.

Die M unksehe Hypothese vonder Projektion der einzelnen Glied- absehnitte nebeneinander auf der Hirrrrinde ist vielfaeh angefeindet worden. Wenn BonhSf f e r sie ablehnt, weft F~lle mit ausschlieBlicher

~Tber Sensibilitlitsstiirungen nach Verletzungen der Grol~hirnrinde. 147

An~sthesie proximaler Extremit~ttenabschnitte noch nicht zur Beob- achtung gekommen w~ren, so ist dagegen zu bemerken, dab das im Prinzip zwar aueh heute noch zutrifft, dab aber yon verschiedenen Seiten, wie auch unter den oben beschriebenen F~llen Beispiele erbracht wurden, in denen die sensible StSrung jedenfalls proximal an St~rke zu- nahm. L e w a n d o w s k y s Einwand, dab eine ganz scharfe Projektion auf die Hirnrinde nieht statthaben kSnnte, weft totale Ausfi~lle der Sensi- bilit~t fiberhaupt nieht, sondern immer nur lokale Abstumpfungen ge- funden warden, deshalb die Rindengebiete f fir die einzelnen KSrper- teile sich in hohem Grade fiberdecken mtiBten, dfiffte durch einen Teil der beschriebenen F~lle als widerlegt anzusehen sein, in denen wenigstens f fir die schwerst betroffenen Hautgebiete vSllige Auf- hebung der Oberfl~chenempfindung nachzuweisen war. Von einer Widerlegung der M u n k schen Theorie kann deshalb nicht gesprochen werden. M u s k e n s hat dieselbe nach seinen Untersuchungen dahin erweitert, dab im Projektionsfeld der K6rperoberfli~che auf der Hirn- rinde ebenfalls das Prinzip der Segmentation herrsche.

Unter Zugrundelegung der Richtigkeit der oben erSrterten Beob- achtung, dab die Extremiti~t, fiber deren sensiblem Rindenzentrum die Hirnli~sion liegt, einen pr~axialen Typus, die andere einen post- axialen Typus der Sensibilit~tsstSrungen aufweise, die aus den be- schriebenen Fi~llen zwar nicht einwandfrei zu beweisen, aber doch sehr wahrseheinlich ist, wiirde dieselbe die M u n k sche Theorie in ihrer Er- weiterung von M us k ens besti~tigen. Man wfirde aus den Beobaeh- tungen schlieBen mfissen, dab in den mittleren Partien der hinteren Zentralwindung die Sakralsegmente und an diese ansehlieBend die untersten Cervicalsegmente und das oberste Dorsalsegment ihre Ver- tretung h~tten. Liegt die Rindenl~sion fiber den obersten Teilen des Gyrus centralis posterior {Fall 6 bis 9), so sind an der unteren Ex- tremit~t die pr~axialen Segmente, d .h . die Lumbalsegmente, st~rkst betroffen, w~hrend an der oberen Extremit~t die dem Orte der L~sion ni~chst gelegenen Teile, also die postaxialen Segmente, die intensivsten St6rungen zeigen. Liegt die L~sion fiber den mittleren Teilen der hinteren Zentralwindung, so werden yon der unteren Extremit~t die Sakralsegmente, v o n d e r oberen die Segmente C s und D 1 am st~rksten betroffen, d .h . die St6rung wfirde an beiden Extremit~ten postaxial sein. Liegt endlich die Rindenverlegzung fiber den untersten Teilen des sensiblen Rindenfeldes (Fall 15), so wfirden an der oberen Ex- tremiti~t die pri~axialen Segmente die Kernsymptome aufweisen, also am st~rksten betroffen sein, w~hrend an der unteren Extremit~t die postaxialen Sakralsegmente als die der L~sion am n~tchsten gelegenen die sti~rksten St6rungen darbieten. Bei sehr eng begrenzten Rinden- lasionen ist es denkbar, dab nur das Gebiet der Sakral- oder der un-

10"

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tersten Cervicalsegmente betroffen wird, dal3 also an der allein be- troffenen Extremitat ein postaxialer Segmenttypus zustande kommt. Dal3 derselbe auch in diesen Fallen kaum vSllig rein auftritt, dfirfte Fall 3 beweisen. Es erscheint uns deshalb wahrscheinlich, dab die Annahme M u n k - M u s k e n s , dal3 die Haut auf die Ftihlsphare nach dem Prinzip der Segmentation projiziert sei, den Tatsachen entspricht.

Gibt es nun Unterscheidungsmerkmale, die dureh corticale Hirn- lasionen hervorgerufene sensible StSrungen ohne weiteres erkennen lassen ?

Auf die von anderer Seite als pathognomonisch hingestellten Eigen- sehaften derartiger corticaler SensibilitatsstSrungen, wie das Mi$- verhaltnis der StSrung der 0berflachen- und Tiefensensibilitat, das Uberwiegen der StSrung des LokalisationsvermSgens fiber die son- stigen sensiblen Ausfallserscheinungen, das Bestehen distaler Intensi- ti~tszunahme an den Extremitaten ist bereits bei Besprechung der einzelnen Erseheinungen eingegaugen. Das MiBverhMtnis zwischen Obefflaehen- und TiefensensibilitatsstSrung, bzw. das Uberwiegen der letzteren kann keineswegs als in dieser Beziehung differentialdia- gnostisehes Moment angesprochen werden. Es dfirfte sieh in derartigen Fallen vielmehr um ein fiberwiegendes Betroffensein der hintersten Partien des sensiblen Rindenfeldes handeln. Das starke Hervortreten der StSrung des LokalisationsvermSgens bei im fibrigen ma$igen son- stigen sensiblen Symptomen kann zwar unter Umstanden ffir die Diagnose eines Rindenherdes zu verwerten sein. Der Faktor verliert aber an Bedeutung, weft meist der lokalisatorischen Unsicherheit ent- sprechende St6rungen der Oberflachensensibilitat parallel gehen.

Erheblieh mehr Wert ist auf die ungleiche Verteilung der Geftihls- stSrung in den einzelnen Extremitatenabsehnitten zu legen, insofern die sensible StSrung in der Extremitat, die die Kernsymptome der Hirnrindenlasion darbietet, distal zunimmt, dabei vorzugsweise einen praaxialen Segmentationstypus zeigt, wahrend in derjenigen Extremi- tat, deren sensibles Zentrum nicht direkt betroffen ist, dagegen proximal die starkste St6rung besteht, die immer dem postaxialen Typus ent- spricht. Dieses Verhalten dfirfte nur StSrungen zukommen, deren Krankheitsherde in der Hirnrinde oder dicht darunter gelegen sind. Von sensiblen StSrungen, die vdm Rfickenmark ausgehen, sind diese ,,pseudospinalen" in den meisten Fallen dadurch unterschieden, da$ die segmentalen StSrungen, bzw. die SensibilitatsstSrungen iiberhaupt eine gauze KSrperhalfte einnehmen. In den wenigen Fallen, wo Pinsel und ~adel sensible StSrungen nur an einer Extremitat nachweisen, ist der faradische Strom berufen, als die feinere Priifungsmethode leichteste sensible StSrungen an der anderen Extremit~it aufzudecken.

g~ber SensibilitatsstSrungen nach. u der Grol~hirnrinde. 149

Das Uberwiegen der StSrung in bestimmten Segmentgruppen der besehriebenen Form dfirfte ebenfalls ftir eine Hirnrindenliision spreehen. Aueh das Uberwiegen der StSrung des LokalisationsvermSgens fiber die StSrung der Oberfl~ehensensibilitat ist ftir die Diagnose der corti- calen Lasion zu verwerten, w~hrend andererseits sti~rkere Dissoziation der einzelnen Qualitaten der Oberfli~ehenempfindung auf Rfickenmarks- erkrankung hinweist. DaB StSrungen des stereognostisehen Sinnes end- lieh die Diagnose einer Hirnerkrankung sichern, ist selbstversti~ndlieh.

Aus alledem ergibt sich, dab die Differentialdiagnose zwisehen sensiblen Hirn- und RtiekenmarksstSrungen in vielen Fallen nur aus der Summe der durch eingehende Untersuehung erhaltenen Befunde sieherzustellen ist, wobei allgemeine Symptome von seiten des Gehirns oder Rfickenmarks und ihrer Bedeckungen wichtige Hinweise liefern kSnnen.

Die Ergebnisse der vorstehenden Untersuehungen bestehen einmal in I. Anatomischen Folgerungen: 1. Als sensibles Rindenfeld ist die hintere Zentralwindung und

der angrenzende Teil des Seheitellappens, besonders der Gyrus supra- marginalis zu betrachten. Einige Beobachtungen weisen darauf kin, dal~ daneben ffir die Bertihrungsempfindung noch eine ausgedehntere Vertretung in der Hirnrinde statthat. Die vordere Zentralwindung hat mit den sensiblen Bahnen nichts zu tun.

2. Dieses sensible Rindenfeld zeigt ftir die Extremitaten geson- derte Territorien, die denen der motorischen Endstatten nach Lage und Ausdehnung im wesentlichen entsprechen, so dal~ also das sensible Rindengebiet ftir die untere Extremiti~t den hSchstgelegenen Tell der hinteren Zentralwindung, das fiir die obere Extremiti~t den mittleren Tell derselben einnimmt. Unter diesem scheint entsprechend der motorischen Region des Facialis das Rindengebiet ftir den Trigeminus zu liegen.

3. Innerhalb der einzelnen Rindenfoci besteht wahrscheinlieh ~hn- lich der der motorischen Region eine Verteilung derart, dab die Ver- tretungen der Hfift- und Sehultergegend aneinanderstoi~en.

4. Doch ist wahrscheinlieh das sensible Rindenfeld naeh dem Prinzip der Segmentation eingeteilt, wobei die Sakralsegmente die untersten Partien des Beinzentrums einnehmen, denen im Armgebiet das erste Dorsal- und die untersten Cervicalsegmente unmittelbar folgen.

5. Die Endstatten der Bahnen ftir die Tiefensensibiliti~t scheinen die hintersten Tefle der sensiblen Rindensph~re einzunehmen, die auf die Rinde des Parietalhirns fibergreift. Ebenso dtirfte das Zentrum fiir den stereognostischen Sinn in dieser gelegen sein.

150 H. Krueger:

II. Verletzungen dieser sensiblen Rindenregion haben sensible St6rungen an der entgegengesetzten K6rperhalfte zur Folge, die sich folgendermal~en charakterisieren:

1. Die Oberflaehensensibilitat ist meistens in Form der Hemi- hypgsthesie gestSrt. In seltenen Fallen kommt es zur Monohypasthesie. Am geringsten ist die StSrung stets am Rumpf ausgesprochen, haufig aueh in der entsprechenden Gesiehtshalfte. Die versehiedenen Quali- t~ten der Oberflachensensibilitat sind in der Regel in gleichem Grade befallen; in einem Teile der Falle bestehen Dissoziationen, meist in- sofern, als die Schmerz- und Temperaturempfindung st~rkere Herab- setzung zeigt als die Beriihrungsempfindung.

2. Die St6rung des Vibrationsgefiihls geht der der Oberflachen- sensibilitat parallel. Dasselbe diirfte entsprechend der Ansicht Gold- sche iders als eine Modifikation des Tastgefiihls anzusprechen sein, indem durch die schnell aufeinanderfolgenden, kurzen Druckreize der vibrierenden Stimmgabel die Druekreize perzipierenden Hautorgane in eigenartiger Weise erregt werden.

3. Die St6rung der farado-cutanen Sensibilitat geht derjenigen der Oberflachensensibilitat parallel. Die Priifung der Hautempfindlich- keit gegen den faradischen Strom ist als auch feinere Sensibilit~ts- stSrungen naehweisende Untersuchungsmethode berufen, die Unter- suchung mit Pinsel und Nadel zu vervollst~ndigen. Sie vermag auch leiehtere sensible StSrungen noch da aufzudecken, wo die gewShnlichen Priifungsarten im Stiche lassen.

4. Die St6rungen der Tiefensensibilitat nach Hirnrindenlasionen weisen keine Besonderheiten auf. Ihr Auftreten h~ngt lediglieh von dem Orte der Rindenschadigung, d. h. yon dem Ubergreifen derselben auf das Parietalhirn ab. Das gleiehe gilt von den schweren St5rungen des stereognostischen Sinnes. Leiehtere Unsicherheiten des stereo- gnostisehen Erkennens, besonders des Erkennens der feineren Quali- tgten eines Gegenstandes, kSnnen auch durch starke Herabsetzung der Oberflachensensibilitat allein bedingt werden; das Erkennen der grSberen Umrisse der KSrper ist aber in diesen Fallen stets erhalten.

5. Ataktische StSrungen starkerer Art scheinen nieht direkt durch sensible Ausfallserseheinungen (weder der Oberflachen- noeh der Tiefensensibilitat) hervorgerufen werden zu kSnnen. Sie diirften bei Verletzungen der Hirnrinde yon den gleichzeitig vorhandenen moto- risehen Ausfallserseheinungen abhangen, denen sie stets parallel gehen.

6. Die haufig vorhandene StSrung des Lokalisationsverm5gens ist in vielen Fallen, in denen sie an Starke und Ausdehnung der StSrung der Oberflaehensensibilitat entspricht, yon dieser abzuleiten. In an- deren Fallen dagegen, in denen die Oberflgehenempfindung nicht oder nur ganz geringftigig gest5rt ist, diirfte sie auf eine Lgsion des

Uber Sensibilit~tsstSrungen nach Verletzungen der Grol~hirnrinde. 151

zum Lokalisieren fiihrenden Assoziationsvorganges infolge Verletzung der sensiblen Zellen der Hirnrinde als seines Ausgangspunktes oder der yon ihnen ausgehenden Assoziationsfasern zu beziehen sein.

7. Bei corticalen StSrungen der Oberfl~chensensibilitat nehmen dieselben an der Extremit~t, deren Zentrum direkt betroffen ist, distal zu, was auf einer physiologischen geringeren Empfindlichkeit der distalen Extremit~tenabschnitte beruhen dtirfte. An der entgegen- gesetzten Extremit~t ist die StSrung entweder eine gleichmal~ige oder aber sie nimmt (meistens) proximal zu, was durch die Reihenfolge der Vertretung der versehiedenen Gliedabschnitte im Cortex zu erkl~ren ist. Reieht der Herd fiber die Zentren beider Extremit~ten, so ist an beiden eine distale Zunahme der sensiblen StSrung zu erwarten.

8. Bei corticalen Herden zeigen die sensiblen Ausf~lle meistens eine deutliehe segment~re Begrenzung, bzw. ein Uberwiegen in seg- mentor begrenzten Hautgebieten. An der die Kernsymptome dar- bietenden Extremit~t ist dabei in der l~egel ein pr~axialer Typus nach- zuweisen, an dem die Fernsymptome zeigenden Gliede ein postaxialer, Ausnahmen sind bei eng umschriebenen L~sionen mSglieh.

III. Ffir eine corticale Lasion pathognomonische sensible Einzel- symptome gibt es, abgesehen von den StSrungen des stereognostischen Sinnes und erhebliehen Differenzen zwischen der Intensit~t der lokali- satorischen St6rung und der der Oberflachensensibilit~t nieht. Die Summe der durch eingehende Untersuchung der sensiblen Ausfhlle erhaltenen Befunde zusammen mit den motorischen St6rungen und etwa vorhandenen Allgemeinsymptomen yon seiten des Gehirns oder Rfiekenmarks l~l~t die Differentialdiagnose stellen. Jedenfalls ist sehon heute den sensiblen Ausfallserscheinungen ein erheblicher lokali- satoriseher Wert zuzuerkennen.