Über schlamm- oder feldfieber mit beobachtungen von hirnhautentzündungen

3
Klinische 314 OCKLITZ, Feldfieber mit Hirnhautentzfindungen. Wochenschrift I~BER SCHLAMM- ODER FELDFIEBER MIT BEOBACHTUNGEN VON HIRNHAUTENTZ~3NDUNGEN. Von HANS-WOLFGANG OCKLITZ. Aus der Irmeren Abteilung des Kreiskrankenhauses Strehlen (Schlesien) (Leitender Arzt: Dr. U..STEINBERG!. Das Schlamm-Feldfieber sieht trotz der Tatsache, dab ver- schiedene Typen der Leptospiren Erreger sein k6nnen (neben der L. grippotyphosa noch die L. Sejroe, die L. Bataviae, die L. Australis und einige andere) und trotz einer groBen Variabili- t~it im Einzelfall epidemiologisch doch im ganzen einheitlich aus. Charakterisiert wird das Krankheitsbild durch starke Rficken-, Glieder-, besonders ~ wenn auch nicht so ausgepriigt wie beim Morbus Well -- Wadenschmerzen, heftige Kopf- schmerzen mit Benommenheit, ziliare und konjunktivale In- jektion der Bulbi und hohes Fieber, das nach mehrt~giger Kon- tinua lytisch oder kritisch zur Norm fiillt, um in einem groBen Tell der F~ille noch einen relapsartigen Anstieg zu zeigen. Die meisten bisherigen Feldfiebererkrankungen zeigten dieses Krankheitsbild. Es ist aber nur eine, wenn auch die hiiufigste klinische Manifestation der Grippotyphosainfektion. Klargestellt wurden diese Verh~ilmisse zuerst beim Morbus Well. DOHMEN zeigte schon 1939, dab der Icterus infectiosus nur ,,eine Ausdrucksform des Morbus Well" ist, letzterer aber auch als eindeutig neurologische Affektion, nach seinem Beob- achtungsgut unter dem Bilde einer reinen Meningitis auftreten kann. Nach WALCH-SORGDRAGER hat man ,,anfangs die Menin- gitis ftir ein Leptospirosensymptom gehalten, jetzt ist aber nachgewiesen, dab die Ursache der Meningitis die Leptospiren- infektion ist". Ein Unterschied zwischen der Meningitisform der Weilschen Krankheit und der klassischen klinischen Menin- gitis besteht im allgemeinen nicht (RIMPAU). Der Meningitis des Morbus Well entspricht die Grippo- typhosa-Meningitis, die ebenfalls bei Fehlen der Konjunkti- vitis und der Muskelschmerzen nicht als Leptospirose erkenn- bar w~ire. Waren schon in den schlesischen Epidemien 19'6/27 neben Somnolenz und Delirien bei manchen Kranken klare meningitische Erscheinungen aufgetreten (Kathe), so beobachtete LOBMEYER 1939 im stiidtischen Krankenhaus zu Landshut i.B. 6 reine Schlammfieber-Menlngitiden. Diese siimtlich serologlsch gesicherten Erkrankungsfiille zeigten die voll- ausgepriigten Symptome der Meningitis. Kopfschmerzen, Erbrechen, Opisthotonus, positiven Kernig, Nackensteifigkeit und fehlende Bauch- deckenreflexe sah auch schon DOHMEN bei der Well-Meningitis, ebenso den erhShten Liquordruck. Das Bild wird durch positiven Pandy und Liquorzellvermehrung erg~nzt. LOBMEYER konnte weiterhin noch Nystagmus, auffiiHige Bradykardie und Hypotonie feststellen. Abgesehen yon den meningitischen Symptomen wird die Leptospirenmeningitis durch brfisken Beginn, Anzeichen einer Nierenschiidigung und die oben, beschriebene Konjunktivitis charakterisiert. Der Liquorbefund zeigt keine ihn den Leptospirosen zu- ordnende Besonderheiten. Konstant ist nur die schon erwiihnte Druckerh6hung. Zell- und EiweiBwerte k6nnen schwanken, sinken nach hohen Anfangszahlen im weiteren Verlauf hiiufig nicht gleich stark ab, so dab es zu einer albuminozytologischen Dissoziation kommt (RouB/~EK). Der Zuckergehalt liegt nach ROUBf~EK an der oberen Grenze des Normalen oder noch 6fters bis fiber IOO rag%, was auch mit unseren beiden Beobachtun- gen fibereinstimmt. Auch die Kolloidkurven zeigten bisher weder bei Well-(DOHMEN) noch bei Schlammfiebermenin- gifts Besonderheiten. ROUBf~EK spricht allerdings yon einem einheitlichen Kurventyp bei der kolloidalen Kollargolreaktion nach RIEBELING, deutlich zu unterschei~en yon der Kurve anderer Meningitiden. Die WaR, die ~OSTE und TROISlER bei den mit Ikterus verlaufenden F~illen der Well-Meningitis h~iu- fig positiv fanden, ist bei der Meningitisform des Schlamm- Feldfiebers bisher immer negativ ausgefallen. Erreger treten bei beiden Formen des Morbus Well im Liquor auf, beim Schlamm-Feldfieber wurden sie hier noch nicht nachgewiesen. Vo~I unseren 13 Schlammfieberbeobachtungen (Kreis- krankenhaus Strehlen, Schlesien) zeigten 2 das Bild einer klaren Meningitis, nachdem hier in den Jahren vorher nur die andere klinische Manifestation des Schlamm-Feldfiebers zur Beobachtung gekommen war. Kurz der Verlauf der beiden Erkrankungen : P IGO fqO 7XO 100 80 ~0 ~0 I. Der Melker A.S. erkrankte am 15.8.42 pl6tzlich mit hohem Fieber, starken Kopfschmerzen, Durchfiillen und mehrmaligem Erbrechen. In den n/ichsten Tagen Ve'rschlimmerung des Zustandes, Einlieferung in das Krankenhaus unter der Diagnose ,,Pneumonie". Bei der Aufnahme am 17.8. machte S. einen schwerkranken Eindruck. Leichte Nacken- steifigkeit, ziehende Schmerzen im Kreuz. Deutliche ,,Konjunktivitis" mit ziliarer Injektion. Rotes Blutbild: normal; Leukozyten 6,6; Sen- kungsreaktion: 2o mm/erste Stunde nach Westergren. Im Urin EiweiB in Spuren, vereinzelt Erythrozyten und Leukozyten. Am 18.8. hat slch das Befinden noch verschllmmert, die Meningitis ist klar ausgepr~gt. Die Lumbalpunktion zeigt erh6hten Druck, Pandy ist deutlich positiv, Zucker- gehalt 8ping%. Die Kopfschmerzen lassen nach der Lumbalpunktion nach. Am I9.8. weiterhin Somnolenz, Te'mperatur 4o,4 0 C. Auftreten eines morbilliformen Exanthems. Die Lumbalpunktion zeigt gegenfiber gestern Zellvermehrung (yon 22/3 auf 30/3). AnschlieBend an die Lumbalpunktion wird 1 ccm Albucid auf 9 ccm physiol. NaCl-L6sung intralumbal gegeben. IS ccm Albucid i. v., 5 ccm i. m. Am folgenden Tage noch immer Benommenheit. Deutliche Blickliihmung beim Sehen nach links, triige Pupillenreaktion und schlecht ausl6sbare Reflexe. Die Lumba]- punktion zeigt 893:3 Zellen, was auf den chemischen Reiz des Albucids zurtickzuftihren ist. Mit der TherapJe wird fortgefahren. Am n/ichsten Tage erstmalige Besserung mit Absinken der Temperatur. Im weiteren Verlauf niihern sich Temperatur und Allgemeinbefinden der Norm, zeigen nur am 17. und 18. Tage einen leichen Rfickfall mit Kopfsehmerzen und geringer Nackensteifigkeit. Die Zellvermehrung ist ebenfalls abge- klungen, zeigt bei deutlich positivem Pandy nur noch 65/3. ~ Da nut mit einem sehr langsamen Rfickgang zu einem vollkommen normalen Liquor- befund gerechnet werden kann, trotzdem der Patient abet als geheilt aI~- zusehen ist, erfolgt 2 Tage spw am 28. Krankheitstage, die Entlassung. -- Die am IO. Krankheitstage eingesandte Blutprobe ergab eine Agglutination mit L. grippotyphosa in der Serumverdfinnung I : 5oo. Die Agglutina- tlonsprobe des Liquors hingegen war negativ: die WaR war positiv, wobei dieser Ausfall h6chstwahrscheinlich auf das Vorhandensein einer groBen Menge den Liquor verunreinigender banaler Bakterien zurfickzuffihren ist. Line zweite Blutprobe w~hrend der Erkrankung wurde nicht vorgenommen. doch ergab eine Nachuntersuchung im Jahre 1943 den Serumagglutina- tionstiter yon I : 2o ooo + ffir L. grippotyphosa. T I I I I I I ~ I I ~ j , . _ 39 ' ~- [ -~ . . . . T- : ..... ; , 5s ,-- - -~+'~. .... , --~'% Atm~zkhe#stage Abb. I. Fieberkurve des I. Falles yon Schlammfiebermeningitis. 2. Die Landarbeiterin Stefanie L. erkrankte am I. 9. 1942 pl6tzlich mit hohem Fieber, sehr starken Kopfschmerzen und mehrmaligem Durch- fall. Da der Zustand sich nicht besserte, am 4.9. l-Tberweisung an das Kreiskrankenhaus durch den behandelnden Arzt mit der Diagnose ,,Schlammfieber". Befund: Starke Schmerzen in der WirbelsSule bei Versuch, den Kopf zu beugen. Pupiltenreaktion tr~ge. Deutliche Kon- juntivitis mit ziliarer Injektion. Vereinzelt trockne und feuchte Rassel- geriiusche fiber beiden Lungen. Blutbild: Hb 86%, Erythroz. 4,5 Mill., Leukoz. IOOOO, Senkungsreaktion 55 mm/ erste Stunde nach Westergren. tm Urin nur Spuren yon EiweiB. Am 7. 9. Lumbalpunktion: Zellzahl 65/3, Pandy+. Die Lumbalpunktionen werden sechsmal wiederholt, die Zellzahl steigt bei der 3. auf 1944/3 (was auf das wie bei der ersten Beob- achtung intralumbal gegebene Albucid zurfickzuffihren ist). Die Zellzahl f~llt dann wieder ab, betrfigt bei der 6. LP nur noch 23/3. Zuckergehalt des Liquors = lO5 mg%. Neben Albucid wird Pyramidon und gegen die bronchitischen Beschwerden Infus. Ipecac. gegeben. Am Vortage zur Prfifung auf Leptospiren-Antik6rper eingesandtes Blur ergab mlt L. grip- potyphosa einen Titer yon 1:3pop +. Die Liquoruntersuchnng auf Agglutinine verlfiuft negativ. -- Nach den Lumbalpunktionen verschwinden die meningitischen Erscheinungen. Patientin klagt noch ab und zu fiber Kopfsclamerzen, die aber gut dutch Pyramidon zu beeinflussen sind. Lungenbefund normal. Am BIutbild ist die Ver~nderung bemerkenswert: Hb 7o%, Erythroz. 4,0 Mill., Leukoz. 58oo. Senkungsreaktion 2o ram/ erste Stunde. Urinbefund normal. Entlassung am 32. Krankheitstage als geheilt. Es darf in diesem Zusammenhange nicht unerw~ihnt bleiben, dab sowohl beim Morbus Well wie beim Schlamm-Feldfieber die Meningitis zwar die auffSlligste und wahrscheinlich die

Upload: hans-wolfgang-ocklitz

Post on 15-Aug-2016

213 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Über Schlamm- Oder Feldfieber mit Beobachtungen von Hirnhautentzündungen

Klinische 314 OCKLITZ, Feldfieber mit Hirnhautentzfindungen. Wochenschrift

I~BER SCHLAMM- ODER FELDFIEBER MIT BEOBACHTUNGEN VON HIRNHAUTENTZ~3NDUNGEN. Von

HANS-WOLFGANG OCKLITZ. Aus der Irmeren Abteilung des Kreiskrankenhauses Strehlen (Schlesien) (Leitender Arzt: Dr. U..STEINBERG!.

Das Schlamm-Feldfieber sieht trotz der Tatsache, dab ver- schiedene Typen der Leptospiren Erreger sein k6nnen (neben der L. grippotyphosa noch die L. Sejroe, die L. Bataviae, die L. Australis und einige andere) und trotz einer groBen Variabili- t~it im Einzelfall epidemiologisch doch im ganzen einheitlich aus.

Charakterisiert wird das Krankheitsbild durch starke Rficken-, Glieder-, besonders ~ wenn auch nicht so ausgepriigt wie beim Morbus Well - - Wadenschmerzen, heftige Kopf- schmerzen mit Benommenheit, ziliare und konjunktivale In- jektion der Bulbi und hohes Fieber, das nach mehrt~giger Kon- tinua lytisch oder kritisch zur Norm fiillt, um in einem groBen Tell der F~ille noch einen relapsartigen Anstieg zu zeigen.

Die meis ten bisherigen Feldfiebererkrankungen zeigten d ie ses K r a n k h e i t s b i l d . E s i s t a b e r n u r e i n e , w e n n a u c h d ie h i iu f igs te k l i n i s c h e M a n i f e s t a t i o n d e r G r i p p o t y p h o s a i n f e k t i o n . K l a r g e s t e l l t w u r d e n d ie se Verh~ i lmis se z u e r s t b e i m M o r b u s We l l . DOHMEN ze ig te s c h o n 1939, d a b d e r I c t e r u s i n f e c t i o s u s n u r , , e ine A u s d r u c k s f o r m d e s M o r b u s W e l l " is t , l e t z t e r e r a b e r a u c h als e i n d e u t i g n e u r o l o g i s c h e Af f ek t i on , n a c h s e i n e m B e o b - a c h t u n g s g u t u n t e r d e m Bi lde e i n e r r e i n e n M e n i n g i t i s a u f t r e t e n k a n n .

N a c h WALCH-SORGDRAGER h a t m a n , , a n f a n g s d ie M e n i n - g i t i s f t i r e i n L e p t o s p i r o s e n s y m p t o m g e h a l t e n , j e t z t i s t a b e r n a c h g e w i e s e n , d a b d ie U r s a c h e d e r M e n i n g i t i s d ie L e p t o s p i r e n - i n f e k t i o n i s t " . E i n U n t e r s c h i e d z w i s c h e n d e r M e n i n g i t i s f o r m d e r W e i l s c h e n K r a n k h e i t u n d d e r k l a s s i s c h e n k l i n i s c h e n M e n i n - g i t i s b e s t e h t i m a l l g e m e i n e n n i c h t (RIMPAU).

D e r M e n i n g i t i s de s M o r b u s W e l l e n t s p r i c h t d ie G r i p p o - t y p h o s a - M e n i n g i t i s , d ie e b e n f a l l s be i F e h l e n d e r K o n j u n k t i - v i t i s u n d d e r M u s k e l s c h m e r z e n n i c h t als L e p t o s p i r o s e e r k e n n - b a r w~ire.

Waren schon in den schlesischen Epidemien 19'6/27 neben Somnolenz und Delirien bei manchen Kranken klare meningitische Erscheinungen aufgetreten (Kathe), so beobachtete LOBMEYER 1939 im stiidtischen Krankenhaus zu Landshut i .B . 6 reine Schlammfieber-Menlngitiden. Diese siimtlich serologlsch gesicherten Erkrankungsfiille zeigten die voll- ausgepriigten Symptome der Meningitis. Kopfschmerzen, Erbrechen, Opisthotonus, positiven Kernig, Nackensteifigkeit und fehlende Bauch- deckenreflexe sah auch schon D O H M E N bei der Well-Meningitis, ebenso den erhShten Liquordruck. Das Bild wird durch positiven Pandy und Liquorzellvermehrung erg~nzt. LOBMEYER konnte weiterhin noch Nystagmus, auffiiHige Bradykardie und Hypotonie feststellen.

A b g e s e h e n y o n d e n m e n i n g i t i s c h e n S y m p t o m e n w i rd d ie L e p t o s p i r e n m e n i n g i t i s d u r c h b r f i s k e n B e g i n n , A n z e i c h e n e i n e r N i e r e n s c h i i d i g u n g u n d die o b e n , b e s c h r i e b e n e K o n j u n k t i v i t i s c h a r a k t e r i s i e r t .

D e r L i q u o r b e f u n d ze ig t ke i ne i h n d e n L e p t o s p i r o s e n z u - o r d n e n d e B e s o n d e r h e i t e n . K o n s t a n t i s t n u r d ie s c h o n e r w i i h n t e D r u c k e r h 6 h u n g . Ze l l - u n d E i w e i B w e r t e k 6 n n e n s c h w a n k e n , s i n k e n n a c h h o h e n A n f a n g s z a h l e n i m w e i t e r e n V e r l a u f hi iuf ig n i c h t g l e i c h s t a r k ab , so d a b es z u e i n e r a l b u m i n o z y t o l o g i s c h e n D i s s o z i a t i o n k o m m t (RouB/~EK) . D e r Z u c k e r g e h a l t l i eg t n a c h ROUBf~EK a n d e r o b e r e n G r e n z e de s N o r m a l e n o d e r n o c h 6 f t e r s b is f iber IOO r a g % , was a u c h m i t u n s e r e n b e i d e n B e o b a c h t u n - g e n f i b e r e i n s t i m m t . A u c h d ie K o l l o i d k u r v e n z e i g t e n b i s h e r w e d e r be i W e l l - ( D O H M E N ) n o c h be i S c h l a m m f i e b e r m e n i n - g i f ts B e s o n d e r h e i t e n . ROUBf~EK s p r i c h t a l l e r d i n g s y o n e i n e m e i n h e i t l i c h e n K u r v e n t y p be i d e r k o l l o i d a l e n K o l l a r g o l r e a k t i o n n a c h RIEBELING, d e u t l i c h z u u n t e r s c h e i ~ e n y o n d e r K u r v e a n d e r e r M e n i n g i t i d e n . D i e W a R , die ~OSTE u n d TROISlER bei d e n m i t I k t e r u s v e r l a u f e n d e n F~illen d e r W e l l - M e n i n g i t i s h~iu- fig p o s i t i v f a n d e n , i s t be i d e r M e n i n g i t i s f o r m des S c h l a m m - F e l d f i e b e r s b i s h e r i m m e r n e g a t i v a u s g e f a l l e n . E r r e g e r t r e t e n be i b e i d e n F o r m e n de s M o r b u s W e l l i m L i q u o r auf , b e i m S c h l a m m - F e l d f i e b e r w u r d e n sie h i e r n o c h n i c h t n a c h g e w i e s e n .

Vo~I u n s e r e n 13 S c h l a m m f i e b e r b e o b a c h t u n g e n ( K r e i s - k r a n k e n h a u s S t r e h l e n , S c h l e s i e n ) z e i g t e n 2 da s B i ld e i n e r k l a r e n M e n i n g i t i s , n a c h d e m h i e r i n d e n J a h r e n v o r h e r n u r d ie a n d e r e k l i n i s c h e M a n i f e s t a t i o n des S c h l a m m - F e l d f i e b e r s z u r B e o b a c h t u n g g e k o m m e n war . K u r z d e r V e r l a u f d e r b e i d e n E r k r a n k u n g e n :

P

IGO

fqO

7XO

100

80

~0

~0

I. Der Melker A .S . erkrankte am 15.8 .42 pl6tzlich mit hohem Fieber, starken Kopfschmerzen, Durchfiillen und mehrmaligem Erbrechen. In den n/ichsten Tagen Ve'rschlimmerung des Zustandes, Einlieferung in das Krankenhaus unter der Diagnose , ,Pneumonie". Bei der Aufnahme am 17.8. machte S. einen schwerkranken Eindruck. Leichte Nacken- steifigkeit, ziehende Schmerzen im Kreuz. Deutliche ,,Konjunktivitis" mit ziliarer Injektion. Rotes Blutbild: normal; Leukozyten 6,6; Sen- kungsreaktion: 2o mm/erste Stunde nach Westergren. Im Urin EiweiB in Spuren, vereinzelt Erythrozyten und Leukozyten. Am 18.8. hat slch das Befinden noch verschllmmert, die Meningitis ist klar ausgepr~gt. Die Lumbalpunktion zeigt erh6hten Druck, Pandy ist deutlich positiv, Zucker- gehalt 8ping%. Die Kopfschmerzen lassen nach der Lumbalpunktion nach. Am I9.8. weiterhin Somnolenz, Te'mperatur 4o,4 0 C. Auftreten eines morbilliformen Exanthems. Die Lumbalpunktion zeigt gegenfiber gestern Zellvermehrung (yon 22/3 auf 30/3). AnschlieBend an die Lumbalpunktion wird 1 ccm Albucid auf 9 ccm physiol. NaCl-L6sung intralumbal gegeben. IS ccm Albucid i. v., 5 ccm i. m. Am folgenden Tage noch immer Benommenheit . Deutliche Blickliihmung beim Sehen nach links, triige Pupillenreaktion und schlecht ausl6sbare Reflexe. Die Lumba]- punktion zeigt 893:3 Zellen, was auf den chemischen Reiz des Albucids zurtickzuftihren ist. Mit der TherapJe wird fortgefahren. Am n/ichsten Tage erstmalige Besserung mit Absinken der Temperatur. Im weiteren Verlauf niihern sich Temperatur und Allgemeinbefinden der Norm, zeigen nur am 17. und 18. Tage einen leichen Rfickfall mit Kopfsehmerzen und geringer Nackensteifigkeit. Die Zellvermehrung ist ebenfalls abge- klungen, zeigt bei deutlich positivem Pandy nur noch 65/3. ~ Da n u t mit einem sehr langsamen Rfickgang zu einem vollkommen normalen Liquor- befund gerechnet werden kann, trotzdem der Patient abet als geheilt aI~- zusehen ist, erfolgt 2 Tage spw am 28. Krankheitstage, die Entlassung. - - Die am IO. Krankheitstage eingesandte Blutprobe ergab eine Agglutination mit L. grippotyphosa in der Serumverdfinnung I : 5oo. Die Agglutina- tlonsprobe des Liquors hingegen war negativ: die WaR war positiv, wobei dieser Ausfall h6chstwahrscheinlich auf das Vorhandensein einer groBen Menge den Liquor verunreinigender banaler Bakterien zurfickzuffihren ist. Line zweite Blutprobe w~hrend der Erkrankung wurde nicht vorgenommen. doch ergab eine Nachuntersuchung im Jahre 1943 den Serumagglutina- tionstiter yon I : 2o ooo + ffir L. grippotyphosa.

T I I I I I I ~ I I ~ j , . _

3 9 ' ~ - [ - ~ . . . . T - : . . . . . ; ,

5 s ,-- - -~+'~. . . . . , - - ~ ' %

A t m ~ z k h e # s t a g e

Abb. I. Fieberkurve des I. Falles yon Schlammfiebermeningitis.

2. Die Landarbeiterin Stefanie L. erkrankte am I. 9. 1942 pl6tzlich mit hohem Fieber, sehr starken Kopfschmerzen und mehrmaligem Durch- fall. Da der Zustand sich nicht besserte, am 4 .9 . l-Tberweisung an das Kreiskrankenhaus durch den behandelnden Arzt mit der Diagnose ,,Schlammfieber". Befund: Starke Schmerzen in der WirbelsSule bei Versuch, den Kopf zu beugen. Pupiltenreaktion tr~ge. Deutliche Kon- juntivitis mit ziliarer Injektion. Vereinzelt trockne und feuchte Rassel- geriiusche fiber beiden Lungen. Blutbild: Hb 86%, Erythroz. 4,5 Mill., Leukoz. IOOOO, Senkungsreaktion 55 m m / erste Stunde nach Westergren. tm Urin nur Spuren yon EiweiB. Am 7. 9. Lumbalpunktion: Zellzahl 65/3, Pandy+ . Die Lumbalpunktionen werden sechsmal wiederholt, die Zellzahl steigt bei der 3. auf 1944/3 (was auf das wie bei der ersten Beob- achtung intralumbal gegebene Albucid zurfickzuffihren ist). Die Zellzahl f~llt dann wieder ab, betrfigt bei der 6. LP nur noch 23/3. Zuckergehalt des Liquors = lO5 mg%. Neben Albucid wird Pyramidon und gegen die bronchitischen Beschwerden Infus. Ipecac. gegeben. Am Vortage zur Prfifung auf Leptospiren-Antik6rper eingesandtes Blur ergab mlt L. grip- potyphosa einen Titer yon 1:3pop + . Die Liquoruntersuchnng auf Agglutinine verlfiuft negativ. - - Nach den Lumbalpunktionen verschwinden die meningitischen Erscheinungen. Patientin klagt noch ab und zu fiber Kopfsclamerzen, die aber gut dutch Pyramidon zu beeinflussen sind. Lungenbefund normal. Am BIutbild ist die Ver~nderung bemerkenswert: Hb 7o%, Erythroz. 4,0 Mill., Leukoz. 58oo. Senkungsreaktion 2o ram/ erste Stunde. Urinbefund normal. Entlassung am 32. Krankheitstage als geheilt.

Es darf in diesem Zusammenhange nicht unerw~ihnt bleiben, dab sowohl be im Morbus Well wie be im Schlamm-Feldf ieber die Meningit is zwar die auffSlligste und wahrscheinlich die

Page 2: Über Schlamm- Oder Feldfieber mit Beobachtungen von Hirnhautentzündungen

Jg. ~3, Heft 3x/39 OCKLITZ, F e l d f i e b e r m i t Hirnhautentz0ndungen. 315 Aug./Sept. x944

V ............. { I t ~ I i

:~,o l- ~ ....... I - a ! . . . . ~ - - - ~ ~ ~ : - - ~ - - - I z ~ v : : ~ . . . . t - - -

I/. 5. s Z 8. ~. I~. /Z /3. / s I#. I~ I~'. /Z 18. Wmzkheitst~e

Abb, 2. Fieberkurve des 2. Falles yon Schlamrnfiebermeningifis.

h~iufigste neurologische Affektlon ist, aber nicht die einzige. War beim Morbus Well durch HEALER die transversale Mye- litis, durch Takaya die Fazialis-, durch INO und Ktmo die Recurrensparese beschrieben worden, hatten INADA und IDO die Polyneuritis gesehen, so beobachtete 1941 JfRf ROUBf~rK in Prag neben 4 in ihrer Symptomatologie oben schon ange- f0hrten Feldfiebermeningitiden 6 serologisch gesicherte F~ille des polyradikuloneuritischen Syndroms mit sehlaffen L~ih- mungen, starken Hyperaesthesien, Muskelatrophien und feh- tenden Sehnenreflexen.

Die Differentialdiagnose der Meningitisform des Schlamm- Feldfiebers gegenfiber der anderen nichtmeningitischen ge- schieht klar durch die Hauptsymptome der Hirnhautentz0n- dung: Nackensteifigkeit, Opisthotonus, Kernlg usw.

Die Abgrenzung gegenfiber Meningit iden anderer Aetio- logie gelingt dutch die Symptome des Schlammfiebers, die mehr oder minder ausgepr~igt s ind: Akuter Beginn, hohes Fieber mit zweiter Zacke, Muskelschmerzen, die Anzeichen einer Nierensch~idigung, die deutliche ziliare und konjunktivale Injektion und die h~lufig vorhandene Hypotonie. In der Anamnese auftauchende Landarbeit lenkt den Verdacht eben- falls auf Feldfieber. Und letztlich sind alle differentialdia- gnostischen Schwierigkeiten fiberwunden durch die mikro- biologisch-serologischen Untersuchungsmethoden. Aus dem Blut k6nnen die Erreger in den ersten 6 Krankheitstagen in Korthof-L6sung mit Kaninchen- oder Hammelserum gez0chtet werden (welch letztere Kultur KATHE unter den kriegsbedingten Umst~nden als besonders rationell empfiehh). Nach dem mikroskopischen Nachweis der Erreger in der Kuhur wird die nicht nut diagnostisch, sondern vor allem auch therapeutisch und prognostisch wichtige Differenzierung zwischen Well- und Schlamm-Feldfieber-Leptospiren mit Hilfe yon spezifischen Kaninchensera getroffen.

Die vom 8. bis IO. Krankheitstage an im Blute vorhandenen spezifischen Antik6rper (Agglufinine, Lysine) werden dann ihrerseits zur Differentialdiagnose gegen Reinkulturen yon Leptospirensammlungsst~immen getestet. Ein Ti ter yon I : ioo ist als verd~ichtig, ein Ti ter yon I :5oo als beweisend zu be- zeichnen. Diese Antik6rper halten sich jahrelang im Blute. Bei den Kranken des Jahres 1942, die wir I943 nachuntersuchen konnten, zeigte sich folgendes TiterverhRhnis:

Titer 1942 lqame des Patienten Titer I943

L. grippotyphosa

z : x o o o

I:IO0 q-

I:IO00 -~

z : x o o o + I : I 0 0 0 0 =~ I : I O 0 0 -~ I : I O O - - l : IOOO-~ I :~oo +

Oswald R. Emma H. Johann R. Selma R. Kurt L. Emilie S. Franz. D.* Stefan B. Alfred S.* (die Meningitis-

erkrankung i)

L. gr ippotyphosa i : 5ooo • x : tooo + 1:5ooo i:20000 -~ I : 20000 x : 2 0 0 0 o + l : i o o o o

I:IOOOO + i : 2 o o o o - ~

* Bei dieseu belden Patienten wurde die erste Untersuchung zu Beginn der Er- krankung ausgefiihrt ~ daher die noch fehlenden bzw. erst schwach ausgepr~igter( AmikSrper. Eirl Jahr sp~-ite~ bei der Nachuntersuchung ergaben sich dann hohe Titerwerte.

Vr mfissen also mit der M6glichkeit rechnen, dab ein Ti ter nicht durch die augenblicklich zur Debatte stehende Er- krankung, sondern dutch ein frtiher durchgemachtes Schlamm- fieber hervorgerufen wurde (anamnestische Reaktion!). Ein "Anstieg des Titers gibt eindeutige Entscheidungsm6gtichkeit.

Die Differentialdiagnose VCeil-Schlammfieber ist sero- logisch noch eindeutiger als z. B. die Differentlaldiganose Typhus-Paratyphus, da sich die Partialantigene noch weniger decken. Das yon GAEHTGENS ffir die Weil-Leptospire ent- wickehe Komplementbindungsverfahren wandte KATHE auch zur Schlamm-Feldfieberdiagnose an. Eine weitere diagnostische M6glichkeit er6ffnet sich nach RATHE durch einen Kutantest mit Leptospirenantigen.

Die Therapie des Schlamm-Feldfiebers ist symptomatisch. Der VVert einer spezifischen Schlamm-Feldfiebertherapie (Re- konvaleszentenserum, Kanlnchenimmunserum) ist recht dis- kutabel. Ihre VVirkung hSngt ab von hochdosierter (4 ~ bis 60 ccm, evtl. mehrmals, i. rn.) und frfihzeitiger Anwendung. Das letztere ist jedoch meist unm6glich, da die Kranken gr6B- tenteils relativ sp~it zur Aufnahme kommen. Immerhin zeigten erste Versuche mit Kaninchenimmunseren (RIMPAU, SCHLOSS- BERGER), die JOERDENS und LOBMEYER in Landshut i. B. an- wendeten, unter den obengenannten Vorbedingungen gr613ten- tells gute Erfolge.

Konstant ist nut die schon erw~ihnte Druckerh6hung, Zell- und EiweiBwerte k6nnen schwanken, sinken nach hohen _An_ fangszahIen im weiteren Verlauf h~ufig nicht glelch stark ab, so dab es zu einer albuminozytologischen Dissoziation kommt (RouBf~.EK). Erst kiirzlich teonnten O. GSELL und RIMPAU an I5 Fdllen yon Schlammfiebermeningitis (eines endemischen Herdes in der Ostschweiz, z943 ) besonders das rdativ spdte Auftreten ent- z~ndlicher Erscheinungen im Liquor beobachten, zu einer Zeit, in der schon wieder Entfieberung eintrat.

Bei der Sch]ammfieber-Meningit is ist allein schon die diagnostisch erforderliche Lumbalpunkfion von therapeutischer Wirkung. Nach jeder Lumbalpunktion ist eine auff~illige Besserung der subjektiven Beschwerden zu erkennen. Von der intralumbalen Anwendung yon Medikamenten ist man wohl immer mehr abgekommen. \u in einem unserer Krank- heitsfiille eine Besserung zu beobachten war, so ist nicht zu ent- scheiden, wieweit diese nicht allein auf das Konto der Lumbal- punktion anzurechnen ist.

Von frfihzeitiger Serumbehandlung sah LOBMEYER bei Schlamm-Feldfieber-Meningit is im Vergleich zu den nicht mit Serum behandehen F~tlen eine deutliche Linderung der Be- schwerden, genau so wie bei der anderen Form der Grippo- typhosa- Infektion.

Die Prognose quoad vitam auch der Menlngitisform des Schlamm-Feldfiebers ist trotz der oft auBerordentlich beun- ruhigenden Krankheitserscheinungen durchaus gtinstig.

Quoad sanationem ist, haupts~ichlich in bezug auf Kompli - kationen yon seiten der Augen (KATHE sah Iritiden, Deszemeti- tiden, Glask6rpertrtibungen und Sehnervenentzfindungen), das Schlamm-Feldfieber nicht immer als ganz so leicht zu beur- teilen. Zumindest ist langes Krankenlager hierbei dann die Regel.

Im allgemeinen ist jedoch eine Schlamm-Fetdfiebererkran- kung, in welcher Form sie auch auftritt, als relafiv harmlose Krankheit anzusehen und hat fast niemals eine so ernste Pro- gnose wie der Morbus Well.

Zusammenf assung : Nach kurzem Eingehen au f Aetiologie und Epidemiologie

des Schlamm-Feldfiel~ers werden nach allgemeiner Besprechung der Leptospirenmeningitis zwei eigene Krankheitsbilder reiner Schlammfieber-Meningit is geschildert. Bei der Differential- diagnose der Schlammfiebermeningitis werden besonders die mikrobiologisch-serologischen Untersuchungsmethoden be- sprochen, Therapie und Prognose des Schlamm-Feldfiebers in seinen beiden Verlaufsformen kurz erw~ihnt.

Li tera tur : DOHMEN. ~]ber die meningeale Verlaufsform d. Weil- schen Krankheit. Med. Welt 4 9 - 5 o (x939). - - KATHE, Das sogenanme Schlammfieber in den Jahren I926/27. Zentralblatt ffir Bakteriologie

Page 3: Über Schlamm- Oder Feldfieber mit Beobachtungen von Hirnhautentzündungen

Klinische 316 M U R T H O M und G L E N K , Sulfonamidwirkung auf Bakterientoxine. Wochenschrift

usw. 5 u .6 , I. Abt . Originale , Bd. lO9. - - U b e r die Lep toso i ren in fek t ionen . ~_rzteblatt ffir Schles ien x~. - - Das W e s e n des S c h l a m m - oder Feldfiebers. A r c h l y ffir Gewerbe 'pa tho log ie 6, Bd.9 (1939). - - Das S c h l a m m - oder Fe ldf ieber als Berufskrankhe i t . * r z t l i che Sachvers t i ind igenze i tung 3 (194o). - - f]lber das Sch lammfiebe r . V e r h a n d l u n g e n d. deu t s chen Gese l l schaf t f/ir I nne re Mediz in , 194o. - - Das S c h l a m m - oder Feldfieber, seine Diffe- ren t ia ld iagnose u n d B e h a n d l u n g . T h e r a p i e de r G e g e n w a r t 5 (194o). - - Da.s S c h l a m m - oder F~eldfieber. Ergebnisse d. Hyg iene , Bakter iologie usw. , 24. Bd. (1941). - - Neue E r f a h r u n g e n f iber das Schlammfeldf ieber . Med . Kl in ik 35 (1941). - - Die B e d e u t u n g des S c h l a m m - oder Feldf iebers ffir Freib~ider. G e s u n d h e i t s i n g e n i e u r 64 (1941). - - f.)ber die G e l b s u c h t u n d die S te rb l ichke i t bei Sch lammfeldf ieber . KI in ische W o c h e n s c h r i f t 36, J a h r g a n g 2I (1942). - - In fek t ionen m i t Lep to sp i r a g r i p p o t y p h o s a bei T i e r e n u n d ihre B e d e u t u n g ffir die Epidemio log ie des Seh |ammfe ldf iebers .

Ze i t schr i f t f a r I m m u n f o r s c h u n g x, Bd. lO3 (1943). - - Das S c h l a m m - oder Feldfieber . H ippokra t e s 8 (1943). - - H O F F M A N N , Kl in ische Beob- a c h t u n g e n all Fe ld f i ebe re rk rankungen des Jahres 1939. Deu t sche Med . Wochenseh r i f t x7 (I94O). - - L O B M E Y E R , Die Men ing i t i s fo rm des Fe ld- fiebers. M f i n c h n e r Med . W o c h e n s c h r i f t 8 (194o). - - F R I E D R I C H M U L L E R , Die Sch lammf iebe rep idemie in Schles ien im Jahre 1891. Mf inch . Med . Wochensch r i f t x894, I , 773. - - R I M P A U , Das deu t sche Feldfieber. Ergebnisse d. I nne ren Med . u. K i n d e r h e i l k u n d e I94o, 59. Bd. --- Z u r Epidemio log ie d. Erntef iebers . M f i n c h n e r Med . W o c h e n s c h r i f t x3 (1937). - - Z u r Aetiologie des Erntef iebers i m D o n a u g e b i e t yon Niede r - bayern . M f i n c h n e r Med . W o c h e n s c h r i f t 3g (1937). - - O. G S E L L u. W. R I M P A U , Fe ldf iebermeningi t i s in der Schweiz . Schweizer ische Med i - z inische W o c h e n s c h r i f t 8, 74. J a h r g a n g (1944). --- J I R [ R O U B I C E K , Die neuro log i schen F o r m e n des Feldfiebers . Der N e r v e n a r z t xo (1941).

D I E S U L F O N A M I D W I R K U N G A U F B A K T E R I E N T O X I N E I M T I E R V E R S U C H .

Yon

J. MURTHUM und M. GLENK. Aus dem Hygiene-Inst i tut der Universitiit Tfibingen (Direktor: Prof. Dr. STICKL) .

Eine bekannte Tatsache bestet~t darin, dab unspezifische Reizeinwirkungen auf den Organismus eme verstiirkte Antigen- Wirkung zur Folge haben k6nnen. Die Vertrgglichkeit yon an sich t6dlichen Toxinmengen kann dabei mit einer vermehrten Antitoxinbildung im Organismus in Zusammenhang stehen. Neben einer Reihe yon anderen Faktoren kommen ffir die Aus- 16sung einer gesteigerten Antik6rperbildung haupts~chlich chemische physiologische Agentien in Frage.

Es sei in d iesem Z u s a m m e n h a n g a n die y o n W A L B U M 1 beobacb te te en tg i f tende Meta l l sa lzwi rkung u n d a n die viel angewand te unspezif ische Re izk6rper the rap ie mi t a r t f r emden Eiweil3stoffen oder aber an den yon S C H E I N K E R 2 beobachteter l Ant ik6rperans t i eg mi t U .V. - oder R 6 n t g e n - s t rah len e r inne r t .

Zweifellos gibt es auBer den bisher untersuchten chemischen Substanzen noch manche in der Medizin angewandte Phar- maka, die einen unspezifischen Reiz auf das RES (Reticulo- endotheliale System) ausfiben und dabei eine erh6hte Anti- k6rperausschfittung ausl6sen. Diese als rein unspezifisch zu betrachtende Verbesserung der Immunit~tslage dfirfte jedoch nut im Gefolge einer Behandlung mit einer beschr~nkten Zahl yon Arzneimitteln eintreten und wfirde auch bei genauerer Registrierung des Immunitiitseffektes zweifellos nur einen s'ehr geringen, oft nur schwer oder kaum meBbaren Grad er, reichen. AuBerdem ist es bei einigen chemischen Substanzen schwierig zu entscheiden, ob ihre entgiftende ~u sich nur rein unspezifisch oder sich aber auch durch direkte Wir- kung auf das Toxinmolekfil abspielt.

Seitdem man begann, Infektionskrankheiten mit Sulfona- miden zu behandeln und diese Art der Chemotherapie gegen- fiber frfiheren Behandlungserfolgen einen erheblichen Fort- schritt erbrachte, nahm die chemotherapeutische Anwen- dung der Sulfanilamide einen solchen Umfang an, dab es loh- nenswert erschien, diese Substanzen auch in ihrer Wirkung auf bakterienfreie Toxine zu untersuchen.

Den direkten AnlaB dazu gaben uns die bei der Sulf.- Therapie der Ruhr klinischerseits gemachten Erfahrungen. Als erster machte uns Prof. BECRMANN (mfindliche Mitteilung yon Prof. BECI<MANN, Leiter des St~dt. Krankenhauses Bad Cann- statt) die Angabe, daB bei der Sulfonamidbehandlung schwe- rer Ruhrf~lle auff~lligerweise auch die Krankheitserscheinun- gen auBerordentlich rasch zum Abklingen gekommen sind, die rein toxisch bedingt sind.

H O L L E R u n d T H ~ M M E L :~, die ih re E r f a h r u n g e n fiber ein sehr groBes z . T . m i t Eusab in behande l tes Pa t i en tenmate r i a l bekann tgaben , messen de r Xu der Ek to- land Endo tox jne des R u h r b a k t e r i u m s eine groBe B e d e u t u n g bei. Die Verfasser h a b e n ni imlich e in auf fa l l end frfihes V e r s c h w i n d e n der tgx i schen E r s e h e i n u n g e n beobach te t . Sie be- ze ichnen die enrgiftende XVirkung des Eubas ins bei sog. p raedysen t . Da r rn - k a t a r r h e n sowie bei schwerer Dy~enter ie als de r a r t gfinstig, dab sie g lauben , jede andere Behand lungsa r t als un r i ch t i g beze ichnen zu mfissen, besonde r s insofe rn auch die beff i rchte ten R u h r n a c h k r a n k h e i t e n , wie z .B . die Polyar thr i t . enter i t , bei Su l fonamid the rap ie sehr sel ten zu sehen war .

L E V A D I T I 4 is t es gelungen, i m T i e r v e r s u c h die t6dl iche W i r k u n g von E n d o t o x i n de r F l e x n e r - R u h r b a k t e r i e n d u r c h perora le V e r a b r e i c h u n g verseh iedener Su l fonamide u n d Sulfone aufzuheben .

Ebenso ist es C A R P E N T E R , H A W L E Y u n d B A R B O U R ~ gegliJckt, s icher t6dl iche M e n g e n yon G o - T o x i n e n i m T ie rve r such d u r c h St f l fonamid-

b e h a n d l u n g zu neutral is ieren. A u c h gelang den Verfassern eine en tg i f tende E i n w i r k u n g auf die Endo tox ine yon S taphy lokokken u n d G a s b r a n d - bazillen.

C A R L I F A N T I e' un t e r such te die en tg i f tende W i r k u n g der Su l fonamide in vitro, u n d er konn te besonders bei Su l fonmethyl th iazo l eine ausgespro- chene inakt ivierende W' i rkung au f Ektotoxine feststellen.

S T I C K L u n d G A R T N E R v be r i ch te t en schon vor e in iger Ze i t f iber Tox inneu t ra l i sa t ionsve r suchen i m T i e r e x p e r i m e n t nl i t Su l fonamiden . Die Ergebnisse E R G G E L E T s 8 t iber die en tg i f tende W i r k u n g yon G l o b u c i d u n d Pyr ima l waren besonders au f die Endo tox ine m e h r e r e r R u h r b a k t e r i e n e indeut ig . Andere rse i t s konn te F I N G E R 9 d a n n d u r c h seine Versuche a m hiesigen Ins t i tu t zeigen, daB die kfinstliehe I m m u n i s i e r u n g ,Ton K a - n inchen mi t abgeschw~ichten oder l ebenden Er rege rn der Pa ra typhus - R u h r g r u p p e d u r c h Su l fonamide in keiner Weise beeinfluBt wird , inso- fern, dab t ro tz h o h e r i. v. S u l f o n a m i d z u f u h r ein no rma le r Aufs t ieg und Abfal l des Agg lu t in in t i t e r s festzUstellen war . Diese Beobach tung ist deshalb erw~hnenswer t , als d u r c h diese Versuche gezeigt wurde , dab die Sul fonamide ansche inend l~einen neg. Einflu[3 auf das RES u n d deren A n t i k 6 r p e r b i l d u n g ausfiben.

E in Teil der , qu l fonamid-Wirkung IN3t s ich endl ich nach B O S S E - B O S S E - J ' ~ G E R TM auf die B i n d u n g von Bak te r i en -Endo tox inen zurf ick- ff ihren: w i rd aber auch bei typ. Ek to tox inb i l dne rn ein Erfo lg beobachte t , so b e r u h t dies naeh M e i n u n g der Verfasser h6chs t wahrsehe in l i ch auf der u n m i t t e l b a r e n Beeinf lussung der Erreger .

Es war nun wfinschenswert, die entgiftende Wirkung der Sulfonamide, insbesondere bei einer dysenterischen Infektion hinsichtlich ihrer Wirkung auf Toxine und deren Gr6Benord- nung genauer zu untersuchen, zumal yon anderer Seite eine Beeinflussung reiner bakteriologischer Gifte in Abrede gestellt wurde.

Um dem Vorwurf einer scheinbaren, durch Beeinflussung des Erregers bewirkten Toxinneutralisation zu begegnen, be- nutzten wir ffir unsere Versuche filtrierte bakterienfreie Toxin- 16sungen. Die Herstellung erfolgte ffir bakterienfreies Ekto- toxin nach den Angaben yon PRINCE n und die von Endo- toxin nach MESROBEAUNU und BOlVIN 12. An dieser Stelle m6chten w i r e s nicht versiiumen ffir freundliches ~berlassen toxinbildender Ruhrbakterienstiimme, die bei nachstehenden Versuchen zur Anwendung kamen, Herrn Prof. PltlC.CE und HAAS ZU danken.

I. E n d o t o x i n v e r s u c h e . Z u r E r p r o b u n g der en tg i f t enden W i r k u n g y o n Su l fonamid au f bakte-

r ienfreie Endo tox ine ve rwand t en wi r weiBe M/iuse, die aus e iner grol3en Z u c h t s t a m m t e n u n d d u r c h w e g 2o g sehwer waren . Die Miiuse erhie l ten die T o x i n l 6 s u n g i . p . gespr i tz t . Ebenso w u r d e das Su l fonamidpr i ipara t in der in de r Tabe l l e angeff ihr ten M e n g e zu der ebenfalls tabel lar i sch angegebenen Zei t gespr i tz t .

Z u r Fes t s te l lung e iner s icheren Dosis letalis w u r d e n bei d e m zuerst ve rwand t en S h i g a - K t u s e - S t a m m (Dys. r6 Pr igge) . 34 Kont ro l l t i e re ge- spri tzt . Die s icher t6dl iche Dosis lag bei 0,25 ccm i. O. gespr i tz te r T o x i n - menge . Die du rchschn i t t l i che Todesze i t w a r bei den mi t s icherer D. 1. infizierten T i e r e n 29,3 S t u n d e n n a c h T o x i n z u f u h r , yon den mi t o,2 ccm infizier ten T i e r en s ta rben noch 33,33 %.

Als zwei ter Bak te r i ens t amm zur Endo tox inhe r s t e l l ung w u r d e ein f r i sch yon e inem Pa t i en t en mi t s chwere r toxischer R u h r ge.zfichteter E - R u h r - S t a m m verwende t , dessen siehere D. 1., e r r echne t an 18 Kont ro l l t i e ren , bei e iner E n d o t o x i n m e n g e yon o ,o7s ecm lag.

W e i t e r h i n k a m noch ein zu r Agg lu t i na t i on beni i tz ter Sh iga -Kruse - S ta ture zu r A n w e n d u n g , dessert E n d o t o x i n in e iner M e n g e yon o,1 ccm eine s icher t6dl iche W i r k u n g entfal tete , wie 63 K o n t r o l l e n e r g e b e n ba t ten