ueber krebsstatistik auf helgoland

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~achdruck verboten. Ueber Krebsstatistik auf Helgoland. Von Dr. E. T, indeman_~-Berlin~ Badearzt auf Helgoland. Der Gedanke, dass sich auf einer Meinen, abgeschlossenen Insel, wie Helgo]and, wo die BevSlkerung sehr stabil bleibt, ohne yon fremden Elementen verdrangt und vermischt zu werden, leichter das Auftreten einer Krankheit, wie der Krebs, verfolgen und auf seine eventuelle Ansteckungsm(iglichkeit untersuchen liosse, veranlasste die folgendo Zusammenstellung der ,,Krebsfa]le auf Helgoland im vorigen Jahr- hundert"~ wozu ieh -- einer liebenswtirdigen Anregung des t~errn Ge- heimrat v o n L e y d e n Folge leistend -- den zweimonatlichen Sommer- aufenthalt fin Jahre 1903 verwandte. Aus frtiheren nach dieser Richtung tiber die Gesundheitsverhi~lt- nisse der }telgolander im allgemeinen yon mir gemachten Aufzeieh- nungen und aus meiner Erfahrung als Arzt auf der Insel wusste ich, dass das Carcinom, wie iiberhaupt bOsartige Geschwtilste (Sarkome etc.), nut selten bei den Insulanern vorkommen. So verhehlte ich mir auch nicht bei Beginn dieser A~beit, dass das Material nicht allzu umfangreich sein wtirde, um so mehr, als friiher unter eng- lischer Herrschaft statistisehe Erhebungen, VerOffent]iehungen etc. auf Grund meiner friiher beztiglich der Todesursache allerdings stets genau ausgeftihrten ,Totenscheine" wohl nicht gemaeht resp. aus wurden. Ich war also namentlich s die noch welter zurtickliegende Zeit bis Mitre und Anfang des 19. Jahrhunderts ganz auf die Be- merkungen fiber die Todesart jedes verstorbenen Helgolanders im kirchlichen ,,Sterberegister" angewiesen. Leider waren diese Be- merkungen nicht immer sehr genau, um wissenschaftlich verwertet werden zu ]~Snnen. ]~Ianchma] stand nur ,nach bSsartigen Leiden"~ oder ,er starb an Wassersucht" (Lebercirrhose?), an ,Brustkrankheit" (Pthise?); einmal ,Seine Todesart blieb l~[enschen ein Ratsel" ! dann wieder ,,an Leberverh~rtung" etc. Nttr die Falle, in denen im Xirchen- buch der Ausdruck ,,Krebs"-Leiden stand, resp. die genauere Diagnose, babe ich zusammengestellt, und unter dieser Reserve, dass jedenfalls

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~achdruck verboten.

Ueber Krebsstatistik auf Helgoland. Von

Dr. E. T, indeman_~-Berl in~ Badearzt auf Helgoland.

Der Gedanke, dass sich auf einer Meinen, abgeschlossenen Insel, wie Helgo]and, wo die BevSlkerung sehr stabil bleibt, ohne yon fremden Elementen verdrangt und vermischt zu werden, leichter das Auftreten einer Krankheit , wie der Krebs, verfolgen und auf seine eventuelle Ansteckungsm(iglichkeit untersuchen liosse, veranlasste die folgendo Zusammenstellung der ,,Krebsfa]le auf Helgoland im vorigen Jahr- hundert"~ wozu ieh - - einer liebenswtirdigen Anregung des t~errn Ge- heimrat v o n L e y d e n Folge leistend - - den zweimonatlichen Sommer- aufenthalt fin Jahre 1903 verwandte.

Aus frtiheren nach dieser Richtung tiber die Gesundheitsverhi~lt- nisse der }telgolander im allgemeinen yon mir gemachten Aufzeieh- nungen und aus meiner Erfahrung als Arzt auf der Insel wusste ich, dass das Carcinom, wie iiberhaupt bOsartige Geschwtilste (Sarkome etc.), nut selten bei den Insulanern vorkommen. So verhehlte ich mir auch nicht bei Beginn dieser A~beit, dass das Material nicht allzu umfangreich sein wtirde, um so mehr, als friiher unter eng- lischer Herrschaft statistisehe Erhebungen, VerOffent]iehungen etc. auf Grund meiner friiher beztiglich der Todesursache allerdings stets genau ausgeftihrten ,Totenscheine" wohl nicht gemaeht resp. aus wurden. Ich war also namentlich s die noch welter zurtickliegende Zeit bis Mitre und Anfang des 19. Jahrhunderts ganz auf die Be- merkungen fiber die Todesart jedes verstorbenen Helgolanders im kirchlichen ,,Sterberegister" angewiesen. Leider waren diese Be- merkungen nicht immer sehr genau, um wissenschaftlich verwertet werden zu ]~Snnen. ]~Ianchma] stand nur ,nach bSsartigen Leiden"~ oder , e r starb an Wassersucht" (Lebercirrhose?), an ,Brustkrankhei t" (Pthise?); einmal ,Seine Todesart blieb l~[enschen ein Ratsel" ! dann wieder ,,an Leberverh~rtung" etc. Nttr die Falle, in denen im Xirchen- buch der Ausdruck ,,Krebs"-Leiden stand, resp. die genauere Diagnose, babe ich zusammengestellt, und unter dieser Reserve, dass jedenfalls

226 Lindemann , Ueber Krebsstatistik auf Helgoland.

auch noch maneher andere ,,Careinomfall" namentlich innerer Organe unerkannt und unvermerkt geblieben ist~ bringe ich die folgende Zu- sammenstellung yon 61 Carcinomfallen yore Jahre 1840--1903 bei einer Einwohnerzahl yon ca. 2000 (jetzt 2200) auf Helgoland.

Wie aus dem Resum~ und den genauer wiedergegebenen 61 Fallen hervorgeht, fiberwiegt weitaus das weibliehe Geschlecht; es verhalt sich zum mannlichen wie 42 :19 , also mehr als doppelt so viel Frauen erkrankten resp. starben in Itelgoland an Carcinom wie Manner. Es muss hierzu bemerkt werden, dass, wie ich es in meiner Schrift ,Das Gesundheitswesen Helgolands" im einzelnen zahlenmassig festgestellt habe, die h[orbiditatsziffer der Helgolanderinnen namentlich im Ent- wickelungs-, aber auch in dem spateren Alter fiberhaupt eine grosse ist im Verhaltnis zur Erkrankung der Helgolander. Die Manner sind durch ihren Beruf viel abgeharteter, und hSchstens der Alkohol zer- stSrt bin und wieder im 0rganismus das, was die kraftige Seeluft und der gesunde Wechsel zwischen ]~uskelarbeit im Boot und Ruhe auf dem Felsen widerstandsi~ahig aufgebaut und geschaffen hatten.

Magencarcinome sind nun weitaus die Mebrzahl - - 31 - - unge- t~ahr die Halfte yon alien. Wenn man yon den fibrigen 13 nur bei Frauen vorkommende Brust- und Uterusearcinome abziebt~ bleiben fiir die anderen Organe nnr 17, also eine sehr geringe Ziffer~ mit welcher statistisch sieh nicht viel anfangen lasst.

Dem Alter nach (siehe Resum~ ~70. C) trat das Careinom am meisten zwischen 60 and 70 :[ahren auf (19real), dann fiber 50. Das 4. und 7. Lebensdecennium blieben sich ziemlfch gleich, 12: 11, und nur wenige (3) starben fiber 80 und noch weniger unter 30 and 20 (je 1) am Carcinom, also wohl ziemlich dasselbe Verhaltnis wie auf dem ~estland. Nur 3 waren noch am Leben, yon denen 2 am Brustkrebs operiert sind.

Eine Aufzeichnung der Wohnhauser~ in denen die Patienten lebten bez. starben, hat nichts Besonderes zu erkennen gegeben; jedens kam der Krebs nicht in einzelnen ttausern fiberm~ssig oft vor~ sondern in den versehiedensten ziemlich gleieh verteilt. Eine Ausnahme machen zwei Stellen auf dem 0berland in denen je 7 - - 8 Carcinom- falle verzeichnet sind in denselben resp. nahe beieinander stehenden ttausern. Nur in ganz vereinzelten Fallen stammten die Betreffenden yon Fremden ab (No. 27). Sonst war selbst bei den 9 einseitig yon Fremden abstammenden Patienten wenigstens der Vater (3real) oder die ]~Iutter (5real) yon Helgolander Abstammung, so dass bei ca. 50 ~r 61 Vater und Mutter friesischer tterkunft waren.

Wenn in den letzten Jahrzehnten, besonders in den ]etzten Jahren~ das Carcinom auch auf Helgoland nach der Tabelle hi~ufiger aufzu- treten scheint, so dfirfte hierfiir doch woh! die Tatsache geltend zu machen sein, dass mehr auf die Krankheit geachtet, sie besser dia-

Lindemann, Ueber Krebsstatistik auf ttelgoland. 227

Z u s a m m e n s t e l l u n g d e r C a r c i n o m f i ~ l l e a u f t t e l g o l a n d im v e r g a n g e n e n J a h r h u n d e r t .

5 ] ; odes - %:~ I �9 cinoms

Bemerkungen

11. 70!m I0. I i

Io.

I

Zunge

O. Magen

O. iLeber

U.

O.

O. Brust

O. M agen

O.

O. M:agen

U. M:agen

U. Magen

O. Magen

O. Magen

[0. Magen

�9 j . s a g e n

O. Zunge

i0. Magen

O. Magen

Lippen V o m F e s t l a n d e i n g e w a n d e r t , hal T o n p f e i f e ge- r a u c h t

Keine Kinder

3 Kinder

9 Kinder

Ein Sohn, der bald starb

Todes - Art des

Car- �9 cinoms

O. Brust

U. Magen

O. Magen

O. Magen

O. Magen

O.

U. Lippe

O.

O. Magen

U. Magen

O. Bauchfell

O. Magen

O. Magen

U. Brust

O. Brust

O. Periton. (Bauchf.)

O. Magen

O. Magen

O. Magen

Bemerkungen

SoU sich in die Lippe gebissen haben(1)

4 Kinder

i2 Kinder, 1 Toch- ter in Hamburg

TSchter gesund. (Magenkr., friih. Magengeschwfir) KnStchen, oper. von mir, lebt u. ist gesund, kein Rezidiv

228 L i n d e m an n, Ueber Krebsstatistik auf tIelgoland.

J Art des Car-

cinoms Bemerkungeh

!I Todes- J

Art des Car:

cinoms

[

1

t

s

Bemerkung~

1891

189~

1894

1895

1895

1895

1898

1898

1898

t898

t899

[899

1 4 .

~I~rz 64 w.

W,

58 m.

69 w.~

74 w.!

58 m.j

37 m. J

59 w.~

59 w. i

w.:

L7I n.

O.IBrust

O.IUterus

O. ]Unter]ei[ (Uterus)

O.]Leber

O.[Unterlei~ (Uterus}

U.ILeber

U.[Hals

0.]Magen

U.lBrust

D.IMagen

O.IUnterleib (Uterus)

).]Magen k

51

t52

.53

54

55

56

,i 157

58

59

6O

i,

ij 61

1899

1901 19. J a n .

19011 13. M~irz

190: 11. Juni

190,' 31. Mai

19021 9.

t902 AUg.Dez.ll.

1903

I90~

Dperiert, l~ Knoten seit vi$ len Jahren,lebt noch

Seit 2 Jahre~ / inoperabel, lebt I

gnostiziert und die Ergebnisse der auch auf Helgoland eingeftihrten obligatoriseheu Leichenschau, die ttbrigens auch frtiher stets Sitte und Pflicht des Arztes war, auf dem Standesamt ordnungsgemi~sser nieder- gelegt werden, als es sonst in die Sterberegis ter geschah.

W a s nun sehliesslich das Auft re teu des Carcinoms in bestimmten Fami]ien betrifft, um daraus die Wahrscheinl ichkei t der Ansteckung zu folgern, so ist dies in einze]nen Familien, wie aus den gleichlauten- den El ternnamen zu ersehen, und wie ieh im Resum6 des n~heren aus- gefithrt habe, allerdings nachzuweisen und auch augenfMlig. Es ist aber meist bei e i n e r Descendenz geblieben. Ueber diese hinaus konnte ich nur in einem Fal l (7, 13, 60) das Auf t re tea yon Brust- krebs nachweisen, ohne dass hieraus schon eine Ansteckungswahrschein- lichkeit fo]gt. Im ganzen liest man jedenfalls unter den Namen der , ,Eltern" stets andere He/golander Namen, und davon~ dass das Car- cinom ganz best immte eng verwandte Famil ien in Helgoland heim- suchte und hier etwa in denselben Hausern, denselben Fami]ien ihre

L i n d e m a n n , Ueber Krebsstatistik auf Helgoland. 229

Opfe r s u c h t , k a n n n a e h d e r g e n a u e r e n Z u s a m m e n s t e l l u n g j e d e n f a l l s n i c h t d ie t~ede se in , u n d n u r w e n i g e , yon m i r im t~esumg g e n a u er-

R e s u m 6 d e r a u f H e l g o l a n d g e s a m m e l t e n 6 1 K r e b s f ~ l l e . A. D e m G e s c h l e c h t n a c h b e t r a s y o n 61 Care inomf i~ l l en

42 das weibliche Gesehlecht = 69 Proz. 19 , m~innliche , ~ 31 ,

Summa 61

B. D e r L o k a ] i t a t d e s C a r c i n o m s n a c h k o m m e n a u f

weiblich 18 1. Magen-Carcinom 31 miinnlieh 13

siimtlich Frauen 8 2. Brust- 3. Uterus- , 5 4. Lippen- , , Miinner 3

weiblich 2 5. Leber- . 3 m/innlieh 1 6. Zungen- , , Frauen 2 7. Bauchfell- , , , 2 S. Darm- ,, , Miinner 1 9. Hals- , , , 1

10. Unbekann t , Frauen 5

Summa 61 { Frauen 42 M~ian er 19

61

C. D e m A l t e r n a c h .

Das C a r c i n o m t r a t be i H e l g o l a n d e r n auf, bez. s t a r b e n d i e s e l b e n

d a r a n im A l t e r :

yon fiber 20 Jahren 1 real Nr. 6, weiblich

30 ,, 1 ,, ,, 40, ,, Uterus

3 weibl. 3mal Uterus ' i r aa l m., Lippe 40 12 Magen 5mal No. 11,24,31 No. 4 u. 61 [ No. 26

" " 2 miinnl. 3mal Brus t No. 3 u. 50 No. 20, 33, 51 I l m a l w " unbek.

[ m~innl. Brust 2 mal Zunge, w., ~mal ) 1N~~ 22, 48, 56 :No. 34 und 47 No. 2

50 , 14 ,, hiervon Magen , | weibl. Leber 2real Hals, m , INo . S, 28, 32 I m.No.42,w.Nr. 4 No. 45

{ ~ w., No. 10, 14, 16, Zunge No. 17 60 19 14 18, 19, 29, 37, 59 4 w. Bauchf.No.35

" " " " m., No. 21, 36, 46, Brust No. 39 54, 55, 57 Uterus No. 53

4real w. Brus t Leber, No. 44 70 11 To. 12, 13, 15, 23 No. 60 w.,

" . . . . i real m. Bauchfell t Lippe, m., No. 1 To. 58 w., ~o . 30 Darm, m., No. 53

80 ,, 3 . . . . m., No. 38, Brust, w., No. 7, Uterus No. 49.

Summa : 61

unbek. No.5.u. 9

1 m~ Lippe

No. 52

unbek. No. 5

230 L in d e m a n n, Ueber Krebsstatistik auf Itelgoland.

w~hnte l%lle (17 und 21) sowie 52 und 57 lassen fiberhaupt den Ge- danken einer Ueber t ragung des Carcinoms unter Geschwistern zu (siehe Resum~ sub. H . ) . - Andere gemeinsame bei Geschwistern oder Eltern und Kindern aufgetretene Careinomfalle sind wenigstens aus der Tabelle nicht zu ersehen, also wohl auch nicht vorgekommen.

D. @ e s t o r b e n s i n d yon den 61 Carcinomt~llen 59. noch 3.

Hiervon 2 Brustcarcinom, beide operiert, No. 33 und 60 1 Uteruscarcinom, inoperabel, ,, 61.

Es leben

E. D e m W o h n o r t n a c h lebten bez. s tarben von den 61 Car- cinomkranken :

12 im Unterland (U. der Tabelle S. 227) der Insel 49 im bewohnteren Oberland (O. der Tabelle) Helgolands

~a.: 61

und waren ziemlich gleichmassig fiber die verschie'denen t tauser und Gegenden der Insel verteilt, nur in zwei Stellen auf dem 0berlande kam der Krebs besonders oft und in mehreren benachbarten Hausern zahh'eich (6- -7) vor.

F. D e r N a t i o n a l i t ~ t u n d H e r k u n f t n a c h s tammten eine Anzahl (9), wie aus den nieht friesischen Namen des Vaters oder der Mutter zu schliessen~ nur teilweise, oder in einzelnen Fallen gar nicht, yon ]=Ielgo]ander ]=[erkunft ab und zwar:

1) war der Vater Fremder bez. Nicht-Helgol/inder 5mal, in No. 11, 18, 27, 31, 35

2) war die Mutter keine Helgol~nderin 3mal~ in No. 53, 55, 59

G. Bez~iglich d e s A u f t r e t e n s in d e n e i n z e l n e n J a h r - z e h n t e n ist keine Gleichmassigkeit nachzuweisen, frtther schien das Carcinom nicht so oft vorzukommen bez. festgestellt zu werden. Vor 1840 war kein Fal l im Kirchenbuch not ier t ; ebenfalls nieht von 1862 bis 1871~ was freilich an mangelhafter Diagnose bez. fehlendem Auf- zeichnen gelegen haben mag. Einze]ne Jahre zeigen mehr Todesf~lle, so 1846, 1874, 1890, 1895, 1899, 1901, 1902 je 3 Todesfatle an Car- cinom; 1898 und 1900 bis jetzt sogar schon 4 ~ 20/o o. Im Durchschnit t s tarben pro J a h r 1 aui ca. 2000 Einwohner ~ 0,5 ~ 50 Proz. an Magencarcinom. Den Monaten nach s tarben die meisten Pat ienten im M~rz, was vielleicht durch die Tatsache sich erklaren lasst, dass ge- fade dieser M o n a t - wie •berhaupt die F r f i h j a h r s m o n a t e - beztiglich des Klimas und der Wi t t e rung besonders ungfinstig ist, da dann Kalte, Nebel, s tarker Nord- und 0s twinde vorherrschen.

L i n d e m a n n, Ueber Krebsstatistik auf ttelgoland. 231

H. Ueber eventuelle v e r w a n d t s c h a f t l i c h e B e z i e h u n g e n d e r K r a n k e n untereinander liess sich an der Hand genauer Er- mittelungen fiber die Eltern aller Kranken folgendes feststellen: So waren No. 17 und 21 Schwester und Bruder; sie ist am Zungenkrebs im 60. Lebensjahr 1874, der Bruder im 65. Lebensjahr 1876 am Magenkrebs gestorben. Ware Carcinom infektRis~ d. h. yon Schleim- hant auf Schleimhaut i ibertragbar, so liesse sich hier eine Ueber- tragung, z. B. durch Kuss etc., leicht konstruieren. Zudem ist deren ]~iutter (No. 5) auch an Carcinom(?) 1846 im 59. Lebensjahr ge- storben.

Ferner wfirden auf dieselbe Weise: eine direkte Uebertragbarkeit des Carcinoms vorausgesetzt, sich die beiden Carcinomfi~lle No. 52 und 57 unter zwei Brtidern, yon denen der altere 1901 im 66. Lebensjahr am Lippenkrebs, der jiingere 1902 im 62. Lebensjahr am Magenkrebs gestorben ist, auch atiologisch erklaren ]assen. Diese beiden zu gleicher Zeit, d. h. in denselben Jahren auftretenden Krebsfalle des Verdaunngstraktus unter Geschwistern, sprechen wenigstens ftir die Uebertragbarkeit des Carcinoms. Ausserdem sind hier zu erwahnen die Falle No. 7, 13 und 60. No. 13 ist Tochter der 20 Jahre vet- her am Brustkrebs gestorbenen Mutter und im 76. Jahre am Magen- krebs gestorben. Ihre Nichte ist wiederum No. 60 und in diesem Jahre in hohem Alter an Brustkrebs operiert (jedenfalls 3 in der- selben Familie vorgekemmene Carc inomi 'a l le) . - Auch No. 33, die am Brustcarcinom operierte Frau, ist Tochter der unter No. 11 16 Jahre fr~iher am Magenkrebs gestorbenen Helgolanderin. Wenn man aller- dings diesen 4 Fallen~ in denen mehrere Krebskranke in derselben Familie auftraten, die vielen anderen gegenfiberstellt, in denen Mutter oder u erkrankten und starben, ohne class der andere Ehegat te sowie Kinder am Krebs erkrankten i so k(innte es sich hier auch um Zufa11, nicht um ein atiologisches Moment zur Erklarung tier gleich- zeitig in derselben Fami]ie auftretenden Krebserkrankung handetn. - - B e i einer genaueren Aufstellung eines Stammbaumes der bekannten Helgo]ander Familien liesse sich vielleieht noeh herausfinden, dass manche Krebsfalle sich bei etwas weitlaufigerer Yerwandtschaft h~tufiger vorfinden, z. B. Vettern, Kousinen 7 was einer sp~teren genaueren Er- mittelung vorbehalten bleibt.

Aetiologisch ware noch das seltene Auftreten des doch leicht er- kennbaren ,,Lippenkrebses" zu erwahnen (3 Falle~ samtlich Manner, yon denen No. 1 Tonpfeife rauchte), welches sich dadurch erklart, dass die Helgolander Schiffer zwar gewShnlich Tabak kauen, aber fast nie Pfeife rauchen.

Endlich verdient noch ffir den hltufig bei Frauen auftretenden ]~iagenkrebs die Tatsache hervorgehoben zu werden, dass die Helgo-

732 L i n d e m a n n, ~Seber Krebsstatistik in Helgoland.

l~ndorinnen als M~dehen sohr oft bleichsOchtig sind und an Magen- beschwerden~ besonders an Magengesehwfir leiden, wie es ffir einzelne dieser F~lle, z. B. No. 32, sich direkt ermitteln liess. Auf Grund eines solehen, oder in der Narbe eines s Magengesehw~res bildet sieh bekanntlich bisweilen ein Carcinom. Ob f~r das auch bei ]~nne rn h~ufige Aus des Magenkrebses, 13 F~lle unter 61, die Gewohnheit, schurfe alkoholische Getr~tnke (Genevre, Negus etc.) zu trinken, verantwortlich zu machen ist, lasse ich dahingestellt.