Über die wirkung des folinerins

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12. SEPTEMBER I936 KLINISCHE W'OCHENSCHRIFT. 15 . JAHRGANG. Nr. 37 13o9 den praktischen Tatsachen gerecht, wollte man sic auf dem rechtlich-sozialen Gebiet der Begutachtung als Gesetze gelten lassen. Wenn man HEYDE, der das gr6Bte Material fiber Parkin- sonismus bearbeitet hat, folgen will, so w~re unser Fail yon allen bisher beschriebenen vielleicht der erste, bei dem fiber- haupt die ~uBeren Tatsachen in einer ltickenlosen Beweisreihe vor Augen liegen. Aber diese gtfickliche Konstellation beruht hier auf einem Zusammentreffen auBergewShnlich gfinstiger Umst~nde. Bei gereehter Wi~rdigung aller Tatsachen dar] aber dem BetroJ/enen aus dem zu/Slligen Ungli~clc einer wenig einwand/rei ermittelbaren Vorgeschichte Icein Nachteil erwachsen, wie es bei strikter Anwendung der Torderungen HEYDES und KEHI~ERS der Tall w~re. Zusammenfassend lXBt sich fiber die Tragen 1-- 4 also sagen: sie And in u nserem Falle klar zu beantworten und halten der Kritik aller bisher vorgebrachten gegnerischen Argumente stand: Schwieriger liegt die Frage nach dem Vor- liegen einer die Bedeutung des Traumas ftir die Krankheits- entstehung schm~lernden Disposition des Kranken und ihre gutachtliche Konsequenz. Das Vorliegen einer Disposition kSnnen wir hier wohl voraussetzen. Eine echte Ursache des Parkinsonismus im Sinne einer allein und isoliert ftir die Er- krankung verantwortlich zu machenden Noxe kann also im Unfall allein nicht gesehen werden. Es bleibt einer folgenden Arbeit vorbehalten, das verwickelte Problem auizurollen, wie man sich als, Gutachter generell in derartig gelagerten T~llen verhalten soll, und was die Begriffe Ursache, Aus- 16sung und Disposition Ifir gutachtliche Konsequenzen haben. Betrachten wir zun~chst unseren Tail, so liegen die Dinge so: Der Kranke ist wohl als TrAger einer gewissen Krankheits- disposition anzusehen. Die GrSBe dieser Disposition zu be- stimmen, ist ganz unm6glieh; wir wissen nichts fiber eine erbliche Belastung: soweit feststellbar, ist die Tamilie gesund. Allerdings ist der Vater laut Mitteilung der betreffenden Nervenheilanstalt an progressiver Paralyse gestorben. An- haltspunkte I fir eine Lues congenita oder Lues fiberhaupt lagen nicht vor; das ist auch durch die Lumbalpunktion erwiesen. In dieser Tatsache k6nnte also immerhin ein Hin- weis auf eine gewisse Anf~Llligkeit des Zentralnervensystems beim Vater des P. gesehen werden, ohne dab hierfiber etwas Sicheres auszusagen ist. Wit kennen die Gr613e der Krankheitsbereitschaft bei unserem Kranken nicht. Wir kSnnen nicht sagen, ob er ohne den Unfall seine Krankheit je erlebt h~tte. Wir mfissen also die Disposition als unbekannte Gr6Be ansetzen. Wir k6nnen die unbekannte Gr6fie einer solchen 2Disposition nieht zvr Grundlage einer rechtlieh-sozialen Beurteilung machen. Wir miissen unter Abgrenznng dieses dispositionellen Momentes vielmehr lediglieh die Tatsachen werten, die beweisbar sind. Sie bestehen darin, dab ein vorher offenbar gesunder Mensch alsbald nach einem Trauma an Parkinsonismus erkrankt, so dab seine vorher vollst~ndige Arbeitsf~higkeit in erheb- lichem AusmaB gemindert wird. Es ist wichtig, die Minderung der JLeistungsJg~higkeit in den Vordergrund der Betraehtung zu ri~cken; man ver]gillt sonst, wie es h(iuJig geschieht, in den Fehler, aus rein biologischem Gesichtswinlcel heraus zu ]olgern: als Tr@er einer Kranlcheitsbereitscha]t wird der Betro/]ene als im biologischen Sinne schon ,,latent" lcrank vor dem Un/all und dieser nut als Gelegenheitsursache angesehen. Derartige Gedankeng~nge liegen aber ganz auf theoretischem Gebiet; bier handelt es sich um den wirlclichen Vorgang, daft dutch die Erlcranl~ung eine Verschiebung vom latenten ins mani- /este Stadium und damit eine erhebliche Minderung der realen Leistungs]dhigkeit eingetreten ist; aus dem Ursachenkomplex ist uns lediglich die Tatsache des Unfalls einwandfrei bekannt. Allein das ist beweisbar, allein das kann vom Gutachter be- wetter werden und zur Grundlage des Urteils an den Richter weitergegeben werden. Aus der Literatur ist weiterhin be- kannt, dab ~hnliche T~lle bereits beobachtet wurden. Der Unfall ist unter den zur Trkrankung ffihrenden Bedingungen die einzige beweisbare Tatsache und muB daher auch durch die Begutachtung anerlcannt werden. Zusammen]assung: Es wird fiber einen Tall von Parkinsonis- mus berichtet, der sieh im engen zeitlichen Zusammenhang mit einem im wesentlichen psychischen Trauma durch UnfalI entwickelte. Theoretische Folgerungen tiber die J~tiologie des Parkinsonismus nnd praktische Konsequenzen hinsichtlich der Begutachtung werden dargetan. Die Literatur wird kritisch verwertet. Der Znsammenhang ist gutachtlich anzuerkennen. Es handelt sich um einen auBergewShnlich eindeutig gelagerten Fall yon traumatisch entstandenem Par- kinsonismus, dessert Mitteilung ffir Ntiologie und Begutachtung yon besonderem Wert sein kann. Literatur: ANTON, Med. Klin. 1934, I32. -- BARDENHEUER, s. unter JOLLY, S. 571. -- BA~MANN, M~nch. reed. Wschr. I934, 936. -- BING, zit. bei HEYDE. -- CURTIUS, Die organischen und funktio- nellen Erbkrankheiten des Nervelisystelns. Stuttgart 1935. -- GR~NBAUM, Diss. Erlangeli 1933. -- ttAASE, Neue Dtsch. Klili. 193I, 6o8. -- HXYDE, Arch. f. Psychol. 97, 6oo (1932). -- JOLLY, _~rztliche Obergutachteli aus der Uiilfallversicheruligspraxis. Leip- zig I9o6, S. 68. -- KEHRER, Arch. f. Psychol. 91 , I87 (I93O). -- LOTMAR, Allg. Z. Psychot. 96, 363 (1932). -- NAGu Mschr. Psychiatr. 9 I, 179 (I935). -- OPPXNI~EIMER, Lehrblich der Nervenkralikheiten, S. 2o7o. Berlin 1923. -- PEREMY, Klin. Wschr. x934, 449. -- RUHEMANN, Berl. klin. "VVschr. I9o4, 332. -- STI~AUBE, Dtsch. Z. Nerveliheilk. 134, 3~ (1934). -- VERAGUTH, Schweiz. Arch. Neur. 33, 344 (1934). -- W~ILXR, Allg. Z. Psychiatr. 96, 363 (i932). -- WILLIGE, Z. Neur. 4, 52o (I9II). 0BER DIE WIRKUNG DES FOLINERINS. (II. Mitteitung*.) Von ROBERT SCHWAB. Aus der Inneren Abteilung des Julius-Spitales Wfirzburg (Leitung: Prof. Dr. A. FOERSTER.) Die VerSffentlichung fiber die pharmakologische Wirkung des Tolinerins (FLURY und NEUMANN) sowie die Mitteilung fiber klinische Erfahrungen mit Tolinerin (SCHWAB) im April I935 gaben Veranlassung, dag dieses Glykosid aus Folia Nerii Oleandri auch von anderer Seite auf seine klinische Wirksamkeit hin eingehend geprfift wurde. So konnte LEPEL Pulsverlangsamung rascher als bei Digitalis beobachten und in gleicher Weise die der Digitalis eigene leichte kumulative Wirkung, wXhrend er ]3eseitigung yon Arrhythmien bisher nicht erreichen konnte. Als wesentlichste Eigenschaft des Tolinerins aber best~tigte er die bereits yon uns festgestellte rasche diuretische Wirkung. SIEBECK erachtet Folinerin als der Digitalis v611ig gleichwertig. Als ein Mangel muBte es his- her angesehen werden, dab ffir die Verabreichung nur die Tropfen- nnd ZXpfchenform, nicht abet die Tablettenform zur Verffigung stand. In der ldinischen wie in der Allgemein- prams spielt aber bei der Verabreichung yon Medikamenten gerade die Tablettenform wegen der dabei ermSglichten Genauigkeit der Dosierung neben grSBter Vereinfachung in der Verabreichung eine nicht zu untersch~tzende Rolle. Allerdings bedurfte es besonderer Untersuchung, ob das Folinerin in Form yon Tabletten ebensogut resorbiert wird und wirkt wie bei der Darreichung Ms Tropfl6sung oder Z~pfchen. Im weiteren Verlauf finserer Untersuchungen tiber die klinische Verwendbarkeit des Tolinerins an Stelle der Digitalis haben wir nun T01inerindrag6es einer eingehenden Prfifung hinsichtlieh ihrer therapeutischen Wirksamkeit unterzogen. Die Dosierung war so gew~thlt, dab eine Tablette 0,2 mg Folinerin enth~lt, so dab also das in einer Tablette enthaltene Glykosid der Menge entspricht, die in 2o Tropfen des Tolinerin liquid, der Originalflasche oder in einem Z~pfchen ent- halten ist. In ~hnlicher Weise wie bei den frtiher verSffentlichten Untersuchungen wurden bei den vorliegenden Versuchen wiederum laufend kontrolliert: Pulsfrequenz, Rhythmus, K6rpergewicht, Diurese, Elektrokardiogramm, rSntgenolo- * I. Mitt. dieseWschr. 19S~ 564.

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12. SEPTEMBER I936 K L I N I S C H E W ' O C H E N S C H R I F T . 15 . J A H R G A N G . Nr . 37 13o9

den prak t i schen Ta t sachen gerecht, wol l te m a n sic auf dem recht l ich-sozia len Gebiet der Begu tach tung als Gesetze gel ten lassen.

W e n n m a n HEYDE, der das gr6Bte Mater ia l fiber Park in- sonismus bearbe i te t hat , folgen will, so w~re unser Fa i l yon allen bisher beschr iebenen viel le icht der erste, bei dem fiber- h a u p t die ~uBeren Ta t sachen in einer l t ickenlosen Beweisreihe vo r Augen liegen. Aber diese gtfickliche Kons te l la t ion be ruh t hier auf e inem Zusamment re f fen auBergewShnlich gfinstiger Umst~nde .

Bei gereehter Wi~rdigung aller Tatsachen dar] aber dem BetroJ/enen aus dem zu/Slligen Ungli~clc einer wenig einwand/rei ermittelbaren Vorgeschichte Icein Nachteil erwachsen, wie es bei s t r ik te r Anwendung der Torderungen HEYDES und KEHI~ERS der Tal l w~re.

Zusammenfassend lXBt sich fiber die Tragen 1 - - 4 also sagen: sie And in u nserem Fal le klar zu bean twor t en und ha l t en der Kr i t ik aller b isher vorgebrach ten gegnerischen A r g u m e n t e s tand: Schwieriger l iegt die Frage nach dem Vor- liegen einer die Bedeu tung des T raumas ftir die Krankhe i t s - en t s t ehung schm~lernden Disposition des Kranken und ihre gu tach t l i che Konsequenz . Das Vorl iegen einer Disposi t ion kSnnen wir hier wohl voraussetzen. E ine echte Ursache des Parkinsonismus im Sinne einer allein und isoliert ftir die E r - k rankung ve ran twor t l i ch zu machenden Noxe kann also im Unfal l allein n ich t gesehen werden. Es b le ib t einer folgenden Arbe i t vorbehal ten , das v e r w i c k e l t e P rob l em auizurollen, wie m a n sich als, Gutach te r generell in derar t ig gelager ten T~llen ve rha l t en soll, und was die Begriffe Ursache, Aus- 16sung und Disposi t ion Ifir gutacht l iche Konsequenzen haben. Be t r ach t en wir zun~chst unseren Tail, so liegen die Dinge so: Der K r a n k e ist wohl als TrAger einer gewissen Krankhe i t s - disposi t ion anzusehen. Die GrSBe dieser Disposi t ion zu be- s t immen, ist ganz unm6gl ieh ; wir wissen nichts fiber eine erbliche Be las tung : soweit feststel lbar, is t die Tamil ie gesund.

Allerdings ist der Va te r l au t Mit te i lung der be t re f fenden Nervenhe i l ans t a l t an progressiver Para lyse gestorben. An- ha l t spunk te I fir eine Lues congeni ta oder Lues f iberhaupt lagen n ich t vo r ; das ist auch durch die L u m b a l p u n k t i o n erwiesen. In dieser Ta t sache k6nnte also immerh in ein Hin- weis auf eine gewisse Anf~Llligkeit des Zent ra lnervensys tems be im Vate r des P. gesehen werden, ohne dab hierfiber e twas Sicheres auszusagen ist.

W i t kennen die Gr613e der Krankhe i t sbe re i t schaf t bei unserem Kranken nicht . Wi r kSnnen n ich t sagen, ob er ohne den Unfa l l seine K r a n k h e i t je er lebt h~tte. Wi r mfissen also die Disposi t ion als unbekann te Gr6Be ansetzen. Wir k6nnen die unbekannte Gr6fie einer solchen 2Disposition nieht zvr Grundlage einer rechtlieh-sozialen Beurteilung machen. Wir miissen un te r Abgrenznng dieses disposi t ionellen Momentes v ie lmehr lediglieh die Ta t sachen werten, die beweisbar sind. Sie bes tehen darin, dab ein vo rhe r offenbar gesunder Mensch alsbald nach e inem T r a u m a an Park insonismus erkrankt , so d a b seine vo rhe r vol ls t~ndige Arbei ts f~higkei t in erheb- l ichem AusmaB geminder t wird. Es ist wichtig, die Minderung der JLeistungsJg~higkeit in den Vordergrund der Betraehtung zu ri~cken; man ver]gillt sonst, wie es h(iuJig geschieht, in den Fehler, aus rein biologischem Gesichtswinlcel heraus zu ]olgern: als Tr@er einer Kranlcheitsbereitscha]t wird der Betro/]ene als im biologischen Sinne schon ,,latent" lcrank vor dem Un/all und dieser nut als Gelegenheitsursache angesehen. Derar t ige Gedankeng~nge liegen aber ganz auf theore t i schem Gebie t ; bier handelt es sich um den wirlclichen Vorgang, daft dutch die Erlcranl~ung eine Verschiebung vom latenten ins mani- /este Stadium und damit eine erhebliche Minderung der realen Leistungs]dhigkeit eingetreten ist; aus dem Ursachenkomplex ist uns lediglich die Ta t sache des Unfal ls e inwandfrei bekannt . Allein das ist beweisbar, allein das kann v o m Gutach te r be- we t t e r werden und zur Grundlage des Urtei ls an den R ich te r wei tergegeben werden. Aus der L i t e ra tu r ist wei te rh in be- kannt , dab ~hnliche T~lle berei ts beobach te t wurden. Der Unfal l is t un te r den zur T r k r a n k u n g ff ihrenden Bedingungen die einzige beweisbare Ta tsache und muB daher auch durch die Begu t ach tung anerlcannt werden.

Zusammen]assung: Es wird fiber einen Tall von Parkinsonis- mus ber ich te t , der sieh im engen zei t l ichen Zusammenhang mi t e inem im wesent l ichen psychischen T r a u m a durch UnfalI entwickel te . Theore t i sche Folgerungen tiber die J~tiologie des Park insonismus nnd prakt i sche Konsequenzen hinsicht l ich der Begu tach tung werden dargetan . Die L i t e r a tu r wird kr i t i sch verwer te t . Der Znsammenhang ist gu tacht l ich anzuerkennen . Es hande l t sich u m einen auBergewShnlich e indeut ig gelager ten Fal l yon t r auma t i s ch en t s t andenem Par - kinsonismus, dessert Mi t te i lung ffir Ntiologie und Begu tach tung yon besonderem W e r t sein kann.

L i t e r a t u r : ANTON, Med. Klin. 1934, I32. - - B A R D E N H E U E R ,

s. unter JOLLY, S. 571. -- BA~MANN, M~nch. reed. Wschr. I934, 936. - - B I N G , zit. bei HEYDE. -- CURTIUS, Die organischen und funktio- nellen Erbkrankheiten des Nervelisystelns. Stuttgart 1935. -- GR~NBAUM, Diss. Erlangeli 1933. -- ttAASE, Neue Dtsch. Klili. 193I, 6o8. -- HXYDE, Arch. f. Psychol. 97, 6oo (1932). -- JOLLY, _~rztliche Obergutachteli aus der Uiilfallversicheruligspraxis. Leip- zig I9o6, S. 68. -- KEHRER, Arch. f. Psychol. 91 , I87 (I93O). -- LOTMAR, Allg. Z. Psychot. 96, 363 (1932). -- NAGu Mschr. Psychiatr. 9 I, 179 (I935). - - OPPXNI~EIMER, Lehrblich der Nervenkralikheiten, S. 2o7o. Berlin 1923. - - P E R E M Y , Klin. Wschr. x934, 449. -- RUHEMANN, Berl. klin. "VVschr. I9o4, 332. -- STI~AUBE, Dtsch. Z. Nerveliheilk. 134, 3 ~ (1934). -- VERAGUTH, Schweiz. Arch. Neur. 33, 344 (1934). -- W~ILXR, Allg. Z. Psychiatr. 96, 363 (i932). -- WILLIGE, Z. Neur. 4, 52o (I9II).

0BER DIE WIRKUNG DES FOLINERINS. (II. Mitteitung*.)

Von

ROBERT SCHWAB. Aus der Inneren Abteilung des Julius-Spitales Wfirzburg

(Leitung: Prof. Dr. A. FOERSTER.)

Die VerSffent l ichung fiber die pharmakologische Wi rkung des Tolinerins (FLURY und NEUMANN) sowie die Mi t te i lung fiber klinische E r f ah rungen m i t Tol iner in (SCHWAB) im Apri l I935 gaben Veranlassung, dag dieses Glykosid aus Fol ia Neri i Oleandri auch von anderer Seite auf seine klinische Wi rksamke i t h in eingehend geprfif t wurde. So konnte LEPEL Pu l sve r l angsamung rascher als bei Digital is beobach ten und in gleicher Weise die der Digital is eigene leichte kumula t i ve Wirkung, wXhrend er ]3eseitigung yon A r r h y t h m i e n bisher n icht erre ichen konnte . Als wesent l ichste E igenschaf t des Tolinerins aber best~t igte er die bereits yon uns festgestel l te rasche diuret ische Wirkung. SIEBECK erach te t Fol iner in als der Digital is v611ig gleichwertig. Als ein Mangel muBte es his- he r angesehen werden, dab ffir die Verabre ichung nur die Tropfen- nnd ZXpfchenform, n icht abe t die Tab l e t t en fo rm zur Verff igung stand. I n der ldinischen wie in der Allgemein- p rams spiel t aber bei der Verabre ichung yon Medikamen ten gerade die Tab le t t en fo rm wegen der dabei ermSgl ichten Genauigkei t der Dosierung neben grSBter Vere infachung in der Verabre ichung eine nicht zu untersch~tzende Rolle. Allerdings bedurf te es besonderer Untersuchung, ob das Fol iner in in F o r m yon Tab le t t en ebensogut resorbier t wird und wi rk t wie bei der Dar re ichung Ms Tropf l6sung oder Z~pfchen. I m wei te ren Ver lauf finserer Un te r suchungen tiber die klinische Verwendbarke i t des Tolinerins an Stelle der Digi tal is haben wir nun T01inerindrag6es einer e ingehenden Prf i fung hins icht l ieh ihrer therapeut i schen Wi rksamke i t unterzogen.

Die Dosierung war so gew~thlt, dab eine Tab le t t e 0,2 mg Fol iner in enth~lt , so dab also das in einer Tab le t t e en tha l t ene Glykosid der Menge entspr icht , die in 2o Tropfen des Tol iner in l iquid, der Originalf lasche oder in e inem Z~pfchen ent- ha l t en ist.

In ~hnlicher Weise wie bei den fr t iher verSffent l ich ten Un te r suchungen wurden bei den vor l iegenden Versuchen wiederum laufend kont ro l l ie r t : Pulsfrequenz, Rhy thmus , K6rpergewicht , Diurese, E lek t roka rd iogramm, rSntgenolo-

* I. Mitt. diese Wschr. 19S~ 564.

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gische Herzmasse , B l u t d r u c k , das k l in ische Bild (besonders S t a u u n g s e r s c h e i n u n g e n , Dyspnoe) sowie die a l lgemeine Ver- t r~g l i chke i t u n d das s u b j e k t i v e V e r h a l t e n der P a t i e n t e n .

Von insgesamt 16 Pat. , die mit Folinerin in Tablet tenform behandel t wurden, klagte einer fiber Beschwerden yon seiten des Magens, bet dem abet neben allgemeinen Stauungserscheinungen insbesondere auch eine Gastritis im Vordergrund der subjekt iven Beschwerden stand. Dutch ~lbergang zur Z~pfchenform lieB sich die Folinerinordination weiterffihren his znm Ein t r i t t der "vVir- kung. Bet einem weiteren Pat . t r a t vorfibergehend auf 3 Tage DurchfalI ein, der abet t rotz weiterer Zufiihrung you Folinerin- table t ten wieder zurfickging. In allen fibrigen F&llen konnte die Tablet tenordinat ion ohne St6rung durchgefiihrt werden. Sen- sationen yon seiten des Herzens, wie sie yon ZIMMI~RMANN und SC~tULER nach Ordination yon Folinerin in Tropfenform in seltenen F~illen beobachte t wurden, haben wit weder jetzt noch frfiher gesehen. Wenn wir bet nnseren Untersuchungen nur in ganz seltenen Fiillen beobachte t haben, dab das Pr&parat yon seiten des Magens n icht gut ver t ragen wurde, so glauben wit den Grnnd zum Tell darin sehen zu dfirfen, dab wir grunds&tzlich bet der Ordination ebenso wie friiher stets bet jeder Digitalisverabreichung das Pr~para t -- sowohI in Tablet ten- Ms auch in Tropfenform --

niemals verabreicht haben, ohne vorher wenn auch nur geringe Mengen Speisen oder auch nur Milch zugefikhrt zu haben. Aus die- sem Grunde sahen wit auch frfiher stets bet der Verabfolgung yon Digitalis nu t in ganz seltenen F&llen Nebenerscheinungeu yon seiten des Magens auftreten.

Bet de r O r d i n a t i o n b e g a n n e n wir in de r Regel z u n ~ c h s t m i t I rea l t~iglich I Tab le t t e , u m a m fo lgenden Tage au f 2 u n d w e i t e r h i n d a n n auf 3 T a b l e t t e n zu s te igern bis z u m Ein - t r i t t de r Wirku l lg . I n e inze lnen F~l len wurde das P r ~ p a r a t p r o t r a h i e r t gegeben (s. u n t e n Fa l l I). I m V o r d e r g r u n d de r k l in i sch n a c h w e i s b a r e n W i r k u n g s t a n d ebenso wie bet den bere i t s f r f iher v e r 6 f f e n t l i c h t e n V e r s u c h e n m i t Fo l ine r in in F o r m v o n T rop f en oder Z&pfchen die ausgesp rochen ka rd ia l - d iu re t i sche W i r k u n g bet g le ichzei t iger S e n k u n g de r Puls - f r equenz ulld tei lweise des B l u t d r ucks , wie auch die un te l l ange f t i h r t en F~tlle bes t~ t igen , I rgendwie bed roh l i che E r - sche inu l lgen yon K u m u l a t i o n fehl ten . Die Urob i l inogen- r e a k t i o n im U r i n g ing rege lm~gig zurt ick, n n d in d e m MaBe, wie die Diurese anst ieg , a u c h die k l in i schen S tauungse r sche i - nu l lgen (Leberschwel lul lgen, Odeme, besonde r s auch As- cites).

.Fall 1: Frau R. Sch., 71 Jahre alt. Seit etwa 1 Jahr langsam zunehmende Atemnot, besonders bet Arbeit. 6 Wochen vor der Aufnahme rasch zunehmende Verschlechternng, st~irkere 0deme, V611egefflhl im Leib, Herzklopfen, Stechen in der Herzgegend. Bet der Aufuahme starke Dyspnoe, Cyanose, allgemeine Stanungs- erscheinungen. Herz s tark nach links nnd rechts verbreitert . Ar rhy thmia perpetua, Vorhofflimmern, frustrane Ventrikelkon- t rakt ionen, Leberschwellungen. Nach dem Ekg. neben Flimmer- a r rhythmie die ausgesprochenen Zeichen coronarer Insnffizienz. Herzpuls: 15o, Radialpnls: 11o, R .R. : 17O/lOO.

Ordinat ion: Am 1. Tag einmal, in den u&chsten 4 Tagen 3maI i Tablet te Folinerin, weiterhin 9 Tage 2real, dann noch 12 Tage i mal t~glich i Tablette. AuBerdem in den ersten 3 Tagen IZarellkur. K6rpergewicht: Anfangs 68, 3 kg, am 6. Tage der Behandlung: 58,7 kg, am 13. Tage: 55,2 kg nnd am 19. Tage: 55,o kg. Gleich- zeitig Ansteigen der Diurese yon 2oo ccm am i. Tage auf 17oo bis 18oo ccm in den folgenden Tagen, sparer kons tant etwa 8oo ccm t&glich. Pulsdiskrepanz war am 7. Tage verschwunden und t r a t w&hrend der im gauzen etwa 8 Wochen dauernden Behandlung bzw. Beobachtung nicht mehr anf. Nach Schwinden der Dis- krepanz Pnls zun~kchst IOO, nach weiteren 8 Tagen um 80 dauerud schwankend. Der Blutdruek sank w~ihrend der Folinerinbehandlung auf 155/9o. Parallel mit der Zunahme der Diurese bzw. Abnahme des K6rpergewichtes ging das Abklingen der klinisehen ]Ersehei- nungen mit Besserung des subjektiven Befindens. Pat. war nach Beendigung der Folinerinbehandlung v611ig kompensiert.

$3ber 2 weitere F~lle geben die anschlieBend gezeigten Kurven ein deutliches Bild.

l~all 2: Herr C h . E . , 44 Jahre alt. Vor etwa 1/~ Jahr Gelenk- rheumatismus. Seitdem immer wieder Gelenkschmerzen. Vor ungef~s 14 Tagen Anschwellen der Beine. Keine subjektiven Be- schwerden yon seiten des Herzens. 13ei der Aufnahme livid ge- f~irbte Haut . t terzgrenzen nach links verbreitert . T6ne rein. Ver, einzelte Extrasystolen. Leber nur gering geschwollen. An Unterschenkeln und Fuggelenken starke 0deme.

Ordination und Erfolg s. Abb. I.

R I F T . 15. J A H R G A N G . N r . 37 I2. SEPTEMBER i936

Fal l 8: Frau R. W., 48 Jahre alt. Seit 5 Monaten Herzbeschwer- den im AnschluB an Mandelentziindung; Atemnot bei der gering- sten Anstrengung, Anschwellen beider Uuterschenkel. Unregel- m~igige t{erzaktion, prXsystolisches Ger&usch fiber der Mitralis, t{erzgrenze etwas verbreitert . Leicht cyanotische Gesichtsfarbe. R.R. : 15O/lOO mm Hg. Radialpuls: lO6. K6rpergewicht bet Beginn der Klinikbehandlung: 63,2 kg. Ekg.-Befund: Arrhythmia perpetua, Vorhofflimmern. Druckempfindlichkeit des Abdomens infolge allgemeiner Stauungserscheinungen.

Ordination usw. s. Abb. 2.

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Diese be iden F~lle bes t~ t igen , ebenso wie Fal l i, die oben- geschi lder te l l W i r k u n g e n . I n den fibrigell m i t Fo l ine r in ill T a b l e t t e n f o r m b e h a n d e l t e n F&llen wa r das ErgeblliS ein ~hn- l iches. I m V o r d e r g r u n d de r t h e r a p e u t i s c h e n W i r k u n g des Fo l ine r ins s t a n d also auch bet de r ]3ehand lung m i t T a b l e t t e n ebenso wie bet d e r m i t T r o p f e n u n d Z&pfchen die s t a r k e d iu re t i s che Kompo l l en t e . Die kli l l ische W i r k u n g e ther T a b l e t t e (mit o,2 m g Fol iner in) e n t s p r i c h t l lach ul lserer E r - f a h r u n g vhl l ig de r W i r k u n g y o n 2o T rop fen de r L6sung , wor th ebenfa l ls 0,2 m g des Glykos ids e n t h a l t e n sind. W i r k o n n t e n in m e h r e r e n F~llel l a n c h bet a u s g e p r ~ g t e m Asci tes y o n de r Ord i l l a t ion yon Quecks i lbe r -Diure t i c i s oder S t ro- p h a n t h i n absehen . Ande re r se i t s e r s che in t es uns yon I n t e r - esse d a r a u f h inzuweisen , d a b in einzel l len F&llen y o n schwer- s t e r D e k o m p e n s a t i o l l m i t h o c h g r a d i g s t e n a l lgeme inen S t au - u n g s e r s c h e i n u n g e n w~thrend der F o l i n e r i n t h e r a p i e S t r o p h a n - t h i n m i t E u p h y l l i n u n d T r a u b e n z u c k e r zur Bese i t i gung a k u t e r V e r s c h l e c h t e r u n g e n gegeben werden konn te , o h n e d a b s ich dabe i k l in i sch oder e l e k t r o k a r d i o g r a p h i s c h An- ze ichen daff ir e rgaben , d a b h i e r d u r c h eille bed roh l i che K u m u - l a t ion b e w i r k t w o r d e n w~re.

I m t ib r igen sehen wi t e inen Vor te i l im Fo l ine r in nebel l der gegeni iber de r D ig i t a l i swi rkung unseres E r a c h t e n s ge- s t e ige r t en Bee in f lus sung de r Diurese dar in , d a b es (wie frf iher be re i t s be ton t ) n i c h t wie die Digi ta l i spr~tpara te ein Gemisch aus eiller Re ihe yon Glykos iden ist, welches u n t e r Umst~ tnden in se iner p rozen tua le l l Z u s a m m e n s e t z u n g u n d d a m i t se iner p h a r m a k o l o g i s c h e n W i r k s a m k e i t wechse ln kal ln, SOlldern vieI- m e h r e inen einzigen, chemisch e inhei t l iche l l Stoff da r s te l l t . D a d u r c h a b e t wi rd e rm6gt ich t , d a b sowohl der Kl in ike r wie a u c h i l lsbesolldere der p r a k t i s c h e A r z t s ich in r e l a t i v k u r z e r Zei t m i t den t h e r a p e u t i s c h e n E i g e n s c h a f t e n des s t e t s gleich- b l e i b e n d e n P r ~ p a r a t e s v e r t r a u t machei1 kanll , w~thrend doch bet dell Dig i ta l i spr~tpara ten de r A r z t i m m e r h i n e rs t n a c h mehrj~Lhriger E r f a h r u n g die l lo twendige S iche rhe i t in der O r d i n a t i o n jedes eilllzelllell P r ~ p a r a t e s e r langt .

12. SEPTEMBER ~936 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 15, J A H R G A N G . N r . 37 1311

Z u s a m m e n / a s s u n g : Die fr i iher mi tge t e i l t en gf inst igen Er - f ah rungen m i t Fol iner in k o n n t e n bei Da r r e i chung yon Drag6es best~ttigt werden . Auch in dieser F o r m wi rk te das Mi t te l schnel l und nachhal t ig , wobei wieder die s ta rke d iure t i sche K o m p o n e n t e besonders h e r v o r t r a t . I n F~llen schwers t e r D e k o m p e n s a t i o n konn t e wXhrend der F o l i n e r i n b e h a n d l u n g bei aku t e r Ver sch lech te rung in t r aven6s S t r o p h a n t h i n ge- geben werden, ohne dab bedrohl iche Kumula t ionse r sche i - nungen au fge t r e t en w~Lren.

L i t e r a t u r : ~'LURY u. N~UMANN, lKlin. Wschr. I935, 562. - - LEPEL, Mfmch. med. Wschr. x936, 4 7 7 - - ScI~w~B, Klin. Wschr. 1935, 564 . - - SI~B~CK, Vortrag auf dem Kongr. Inn. Med. 1936. -- WEESE, Digitalis. Leipzig: Georg Thieme i936. - - ZIMMERMANN U. SC~IUL~R, nach Mit te ihng der Schering-Kahlbaum-A.G.

DER VITAMIN C-GEHALT DER FRAUENMILCH UND DER KUHMILCH IN DEN

FRiJHJAHRSMONATEN. Von

HEINZ FERDINAND.

Aus dem Physiologischen Inst i tut der Universit~t Rostock (Direktor: Prof. Dr. K. WACHHOLDER).

Die vor l iegende Arbe i t schlieBt sich an die kfirzlich er- schienene Ver6f fen t l i chung yon WACHHOLDER 1 fiber die Versorgung des S~uglings m i t V i t amin C an. D o r t wurde fiber den in den W i n t e r m o n a t e n in der F rauenmi l ch und K u h - milch zu f i ndenden Gehal t an V i t a m i n C ber ich te t . Es ergab sich, dab in dieser Jahresze i t die in Ros tock erhXltliche K u h m i l c h du rchschn i t t l i ch e inen Geha l t yon nur 1, 3 m g % besaB. Das ist, w e n n m a n berf icksicht igt , dab der S~ugling die K u h m i l c h nu r als Dr i t t e l - oder t t a l b m i l c h b e k o m m t , zu wenig, um ihn s icher vor einer V i t amin C-Hypov i t ami n o s e zu schfi tzen. Wohl abe t d i i r f te das in dieser Jahresze i t bei E r n ~ h r u n g mi t F r a u e n m i l c h der Fal l sein, in welcher, wenn sie yon ers t kurze Zeit s t i l l enden Mfi t te rn s t a m m t e , durch- schn i t t l i ch 4,4 mg % gefunden wurde und, wenn es sich u m die Milch schon lange Zeit s t i l lender A m m e n hande l te , i m m e r noch um 2, 5 mg %. Dies gil t j edoch n u t ffir ganz Ir ische Milch; d e n n schon nach wenigen S t u n d e n Stehenlassens waren n ich t u n e r h e b l i c h e Ver lus te Iestzustel len.

N u n is t aber bekann t , dat3 der V i t amin C-Gehal t der Milch s t a rken jahresze i t l i chen S c h w a n k u n g e n unter l iegt , wo- bei alle U n t e r s u c h e r da r in f ibere ins t immen, dab er im So mmer wesen t l i ch h6he r ist. ~ b e r die Ursache dieses Anst ieges gehen die Ans ich ten h ingegen s t a r k ause inander . GLANZ- MANI~2 is t der Ansicht , dal3 der Oehal t yon der E r n ~ h r u n g abh inge und der sommer l i che Ans t ieg bei der K u h m i l c h mi t d e m O be rgang zur v i t amin-C- re icheren Grf inf f i t te rung ein- t re te . Bei de r F r a u e n m i l c h wies NEUWEILER a einen Anst ieg bei V i t amin C-Zufuhr exper imente l l naeh. ROHMER, BEZSSO- NOFF und STO~RR~ glauben demgegenf iber , dab die Schwan- kung innersekre to r i sch bed ing t sei und auf einer im Fr f ih j ah r e inse tzenden ges te iger ten V i t amin C-Synthese des Organis- mus beruhe. Sie k a m e n zu dieser Auffassung, well sie sehon im M~rz, also vor der Weideze i t e inen s tei len Ans t ieg des V i t am in C-Gehal tes fes ts te l l ten . Die yon ihnen a n g e w a n d t e Methode h a t sich j edoch Ms v611ig u n b r a u c h b a r erwiesen (WAcHHOLDER und PODESTs und auch die yon den ande ren Au to ren b e n u t z t e B e s t i m m u n g nach TILLMANS liefert , wie WACHHOLDER zeigte, bei der Milch in s c h w a n k e n d e m Aus- maBe zu hohe und d u r u m unzuverlAssige Wer t e .

Eine Kl~rung dieser S t re i t f rage schien n ich t n u t theore- t isch, sonde rn auch p rak t i s ch in te ressan t . I s t es doch n ich t unwieh t ig zu wissen, ob im Frf ih jahr , wenn die V i t ami n C- Zufuhr mi t der N a h r u n g ffir den E r w a c h s e n e n ganz besonders sp~rl ich ist, wenigs tens ftir den S~ugling keine H y p o v i t a - minosegefahr m e h r bes teh t , oder ob wir im Gegentei l in dieser Zeit auch bei i hm ganz besonders auf eine genfigende V i t amin C-Zufuhr b e d a c h t sein mfissen, w e n n n6tig, d u t c h kfinst l iche Zufuhr yon s y n t h e t i s c h e r 1-Ascorbins~ure.

Zu diesem Zwecke wurde mit der schon yon WACHHOLDER in den Wintermonaten angewandten, einwandfreiere Resultate lie- fernden Methylenblaumethode nach MARTINI und BONSlGNORE gearbeitet. Vergleichend wurde dazn in einer Reihe yon F~llen die colorimetrische Bestimmung mit Phosphorwolframs~ure nach WACHHOLDER und PODESTi sowie das Tillmanssche Verfahren herangezogen. Als Kuhmilch wurde wiederum die Rostocker Handelsmilch nntersucht, dazu w~hrend einiger Zeit die frisch yon ein and derselben :Einzelkuh erhaltene Milch. Frauen- bzw. Ammenmilch wurden wiederum in dankenswerter Weise in frischem Zustande yon der Frauenklinik bzw. der Kinderklinik der Universi- tXt zur Verfiigung gestellt.

Bei der Handelsmilch wurde im M~rz und Anfang April ein Gehalt yon nur o,58--I,68 rag%, mit einem Durchschnit t yon i , i mg%, festgestellt. Allerdings ist zu beriicksichtigen, dub die Milch in Rostock nur noch pasteurisiert geliefert werden dart, was jedoch, wie WACI~HOLDER feststellt, dem Vitamin C-Gehalt keinen Abbruch rut. Vergteicht man diese Werte mit denen yon WACI~- HOLDER in den Wintermonaten bei der Milch derselben Molkereien erhaltenen (o,85--1,8 mg%; im Mittel 1,3 rag%), so ergibt sich, dab im M~rz kein Anstieg, sondern im Gegenteil noch ein leichtes Sinken eingetreten ist. Praktisch ergibt sieh daraus, dab im Friih- jahr, bevor die Kfihe auf die Weide kommen, Iflr die mit Kuhmilch ern~hrten Kleinkinder die Gefahr einer Hypovitaminose noch gr6Ber ist als im Winter. Dies steht in lJbereinstimmung zu Ftitterungs- versuchen yon GLANZMANN, der fund, dab im Fr~hjahr Meer- schweinchen durch eine Milchern~hrung nicht vor Skorbut ge- schiitzt werden konnten.

Die Milch der Einzetkuh, die kurz nach dem Melken v611ig frisch untersucht werden konnte, enthielt zwur mit durchschnittlich 1, 4 mg% etwas mehr. Der Unterschied ist aber so gering, dab das eben Ausgeft~hrte hierdurch nicht entkrXftet wird. Aul3erdem kommt ja solche Milch fftr die allgerneine Ernahrung praktisch tiberhaupt nieht in Frage.

Weiterhin wurde festgestellt, dab ein kurzes Auikochen sowohl bei der pasteurisierten Handelsmilch als auch bei der rohen Milch unserer Einzelkuh nur einen minimalen Vitamin C-Verlust ver- ursachte. Dies s t immt mit Versuchen y o n SCHLEMMER, ]~LEYER

und CAHNMANN 6 sowie anderen Autoren flberein, die bei l~ngerem, ja selbst bei mehrmaligem Aufkochen nut Verluste yon 15--2o% erhielten.

Was nunmehr die Frauenmilch anbetrifft, so erhielten wir Ende M~rz bis Anfang April bei zwei erst seit kurzer Zeit stillenden Miittern sehr stark, n~mlich zwischen 1,26--5,o 4 rag% schwan- kende Werte. Auch hier ist, ebenso wie bei der Kuhmilch, der Gehalt niedriger als im Winter. Die hOchsten Werte liegen zwar nicht weft auseinander, der niedrigste Frfihjahrswert ist abet nut etwa 1/3 so hoch wie der niedrigste Winterwert; und nimmt man den Durchschnitt, so ist dieser mit 2, 7 mg% um 1, 7 mg% niedriger als im Winter.

SchlieBlich zeigte sich, dab auch die Milch dreier schon einige Monate n~hrender Ammen einen wesentlich niedrigcren Gehalt hat te als ihn WACHHOLDER im Winter in der Milch solcher Frauen gefunden hatte. Sie enthielt jetzt nur noch o,72--1,98 rag% 1-Ascorbins~ure, also nur nnwesentlich mehr Ms die Kuhmilch. Dieser niedrige Befund scheint uns praktisch besonders bedeutungs- roll zu sein, denn es folgt aus ihm, dab in den Frtihjahrsmonaten auch die Ernahrung an der Brust einer Amme dem S~ugling keinen sicheren Schutz gegen Vitamin C-Hypovitaminose garantiert.

Legt man n~mlich die ]3erechnung yon WACHHOLDER zugrunde, dab fflr einen S~ugling die Sehutzdosis gegen eine akute Avitaminose 5 mg Vitamin C pro die betrXgt und gegen eine latente Hypo- vitaminose lO--15 mg, so ergibt sich aus den obigen Resultaten, dab der S~ugling dutch die in der Tabelle angeffihrten tXgiichen

Mittlerer Vitamin C- Gehalt yon Frischmilch

in mg %

Tiiglieher Mindestbedarf des mensch- lichen S~iuglings zum Schutze gegen

akute C-Avitaminose

5 nag enthalten in :

]atente C-Hypovitaminose

IO-- I5 mg enthalten in:

I . Frauenmilch a) erst kurze Zeit stillender Mutter: I]

Winter 4,4 . . . . . . . . "1 115 ccm Frtihjahr 2, 7 . . . . . . . 185 ccm

b) lange Zeit stillender Amine: Winter 2, 5 . . . . . . . . 200 ccm Frt~hjahr 1,34 . . . . . . . 375 ccm

I I . Handelskuhmilch Winter 1,3 . . . . . . . . 400 ccm Frt~hjahr I,I . . . . . . . 455 ccm

230-- 345 ccm 37 ~ 555 ccm

400 _ 600 ccm 75o--1125 ccm

! 8oo--12oo ccm i 91o--1365 ccm