über die veränderung der temperaturempfindlichkeit des seidenraupeneies während der entwicklung

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(Aus dem Zo01ogischen Institut der Universit~t Moskau.) ~BER DIE VER~DERUNG DER TEMPERATUR- EMPFINDLICHKEIT DES SEIDENRAUPENEIES WXHREND DER ENTWICKLUNG. Von G. F. GAUSE und W. W. ALPATOV. Mit 2 Wextabbildungen. (Eingeganflen am 1. Februar 1934.) Eine ganze Reihe von Autoren weist auf die Tatsache hin, daB eine Untersuchung der Ver~nderungen der relativen Widerstandsf~higkeit des in der Entwicklung befindlichen Eies verschiedenen ~uBeren Einflfissen gegeniiber als eine der Methoden zum Studium der im Ei stattfindenden Ver~nderungen dienen kann. Eine ]~bersieht der diesbeziigliehen Literatur ist bei NEEDHAI~I 4 ZU linden. In gewissen ~Iomenten der Entwicklung ist die Empfindiichkeit der Eier ~uBeren Einflfissen gegenfiber am gr6Bten, und haben HEI~ ~ und SCHE~I~ZKIund GAUSTER 5, indem sie mit dem Ei der Forelle arbeiteten, detaiUierte Beob- achtungen in dieser Richtung ausgefiihrt. Die letztgenannten Autoren sehreiben: ,,Die Tatsaehe, dab die Empfindlichkeitskurve des Eies gegenfiber allen Seh~di- gungen denselben Verlauf nimmt, zeigt uns, dal3 es sich hier um eine gesetzm~Bige Reaktion handelt, welche mit den chemisehen Umsetzungen w~hrend der Embryo- genese innig verknfipft ist". In der letzten Zeit erhielten auch H~.~sHAw und H~.Ns~Aw8 interessante Daten fiber die Ver~nderung der Widerstandsf~higkeit der Eier yon Drosophila in den Frfihstadien der Entwieklung verschiedenen Ausstrahlungen gegeniiber, die gleichfalls auf die strenge Gesetzm~Bigkeit dieses Prozesses hinweisen. Die Eier der Seidenraupe bilden ein sehr bequemes Material fiir derartige Untersuchungen. In der vorliegenden Arbeit wird gezeigt, dab die ,,Frfihlingsentwieklung" dieser Eier aus zwei Zyklen besteht, die morphologisch und physiologisch festgestellt werde~ kSnnen, und mit den Ver~nderungen der Empfindliehkeit der Eier innig verknfipft sind. I. Die Friihlingsentwicklung der Eier der Seidenraupe (Bombyx mori L., Ascoli-Rasse) beginnt mit dem Wachsen des embryonalen Pl~ttchens und endigt mit dem Ausschliipfen der jungen Raupen. Vor allem muB man seine Aufmerksamkeit auf die Entwicklungsgesehwindigkeit der Eier richten, die durch das Sinken des Gewiehtes charakterisiert werden kann. Zu diesem Zweck warden t~gliehe W~gungen auf einer analytisehen Waage einer Gruppe yon Eiern (1--2 g), die sich im Thermostat bei 250 C entwickelten, ausgeffihrt. Auf Tabelle 1 sind die Daten fiber die Gewichtsabnahme der Eier. der Seidenraupe nach den Ergebnissen yon zwei Experimenten angegeben. Graphisch sind sie auf Abb. 1 dargestellt.

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(Aus dem Zo01ogischen Institut der Universit~t Moskau.)

~ B E R D I E V E R ~ D E R U N G D E R TEMPERATUR- E M P F I N D L I C H K E I T DES S E I D E N R A U P E N E I E S

W X H R E N D D E R ENTWICKLUNG.

Von G. F. GAUSE und W. W. ALPATOV.

Mit 2 Wextabbildungen.

(Eingeganflen am 1. Februar 1934.)

Eine ganze Reihe von Autoren weist auf die Tatsache hin, daB eine Untersuchung der Ver~nderungen der relativen Widerstandsf~higkeit des in der Entwicklung befindlichen Eies verschiedenen ~uBeren Einflfissen gegeniiber als eine der Methoden zum Studium der im Ei stattfindenden Ver~nderungen dienen kann.

Eine ]~bersieht der diesbeziigliehen Literatur ist bei NEEDHAI~I 4 ZU linden. In gewissen ~Iomenten der Entwicklung ist die Empfindiichkeit der Eier ~uBeren Einflfissen gegenfiber am gr6Bten, und haben HEI~ ~ und SCHE~I~ZKI und GAUSTER 5, indem sie mit dem Ei der Forelle arbeiteten, detaiUierte Beob- achtungen in dieser Richtung ausgefiihrt. Die letztgenannten Autoren sehreiben: ,,Die Tatsaehe, dab die Empfindlichkeitskurve des Eies gegenfiber allen Seh~di- gungen denselben Verlauf nimmt, zeigt uns, dal3 es sich hier um eine gesetzm~Bige Reaktion handelt, welche mit den chemisehen Umsetzungen w~hrend der Embryo- genese innig verknfipft ist". In der letzten Zeit erhielten auch H~.~sHAw und H~.Ns~Aw 8 interessante Daten fiber die Ver~nderung der Widerstandsf~higkeit der Eier yon Drosophila in den Frfihstadien der Entwieklung verschiedenen Ausstrahlungen gegeniiber, die gleichfalls auf die strenge Gesetzm~Bigkeit dieses Prozesses hinweisen.

Die Eier der Seidenraupe bilden ein sehr bequemes Material fiir derartige Untersuchungen. In der vorliegenden Arbeit wird gezeigt, dab die ,,Frfihlingsentwieklung" dieser Eier aus zwei Zyklen besteht, die morphologisch und physiologisch festgestellt werde~ kSnnen, und mit den Ver~nderungen der Empfindliehkeit der Eier innig verknfipft sind.

I . Die Friihlingsentwicklung der Eier der Seidenraupe (Bombyx mori L.,

Ascoli-Rasse) beginnt mit dem Wachsen des embryonalen Pl~ttchens und endigt mit dem Ausschliipfen der jungen Raupen. Vor allem muB man seine Aufmerksamkeit auf die Entwicklungsgesehwindigkeit der Eier richten, die durch das Sinken des Gewiehtes charakterisiert werden kann.

Zu diesem Zweck warden t~gliehe W~gungen auf einer analytisehen Waage einer Gruppe yon Eiern (1--2 g), die sich im Thermostat bei 250 C entwickelten, ausgeffihrt. Auf Tabelle 1 sind die Daten fiber die Gewichtsabnahme der Eier. der Seidenraupe nach den Ergebnissen yon zwei Experimenten angegeben. Graphisch sind sie auf Abb. 1 dargestellt.

Ver~nderung der Temperaturempfindlichkeit des Seidenraupeneies. 189

Tabelle 1. Die Gewichtsabnahme der Eier der Seidenraupe w~hrend

Gowicht der ]Eier i n g

Tage 1. Ex- [ 2. Ex- periment i periment

1,5702 2,0489 1,5701 2,0423 1,5664 2,0384 1,5630 2,0369

der Entwicklung.

Tage Gewicht der Eier in g

I. Ex- 2, Ex- periment periment

1,5524 ] 2,0214 1,5494 2,0174 1,542.2 2,0044

Tage

11

~ewicht der Eier in g

1. Ex- 2. Ex- periment periment

1,9781 1,5219 I 1,9452 1,5104

E s ist leicht zu sehen, dab der ProzeB der Gewichtsabnahme aus zweiZyklen besteht, yon denen ein jeder dutch eine anf~nglich langsame Ver~nderung, die sparer in eine schneUe iiber- geht, charakterisiert wird.

Der ~bergang yore ersten .~ Zyklus zum zweiten f~llt mit einigen ~ul~erSt wichtigen mor- phologischen Ver~nderungen im Inneren desEies zusammen. Diese Ver~nderungen bestehen in der Formierung des Organismus aus ~ der Zellenmasse des Embryos 6. Um die Mitre der Frfihlingsent- .~$1~ wicklung der Eier (bei 25~ etwa am 6. Tage) formiert sich das ~ Nervensystem, die vorderen Seg- o mente des Embryos bilden den ao Kopf, es entstehen die Atmungs- 5ffnungen usw. Somit entspricht .~1~ der erste Zyklus der Gewichts- abnahme dem Wachstum der verhMtnism~ig wenig differen- ziertenZellenmasse desEmbryos, w~hrend wires im zweiten Zyklus bereits mit dem Wachstum und der Differenzierung des Organis- mus zu tun haben.

I I I i I I I I

I l I I I I I t

6m~/~lungs/age Abb. 1. (1) Gewichtsabnahme der Eier d e r S e i d e h ~ raupe. (2) Expositionsdauer, b e i d e r 50 % d e r Eicr zugrunde gln__gen. (3) Ex-Positionsd~uer, d i e zu einer Verlll~gerung t i e r m i t t l e r e n Entwick-

lungsdauer bis auf 19 Tage fllh~t. N ~ h e r e s im Text.

II. Zwecks Untersuchung der Ver~nderungen der Temperaturempfindlich-

keit w~hrend der Entwieklung der Eier wurden diese fiir eine bestimmte Zahl Minuten in einen Thermostaten bei 500 C gebracht. Der Thermostat bestand aus einem mit Wasserd~mpfen ges~ttigten und yon oben mit einem Wachspl~ttchen geschlossenen Gef~13, das auf einem Wasserbade befestigt war. Auf das metallische Netz dieses Gef~es wurden 100 Eier

190 G.F. Gause und W. W. Alpatov: ~ber die Ver~nderung der

Tabelle 2. EinfluI3 der Tempera tur yon 500 C auf den Prozentsa tz der Selden-

Alter der Eier

in Tagen

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10

Kontrolle

M ] % M I

I , i

16,55 17,45 16,70 16,50 16,41 16,52

16,42 93,0 ]

f %

91,0 67,0 87,9 86,5 90,6 94,0

M J%

16,65' 93,7 16,40 93,0 16,24 95,9

17,91 56,0 18,28 48,9 16,59 90,5 16,75 89,0

I

M

18,03 17,82 18,11 17,81 17,10 18,19

r

37,6 61,9 49,0 72,1 90,9 73,0

Expositions. r 6

16,67 91,5 16,82 93,0 17,45 56,4 17,65 39,8 18,87 7,8 18,62 29,6 18,70 30,9 18,41 51,0 18,61 57,6 18,18 70,5

gebracht, die zusammen erw~rmt wurden. Tabelle 2 enth~lt das Material fiber den EinfluB der Temperatur yon 500 C auf den Prozentsatz des Ausschlfipfens und die mittlere Entwicklungsdauer, wobei jede Zahl auf Beobachtungen an 100 Eiern beruht. Die Gesamtzahl der Eier im Experiment betrug 6000.

Auf Grund dieser Daten wurden Kurven konstruiert, die den Zu- sammenhang zwischen dem Prozentsatz des Ausschlfipfens und der Expositionszeit, als aueh zwisehen der Entwieklungsdauer und der Expositionszeit (500 C) ffir die verschiedenen Entwicklungsstadien der Eier charakterisieren. Um die Empfindiichkeit der Eier genau zu ermitteln, verfuhren wir auf folgende Weise: Auf der Kurve des Zu- sammenhanges zwisehen dem Prozentsatz des Ausschlfipfens und der Expositionsdauer (Abb. 2) bereehneten wit genau die Dauer der Ex- position, bei der 50 % der Eier zugrunde gingen. Die so erhaltene GrSBe kann die Empfindlichkeit charakterisieren. Wie die auf Abb. 1 an- gefiihr~e Kurve zeigt, steigt die Temperaturempfindlichkeit der Eier gesetzm&Big zuerst, erreicht das Maximum etwa am 6. Tage und beginnt alsdann abzunehmen. So muB zur Erreichung des Unterganges yon 50% der Eier die Exposition am 2. Entwicklungstage 20 Min. betragen, am 6. Tage etwa 9 Min.

Die erhaltenen Resultate besitzen eine gewisse Analogie mit den Daten yon HASTn~GS, BECXTO~ und W~,DD I. So sehreibt I~DHAM (4, S. 1435): ,,The not very numerous figures of HASTINGS, BECKTON a n d W~DD.. . show tha t the later silkworm eggs were irradiated (by X-rays) the fewer hatched, up to a certain point, after which the resi- stance rose, and again, with the same treatment, a considerable pro- portion hatched." Mit anderen Worten, die Widerstandsf~higkei~ der Eier der Seidenraupe den X-Strahlen gegeniiber ist gleiehfalls in der Mitre der Entwicklung minimal.

Temperaturempfindlichkeit des Seidenraupeneies w~hrend der Entwicldung. 191

des Ausschliipfens (%) und die mi t t l e re En twick lungsdauer (M) raupeneier . d a u e r (Minuten)

8 10 12 18 24 30

M

17,01 17,13 17,97 18,00 18,00 19,60 17,90 20,17 18,62

% M %

17,16 84,2 42,2

7,0 4,9

16,6 11,7 22,0 2,0

M %

18,01 76,3 17,61 79,8

M

19,52 18,12

% M %

47,0 20,50 32,6 73,0 20,32 39,2 25,2 22,17 12,4

87,5 61,7 32,3 2,1 1,0 4,9

66,1 5,9

.57, 5

17,76 18,57 19,80 18,47 19,27 19,17 19,50

I8 ,10 20,00 21,00

40,5 19,37 4,1 1,0

M %

20,81 16,2 2 2 , 0 7 14,4

Die Temperaturempfindliehkeit der in d~r Entwicklung befindlichen Eier kSnnen wir nicht nur nach dem Prozentsatz der zugrunde gegangenen Eier charakterisieren, sondern auch durch die Verl~ngerung der Ent- wicklungsdauer, die bei den der Einwirkung holler Temperatur aus- gesetzten Eiem statt- finder. Auf Grund des Materials der Tabelle 2 wurden yon uns Kurven konstruiert, die den Zu- sammenhang der Ent - wicklungsdauer der Eier mit der GrSBe der Ex- position ffir verschie. dene Entwicklungsmo- mente charakterisieren. Die Entwicklungsdauer der Kontrolleier betr~gt 16,42 Tage, und um die Empfindlichkeit der Eier nach dem Hem- mungseffekt genau zu ~uBern, berechneten wir, ebenso wie frfiher,

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~0 ~pod#onsdauer in N/nu'~n

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5O -8 7

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Ex, aaa/Naaaga~r in N/na~ Abb . 2. P r o z e n t s a t z des Ausschl i ipfen~ ~ls eine F u n k t i o n dor E x p o s i t i o n s d a u e r . 5, 6 , 4 , 3, 1, 2, 7 , 9 , 8 , 1 0 - - A l t e ~

de r E ie r in Tagen . N~heres i m Tex t .

die Dauer der Exposition, die zu einer Verlgngerung der mittleren Entwick lungsdauer bis auf 19 Tage fiihrt. Die erhaltenen Ergebnisse

192 O.F. Gause und W. W. Alpatov.

sind auf Abb. 1 angegeben. Man kann leicht sehen, dab auch nach diesem Merkmal die Eier am wenigsten widerstandsf~hig etwa am 6. Tage der Entwicklung sind. Um die Entwicklungsdauer his auf 19 Tage zu vergr6Bern, ist am 2, Entwieklungstage eine Exposition yon etwa 20 Min. eriorderlieh, am 6. Tage geniigen hierfiir 6,5 Min., und am 10. Tage abermals 10,5 Min. Somit erh~lten wir bei der Charakterisierung der Empfindlichkeit der Eier sowohl nach dem Prozentsatz des Aus- sehliipfens als aueli nach der Hemmung der Entwicklung ein und dieselbe Gesetzm~Bigkeit der Ver~nderung der Widerstandsf~higkeit der Eier.

III. Indem wir uns abermals zu der Abb. 1 wenden, k6nnen wir leicht

sehen, dab die Ver~derung der Empfindliehkeit der Eier ~uBerst eng mit der Bizyklit~t der Entwicklung verkniipft ist, die wir bei der Unter- suehung des Gewiehtsverlustes feststellten. Gerade am 6. Tage finder die Formierung des Organismus aus der Zellenmasse des Embryos start. In d i e s e m M o m e n t ist die Temperaturempfindlichkeit der Eier am grSBten. Im Laufe der ersten Zyklus der Entwicklung ver~ndert sich das System in der Riehtung, daB die Widerstandsf~higkeit der hohen Temperatur gegeniiber die ganze Zeit abnimmt. Behn ~bergang zum zweiten Zyklus tritt ein Umsehwung ein und wir haben ein gesetzm~Biges Steigen der Widerstandsf~higkeit.

Literaturverze ichnis . i Hastings, S., H. Beekton and B. Wedd: Arch. Middlesex Hosp. 27, 128 (1912).

2 Hein, W.: AUg. Fischerei-Ztg. 36, 505 (1911). - - 8 Henshaw, P. and C. Henshaw: Biol. Bull. mar. biol. Labor. Wood's Hole 64, 348 (1933). - - ~ Needham, J.: Chemical Embryology. Cambridge University Press. 1931. - - 5 Seheminzki, F. u. F . Gauster: Arch. Entw.mechan. 101, 1 (1924). - - 6 Tiehomirov, A. A.: Bull. Soc. Amateurs Sci. Nat. ( ~ s . ) 32, 1 (1882).