ueber die sichtbaren erscheinungen der blutbewegung in der menschlichen netzhaut

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[leber die sichtbaren Ersc~einungen der Blutbe. wegung in der men~chlichen Netzhaut. Yon Otto Becket. Die vorliegende Arbeit wurde durch einc Reihe yon Untersuchungen verantasst, weIehe ich im verflossenen Friihjahr und Sommer im Verein mit Dr. Sichting an tterzkranken der Klinik des Herrn Hofrath Friedreich angestellt habe. Wir hatten es uns zur Aufgabe gemacht, im Auge nach sichtbaren Zeichen der Circulations- stSrungen, welche bei tterzkranken nothwendigerweise vorkommen, zu suchen. Wir fanden dabei, dass sich bei Insufficienz der Aortenklappen in der Netzhaut uncl im Sehnerven ein spontan auftretender Arterienpuls er- kennen lasst. Anfangs hieIten wit diese Beobaehtung ftlr neu, bis reich Prof. Leber darauf aufmerksam machte, dass H. Quincke schon fr~lher an zwei Ortea gleiche Betrachtungen verSflentIicht habe. Da ich wiederholt auf dieselben zur~ickkommen muss, so theile ich sie hier wSrtlieh mit. In ,Beobachtungen fiber Capittar- und Venenpuls yon Dr. H. Quineke (Berliner klinisehe Wochenschrift 1868, ~o. 34.)" heisst es:

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Page 1: Ueber die sichtbaren Erscheinungen der Blutbewegung in der menschlichen Netzhaut

[leber die sichtbaren Ersc~einungen der Blutbe. wegung in der men~chlichen Netzhaut.

Yon

Otto Becket .

Die vorliegende Arbeit wurde durch einc Reihe yon Untersuchungen verantasst, weIehe ich im verflossenen Friihjahr und Sommer im Verein mit Dr. S ich t ing an tterzkranken der Klinik des Herrn Hofrath F r i e d r e i c h angestellt habe. Wir hatten es uns zur Aufgabe gemacht, im Auge nach sichtbaren Zeichen der Circulations- stSrungen, welche bei tterzkranken nothwendigerweise vorkommen, zu suchen. Wir fanden dabei, dass sich bei Insufficienz der Aortenklappen in der Netzhaut uncl im Sehnerven ein spontan auftretender Arterienpuls er- kennen lasst. Anfangs hieIten wit diese Beobaehtung ftlr neu, bis reich Prof. Leber darauf aufmerksam machte, dass H. Quincke schon fr~lher an zwei Ortea gleiche Betrachtungen verSflentIicht habe. Da ich wiederholt auf dieselben zur~ickkommen muss, so theile ich sie hier wSrtlieh mit.

In ,Beobachtungen fiber Capittar- und Venenpuls yon Dr. H. Quineke (Berliner klinisehe Wochenschrift 1868 , ~o. 34.)" heisst es:

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,~%uerdings hatte ich Gelegenheit Capillarpuls am lebenden Menschen auch noch an anderer Stelle als den Fingern~geln, n~mlich an der Retina zu beobachten, und zwar bei dem letzten der erw~hnten F~lle `con Aorten- klappeninsufficienz, der sich noch augenblicklich unter meinen Augen befindet. ~eben einem ausserordentlich starken und welt fiber die Grenzen der Papille hinaus sichtbaren Arterienpuls der Retina sieht man hier art beiden Augen im aufrechten, ophthalmoseopischen Bild~ ein gleichmassiges systolisches ErrSthen und diastolisches Erblassen der Opticuspapille, das wohl nur auf eine ab- wechselnde stih-kere und schw~chere Ftillung den hier befindlichen Cai)illarnetzes zu beziehen ist; am deut- lichsten ist der Farbenwechsel in der Mitte an tier Grenze der physiologischen Excavation, wo wie beim Fingernagel die Grenze zwischen roth und weniger roth rait dem Pulse hin- und herschwankt. Ueber die Grenzen der Papille hinaus ist der Capillarpuls, wean auch ,cer- muthlich ~orhanden, doch nicht sichtbar, da hier die Aenderung der Farbennilance, wegen des dunkleren Chorioidealhintergrundes nicht no scharf hervortritt. Uebrigens ist an keinem der beiden Augen eine sonstige Abnormit~t nachweisbar, auf welche die Pulsations- Erscheinung zuriickzuftihren w~re.

Der schon normal so oft ,~orhandene diastolisehe Puls der V. centratis retinae ist in diesem Falle eben- falls in ausgezeichneter Intensit~t vorhanden; da indesssen die Entstehung dieser Pulsation noch nicht ganz aufge- klart ist, ja wahrseheinlich derselbe nicht .con Fort- pflanzung durch die Capillaren herzuleiten ist, soil er bier nicht welter besprochen werden."

Und ferner in ,,Beitr~,gen zur Entstehung tier Herz- tfne und Herzger/~usehe. (Ebendaselbst 1870, ]~o. 21.)" in einer Anmerkung:

,,In obigem Falle war aueh die ausgebreitete Pulsation

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der Retinalarterien und das systolische ErrSthen der Pap. option, wie ich sie bei Aorteninsufficienz beschrieben und wie ich seither noch in einer Reihe yon Fallen be- obachtet habe, sehr deutlicb. Die Erscheinung finder sich iiberhaupt nur in ausgesprochenen Fallen des ge- nannten Klappenfehlers, und ist auch bei ein- und dem- selben Individuum - - wohl abhangig yon dem Zustan4 der Herzaction und des Gef~ss tonus- ~ieht zu jeder Zeit ~'orhanden."

tterrn Dr. Q u i n c k e geb~ihrt also unzweifelhaft das ¥erdienst, den bei Aorteninsufffcienz in tier 5Ietzhaut • ¢orkommenden spontanen Arterienpuls zuerst gesehen un4 auf ihn aufmerksam gemacht zu haben. ¥on Seite tier Ophthalmologen scheinen abet seine Mittheilungen so gut wie ganz fibersehen zu sein. Wenigstens finder man weder in den neuesten ttandbiichern, noch in den beziig- lichen Jahresberichten irgend eine ~Notiz dariiber. Auf dem Ophthalmologencongress in Heidelberg 1871 babe ich dann den Gegenstand zur Sprache gebracht. (Siehe den Bericht fiber denselben in Z e h e n d e r ' s k]inischen Monatsheften 1871, pag. 379.) Auch bei dieser Gelegen- heir habe ich nun yon Profi S c h m i d t in Marburg er- fahren, dass ihm die Erscheinung yon Quincke gezeigt worden sei, und yon Prof. D o n d e r s , class er der Sache volle Aufmerksamkeit geschenkt babe.

Schon dadurch allein rechfertigt es sich, noch einmaI ausftihrlicher auf den Gegenstand zurtickzukommen und ihn speciell fiir die Augenheilkunde zu verwerthen. Es hat sich aber, wie sich sparer zeigen wird, die erneuerte genaue Untersuchung der l~etzhaut und Aderhaut auf sichtbare Zeichen tier Blutcirkulation auch in anderer Weise fruchtbar erwiesen, indem dabei einige neue That- sachen art's Licht getreten sind.

Durch die grosse Zu~orkommenheit meiner Collegen und Freunde, Hofr. F r i e d r e i c h , Prof. K n a u f f in

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Heidelberg und Primarius S t a n d h a r d t n e r in Wien, ist es mir mSglich gewesen, in wenigen Monaten eine ver- hiiltnissm~issig grosse Anzahl "con Herzkranken zu unter- suchen, so dass ich wenigstens nach einer Richtung bin die Sache einigermaassen zum Abschluss babe bringen kOnnen. Ich werde nun in der Weise vorgehen, dass ich zuni~ehst die Krankengesehichten mittheile. Nur einige dieser Falle werde ieh aber in ihrer ganzen Ausfahrlichkeit ,¢orftihren, and zwar nicht attein deshalb, well es er- mtidend sein wtirde, sich darch eine grosse Anzahl de-- eaillirter Krankengeschichten hindurch zu arbeitem sondern auch aus dem Grunde, weil ;ch, nachdem iel~ dutch meine Untersuehungen einmal zu einem Resultat gekommen war, in den weiteren mir zugeschickten Falle~ wohl eine sehr erw~inschte ]3estatigung der gefundenea Thatsachen erblicken musste, da ich aber Neues nicht mehr entdeckte, reich nicht veranlasst gesehen habe, auch sie mit der anfangs nothwendigen scrupulSsen Genauig- keit zu untersucben. Die ausftlbrlichen Krankengeschichten sind yon Dr. S i c h t i n g verfasst und betreffen s~mmtlich ]~'/~lle aus der F r i e d r e i c h ' s c h e n Klinik oder solche, die wir aus den ~lteren Protokollen der Klinik in der Um- gebung yon Heidelberg aufzufinden im Stande warem Die Reihenfolge bezieht sich nieht auf die Zeit, in der wir die F~lte untersuchten, sondern anf den Grad der Erkrankung.

I.

W e n d e l i n Mack , 35 J., aus Schriesheim. Diagnose: Insufficientia valvularum semilunarium aortae~

Mitgetheilt yon Dr. S ich t ing .

Die Eltern des Patienten seheinen seiner Angabe naeh beide an Lungenphthise zu Grunde gegangen zu sein; seine noeh tebenden Gesehwister waren stem

v. Graefe 's Archly f~ir Ophthalmologie, X¥III~ 1. 14:

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gesund. Seit 10 Jahren leidet Patien~ an Herzklopten welches bd der geringsten k~rpertichen Anstrengung sehr hefdg wird. Seit mehreren Jahrea vortibergehende Bronehitiden, einhergehend mit m~tssigem Husten, sp~r- lichem Auswurf. Die Sputa sollen einmal blntig tingirt gewesen sein. Seit einigea Woehen klagt Patient fiber steehenden Sehmerz im Epigastrium. Derselbe irradiirt nach dem Kreuz und der vordern Brustpartie. Der Schmerz remittlrt~ doch sind die Schmerzintervalle nicht sehr la,g. Bisweilen Auistossen gesehmack- und ge- ruchloser Gase aus dem Magen. Appetit wechsdt, doeh meistens ertraglieh.

Kranker yon langer Statur; Museulatur m/issig ent- wiekelt~ das Skelet im Oanzen und Orossen etwas zart angelegt, fast fiberall ziemlieh starke Entwicketung der subkutanen Venen, die namentlich an den oberen Ex- tremitfiten als dieke Strange zu sehen sind. Der Sehadel mehr lang als breit~ beide Arteriae temporales zeigen eine lebhafte Pulsation; dasselbe gilt yon den Carotiden. Eine systolisehe Ersehatterung des Kopfes dentlich wahrnehmbar. In der Fossa jugularis Pulsation des Aortenbogens ffihlbar. Im Gesieht keiue Spur yon Cyanose zu sp~ren; am beiden Ellbogen, Vorderarmen ~md Knien psoriatische Eruptionen, iu Form ger6theter welt tiber die Flaut prominirender Stellen mit aufge- lagerten silberweissen Sehuppen. Der Thorax gut ge- w01bt~ seine linke Halfte in der Herzgegend starker als die rechte. Der 8pitzenstoss zwisehea der 6. und 7. Rippe verbreitert sichtbar. Fast im ganzen Bezirk der angedeuteten linksseitigen W~lbung eia d+utliehes diastolisehes Fremisement zu konstatiren. A~ alien seibst den kleiueren peripheren KSrperarterien deutlich~ Pulsation. Der Puls, kaum frequenter als normal, ist schnellend und vibrirend. Die Aspeetion des Abdomen, so wie der unteren K/Jrperh~tlfte bietet niehts abnormes. Von ttydropsieen nirgends eine Spur.

Die Perkussion der vorderen Lungenabschnitte zeigt ~aormales Verhalten, linkerseits beginnt am oberen Rande der dritten Rippe D~mpfung. Athmungsger~usch vesicular. Von der Perkussion und Ausknltation der hinteren Lungenabsclmitte gilt genau dasselbe. Der

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Schalt in der reehten Lungenspitze etwas kiirzer als links~ was wohl jedenfalls auf die dort etwas mSssiger ent- wickelte Muskulatur zu beziehen sein diirfte. Nirgends Rasstlger~usehe zu h(iren. Dtr Li~ngsdurthmesser des Htrzens reitht yore oberen Rande tier dritten Rippe bis zum obertn Rande der siebenten; der Querdurch- messer beginnt am reehten Sternalrand und tibersehrei- tet die Linea mamillaris sinistra ca. um einen Quer finger. Danath bemisst sich der Li~ngsdurehmesser des Herztns auf 7" 6 '"; der Querdurchmesser auf 5" 11'%

An der Mitralis hSrt man beide T~ine, abet beide yon Ger~.usehen begleittt, tin sthwathes and kurzes systolisehes, tin l~ngeres diastolisthes Geri~.usth. Das- selbe an der Tricuspidatklappe, woselbst beide Gerausche viel deutlieher zu hSren sind. N~her~ man sieh yon bier aus mit dem Stethoskope den Aortenklappen~ so treten beiden Geri~usche viel deuttieher hervor und werden am deuttithsten als ein kurzes systolisehes, tin schr langgezogenes lautes diastolisehes Gerauseh in der HShe der Insertion der zweiten Rippe rtchterseits ge- hSrt. Man htirt dieselben Ph~tnomene mit abnehmender Intensitat am ganzen Verlauf~ des Sternums. Starkes Vibriren der Halsarterien. Man hSrt an der Carotis so- wie an der Subclavia nur ein kurzes systolisehes Gt- ransch. Von einem Ger!iusehe in der Diastole niehts wahrzunehmen. An allen periphtrtn Arterien in tier Vola manus so wie auf dem Fussrtieken deutlieher Ton zu hSren. Setzt man das Stethoskop leise anf die Cruralarterie, so vernimmt man einen deutlichen Ton, tier sith bei dem leisesten Drucke sofort in ein Doppel- gerauseh umwandelt~ welches noeh deutlieher wird, wenn man, mit dem Drucke des Stethoskopes naeh- lassend, diesen (lurch eine leichte Digitaltompressioa trsetzt.

O p h t h a l m o l o g i s c h e U n t e r s u c h u n g .

6. 5. 71. - - L i n k e s A u g e : Schwach myopischer

Bau des Auges, alte Hornhautflecke, die die Uate r - suchung erschweren. Sehnerv nicht kreisrund, Chori-

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oidea nach a,ussen etwas atropisch. Eigenthiimliche Gefassanordnung auf der Papille. Pulsationserschei- nungen, wohl wegen der Hornhautflecke, nicht wahr- zunehmen.

R e c h t e s Auge: Sehnerv yon normaler Form. Bei der Untersuchung im aufrechten Bihle fallt auf, dass auf der Papille ~iele sonst nicht siehtbare Gefasse unter- schieden werden kSnnen. Im umgekehrten Bilde erkennt man spontanen Venenpuls, im aufrechten Bilde spontanea Arterien und Yenenp(fls. Die Pulsationserscheiuungen tier Arterien l~ssen sich auch an den kleineren Aesten auf der Papille erkennen und erstrecken sich ein ganzes Stttck welt fiber die Grenze der Papille his in die Netz- haut, mindestens 4--5 Papillendurehmesser weit. Einen eigentht~mlichea Eiadruck macht alas regelm~ssige Ab- wechseln im An- und Abschwellen nebeneinander liegender Arterien- und ¥enenstt~cke.

7. 5. 71. R e e h t e s Auge: Bau emmeteropisch° Ich kann die Papillengef~sse am Rande ohne Corrections- glas ganz scharf sehen. Um die Gefasse am Grunde der centralen Excavation genat~ zu erkennen, gebrauche ich - - ~/~o. Auf der Papille sieht man sowohl an den Yenen, wie an den Arterien spontane Pulserscheinungen.

1) Die St/~rke der Erscheinungen ist zu verschiedenen Zeiten verschieden. Der ¥enenpuls ist an tier yon obea kommenden Venengabel mitunter so stark, dass beide st~rkeren Aeste scheinbar ganz blutleer werden. Die grosse ¥ene, die yon unten auf die Papille tritt, pulsirt bestandig, doch habe ich an ihr kein vollst~ndiges Er- blassen wahgenommen. - - In dem grossen Arterienstamm, der seine Aeste nach innen und abwarts schickt, tritt ebenfalls mituater scheinbar ~'Sllige Leere auf.

2) kusser dem vollst/~ndigen Erblassen, welches nur zeitweise auftritt, l~sst sich an sgmmtiichen auf der Papille befindlichen kesten der Vene und Arterie ein

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continuirliches Schwanken im Querdurchmesser wahr- nehmen. Diese Schwankungen sind rhythmisch und halten den Rhythmus der Herzcontractionen ein. Beim Yer- gleichen mit dem Radialpulse der linken Seite hat sich dureh wiederholte Zahlungen constatiren lassen, class das Breiterwerden der Arterien und das Schm~lerwerden der Venen mit dem Radialpulse isochron ist. Zur Controte wurde auch das rhythmische Anschwellen der grossen Yene Yore Beobachter Iaut gezahlt und fiel dieses zwischen dis Excursionen der Radialarterie, die ein Anderer mit dem Finger ffihlte.

3) An den Arterien sind in jedem Augenblicke noch 4--5 Papillendurchmesser Yon der Papille entfernt in der lqetzhaut selbst an Gef~ssen dritter 0rdnung die rhythmischen Anschwellungen und kleine Locomotionen zu erkennen. Auch diese sind mit dem RadialpuIse isochron. Diese Erscheimmg bedarf einer etwas ansffihr° lichelen Beschreibung.

Untersucht man im aufreehten Bilde, so vergndert der Reflex an der convexen Arterienwand seine :Lage bei den geringsten Bewegungen, die entweder das Auge oder der Untersucher macht. Es scheint daher um somehr geboten, in unserem Falle diese Ursache far die sicht- baron Ver~nderungen dieses Reflexes auszuschliessen, als bei Aorteninsufficienz der ganze Kopf mit dem Herzchoc isochrone leichte Erschtitterungen erfahrt. Dass dis Orts- ~eranderungen, die der Reflex auf den Arterienwandungen macht, allein nicht ~,on zuf~tlligen Bewegungen des Kopfes oder des Spiegels abhangen, folgt nan zun~chst daraus, dass sis rhythmiseh sind, und den Rhythmus der Herz- bewegungen einhalten. Sodann lasst sich aber auch nachweisen, dass sie nicht einfach yon den rhythmischen Erscht~tterungen des Kopfes, die das Auge nothwendiger- weise mitmachen mt~ss, bedingt sind. Es ist dazu noth- wendig sowohl die Breite des Reflexes, als die L~nge-

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richtung desselben an irgend einer bestimmten Stelle genau in's Auge zu fassen.

Richter man seine Aufmerksamkeit auf die Breite der zu beiden Seiten des hellen Reflexes liegemen rothen Streifen, so lasst sich teicht constatiren, dass dieselben relativ zu dem Reflexe breiter werden. Fixirt man den Reflex selbst, so l~sst sieh aber auch an diesem ein Breiterwerden ausser Zweifel stelleu. Es wird der Quer- durch.,uesser des ganzen Gef~sses grii~ser. Am bestep_ und leichtesten fiberzeugt man sich hiervon, wenn man irgend ein Arteriensttick unmittelbar vor einer Gabelung beobachtet. Abgesehen yon dem Breiterwerden des ganzen Arterienrohres li~sst sich aueh eine Verl~agerung der hrterie bei ihrer Diastole wahrnehmen. Richtet man seine Aufmerksamkeit auf eine Stelle der Arterie, wo dieselbe einen Bogen macht, so nimmt die Krtimmung dieses Bogens bei der Arteriendiastole zu und schnappt mit einer schnellenden Bewegung wieder in seine ur- sprfmgliehe Lage z u r t i c k . - Fasst man ein S-fSrmiges gebogenes Sttick in's Auge, so machen die liehten Re- flexe auf den entgegengesezt gekr~immten Stricken in jedem Moment entgegengesetzte Bewegungen. Dieselben kSnnen also nicht yon zufiilligen Beweg,ngen des Kopfes oder des Spiegels abMngen.

4) Im Gegensatz zu den Arterien l~tsst sich an den Yenen nur in der n~chsten Nachbarsehaft der Papille Pulsation wahrnehmen. Immerhin verdient es dem ge- wShnlichen Verhalten gegentiber bemerkt zu werden, class besonders dana, wenn die yon oben kommende Doploelvene bIass wurde, die Blutsiiule in der Vene aueh eine Strecke welt in der Netzhaut schm~tler erschien.

Mit Glasern bestimmte Hm. 1/4s, N. 7'/~", S. ~%o. Ziihlt mit dem linken Auge die Finger auf 15'. - - 5) Ein systolisches Err6then und diastolisches Ero

blassen nicht wahrgenommen.

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6) Pulscurve mit dem M a r e y

gemessen.

' schen Sphygmographea

IL

S y t v a i n E m i l e P u g i n , 24 J., Stud. med. aus

Marteau (Dep. du Doubs), Frankreich.

Diagnose: Insufficentia valvularum semilunarium

aortae. - -

Patient geboren yon jungen und gesunden El~era hat mehrere schwere Krankheiten durchgemaeht. Er erinnert s~eh gehiirt zu haben~ dass er gegen seia drittes Jahr an Varieella erkrankte. Vorher sell er aber schon eine schwere acute Krankheit tiberstanden haben. In seinem achten Jahre wurde Patient yon Scharlach befallen~ doeh in geringerem Grade. Patient~ weleher bis dahiu durehaus niehts Pathologisehes an seinem Herzen bemerkt hat, erinnert sieh deutlieh gegen das Ende tier Krankhcit oder schon in der Re- eonvaleseenz w~hrend ungef~.hr 8 his 10 Tage sehr starke Herzpalpitationen geftihlt zu haben. Was tier Arzt f~r eine Diagnose damals gestellt, erinnert er sieh night. Er vermuthet Endoearditis. Seitdem bemerkte Patient nichts mehr bis zum Ende des 11. Jahres, we er an aeutem Getenkrheumatismus erkrankte. Zu der Zeit wurde Patient in seinem Hause zu Marteau yon dem dortigen Arzte behandelt, dessert Therapie sieh auf Einreiben ether narkotisehen Salbe besehrankte. Das Herz wurde zu der Zeit weder auskultirt, noch perkutirt. Der Kranke hatte aber keine subjeetiven Empfindungen. Bis zu seinem 17. Jahre blieb er mit Ansnahme zweier acnten Bronchitiden verhMtnissmassig gesund. In seinem 17. Jahre 7 am 13. Januar 1863 er- krankte er auf dam Sehiff (Marine-Sehule le Borda auf tier Rhede yon Brest). Selbige Krankheit ring mit Fieber und Cephalalgie au. ]~s folgten bald heftige Sehmerzen in der :Nierengegend, welehe naeh dem Nabel irradiirten. Patient wurde mit der Diagnose ~,Typh1~s" zum Marine-Land-Hospital gesehickt. Doch

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die Untersuehung des Hams, weleher vM Harnsaure, Kohlensaure, phosphorsaure Salze enthielt, ergab, dass die fraheren Sehmerzen niehts anderes waren als so- genannte Coliques nephritiques (Nierenstein-Krankheit). Am 16. bekam er die ersten Gelenkschmerzen, die bald allgemein uM rapide warden. Der Aural1, den der dortige Oberarzt Dr. Prof. Jossie (m6decin en chef de Fh6pital de la marine ~ Brest) als giehtis@er Natur betraehtete, dauerte 13 bis 14 Tage. In dieser Zeit, in tier Klinik des obengenannten Professors merkte Patient, dass er Trager ether Aorten-Insufficienz war, ohne class er we itere subjective Erseheinungen derselben bemerkte. Vom Rt,eumatismns genus er verhaltnissm~-sig sehnel! nnd b!ieb gesund bis zum 15. August desselben Jahres. Dann aber befiei ibn eine acute schwere Dysenterie, die his zum 30. September dauerte. Seit der Zeit ver- liess er die Laufbahn der Narine, welche sieh far ihn als zu schwer erwies. Ausser einiger kiirperlicher Er- mtidung and der schadhaften Einwirkung physiseher und alko~oliseher Excitantien blieb Patien~ bis zu je~ziger Zeit gesund. Letzhin Nhtte er jedoch st~rkere H~rzkontraktion, Blutandrang znm Kopf: and wnrde, welt er in einem Anfal[ yon Zorn gerathen war~ yon einem leiehten Icterus befallen. Digitalis wirkte bier- bet /~usserst gt~nstiff. Jedoeh befindet sich Patient seit der Zeit subjectiv weniger gut und leiehter aufregbar.

St. p r. ~ Patient i.,t yon mittlerer Statur~ gracil gebaut, Unterhautfettgewebe etwas rarifizirt, Pupillen- differenzen kfinstlich, Conjunetiva palpebrarum in latch- tern Grade an~miseh. Be:de Lidrander et~'as gerSthet, alas Zahnfleiseh etwas Mass gef~rbt. Hals yon m~,,siger Lange~ zu beiden Seiten starke Pulsation tier Carotiden. Leichte systolische Erschti~teruug des Kopfes, Thorax im Ganzen gut gebaut, insatz tier ersten Rippe an das Sternum etwas prominent. Der Angulus Ludoviei deutlich entw~ekel. Die beiden Schiidknorpelplatten stossen in einem ziembch spitzcn WinkeI zusammen, wodurch eine ziemliche Prominenz an der bctreffendeu Stelle erzeugt wird. Pulsation des Arcus aortae in der Fossa jugularis zwischen den Insertionspunkten der Sternomas~oideen deutlich zu fiSh!an. Distanz beider

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Papillae mammales 7" 10"'; die linke Thoraxh~ilfte in der Iterzgegend stiirker gew6lbt. Auf der ganzen linken Thoraxhlilfte sieht man an versehiedenen Stetlen Ha- bung der Brcstwand. Die stiirkste am oberen Rande der seehsten Rippe etwas nach aussen yon der ent- sprechenden Brustwarze. In der etwas vorgewSlbten epigastrischen Gegend sieht man einige Narben yon Blutegelstiehen. Leiehte Pulsatio eplgastriea; der Leib nicht aufget~ieben, massig gespannt, yon Ascites oder sonstigen Hydropsien der nnteren Extremitaten niehts naehzuweisen. Der Athmungsmodus ein costodiaphrag- maler, die Frequenz der Athemzage nieht vermehr~, K~irpertemperatur zeigt normale H/ihe, Pulsfrequenz 80. Die vorderen Lungenabschnitte zeigen fiberall normalen Perkussionssehall. Am unteren Ende tier zweiten Rippe beginnt Dampfung; Athmungsgerauseh ein vesiculi~res. Die hintere Thoraxfl~ehe zeigt niehts Abnormes; eine ganz leiehte Deviation der nnteren Brust nnd oberen Lendenwirbel mit der Convexiti~t nach links. Auf der ganzen hintereu Thoraxfl~che normaler Perkussions- schall, Athmungsgeriiuseh iiberall vesiculi~r, abet sehr leise; an einigen Stelten bet gewiihnlichen Athemziigen kaum h~rbar. Die Herzleere begin~t im dritten Inter- eostalraum und geht nach abw~trts bis zum unteren Rande der sechsten Rippe. Der Qnerdurchmesser des Herzens beginnt geaau am linken Sternalrand und ragt am ca. l/2 Zoll tiber die Papilla mammatis nach links. Die L~tnge des Herzens betragt 6 Zoll 2 Linien, der Querdurehmesser 41/2 Zoll.

Man hSrt an der Herzspitze einen reinen ersten Ton; der zweite ist zu h(~rea, aber yon einem langge- zogenen Ger~usche begleitet. An der Trieuspidalis dieseIben auskultatorischen Phitnomene. Das diastolisehe Gerauseh jedoeh deutlicher zu hiiren. An den Aorten- klappeu hOrt man einen etwas dumpfen ersten Ton uncl eta lautes, langgezogeues blasendes Ger~usch, welches am deutlichsten gehiirt wird an dem Ansatze der zwei- ten rechten Rippe an das Sternum. Dasselbe wird schwacher gehSrt, so wie man sieh mit dem Itiirrohre nach irgend einer Richtung entfernt. Dasselbe ist in beiden Axillargegeaden noeh ziemlich deutlieh zu hiiren~

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selbst in der Regio epigastrica, aber mit sehr geo sch~eht~r Intensitat. An tier Pulmonalis h0rt man einen reinen ersten To,~ einen zweiten etwas verstitrk- ten, yon einem fortgeleitet~,n diastolisehen Ger~usehe begleiteL An den Halsgef~ssen h6rt man einen ersten To% anstatt d~s zweiten ein diastolisches Oer~useh, Der P,ts der peripheren Arterien lasst s:,eh siehtbar verfotgen his an die zweiten Fingerplmlangen, An tier Axillararterie h6rt man bei leise aufgesetztem Stethoskop ein mit dem Radialpuls isoehrones Gerat~seh, auf class noeh ein kleine, Nachschlaff folgt. Dasselbe Phanomen an der Brachialarteri% aber schwaeher und kt~rzer. An den Hohl,andarterien noeh ein deutlicher Ton wahr- nehmbar° An tier Cruralart~rie hfirt man, falls das HOrrohr nut gat~z leise aufgesetzt wird, einen mit der Radialarterien isocbronen Ton, dem e n zweiter weniger genau accentuirter und k~irzerer nachfolgt. Beim star- keren Drucke mit dem Stethoskop verwandeln sich diese bei]en Tfne sofort in Ger~,usch% yon denen das zweite immer sehneil~r abt6nt als das erste. An der Poplitea sowohl bei leisem Anfsvtzen des HSrrohrs als bei ~tarker~,m Drut'ke nur ein Ton hSrbar. Dasselbe an der Tibialis po,tica, abet bed~u~end sehw~ieher. Die Pulsation der Pediaea det~flieh zu sehen, abet keiu¢ auskultatorisehen Phanomene wahrzunehmen. Der Puls der Radi~larterien sehr stark hebend und schnellend. Die Leberdamprung beginnt an normaier 8tetle an tier 6. Rippe ~and tib-rragt den Rippe~,bogen kaum einen Querfinger. Milz zeigt Lormale Grenzen, die Perkussion des abriffen Abdomen no,maie Verh~lt~isse. Urin stroh- gelb~ ohne Eiweiss, spezifisches Gewich~ 1021.

Der Status praesens der Augen wurde am 16. Mai 1871, Mittags 12 Uhr, aufgenommen, nachdem seit dem 13. Mai beideAugen alropinisirt ~ordt, n ~aren. ¥ o r dem htropinis iren waren jedoeh dieSehprtifungenvorgenommen und hatten das auffallende Resultat tier ungewShnlich hohen Sehseharfe, S = ~°/1~, bei emmetropischen Ban beider Augen ergeben. Die Aecommodationsbreite war dem Alter entsprechend, Abnorraitaten in der relativen

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Kraft der Muskeln waren nicht vorhanden. Ebenso tiessen sich bei wiederholten Untersuchungen keinerlei Art a b n o r m e r s u b j e c t i v e r G e s i c h t s w a h r n e h ~ m u n g e n eonstatiren. Die atropinisirten Augen, in denen absolute Accommodationsparalyse bes~and, zeigten noch eine Sebsch~rfe yon ~°/15 am rechten uud ~°/1 ~ am linken Auge.

Rech te s Auge: Pupi]le sehr weit, Medien durch- aus rein, die Oberfitiche tier Papille sehe icb ohne Correctionsglas beinahe voltkommen scharf. M i t - ~/~o und entspannter Accommodation sehe ich die Gef~sse ia der Tiefe tier centralen Excavation vollkommen deutlich. Um die Gefasse am Rande ebenso gut zu erkennen, muss ich ein wenig accommodiren. Die Netzhautgef~sse erscbeinen mir mit diesem Glase bis in die Periloherie bin ganz deutlicb.

Schon bei ungenauer Einstellung erregt ein starker Venenpuls die Aufmerksamkeit. Derselbe zeigt sich be- sonders scbSn an dem gemeinscbaftlichen Stamme der Yena centralis. I)ieselbe setzt sich hinter den Arterien gerade in tier Mitte der Papille aus ihren Haupta.sten zusammen und liegt daselbst gerade am Rande einer ziemlich steiten, aber nicht sehr tiefen physiologischea Excavation, welche yore Centrum tier Papilte anfangend ein Dreieck mit breiter Basis gegen die Seite der Ma- cula lutea bin bildet. So kommt es, dass man an der :Nasenseite der Excavation neben den beiden Haupt- asten der Arterie die dunkle und breite Vene einen vorspringenden convexen Bogen bilden sieht. An diesem lassen sich nun in sehr auffallender Weise SchwaDkungen im Durchmesser beobachten. Doch kommt es nie zu einer vollstiindigen Unterbrechung tier Bluts~iule, die Vene wird hie ganz blass.

Die Schwankungen des Blutquantnms in der Central- Yene sind mit dem Radialpulse isochron, und zwar in

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220.

der Weise, dass die Systole der CentraIveae, wena man so sagen daff~ mit der Arterieadiastole zusammenfallt. Wir haben also hier das Igngst bekannte PhS~nomen des Yenenpulses vor uns. E n t g e g e n dem g e w t i h n l i c h e n ¥ e r h a l t e n s i eh t man a b e r in u n s e r e m F a l l e auch S c h w a n k u n g e n des K a l i b e r s an Venen , we lche noch in der Ne~zhaut l i egen und die G r e n z e de r P a p i l l e noch n ich t e r r e i c h t haben.

Bei tterrn Pug in babe ich diese Schwankungen so weit in die l~etzhaut hinein verfolgen kSnnen, wie sich an ihnen der centrale lichte Reflex erkennen liisst, was, ~ie bekannt, bei den Venen nur in geringerem Maasse der Fall ist, ~Is bei den Arterien.

Wean sich die Yeae ausdehnt, verschwindet dieser Reflex entweder ggnzlich, um beim Engerwerden tier Yene sich wieder einzustellen, oder er wird schmgler im ersten Falle und im zweiten wieder breiter. Diese Schwankungen im Durchmesser der Veneniiste sind abet nicht mit dem sogenannten Venenpulse isochron, sondern schleppen eine kleine Zeit nach, so dass die Yerbreitung eines Venenastes mit tier Verengnng ihres Stammes zt~- sammenfa.llt, aber eine ganz kleine Zeit nachschleppt°

Es verdient noch besonders bemerkt zu werden: dass in diesen Augen auch an den ¥enen die eigent- lichen Wandnngen sehr schSn erkannt werden kSnnen. (Cf. M a u t h n e r , Lehrbuch der Ophthalmoscopic, pag 245).

Die Arterien treten in einem gemeinschaftlichea Stamme am unteren inneren Rande einer m~ssig grossen !)artiellen Excavation zu Tage. Dabei macht der Haupt- stature noch innerhalb tier Excavation eine Bieguag, so dass man ein betr~chttiches Stiick desselben sehen kann. Ausser diesem Hauptstamme sieht man aber auf der Papille noch mehrere isolirte kleine Arterien zu Tage treten, so eine, die besonders gut zu verfolgen ist~ am Grunde der centralen Excavation. Die hrterien in der Netzhaut

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sind bis in die feinen Ramificationen leicht und gu~ sichtbar. An allen diesen Arterien nimmt man nun eine deutliche Pulsation wahr.

An dem Hauptstamme tritt dieselbe am deutlichstea hervor, da wo sich dieselbe in die Netzhaut umbiegt and sich gleiehzeitig in ihre Aeste auflSst. Die wahr- nehmbaren Erscheinungen bestehen daselbst vorzugs- weise in einem rhythmischen Anschwellen und kb- schwellen. Das Anschwellen ist isochron mit der Systole des Herzens, oder riehtiger, mit dem f0.hlbaren Radial- pulse, das Abschwellen also mit der Diastole des Herzens. Das Anschwellen geschieht ziemlich raseh un4 halt plStzlich inne; das Anschwellen scheint dem kuge weniger schnell vor sioh zu gehen und dauert liinger. Das Anschwellen geschieht isochron mit der oben be- schriebenen Systole des Venenstammes; w~hrend bei dieser aber auf die Zusammenziehung eine Erweiterung mit schwellender Bewegung folgt, so dass dis Erweiterung in viel kurzerem Zeitr~ume zu Stande kommt, als die Zusammenziehung, so ist das hier geradezu umgekehrt. Die Bewegungserscheinungeu an der Vene geben daher die bekannte Pulscurve tier horteninsufficienz viel treuer wieder, als die an der Arterie sichtbareu Erschei- nungen.

Auf sammtliche krterien, welche auf der Papilla N. 0. sichtbar sind, sieht man diesetben Erscheinungen.

Noch auffallender ist es, dass auch sammtliche ~etzhautarterieu Bewegungserscheinungen zeigen, und zwar sind diesetben beinahe deutlicher als auf der Papiile. Die Erscheinungen sind bier doppelter Ark Nan sieht sowohl ein Anschwellen, ein eigentliches Dick- werden des ganzen Gef~sses, als auch eine Verl~ingerung der Arterien, die sich als eine st~rkere Krtimmung kennzeichnen. Dis Dickenzunahme erkennt man am leichtesten unmittetbar vor der Theilungstelle eines Ge-

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f/~sses. Dasselbe wird dort dicker und dunkler roth. Man nimmt die st~rkere Fiitlung der Arterie mit Blur daran wahr, dass der lichte Reflex auf der prominentestea Stelle des Arterienrohres breiter wird, w~Lhrend die seit- lichen rothen Streifen nicht allein sich verschmiilern, sondern ebenfalIs breiter und dunkler werden.

Die Zunahme tier Arterie an L~nge finder ihren Ausdruck in einer st£rkeren Krfimmung derselben da, wo sic iiberhaupt gekriimmt ist. Fixirt man eine be- stimmte Stelle, am besten wo zwei Krtimmungen in ent- gegengetzter Richtung auf einander folgen, so sieht man an einem soIchen S wahrend des Radialpnlses die Krtimmungen stiirker werden, w~hrend gleichzeitig der ]ichte Reflex breiter and die rothen t3~nder dunkeler werden. Sobald der Radialpuls vorfiber ist, schnellt das Gefitss in seine urspriingliche Lage zurtick und nimmt tier Reflex seine fr0here Breite wieder an. Da sieh dies bei jedem Herzstoss wiederholt, so ist das sich dem Auge darbietende Spiel dieser Arterien yon einer ausser- ordenlichen Zierlichkeit und Lebendigkeit.

Diese Bewegungen doppelter Art an den Arterien lassen s ich bis in die f e i n s t e n R a m i f i c a t i o n e n v e r f o l g e n . Die ganze Netzhaut erh~lt dadnrch ein eigenthOmlich belebtes und tebendiges Ansehen.

An dem Hauptstamm der grossen hrterie sieht man mit grosser Deutlichkeit die Arterienwandung selbst wie eia durchscheinendes Rohr die Blutsfiule umgeht. (Cf.

~ I a u t h n e r ) . Alle diese beschriebenen Erscheinungen finden sich

im linken Auge in ganz analoger Weise, nur die Er- kennbarkeit der Arterienwandung ist dort weniger aus- gesprochen. Vielleicht erklgrt sich dies dadurch, dass sich hier kein gemeinschaftlicher Arterienstamm his in die l~'e:zhaut fortsetzt.

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223

Systolisches Errhthea und diastotisehes Erblassen

der Papille wurde nicht gesehen.

IlL

Dr. H.~ 25 J., Hamburg. Insuff. aortae, Hypertrophia cordis sinistri; 0bli-

teratio pericardii.

Patient gibt an gesund gewesen zu sein bi~ zu seinem 15. Jahre~ ausser einer in frffimr Jugend iiber- standeneaen Masernkrankheit. Zu genannter Zeit er- krankte er an einem mnltiplen G lenks~henmatismus mit hohem Fieber, in design Verlauf sieh eine Endo- carditis hinzu~esellte. Die Krankh, itsdau r betrug ca. 8 Wochen und scheint na('h tier hngabo in ihrer, rsten Hiiifte eine ziembch schwere gewesen zu s ~in. Naeh tiberstandener Kra,,kheit merkte Path, nt ziemlieh starkes Herzklopfcn bei verhaltnisomassig geringftigigen An- strengungen.

Die folgende~ 2 Jahre verliefen ohne erhebl~ehe StGrnngen des Al[gemeinbefindens. Al-dann trat ein Recidiv yon gerin~erer Dauer und Schwer~ ~ tin.

Ausser genanuteu Aft ctionen war Patient bis zu jetziger Zeit ge~-und.

Patient ist yon mittlerer Statur; Knoeh nbau uud Mu~kulatur sehr diirftig. Das Gesicht tri~gt ein snark ehloro-anaemisehes Colorit.

Thorax zi~mlici~ gun geba~t. Respiration thoraxal. Am HaIse sicht- und ftihl-

ba~es Pulsi~en der Carotiden; die Pulsa'ion selbst kleinerer peripherer Arterien deutlieh siehtbar. Die linke Seite des Thorax in tier Herzgegend etwas prominent. Verbreit~t~ rhythmische Hebungea der- selben.

An der Stelle des Herzstosses eine verbreiteto systolische Einziehung.

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Percussion und Auscultation der vorderen Lungeno abscbnitte normal. Dasselbe aude r hinteren Thorax- fiiiche~ woselbst tiberall die die Herzt~ne durchzuhiiren sind. Die gerzdampfuno" beginnt links am oberen Rande der dritten Rippe und reicht his zum unteren Rande der sechsten; die Querd~impfnng des Herzens be- ginnt mitten auf dem Sternum und ttberschreitet di6 Papilla mammalis im ca. 3/4 Zoll. An der ~itralis hiirt man einen nnreinen ersten Ton und einen zweiten Ton~ der bisweilen gespalten ist. Nahert man sich yon der Mitralis aus der Tricuspidalis, so hiir~ man anstatt des ersten systolisehen Tones ein Ger~usch, welches nach der Herzspitze zu undeutlicher wird. Der zweite Ton ist von einem sehwachen, ziemlieh langgezogenem Ge- r~iuseh begleitet. Je nither man nun den Aortenklappen kommt, um so mehr nimmt das eben besproehene systo- lische Geri~usch an Intensititt ab und das diastolische ZU,

Am d~utlichsten vernimmt man diese auseulta- torischen Phi~omene an der Insertion der dritten linken Rippe an das Sternum. Das diastolisehe Aortenge- ri~usch pflanzt sieh in der Riehtung des ganzen Ster- nnms mit abnchmender Intensit~tt fort.

Der erste Aortenton klingt etwas dumpf; dasselbe gilt veto ersten Pulmona!ton; der zweite m~ssig ver- sti~rkt und yon dem for'tgeleiteten diastolischen Gc- rauseh begleitet. An den Halsgefassen nur ein dumpfer diastolischer Ton zu hiiren. An der Braehialis und Radialis ein nicht ganz reiner Ton zu hSren. Die Pul- sation der Digitalarterien bis zu den zweiten Phatan- gen deutlich sichtbar.

Der Puls der Arteria cruralis und der yon dieser abgehenden selbst kleineren Aeste weithin sicht- and fiihlbar. Bei ganz leise aufgesetzten Stethoskope ver- nimmt man yon der cruralis einen starken~ ganz reinen Ton~ dutch starken Druck ist man im Stande diesen Ton in ein starkes Ger~tusch umzuwandeln. L~isst man mit dam Drucke etwas nach~ so vernimmt man bei einem gewissen mittleren Drucke zwci Ger~tusche, yon denen das erste ktirzer aIs das zweite.

:Noch mehr springt dieses Phiiuomen in die Augen~

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wenn man den Druck mit dem Stethoskop dutch eine m~ssige unterhalb angebrachte Digitalcompression er" setzt. Von den abrigen Arterien tier unteren Extremi- t~ten gilt dasselbe, was yon denen der oberen gesagt wurde.

Der Radialpuls kr~ftig, sehnellend, die Pulsation des Aortenbogens im Iugularraum siehtbar und stark vibrirend zu f•hlen.

Yon Hydropsien nirgend eine Spur zu entdecken, ebenso fehlt jede Andeutung yon Atheromasie. Uria frei yon Eiweiss.

Die Untersuchung der Augen yon Dr. H. ergab ir~ Atlem und Jedem denselben Befund wie bei Herin Pug in . Insbesoudere war aueh hier das Dickwerden und die Locomotion der Arterien bis in die ~usserste Peripherie der Netzhaut zu erkennen. Ein systolisches~ ]~rrSthen und diastolisches Erblassen der Papille war bier so wenig wie in andern F~llen zu sehen. Desgleichen fehlten alle subjectiven Symptome der Netzhautpulsation~

Ganz besonders ist noch hervorzuheben, dass ich Dr. H. vor Jahren, noch in Wien, wiederholt untersucht hatte, ohne etwas yon der Pulsation der Arterie in der Netzhaut wahrgenommen zu haben. Dasselbe war, wie bemerkt werden sell, auch bei Herrn P u g i n der Fall.

IV.

B e r n h a r d S c h r a d e r , Schneider aus Ottbergen bei Hildesheim.

Insufticentia valvularum aortae. (Mitgetheilt ~,on Dr. Sichting.)

Kranker stammt aus gesunder Fami!ie und war auch bis zum 13. Lebensjahre stets gesund, wo er sich

v. Graefe's Arc]~v f~r Oph~ha]mclogte, XVIII, 1.

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Mnen acuten Gelenkrheumatismus mit heft[gen febrilea Erscheinungea zuzog, der ihn ca. 3 ~onate an's Kran- kenbe~t fes~elte. Die Af~%etioa reeidivirte ~n geringerem Grade h~uflger and befiel alsdana die versehiedensten Gelenke. Seit der ersten Lvasien bemerkt Patient bei den leieh~esten Anstrengm~gea sehr heftige Herzpalpi- tationen~ einhergehsnd mit leiehten Ohnmaehtsanwand- lungen; such sell wiederho]te Ep~staxis vorhanden ge- wesen seiu. Das Ie~zte schwere P~ee~div ereilte ih~ Anfangs Jauu~r 1871 ~dnd w~hrte his gegen Mitts April; such diesmM loealisir~e sieh die Affection in mehreren Ge[enken and war yon sehr lebhaftem ?'ieber begleitet Sonsfige Krankheiten ausser einer Infection dureh einen verdaehtige.u Coitus waren nieM zu ~.~berstei~en.

Patient ist ziem[ieh graeil gebaut~ Muskniatur m~tssig entwiekelt, ¢o@ buIbi etwas an~miseh, des- gMchen die Lippen. Des Hals msissig tang; an des Seitenpartien desselben lebhaf~e Pulsation der Carotiden. Aut der Brus~ sieht man in der Gegend des Herzens an mehreren S~ellea Spuren fr~iher applieirter Vesiea- tore und Sinapismen. Die links Thoraxh~|ft% nament- lieh, was die Herzgegend anlangt~ st~trker gewSlbt als dig reehte; dig gauze Serzgegend wird isoehron mit der Herzaktiea rhythmiseh vorgew51b~. Die stSzkste Ersehiitterm~g sieh~ und Nhlt man am eberen Rande der 6. Rippe, eta'as naeh ausseu yon tier Papilla mamiltaris siMstra. Ausserdem ~cbhafte Pulsation in der Arteria axillaris~ braeMMis~ radiMis, femoralis~ tibi- alis pestles nnd psdiaea sM~tbar; in den grOsseren Ar- terien ti~htt man sin deutliei~es Vibr[ren, in den kleine- ten, ureter normaIen Verhaltnissen kaum NhIbaren~ einen krSftigen Aufsehlag. Von hydrepisehen Er- seheinm~gen nirgend etwas wahrzunehmem

Physika!isehe Ustersuchung der inneren ©rgane erg'ibt Folgendes :

Brustkorb gag g'ebau~ der Ausatz bei der zweiten Rippe an das Brt~stbeh~ deutlieh markirt~ starke epi- c. q , " , o =x ~a tt,.~.he Pulsation. Der Leib nieht aufgetrieben~ Athm:mgafrequenz n~eh~ vermehrt, Athmm~gstypus sin gemisehter. Der Brustkorb wird bei de~ einzelne~ Athmun~sziigen nur m~ssig ausgedehnt~ der Perkussions=

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sehatl ergibt beiderseits vorn oben normale Verh~ttnisse, tinkerseits beginnt am unteren Rande der zweiten Rippe Diimpfung, die Auskulta~ion ergibt beiderseits normales Vesiculiirathmen; hinten obcn reehts der Percussions- sehall in tier Spitze ktirzer als links; auf den ttbrigen Partien dcr Lunge normales Verhalten; dasselbe gilt yon der Auskultation, und reehts oben sehr abgesehw~teh- tes Vesicutltrathmen mit unbestimmtem Exspirium; Stimmfremitus tiberall normal. Die Ditmpfung des tlerzens rcicht der L~nge naeh veto unteren Rande der zweiten Rippe his zum oberen der 6.; der Querdurch- messer reicht genau vom linken Sternalrande his ca. 5/4 Zoll naeh anssen yon der Papilla mamilaris; die Litnge des tIerzens beI~uft sich also auf 5 ZolI 10 Linien, die Quere 4 Zolt 8 Linien.

Die Auskultationen der KIappen ergibt Fotgen- des:

An d'cr Mitralis hSrt man: Einen etwas dumpfen ersten Ton; der zweite eben-

falls h~rbar, doeh theilweise dureh ein sehwaehes Ge- r~usch verdeckt. An der Trieuspidalis der erste Ton dentlieh~ der zwcite dureh ein st~irkeres Ger~useh ver- deckt, welches genau denselben Ton hat wie alas an der Mitralis. An der Aorta der erste Ton rein, der zweite dureh ein langgezogenes 7 decrescendo ablaufcn- des blasendes Gcr~tuseh ersetzt. Das diastolische Ge- i~tusch wird am deutlichs~en gehSrt an einer Stelle, welche dem Ansatze der zweiten Rippe am Sternum entsprieht. Es wird sehw~tcher, so wie man sieh yon dem genann- ten Punkt aus nach irgend einer Richtung mit dem Stethoskope entfernt, ist aber in der ganzen L~inge des Sternums mehr oder weniger zu h6ren. An der Temps- ralarterie und an der Axillaris ein deutlicher Ton h6r- bar, tier sich bei leichtem Druek in ein Gerliuseh ver- wandelt. An der Braehialarterie, da we sie in den Etlbogenbug tritt~ ein dentlieher Ton; an den LIohlhand- bogen nicht mit Sicherheit eiu Ton zu h(iren. An tier Femoralis vernimmt man bei ganz leisem Aufsetzen des ItShrrohrs einen lauten Ton, der sich bei m~tssigcm Drncke mit dem Hghrrohre oder unterhalb desselbea mit dem Finger sofort in zwe ~. Ger~iusehe spaltet; der

15 *

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Puls der Tibialis postiea und Pediaea nieht tSnend; der Radialpuls kriiftig, sehwellend; die Wetle steil ab- fallend.

Die Leber liberragt den Rippenbogen etwas; der Patient empfindet bei ihrer Palpation etwas Sehmerz. Die iibrigen Unterleibsorgane zeigen niehts Abnormes; kein Aseites, aueh kein Oedem.

tIarn: Spez. Gewicht 102~ ohne Eiweiss.

O p h t h a l m o s k o p i s c h e U n t e r s u c h u n g .

L i n k e s Auge. Darchsichtige Medien vSllig rein. E oder ganz schwache M. Auch mit Htilfe yon - - l/x0 , wobei man die Netzhautgefiisse ganz klar sieht, erscheint die Papille nicht scharf bezweigt, sondern ~'ie mit einem Flor iiberzogen. Doch hat das Bild keine Aehnlichkeit mit dem bei Neuritis. Welter unten wird angegeben werden, wodurch die Verschleierung wahrscheinlich be- dingt ist.

Es gelingt daher nieht den gemeinsehaftlichea Stamm der Vena centralis innerhalb der centralen physi- ologischen Excavation scharf begrenzt zu sehen. Trotz- dem ist ein deutlicher Venenpuls, bei dem es aber nieht zum Blasswerden der Vene kommt, zu eonstatiren. Die Veneniiste sind ganz nahe am Rande der Papille in der Netzhaut sehon scharf eonturirt, and es litsst sich an den grosseu Aesten ein Schwankeu im Kaliber mit Sicherheit erkeunen. Dabei verschwindet der in der Mitre befindliche feine Reflexstr.eifen, so oft die Vene einen geringeren Durehmesser annimmt und stellt sich bei ihrer Ausdehnung wieder her. Eine Locomotion ist an den Venen nicht wahrzunehmen. Ebenso ist es ia diesem Falle schwer, zu beurtheilen, ob das Anschwelleu und Zusammenfallen der Venenaste isochron ist mit den gleichartigen Veranderungen an den Venen der Papille.

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Die Schwankungen im Kaliber der Netzhautvenea lasst sich etwa 1--11/2 P. weit in die Netzhaut verfolgen.

Besondere Eigenthiimlichkeiten, welche in diesem Auge die Arterien darbieten, scheinen durch ihre unge- wiihnliche Anordnung bedingt zu sein. Der Arterien- stature geht niimlich ungetheiIt am untern Ende der physiologischen Excavation his in's Niveau der Netzhaut vor und theilt sich dort in drei Haul)t&ste, yon denen zwei bald wieder dichotomisch zerfallen. Diese gehen jedenfalls reehtwinkelig, vielleicht aber auch in einem nach rfickwiirts offenen spitzen Winkel vom ttaupt- stature ab. Die Centratarterie mit den Haupt~sten bildet also einen Gefassbaum, dessen Stamm die Central- Arterie und dessen Aeste die Netzhautarterien sind.

Gerade an der Theilungsste]le sieht man dieselbe ~Sllig isochron mit dem Radialpulse sieh nach vorn und etwas nach abwltrts in den GlaskSrper hinein bewegen. Entsprechend jedem Vorstoss wird der Stature sowohl, als die Aeste starker mit Blur geftillt, dunkler roth and dicker im Darchmesser. Der ziemlich stark ausgepriigte Reflexstreifen wird bei jeder Arteriendiastole breiter~ bei jeder Systole schmi~ler. Yerfolgt man einen Arterienast weiter in die Netzhaut, so sieht man aueh hier auf eine betr~chttiche Strecke dies rhythmische Anschwellen und Zusammenfallen derselben, doch ist das Phiinomen hier bei weitem nieht so ausgebildet, wie in den beiden frtiheren Fallen.

Die oben erw~hnten besonderen Eigenthiimlichkeiten an den Arterien bestehen nun darin, class sowohl tier Hauptstamm, wie sitmmtliche Aeste erster und zweiter Ordnung, yon weissen Streifen begleitet sind. Das Licht, welches dieselben reflectiren, ist beinahe b]endend weiss. Die Conturen der Streifen sind aber weder so scharf, wie man es sonst wohl, z. B. bei sogenannter Perivascalitis and leuki~mischer Retinitis, beobachtet hat, noch den

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Wandungen der Gef~isse parallel. ¥ielmehr gehen yon ihnen zahllose d~cke und dtinnere weissere Streifen unter den verschiedensten Winkeln a.b. So kommt es, dass der ganze Gef~tssbaum wie mit einem bald mehr, bald minder durchsichtigen, weissen, ~usserst feinen Geflechte versponnen ist.

An manchen S~elten, z. B. ~n den Theilungs~ellen der Haupt~ste, bildet dasselbe eine fast undurchsichtige, homo.-.ene, weisse Masse. Der dtinnste Yon den drei Haupt~sten, der nach nnten attssen sich abzweigt, ist stellenweise ganz in diese weisse Masse eingehiillt, so dass die rothe Blutsaule nur hin und wieder durchseheint. Besonders zu erw~ihnen ist noch, class die ¥enen auch an der allgemeinen ¥erschleierung theilnehmen, jedoch ohne dass irgend wo an ihren Wandungen eine dichtere An- hitufung tier weissen Masse sich f~nde.

Die eben erwiihnte leichte Verschleierung der ganzen £apille l~isst sich nun ohne Zwang auf diese Binde- gewebsnenbitdung im GlaskSrper, wie wit sie wohl direct bezeichnen kSnnen, zurt~ckft~hren.

Am rechten Auge sind die Erscheinungen ganz analog; nut ist die Entwiekelung der feinen weissen Fasern bier geringer, als im linken Auge - - ( T r u n - cus anonymus).

.

Wi lhe lm Kuchenbe i sse r~ 32 J., Bauersmann aus Spechbach.

Klin. Diagnose: Insufficentia valvularum semiluna- rium aortae.

Mitgetheitt yon Dr. S ich t ing .

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Kranker stammt aus ge.~under Familie; er selbs~ war ausser ldchtem Unwohlsein hie krank; 17 Jahre alt fiberstand er Scabies; vor 3 Jahren aberstand er einen Gelenkrheumatismus yon etwa 6 monxttieher Dauer. Patient giebt an, schon seit langer Zdt an Herzklopfen gelitten zu haben; seit etwa 3 Jahren sol1 dasselbe schlimmer ~eworden, ja manehma! so schlimm gewesen sein~ dass er seine Arbeit nn~erbrechen un4 stehen bleiben musste. Seit 1862 best.eht Disposition zu Schweissen. Vor 3 Jahren will Patient eine 10 tagige Lvmgenentz~ndung ~berstanden haben~ Herzklopfe~ soll sehr stark gewesen seth; ~nch bestehen Congestionem znm Kopfe; Appe~it nnd Stuhlnng regelmassig.

Kranker ist ziemtich gut genahrt; Knochenbau robus4; Hals m~ssig lang; ziemlich starke Pulsation aB den Seitentheilen und im Iugulum; Thorax sehr lang. Rhythmisehe Hebung der Brustwand in der Herzgegend der Herzstoss am oberon Rande der 7. Rippe etwas naeh aussen you der Mammilartinie sichtbar. 8ystolische Einziehu~g der Brustwand im 5. intercostalraum. Herz- stoss und Pulsation der Carotiden erfolgt im sdben Moment; siehtbare Pulsation der Schl~fenarterien. Per- eussion nnd Auskultation der Lunge ergibt normale Verhaltnisse, auf' dcr ganzen hinteren Thoraxfl~che fiberali die HerztOne zu hOren. Herzd~mpfung beginnt. am oberen Rande dcr 3. Rippe ]~nd reieht nach abw~rts his zum oberon Rande der 9. Rippe. Querd~rchmesser nahe dem rechten Sternalrand; er ~berschreite~ die Papilla mammalis nach links um etwa ~/~ Zoll. Die Auscultation der Mitralis ergibt einen lanten kr[ftigea ersten Ton. Der zweite ist sehw~cher und yon einem Ger~usche beglei~et; an tier Tricuspidalis dassdbe; das diastolische Ger~usch ist laud. ~N~hert man sigh denAorten° klappen, so wird dieses diastolische Ger~useh immer deutlicher; am deatliehsten hSrt man kS ungef~.hr fiber dem Ansatze der dritten linken Rippe an's Sternum; yon bier aus vernimmt man es dem ganzen Sternum entlang, aber mit abnehmender Intensit~t. Zweiter Pulmonal- ton verst/irkS; an den Hatsgef~ssen dn reiner systo- lischer Ton; diastolisches lautes sansendes Oerauseh.

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Leber, l~Iilz~ so wie die iibrigen Organe tier Bauehh(ile normal; kein Aseites and kein Oedem.

An tier Cruralis bei leisem Aufsetzen des tt6r. rohrs 2 T6ne hOrbar; ein langer mit dem Radialpuls isoehron; ein kurzer diastolischer. Die Pulsation der Ar~eria axillaris deutlieh sehwirrend. Die Anskultation derselben ergibt einen llingeren systolisehen~ einen kurzen diastolisehen Ton, bei st~rkerem Drneke zwei Ger~usche. An tier Braehialarterie ein Ton~ der beim Drueke des H6rrohrs sieh in ein Ger~useh umwandelt; dasselbe aber undeutiicher im HohlhaMbogen. An der Tibialis postiea noeh bei leisem Druek des tt6rrohres ein kurzes Gerausch hSrbar; die Pulsation der Pediaea his zu den ersten Phalangen in ihren Ramifieationen siehtbar; kein auscultatorisehes Ph~nomen, Capillar- puls am Nagelbett nieht siehtbar. Pulsation des Aortenbogens im Iugulum siehtbar, starkes Schwirren daselbst. Urin~ spez. Gew. 1024 ohne Eiweiss.

Die ophthalmoskopische Untersuchung der Augea ergibt Folgendes:

L i n k e s A u g e: Refraktionszustand leicht myopisch; Yenenpuls sehr deutlich ohne vollsti~ndiges Erblassen; die Gefitsswiinde der Arterien auf der Papitle sehr dick; ~tellenweise yon weissen Fasern umgeben; die Arterien im ganzen eng; am Hauptstamme der nach untea gehenden Arterie auf der Papille deatliches Schwankea zu sehen; auf der Netzhaut dasselbe Ph~nomen in ihren Verzweigungen schwer zu sehen, well die Gef~ssw~nde fiberall nicht ganz rein sin&

R e c h t e s Auge: Der Refraktionszustand derselbe. Auf der Papilte deutliche Pulsation der Arterie und ~ene, mitunter sehr Iebhafter Arterienpuls, besonders der kleinen Arterien. Trotz aller Mi]he auch hier ein systolisehes Err~ithen und diastolisches Erblassen der

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Papille, wie Q u i n c k e gesehen haben will, nicht zu be- merken.

¥I.

Iwan v. W., 21 J., aus Riga. Protocoll N. 1225. 4 . 7 . 7 1 . - -

Von Hofrath Fr iedre ieh geschickt, mit der An- gabe, derselbe leide an hochgradiger~ nicht eomplieirter Aorteninsufficienz. --

M'/4o, S~°/2o o. n. - - P. D. 55 m~" Ftir die Ferne dynamische Convergenz yon 4 °, fiir die Nahe dyna- misches Gleichgewicht. - - Spontaner Arterien und Venen- pnls in beiden hugen auf der Papille und his in die feinsten Ramificationen in der Netzhaut. Sowohl die Verbreiterung, als aueh die Locomotion sehr deutlich wahrzunehmen. Systolischen ErrOthen der Papitle nicht ":orhanden. Die W~tnde der Arterien sind sehr deutlich. Bei Druck auf den Bulbus i n t e r m i t t i r t der S t rom in den A r t e r i e n , in den V e n e n nieht . - -

VII.

Am 12. Juli 7I. schickte mir F r i e d r e i c h Herra Car l KI. 32 Jahre, aus Neustad~ a.H. zu mit der Be- merkung, derselbe Ieide an exquisi~er Insutficientia val- ~rularum aortae, mit Hypertrophie des linken Yentrikels. Ich untersuchte das ~echte Auge. Dasselbe hatte M3/4o, S~°/2o. Auf der Papille war spontaner ¥enenpuls. Die Locomotion der Arterien war sowohI auf der Papilte als weithin in die Netzhaut Ieicht und deutlich zu erkennen. Kein systolisches Err~ithen der Papille.

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234

¥III.

Am 12. Sept. wurde mir ~'on F r i e d r e i c h Mons. l~ch., ein Mann yon etwa 30 Jahren zugeschiekt, mit der Bemerkung, derselbe leide an uncomplicirter Insuffi. Valv. Aortae mit m~ssiger Hypertrophie des tinken ¥en- trikels.

Auch in diesem Falle war bei vollkommen normalem SehvermOgen spontaner Arterienpuls bis welt in die Netzlaaut hinein zu sehen.

IX.

A l b e r t Bach, 19 Jahr, aus Neustadt a.H. Am 15. Juni 1871 yon Hofrath F r i e d r e i c h mit einer Karte geschickt des Inhalts: A.B. leidet an leichter Insuff. VaN. Aortae.

Die rhythmischen Erschfitterungen des Kopfes warea vorhanden. - -

R. A. - - S:°/5o. Einfach hypermetropischer Astigma- tismus z/2o; Correction der S aui :°/.~o.2 o.

L.A. M'/4o, S~°/~o. An beiden Augen leichter Venenpuls. Anschwellen

und Locomotion der Arterien bis welt in die Netzhaut hinein su sehen. Bei SfOrmigen Kriimmungen der Arte- rien tritt die Locomotion besonders schSn hervor. Die st~rkere Krtimmung des Arierienrohres mit der Herz- Systole isochron, derselben etwas naehschleppend. Dia- stole der Arterie ist dem Radialpulse isochron. Eine Arterie, die sieh gerade unter einer Vene befindet, be- wegt sich besonders stark.

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235

X.

I n s u f f i c i e n t i a v a l v u t a r u m A o r t a e . - - Mit- getheilt yon Prof. K n a u f f . - -

Stud. reed. S., 20 Jahre alt, aus Heidelberg, hat im 13, Lebensj. einen schweren Gelenkrheumatismus durch- gemacht. Seitdem stellen sich fast nach jeder Erk~tltung reissende Schmerzen in den Gliedern ein, so dass der- selbe schon 5fters, um Sehlimmerem vorzubeugen, das Bett aufgesucht hat. Bei ruhiger Lebensweise hat Herr S. gar keine Besehwerden, bei st~rkeren Bewegungen oder Aufregungen stellt sieh Herzklopfen ein.

Star. praes, am 19. Mai 1871. ~ Grosse, ziemlich iette und muskelreiche Figur~ bltihendes Aussehen. S~mmtliche Organe mit Ausnahme des Herzens sind ge- sund. - - Die Percussion ergiebt: D~impfung, oberhalb der 3. Rippe beginnend, erstreekt sieh naeh abwarts bis zur 6. Rippe, in einer Ausdehnung yon 12~/2 Cm., in seitlicher Richtung yore rechten Sternalrande his an die linke reehte Mammillarlinie (111/~ Cm.). Die Herz- d~impfung bildet ein Viereck mit abgerundetem oberem ~nd ~iusserem Winke!. Der Herzsack dehnt sieh nur wenig, etwa einen Querfinger, tiber die normale Grenze (senkreellte Mammillarlinie) nach links a u s . - Zwisehea den Insertionen des 3. Rippenpaares hSrt man eia schwaches, aber deutliches diastolisehes Schleifen. Der Puls weicht yore gewShnlichen nicht auff~iltig ab.

O p t h a l m o s k o p i s c h e U n t e r s u c h u n g a m 13. Mai

18 71. - - Im rechten Auge deutlicher Venenpuls, zweifel-

hafte Bewegungserscheinungen an den Arterien. Im linken Auge wurde an einem Arterienaste auf und neben

der Papille unzweifelhaftes rbythmisches Schwanken im Durehmesser des Gefasses beobachtet. Die rothen Streifen zur Seite des ]ichten Reflexes werden deutlich breiter. Excursionen nicht wahrzunehmen. Zur Controtle

wurde der Rhythmus der Arteriendiastole auf der Papille zu wiederholten ~falen laut gez~hlt, w/~hrend Prof. K n a u f f

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236

den Radialpuls fiihlte. Beides war immer vollstt~ndig

isoehron. - - SD/tter wieder Her r S. noch einmal mit dera Augenspiegel untersucht und dasselbe gefunden. - -

XI.

Insafficientia valvularum Aortae. Chronische Infil-

tration der rechten Lungenspitze. Kein spontaner Arte-

rienpuls. - - Mitgetheilt yon Prof. K n a u f f . - -

Dr. reed. S., 1838 in der ~tLhe yon Moskau ge- boren. Ein Bruder des ¥aters starb 30 Jahre alt an einem nicht n~ther zu bestimmenden Lungenleiden. :Pat. war immer yon schwttchlieher Constitution, litt in der Jugend an Intermittens und zeigte ausgesprochene Nei- gung zu Bronchial-und Laryngealkatarrhen. - - Studirte in Moskau und war zu der Zeit anft~nglieh gesund. Im Jahre 1862 bekam er zum ersten Male Blutauswurf. Einige ~onate spttter Gelenkrheumatismus; derselbe dauerte 2--3 Wochen und ergriff insbesondere beide Kniegelenke, wtthrend die kleinen Gelenke frei blieben.

Im Jahre 1863 machte er im Gefttngniss (wegen eines potitischen Vergehens) in St. Peterburg eine ein- jtthrige Haft durch; dabei vielerlei psychische Auf- regungen und Qut~Iereien; es stellte sich Herzklopfen ein, Abmagerung und ehronischer Durchfall. - - Im J. 186~ trat wieder wtthrend mehrerer Woehen Bluthusten ein; die ~enge des an den einzelnen Tagen ausgeworfe- hen Blutes war gering. In dem folgeaden Jahre kamen wiederholt kteine Anft~lle yon BJuthusten vor. - - Im Jahre 1867 nochmal heftiger Gelenkrheumatismus mit Erkranken st~mmtlicher Gele~ke. Patient mnsste 3 ~onate das Zimmer hiiten. Nach dem ersteu Ausgang ein R~ekfaI1; ein seheinbar intermittirendes Fieber, das sieh aber in der Folge als Pleuraaffeetion entpuppte und einen heftigen Blutsturz herbeiftihrte. Die Fieber- bewegungen dauerten noch 21/2 Monate. - - Im J. 1868 ging Patient in's Ausland, naeh Sehandau, Interlaken,

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237

Montreux, Pau; im F~hjahre 1869 hielt er sieh in Soden auf, Winter 1869--70 in Montpellier; Herbst 1870 kam er nach Heidelberg. - - Anfangs war Patient noch yon rheumatischen Schmerzen geptagt, aueh kehrte einmal im Winter 1868--69 der Blutauswurf wieder und dauerte mit geringen Unterbreehungen unge~hr 4 Monate lang ziemlich heftig an. - - Patient blieb dann bis zum April 1871 davon befreit. - - Der blutige Aus- wurf dauerte mit geringen Unterbreehungen bis z u m

20. Juli. - - Dabei war das subjective Befinden gut; bei langem Sprechen oder raschen Gehen trat Schwerathmig- keit ein; rasches Ermiiden und Unf~higkeit welt zu gehen. Herzklopfel~ nicht vorhanden, Appetit und Stuhl normal, hustet eiter~hnliehen Sehteim aus.

Stat. praes, am 5. August 1871. - - Grosse, sehlanke und hagere Figur. Bedeutende An~mie, maeht vollst~n- dig den Eindruck eines Phthisikers. - - Thorax lang und sehmal. Reehts vorn und oben leiehte Einziehung und geringe Excursion beim kthmen. - - Percussion giebt hinsiehtlieh der Lungen normalen Befund. Herz- dampfung in der Riehtung yon rechts oben naeh links unten vergr~ssert (misst in der eineu Diagonale ent- sprechend dem L~ngsdurchmesser des Herzens 5~ Gin., in der andern entsprechend dem querdurehmesser 9~ Cm.), ist naeh oben his an den unteren Rand der dritten, naeh unten bis an den unteren Rand der sechsteu Rippe verbreitert, erstreekt sieh naeh innen his auf die Mitte des Brustbeins, nach aussen 1~ Finger breit fiber die senkrechte Mammillarlinie. Spitzeustoss des Herzens undeutlieh. - - Auskultation des Herzens: yon der Insertion des dritten Rippenpaares an nach links u::d unten in der Ausdehnung yon etwa 2 Quadrat- zoll ein sehwaches , aber d e u t l i e h e s d i a s t o l i s e h e s Blasen. ~ Radialpuls klein, weieh~ nieht deutlieh h~ipfend.

Ausknltation tier Lunge: reehts voru oben deutliehe seharfe vesicul~re und saccadirte Respiration; auch aui der ~ibrigen Lungenoberfi~che scharf vesikul~res Athmen. Im Bereieh des oberen Lungenlappens reehts zahlreiche feuchte, unbestimmte Rhonchi.

U n t e r s u c h u n g d e r A u g e n : Trotz wiederholter

Untersuchung und grSsster Aufmerksamkeit liess sich

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238

keine Spur yon spontanem Arterienpuls entdecken; bei

leichtem Fingerdruek dagegen trat in der gew(ihnliehea Weise zuerst der Venen- und dana der sogenannte

Arterienpuls tin.

XII.

S e b a s t i a n J u n g m a n n , 27 J., Hausknecht aus

Spechbach. insuff, et stenosis aortae mit bedeutend iiberwiegen-

der Insuff. Mitgetheitt yon Dr. S i c h t i n g .

Patient stammt angeblich aus gesunder Famiiie uncI war auch selbst hie ernstlieh erkrankt; 1865 aequirirte er eine Angina eatarrhalis die in Suppuration tiborging; 1871 iibcrstand er eine Intermittens yon 5wSehentIieher Dauer, die einen regelmassigen ter[ianen Typus inne hielt un4 bei einem ratiouella Kurverfahren v/5tlig be- seitigt wurde; subjective Besehwerden flir den Kranken blieben wenigstens nieht zurtiek. Gelenkrheumatism~ls yon kurzer Dauer aberstand e r v o r mehreren Jahren, jedoeh war Herzklopfen bei sehwerer Anstrengung nieht vorhanden, won aber eine Disposition zu heftiger Kopf- congestion. Patient trat Anfangs 3{ai in's Aeademische Krankenhaus ein, da er wegen einer sehr heftigen Lum- bago seinen Geseh~ften nieht vorstehen konnte.

Bei der physiologisehen Untersuehung ergab sieh foigender Befund:

Kranker ist yon mittlerer Statur und guter Er ni~hrung, Nuskulatur and Skelett gut entwieke!t, Ge- siehtscolorit etwas bleieh, Thorax gut gewSlbt, Respira- tion ruhig, der £thmungsmodus ein gemisehter, Leib etwas aufgetrieben, Oedem der Unterextremit~ten nieht. vorhanden.

Die linke Thoraxfl~ehe in tier Herzgegend im Ver- Neieh zu entspreehenden Stellea der anderen Seite etwas

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st~trker gewOlbt, Herzstoss am Rande der 7. Rippe deut- lich verst~rkt, sichtbar, die Percussion der Lungen er- giebt vOllig normale ¥erh~ltnisse, Athmungsger~usche aberall vesicular, in der N~he beider Lungenbahnen ganz vereinzelte mittelblasige Rasselgergusche; auf dem ganzen hinteren Thoraxabschnitte die HerztOne h0rbar. Die D~mpfung des Herzens reicht vom nnteren Rande der 2. Rippe his zum oberen Rande der 7. Die Qaer- dampfung beginnt ca. in der ~i t te des Sternums und aberragt die Papilla mammalis um ca. ~ Zoll.

Die Auscultation des Herzens ergibt folgende ¥er- h~ltnisse:

An der Nitralis bOrt man beide TOne, beide abet yon sehwaehen Ger~uschen begleitet, an der Tricus- pidalklappen ebentalls beide TOne vernehmbar, zugleich aber auch beide genannte Ger~usche und zwar stgrker; letztere haben dieselbe Besehaffenheit wie an der ~Iitra- hs, nur ist das diastolische viel l~nger und lauter; nghert man sich nun nach der Auscultation tier Trieus- pidalklappe den Semilunarklappen der Aorta, so nehmen jene Ger~usche bedentend an Intensitat zu und man ver- nimmt in der N~the jener Xlappen und zwar am dent- lichsten an der Insertionsstelle des 3. linken Rippen- knorpels mit dem Sternum, so wie an dem angrenzen- den Sternaltheil ein kurzes systolisches und ein Iang- gezogenes diastolisches sausendes Gergusch yon betr~cht- licher SchaIltiefe; beide Gerausche pflanzen sich naeh den Pulmonalklappen fort, der zweite Ton derselben m~ssig verst~rkt. An den Hatsgefa.ssen hOrt man nut einen systo!ischen Ton. An der Arteria femoralis findet sich jener yon D u r o s i e z hervorgehobene Doppelton (double toufle intm~mittent crural) und zwar tritt das schOne fi~r hoehgradige Aorteninsufficiezen, germ keine Arteriosclerose vorhanden, so wiehtige Phanomen bei sorgfattiger Auscultation sogleich hervor, und erscheint also anch bier nicht, wie D u r o s i e z meinte, dureh Com- pression mit dem gSrrohre, sondern spontan, wie in den yon T r a u b e beschriebenen Fallen, der das Ph~nomen noch weiter ats D u r o s i e z verwerthet, indem er es mit der GrOsse der Insufficienz in bestimmten Zusammen- hang bringt. An der Axillaris ein lauter Ton im systo-

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lischen Zeitmoment hSrbar, dem ein kurzer diastolischer im Moment naehfolgt; doch sind beide noch deutlich ~on einander zu trennen.

An der Brachialis~ Radialis und am Hohlhandbogen, desgleiehen an der Arteria tibialis postiea~ ein deatlicher Ton vernehmbar; Pulsation der Art. pediaea leicht sicht- bar, sie gibt jedoch keine auseultatorischen Phi~nomene; Pulsation des Aortenbogens im Iugulum sichtbar, starkes 8ehwingen daselbst; der Puls der Radialis kraftig, kurz anschlagend.

Leber und ~Iilz nicht vergrSssert, im Abdomen niehts Abnormes naehweisbar; Urin~ spez. Gew° 1021~ ohne Eiweiss.

Rechtes Auge emmetropisch, mit - - ~Ao untersucht. Die Arterienwande sind sehr rein und schaff zu sehen° Auf der 2apille ist spontaner Venen- und Arterienputs deutlich zu erkennen, und auch ausserhalb derselben in tier l%tzhaut ist das Breiterwerden und Sichschliingeln der Arterien wahrnehmbar, doch ist die Erscheinung lange nicht so eklatant, wie bei Herrn Pugin. - - Am linken Auge ist der Venenpuls bis in die b~etzhaut hin- ein zu sehen, der Arterienpuls auch, aber nur sehr schwach. -~ Auch in diesem Falle ist ein systolisches ErrSthen und ein diastoliches Erblassen der PapiUe weder im aufrechten, noch im umgekehrten Bilde wahrzunehmen.

XIII.

Anton H o f m e i s t e r , 32 J., kathot., ledig, Schuh- machergehilfe aus Gross-Russbach in IN.-0estreich. Wien. K. K. hllgem. Krankenhaus, Zimmer 93a, am 24. April 1871 aufgenommen. - - hbtheilung des Herrn Primarius S t a n d h a r d t n e r . - -

Diagnose: Insufficientia ~'alvular. mitralis et semilu- z~arium Aortae.

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24i

A n a m n e s e : Bis zum Jahre 1864 ist Patient immer gesund gewesen, tm genannten Jahre will tier Kranke an einem Gelenkrheumatismus, durch ErkNtung herbeigefiihrt, gelitten haben, welcher aber nur durch 2 Tage angedauert haben sell Patient erinnert sich, dass namenflich die beiden Kniegelenke schmerzten° Nach dieser Erkrankung arbeitete er wieder und bekam nur zeitweise bei setmellem Gehen Herzklopfen and kurzen Athem, weleher Zustand his zum Februar d_ieses Jahres andauerte, ohne class wieder ein Gelenkrheumatis- mus oder eine andere Krankheit aufgetreten ist. Am 11. M~rz kam er auf die Klinik Skoda's, weil seit e!niger Zeit die Karzathmigkeit~ der /Iusten and alas Herz- klopfen zugenommen batten. Die damalige Unter- suchung ergab nebst geringem ]~ronehialkatarrh eine Xnsufficienz der Nitralis und tier Aortenklappen, and. eine Hypertrophie des •erzens in beiden, besonders aber im L~ngsdurehmesser. Weder Fieber neeh senstige intensi~,e Krankheitserscheinangen waren w~hrend tier 5 Woehen, dia er auf der Klinik zubraehte, vorhanden. Xn der ersten Halfte des vorigen Monats wurde der Patient auf seinen Wunsehinsofern gebessert entIassen, Ms die Kurzathmigkeit unddie Palpitationen sowie der Bren- ehialkatarrh bei dem ruhigen Verhalten vollkommen ge- sehwunden waren. Am 24. April bewogen die frtiher genannten Zuf~tte den Kranken, sich neuerdings auf die Klinik aufhehmen zu lassen.

S t a tu s p r a e s e n s veto '2. Nai: l)er Patient ist massig gross, schlecht genahrt,

Knoehen/oau and Muskulatur sehleeht entwiekelt. Die ttaut nnd die sichtbaren Schleimh~ute sind blass. Der Thorax ist m~ssig tang, breit and gewSlbt. Die Gegend tiber der linken Brustwarze ist in ungef~hrer Ausdehnung ~ou 3" starker gewStbt als auf der reehten Seite.

Die physikalisehe Untersuehung ergibt in den Lnngen nichts Abnormes. ])er F1erzstoss ist im 5. Intereostalraum in der Ausdehnung yon 2~/2 " zu sehea and zu fahlen, so zwar dass man ihn bis in die Axillar- linie deutlich wahrnimmt; wenn auch etwas schwaeher, ft~hlt man denselben aueh im 6. Intercostalraum fast in derselben Ausdehuung, indem er zugleich ste~rk hebend

v. Graefe 's Arehhr ftlr Op'athalmologle, XVIII , 1. 16

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242

ist. Beide Durehmesser des Herzens sind vergrOssert, so dass die HerzdSmpfung veto oberea Rande der 3- Rippe his zum 6. Intereostalraum und veto reehten Rande des Sternums bis fast in die tinke Axillarlinie Teicht. Ueber der Herzspitze hOrt man tin systolisches Geri~usch nnd einen diastolisehen reinen Ton, fiber der Aorta einen systolisehen Ton nnd ein diustelisches Ge- Tiiuseh. Der 2. Pulmonalarterienton ist aceentuirt. - - Die TOne tiber der Tricuspidalis sind rein mid gleieh- m~stig. Auscultirt man die Carotiden, so hOrt man einen systolischen Ton und ein diastolisches Geri~usch. Der Puls ist roll und schneltend and zugteich in den Arteriis digitalibus und in der Arteria dorsalis pedis sehr gut zu fahlen.

Die Untersuehung der Leber und Milz ergibt nichts Abnormes.

Der Kranke fiebert nicht, ist bei gutem Appetit, und befindet sieh in tier Ruhe, die er geniesst, voll- kommen woht.

So lange der Kranke ~uf der Klinik war, befand er sich stets vollkommen wohl, olme dass eine Yer- schlimmerung des Herzleidens oder sonst ein iibeler Zu- fall hinzugetreten ware.

O p h t h a l m o s k o p i s c h e U n t e r s a c h u n g .

Rechtes Auge M. '/6. Hornhautflecken, unregel- m~ssiger Astigmatismus, Bitd des Augengrundes sehr

unklar. Am linken Auge M */'~, durchsichtige Medien

vollkommen rein. - - Unter Anwendung yon Mropin im aufrechten Bilde

untersucht. Die Papilla nervi optici ct'~vas tother als gewOhnlich. Es lassen sich in derselben zahllose kleine (~efassstticke erkennen, welche wohl etwas ungewOhnlich erweiterten Capillaren entsprechen. Die Couturen des Sehnerven sind vollkommen scharf, am Rande viel dunkles Pigment. Die Gef~ssanordnung bietet nichts Abnormes. Bei jeder Herzsystole, derselben etwas naeh- folgend, isochron mit dem Radialpuls, tri t t der Arterien-

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243

stamm deuttich nach vorne und ein gutes Sttick in den Gtaskiirper hinein. Die Locomotion in der Peripherie der •etzhaut ist im Vergleich mit anderen Fallen wenig auf- fallend. Die Verbrei~erung der Arterien ist hier sehr deutlich an der Verbreiterung der hellen Mittellinien erkennbar.

Bei wiederholter Uatersuchung fehlte die Erschei- ung des sogenannten Venenpulses. Die Vene, welche yon unten auf dis Papille tritt, ist sehr breit, turgescirt, und enth~lt keinen hellen Mittelstreifen. Drtickt man auf den Bulbus, so strSmt das Blut in die Arterien intermittirend ein, wShrend die Vene nur etwas blasser wird; ein intermittirendes Btass- und Rothwerden tritt erst bei ganz starkem Drucke ein.

Diese Beobachtung ist yon besonderer Wichtigkeit, well sic zeigt, dass in die Arterien der Netzhaut das Blut nicht allein unter sichtbaren Pulsationserscheinungen, sondern selbst intermittirend einstriimen kann, ohne dass man an der Centralvene der :Netzhaut respective des Opticus die gewShnlich dadurch bedingten Ftillnngser- scheinungen mit I%thwendigkeit wahrnehmen muss.

Da aber ein Ausgleich irgendwo stattfinden muss und wir, wenn es an den :Netzhautvenen nicht geschieht, keine andere MSgtichkeit kennen, als dass die Chorioideal- Venen unter Umst~tnden diese Rolle iibernehmen, so werden wir bier yon ~euem auf die Rolle hingefiihrt, welche die ¥ortexvenen als Regulatoren der interaocuRtren Druckschwanknngen spielen mtissen.

XIV.

H e i n r i c h E i c h h o r n , 52 J., Schneider aus Heidel- berg. aufgen. 15. Vt. 71., gest. 2. VIII. 71., sec. 3. VIII. 7L

16"

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244

Diagnosis: Alcoholismus chronicus, Insufiicientia valvao larum aortae et mitralis, catarrhus bronchialis; ascites,

oedema, Fett leber und fettige Degeneration des Herz- muskels. - - (Mitgetheilt von Dr. S i c h t i n g ) .

Der Kranke stammt seiner Angabe nach aus ge- sunder Familie; er ilberstand in seiner Jugend mehrere Kinderkrankheiten, fiber die er jedoch keine n/ihere Daten anzugeben vermag; vor circa :20 Juhren will er einen polyarticul/iren Gelenkrheumatismus, mit starkea febrilen Symptomen einhergehend~ tiberstanden und seit derselben Zeit an heftigem Herzklopfen gelitten haben, welches sich bet raschen Bewegungen and setbst leiehterea Knstrengungen einstellen soll.

Das Aeussere des Kranken verr~th~ dass er wenig- stens friiher dem Trunke ergeben wary offene Zugestiind- nisse werden jedoch nicht gemacht, lqase and Lippen deutlich cyanotisch. Respiration etwas beschleunig~, doch nicht gerade mtihsam; Leib etwas volumin0s; doppelseitige~ leicht reponible Leistenhernie; die untern Extremit/tten m~ssig 5demat6s; auf der Brust und auf dem linken Oberarm l~esiduen in Heilung begriffener FurnnkeL

Als subjective Beschwerdea beschreibt Patient einen Zustand yon Aufregang and Sehlaflosigkeit; in allen seinen 13ewegungen liegt eine gewisse Hast und Unge- stiim; dasselbe Gepr~ge tragt die Art seines Sprechens; Tremor in den Hiinden nicht vorhanden; dabei leidet er anverkennbar an Gesichts- and GehSrshallucinationen; erstere sind jedoch vorherschend.

Physikaliszhe Untersuchung: Die Herzgegend scheint st/irker g'ew01bt, als die ent-

sprechenden Stellen auf tier rechten Thoraxhiilfte; der Athmungsmodus ein gemischter, Excursionen des Thorax nicht sehr ergiebig. Der Pereussionsschall rechts yon tier Lungenspitze bis zum oberen Rande der 6. Rippe sonor; links dagegen beginnt D~.mpfang auf der 3. Rippe, and diese reicht nach abw~rts bis zum unteren Rande der 7. Rippe, woselbst der Spitzenstoss nat sehr schwach ftihtbar, nicht sichtbar ist.

Der Querdm~chmesser des Herzens beginnt genau

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24-5

mit dem rechten Sternalrande und erstreck~ sich aut tier linken Toraxtlalfte his ca. 1 ZolI ~ber die Papilla mammalis hinaus. Die Percussion tier hintera L~ngen- abschnitte ergibt fiberall sonoren Sehall his zur Lungen- basis; alas Athmungsger~iusch rauh vesicular, namentlich in den abh~ingigen Partien~ un4 fast ~:~beraI! theils grob-, theils mittelblasige Rasselgerausche hSrbar~ wahrend auf den vorderen Lungenpartien vesicul~res Athmen olme Rasseln vernehmbar isto

Die Percussion des Herzens ergab eine ¥ergrSsserung desseiben in beiden Durchmessern, doch aberwiegt tier L~gsdnrchmesser. Die L~,nge betragt 7 Pariser ZoU, die Breite 6 ZolX 5 Linien. An der Mitralis hSrt man ein schwaches, systolisch blasendes Gerausch, der zweite Ton deutlich hSrbaG doch h~ngt demselben ein diastoti- sches Ger~usch an, weXches an der Trieuspidalklappe aa Intensit~it zunimmt, w~hrend der erste Ton daselbst voll- kommen scharf begrenzt wahrgenommen wird. Geht man nun yon dieser Klappe aus mit dem Stethoscop das Sternum hinauf bis zu den Aortaklappen, so hSrt Inan daselbst einen genau accentu~rtea ersten Ton, wahrend der zwei~e durch ein gedehntes Ger~useh er- set zt wird, welch' letzteresnoeh an den PumonalMappea, wenn auch schw~cher, auscultirt wird neben einem etwas verst~irkten zweiten Toni tier erste Tea rein.

Die Leberd~impfung beginnt an normaler Stelle und iiberragt den Rippenbogen urn ca. 2 Querfinger; ihre Palpation nirge~ds schmerzhaft~ Die Milzd~mpfung nicht vergrSssert, der Leib, etwas aufgetrieben, gibt in seinen obern Partien hell tympanitischeu Sehall, der nach ab- w~rts etwas kiirzer wird, uad l~isst sich daselbst Fluc- tuation nicht verkennen; der PercussionsschaI1 andert sein timbre, je nachdem man den Kranken bald clio reehte bald die linke 8eitenlage einnehmen l~isst. Aa der Subclavia hSrt man einen systolischen Ton. Die Zunge des Kranken ziemlich stark belegt; geringer foetor ex ore.

Der Urh~ etwas tribe, d~ch ohne Sediment, schwaeh saure Reaction, spez. Gew. 1~015, ohne Eiweiss.

An der Femoratarterie ein deutlicher Ton wahr- nebmbar, tier sigh bei m~ssigem Druck :nit dora H~r-

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246

rohre in zwei Gerausehe umwandelt, yon denen das erstere das zweite an LUnge ~ibertrifft. An der Axfllar- arterie, sowie im Eltenbogenbuge nur ein deutlicher Ton zu vernehmen~ der bei starkem Drueke sich in ein Ge- rausch umwandelt. Der Radialpuls etwas sehnell; an diesem Gefasse, sowie am Hohlhandbogen kein deut- licher Ton nachweisbar. Die Pulsation der Tibialis postica und pediaea zu sehen; an der Poplitaea ein schwacher Ton hSrbar. Ein Capillarpuls an den etwas cyanotischen :Nagelbetten nirgends zu eonstatiren.

Der Kranke verliess nach relativ kurzem Aufent- halte bei entsprechen([er diatetiseher und medieamen- tSser Behandlung naeh jeder Richtung hin gebessert das Spital, kehrte jedoeh nach kaum 10 Tagen wieder zuriiek. S~mmtliche Hydropsieen waren wieder vorhanden und auf der rechten Toraxhalfte ein Erguss naehweisbar~ der in den ersten Tagen noeh stieg.

In der Folgezeit trat das diastolisehe Aortenge- r~usch, das systolisc~e ~[itralger~useh immer deutlicher hervor, und es entstand auch fiber dem rechten ¥en- trikel~ am deutliehsten am untersten Rand des Sternums, ein systolisches Bicuspidalger~useh - - ein lunges, deut- liehes Pfeifen. Zu gleicher Zeit bemerkte man Leber- venenpals trod Zunahme des Ascites.

S e c t i o n s b e r i c h t . Klin. D i a g n o s e : Insuff. aortae,

mitralis, bicuspidalis; Hypertrophi~ cordis, atheroma-

tosis; hydrothorax, ascites, oedema cerebri; AIcoholismus, Erysipelas crurisdextri. Lebervenenpuls, chemosis. J Section am 3. August 1871.

Geringe Starre; Hautdecken icterisch gefarbt; be- senders die rechte Unterextremit~t.

Muskulatur braunroth, gut entwiekelt; in beiden PleurahShlen gelblich tingirtes Serum. rechts mehr als links.

Das Herz yon betr~chtlicher GrOsse und zwar vor- wiegend der linke Yentrikel; der linke Herzrand stark abgerundet, walzenfOrmig, die beiden VorhOfe betracht- lich dilatirt.~ die untere Hohlvene erweitert, namentlich

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247

in ihrem :fiber und unter der Leber gelegen en Abschnitte Siimmfliche Abschnitte des tIerzens enthalten viel fii~ssiges Blut. ~iuskulatur des linken Yentrikels sehr dick. Papillarmuskeln sehr hypertropisch; Endocard~ normal~ ebenso die Mitratklappen und die Semilunares der Aorta, nur zeigen diese n~chst der Scbliessnngslinie ungewShnliche Atrophie; die Aorta unmittelbar tiber den Klappen enorm dilatirt, in Form eines Saokes sich dar- stellend~ der sehr welt naeh rechts reicht; diese Dila- tation erstreckt sich bis zur Uebergangsstelle der Aorta ascendens in den Arcustheil. Der Sack enth~lt flt~ssiges Blut, seine Wand ist uneben, hSckerig im Zustand~ chron. Endarteriitis; auch die tibrige Aorta zeigt in ge- gerem Grade dieselben Vorg;inge. In der rechtea Lungenspitze ein apfelgrosser haemoptoischer Infarct, im unteren Theile ein kleinerer. Das iibrige Lungengewebe ~ oben luithaltig und elastiseh, unten eomprimirt; in der linken Lunge zwei kleine haemoptoische Infarcte. Die ~ Bronchien catarrhalisch afficirt.

Die Leber mittelgross, grobhSckerig; auf den~ Durschschnitte viel klaffende Venen und betr~chtliche Wucherung des interstitiellen Bindegewebes. NieresL normal gross, Gewebe derb, hyperaemiseh.

1M[ilz hochgradig hyperaemisch. Diinndarminhatt flassig, im Dickdarm breiig. Larynx, Trachea normal. Sch~ideldach verdickt, und zwar mit scheinbarer Dicke- zunahme nach .innen; in dem so besehaffenen Knochen mehrere thalergrosse Stellen, wo die inhere und ~iussere TafeI hochgradig atrophisch sind, und wie tier Durch- schnitt ergiebt, finden sich auf ihm ausgebreitete Atro- phien, so dass im Knoehen grSssere LQcken existiren,. die mit einem sulzigen, sehr gefiissreichen Mark ange- faltt sind; Dnra mater an der Innenflache des Sch~idets adh~irent. Die innere Fl~che derselben im Znstande einer chron. Entzandung.

Pin diffus trtibe, stark serSs infiltrirt; Seitenventrike[ betr~ichttich erweitert. Sabstanz des Gehirns 5demat~s~

Anat . D i a g n o s e ; Aneurysma aortae ascend.; Endarteriitis chronica. Itypertrophia cordis, vornehm- lich links. Dilatation des ]inken ¥orhofes, der rechten Herzabtheilung des Hohlvenensystems. Chronische

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Hyperaemie tier Nieren, Xitz and des Darmkanals; interstitielle H.epatitiso Haemoptoischer Xrffarct bNder Lungem

U n t e r s u c h u n g der Augers.

Am r ech t e~ ~ ~ ' H~ besitzt, ~sst sich bei d~r sorgf£ltigste~ Untersuchung keine Spur von spon~anem Venen- oder Artefienpals erkennen. Die An- ord~lung d.~r Gef~sse ist hier so, dass die gemeinschaft- lichen St~tmme der Venen und Arterien neben einander, dutch einen kleinen Zw[schem'aum getreant, in die Tiefe ateigen, so dass sieh die in den Veae~ oder Arteriert etwa auftretm~den Pulserseheinungen niehg direct mit- theilen kS:men. Beim Ieisesten Druck auf den Bulbus f/tngt die Arterie Iebhaft an zu pulsiren, d.h. sie wird abwechselnd Ieer m~d fa1It sieh dann rapid yon der Seite des Herzens her~ Die Erseheinung f~ltt um so mehr auf~ a, eil sieh der aassererdenttich unregelm~ssige Rh~thmus der Herzeo1~traetioner~ an ihr direct ~vahrnehmen lgsst. Dabei bIeib~ die Vene votls~ndig gieichmS.ssig geffillt~ Nur bei st~rI.~erem Druek wird auch diese eomprimirt. L i n k e s Auge: Dassetbe ist mehr hypermetropiseh° Die GeNssanordnung voa der im re&ten Auge total ver- selfieden. Die Arterie kommt ala Stature aus der Tiefe hervor und theitt sich erst in der Ebene der Netzhaut m sei~e Aeste. Die Vene dagegen setzt sieh erst am Orunde einer ziemlich tiefen psysiologischen Excavatiou aus ihren Aesteu zusammen. Dabei liegen die Haupt- ~ste dcr Vene, besonders tier yon oben kommende, hinter tier Arterie and liegen derseiben nieht dicht an. :Sieht man r~ur kurze Zeit in's Auge hiaein, so kann es geschehes, dass toga wie hn rechtea Auge keine sponga~en Pulser~eheinungen wahraimmt. Bei eiaiger Geduld sieht man aber plStz~ieh lebhaften Vencnpul,s auftreten, der dann ebenfalls den unregeIm';~ssige~ Rhythmas der gerz-

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249

action wiederspiegett. Nach einer Weite hSrt die Pulsa-

tion auf, urn nach unbestimmter Zeit wieder aufzutreten.

An den hrter ien ist auch hier keine Bewegung irgend welcher Art wahrzunehmen. Durch leisen Druck auf den

Bulbus tritt in diesem huge immer erst der Venen- und

dann der hrterienpuls auf. - -

XV.

A u g u s t K e l l e r , 35 J., Hausknecht aus Ripperg

bei Walldfirn. Klin. Diagnose: Rheumatismus articu- lorum multiplex, pericarditis, stenosis aortae, insufficientia

valvulae mitralis. (Mitgetheilt yon Dr. S i c h t i n g ) .

Patient stammt aus gesunder Familie und war selbst his zu seinem elften Jahre stets gesund. In diesem machte er eine Gelenksa.ffection dm'eh, die einen sehr scldeploenden ¥eriauf nahm. Wiihrend derselben stellte sich eine totale Allopexie ein. Patient leidet schon seit sehr langer Zeit an heftigen Herzpalpitationen, selbst bei geringen Anstrengungen. Congestionen zum Kopf und Neigung zam Nasenbhten waren nie vorhanden, wold aber mttssiger Grad yon Dyspnoe, namentlich beim Treppensteigen. In spaterer Zeit iiberstand er einen akuten ~agenkatarrh. Yon da an besserte sieh sein Befinden, so dass er im Stande war selbst schwere Arbeit za versehen. Mitre Juni 1871 wurde er yon einem multipeln, acuten, mit ziemlichem Fieber einher- gehenden Gelenkrheumatismus ergriffen, wiibrend dessea Verlauf Periearditis und linkseitige Pteuritis m~ssigen Grades hinzntrat, so dass das Leben des Kranken in hohem Grade gefahrdet war. Naehtraglieh ist zu er- w~thnen, dass Patient wiederholt an kleinen Geschwiiren der linlden Cornea gelitten hat, welche daselbst tier greifende Narben zuriickgelassen haben. - - Patient ist

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250

yon mittterer Griisso, ~¢[uskulatur schtaff~ Knochenbat~ ziemlich gracil. Das Gesicht triigt das Gepriige einer geringen Anltmie, die Lippen zeigen einen Anflug yon Cyanose. Pulsationserscheinungen am Halse nicht vor- handen. Thorax ziernlich lung, aber finch. Respirations- Frequenz nicht verrnehrt, Patient athmet vorwiegend mit dem Zwergfell. Die ]inke Thoraxhi~lfte ist in der tIerz- gegend etwas vorgew~lbt. Daselbst ist drei Fingerbreit unterhalb der Papilla rnarnrnae etwas nach aussea eine systolische Erhebung der Tho~axwand zu sehem Zahlreiche Narben yon SchrOpfkOpfen auf der vorderea Brustwand. Der Leib welch, meteoristich aufgetrieben. Die unterea Extremit~ten etwas abgernagert; yon Hydropsien keine Spur. Der Urin hat ein spezifisches Gewicht yon 1014 und ist ohne Eiweiss. - - Die Per- cussion der vorderen Lungenabschnitte ist normal. Die Auscultation ergiebt beiderseits vollstfindig norrnales vesiculares Athmen. Dasselbe ¥erhalten zeigen die hinteren Absehnitte tier Lungen; nur nahe tier Basis der linken Lunge ist der SchalI ktirzer als an der ent- sprechenden Stelle der rechten. Das Athmungsgerausch, sowie der Pectoralfremitus sind daselbst abgeschw~cht (Residnen der abgelaufenen Pleuritis). Die Herzdi~mpfung beginnt am oberon Rande der dritten Rippe und rei~ht in ihrem L~ngsdurehmesser bis zurn oberon Rande tier sechsten Rippe. Der Langsdurchmesser bernisst sich danach auf 5 Zoll 10 Linien. Der Querdurchmesser beg'innt mitten auf dam Sternum und tiberschreitet die Papilla mamrnae urn etwa 1 Zotl, seine Breite betri~gt daher 5 Zoll. Yon einern Fremissement ist nirgend etwas zu sparen. An der Herzspitze hSrt man ein systo- lisehes Gerausch~ welches den schwachen, ersten Ton beinahe vollstandig verdeekt. Der zweite Ton ist voll- sti~ndig rein. ~ An der Tricuspidalis ist ebenfalls ein systolisches GerSuseh und ein diastolischer Ton zu h(iren. Jedoeh klingt der systolische Ton ziernlich deutlich durch und ergiebt sieh bei genauer Aus- euttation~ dass die SchallhShe des bier zu ver- nehrnenden Gerausches eine ganz andere ist, als di~ jenes Ger~usches, welches man an der 5vlitralis gehi/rt ha~. Niihert man sich yon dieser Stelle ans den Aorten-

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25t

klappen, so wird das Ger~iuseh starker und erlangt seine grSsste Intensitat iiber der Insertionsstelle der zweiten linken Rippe in das Sternum. Der zweite Ton ist voll- kommen rein und genau .begrenzt. Das systolische Aortengeriiussh pflanzt sich bis an die Pnlmonalklappe fort, woselbst beide TOne, der zweite etwas verstarkt, zu hgreu sind. An den Halsgef~issen vernimmt man eia schwaches, systolisches Gerguch und einen diastolischea Ton. -- Leber und Nilz zeigen normale Grenzen. Die Palpation des Unterleibs ergiebt niehts Abnormes. Der Iiadialpuls ist yon normaler Frequenz, welch, sehr teicht zu comprimiren. Yon Atherom der Arterien ist niehts zu entdecken. Der Puls der Arteria cruralis trod axil- laris ergiebt keine auskultatorisehen Phitnomene. Der Puls des Aortenbogens ist im Jugulum schwaeh fahlbar.

Die o p h t h a l m o s k o p i s c h e U n t e r s u e h u n g wurde ~or und nach der letzten Erkrankung im Sommer 1871 vorgenommen. Dieselbe war zu beiden Zeiten in Bezug auf die spontane Pulsation der Netzhautarterien vollo kommen negativ, so dass also weder bei reiner Aorten- stenose, noeh bei Complication derselben mit Mitral- insuffieienz Pulserseheinungen beobaehtet wurden. Das linke Auge konnte der Hornhautnarben wegen nur mit unvollkommener Genauigkeit untersueht werden; ffir das rechte Auge aber l~sst sich die Abwesenheit des Arteriea- pulses bestimmt behaupten.

XVt.

Aneurysma .

S t a l l m e i s ter J a k o b , 42 Jahre alt, mosaiseh, ver- heirathet, aus Zolkien in Galieien, wurde am 13. Juli auf Z. No. 102 des Allgem. Krankenhauses in Wien auf- genommen. Prim. Dr. S t a n d h a r d t n e r .

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252

Pat. leidet seit drei Jahren an Athembeschwerden, welche besonders beim schnellen Gehen und Stiegen- steigen l~stig wardem - - St. p. P. ist gat gebaut, m~ssig genahrt. Unterhautzellgewebe nicht besonders fettreich~ Muskeln gehSrig entwickelt. Thorax gut gewSibt, in ¢ler HShe der Brustwarzen 84 Cm. im Umfang. - - Die Per- cussion der Brust ergiebt rechts unter der Clavicala dem ersten Intereostalraume entspreehend D~mpfung. Links geht der helle volle Percussionssehall ~n der I~amillar- Linie his zum oberen Rande der fanffen Rippe. Von hier beginnt Dampfung his zum unteren Rande der seehsten Rippe. Horizontal gemessen erstreekt sich diese D•mpfung im ersten Istereostalraum yore reehten Sternatrande bis 1/2 Cm. ~ber den ]inken Sternalrand. Senkreeht gemessen erstreckt sie sieh yon der Incisura jugularis sterni bis zur Synchondrosis manubrii et cor- poris sterni. - - Die Herzd~mpfung geht in der linken Mamillarlinie yore untereu Rande tier vierten Rippe his zur Mitte der sechsten ~Rippe. Leer ist aber der PercussionsschalI innerhalb der eben genannten Grenzen erst 3 Cm. einw~rts yon der Mamillarlinie and bteibt so bis zur Mitte des Stammes. - - Der Herzstoss ist kaum zu sehen; am meistea f~hlbar ist er im v~erten Inter- costalraume, 2 Cm. einw~rts yon der Mamillartinie. Daselbst hSrt man einen dumpfen ersten und einen zweiten doppelten, l~tngeren, rauschenden Ton. Diese VerdoppeIung ist gegen den seehsten Rippenknorpel hia noch deutiicher zu hSren. - - ~m reehten Ventrikel sind ~iber dem vierten Rippenknorpel zwei dumpfe, aber rein abgesehlossene T~ne hSrbar. - - in der Palmonalarterie h5rt man fiber dem dritten Rippenknorpel einen durapfen, ersten Ton, unter dem zweiten Ton hSrt man daselbst ein seharf markirendes Gerausch, welches nach dem zweiten Rippenknorpel hia st~,ker wird. Knapp ober- halb der Synehondrose, zwischen Manubrium and Cor- pus sterni, ist ein kurzes, dumpfes, systolisehes Ger~usch vorhanden. Beide sind am reehten Sternalrande deut- licher zu hOren als links. ~ Aa der reehten Carotis communis ff~hlt man ein systoliehes Sehwirren, an tier tinken Carotis ein einfaches Heben. Doeh hSrt man aber ihr zwei Ger~asehe, und zwar ein tanges, systo-

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lisches, dem ein kurzes, diastolisches folgt. - - Drilckt man mit dem Finger in die Incisura jugularis, so fiihlt man bei jeder Herzsystole einea Anprall (pulsus); Fre- quenz des Herzsehlags 66 in der l~Iinute.

Rechts kommt der Axillar- und Radialpuls etwas friiher als links und ist starker. In der Cruralis sind die Pulserscheinnngen vollstandig gleieh. - - Perkutirt mail rilekw~rts, so geht rechts der helle, volle Percussions- schall 3 Cn~ iiber die nQrmale Grenze hinunter. - - Die Auscultation der Lunge zeigt rechts oben seharfes, rauhes Inspirium und Exspirium mit Schnurren, links eiu reines Inspirium und verlangertes Exspirium. -- In un- mittelbarer Nahe des Kranken hSrt man ein scharfes, sogenanntes traeheales In- uncl Exspirium.

, Diagnose: Aneurysma arcus aortae inter truneum brachio-cephalicum et carotidem sinistram. Emphysema pulmonis utriusque. - -

Am 15. Aug. 71. u n t e r s u c h t e i c h den P a t i e n t e n und n o t i r t e mir am 16ten fo lgendes :

Patient leidet seit mehreren Jahren an den Erfo]gen einer Larynxstenose, welche durch Aneurysma am Aorten- bogen bedingt se'~n soil. Der linke Radialputs schleppt etwas hinter dem rechten her und ist betr'~chtlich kleiner. Dasselbe ist mit dem Puls an den Carotiden der Fall.

Untersucht man das linke Auge, nachdem Atropia eingetraufelt ist, im aufrechten Bilde, so fallt zun~ehst ein lebhafter Yenenputs in~s Auge. Die Erscheinungea sind besonders lebhaft in einer kleinen centraten Exca- vation, an deren Rande die Centralvene yon der Arterie bedeckt in den Nerven hineintritt. Bei genauer Einstellung sieht man abel- ausserdem auch die deut- tichsten Volumschwankungen der Centralarterie und ]hrer grossen Aeste. Die Centralarterie schwillt massig rasch an, und f~ltt dann plStzlich zusammen, um dann gewisse Zeit hindurch ein unverandertes Volume]] zu behalten. Der Zeitpunkt der grSssten Anschwellung stimmt mit dem Radialpuls der linken Seite iiberein.

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Die gr~sste Ausdehnung der Vene foIgt rasch auf die Arteriendiastole~ tritt dana plStzlich auf, ~m dann lang- samer sich zu verengern. Da man dieht neben einauder die Erseheinungen der Arterien nnd Venen studiren kann, so kann fiber das Zeitverh~tttniss dieser einzetnen Er- scheinungen kein Zweifel gelten. Denkt man sich die Zeit yon einer Arteriendiastole bis zu andern ia zwSlf gleiche Theile getheilt, so wfirde das Zusar~lmensinken der Arterie etwa ~h: einnehmen. 7/i: oder s/l~ warde die Zeit betragen, in welcher die coatrahirte Arterie ihr kleinstes Volum~a beibehalt, ul~d et~'a 3/,~ _ wCirde alas Anschwelten de1" Arterie betragen. Bei der ¥ene w~ren die Zahlen dieselben, nur betr[ige das schnellende Anschwellen ~/12, sie bliebe dana 6/1~_ 7/~: der Zeit- einheit im Stadium der gr/Jssten Anschwetlung, um dana im ¥erlaufe yon 3 - - t /~ der Zeiteinheit sich allmalig auf ihr kleinstes ¥olumen zusammenzuziehen.

hus dem Gesagten ergiebt sich, dass man auch in diesem Falle die Abscissen der Pulseutve, ~ie sie bei Aorteninsufficienz vorkommt, mit dem Augenspiegel direct in Zahlen angeben kana

Am rechten Auge sine[ die Erseheinungen der Venenpulsatioa nut in sehr geringem M~asse vorhanden. Au den Arterien der Papille nimmt man nut bei der altergrSssten Aufmerksamkeit ganz minime Volum- schwankungen wahr. Die Arteriendiastole f~llt zusammea mit dem Radialpuls der rechten Seite, geht also derselbea Erscheinung im tinken Auge etwas voraas.

Unter der Annahme, dass der Patient an einem Aneurysma des Aortenbogens leidet, tassen sich die ge- schilderten Erscheinungen in ahnlicher Weise wie bei Aorteninsufficienz erklaren. Ja, es erscheinen selbst Schltisse auf den Sitz und die Ausdehnung des Aneurysma zul~ssig.

Nehmen wir zuerst an, dass die Subclavia and

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Carotis sinistra in den Sack des Aueurysma direct ein- miinden, so ist leichtverst~ndlich, dass sowohl der Carotiden- als Radialpuls dieser Seite kleiner ist, als der absoluten Blutmenge und der Herzcontraction entspricht. Das Sp~tterkommsu des Pulses an diesen bsiden Arterien im Vergleiche mit der rechten Seite, wiirde ferner die Annahme nSthig machen, dass die Anonyma nieht direct in den Sack einmi~ndet.

Wahrend der Herzcontraction tritt nun das Blut durch die linke Carotis iu das linke Auge; im Beginn der Herzdiastole schliessen zwar die Aortenktappen, der ansurysmatische Sack aber, dessert Wandungen jeden- falls wegen ihrer grossen Ausdehnung an Elasticitiit verloren haben mtissen, bildet nun ein Reservoir, in ~elches ein Theft des in die Subclavia und Carotis ein- getretenen Btutes regurgitiren muss. Der aneurysmatische Sack spielt also hier die Rolls des bei Aorteninsufficienz wiihrend der Diastole often bleibenden linken Herzens. ~igegen der Gleichartigkeit der Ursachen ist ss daher nicht zu verwundern, das auch die Erscheinungen ira %nnern des Auges vollst/indig analog sind.

Wi~hrend nun bei Aorteninsufficienz dieselbs Ursache ffir beide Augen in gleicher Weise besteht, ist dies bei einem Aneurysma des Aortenbogens, welches nur die Subclavia und Carotis sinistra in sich aufnimmt, w~thrend (tie Anonym~ in eine gesunde Pattie der Aorta ascendens einmtindet, nnr flit das linke Augs, oder nur vorzugs- weise fiir dieses der F a l l . - Dass trotzdem geringe Erseheinungen yon Aortenpuls auch am rechten Auge wahrzunehmen sin(l, lasst sich ungezwungen daraus er- kli~ren, dass das Anfangsstfick der Aorta, in welches die Anonyma sich einsenkt, auch wenn es ganz intakt geblieben sein sollte, in welter und oftener Communi- cation mit dem Aneurysmasacke steht, so dass ein Theil

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256

des ans der Anonyma herabfliessendes Blates naeh dieser Seite hin ausweiehen kann.

XVil.

Am 8. September 71. untersuchte ich die 42j~ihrige C ath. B. aus Heidelberg, die an Aortenaneurysma leidet. ~n beiden Augen fand sich spon taner A r t e r i e n - puls ohne s i ch tba ren ¥enenpuls . Letzterer liess sich auch dureh Druck nut schwer hervorrufen. Leider konnte die Patientin nicht bewogen werden, sich einer genauen Untersuchung der Brustorgane neuerdings zu unterziehen. Doch wurde mir als sicher mitge- theilt, dass eine Insuffieienz der Aortenklappen nicht vor- handen sei.

ia den vorstehend mitgetheilten Krankengeschichten ist in der Hauptsache nach das Material enthalten, auf welches sich die folgenden Auseinandersetzungen stfitzen.

Es geht aus ihnea hervor, dass bei reiner Aorten- Insufficienz mit und ohae betr~ichtliche Hypertrophic des linken ¥entrikels sich spontane Pulsationserscheinugea an den Arterien der Papille and der Netzhaut zeigen. Die einzige Ausnahme macht Fall 11.

In diesem war eine Complication mit andern Klappenfehlern nicht vorhanden. ]?agegen war Dr. S. za der Zeit, als seine Augen untersucht wurden, durch sein langes Siechthum sehr an~imisch geworden, und in Folge dessert auch der Radialpuls klein, welch, nicht

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htipfend. Es liegt daher sehr nahe, in der Aniimie des Grund ftir die Abwesenheit des spontanen Arterienpulses zu suchen.

In Fall 12 war die Insufficienz der Aorta mit Stenose derselben complicirt. Es tiberwog aber die Insufficienz bedeutend. Durch diesen Umstand mag es begrfindet sein, dass sich spontaner Arterienpuls sichtbar zeigte.

In Fall 13 lautet die Diagnose auf Insufficienz tier Aorta und der Mitralklappe. Spontaner Arterienpuls ist ,¢orhanden.

In Fall 14, dem einzigen, dem ich einen Sections- befund beiftigen kann, war wlihrend des Lebens Insuffi- cienz der Aorta, der Mitratis und ]3icuspidalis diagnosti- cirt worden. Die Section stiess aber diese Diagnose um und setzte an ihre Stelle: £neurysma Aortae ascendentis~ Endarteriitis chroniea, ttyphertrophia cordis, vornehmlich ]inks, Dilatation des linken Vorhofes, der rechten Herz- Abtheilung des Hohlvenensystems, mit Ausschhss jedea Klappenfehlers. Die Erscheinungen des spontanen Arte- rienpulses waren nicht vorhanden.

Fall 15 betrifft einen Kranken, dessen Augen zuerst untersucht wurden, als am Herzen eine nicht complieirte Stenose der Aorta diagnosticirt war. Erst spiiter ge- sellte sich eine Insufficienz der Mitralklappen hinzu, h~ beiden F~llen war keine Spur spontaner Pulsation wahr- zunehmen.

Fall 16 betrifft einen Kranken mit der Diagnose: Aneurysma arcus aortae inter truneum brachio-cephalieum et carotidem sinistram. Emphysema pulmonis utriusque. ]m linken Auge war lebhafter spontaner Arterienpuls vor- handen, wi~hrend er am rechten nur mit gr5sster Mtihc und sehr sehwach zu erkenneu war.

Fall 17 konnte leider nur unvollstiindig untersucht werden. Die Diagnose war auf Aorten.Aneurysma ohne Insufficienz gestellt, spontanerArterienpuls war vorhanden~

v. Graefe~s Archly ffir Ophthalmologie; XVIII~ 1. 17

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UO~

Aus alle dem geht mit ziemlicher Sicherheit hervor, class der spontane Arterienpuls fast ausnahmslos irx Augen yon Individuen gefunden wird, welche an Insufli- cienz der Aortenklappen leiden. Bisher wurde nur eir~ einziger Fall yon mir untersucht, in welehem er nicht vorhanden war, und handelte es sieh dabei um eiu hoeh- gradig anamisches Individium.

Meine Beobaehtungen stimmen daher ia diesem Punkte nieht ganz mit den Angaben ~'on Quincke~ ,~'eleher die Erseheinung fiberhaupt nut in ausge- sproehenen Fgllen des genannten Klappenfehlers unc[ aueh bei ein und demselben Individium nieht zu jeder Zeit fund. Naeh uaseren Untersuehungen weehselte der Grad der Siehtbarkeit allerdiags such mit der Erregtheit des Pulses, so dass s i r die Netzhautpulsation viel deut- !icher wahrnahmen, wenn wit den Patienten raseh eine Treppe hinauf und herunter gehen 1lessen oder die Herzaktion durch den Genuss yon AlkohoI erregt batten. Solehe Versuehe wurden mit Dr. S. (Fall 12) seiner Neigung zu tt~moptoe wegen nieht vorgenommen. Es muss daher dahin gestellt bleiben, ob vielleieht auch ia solehen Fallen die Erscheinung hervorgerufen werdea

kSnne. Leider ist das bisher ge~onnene easuistisehe Mate-

rial yon Aorteninsuffieienz, welehe mit andern KIappea- Fehlern eomplicirt ist, nut sehr klein, tn den beidea sub 12 und 13 anfgefahrten FMlea war abet die .voa der Insuffieienz abhangige Erscheinung des spontanen Arterienpulses ~orhaaden.

Yon den zahlreichen Herzfehlern, welehe ieh ausser- dem untersueht babe, habe ieh nur einen mitgetheiit, welcher eine Stenose der Aorta betraf. Wie naeh dem ¥origen ,~orauszusehen war, zeigte er die ia Retie atehende Erseheinung nicht.

Ein ganz besonderes I~teresse gegann mir der sub

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259

16 mitgetheilte Fatt ab. Ich untersuchte densetben, nachdem mir mitgetheilt war, dass Patient an einem Herzfehler leide, ohne abet die genaue Diagnose zu kennen, hls ich nun auf der linken Seite einen sehr deutlich wahrnehmbai'cn Arterienpuls entdeckte, ohne ihn anfangs im rechten Auge finden zu kSnnen, so kam ich auf den Gedanken, es k~nne das mit der verschiedenen Gefi~ssanordnung auf der rechten und auf der linken Seite zusammenhiingen. Da dies aber bei allen Indivi- duen der Fall ist, so liess ich diesen Gedanken wieder fahren und wurde naturgemi~ss vermuthungsweise auf alas Vorhandensein einer krankhaften Ver2~nderung ge- ftihrt, welche die Carotis sinistra vorzugsweise oder allein beeinfiussc, w~thrend der Truncus anonymas gar nicht oder in niederem Grade betheiligt sei. Es konnte dies nichts anders sein als ein hneurysma des horten- Bogens, welches die hortis sinistra und die Arterie sub- cla~'ia ~ sinistra in sich aufnimmt, w~hrend der Truncas anonymas nut wenig betheiligt ist. Es liegt auf der ttand, dass ich durcll die yon den Aerzten gestellte Dia- gnose: Aneurysma areas aortae inter Truncum bracha- cephaticum et earotidem iiberraseht war. - - Obwohl ich nachtr~iglich auch im rechten huge schwache Pulsations- Erscheinungen auffand, so liess sich dies auch ohne An- ~ahme einer Insufficienz der hortenktappen durch Eir~- ,,virkung des benachbarten hneurysma erkl~iren und war der auffallende Unterschied in der Deutlichkeit des Ph~- nomens sehon bedeutungsvoll genug.

In dieser Weise habe ich auch auf dem Heidelberger Congress (Z e h e n d e r ' s Monatshefte 187 l, p. 389.)die Sache uorgetragen. Ich hatte damals noch keine Kenntniss yon dem Ergebniss der w~thrend meiner Abwesenheit stattgehabten Section des E ichhor n (v. p.243). Wit hatten deft trotz der imLeben diagnosticirten Aorteninsufficienz keine spentanen Pulsationserscheinungen wahrnehmen kOnnen, und die Sec-

!7 ~

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tion hatte keinerlei Klappenfehler, dagegen ein Arterien- aneurysma ergeben. Es liegt desshatb nahe in Bezug auf Fall 16 auch zweifelhaft zu werden, und bei der Schwierig- keit der Diagnose ftir diesen Fall umgekehrt die MSg- lichkeit nicht auszuschliessen, dass das Aneurysma mit Aorteniasufficienz complicirt sei.

Dieselbe Erwi~gang gilt fiir Fall 17. Aus diesea Grfinden scheint es nicht zweckm~ssig, die Frage, ob beim Beginn der Herzdiastole ein Regurgitiren des Btutes in dem ancurysmatischen Sacke Start fiade oder nicht, welter, als es oben geschehen ist, zu discutiren. Es wird richtiger sein, eine reichcre Casuistik ~/bzu- warren.

Bevor ich nan daran gehe, die in Rede stehende Erscheinung des bei Aorteninsufficienz in der ~etzhaut auftretendea spontanen Arterienpulses zu beschreiben, wird eia kurzer Riickblick auf das, was man bisher Artcrien- und Yenenpuls im Auge genanat hat, zweck- m/issig sein. - -

Gleich nach dcr Entdeckung des Augcnspiegels hat H e l m h o t t z selbst nach sichtbarcn Zeicheu der Circu- lation im Auge gcsucht, bekennt aber (Beschreibung clues Augenspiegels lo. 34): ,Pulsation habe ich nicht mit Sicherheit erkennen kSnnen." I~ach ihm war Don- de r s der einzige, welcher sich dahin ausspricht, dass alas wiihrend der tterzdiastote in die Arterien eiu- strSmcnde Blut, dicse, wie er in einzclnen Fallen er- keimen konnte, ganz sicher etwas ausdehnt (Ueber die sichtbaren Erscheinungen der Blutbewegungcn im Auge, Grae fe ' s Archly I. t)-94). Mittlerweile hatten Van Tr ig t*) und Coccius**) an den Netzhautvenen und

*) Nederl. Lance~. 3. Ser. 2. Jahrg. BI. 456. - - S c h a u e n b u r g . Der Augenspiegel. 2. AufI. p. 4~.

**) Ueber die Anwendung des Augenspiegels. 1850 p. 3.~ Cocciu~ sagt p. 4. geradezu: Man meinte n~ml~ch Pulsiren an der

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261

E d u a r d J a e g e r an den Arterien Bewegungserschei- nungen wahrgenommen, welche, well sie mit den Herz- Contractionen denselben Rhythmus darboten, Venen-und Arterienpuls genannt wurden.

J a e g e r nahm in seltenen F~llen eine stossweise er- folgende gleichmassige Ausdehnung des auf der Papilla n. o. gelegenen Theites der Arterien w~hrend der Systole des Herzens, also synchronisch mit dem Pulse der iibrigen Arterien wahr. Die Erweiterung geschah sehr schnell, die Zusammenziehung tangsamer und dieser folgte die neue Ausdehnung unmittelbar, so dass nur im Momente der griissten Erweiterung eine Pause zu be- stehen schien. Bei einem Drucke auf den Augapfel schien die Erweiterung l~nger anzuhalten und folgte dann die Zusammenziehung bei weitem schneller, beinahe stossweise. Diese Beobachtungen wurden altseitig be- st~ttigt und yon v. Grae fe dadureh erweitert, dass er nachwies, wie man sowohl bei Thieren, als bei Menschen den Arterienpuls durch starken Druck auf das Auge allemal mit Sicherheit hervorrufen kann. v. G r a e f e erkannte ausserdem den Zusammenhang zwisehen Gtaukom und spontanem Arterienpuls und damit die eigentliehe Ursache desselben, den gesteigerten intraokul~ren Druck. Der vermehrte Widerstand, weleher dieser dem Eia- str6men des Blutes in das Innere des Auges entgegen- setzt, kann so gross werden, dass das Eindringen desBlutes iiberhaupt nicht mehr in continuirlichem Strom, sondern nur intermittirend geschehen kann. Was man also bisher spon- tanen Arterienpuls in der Netzhaut genannt hat, wfirde richtiger bezeichnet als intermittirendes EinstrJmea arteriellen Blutes in das Auge. Da dasselbe abet

Centraturterie gesehen zu haben. Bei meinen Untersuchungen abet konnte ich stets nut die Vene als alas Gefi~ss erkennen, welches Pulsationen zeig~e.

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framer w~thrend odor unmittelbar nach der Systole des ~erzens geschieht, so halt dies Ph~nomen den Rhythmus der Herzaktion ein, man kann'die Zahl der Herzcontrac- tionen an demselben ziihien, and da die andringende Pulswelle es ist, welche dem Blute noch Eingang in's Auge verschafft, so steht das Ph~nomen allerdings ia

einem sehr nahen Zusammenhange mit dem, was man sonst Arterienpuls nennt.

Etwas ganz Anderes ist es mit dem sogenannten Yenenpulse der Netzhaut. Die Erscheinung wird fol- gendermaassen beschrieben. (Mauthner 1. c. pag. 246). Unmittelbar vor dem Eintritte des Radialpulses beginnt die Yerengerung und das Blasswerden der Yenen, and zwar schreitet dieselbe yon dem Centrum gegen die Peri- t)herie fort, l~tsst sich aber nicht fiber die Papillengrenze ~erfolgen. Unmittelbar auf den Radialpuls folgt die Er- weiterung und Ftillung der Gefiisse, yon der Peripherie gegcn das Centrum bin. Ist die Vene auf dem Maximum der Erweiterung angelangt~ so folgt eine kurze Pause, worauf das Spiel yon :Neuem beginnt.

Die Erktiirung dieser Erscheinung ist folg~nde: In der Arterie ruft die Circulation des Blutes in der Regel keine wahrnehmbaren Symtome hervor. Trotz dem kann kein Zweifel dartiber bestehen, dass sich die Arterien des Sehnerven und der Netzhaut, wie alle tibrigen Arteriea des menschlichen K~rpers, wi~hrend der Systole des I-Ierzens sowohl in die Breite als in die Lange etwas ausdehnen; and in der That zweifelt .Niemand daraa (Coccius , S~el lwag, M a u t h n e r u.A.). Diese hus- dehnung tier Arterien kann nur mit ¥ermehrung des Blutdrucks in denselben einhergehen. Ehe sich derselbe nun durch die Capillaren in die Venen fortgepflanzt hat, wird ein Theil dieses vermehrten Blutdrucks der Arterien auf den Glask(irper iibertragen. In Folge des erhShten GlaskSrpers - - i. e. interaoculitren Druckes

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263

~erden die ¥enen crompimirt, und zwar da am ersten und leichtesten, wo in ihnen der Blutdruck am geringsten ist, d h. an der Austrittsstelle im Sehnerven. Denn in den ¥enen ist der Blutdruck um so geringer, je naher sie sich dem Herzen befinden.

Der sogenannte sichtbare Venenpuls ist also nichts Anderes als ein Index fiir den Arterienpuls, er ist e in yon tier Na~ur c o n s t r u i r t e r S p h y g m o g r a p h .

Schon Cocc ius (1. c. p. 16) nennt das Pulsiren der Centralvene ein telegraphisches Zeichen ffir das Druckverhiiltniss zwischen Augapfelinhalt und Sclera. ) ] [emorsky abet (v. G r a e f e ' s Archiv~ 11. 2. pag. 107) hat scharf hervorgehoben, dass der-sogenannte ¥enen- puls nicht ein Zeuge dcr Schwankungen des intraokuliiren Druckes sein kSnne, sondern dass im Gegentheile der intraokuliire Druck im normalen Auge immer ein und derselbe sei, und dass der Venenpuls nur der sichtbare Ausdruck flit die Wirkung jener Kr~fte sei, welche den Blutdruek im Auge reguliren.

Unter Venenpuls versteht nmn sonst aber in tier :Pathologie nur das Fortschreiten der Pulswelle dutch die Capillaren in die Vene oder ein Regurgitiren des Blutes aus dem linken Ventrikel in Vorhof und Vena cava bei mangelndem Schlusse der Tricuspidatklappe. Das yon tier Pulsation der Arterien abhiingige rhythmische An- und Abschwellen der Centralvene im Auge kann also nur in sehr uneigentlicher Weise Yenenpuls genannt werden.

Die oben ausfiihrlich im Einzelnen beschriebenen Circulationserscheinungen in den Augen yon Leuten, die an Aorteninsufficienz leiden, bieten dagegen Gelegenhei% fast alle die Qualit~ten des Pulses, welche man mit dem Finger an der Radialis ftihlen und z~hlen und mit dem Sphygmographen zeichnen kann, mit dem Auge wahr- zunehmen.

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Die Eigenthiimlichkeiten des Pulses in den Arteries1 werdea dadureh bedingt, dass in regelm~issigea Iatervatle~ ein gewisses Quantum Blur in ein System elastiseherRShrea geworfen wird, wodurch dieselben sowohl ia die Breite als in die L~nge ausgedehnt werden, und zwar bildet ~ieh dabei in den ArteHen gegen die Capillaren bin eine Bergwelle, hinter weleher im Arteriensystem keine Thatwette hersehreitet. ( L u d w i g , Physiologie II., p. ). Der Grund, aus dem die Thalwelle naeh tier Arterien- aeite bin ausbleibt, liegt darin, dass die Semilunarklappen im Momente der Herzdiastole die HShlung des Herzens absehliessen, also eine Entleerung der Arterien gegen das .~erz hin nieht stattfinden kann. Die im Arteriensysteme ~-erursaehte Bergwelle braucht nun zu ihrem Wege his zu den Capillaren eine gewisse Zeit, zeigt sieh also, je welter vom Herzen entfernt, um so sp~ter, in Arterien, welehe gleieh welt yore Iterzen entfernt sind, im Allge- meinen aber zur gleiehen Zeit. Jede Herzsystote ruft daher, wenn such etwas sp/iter, an jedem Orte des Arteriensystems eine Erweiterung und Verl~ingerung der Arterie hervor, welehe sich dem zuft~hienden Finger oder dem beobaehtenden Auge verrathe~ muss. Nan muss also an dem Arterienpulse die Anzahl tier Herz- Contraetionen z~hlen kOnnen.

Wenn das Herz sieh kr~iftig zusammenzieht, so wird .die Pulswetle in den ~.rterien eine grosse sein° Die Anschwellung sowoehl wie die Verl~ingerung des GeNss- rohres wird in diesem Falle betr~tehttieher sein, als wem~ sieh das Herz nut unvollkommen und sehwaeh eontrahirt. Nan muss daher mit dem Finger unterscheiden kSnnen, ob der Puls gross (roll) oder klein ist.

Der zuNhtende Finger kann ferner ein Urtheil da- rttber hervorrufen, in welehem Grade mittlerer Spanuung sieh die Arterien im gegebenen gomente befindet, und mau

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bezeichnet eine erhShte mittlere Spannung als Pulsus durus, eifie verminderte mittlere Spannung als Palsus mollis. Eine Arterie kann aber deshalb im gefiillten Zu- stande auch hart sein, well der Spannungsgrad, abge- sehen yon der Ffillung, auch yon dem Etasticit~ttscoeffi- cienten der Wandung abhangig ist.

Da das Herz erfahrungsgemiiss einen gleichen Urn- fang der Verkiirzung zu verschiedenen Zeiteu in ungleich kurzen Zeiten durchl~tuit, so erreicht es alas Maximum der Contraction versehieden schnell. Dies kann selbstver- st~ndlich durch den zufiihlenden Finger wahrgenommea ~erden und der Puls wird darnach als celer oder tardus bezeichnet.

Mit dem Sphygmographen ]~sst sich zuni~chst die AnzahI der Herzcontractionen bestimmen, und sodann fiber den Grad der mittleren Spannung und die Ftille des Arterienrohres relative Angaben gewinnen. Am ge- nauesten abet zeichnet er den zeitlichen ¥erlauf der Spannungsunterschiede in der Arterie w~hrend der D~uer tier Herzcontraetion (Systole und Diastole zusammenge- genommen). In einer mit dem Sphygmographen ge- wonnenen Curve sind die Abcissen aliquote Theile der Zeitdauer einer Herzcontraction, wahrend die Ordinaten der Ausdruck fiir die Locomotion, die hnschwellung un4 die Spannung des Arterienrohres sind. Der ansteigende Ast der Curve repr~isentirt die Systole, der absteigende die Diastole des Herzens. An dieser lassen sich aber in den meisten Fallen zwei Theile unterscheiden, ein steilerer und ein sehr ]angsam der mittleren Spannungs- grSsse sich ann~hernder. Der erstere entspricht der plStzlich mit der Schliessuug der Semilunarklappen ein- tretenden Spannungsverminderung, der letztere ist um so grSsser , je langsamer alas Herz schIiigt. - -

¥on den vier Qualit/iten des Pulses, welche mit dam Finger zu filhleu sind und die der Sphygmograph zeichnet,

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kann man nun bei Aorteninsu.fficienz, wie aus den oben aus~ fiihrlich mitgetheilten Beobachtungen hervorgeht, direk~ die Anzahl der Herzcontractionen mit dem Auge wahr- nehmen, beurtheilen, wie stark die Arterie dabei ausge- dehnt wird und ob sie rasch oder allmalich anschwillt ~ and sich verlangert. Nur den Grad der mittleren Spannung, den pulsus mollis und durus kann man nicht erkennen. Es geht daraus hervor, was ich zuerst nach- weisen wollte, dass, wena wir die bei Aorteninsufficienz a~ den Netzhautarterien sichtbaren Bewegungserschei- nungen als Arterienpuls bezeichnen, wit dabei das Wort ,Puls" in dem allgemein gebrauchlichen Sinne aa- wenden.

Wenn ich nun zu der zweiten Frage fibergehe, wo- her es komme, dass man die yon den Herzcontractionen abh~ingigen Bewegungsvorgiinge, die man in normalen Augen bisher vergebens gesucht hat, bei Aortenincuffi- cienz regelmassig fin(let, so muss ich etwas welter ausholem

Ich erwiihnte oben schon, dass H e l m h o l t z ver- gebens nach dem Arterienpulse in der Netzhaut gesucht habe, und dass nar D o n d e r s ihn in einzelnen Fallen wahrgenommen haben will. Dies ~-ielbesprochene Factum wurde yon den Einen dadurch erkliirt, dass die mit dem Augenspiegel zu erreichende VergrSsserung zu klein sei, wahrend Andere die Ursache darin sahen, dass die Dickezunahme der Arterien yon dem Kaliber der Netz- hautgefasse sich iiberhaupt der Wahrnehmung entziehe. Um diese Angaben zu prtifen, habe ich am bIosgelegtea Froschmesenterium Arterien yon der Dicke der Netz- hautarterien unter 15maliger YergrSsserung betrachtet und gefnnden, dass man an ihr die Pulserscheinungen atlerdings oft gar nicht oder nur schwer, an vie1 kleinerea aber sehr woht wahrnehmen kann, Ic~ komme anf diese

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Untersuchungen spfiter noch weitl~uffiger zuriick und wollte bier nur erwiihnen, dass die oben angegebenen Griinde nicht stichhaltig sind. Man k~innte allerdings einwenden, dass die Verh~tltnisse beim Frosch andere, namentlich die Schwankungen im Kaliber grSssere sein kSnnen, als beim Menschen. Es kommt wohl aber noch etwas anderes dabei in Betraeht. Am ausgespannten Frosche babe ich ein ruhiges Object und betrachte es in aller Musse durch ein auf dem Tische feststehendes Mikroskop, wiihrend ich selbst ausserdem noch meinen Kopf sttitzen kann. Bei der Augenspiegeluutersuchung bewegt sich der.Kopf and alas huge des Untersuchten~ jedes ffir sich, die Hand, welche den Spiegel h~tlt, macht ira gtinstigen Fall die Pulsation des eigenen Herzens mit, und ausserdem sind das eigene Auge und Kopf nicht absolut ruhig. Es scheint mir ausser Zweifel, dass diese Umst~inde mit zur Erkt~irung des auffallenden Factums heranzuziehen sind.

Es scheinen mir ferner die fotgenden Betrachtungen yon Ludwig (Physiologie, II. p. 110) bier anwendbar zu sein.

Die Ausdehnung der Arterie geschieht, wie dies namentlich an einem blosgelegten Gef~isse siehtbar wird~ ebensowohl nach der Litnge als nach dem Durchmesser. Die Anschwellung nach der letzteren Richtung ist jedoch weniger augenfallig, als die Ver~ngerung, welche sich durch eine Bewegung der bisher gestreckten Gefasse besonders einleuchtend iiussert. Dieser Unterschied ist einmal begriindet in der meist geringen Dehnbarkeit naeh der queren Richtung und n~tehstdem dadurch, dass das blosgelegte Gefiiss nach der L~inge hin mehr )Iaass- einheit sehen l~tsst, als sie der Peripherie der Arterie zukommen; wenn also' die Ausdehnung, welehe die Arterienwand nach beiden Richtungen hin erffi, hrt, relutiv gleieh gross ist, so wird doeh die naeh der L~inge absolut bedeutender sein."

¥ielleicht hubert Diejenigen, welche nach sichtbaren Zeichen der Pulsation in der Netzhaut gesucht hubert,

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ihre Aufmerksamkeit mehr auf die Di6kezunahme ats auf die Yerl~ngerung des Gef~ssrohres gerichtet. Und in tier That lasst sich am Frosehmesenterium die letztere leichter erkennen als die erstere.

Ich hatte meine Versuche zuerst an der Schwimm- haut des Frosches angestellt, zog aber bald, nachdem ich einmal auf den Rath yon Prof. Arno ld das Mesenterium untersucht hatte, dieses vor. Meine Angaben beziehen sieh daher fast ausschtiesslich auf dieses. Die FrSscbe waren nicht curarisirt.

An den gr6sseren Ar[erien des Mesenterium ist ein Dicker- und Diinnwerden nicht zu erkennen. Immer fiillt abet in der Bluts~ule eine rhythmische Beschleuni- gung der Bewegung auf, w~hrend das Blut in den Venen continuirlich fliesst. Zu Irrthtimern kSnnte nut ein mit der Respiration zusammenfallendes Zittern des ganzen :Netzes geben.

Wiihrend man also in den grSsseren Arterien die Dickenzunahme nicht wahrnehmen kann, gelingt dies leicht, weun mail da, wo sich eine Arterie, ehe sie in die Darmwand tibertritt, in mehrere Aeste theilt, unmittet- bar vor der Theilung eine Stelle fixirt. Der Rhythmus entspricht der Herzcontraction. Da man aber beim Frosch den Puls nicht ftihien kann, so muss man das Herz bloslegen, um das rhythmische Dickerwerden der Arterien des Netzes mit der Frequenz der Herzsontrac- tionen vergleichen zu kSnnen.

Au einer Stelle, wo die drei Aeste einer Arterie unter verschiedenen Krtimmungen auf die Darmwand tibertraten, fiel die Erscheinung der Locomotion der Arterie besonders in~s Auge. Wiihrend tier Herzsystole ~verden die Krfimmungen st~trker, w~hrend der Diastole strecken sic sich mehr. Macht ein Ast Kriimmnngen zweiten Grades, d.h. kriimmt er sich nicht blos in tier

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Ebene des Mesenteriums, sondern steigt er zugleich aueh an der Darmwand in die HShe, so ist die Erscheinung noch viel lebendiger.

Wir fanden bald ein einfaches Mittel, beide Erschei- nungen st~trker hervortreten zu lassen. Es war nur nSthig, durch irgend ein Reizmlttel, ein Tropfen destit- lirten Wassers gentigte, den Darm zur Contraction za bringen. Das rhythmische sich Schl~ngeln und Breiter- werden dsr kleinen Arterien nahm dann einen geradezu hiipfenden Character an. 0ffenbar waren durch die Con- tractionen des Darmes die zu tiberwindenden Wider- stimde lokal vermehrt, u n d e s traten Verhiiltnisse ein, wie wenn man bei manometrischen Versuchen an Arterien- st~mmen einzelne Aeste unterbindet. Es ist ja ohnehiu schon bekannt, dass kleine Arterien, welche im ~ormal- zusande niemals pulsiren, sehr heftig schlagen, wenn ihr zugehSriges Capillarensystem geschlossen oder verengt ist (Ludwig , L c. p. 116).

Erw~thnen will ich bier noch, dass wir sodann dem Frosch dis Herzspitze abschnitten, um zu sehen, wie sich die Pulsph~nomene an den Arterien verhalten wiirden. Die Erwartung, dass sich sin ithnlicher Zustand wie bei Aorteninsufficienz einstellen werde, erftillte sich nieht. Die Pulsationserscheinungen wurden nicht altein nicht sichtbarer, sondern verschwanden ghnzlich, gleich- zeitig nahm das Lumen der Arterien etwas ab, und ver- schwanden fast atle Krtimmungen, so dass atle Aeste einen gestreckten Verlauf zeigten.

Das Blatquani~um im ganzen KSrper musste natiir- lich durch das Yerbluten allm~thlich abnehmen, in tier Er(iffnung der Herzkammer musste ausserdem ein weiterer Grund tiegen, dass bei jeder Herzcontruction sehr viel weniger t21ut in die Arterien hineingepresst wurde. Der Druck, unter ~elchem das Blut in die peri- pheren Arterien hineingelangte, ~'ar offenbar zu gering,

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um das Arterienrohr seitlich und in die Ltnge auszu- dehnen, um den Muskeltonus und die Elast.ieit~t der Arterienw~nde zu t~berwinden. An der rhythmisch un- gleichen Geschwindigkeit, mit welcher sich die Blut- kSrperchen fortbewegten, konnte man aber immer noch die Frequenz des Pulses z~thlen. Die ganze Erscheinung war jetzt so, wie m a n sie in e inem S y s t e m yon s t a r r e n R S h r e n e r w a r t e n muss te .

Dabei +~ar es sehr merkwiirdig za sehen, wie so- woht in den Arterien als in den Venea, vorzugsweise aber in den letzteren, sieh die weissen BlutkSrperehen massenhaft an den Gethssw~tnden ansammelten und sehr bald aueh in grossen Sehaaren dureh die Gef~ssw~nde hindureh dr~ngten, so dass die Lymphseheiden tier Venen sehr bald zahlreiche weisse BlutkSrperehen enthielten. Dasselbe fund aueh in den kleinsten, den Capillaren zu- nachst stehenden Venen start." Eie eigentliche dureh Anfiillung mit weissen BlutkSrperehen bedingte Trom- bose wurde aber nicht beobachtet.

Naehdem ich die Erscheinungen, wie sie in der alensehliehen Netzhaut bei Aorteninsuffieienz und am blosgelegten Froschmesenterium, sieh darbieten, studirt und die Charaktere und Orte aufgeflmden hatte, an deneu man die Pulsationserseheinungen am leiehtesten wahr- nimmt, wandte ich mich begreiflieher Weise yon Neuem tier Untersuehung normaler mensehlieher Augen auf Pulsationserseheinungen zu. leh wusste sehoa seit Jahren, dass unter Umst~nden bei ganz gesunden Augen und Individuen Bewegungen an den Netzhautarterien siehtbar werden, und hatte aueh sehon far eine gewisse Art you Bewegungen detl Grund gefunden. In nieht gar seltenen Fallen ist das gegenseitige Lageverh~ltniss yon Yene und Arterie auf der Papille tier Art, class Be- wegungen tier Vene sieh tier Arterie mittheilen mCtssen, und man sieht in tier That in solehen Fallen die Arterie,

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wean man sich so ausdriicken will, pulsiren, d. h. die Arterie macht die Bewegungen der Vene mit. ~atar- lich l~sst sich an der Art der 13ewegungea leicht er- kennen, dass dieselbe eine mittgetheilte ist. ~ach dem, was oben iiber den sogenannten Venenpuls gesagt wurde, collabirt die Yene wahrend der Arteriendiastole uncl dehnt sich wahrend der Systole der Arterien aus. Ware also die in un,erem Falle sichtbare Bewegung yon tier Pulswelle direkt abh~ngig, so masste ein alternirendes An- and Abschwellen der Arterie and Ye~e stattfinden, das Charkteristische der ,)ben erw/ihnten Erscheinung besteht aber gerade darin, dass die Arterie und Vene gleichzeitig sich ausdehnen und zusammenfallen.

Es mag nun sein, dass ich auch frtiher schon in manchen Augen gcsunder Individuen wirkliche Pulser- scheinungen wahrgenommen und ohne viel Kritik die- selben in gleicher Weise mir erklart habe. Ich war ge- lehrt worden, man sehe den Artcrienpuls in normalea :hugen nicht, und erkl~rte iha demnach, wo ich ihn den- noch sah, ftir yon den ¥enen fortgeleitet. Es ist ja be- kannt, wie gross der Einfluss des Autorit'~tsglaubens ist. Sehr auffallend ist es mir wenigstens gewesen, class ich die Augen der Herren P u g i n und H. in frfiherea Jahren wiederholt untersueht hatte, ohae dass ich die so leicht sichtbaren Bewegungserscheinungen an den Arterien fiir etwas Anderes als durch den sogenanntea Venenpuls verursachte Locomotionen gehalten hatte. Im vorigen Sommer fl'eilich, als ich mit der Erscheinang vertraut war, fiel mir der Unterschied sogleich in die Augen.

Andererseits ist es mir jetzt abet auch gelungen in einigen ganz gesunden Augen nicht herzkranker Personen ganz anzweifelhafte rhythmische Anschwellungea and Locomotionen an den Arterien der Papille und der Netz- haut aufzufinden.

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XVIII.

So babe ich mir besonders yon ether Dame aus Mannheim (Fall 18), M. K., 48 J., die an Blennorrhoea sacci tacrimalis litt und desshalb operirt wurde, notirt, dass in ihren beiden Augen an den Arterien der Papille und an den grSsseren Netzhautarterien unzweifelhaftes Breiterwerden und stiirkeres Krfimmen unmittelbar nach jeder Herzsystole zu beobachten war. Die Dame war kr~ftig, sonst gesund, litt wenigstens nicht an Aorten- Insufficiehz un(l die Anordnullg der Venen und Arteriell auf der Papille war so beschaffen, dass an eine Fortleitung des sogenannten Venenputses auch in dem Falle nicht zu denken gewesen w~ire, wenn eta solcher sich iiberhaupt

gezeigt h~tte. W~hrend in diesem ]?alle ein Grund ffir das Sicht-

barwerden des Arterienpuises nicht erkannt werdea konnte, glaube ieh in einigen anderen denselben in ether besonderen Gef'ttssaaordnung gefunden zu habea.

XIX.

T h e o d o r Tr., 27 J., aus Schwetzingen. - - Prot. N. 1349, 21. VII. 1871, consuttirte reich wegen Mouches volantes am r. A. - - Ich fand E und S:°/~o o. n. P. D° 60 m~- Ftir die Ferne war leichte dynamische Insuffieienz, far die Nahe dynamisches Gleichgewicht vorhanden. Am rechten Auge war spontaner Venen- und Arterienpuls, wie bet Aorteninsufficienz ~'orhanden. Die Anordnung der Gef~sse war sehr eigenthtimlich, sie ist desshalb in beistehender Figur abgebildet. Der Stature der Central- Arterie steigt ohne sich zu theilen bis in oder gar tiber

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die Ebene der Netzhaut gegen den GIaskOrper vor uad: zerf~llt h]er fast ganz in derselben HOhe in vier Aest% weIche nun rechtwiakelig abbiegen mfissen oder wohl gar in eiaem ein wenig spitzen Wiakel nach r•ck- warts laufea. Bei jeder Herzsystole schiebt sieh nua wie in Fall IV.pg. 229 der ganze Gef~ssbaum ruckweise in den GtaskOrper hinein und diese stossweise Bewegung ist ft~r das Auge leicht sichtbar. Der Orund scheint darin zu liegen, dass wegen der rtickl~tufigen Anordnung der vier Aeste an der Ursprungstelle derselben der Blut- bewegung ein bedeutend erhShter Widerstand entge-

42"

gengesetzt und dadurch eine nicht unbetrachtliehe Loco- motion zu Stande gebracht wird. - - Am linken Auge ist die Gef~ssanordnung auf der Papille eine ganz andere~ tier gew~hnlichen gleiche und ~'oa spontanem Arterien- pulse auch nicht das Geringste zu sehea.

Die HerztSne sind ganz rein, kein hebender tterz- stoss etc. - -

Es muss dahin gestellt bleibeu, ob die Mouehes volantes, welcbe Herrn Tr. vei'aulassten, sich yon einen~

"4. Graefe's Archly ft~r Ophtb~Imolog]% XVIII~ 1. i 8

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Augenarzt untersuchen zu lassen~ mit dem spontanea Aterienpulse zusammenhfi~geu eder nicht. Eine ander- ~eitige Ursache war nicht aafzufinden.

XX.

Einen zweiten ganz analogen Fall (20) beobachtete ich an einem 26j~hrige~ jungen M~dchen, L. G., der ich im Februar dermoidartige Geschwtilste veto Limbus conjunctivae exstirpirte. Auch hier war E m i t normaler S an beiden Augen vorhaaden and im rechten Auge bei ~hnlicher Gef~ssanordnung wie oben deutlicher spentaaer Arterienpuls vorhanden. Kein Herzfehler, keine subjec- riven Symptome, insbesondere keine Mouches volantes. - -

Die Erscheinungen, wie sie am Froschmesenterium ~ich darbieten, zeigen aIso eine wesentliche Ueberei•- ~timmung mit dem, was man in gesunden Augen ge- sunder Menschen beobachtet. In Arteriea you einem gewissen Caliber erkennt man cinc Dicken- uad L~ngen- Zunahme nicht. Treten aber local vermehrte Widerst~rlde auf, so pulsiren Arterien ~'on einer Feiaheit, an denea man sonst keine Pulserscheinungen kennt.

Es war mir nun veto griissten Interesse, zu wissen~ ~9b sich nicht in Augen, in deren Netzhaut aus pathole- gischen Griinden Circula~ionshindernisse vorhanden wiiren, Pulserscheinungen auffindea liessen. Durch die Giite des .Herrn Dr. 5 ia ie r in Carlsruhe hatte ich Gelegeaheit, eine Patientin zu untersuchen, in deren linkea Auge diese meine Vermuthung best~ttigt wurde. Ich lasse zu- n~tchst die mir yon ihm mitgetheitte Krankengeschichte ~olgen.

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XXI.

Frau K a e r c h e r aus Erfingen, 45 aahre alt, hat 12 mat geboren; sechs Kinder starben, vor 12 $ahrea nach dem Tode eines h~eugeborenen litt sie monatelang an Gemiithsdepression, Beklemmnngen, Angstgefilh[ Schlaflosigkeit und hgufigem Herzklopfen. Seitdem neigte sie zu oft auftretenden starken IIerzpalpitationen. Daztt traten im Winter 1870 Kopfsehmerzen, Sausen im Kopfe, und klingende Gergusche in den Ohren. April 1871 (12 Wochen vor dem Eintritt in die Anstalt) hatte sie beim Arbeiten aui dem Felde plStzlieh des Geftihl, wie wenn etwas in's kuge geflogen w~re, Vernebelung mit einem dunkelen Schatten im oberen inneren Quadranten des 1. Sehfeldes, verbunden mit lebhaftem Flimmern. Sehscharfe bei der Anfnahme gleieh WTo, Igr. 13 feinst.

GeringesFettpolster,Muskulatur gut entwickelt, m~ssige Sehwellung der Schilddrase. Lunge und Leber bietea nichts Abnormes. Herz-Choc ist am starksten fahl-uncl sichtbar 1~" nnter der Brustwarze, yon dort bis an die Herzgrube herein deutlich ,ichtbare Hebung und Senkung, am linken Sternalrande his in den dritten Intercostai- raum fahlt man den Choe noch, ebenso 1" naeh aussen yon der Brustwarze.

Die ganze betreffende linke Brustpartie, zwischen 3. und 7. Rippe ist etwas gewSlbter wie rechterseits. Pnls an der Radialis, Carotiden und in der Supraelavi- culargrube sehr energiseh, sehnellend und nur durch starken Druek comprimirbar. An der rechten Radialis, ebenso Carotis etwas yeller wie linkerseits. An tier IIerzspitze beide TSne h6rbar, ohne Gerausehe. Pnlmo- halls 1. Ton matt, 2. stark etwas klingend. Aorta 1. Ton etwas starker wie tier 2.

Percussion bet mir nichts Abnormes.

A u g e n s p i e g e l - U n t e r s u c h u n g .

Sehnerveneintritt normal gefarbt, rings um densetbea zeigt die l~etzhaat feine Tr~ibung, die nach innen yam

18,

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Sehnerven raseh sieh verliert; in der ausseren Netzhaut- h~lfte ist der Bezirk zwischen den zwei Hauptvenen, die yon oben und unten zum Sehnerven ziehen, graurSthlieh getrabt, gegen die Peripherie, besonders naeh aussen unten nimmt diese Trt~bung an Diehtigkeit zu und die ChorioidealgeNsse sind dutch dieselbe vollst~tndig ,¢er- deekt. Die zur ausseren Netzhaut ziehenden Gefgsse sind, sobald sie die Papille verlassen, anf~,ngtieh stellen- weise dutch diese Trgbung etwas gedeekt (die arteriellen zeigen theilweise weisse Streifung), und heben sieh dann in Wellentinien verlaufend dunkelroth yon dem triiben Grunde ab. Die ganze Pattie prominirt und erseheint dea+~lieh im aufreehten Bilde. Naeh unten fallt die Pro- minenz raseher ab: wie naeh oben, so class die yon dem angrenzenden gesunden Netzhauttheit kommenden Gef~sse stark bogenfSrmig herfiber greifen. Die Chorioidealge- f~tsse der Umgebung sind stark erweitert. Hier und da sieht man in der Netzhaut kteine runde hellglitzernde Pm~kteo

Aus dieser Krankengeschichte folgt zunachst, dass die Kranke an Hypertrophic des linken Ventrikels leidet. Das ophthMmoskopische Bild der Netzhautabl6sung ent- sprach dem gew0hnlichen Befnnde bei einer Abl~sung durch serSse Exsudation nicht. Es lag nahe, an einea subretinalen Tumor zu denken. Aueh der Gedanke, dass es sich um eine partielle Embolie der Netzhautgefitsse handle, dr~,ngte sich unwfllktihrlich immer wieder au£ Ieh weiss aber mcht, ob sich seitdem die Diagnose hat sieher stellen lassen, da ich nichts wieder yon der Patientin gehSrt habe.

An den kleinen Arterien nun, welehe aa der in den Glask~rper preminirenden Netzhaut emporstiegen, liessea sieh die lebhaftesten Pulserseheinungea wahrnehmen, die die aliergrSsste Aehnliehkeit mit tier htipfenden Be- weglichkei~ der kteinen ~tesenterialarterien bei sieh contra-

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hirendem Darme darboten. !ch habe reich seitdem bei allen mir zu Gesicht kommenden h-etzhautablSsu~gen vergebens nach dieser Erscheinung wieder umgesehen. Einen subretinalen Tumor hatte ich nicht wieder Ge- tegenheit zu untersuchen. Es liesse sich aber denken, class gerade bei der Entwickelang eines solchen die zum Zustandekommeu local vermehrter Widerst~tnde im Kreis- laufe nothwendigen Bedingungen sieh finden.

Alles bisher Besprochene l~isst eine directe Be- ziehung auf die Verhaltnisse, wie sie bei Aorteninsuffi- cienz bestehen, nicht zu, und wenn es sich datum handett zu erfahren, wodurch hier die Bedingungen zum Auf- treten sichtbarer Pulsationserscheinungen gegeben sind, wird es das Kiirzeste sein, zu untersuchen, in wie fern sich die Circulationsverh~tltnisse bei Aorteninsufficienz yon den normalen unterscheiden. Wir sahen oben, class bei gesundem Herzen dig Eigenthiimliehkeit der Puts- welle in den Arterien darin besteht, class wegen des Schlusses tier Semilunarklappen der Bergwelle in den Arterien keine Thalwelle folgt. Dies hat fiir den Unter- schied in dem Dickendurchmesser der Arterien w~thrend des ganzen Verlaufes einer Welle zur Folge, dass sich die Arterie bei der gr6ssten Dickezunahme nur um den Welten- berg yon der mittleren Ausdehnung unterscheidet, also nur die Amplitude einer hatben Welie zur Geltung kommt.

Anders ist es bei der Aorteninsufficienz. Hier schliessen die Klappen beim Beginn der Herzdiastole nicht, hier folgt bis zu einer gewissen Entfernung yore Herzen, indem ein Theil des in die Aorta geworfenen Blutes in den linken Ventrikel regurgitirt, auf den Wellen- berg ein Wellenthal, und sowohl beim Puisfiihten als beim Zeichnen der Pulscurve kommt die ganze Amplitude zur Geltung. In Folge dessen ist der Unterschied im Diekendurchmesser w~thrend der Systole und w~thrend tier Diastole ein griisserer als bei sehliessenden Klappen.

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Schon hieria ]iegt der Grund, dass die Yeriinderungen im Durchmesser der Arterie~ die durch den Puls hervor- gebracht werden, leichter wahrgenommen werden kSnne~o

Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass auch das schnelle hnsteigen der Pulscurve (Pulsus celer), die grSssere Geschwindigkeit also, mit welcher die Differenzea im Durchmesser eintreten, die Wahrnehmbarkeit des Phanornens erleichtert.

Die Steilheit der Pulscarve ist wesentlieh bedingt durch die Hypertrophie des linken Ventrikels, welche die Aorteninsufficienz bei liingerem Bestande immer begleitet. Es erscheint nun yon vornherein als wahrscheinlich, dass bei erh5hter Herzaction die Circulationserscheinungen leichter sichtbar werden, als wenn dieselbe nieht vorhanden ist. Damit stimmen auch die Angaben yon Quincke , welcher die Pulserscheinungen bei demselbea Individuum nicht immer gleich deutlich gesehen hubert will. Mit einer gewissen Einschriinkung, wie obea schoa angefiihrt wurde, lassen sich auch meine Beobachtungea damit in Einklang bringen. Ueberbaupt liisst sich die Frage so stellen, ob eine einfache Insufficienz der Aorten- klappen gentige, das in Rede stehende Phiinomen hervor- zurufen, oder ob die consecutive Hypertrophie sich aus- gebildet haben mfisse, damit der Puls in der Netzhaut auffMlig werde. Urn diese Frage zu entscheiden, kann ein zweifacher Weg eingeschlagen werden.

Die klinische Beobachtung wiirde die Frage ent- scheiden, wenn F~tlle zur Untersuchung k~men, in denea eine Herzhypertrophie nech nicht eingetreten ist. Aus diesem Grunde babe ich die oben mitgetheiltea Kranken- Geschichteu nach der St~rke der Entwickelung der Herz- Hypertrophie geordnet. Im Fall 10 ist sowol die Insuffi- cienz als auch die consecutive Hypertrophie am wenigstea ausgebildet. D a a b e r eine geringe Hypertrophie auch bier schon nachweisbar ist, so kann ich bei dem mir

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gegenw~irtig zu Gebote stehendea BeobachtungsmateriaIe eiuen entscheidenden Ausspruch nicht thun. Es ist mir auch daran gelegen gewesen, zu erfahren, ob umgekehrt eine stfirmische Herzaction allein, mit und ohne Hyper- trophie des linken Yentrikels, Pulsationserscheinungen in der ~Netzhaut sichtbar machen kiinne. Bei Kindern und Erwachsenen babe ich nach raschem Stiegensteigen, nach Springen und Tanzen die Augen danach vergebens untersucht. Ein exquisiter Fall yon tIypertrophie des linken Yentrikels ohne Klappenfehler hat mir, seitdem ich darauf aufmerksam geworden bin, leider nicht zur Yerftigung gestanden. Ich erkenne darin allerdings eino Lticke meiner Beobachtungen.

Der andere Weg, der einzusch|agen ware, ist tier Weg des Experiments. Quincke hatte reich schon dar- auf aufmerksam gemacht, dass man das Herz bloslegen und durch Festnahen einer Aortenklappe eine kfinstliche Aorteninsufficienz hervorbringen kSnne, bei der dann so- gleich die auscultatorischen Zeichen einer Aorteninsuffi- ¢ienz sich nachweisen lassen. Man kann die ErSffnung des Brustkastens umgehen, wenn man bei Hunden voa der linken Carotis aus mittelst eines Glasstabes bis ia den linken Ventrikel vordringt und eine oder mehrere Klappen zerstiirt. Wir haben derartige Versuche auf den Rath yon Kiihne in dessert Laboratorium angestellt und uns yon der Ausffihrbarkeit iiberzeugt. Da die ¥er- suche noch nicht zu einem Abschiuss gediehen sind, so kann ich bis jetzt auch auf diesem experimentellen Wege die oben aufgestellte Frage nicht entscheiden. Ich hoffe aber dahin zu gelangen und betrachte das Vorstehende als eine vorlaufige Mittheilung fiber diese ¥ersuche (23. Miirz 1872).

Es l~sst sich also gegenwi~rtig nicht mehr sagen, als dass wahrscheinlich die Insufficienz der Aortenklappen~, also das Regurgitiren yon Blut in den linken Ventrikel

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wAhrend der Diastole des Herzens, eine nothwendige Bedingung ffir d~s in Rede stehende Phinomen ist, dass dasselbe abet bei bestehender Insuffieienz dureh hinzu- tretende Hypertrophic des tinken Ventrikels sebr viel deutlicher gemacht wird.

Ich habe angegeben, welche Stellen aufzusuchen sind, ~,enn man Pulserscheinungen im Auge seben wilI. Die Dickezunahme der Arterie l~sst sieh am leicbtestea wabrnehmen unmittelbar vor einer Theitung, and hier ~vieder um so idchter, je grOsser der Winkel ist, unter dem der Ast abgeht. Man trifft die Erseheinung biufiger auf und in tier Nihe der Papille, als in der Peripherie. :Die Lingenzunabme des Arterienrohres, die Zunahme der Krt~mmung und Schl~ngelang, die Locomotion fillt leichter in's Auge in der Peripherie der Netzhaut, also in den kleineren Arterien, und unter besonderea Um- stgnden auch auf der PapilIe. 8o wenig nan fiber die £rklarung der Locomotion einer SfJrmig gekrtimmtea 8telle bei VerIi[ngerung des Arterienrohres hinzuzuffigen ~st, so sehr bedarf die Bem'theilung einer Diekezunahme des Oefisses einer weiteren Auseinandersetzung. Gerade bier fNlt die UnmJglichkeit, scharf and rutfig zu fixiren, in's Oewicht. Von frtiberen Versuchen, Maassbestimmungen im kugenrunde mit Mikrometern anzustellen, abgeschreckt, sah ich reich gteich bei Begnn meiner Untersuchungea nach einem andern Mittel, geringere Differenzen wahrzu- nehmen, urn.

Bekanntlich zeigen die grJsseren Venen und fast ~tmmtliche Arterien auf ihrer Mitre einen liehten Streifen. Dieser Streifen erkI~irt sich nach van T r i g t und v. J a e g e r dadureh, dass die senkreeht auf die eytindrisehen (lefiiss~iinde auffallenden Strahlen senkrecht wieder re- flectirt werden, w~thrend die ausserhalb der Mitre des Cylinders anffallenden Strahlen, seitwirts abgelenkt veerden. Mit dieser Erldirung stimmt, dass tier Reflex

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je nach der Stelluag unserer Gesichtslinie waadert. Betrachtetm an das Gef~ss nicht yon vorn, sondern yon der Seite, so weicht der lichte Streifen gleichfalts zur Seite. Es stimmt ferner damit, dass er an den Venen weniger deutlich ausgepr~gt ist, als an den Arterien. Die Venen- ~.andung ist dtinner und reflectirt daher weniger Licht. Es stimmt endlich damit, dass der lichte Streifen an den ¥enen weniger scharf begrenzt ist, als an den Arterien. Der Blutdruck in den ¥enen steigt nicht so hoch wie in den Arterien, die Yenen behaupten daher dem intra- ecularen Drack gegentiber nieht ihre cylindrische Form, sondern werden etwas abgeflacht. Dieser Ansicht stimmt auch M a u t h n e r bei. In einer sp~teren Publication giebt abet J a e g e r die Idee auf, dass das Licht yon den Ge- fi~sswandungen reflectirt werde, uad bezeichnet die Blut- s~nle in den Gef~tssen als den reflectirenden Spiegel.

Dieser ErkIiirungsweise ist lL L o ri n g in New-York entgegengetreten (Arch. f. Augen und 0hrenheilkunde II. p. 202), welcher den lichten Streifen nicht durch :Reflexion, sondern durch Refraction zu Stande kommen t~tsst. Es ware dann der lichte Streifen in der Mitte der Gefasse dcr optische Ausdruck eines Cylinders fiir durchfatlendes Licht. Abgesehen davon, dass die der betreffenden Abhandlung zur Illustration des Ganges der Lichstrahlen beigegebene Zeichnung unrichtig ist, tassen sich durch diese Annahme ebenfalIs die oben er- wiihnten Thatsachen erkl~iren. Aendert man seine Stel- lung zu einem durchleuchteten Cylinder, so ~,ird sich die Lage der Stelle des Hintergrandes, yon welcher Licht durch den Cylinder hindurch in's Auge f~llt, eben- falls andern. Je dicker die Gef~tssw~tnde sind, and je mehr Widerstand das Gef~ss dem intraocul~tren Druck entgegensetzt, desto cylindricher wird das Gef~tssrohr sein, und desto regelm~ssiger natiirlicher das Licht durch dasselbe gebroehen werden.

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Untersucht man das Nesenterium des Frosches bei durchfallendem Licht, so sieht man, wie alas gar nicht anders zu erwarten ist, an den Arterien sowohl, wie an dan Venen, in der Mitre gelegene lichtere Streifen, welche often- bar durch die brechende Kraft der cylindrischen Gei2sse zu Stande kommen. Wir versuchten nun die Beobachtungs- weise derjenigen, wie sie bei der Untersuchung der Netz- haut mit dem Augenspiegel stattfindet, dadurch ~hnlicher zu machea, dass wit das Netz yon oben beleuchteteno Wit stellten den Yersueh zunachst so an, dass wir yon einer hellbrennenden Glaslampe das Licht durch eine Sammellinse auf das Mesenterium fallen liessen. Ob- wohl wir nicht sahen, was wir zu sehen dachten, so bot sich uns doch eine so fiberaus prachtvolle Erseheinung dar, dass ieh sie kurz beschreiben will.

Das in den Gef~ssen, sowohl Venen als Arterien, kreisende Blur wird yon dem concentrirten Licht durch- leuchtet, und in dem Strom yon Blutktigelchen blitzer~ ununterbrochen kteine helle Punkte auf, was wahr- scheinlich immer dann zu Stande kommt, wenn eia Blutkiigelchen gerade so gelagert ist, dass es das Licht durch totale Reflexion in die Richtung der Aehse des Mikroskops reflectirt. Bei gewisser Richtung der Be- leuchtungsquelle reflectirt die Arterienwand, welche scheinbar naeh der Seite des Liehtes zu liegt, helles Licht, so dass die Wand wie ein lichter Streifen aussiehto In Wirkliehkeit ist dies also die yon der Lichtquelle ab- gewandte Wand der Arterie.

Aenderten wir den Yersuch in der Weise ab, dass wit das Licht nahezu horizontal auffallen liessen, so wurde vorzugsweise die untere Wand des Gef~sses er- leuehtet, oder vielmehr reflectirte diese Wand das Lich~ in die Achse des Mikroskops.

Wollte man die Bedingungen herstetlen, wie sie bei tier Augenspiegeluntersuchung vorhanden sind, so mtisste

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man das Licht in der Richtung der Achse des Mikroskops auf das Object fallen lassen. Man kSnnte dazu entweder ein Prisma oder einen Spiegel am Mikroskop selbst be- nutzen, oder ein Prisma oder einen Spiegel unmittelbar neben dem Mikroskop aufstellen.

Ich kann also die Frage, welche yon L o r i n g neu ~ngeregt ist, nicht entscheiden. So viet li~sst sich jedoch auch schon nach meinen Versuchen sagen, dass die Lor ing ' sche Erkt~rungsweise durch das Experiment nur gestiitzt wird, w~thrend ftir die Zuliissigkeit der J a e g e r ' s c h e n Erkl~rung der experimentelle Beweis erst gefunden werden muss.

Richtet man nun seine Aufmerksamkeit auf die Breite des lichten Streifens, so kann man an demselben, wenn man eine Stelle unmittelbar vor einer Theilung fixirt, wiihrend der tterzsystole eine Verbreiterung wahrnchmen. Eia solches Breiterwerden des lichten Streifens spricht abet ftir sich allein noeh nicht ftir eine Zunahme des Gef~sses tiberhaupt in der Dicke. Ware der lichte Streifen als ein Reflex yon der anderen Arterienwand aus anzuschen, so kSnnte mit einem Flacherwerden der Arterie oder des Gefiisses auch allein schon, ohne ¥olumenzunahme, das Breiterwerden des Reflexes erkD.rt werden. Und zwar mtisste dies, das Breiterwerden, auf Kosten der zwei seitlichen rothen Streifen eintreten. Es ist daher nSthig, gleichzeitig die Aufmerksamkeit auf die Breite der zwci rothen Streifen zu richten. Thut man aber dies, so tiberzeugt man sich leicht, dass gleichzeitig mit dem lich~en Streifen auch die seitlichen rothen Streifea breiter, jedenfalls nicht schm~ler werden. Diese Be- obachtung liisst sich aber nicht anders cIeuten, als dass der Cylinder als Cylinder an Durchmesser zugenommeu babe; und zwar wtirde sowohl die J a e g e r ' s c h e als die L or ing'sche ErkI~rungsweise damit iibereinstimmen. Will man daber die Frage entscheiden, ob Schwankungea

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im Caliber der Netzhautarterien vorkommen, so empfiehlt es sich nicht bios, sondern es ist geradezu nSthig, seine Aufmerksamkeit auf die Breite der rothen and lichten Streifen zu richten.

Es ist begreiflich, dass alle diese Untersuchungen uad Beobachtungen immer yon ls!euem wieder Veran- lassung gaben, auch die vielfach besplochenenOund dis- cutirten Erscheinungen wieder yon Neuem zu nnter- suchen, welche au den Gefiissen des Opticus bei ver- mehrtem intraocul~tren Druck auftreten. Eine besondere Veranlassung wurde dazu ausserdem noch dutch die Arbeit yon Dr. H. B e r t h o l d (Klinische Monatsbl~ttter yon Z e h e n d e r , 1870, Ausserord. Beilageheft) geboten.

Ich fiihrte oben schon aus, dass sowohl der soge- nannte Venenpuls als der Arterienpals bei Glaukom und ~usserem Druck auf das huge nur uneigentlich mit dem ~amen ,,Puls" belegt werden kann. Der hrterienpuls ist nichtsAnderes als ein interraittirendes Einstriimen des ar- teriellen Blutes in's huge, der sogenannteVenenpuls ist her- vorgerufen dutch den ungleichen Druck, unter welchem ztt -¢erschiedenen Zeiten einer Welle das Blur in den hrterien steht. Er zeichnet gleichsam die Curve des schwankenden Drucks in den Arterien und dient als Regulator fiir den intraoculfiren Druck.

Die Differenz, welche beztiglieh der Erkli~rung des ~:enenpulses zwischen D on ders und Cocc ius besteht, und weIche eben yon B e r t h o l d neuerdings wieder scharf formulirt ist, llisst sich, wie mir scheint, an der Hand der bisher bekannten Thatsaehen nicht beseitigen. D o n d e r s ist der Ausicht, dass in dem Momente, wo die Yene blass wird, die Yene leer und das Btut in das Augezurtickgestauht werde. Cocc ius und B e r t h o l d werfen dagegen ein, dass in einem solchen Falle Ver- ~nderungen im intraocularen Druek entstehen wtirden, welche ohne l~achtheil ftir das 8ehen nicht ertragea

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~,erden k5nnten. Sie konnten dabei auf die yon Don. d e r s mitgetheilte Thatsache hinweisen, dass in dem Momente, wo der arterielle Zufluss unterbrochen wird, das Gesichtsfeld dunkel und das Sehen aufgehoben wird. Aus dem Grunde sprechen sie sich dahin aus, dass beim Blasswerden der Venen das Abflussrohr nur verengt werde, also eine Stromschnelle entstehe, durch welehe das Nut gerade mit erhShter Geschwindigkeit abfliesst. Abgesehen davon, dass man direct beobachten kann, wie beim Blasswerden der Vene auf der Papille in dem be- nachbarten Stiick der Vene in der Netzhaut das Blur gestaut wird, muss zugegeben werden, dass das Blass- ~'erden der ¥ene Beides bedeuten kann, sowohl ein volI- st~ndiges Leerwerden, als auch, dass nur ein sehr schmaler Strom Blut hindurch fliesst. Eine sehr dfinne Schichte Blur wird eben ~'or dem rothen Hintergrunde de~ Auges nicht mehr in tother Farbe erkannt werden, und man darf dabei nicht ausser Acht lassen, dass auch die Sehnervenpapille der vieleu in ihr verlaufenden Capillaren wegen eine rSthliehe Farbe besitzt.

Es muss ferner, wie mir scheint, zugegeben werden, dass in dem Raisonnement yon g e m o r s k y und B e r t h o l d sehr viel Ueberzeugendes liegt. Man kann sich in der That nicht vorstellen, dass bei jeder Herzsystole eine erhebliehe Zunahme des intraoeulf~ren Drucks eintreten sollte, uncl der Vergleieh, den B e r t h o l d zwischen der SehadelhShle und dem Augeninneren anstellt, erscheint sehr sehlagend. Trotzdem liegt nichts Zwingendes vor, um anzunehmen, dass der Ausgleieh gerade durch die Netzhautvenen gesehehen masse. Sehon yon D o n d e r s ist gelte~d gemaeht worden, dass die Vermehrung des intraoeularen Drueks bei der Herzsystole nieht blos dureh die Centralarterie, sondern auch durch die hintem und selbst die vordcrn kurzen und langen Ciiiararterien bedingt werde. Er hat, wenn aueh sehr vorsichtig,

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anf die Miiglichkeit hingewiesen, dass bei dem Ausgteich tier Druckschwankungen im Innern des Auges die Venen der Aderhaut eine Rolle spielen kiinnten. Bei seinen Gegnern hat diese ¥ermnthung nicht viel Beifall ge- funded, hus diesem Grunde schien es mir nicht un- ~,ichtig, zu untersuchen, ob sich durch den Yersuch irgend welche Anhaltspunkte ffir die Anschaaung yon Donders gewinnen liessen. Ich habe aus dem Grunde an einer sehr grossen Anzahl yon Augen die Druckver- suche wiederholt und dabei zuniichst gefunden, dass in nmnchen Augen ein Venenpuls tiberhaapt gar nieht her- vorzurufen ist, dass in anderen, und ihre Zahl ist grSsser, die Venen erst leer werden, nachdem der Arterienpuls schon lange Zeit besteht, und dass in solchen Augen mitunter eine eigentliche Pulsationser- scheinung der Venen auch gar nicht sigh einstellt, son- dern nur sehliesslich bei enorm gesteigertem Drucke die Yene, nachdem es schon mit der Arterie frtiher der Fall war, an der Ausflussstelle comprimirt wird. In den meisten F~llen freilich ist entweder spontaner Yenenpuls vorhanden oder er l~sst sich dureh leisen Druck mit dem Finger hervorrufen, bei weiterer Steigerung des Druckes tritt Arterienpu]s auf, und endlich werden Arterie sowohl wie Vene vollstitndig blass.

Diese grosse Verschiedenheit im Verhalten der Netz- hautgefi~sse gegen iiusseren Druck auf das Auge war mir schon lange bekannt. Trotzdem habe ich im letzten Jahre diese Versuche in ausgedehntem Maasse wiederholt. Zunachsi~ habe ich alle mir zug~ngliehen Herzkranken nntersllcht, indem ieh hoffte einen Schltisset ftir dieses -~erschicdene Verhalten besonders der Venen gerade bei CirenlationsstOrungen in Folge verschiedener Kla ppen- Fehler zu finden. Sp~ter hielt ieh es ftir mSglich, in Besonderheiten der Gefi~s~vertheilung die Ursache dafiir zu entdecken; ~ber weder das Eine noch das Andere ist

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mir gelungen. Ich kann duher nur die eben angeffihrtea Thatsachen hinstellen, will aber denselben noch einige andere Beobachtungen hinzuftigen.

Zunaehst muss ich der verbreiteten hnsicht ent- gegentreten, als pulsire die eine Hauptvene haufiger als die andere, So dann muss ich erkl~tren, dass ich hiiufig mehrere Venen auf der Papille zu gleicher Zeit habe 1)ulsiren sehen, und endtich kommt es gar nicht seltea vor, dass sich das Pu]siren der Venen fiber die Grenzen tier Papille hinaus verfolgen l~tsst.

~och eine andere Beobachtung mag bier ihre Stelte finden. Nach dem auch yon mir schon erwithnten ~usspruch yon D o n d e rs sell das Auftreten yon Arterien- louls bei Druck mit dem Finger sofort und immer mit einer Yerdunkelung des Gesichtsfeldes einhergehen. Bei Inir selbst ist das such in tier Regel der Fall. Ich babe .aber, nicht einmal selten, Leate gefunden, bei denen der Beobachter den eclatantesten Arterienpuls sah, ohne dass der Untersuchte auch nur eine Spur yon Verdunkelung des Gesichtsfeldes bemerkte, und auch ohne dass bei l~nger fortgesetztem, aber nicht gesteigertem Druck eine solche ¥erdunkelung eingetreten w~re. Weil die Angabe ~on D end e r s iiberall citirt und als ausnahmlos richtig bezeichnet wird, ist es mir angenehm, den Namen meines friiheren Collegen, Dr. A. Reuss , als den sines Mannes anftihren zu dtirfen, in dessert Augen dieses Verh~tltniss stattfindet.

Diese so sehr verschiedenen Verh~itnisse in Bezug auf das Auftreten und die Folgen der Netzhautputsatioa bei Druek mit dem Finger lassen wohl kaum einen anderen Schluss zu, als dass noch andere Faetoren vorhanden sein mtissen, welche die Schwankungen im intraoeul~ren Druck ausgleichen. Untersuchte ich Augen albinoti- scher Kaninchen un(I richtete racine Aufmerksamkeit auf die Eintrittstellen der hinteren Ciliararterien und

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die Austrittsstellen der Vortexvenen, so fiel es mir auf, dass es nieht gelingt, die Vortexvenen an ihrer Austrittsstelle blass werden zu sehen, wiihrend das intermittirende Ein- strSmen ~on Blut in den hinteren Ciliargef~issen leicht und in prachtvolIer Weiss zu beobachten ist. Ich will nicht unterlassen ausdrticklieh zu bemerken, dass ich bisher nur ~'ier verschiedene weisse Kaninchen, diese allerdings zu verschiedeuen Zeiten und zu wiederholtea Malen, darauf bin untersucht habe. Ich will daher da- raus aach nur sehliessen, dass sich die Venea der Ader- baut anders ~erhalten als die Netzhaut- nnd Optieus- Venen. Ich glaube aber, in dem Mitgetheilten hinl~tng- lichen Grand zu haben, in noch viel hSherem Grade, als D o n d e r s es gethan hat, die anderen venSsen Abfltisse des Auges bei der Erkttirung des sog. Venenpulses heranzu- ziehen. Es liegt auch in der That gar kein Grund vor, dieses nicht za than. In der grossen Mannigfa!tigkeit yon MSglichkeiten, die dadurch geschaffen sind, iiegt dana wohl die ErkI~;rung, waram der Venenpuis auf der Papille bald siehtbar ist, bald nieht; warum, wenn er siditbar ist, die Vene bald vollst~ndig leer zu werdea scheint, bald auf der tlShe der Ersehsinung einen schmalen rothen Streifen erkennen lisst; waram endlieb, und hierauf mSehte ieh das meiste Gewieht legen, beim Drnek mit dem Finger auf das Auge bald tier Venem puls vor dem Arterienpuls, bald dieser vor jenem auf- tritt und in manehen, Nlerdings selte,'~en Fallen der Venenpuls gberhaupt gar nieht hervorzurufen ist.

Auf Seite 212 habe ieh einer Beobaehtung Erwihnung gethan, die ieh an keinem anderen Patienten wieder ge- maeht habe, nimlieh des vollstindigen Erblassens der Arterie wihrend der DiastoIe. Es ist wohl kaum anders mSglieh, ats (lass in diesem sehr exquisiten Falle yon Aorteninsufficienz die Spannung des Bulbns der Grenze nahe war, bei welsher sin intermittirendes EinstrSmen

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arterietlen Btutes in's Auge aufgetreten w~re; wenigsten~ lasst s~:ch aus der Aorteninsuffieienz allein ein vollst~n- diges Leerwerden einer Arterie wahrend der Diastole des Herzenz kaum erkl~ren. Es miisste denn sein, dass die Knickung der Arterie beim Uebergang in die Netz- haut unter den dutch die Aorteninsuffieienz ver~ndertel~- Umst~nden diese auffalleade Folge h~tte.

Ich will diese Gelegenheit nieht vortlbergehen tassen, ohne darauf hinzuweisen, class ieh naeh dem, was ieh oben fiber das Auftreten vou Venen- und Arterienpuls bei gusserem Druek angefahrt babe, wenig geneigt bin~ ein teiehteres Auftreten des intermittirenden Arterien- pulses als far die Erkenntniss des Prodromalstadiums bei Glaueom werthvoll zu halten (v. Gr~tfe, ~ergto N a u t h n e r , I). 232).

In Bezug auf einen anderen Punkt muss ieh da- gegen reich ganz entschieden auf die Seite yon Mau thne r stellen, wens er (pug. 245)far die Siebtbarkeit der Ge- fgsswandungen selbst auf der Netzt~aut und in der Papille sieh ausprieht. Ieh ham sic nieht btoss bei Herzkranken, sondern in neuester Zeit, so ieh eben besondere Auf- merksamkeit darauf geriehtet habe, auch in vielen normalea Augen erkennen kOnnen. Bei Aorteninsuffieienz alter- dings sind sic fast immer zu sehen. In Fall 10 waret~ ausserdem alle grSsseren Gef~sse, besonders auf und in tier Naehbarschaft der Papille, yon einem Strick- und Netzwerk weisser FS.den begleitet, die kaum anders denn als auf entzfindliehem Wege neugebildetes Bindegewebe auf- gefasst werden kSnnen. Es lasst sich denken, dass durch die bestgndige Locomotion auf die den GefS.ssen zunaehst liegemen Theile geradezu ein tleiz ausgeiibt wird, der zurEntztindung fahrt. Deshalb wfirde es sieh empfehlen, die Netzhaut yon Individuen anatomiseh zu untersuehen, welehe an Aorteninsnffieienz gelitten haben. Auffallend bleibt es dabei, dass diese dem fremden Beobaehter auffSlliger~

V. Graefe 's Archlv f~ir Ophthalmologle~ XVIIr~ 1. 19

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Pulserscheinungen in der Netzhaut gar keine subjectiven Gesichtsempfindungen hervorrufen. Herr Pug in hat trotz eingehender Besch~ftigung mit diesem Gegenstand durchaus gar nichts an sich wahrnehmen kSnnen, was .damit in Zusammenhang stehen kSnnte.

Mit einem gewissen Missbeh~gen muss ich zum Schlusse eine Erklgrung wiederholen, die schou auf dem Heidelberger Ophthalmologencengress des vorigen Jahres den Widerspruch des Prof. Schmid t hervorgerufen hat. ©bwohl ich im Uebrigen Alles, was H. Qu incke in seinen kurzen Mittheilungen anfahrt, best~tigen kann, so bin ich auch heute noch nicht im Stande, das yon Quin cke beschriebene systolische ErrStheu und diasto- tiche Erblassen der Papilla, welche er als Zeichen einer Capillarpulsation deutet, wahrzunehmen. Dr. Qu incke war so freundlich, mir die Erscheinungen des Capillar- pulses an der Haut und am Nagelbett zu demonstriren, so dass mir die Erscheinung selbst jetzt bekannt ist. Ich habe mir seitdem durch leichtes Kratzen der Haut die Erscheinung bei Lenten, welche an Aorteninsufficienz leiden, wiederholt hervorgerufen und h~be dann bei den- selben Individuen die Augen untersucht, und trotzdem ist es mir weder im aufrechten noch im umgekehrtea Bilde gelungen, reich yon der Existenz der yon Quincke beschriebenen Erscheinungen zu tiberzeugen.

~ c h t r ~ g e .

Noch ehe die vorstehende Arbeit gedruckt ist, sehe :ich mich veranlasst, derselben einige Nachtrgge hinzu- zuftigen.

1. Ich kanu kS mir nicht versagen, die Aufmerksam-

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keit darauf zu lenken, dass E d u a r d v. Jaeger wahr- :scheinlieh schon im Jahre 1854 die in Rede stehende Erseheinung beobaehtet hat. In seinem ophthalmos- t:opischen Itandatlas (Wien 1869) finder sich in dem Texte zu Figur 52 auf Tafel X., pag. 75 folgende Stelle:

,,Whhrend der ersten Zeit der Beobachtung zeig- ten sich constant Putsations-Ph~nomene an s~tmmtliehen l~etinalarterien sowohl innerhalb als unmittelbar ausser- 5alb des Sehnervenquersehnittes, wie aueh t~ber einem grossen Theil des ~lbrigen Augengrundes - - und hier besonders auffatlend an den sehw~eheren Arterien. Die Pulsationserscheinung gab sich kund als eine sehr rasche~ allenthalben gleiehzeitige, hoehgradige, dem Gef~sslumen entspreehende Erweiterung s~tmmttieher Arterien, welche etwas tier Diastole der Arteria radialis postponirte; in tier grSssten Erweiterung verharrten die Gef~sse einige Momente unter seheinbar leiehten Sehwankungen, unter einer zitternden Bewegung ihrer seitliehen Begrenzungs- linien (d. i. tier rothen Bluts~tulen), wonaeh allm~lig eine gleiehzeitige und gleiehm/~ssige Abnahme der Querdureh- messer s~mmtlieher Arterien eintrat. Unmi~telbar dar- auf, d. i. ehne Zwisehenpause, entvdekelte sieh danu wieder die n~ehste rasehe Erweiterung. Naeh Monaten s'ersehwanden die Pulsations-Ph~nomeue vollkommen und konnten nur kfinstlieh dureh einen auf die ausseren Theile des Auges angebraehten Druek wieder hervor- gerufen werden."

Fig. 52 stellt eine glaueomatSse Excavation dar und findet sich auch sehon in den ,,Beitr~gen zur Pathologic des Auges," Wien 1855, auf Tar. XIX in grSsserem Maassstabe abgebildet. Die dort beigeft~gte Krankheits- geschichte ist im Uebrigen fast gleichlautend, nur der Schlusssatz ist auffallender Weise viel kt~rzer gehalten. Er lautet:

19,

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.W~hrend der ersten Zeit der Beobachtung zeigte~ sich an s~mmtlichen Retinalarterien sowohl innerhalb des Querschnittes als auch fiber einem grossen Theil des tibrigen Augengrundes, and hier besonders auffalleld an den schw~tchsten Arterien, constant Pulsatioas-Ph~nomene; naeh ~Ionaten jedoch verscbwanden sie ~ollkommen and konnten nur durch einen Druck auf die ~usseren Theile des Auges wieder hervorgernfen werden."

Die spStere Mittheilung ist also viel ausf~hrlicher als die frtihere. Ich hoffte nun in den unter der ietzten Nittheilung angebrachten Citaten darttber Aufkl~rung za erhaltem In den beiden Ietzten finder sieh abet niehts darfiber, und das erste Citat:

,,S. m. Vortrag: Ueber die sichttiehen Blutbe- ,.~

wegnngen im mensehliehen Auge; in der Slozung der reed. Faeult~tt am 15. Jaauar 1854, abgedruekt in der Zeitschrift der Wiener reed. Faeult5ot"

ist unriehtig; wenigstens war im vorigen Herbste weder tier Bibliothekar der Gesellsehaft der Aerzte in Wien, noeh der ~egistratursdiener der med. Faeutt~t im Stande, mir eine dem Citat entspreehende Nammer der Zeit~ schriften bender Corporationen naehzuweisen. Schon vor-. her hatte ieh reich brieflich an 17;. v. J a e g e r gewendet, mit der Bitte, mir einen Separatabdruek jenes Vortrages zukommen zu lassen; Prof. v. J a e g e r konnte aber meiner Bitte nieht entspreehen.

Aus der Krankengesehiehte zu Fig. 52 geht nun zwar nieht hervor, dass die betreffende Patientin mSg- lieherweise an Aorteninsufficieaz gelitten haben kSnnte; vetgleieht man aber unsere Besehreibungen, so drgngt sieh unwittk~irlieh der Gedanke auf, dass wit Beide das- selbe Phgnomea gesehen haben. Vom Glaucom kann man wenigstens die Erscheinung nieht gut abIeiten, da man bisher in keinem anderen Falle (vergl. Mauthner ,

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:293 '

ling. 333) den bei Glaneom auftretenden spontanenArterien- puls sich bis in die Nstzhaut hat erstrecken sehen.

2. Versuchs an Hunden haben reich in letzter Zeit genauer, als es bisher der Fall gewesen war, mit den ~on van T r i g t entdeckten und non D o b r o w o l s k y so eingehend untersuchten und beschriebenen (Centralblatt, 1870, pag. 305) CirculationspMnomen auf der Papille des Hundes bekanut gemacht. Die Unabhangigkeit der in Rede stehenden Erscheiuungen non der Herzeontraetion und der Respiration ist unzweifelhaft. Andererseits mSchte ich es noch nieht f~lr voltst~indig bewiesen er- achten, dass die Ursache der Erscheinung in dem dutch Contraction der ~iusse~,n Augenmuskeln vermehrten intra- oeuliirsn Druek, w i s e r die Augenbewegungen bsgleitet, liege. Wenigstens habe ieh die Erseheinung am aller- deutliehsten bei einem dureh Morphiuminjeetion bis za absoluter Bewegungslosigkeit narkotisirten Hunde, dem ieh die Aortenklappen durehstossen hatte, beobaehtet. Ieh wilI mit Anftihrung dieser einen Beobaehtung nieht grads einen Widersprueh gegen die Ansieht yon Dobro- w o l s k y erheben, sondern theile sic nur mit, well ieh in meinem Falle yon der absoluten Bewegungslosigkeit des Hundes iiberzeugt bin und well ieh in dsr Arbeit yon D o b r o w o l s k y den Umstand nieht bertieksichtigt finde, dass dureh die Opiuminjeetion doeh wahrsehein- lieh der Aeeommodationsmusket in Contraction versetzt gewesen ist. Zur Beurtheilung meines Falles will ieh noch hinzuffigen, dass die Augen des Handes atropinisirt und die Pupillen wait waren. Es bestand also absolute L~ihmung der ~iussern Augenmuskeln, Lhhmung der Pupille, in der Iris und im CiliarkSrper miissen sieh aber jedenfalls die antagonistisehen Wirkungen des Atropins und Morphiums geltend gemaeht haben, und unter diesen Yerhaltnissen war das in Rede stehends PWinomen in eelatantem Grads vorhanden.

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3. Es kSnnte aufgefalten sein, dass ich in den SeRe 287 besgriebenen Druekversttchen bei albinotischen Kaninchen der Beobachtungen '+on Li e b r e ich (Graefe's Arela. IV., 2, loag. 294) nieht Erw'~hnnng gethan habeo Lie b r e i c h giebt daselbst an, dass ,sieh an vielen Stellen der Chorioidea, namentlieh an den kegelf~rmig zuge- spitzten UrsNtingen der Venen, die sieh dadurch sehein- bar hiiufig verkt~rzen, ein plStzliehes Erblassen zeige." Das eigentliehe Phanomen tier Circulation des Blutes hat er abet unmittelbar vorher in der Weise beschrieben~, class es vorzugsweise (oder aussehliesslich) in kurzen Verbindungszweigen zweier neben einander verlaufender Yenen auftrete. Aus der Beschreibung ist es mir nieht ganz klar geworden, was L i e b r e i e h unter den ,,zuge- spitzten Urspriingen der Venen" versteht. Meine Be- schreibung and Beobachtung beziehen sieh allein auf die grossen St~mme der 4 Vortexvenen, and habe ieh die- selben in der bestimmtesten Weise yon den eintretenden zahlreicheren Ciliarterien unterschieden.

4. Auch nach Absehtuss der vorstehenden Arbeit babe ich, weil es mir keine Ruhe liess, dem yon Q u i n k e beschriebenen systolischea ErrSthen und diastolischen Erblassen der Papille naehgeforseht. Es ist mir dean endlieh aueh gelungen, das Phanomeu zu beobaehten, und obgleieh ieh dadureh gezwungen bin, meinen fraherea Widersprueh zuriiekzunehmen, so freut es mieh doeh, dass ieh jetzt aueh diese Angabe yon Quinke best~ttigen kann und reich also jetzt mit ibm und Prof. S e h m i d t in allen wesentlichen Punkten in Uebereinstimmung be- finde. Zur Saehe selbst babe ieh Folgendes hinzu- zufiigen.

Ich habe das Ph~nomen bisher nur in einem and zwar sehr hochgradigen Falle gesehen, and zwar zuerst in der Weise, dass nut unmittelbar ~,or tier Systole in der Mitre der Papille dureh den Theil derselben, weleher

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die etwas schr~g ein- uad ~ustretende Arteria und Ven~ centralis verdeckt, ein scheinbar aus der Tiefe kommen- des Aufsteigen eines rothen KSrpers auffiel. Die Er- scheinung erkl~rt sich dadurch, flass an dieser Stelle7 namlich in der Tiefe des 0pticus, unmittelbar bevor di~ arterielIe Welle in das Innere des Auges eintritt, dio Arterie anschwiltt. Sowohl nach der Erkl~rung voa D o n d e r s als yon Cocc ius muss aber gleichzeitig aa dieser Stelle ein Anschwellen der Centralvene stattfi~l,4em Ich gla~bte nun anfangs, in diesem Durchscheinen der Centralgef~sse die Erklarung ffir die yon Quinke be- schriebene Erscheinung gefunden zu haben, und wena ich es auch jetzt noch ftlr mSglich balte, dass in manchen Augen ~hnliehe VerhMtnisse das Ph~nomen leichter zur Ansehauung bringen, so h~be ich reich doeh gerade ia demselben Auge auf das Unzweifelhafteste davon tiber- zeugt, dass auch an Stellen des Sehnerven, durch welch~ hindurch die pulsirenden Centralgef~sse nicht hindurch- scheinen konnten, und wo keinerlei grSssere Geffi.sse ver- liefen, ein systolisches ErrSthen und diastolisches Er- blassen, also ein wahrer, eigentlicher Capillarpuls, statt- findet.

W~hrend man das Anschwellen der pulsireade~ Centralgef~sse auch bei der Untersuchung im umgekehrtel~ Bilde unschwer beobachten kann, babe ich bisher dea eigentlichen Capillarpuls nttr bei der Untersuehung im aufrechten Bilde wahrgenommen.

Leider habe icb seitdem nicht wJeder Gelegenheit ge- habt, Augen yon an Aorteninsufficienz leidenden Personen zu untersuchen, so dass sich meine Beobachtungen fiber den Capillarpuls auf der Papille bisher nur auf das eine Individuum erstrecken.

5. Die Schwierigkeit, die es mir gemacht hat, trotz, des besten Witlens und doch einiger Uebung im 0ph- thalmoscopiren den Capillarpuls der Papille wahrzu~

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nehmen, veranlasst reich noch zu einer weitern Bemer- kung. Es ist mir mitgetheilt worden, dass an einer vor- ztiglich geleiteten medicinischell Klinik die Assistentea sich Miihe gegeben haben, den Arterienpuls bei Aorten- insufficienz aufzufinden, ohne dass es ihnen gelungen w~re, unsere Beobaehtungen zu best~ttigen. Ieh will nun gar nieht annehmen, dass irgead Jeman4 daraus ¢Iaraus den Schluss ziehen kSnnte, unsere Angaben seien unrichtig, aber das Factum an sich hat eine nicht un- wiehtige Bedeutung. Die yon Quinke gefundenen That- sachen entziehen sieh der Beobachtung leicht, und meia eigenes Beisloiel beweist, wie sehwer es ist, selbst wenn man in der ttauptsache mit den Erscheinungen vertraut ist, alle Einzelheiten derselben zu erfassen.

Wenn damit aueh dem wissenschaftliehen Interesse, ~velehes die Sache bietet, kein Rintrag geschieht, so ist doeh nicht zu leugnen, dass ihrer praktisehen Bedeutung dadurch eigentlich die Spitze abgebrochen ist. Wet die bei Aorteninsufficienz in der Netzhaut und im Seh- nerven eintretenden Cireulationserseheinungen beob- achten will, muss sehr gettbt sein oder ein besonderes Gesehick zum Olohthalmoscopiren besitzen und muss ausserdem ~oeh eine betr~tchtliche Dosis guten }Villens mitbringen. W~hrend es h~ufig genug ~'orkommt~ class ein vom behandelnden Arzte t~bersehener 5Iorbus Brightii oder die Existenz eines Gehirnleidens aus dem Befunde am Auge erkannt wird, d~irfte es daher noeh lunge anstehen, bis einmal eine Aorteninsufficienz zuerst durch den Augenspiegel diagnosticirt wird.

H., 1~t. Nai 1872.